Bianca Exklusiv Band 369

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TRAUMMANN MIT GEHEIMNISSEN von JUDY DUARTE

„Ich bin Peyton Johnson aus der Firmenzentrale.“ Als der sexy Fremde unerwartet in Megans Laden auftaucht, gerät erst ihr Job in Gefahr – und dann ihr Herz. Denn zwischen ihnen sprühen sofort sinnliche Funken. Aber ist der erfolgsverwöhnte Traummann wirklich ein einfacher Buchhalter?

DIE RÜCKKEHR DER BRAUT von MICHELLE MAJOR

Warum sie damals aus der Kirche floh, sollte Laineys Geheimnis bleiben. Aber jetzt sieht sie unvermittelt ihren Ex-Bräutigam Ethan wieder. Den Mann, den sie insgeheim immer noch liebt … Und er verlangt Antworten! Aber was, wenn Lainey an der Wahrheit zerbricht?

MEIN NACHBAR, SEINE TOCHTER UND ICH von CINDY KIRK

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  • Erscheinungstag 09.12.2023
  • Bandnummer 369
  • ISBN / Artikelnummer 0852230369
  • Seitenanzahl 448

Leseprobe

Judy Duarte, Michelle Major, Cindy Kirk

BIANCA EXKLUSIV BAND 369

1. KAPITEL

Die meisten Menschen wurden nostalgisch, wenn sie zu ihren Wurzeln zurückkehrten – auf Clay Jenkins traf das nicht zu.

Er saß in einem unauffälligen Geländewagen im Schatten der Bäume an der Hauptstraße von Brighton Valley, gerade mal drei Gebäude von der alten Computerwerkstatt entfernt, in der er vor neun Jahren seiner ersten Job bekommen hatte. Aber der gehörte zu dem alten Leben, das er hinter sich gelassen und zu vergessen versucht hatte.

Natürlich hätte er jemanden herschicken können, um die kränkelnde Filiale wieder in Ordnung zu bringen, aber genau hier hatte auch sein neues Leben begonnen.

Hank Lazaro, sein Freund und Ratgeber, hatte ihm damals etwas zu tun gegeben. Anstatt wie manche seiner Altersgenossen Probleme mit der Polizei zu bekommen, hatte er nach der Schule viel übers Geschäft und über harte und ehrliche Arbeit gelernt. Hier hatte er den Geldgeber kennengelernt, mit dessen Hilfe er seine Software auf den Markt gebracht hatte und schon vor dem reifen Alter von zwanzig Multimillionär geworden war.

Clay wusste, dass der Anblick des malerischen alten Hauses ihn nicht wehmütig stimmen sollte, erst recht nicht in einer texanischen Kleinstadt, aus der er als Teenager gar nicht schnell genug hatte verschwinden können. Doch als er die letzten Vierteljahresberichte gelesen und erkannt hatte, dass die Filiale kurz vor dem Ruin stand, war ihm klar geworden, dass er sich persönlich darum kümmern musste.

Er stieg aus dem Wagen, den er nach der Landung seines Privatjets in Houston gemietet hatte, und atmete die frische Landluft ein. Als ihm der Duft aus Caroline’s Diner in die Nase stieg, knurrte sein Magen. Außer einem Bagel am frühen Morgen in seinem Büro in Silicon Valley hatte er heute noch nichts gegessen.

Wenn es um Hausmannskost ging, kochte niemand besser als Caroline. Er kannte ihre Speisekarte auswendig und konnte nur hoffen, dass das Angebot noch so aussah wie früher. Als er hier gearbeitet hatte, war er jeden Mittag dort gewesen. Obwohl er sich inzwischen gesünder ernährte, war er fest entschlossen, sich so bald wie möglich ihren Hackbraten schmecken zu lassen.

Clay nahm die Sonnenbrille ab, denn er bezweifelte, dass irgendein Einheimischer ihn wiedererkennen würde. Er sah nicht mehr aus wie der junge Computerfreak, der sich bei Ralph’s Electronics Geld dazuverdient hatte. Vor sieben Jahren war Ralph verstorben, und Clay hatte der Witwe das Geschäft für das Zehnfache des Werts abgekauft und zu einer Filiale seiner Zorba-the-Geek-Kette gemacht, einer Tochtergesellschaft von Geekon Enterprises, der auch die GeekMarts gehörten, die ihren Erfolg den innovativen Geekon-Computern verdankten.

