Die Schöne und der Bastard - Kapitel 8

~ Kapitel 8 ~

Auch wenn in Alston allmählich wieder eine gewisse Routine Einzug hielt, wie Sybilla durch das Fenster hörte, das ihr Portal zur Welt war, blieb sie weiter in ihren Gemächern. Das Stück Pergament, das Lord Soren ihr gebracht hatte, hielt sie die meiste Zeit über zusammengerollt in der Hand. Anstatt jemanden zu bitten, ihr den Text vorzulesen, verbrachte sie die nutzlosen Stunden damit, für die Seelen derer zu beten, die auf dem Pergament aufgeführt waren.

Für die Seelen derer, die ihretwegen gestorben waren.

Das Schlimmste an allem war, dass es ihr jetzt an Mut fehlte, ihre Gemächer zu verlassen und sich zu den Menschen zu begeben, die sich für sie eingesetzt hatten. Aber durch ihre Blindheit konnte sie ihnen auch nicht mehr so als Herrin dienen, wie sie es eigentlich sollte. Außerdem waren ihr mit der Ankunft von Lord Soren und seinen Leuten all ihre Aufgaben entzogen worden, die sie nach dem Tod ihrer Mutter für ihren Vater erledigt hatte. Und zusammen mit diesen Aufgaben waren ihr auch die Feste und alle Helfer weggenommen worden.

Nun herrschte hier ein anderer, dessen Leute über jeden Aspekt des Lebens in Alston wachten. Also saß sie nur noch in ihren Gemächern, wo sie sich vor all dem versteckte, was nicht mehr ihr gehörte, und wo sie sich auch vor den Leuten versteckte, denen sie hätte dienen sollen.

Sie konnte nicht mehr nähen und nicht mehr sticken. Sie konnte auch nicht mehr weben, was sie immer dann mit besonderem Eifer gemacht hatte, wenn sie von Sorgen gequält wurde oder keinen Schlaf finden konnte. Weben linderte ihre Rastlosigkeit und half ihr, sich zu konzentrieren. Wenn sie die Fäden hin und her bewegte, dann war sie in der Lage, um sich herum auch andere Muster zu erkennen. Jetzt dagegen konnte sie sich in keiner Weise mehr nützlich machen, sodass sie dasaß und betete … und sich immer wieder über eine Sache wunderte.

Seit dieser verheerenden ersten Nacht hatte Soren sie nicht wieder angefasst, und er war auch nie wieder auf seine Rechte als ihr Ehemann zu sprechen gekommen. Hatte er beschlossen, die Ehe nicht zu vollziehen? Wollte er sich von ihr trennen?

Sybilla rutschte auf ihrem Stuhl hin und her, sie fühlte sich vom anhaltenden Nichtstun erschöpft. Ihre Gedanken kreisten nun um diese Möglichkeit.

Vor seinem Angriff hatte sie vorgehabt, ihn zu bitten, sie zu ihrer Cousine ins Kloster gehen zu lassen. Da niemand da war, der einen Anspruch auf Alston geltend machen oder ihm seinen Anspruch streitig machen würde, hatte sie gehofft, dass sein Zorn auf ihre Leute sich verflüchtigte. Vielleicht wäre er ja jetzt damit einverstanden, wenn sie sich nicht gegen die Aufhebung ihrer zum Scheitern verurteilten Ehe aussprach.

Es war ihr gelungen, ein paar Goldmünzen in den Saum ihres Mantels einzunähen, die als Spende an das Kloster genügen sollten, um ihr dort Zutritt zu verschaffen. In diesen schwierigen Zeiten würde man ihr sicher einen Platz geben.

Als hätten ihre bloßen Gedanken seine Aufmerksamkeit erregt, hörte Sybilla gleich darauf die leichten, federnden Schritte des Jungen, den er zu ihr schickte, wenn er Nachrichten zu überbringen hatte. Der Junge blieb im Korridor vor der Tür stehen und redete mit dem einzelnen Wachmann, der dort noch seinen Dienst verrichtete, seit Soren ihr seine Erlaubnis gegeben hatte, ihre Gemächer jederzeit zu verlassen, wenn sie das wünschte. Dann klopfte der Junge an und trat ein.

„Mylady“, meinte er und korrigierte sich sofort: „Ich wollte sagen, ich wünsche Euch einen guten Tag, Mylady.“ Er arbeitete eindeutig an seinen Manieren, und offenbar hatte er jemanden, der sie ihm beibrachte.

