Du sollst meine Prinzessin sein - Kapitel 10

~ Kapitel 10 ~

Leise schlüpfte Lizzy aus ihrem Zimmer, wobei sie vorsichtig den langen raschelnden Rock ihres Kleides anhob.

    Ben schlief. Seine übliche Schlafenszeit war längst vorüber, aber er hatte auch einer ausgiebigen Modenschau beiwohnen müssen. Er und Rico hatten auf dem Bett gesessen und zugesehen, wie sie ein Kleid nach dem anderen vorführte. So hatten sie entscheiden wollen, welches Outfit sie bei dem morgigen Fotoshooting tragen sollte.

    Bei dem Gedanken daran verspannte sie sich immer noch. Jean-Paul würde die Bilder machen. Sie wusste, er war ein Freund von Rico, dem dieser völlig vertraute.

    Dennoch war sie froh, dass Rico vorgeschlagen hatte, gemeinsam ein Kleid auszuwählen. Als sie endlich ein Kleid gefunden hatten, hatte er sie gebeten, es anzubehalten.

    „So kannst du dich an das Gefühl gewöhnen“, sagte er, bevor er in sein Zimmer eilte, um sich ebenfalls für das Abendessen umzuziehen.

    Das trägerlose altrosa Abendkleid mit seinen fließenden Röcken war ein Traum, aber für eine Villa am Meer kam sich Lizzy ein bisschen zu aufgedonnert vor.

    „Ah, da bist du ja.“

    Beim Klang von Ricos Stimme wandte sie sich um.

    Ihr stockte der Atem.

    Im sanften Licht der Terrassenbeleuchtung schlenderte er auf sie zu. Auch er trug Abendgarderobe.

    Er sah unglaublich aus!

    Der maßgeschneiderte dunkle Anzug betonte perfekt seinen schlanken Körper. Das frisch gewaschene Haar fiel ihm in die Stirn, und als er sich näherte, konnte sie den Hauch eines Aftershaves auf seinem rasierten Kinn wahrnehmen. Ihre Knie fühlten sich sehr weich an.

    Hilflos sah sie ihn an, unfähig, den Blick abzuwenden.

    Ein kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

    „Buona sera, Principessa“, sagte er leise, nahm ihre Hand und hob sie an seine Lippen.

    Sein Mund berührte ihre Fingerknöchel, und ihr war, als würden tausend Schmetterlinge in ihrem Inneren anfangen, mit den Flügeln zu flattern.

    Rico legte ihre Hand auf seinen Arm. Dankbar hielt Lizzy sich fest und ließ sich über die Terrasse führen.

    „Wir essen heute Abend im Haus. Es ist Regen angekündigt.“

    Abwesend blickte sie zum Himmel hinauf, im Westen zeigten sich bereits die ersten Wolken.

    Sie betraten ein Zimmer, in dem sie noch nie zuvor gewesen war. Allerdings verstand sie jetzt, warum er auf Abendkleidung bestanden hatte. In der Mitte des Raums stand ein großer Glastisch, dessen Rand mit goldenen Verzierungen versehen war. Ein prunkvoller Kristalllüster hing von der Decke und tauchte das Zimmer in warmes Licht. Überall an den Wänden waren Spiegel angebracht.

    „Es ist ein bisschen überladen“, erklärte Rico trocken.

    Jetzt führte er sie zu ihrem Platz und rückte ihren Stuhl zurecht. Kaum hatte er sich ebenfalls hingesetzt, ertönte das Knallen eines Champagnerkorkens. Ein Angestellter schenkte ihre Gläser ein.

    Rico hob sein Glas zu einem Toast.

    „Auf uns“, sagte er. Sanft senkten sich seine langen Wimpern über die dunklen Augen, und wieder spürte Lizzy die Schmetterlinge in ihrem Bauch.

    Das Essen verlief wie im Traum. Die schweigenden flinken Angestellten stellten Teller vor sie hin und entfernten sie wieder, ohne dass sie etwas davon mitbekam. Eins nach dem anderen wurden die verschiedenen Gläser vor ihr gefüllt und mit dem nächsten Gang weggenommen. Lizzy musste gegessen und getrunken haben, aber sie konnte sich nicht daran erinnern.

    Wie durch Magie schien der Mann ihr gegenüber ihren Blick gefangen zu halten.