Vor sechs Monaten hatte er Don Carpenter eingestellt und ihm das Geschäft in Brighton Valley übergeben. Dann war er nach Silicon Valley zurückgeflogen und hatte die traurigen Erinnerungen an die Kleinstadt hinter sich gelassen. Jedenfalls hatte er das geglaubt.

Jetzt war er wieder hier, in Kakihose und schwarzem Poloshirt, und hoffte, dass er in dem ländlichen Idyll nicht weiter auffiel. Er wäre lieber in Kalifornien, in einem seiner vielen Maßanzüge, auf irgendeiner Party. Doch als die jährlichen Umsatzzahlen aus Brighton Valley ausgeblieben waren, hatte er gewusst, dass etwas nicht stimmte. Er wollte nicht glauben, dass jemand Geld unterschlug oder ein anderes krummes Ding drehte, aber bei Hunderten von Filialen in der ganzen Welt wäre es nicht das erste Mal.

Natürlich hätte er einen Privatdetektiv herschicken können, aber er wollte das Problem lieber selbst lösen, auch wenn er dazu verdeckt ermitteln musste. Zum Glück war er Don Carpenter noch nie persönlich begegnet. Bisher hatten sie nur miteinander telefoniert oder E-Mails ausgetauscht.

Da Clay im nahegelegenen Wexler aufgewachsen war, kannte ihn in Brighton Valley so gut wie niemand. Dass ausgerechnet hier jemand sein Foto in einer Business-Zeitschrift gesehen hatte, war eher unwahrscheinlich. Trotzdem hatte er sich den trendigen Bart abrasiert, das schulterlange Haar gekürzt und die modische Brille durch Kontaktlinsen ersetzt. Nur seine selbstbewusste Haltung, die er sich so hart erarbeitet hatte, legte er nicht ab, als er die schattige Straße entlangging.

In Brighton Valley schien sich nicht viel verändert zu haben, seit er jeden Nachmittag sein gebrauchtes Fahrrad an die Parkuhr vor der Werkstatt gekettet hatte. Er selbst dagegen war ein ganz anderer Mensch geworden. Er war jetzt sechsundzwanzig, und nichts erinnerte mehr an den schmächtigen Teenager, der Angst gehabt hatte, dass die Jungen aus dem Footballteam der Schule sein Rad stehlen, pink anstreichen und in die Ulme vor der Sporthalle werfen würden. Heute war er so reich und mächtig, dass niemand es wagen würde, sich mit ihm anzulegen.

Vorausgesetzt, sie wussten, wer er wirklich war.

Doch sie sollten es nicht wissen. Noch nicht.

Als er den einst vertrauten Laden betrat, läutete die Türglocke. Er ließ den Blick über die Regale mit neuen und reparierten Computern und den Holztresen wandern, der den Eingang zur Werkstatt versperrte.

Unwillkürlich atmete er tief durch und nahm einen unerwarteten Geruch wahr. Es dufte nach … Zimt und … Zucker?

Warum roch es bei Zorba the Geek nicht mehr nach Staub und Druckerfarbe? Und wo steckte das Personal? Hatten sie das Läuten nicht gehört?

Er hatte früher alles stehen und liegen gelassen, um jeden zu begrüßen, der hereinkam. Keine Frage, der Kundenservice hatte sich deutlich verschlechtert.

„Hallo“, rief er.

Schritte waren zu hören, dann erschien eine attraktive Rothaarige mit dem Telefonhörer am Ohr. Sie trug enge Jeans und ein blaues Oberteil, das ihre Rundungen nicht betonte, aber auch nicht versteckte.

Als sie ihn bemerkte, hob sie einen Finger.

Vielleicht lag es nur daran, dass er hungrig war, oder an dem Zimt-und-Zucker-Duft, aber die Farbe ihrer großen braunen Augen erinnerte ihn an den Kaffee mit Karamellgeschmack, den seine Assistentin ihm jeden Morgen von Starbucks holte.

Aber der Zauber war vorbei, als die hübsche Rothaarige ihn mit einem ärgerlichen Blick in die Realität zurückholte.