„Raed of Shildon“, erwiderte sie in einem Tonfall, der unbeschwerter klang, als ihr eigentlich zumute war. „Ich wünsche dir ebenfalls einen guten Morgen.“ Warum sollte der Junge unter ihrer schlechten Stimmung leiden?

„Lord Soren lässt ausrichten, dass heute ein Bad zu Euch gebracht wird“, sagte er so bedächtig, als hätte er viel Zeit darauf verwandt, diesen Satz auswendig zu lernen. Welche Bedeutung diese Worte für sie und ihr Leben hatten, das konnte sich der Junge gar nicht vorstellen.

Ihre Dienerinnen verstanden sofort und gaben erschrockene Laute von sich, dann tuschelten sie miteinander. Sybilla lief ein eisiger Schauer über den Rücken, da ihr klar wurde, dass Lord Soren seine ehelichen Rechte einfordern würde … und zwar in der kommenden Nacht!

„Mylady?“ Der Junge räusperte sich und fügte hinzu: „Stimmt etwas nicht?“

„Nein, nein“, sagte sie hastig und schüttelte den Kopf. Es wäre unziemlich, wenn er zu seinem Herrn zurückkehrte und einen Bericht abliefern würde, in dem davon die Rede war, dass sie laut zu schreien begonnen hatte und dann in Ohnmacht gefallen war – auch wenn sie beides in diesem Moment am liebsten gemacht hätte. „Nein“, wiederholte sie mit etwas mehr Nachdruck, um nicht nur den Jungen, sondern auch sich selbst von ihren Worten zu überzeugen. „Gibt es sonst noch etwas?“

Er schwieg kurz, weil er wohl überlegte, ob da noch etwas war. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie er die Brauen zusammenzog und angestrengt nachdachte, ob er noch etwas anderes auswendig gelernt und auf dem Weg zu ihr vergessen hatte. „Nein, Mylady, das war die ganze Nachricht.“

Schlurfende Schritte verrieten ihr, dass er ging. „Raed?“

„Aye, Mylady.“

„Wie alt bist du?“ Wäre sie nicht blind gewesen, hätte sie sein Alter anhand seiner Größe schätzen können. So aber hatte sie keinerlei Vorstellung von ihm.

„Fast neun Jahre, Mylady. Ich wurde mehr zum Winter als zum Sommer hin geboren“, erwiderte er.

Sie nickte, aber ihr wollte nichts einfallen, was sie sonst noch zu ihm hätte sagen können.

Wortlos verließ er daraufhin ihr Gemach, blieb noch einmal kurz an der Tür stehen und ging dann nach draußen. Diesmal redete er auch nicht mit dem Wachmann, und gleich darauf lauschte sie seinen Schritten, die sich im Korridor rasch entfernten.

Wie seltsam es doch war, dass ihr bis jetzt noch nie das Echo aufgefallen war, das Schritte auf Holzboden warfen. Vom Hahnenschrei am Morgen und dem gelegentlichen Gesang der nachtaktiven Vögel bei Sonnenuntergang abgesehen war sie bis vor ihrer Erblindung ohnehin auf kaum ein Geräusch aufmerksam geworden. Jetzt dagegen waren die Geräusche das Einzige, was ihr etwas über die Welt um sie herum verriet. Die Betätigungen, die sie durch die Tür und das Fenster hören konnte, waren der einzige Hinweis darauf, dass das Leben auch ohne sie weiterging. Momente später stürmten dann auch schon ihre Dienerinnen auf sie los.

„Er lässt Euch ein Bad kommen?“, rief Gytha. „Ein Bad, Mylady?“

„Das ist eine deutliche Nachricht, Mylady“, ergänzte die stets praktisch denkende Aldys. „Es scheint so, dass er Euch mehr als nur dem Namen nach zur Frau nehmen will.“

Was sollte sie darauf erwidern? Sybilla nickte nur stumm und verspürte ein ängstliches und zugleich auch aufgeregtes Kribbeln im Bauch. All ihre Überlegungen hinsichtlich ihrer Zukunft wurden durch diese eine Botschaft hinfällig, eine Botschaft überbracht von einem kleinen Jungen, der keine Vorstellung davon hatte, welche Folgen diese Worte für ihr Leben haben sollten. All ihre Pläne, Soren eine andere Lösung schmackhaft zu machen, waren vergebens, und sie fand sich mit einem Mal auf dem Weg in ein Leben, das in jeder Hinsicht dem zuwiderlief, was sie ihm in aller Ruhe hatte vorschlagen wollen.

Ein Leben als Ehefrau.