    Sie mussten sich unterhalten haben, aber nichts davon war in ihrem Gedächtnis haften geblieben.

    Sie wollte ihn nur ansehen.

    Schauen und immer weiter schauen.

    Niemals zuvor hatte sie sich das erlaubt. Stets hatte sie den Blick abgewandt. Aber heute Nacht … heute Nacht war alles anders. Sie tat, was sie seit der ersten Begegnung in Cornwall hatte tun wollen.

    Und er tat genau dasselbe, ließ sie nicht für eine Sekunde aus den Augen.

    Endlich stand er auf und streckte die Hand nach ihr aus. „Komm.“

    Das war alles, was er sagte.

    Alles, was er zu sagen brauchte.

    Er führte sie durch die Villa zu einer Tür, öffnete sie und betrat an ihrer Seite das Zimmer.

    Es war ein Schlafzimmer.

    Rico umfasste ihre Schultern und drehte Lizzy zu sich um.

 

Lange schaute Rico in ihre weit geöffneten grauen Augen, mit denen sie ihn den ganzen Abend über angesehen hatte.

    Wie hatte er so lange warten können? Bestimmt ahnte sie nicht, dass ihre Blicke während des Essens die reinste Folter für ihn gewesen waren. Er hatte all seine Selbstbeherrschung gebraucht, um nicht den Stuhl zurückzuschieben, zu ihr zu eilen, sie in die Arme zu nehmen und an sich zu ziehen.

    Aber er hatte es nicht getan. Er wusste, dass sie Zeit brauchte.

    Zeit, sich dem hinzugeben, was zwischen ihnen passierte.

    Wusste sie, wie sehr er sie begehrte? Wahrscheinlich nicht. Die Wünsche der Männer waren für sie ein unentdecktes Land.

    Ein weiterer Gedanke stieg in ihm auf: Werde ich ihr erster Liebhaber sein?

    „Elisabetta.“ Er legte seine Hände auf ihre nackten Schultern. Ihre Haut fühlte sich warm an. Mit den Daumen streichelte er über ihr Dekolleté. Lizzy erschauerte unter der Berührung.

    In ihren Augen schimmerte eine Sehnsucht, deren Intensität sie sich unmöglich bewusst sein konnte.

    Rico konnte ihr nicht länger widerstehen.

    Langsam, ganz langsam neigte er seinen Mund dem ihren entgegen.

    Sie stieß einen kleinen hilflosen Seufzer aus und schloss die Augen.

    Rico küsste sie zärtlich und sanft. Es war ein vorsichtiger Kuss, eine sachte Liebkosung mit den Lippen.

    Wie ein zarter Windhauch auf dem Wasser bewegte er seinen Mund auf ihrem. Er nahm sich Zeit, unendlich viel Zeit.

    Für sie sollte es perfekt sein!

    So ließ er Lizzy die Geschwindigkeit bestimmen, mit der er sie auf ihre wundervolle sinnliche Reise mitnehmen durfte.

    Nun küsste er einen schmalen Pfad ihr Kinn entlang bis zu ihrem Ohr, ließ seine Zunge über ihre weiche Haut streifen und liebkoste dann ihr Ohrläppchen in verhaltenem erotischem Spiel.

    Mit einer Hand umfasste er ihren Nacken, spielte mit den weichen Haarsträhnen, während er seine andere Hand auf ihren Hals legte.

    Unter seinen Fingerspitzen spürte er ihr leises Aufstöhnen. Rasch widmete er sich wieder ihrem Mund, verwöhnte und neckte sie, bis sie die Lippen ein wenig öffnete.

    Sein Körper reagierte sofort auf die unglaubliche Sinnlichkeit, als er seine Zunge in ihren Mund gleiten ließ. Er fühlte, wie sie erstarrte, doch als er den Kuss intensivierte, ergab sie sich ihrer Sehnsucht.

    Rico löste seine Hand von ihrem Nacken und streichelte über ihren Rücken. Er ertastete den Reißverschluss des Kleides und zog ihn mit einer geübten Bewegung langsam nach unten.

    Ihr Oberteil geriet ins Rutschen, schnell hielt er es mit seiner anderen Hand fest.