„So etwas hat er noch nie gemacht“, sagte sie in den Hörer. „Sind Sie sicher, dass er es war?“

Clay vermutete, dass sie einen unzufriedenen Kunden zu besänftigen versuchte.

„Hmm.“ Sie nagte an der Unterlippe. „Was ist mit dem anderen Jungen? Hat er behauptet, dass Tyler angefangen hat?“

Das klang nicht nach einer geschäftlichen Unterhaltung. Führte sie etwa ein Privatgespräch? Während direkt vor ihr ein Kunde darauf wartete, dass er bedient wurde?

Okay, technisch gesehen war Clay kein Kunde, aber das konnte sie nicht wissen.

Trotz ihrer hübschen braunen Augen und reizvollen Figur fiel es Clay schwer, ruhig zu bleiben.

Kein Wunder, dass der Laden Probleme hatte.

„Bestimmt war es ein einmaliger Vorfall, Mrs Paxton. Sagen Sie Tyler, dass ich so bald wie möglich komme.“ Sie beendete das Telefonat und rieb sich die Schläfen.

Dann holte sie einen Teller mit Keksen unter dem Tresen hervor. „Es tut mir leid. Das war die Schule meines Sohns und … Darf ich Ihnen einen Keks anbieten? Ich habe sie erst heute Morgen gebacken.“

Jetzt wusste er, woher der Zimtduft stammte.

Aber Kekse für Kunden? Die Idee stammte ganz gewiss nicht aus seiner PR-Abteilung.

Trotzdem wollte er nicht den strengen Chef spielen. Außerdem hatte er Hunger, und trotz aller gesunden Ernährung hatte er Süßigkeiten nie ganz widerstehen können.

Er nahm einen Keks. „Ist Don Carpenter hier?“

„Tut mir leid, der ist den Rest des Nachmittags unterwegs. Kann ich Ihnen helfen?“

„Ich bin Peyton Johnson. Die Zentrale in Houston hat mich hergeschickt, um Ihre neue Buchhaltung einzurichten. Don erwartet mich.“

Clay nahm einen Bissen, schloss kurz die Augen und genoss den süßen Geschmack.

Bevor die Rothaarige antworten konnte, läutete das Telefon erneut. Sie schaute aufs Display, nahm den Anruf entgegen und ignorierte Clay zum zweiten Mal in kürzester Zeit.

„Ja?“, meldete sie sich und hob dabei wieder den Zeigefinger.

Sie war hübsch, und mit ihren schmalen Händen backte sie verdammt leckere Kekse, aber so langsam verlor er die Geduld.

Offenbar hatte sie keine Ahnung, wen sie vor sich hatte, denn niemand ließ Clayton Jenkins warten.

„Hat die Schwester keinen Eisbeutel?“, fragte sie.

Clay biss in das Zimtplätzchen und fragte, was um alles in der Welt so wichtig war, dass die Frau ihren Job riskierte.

„Mrs Paxton, mein Sohn wurde von Conner Doyle verprügelt. Ich finde es also ehrlich gesagt nicht so schlimm, dass ein Schulhoftyrann wie Conner seinen Aufsatz über den Regenwald noch mal schreiben muss, weil er ihn nicht abgespeichert hatte.“

Schulhoftyrann? Der Keks schmeckte plötzlich wie Kreide. Es war gar nicht so lange her, dass ein gewisser Mitschüler Clay das Leben zur Hölle gemacht hatte.

„Na ja, aber wenn er abgespeichert war … Hatte er ihn denn nicht mit einem Passwort geschützt? … Ich verstehe … Tyler ist garantiert kein Hacker.“

Hacker? Das Wort weckte eine durchaus angenehme Erinnerung. Vor Jahren hatte Clay sein Computertalent genutzt, um sich gegen die größeren und stärkeren Mitschüler zu wehren.

„Vom Unterricht ausgeschlossen? Finden Sie das nicht etwas zu extrem?“

Offenbar steckte ihr Sohn in Schwierigkeiten.

„Ist Conner auch suspendiert?“ Die braunen Augen wurden noch größer. „Was soll das heißen, ‚dieses Mal nicht‘? Nein, sagen Sie es nicht. Ich bin gleich da.“

Sie legte auf und bedeutete Clay, ihr nach hinten zu folgen.

Niemand winkte ihn zu sich, aber er beherrschte sich und ging mit ihr zu einem Schreibtisch, wo sie die unterste Schublade aufriss.