Als Ehefrau eines Mannes, der ihr weniger Beachtung schenkte als seinen eigenen Leuten? Eines Mannes, von dem sie nur die gewalttätige, lautstarke Seite kannte. Eines Mannes, der … der ihren Körper und damit ihr Leben und ihre Zukunft für sich beanspruchen würde.

Sie schluckte mühsam, da die Furcht ihr die Kehle zuschnürte. Ihre Wangen glühten bei dem Gedanken daran, mit diesem Mann das Bett zu teilen, den sie hoch zu Ross auf der Anhöhe gegenüber der Feste gesehen hatte. Sie erinnerte sich noch gut an sein riesiges Pferd, auf dem er gesessen und noch imposanter gewirkt hatte. Und natürlich erinnerte sie sich noch an seine hünenhafte Statur, als er zu ihr ins Bett gestiegen war.

„Gibt es irgendetwas, das ich Euch erklären kann, Mylady?“, fragte Aldys leise, die nun dicht neben ihr stand. „Ihr wart noch sehr jung, als Eure Mutter starb, und vielleicht …“

Sybilla ließ ihr keine Zeit, auf Einzelheiten einzugehen. „Ich bin auf das vorbereitet, was ich zu tun habe, Aldys. Auf jeden Fall besser vorbereitet als beim letzten Mal, als das Entsetzen mein Handeln bestimmte.“ Ganz gleich, ob es zutraf oder nicht, Sybilla sprach diese Worte aus, um sich selbst und ihre Dienerin davon zu überzeugen. „Ich glaube, das Zimmer sollte bis heute Abend gereinigt werden“, sagte sie, um die beiden Frauen zu beschäftigen, damit sie nicht nur über sie nachdachten. „Wirst du dich darum kümmern, Aldys?“

Zuerst dachte sie, ihre Dienerinnen könnten beleidigt sein, dass sie an der Sauberkeit ihrer Gemächer zweifelte, doch sie widmeten sich ohne zu zögern sofort dieser Arbeit – ganz so wie von ihr erhofft. Nur eine beiläufig geflüsterte Bemerkung, die Sybilla dennoch hören konnte, machte sie stutzig. Gytha schien zu glauben, dass sie ihre Bedenken leise genug äußerte und Sybilla nichts davon mitbekam. Aber die bekam jedes Wort mit und konnte nicht anders als am ganzen Leib zu zittern.

„Ihre Blindheit könnte ein Gottesgeschenk sein“, raunte Gytha Aldys zu. „So muss sie wenigstens nicht sein Gesicht sehen, wenn sie mit ihm das Bett teilt.“

So sehr Sybilla sich auch dagegen sträubte, gingen ihr diese Worte wieder und wieder durch den Kopf, sodass sie sich selbst in die Litanei der Gebete aufnahm, die sie im Verlauf der nächsten Stunden sprechen würde.

 

Raed konnte die Herrin gut leiden. In Shildon hatte es keine Herrin gegeben, nur den Herrn, und der war ein Tyrann gewesen. Jedenfalls hatten sich das seine Eltern immer erzählt, wenn sie glaubten, dass er schlief. Aber er hatte nicht geschlafen, sondern aufmerksam zugehört und dabei erfahren, welche Angst seine Eltern vor dem Mann gehabt hatten, der auf dem Anwesen des alten Lord Eoforwic über sie geherrscht hatte.

Als er sich jetzt seinen weiteren Aufgaben widmete, geriet er ins Grübeln, weil er fürchtete, dass er die Botschaft nicht so gut überbracht hatte, wie es ihm lieb gewesen wäre. Die Worte, die er so oft wiederholt hatte, bis er sie auswendig konnte, waren der Grund dafür, dass die Herrin bleich geworden war und dass ihre Hände angefangen hatten zu zittern. Sein Magen tat ihm weh, wenn er an den Anblick der Herrin dachte. Die Blicke der beiden anderen Frauen in den Gemächern waren genauso unerfreulich gewesen.

Er rannte die Stufen herunter und legte eine Pause ein, um sich zu vergewissern, dass ihn niemand dabei beobachtet hatte, dann ließ er sich Lord Sorens Befehl noch einmal durch den Kopf gehen und erkannte seinen Fehler. Trotzdem verstand er nicht, wieso die Herrin so große Angst vor einem Bad hatte.

Zurück auf dem Hof, begab er sich dorthin, wo die Gefangenen die Mauer um die Feste herum reparierten. Die Feste war kleiner als die in Shildon, aber laut Larenz immer noch größer als die meisten hier in England. Larenz, der auf ihn aufpasste und ihm jeden Tag Aufgaben zuteilte, war mit der Armee des Invasorenkönigs über das Meer hergekommen. Es freute Raed sehr, dass er eines Tages der Knappe von Lord Soren sein würde, natürlich nur, wenn er seine Pflichten lernte. Und vielleicht würde er ja später, wenn er groß war, sogar irgendwann Ritter werden.