    Dio, sie war perfekt. Weich und zart schmiegte sich ihre Brust gegen seine Handfläche. Ihre Knospen hingegen hatten sich bereits fest aufgerichtet.

    Wieder reagierte sein Körper, drängender diesmal, dunkler. Vorsichtig begann er, ihre Brüste zu massieren.

    Lizzy seufzte und bog den Rücken durch, presste sich enger an ihn.

    Mehr brauchte er nicht. Verlangen flackerte heiß in ihm auf, und er hob sie in seine Arme.

 

Die Welt neigte sich zu einer Seite, und Lizzy schlug die Augen auf.

    Ricos Augen funkelten lebendig im Licht. Sachte, als sei sie eine kostbare Blume, ließ er sie aufs Bett sinken.

    „Elisabetta.“

    Lange betrachtete er sie, wie sie, umgeben von der Seide ihres Kleides, eine Brust entblößt, zu ihm hinaufsah. Erstaunen und Verzauberung schimmerte in ihren Augen.

    Dann schlüpfte er mit einer Hast, die ihre ganz eigene Botschaft enthielt, aus seinen Kleidern und legte sich ganz dicht neben sie. Lizzy konnte die Stärke seines maskulinen Oberkörpers, die schmalen Hüften, die muskulösen Beine und nicht zuletzt seine erregte Männlichkeit spüren.

    Sie rang nach Luft, als ihr die Bedeutung ihrer Wahrnehmung bewusst wurde.

    „Ich habe dich begehrt“, hauchte er. „Seit dem ersten Moment. Als du auf mich zugegangen bist und dich mir in all deiner Schönheit gezeigt hast.“

    Langsam, ganz langsam, neigte er den Kopf und küsste sie.

    „Sei mein“, murmelte er. „Sei mein, wunderschöne Elisabetta.“

    Darauf gab es nur eine Antwort.

    „Rico …“, flüsterte sie seinen Namen.

    Lizzy legte die Arme um ihn und folgte mit den Fingern den Linien seines Rückens.

Hitze breitete sich in ihr aus. Instinktiv hob sie sich ihm entgegen. Die Zeit der Worte war vorbei. Alles, was sie jetzt noch wollte, war die süßeste Erfüllung.

    Und Rico erhörte das Flehen ihres Körpers. Er streifte ihr das Kleid ab und streichelte mit den Händen über ihre Beine. Behutsam ließ er seine Finger ihre Schenkel immer höher gleiten.

    Lizzy versank … versank in einem Strudel, der sie in eine andere Welt führte. Eine Welt, von der sie nie geahnt hatte, dass sie existierte. Hier gab es nur noch Leidenschaft und Ekstase. Ihr gesamtes Sein reduzierte sich auf einen einzigen unglaublichen Punkt. Sie ergab sich ihrem Vergnügen und überließ sich seinen sinnlichen Liebkosungen. Ein fremder Ort rief sie zu sich, kam näher und näher, und als sie ihn endlich erreichte, schrie sie vor Lust laut auf. Welle um Welle des höchsten sinnlichen Genusses breitete sich in ihr aus. Er streichelte über ihre Haare und murmelte zärtliche Worte. Und als die Flut ihrer Empfindungen langsam verebbte, als sie nur noch ein Pulsieren tief in ihrem Inneren spürte, war er da, legte sich auf sie und drang behutsam in sie ein.

    Sie stöhnte auf und öffnete die Augen. Voller Sehnsucht erwiderte er ihren Blick.

    Er bewegte sich in ihr und erweckte das abkühlende Feuer ihres Körpers zu neuem Leben.

    „Ja“, flüsterte sie. „Ja.“ Sie hob ihm ihre Hüften entgegen, damit er noch tiefer in sie eindringen konnte, und erwiderte seine Bewegungen. Mit jeder Bewegung loderten die Flammen der Lust heißer und heller auf.

    Lizzy hörte, wie Rico dunkel etwas murmelte, dann überwältigte ihn sein eigenes Verlangen. Seine Bewegungen wurden immer intensiver. Wieder vernahm sie den Ruf des Ortes, den sie vorhin schon hatte besuchen dürfen.

    Und dann war sie da. Sie schrie auf und umklammerte mit beiden Händen seinen Rücken, ihr Atem ging heftig.