Gegen seinen Willen beneidete er ihren Sohn. Seine eigene Mutter hatte nie so für ihn gekämpft. Er nahm es ihr nicht übel, denn sie hatte genug eigene Probleme gehabt, und oft genug hatte er auf sie aufpassen müssen.

„Hören Sie, Mr …“ Sie hob den Kopf.

„Johnson“, wiederholte er seinen Decknamen. „Peyton Johnson. Und Sie sind …?“

„Megan Adams.“ Sie nahm eine schwarze Handtasche heraus, die ihre besten Zeiten hinter sich hatte, und schloss die Schublade mit einem Fußtritt. „Es tut mir leid, Mr Johnson, aber könnten Sie sich ein paar Minuten um den Laden kümmern? Ich muss in die Schule. Sie liegt ganz in der Nähe. Ich bin gleich zurück.“

Sie hielt ihre Schlüssel in der Hand und eilte durch die Hintertür, bevor Clay widersprechen oder auch nur nicken konnte. Als er einen Wagen losfahren hörte, drehte er sich zum Schreibtisch um, auf dem sich neben einem aufgeschlagenen Auftragsbuch Rechnungen voller Kaffeeflecken türmten.

Er konnte nicht fassen, dass sie ihn mit all den wertvollen Geräten und vertraulichen Unterlagen allein ließ. Außer ihrem Namen wusste er noch nichts über die Frau, aber ihr Verhalten und das Chaos auf dem Schreibtisch deuteten nicht gerade auf einen Arbeitseinstellung hin, wie Geekon Enterprises sie von seinen Angestellten erwartete.

Dass sie äußerst sinnliche Augen hatte und es ihn in den Fingern juckte, ihr rotes Haar zu berühren, änderte daran nicht das Geringste.

Und die verdammt leckeren Kekse trösteten ihn auch nicht.

Das Geschäft kam zuerst. Clay würde tun, was für den Laden das Beste war – selbst wenn er dazu die erste Mitarbeiterin feuern musste, der er begegnet war.

Megan hätte sterben können, als der attraktive dunkelhaarige Fremde den Laden betreten und sich als Buchhaltungsspezialist aus der Firmenzentrale vorgestellt hatte. Aber sie wusste auch, dass sie in Brighton Valley dringend fachmännische Hilfe brauchten. Sie wollte nur nicht, dass ihr Chef gefeuert wurde.

Als Don Carpenter sie vor einigen Monaten eingestellt hatte, war es für sie ein Geschenk des Himmels gewesen. Und obwohl sie wenig über Computer und kaum mehr über Buchhaltung wusste, hatte sie schnell gemerkt, dass der Laden in großen Schwierigkeiten steckte.

Don war ein wunderbarer Mensch, ein gutherziger Chef und ein liebevoller Ehemann, aber die Sorge um seine Frau und die vielen Arzttermine, zu denen er sie fahren musste, wirkten sich negativ auf seine Arbeit aus. Don konnte es sich nicht leisten, seinen Job zu verlieren, zumal seine Frau sich derzeit einer Chemotherapie unterziehen musste. Deshalb hatte Megan ihren zwölfjährigen Sohn gebeten, ihm bei den einfacheren Reparaturen zu helfen. Leider bereitete Tyler ihr in letzter Zeit eher Stress.

Sie warf einen Blick auf den Jungen, der im Wagen neben ihr saß. Seine Lippe war aufgeplatzt, und er hatte kein Wort gesagt, seit sie ins Büro seiner Rektorin gestürmt war und sich mit der Frau – und Conner Doyles Eltern – angelegt hatte.

Conner mobbte Tyler, seit sie im letzten Sommer nach Brighton Valley gezogen waren. Ihr Sohn hatte sich verändert. Der früher so fröhliche und aufgeschlossene Junge war still geworden und zog sich immer häufiger in sein Zimmer zurück. Sie musterte ihn unauffällig. Er hatte rotes Haar und war schlank, fast schmächtig. Megan fragte sich, woher er seine erstaunliche Intelligenz hatte. Sie selbst war nie eine besonders gute Schülerin gewesen, und Todd Redding, ihr Exmann, hatte nur auf dem Footballfeld, aber nicht im Klassenzimmer Höchstleistungen gebracht.