„Was ist los, Junge?“, fragte Larenz, als er näher kam.

Zunächst wollte Raed seinen Fehler nicht zugeben, aber Larenz hatte immer viel Geduld mit ihm, so wie früher sein Vater. Auch wenn Lord Soren ihm damit gedroht hatte, ihn zu verprügeln, war das bislang nicht vorgekommen. Stattdessen gab er ihm jeden Tag genug Essen, damit er nicht hungern musste, und am Abend ein warmes Nachtlager. Larenz hatte ihm gesagt, dass jeder Mensch Fehler machte und dass das nicht ganz so schlimm war, solange man daraus lernte. Als Raed nahe genug war, fuhr Larenz ihm mit der Hand durchs Haar, so wie der Junge es mit einem Hund des Müllers gemacht hatte, wenn er mit ihm spielen durfte.

„Alles in Ordnung?“, fragte Larenz. Er und die anderen Männer unterhielten sich in einer fremden Sprache, aber die meisten von ihnen konnten die hiesigen Wörter so deutlich aussprechen, dass er auch verstand. Nur ein paar von Lord Sorens Leuten taten das nicht, weshalb er ihnen befohlen hatte, es schnell zu lernen.

„Ich habe der Herrin die Botschaft überbracht, wie Lord Soren es mir gesagt hatte.“

„Und?“, fragte Larenz. „Was ist passiert? Hat sie ihm verweigert, ihre Gemächer zu benutzen?“

„Nein“, sagte Raed und schüttelte den Kopf. „Warum soll sie das machen? Er ist hier der Herr, ihm gehört alles.“ Für ihn war das alles völlig klar, nur wieso hatte Lady Sybilla das nicht verstanden?

Larenz lachte laut auf und schüttelte vergnügt den Kopf. „Junge, du hast keine Ahnung, was sich zwischen Männern und Frauen abspielt.“ Er kniete sich vor ihm hin, damit er Raed in die Augen sehen konnte. „Sag mir, was passiert ist.“

Raeds Hände waren nass geschwitzt, und er war voller Sorge wegen der Sache, die er der Herrin nicht gesagt hatte. Was würde Lord Soren mit ihm machen, wenn er davon erfuhr, dass sein zukünftiger Knappe seiner Pflicht nicht nachgekommen war?

„Ich habe ihr gesagt, dass Lord Soren heute ein Bad in ihr Gemach bringen lassen wird.“ Dann schluckte er und versuchte, Ruhe zu bewahren. „Aber ich habe vergessen, ihr zu sagen, dass das Bad für ihn ist.“

Wieder musste Larenz lachen, was andere auf sie beide aufmerksam werden ließ. Raed hoffte, das Gelächter sei ein Zeichen dafür, dass er sich keine Sorgen wegen seines Fehlers machen musste. „Soll ich noch mal zu Lady Sybilla gehen? Soll ich Lord Soren sagen, was passiert ist?“

Er würde die Prügel als Strafe für seinen Fehler hinnehmen, und er würde daraus lernen, wie er es ja auch sollte. Dann richtete sich Larenz wieder auf und fuhr ihm noch einmal durch die Haare, gleich darauf zog er ihn an seine Seite.

„Nein, Junge. Der größere Fehler wäre es, zwischen Lord Soren und Lady Sybilla zu geraten. Sollen die beiden das untereinander ausmachen.“

Raed lächelte und wollte Larenz’ Worten gerne Glauben schenken. Dennoch war er sich sicher, dass zwischen Lord Soren und Lady Sybilla etwas nicht stimmen konnte. Wenn die beiden genauso verheiratet waren wie seine Eltern, warum teilten sie sich dann nicht die Gemächer? Seit sie nach Alston gekommen waren, legte Lord Soren sich in dem kleinen Raum neben der Küche schlafen, und wenn er aß, dann zusammen mit seinen Leuten oder ganz allein. Lady Sybilla, die schwer verletzt worden war, blieb immer in ihren Gemächern. Keiner von beiden machte einen glücklichen Eindruck, und sie redeten auch kaum miteinander.

Wie eigenartig diese Adligen doch waren, ob verheiratet oder nicht. Ganz anders als die übrigen verheirateten Leute, die zusammenlebten und gemeinsam arbeiteten.