    Welle um Welle breitete sich die Erfüllung in ihr aus. Als die Wogen endlich schwächer wurden, ließen sie nichts als wunderbare Erschöpfung in ihren Gliedern zurück. Lizzy fühlte, wie die Anspannung auch aus seinem Körper wich. Angenehm schwer ruhte er auf ihr. Unglaubliche Gefühle durchfluteten sie. Sie schloss ihn fest in ihre Arme, presste ihre Wange gegen seine. Ihn umarmen und ihn nahe wissen, mehr wollte sie nicht.

    Erstaunen erfüllte sie und eine Süße, die jenseits des Verstandes lag. Langsam beruhigte sich Ricos Herzschlag. Sein Kopf war auf ihre Schulter gesunken. Sie spürte seine Wange, seine seidigen Haare, die Wärme seines Atems. Seine Atmung wurde gleichmäßiger, seine Muskeln entspannten sich.

    Eine nie gekannte Mattigkeit überkam sie. Und ein tiefer Frieden, der sich wie Balsam auf ihrer Seele anfühlte. Immer noch waren sie miteinander verbunden. Ihre geheimste Stelle erbebte ein letztes Mal, als sie sich an die Leidenschaft erinnerte, die sie gemeinsam entfacht hatten, und an ihre eigene Ekstase.

    Ihre Hände glitten von seinem Rücken, seine Haut begann bereits abzukühlen. Er ist schon eingeschlafen, dachte sie und zog die Decke über ihn und sich. Mit einem leisen Seufzen ergab auch sie sich dem Schlaf.

 

„Principessa, je suis enchanté.“

    Ihre Hand wurde ergriffen, und was folgte, war ein vollendet galanter Handkuss. Lizzy lächelte unsicher. Jean-Paul richtete sich wieder auf und betrachtete sie anerkennend. Er sagte etwas auf Französisch zu Rico.

    Rico grinste. „Das bin ich in der Tat“, erwiderte er. „Sehr glücklich. Aber wir sollten jetzt besser anfangen, bevor Ben sich langweilt.“

    Doch Ben schien sich entschlossen zu haben, sein bestes Verhalten an den Tag zu legen und wie ein kleiner Engel auszusehen, was ihm in den neuen schicken Kleidern auch mit Leichtigkeit gelang.

    Dasselbe galt für Lizzy.

    Zum hundertsten Mal stockte Rico der Atem.

    Sie saß auf dem Sofa in dem Salon der Villa – ein ebenso überladener Raum wie das Esszimmer, aber für diese Zwecke ideal – und sah einfach fantastisch aus.

    Jean-Paul machte Aufnahme um Aufnahme. Und als Rico an der Reihe war, erst nur mit seiner Frau, dann mit Ben als kleine Familie fotografiert zu werden, schimmerte unverhohlen das Glück in seinen Augen.

    Schließlich legte sein Freund die Kamera beiseite. „Bon chance, mon vieux“, sagte er. „Ich wünsche dir alles Gute.“ Die Männer schüttelten einander die Hände, dann war es für Jean-Paul auch schon wieder an der Zeit abzureisen.

    Jetzt blieb nur noch eine Sache zu erledigen. Rico lud die Bilder von der digitalen Kamera auf seinen Computer. Während Lizzy und Ben sich umzogen, schickte er eine E-Mail an Luca.

    Sie bestand aus einem einzigen, sorgfältig ausgewählten Bild.

    Das würde genügen.

    Nachdem er die Mail verschickt hatte, starrte er noch einen Augenblick auf den leeren Bildschirm.

    Dann loggte er sich aus dem Programm aus und begab sich auf die Suche nach seiner Frau.

 

Lizzy lebte mitten in einem Traum. Alles war so wundervoll, dass es einfach ein Traum sein musste.

    Die ganze Welt schien verzaubert. Jeder Moment, jede Sekunde jeden Tages – und, oh ja, jede Nacht – war erfüllt von einem Glück, wie sie es nie für möglich gehalten hatte.

    Wie konnte sie nur so glücklich sein?

    Dabei kannte sie längst die Antwort.

    Rico …

    Sie brauchte nur seinen Namen zu flüstern, ihn nur anzusehen, nur seine Stimme zu hören, seine Hand zu nehmen, seine Berührung zu spüren, um zu wissen, warum sie dieses unglaubliche Gefühl von Glück bis in die Tiefen ihres Herzens empfand.