Außerdem hatte Todd sich nie sehr für seinen unsportlichen Sohn interessiert. Auch deshalb hatte Megan nach der Scheidung wieder ihren Mädchennamen angenommen.

Als sie an einer Kreuzung hielt, strich sie ihrem Sohn übers Haar. „Egal, was passiert ist, ich habe dich lieb, Tyler. Und sobald du darüber sprechen möchtest, höre ich dir zu.“

Er antwortete nicht, wich aber auch nicht zurück.

Als sie in der Gasse hinter Zorba’s hielt, fragte sie sich, wie sie ihrem Sohn helfen sollte. Auf keinen Fall durfte sie Mr Johnson noch länger im Geschäft allein lassen. Wäre er nicht da, hätte sie einfach abgeschlossen und Pause gemacht.

Megan warf einen Blick in den Rückspiegel und wünschte, sie hätte Lipgloss und Mascara dabei. Seit ihrer Scheidung gab sie sich keine besondere Mühe, für irgendjemanden attraktiv auszusehen. Sie hatte ohnehin zu wenig Geld, um sich Make-up oder schicke Sachen zu leisten. Außerdem war ein Mann, der sich für sie interessierte, das Letzte, was sie jetzt brauchte.

Warum war es ihr überhaupt wichtig, wie sie auf Mr Superbuchhalter wirkte?

„Hat Mr Carpenter das MacBook dagelassen, das ich mir anschauen soll?“, fragte Tyler beim Aussteigen.

O nein! Sie hatte vergessen, ihrem Sohn zu erzählen, dass Mr Johnson hier war. Hastig eilte sie hinter Tyler her.

„Wow!“, rief der Junge, bevor sie ihn einholen konnte. „Wer sind Sie?“

Mr Johnson saß an Don Carpenters Schreibtisch und drehte sich zu ihnen um. Täuschte sie sich, oder sah er besser aus als vorhin? Warum fiel ihr erst jetzt auf, wie blau seine Augen, wie markant das Kinn und wie voll und sinnlich seine Lippen waren?

„Ich bin Peyton Johnson.“ Er stand auf und gab Tyler die Hand. „Ich arbeite bei Zorba the Geek.“ Dann kniff er die Augen zusammen. „Und könnte jemand so freundlich sein, mir zu sagen, wer ihr beide seid?“

O nein. Hatte sie sich etwa nicht vorgestellt?

„Tut mir leid. Ich bin Megan Adams und helfe Mr Carpenter im Büro. Dies ist mein Sohn Tyler. Er hatte ein Problem in der Schule, und das hat mich etwas durcheinandergebracht. Normalerweise bin ich nicht so.“

Peytons eindringlicher Blick machte sie nervös.

„Und was genau machen Sie bei Zorba the Geek?“, fragte Mr Johnson. „Sind Sie Computertechnikerin?“

„Ha!“ Ihr Sohn lachte. „Mom könnte ein Gigabyte nicht von einem IC-Baustein unterscheiden.“

Peyton musterte Megan mit hochgezogenen Brauen. „Und du kannst es?“

„Natürlich. Sehen Sie die Geekon-Festplatte da?“ Tyler zeigte auf einen zerlegten PC und erzählte etwas von integrierten Schaltkreisen, Logikgattern, Signalen und Dualzahlen. Megan verstand kein Wort. „Die Geekon-Serie verwendet IC-Bausteine.“

„Was hältst du von der Geekon-Serie?“, fragte Peyton den Jungen, der in der ganzen Woche zu ihr nicht mehr als drei Sätze gesagt hatte.

Tyler ließ sich über Mikroprozessoren und Transistoren aus. „Kurz gesagt, Geekon-Computer sind die besten, die man kaufen kann. Aber sie sind nicht die besten, die man bauen kann.“

„Tyler“, ermahnte Megan ihn. „Mr Johnson arbeitet bei Zorba the Geek, also einem Tochterunternehmen von Geekon Enterprises, vergiss das nicht.“

Ihr Sohn tätschelte eine Festplatte, die auf dem Tisch vor ihm lag. „Dann möchte Mr Johnson bestimmt sehen, wie ich das Baby hier verbessern kann.“

O nein.