Vielleicht, so überlegte er, hatte sie ja auch Angst wegen Lord Sorens Aussehen. Ihm war es zuerst genauso ergangen, und es hatte eine Weile gedauert, sich daran zu gewöhnen. Ein paar Tage lang war es für Raed auch schwierig gewesen, aber jetzt störte er sich nicht mehr an den Narben, die eine Gesichtshälfte überzogen.

Hatte Lady Sybilla Lord Soren überhaupt gesehen, bevor sie erblindet war? Oder hatten die anderen schlecht über ihn geredet? Sie kam ihm nicht wie jemand vor, der sich schnell vor etwas fürchtete, aber er war ja auch nur ein kleiner Junge und sie kam aus einer wichtigen Familie hier oben im Norden. Das war sogar ihm klar.

„Raed, such nach dem Stallmeister und kümmere dich um Lord Sorens Pferd“, forderte Larenz ihn auf.

Sein Fehler konnte nicht zu schlimm gewesen sein, sonst hätte Larenz ihn nicht an seinen liebsten Ort von ganz Alston geschickt. Raed liebte die Arbeit mit den Pferden, und er konnte einfach nie genug davon bekommen, sich um Lord Sorens gewaltiges Ross zu kümmern.

„Wirklich?“, fragte er dennoch, um sich zu vergewissern, dass ihm tatsächlich kein schwerwiegender Fehler unterlaufen war.

„Aye, Junge. Geh jetzt“, bestätigte Larenz, und Raed kam dem Befehl auf der Stelle nach.

Er rannte los in Richtung der Ställe und drehte sich nicht einmal um, als er Larenz erneut laut lachen hörte.

 

Larenz konnte vor Belustigung nicht an sich halten, als er dem Engländerjungen hinterher sah, wie der davonlief. Er war ein guter Junge, er tat, was man ihm sagte, und er bemühte sich, Sorens Befehle nach bestem Können zu erledigen und hier in Alston ein neues Leben zu beginnen. Nicht einmal dann, wenn sich Soren von seiner übelsten Seite zeigte, konnte er dem Jungen Angst machen, während viele ältere und weisere Männer vor Schreck zu zittern begannen. Dieser Junge dagegen wich keinen Schritt zurück, und es war nicht zu übersehen, dass Soren daran Gefallen fand.

Larenz konnte ihn ebenfalls gut leiden, weil er willensstark und gutherzig war, obwohl er seine Eltern und sämtliches Hab und Gut verloren hatte, als Oremund das Dorf Shildon auslöschte, damit es nicht den Normannen in die Hände fallen konnte. Während er dem Jungen hinterherschaute, fühlte sich Larenz an die Zeit erinnert, als Soren noch in diesem Alter gewesen war. Er selbst war fast zwanzig Jahre älter als Soren, und er hatte einen Teil von dessen Ausbildung begleitet und später mit ihm unter William gedient, als der nach dem Thron von England griff.

Er entdeckte Soren, der mit Stephen und Guermont den Hof überquerte. Einen Augenblick lang fühlte er sich versucht, Soren von dem Patzer des Jungen zu berichten, doch dann entschied er sich dagegen. Sie alle mussten mitansehen, wie Soren und Lady Sybilla sich gegenseitig aus dem Weg gingen – er mit Vorsatz, sie aus anderen Gründen –, doch diesem Hin und Her musste ein Ende bereitet werden. Wenn sie beide nicht Frieden schlossen, würde Alston ein Schauplatz des Kampfs Angelsachsen gegen Normannen und Bretonen, Männer gegen Frauen, einfaches Volk gegen seine Herrscher bleiben. Alles hing von dem Verhältnis zwischen Soren und Sybilla ab, wenngleich die beiden davon noch nichts ahnten.

Vielleicht würde dieser ohne jeden Hintergedanken begangene Fehler die zwei näher zusammenbringen. Beide hatten vieles gemeinsam, und wenn sie ein Paar waren, würde der eine vom anderen lernen können.

Sicher, es würde Streitigkeiten geben, aber die ließen sich am besten aus dem Weg räumen, wenn Soren und Sybilla ihre Zeit gemeinsam verbrachten. Außerdem hatte er noch nie zuvor zwei so eng verwandte Seelen erlebt, die es mehr verdient hätten, ein Paar zu sein. Mit einem letzten herzhaften Lachen ging er davon, um sich seinen eigenen Aufgaben zu widmen. Er war fest entschlossen, den Mund zu halten, damit die beiden ihre Probleme gemeinsam lösten.

Gott möge ihnen allen gnädig sein, wenn sich dieser Versuch als Fehlschlag erweisen sollte.


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