    Es ist seltsam, ging es ihr durch den Kopf. Äußerlich betrachtet vergingen die Tage wie zuvor. Sie verlebten unbeschwerte Ferien. Sie spielten mit Ben am Strand, schwammen im Pool, entspannten sich in der Sonne, taten alles und nichts und unterhielten sich über alles und nichts.

    Und doch war jetzt alles anders.

    Am Tag waren die Zeichen nahezu unsichtbar, eine flüchtige Berührung, eine allgemeine körperliche Nähe, die von der Intimität ihrer Beziehung kündete. Eine Umarmung für Ben bedeutete auch eine Umarmung für sie, ihre Hände berührten sich häufiger, wenn sie mit ihm spielten, die warmen wissenden Blicke, mit denen sie einander betrachteten.

    Aber bei Nacht! In der Nacht wurde die wundervolle Verzauberung des Tages zu einer goldenen Ekstase. Einer Ekstase, die mit jeder Berührung, jeder Liebkosung ihren Körper zum Schmelzen brachte, bis die lodernden Funken zu glühenden Flammen geworden waren und sie hell, wie einen Stern, aufleuchten ließ.

    Und Lizzy wusste, dass Rico dasselbe empfand. Wenn sie seinen starken männlichen Körper in den Armen hielt, spürte sie, wie dieselben Flammen in ihm brannten und zu demselben alles verschlingenden Feuer wurden.

    „Wie … wie kann es so wundervoll sein?“, fragte sie eines Nachts.

    Er antwortete nicht, zog nur ihren Körper enger an seinen und streichelte sanft über ihren Rücken, während die Erschöpfung, die unweigerlich dem Höhepunkt folgte, sich langsam in ihnen ausbreitete.

    Dann murmelte Rico einige Worte auf Italienisch, die sie nicht verstand, aber die sie wie Honig durchströmten.

    Die Nacht stahl sich ins Zimmer und einander in den Armen haltend, schliefen sie ein. Und Lizzy träumte vom Paradies, denn genau dort befand sie sich.

 

Lizzy cremte Ricos Rücken ein. Er lag mit dem Gesicht nach unten auf einem Liegestuhl. Ben war mit frischer Energie von seinem Mittagsschlaf erwacht und planschte jetzt zusammen mit einem aufblasbaren Delfin im Pool.

    „Du musst mich jagen“, rief er seinem Onkel zu. „Du kannst das Krokodil haben.“ Er deutete auf ein weiteres aufblasbares Spielzeug, das im flachen Wasser dümpelte.

    „Bald“, erwiderte Rico, ohne den Kopf zu heben. „Bald.“

    Aber nicht zu bald. Es tat viel zu gut, hier in der Sonne zu liegen, während hin und wieder eine leichte Brise seine Haut streifte, Zikaden ihr Lied sangen und zärtliche Hände Sonnencreme auf seinem Rücken verteilten und seine strapazierten Muskeln massierten.

    Frieden erfüllte ihn. So konnte es für immer bleiben.

    Das Leben war einfach gut.

    Die Zeit existierte nicht mehr. Es gab nur noch Tag und Nacht. Die Welt dahinter war verschwunden.

    Von seinem Vater oder Luca hatte er nichts gehört – es kümmerte ihn nicht.

    Plötzlich erklangen Schritte auf der Treppe, die von der Terrasse zum Pool führte. Ein Schatten fiel auf seinen Rücken. Die Hände hielten in ihrer Massage inne.

    Rico hob den Kopf und blickte auf.

    Vor ihm stand Captain Falieri.

 

Langsam erhob sich Rico aus dem Liegestuhl. Auch Lizzy stand auf. Ohne nachzudenken, tastete er nach ihrer Hand und schloss seine Finger um die ihren.

    „Captain Falieri!“, rief Ben begeistert aus. So schnell er konnte, schwamm er zum Beckenrand und kletterte aus dem Pool. „Bist du zum Spielen gekommen?“

    Der Captain schüttelte den Kopf. „Ich fürchte nicht. Ich bin gekommen“, sein Blick wanderte zu Rico, „um mit deinem Onkel zu sprechen.“

    Automatisch glitt Falieris Blick weiter zu der Frau, dessen Hand er hielt. Und sosehr er Diplomat war, er konnte das verwunderte Aufblitzen seiner Augen nicht verbergen. Rico wusste, warum. Diese Frau unterschied sich sehr von der, die der Captain zum letzten Mal in England gesehen hatte. Rico spürte, wie Lizzy ihre Hand aus seiner gleiten ließ, nach ihrem Sarong griff und sich darin einhüllte. Dann rief sie nach Ben.

    „Komm, wir ziehen uns um“, sagte sie. „Captain Falieri, Sie entschuldigen uns?“

    Falieri verbeugte sich, sagte aber nichts. Ungläubig sah er ihr nach, wie sie Hand in Hand mit Ben die Treppe nach oben ging.

    Rico hob sein T-Shirt vom Boden auf und zog es über den Kopf. „Nun?“, fragte er.

    „Seine Hoheit, Ihr Vater, wünscht, Sie zu sehen.“

    Ricos Mund wurde zu einer schmalen Linie. Dann nickte er ergeben und eilte hinter Lizzy und Ben her.

    „Zehn Minuten“, rief er dem Captain über die Schulter hinweg zu.

    Es fiel ihm unglaublich schwer, sich von Lizzy und Ben zu verabschieden. Aber es musste sein. Rico hatte eine Entscheidung gewollt, nun stand sie kurz bevor.

    Er ergriff Lizzys Hände. Wie er selbst hatte sie geduscht und sich umgezogen. Jedoch trug er einen formellen Anzug, sie hingegen ein einfaches Strandkleid.

    „Was passiert nun?“ Er konnte die Angst in ihrer Stimme hören.

    „Meinem Vater bleiben nur zwei Möglichkeiten. Entweder er kann unsere Ehe offiziell anerkennen und uns alle glücklich machen. Oder er lässt es zum offenen Bruch mit mir kommen. Es ist mir egal, welche Wahl er trifft. Für uns macht das keinen Unterschied. Wir sind verheiratet, du bist meine Ehefrau und Ben unser Sohn. Mein Vater kann ihm nichts anhaben.“ Er atmete tief ein. „Ich will dich nicht allein lassen, deshalb habe ich Captain Falieri gebeten, bei dir zu bleiben. Er ist einverstanden, und ich vertraue ihm. Mit der hinterhältigen Aktion im Palast hatte er nichts zu tun. Er ist ein aufrichtiger Mann und würde nie etwas Illegales tun.“

    „Wann wirst du zurückkommen?“

    „Heute Abend. Ein Helikopter wartet auf mich. Der Flug nach San Lucenzo dauert nicht lange, ebenso wenig das Gespräch mit meinem Vater. Anschließend fliege ich sofort wieder zurück.“ Rico lächelte. „Leg schon mal den Champagner auf Eis, bring Ben früh zu Bett und …“, er ließ seinen Blick über ihren Körper wandern, „zieh dir etwas Bequemes an.“

    Einen letzten Moment sah er ihr tief in die Augen, streichelte Ben über die Haare, dann wandte er sich um und ging.

 

Lizzy sah ihm nach. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.

    Ben zupfte an ihrem Rock. „Wohin geht Tio Rico?“

    „Er kommt gleich wieder“, sagte sie abwesend. Sie holte tief Luft. „Gehen wir nachschauen, ob Captain Falieri eine Tasse Kaffee will.“

    „Meinst du, er kann zum Essen bleiben?“, fragte Ben erfreut.

    „Ich glaube schon, ja.“

    Zusammen mit Ben betrat sie die Terrasse. In der Ferne konnte sie ein leiser werdendes Motorengeräusch hören – der Wagen, der Rico zum Flughafen brachte.

    Captain Falieri stand neben dem Sonnenschirm. Im ersten Moment wirkte seine große Gestalt beruhigend auf sie. Doch dann wandte er sich um.

    Da war etwas in seinem Gesicht, das das Blut in ihren Adern gefrieren ließ.

    „Was ist los?“ Ihre Stimme klang schrill. Ihre Kehle schnürte sich noch weiter zusammen.

    Einen Moment sah er sie einfach nur an. Seine Miene war ausdruckslos. Doch in seinen Augen schimmerte Mitleid.

    „Ich fürchte“, sagte er ernst, „ich habe schlechte Nachrichten.“


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