„Weißt du was, Tyler? Das würde ich sogar sehr gern sehen, aber ich komme aus der Buchhaltung. Wenn ich hier fertig bin, könnte ich ein paar Kollegen aus der Produktion anrufen und dich mit jemandem zusammenbringen, der die Dinger konstruiert.“

„Cool!“

Als Peyton sich wieder zu Mr Carpenters Schreibtisch umdrehte, betrachtete er ihn, als wollte er ihn mitsamt den Papierbergen darauf in den Müllcontainer hinter dem Haus befördern. Genau das hatte Megan sich schon oft vorgestellt, denn sie hatte keine Ahnung, wo sie beginnen sollte, um Ordnung ins Büro zu bringen.

Peyton seufzte. „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.“

Großartig, der Mann war Buchhalter und konnte Gedanken lesen.

„Seit Mrs Carpenter krank ist, sind wir etwas im Rückstand“, gab Megan zu. „Wie lange bleiben Sie?“, fragte sie und hoffte, dass es sich nur um Stunden handelte.

„So lange wie nötig. Die Zentrale hat für mich ein Zimmer im Night Owl gebucht.“

Das Motel lag am Highway, nicht weit vom Stagecoach Inn, einem örtlichen Nachtklub. Sie bezweifelte, dass ein Mann wie Peyton Johnson sich in einem der beiden wohlfühlen würde.

„Schade, dass Sie nicht in der Wohnung über dem Laden übernachten können“, warf Tyler ein. „Dann hätten Sie es viel näher.“

Megan erstarrte.

„Da gibt es ein Bett und einen Fernseher und eine Küche“, fügte ihr Sohn hinzu.

„Ist sie denn frei?“

„Ja.“

Sie schluckte. Wie konnte sie Tyler zum Schweigen bringen? „Die Firma hat Mr Johnson im Motel untergebracht und das Zimmer bestimmt schon angezahlt. Und selbst wenn nicht, fällt wahrscheinlich eine Stornierungsgebühr an. Außerdem ist in der Innenstadt von Brighton Valley abends nicht viel los, da ist er im Night Owl besser aufgehoben, weil es in der Nähe Restaurants und so etwas gibt.“

Megan rang sich ein Lächeln ab. Einen Aufseher im Büro zu haben war schlimm genug. Der Mann musste nicht auch noch hier wohnen.

„Ich denke, ich rufe in der Zentrale an“, sagte Peyton. „Über dem Laden zu übernachten wäre viel bequemer. Je früher ich hier fertig bin, desto mehr Geld spart die Firma.“

Als er sein Handy herausholte, hätte sie es ihm am liebsten weggenommen, aber das ging natürlich nicht. Nach der Scheidung hatte sie drei lange Jahre gebraucht, um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, und jetzt sah sie endlich Licht am Ende des finanziellen Tunnels. Ausgerechnet jetzt tauchte Peyton Johnson auf und gefährdete alles, was sie sich so mühsam aufgebaut hatte.

Aber Megan war bereit, sich zu wehren. Auf keinen Fall würde sie kampflos zusehen, wie der nächste Mann ihre Träume zerplatzen ließ.

Clay nahm sein Handy heraus und rief seine Assistentin Zoe an, die natürlich wusste, dass er als Buchhalter getarnt verdeckte Nachforschungen anstellte.

„Über dem Geschäft in Brighton Valley gibt es eine Wohnung. Ich weiß nicht, wie die Erbsenzähler in der Zentrale damit umgehen werden, aber es wäre praktischer, wenn ich dort übernachte. Das Hotel, das Sie für mich reserviert haben, liegt auf der anderen Seite der Stadt.“

„Das Haus gehört Ihnen“, erwiderte Zoe. „Wenn Sie dort übernachten, kostet es die Firma keinen Cent.“

„Genau, richtig, Ma’am. Könnten Sie es mit der Spesenabteilung klären?“

„Ich …“ Zoe zögerte. „Dieser Anruf gehört zu Ihrer Tarnung?“

„Stimmt.“

„Und ich soll einfach nur zuhören, während Sie reden?“

„Das wäre gut, ja.“

„Sehr schlau. Ihre Sekretärin muss also Ihre rätselhaften Anrufe entschlüsseln?“

„Das wäre sinnvoll, jedenfalls solange ich in Brighton Valley bin“, bestätigte er.

„Sie können sich auf mich verlassen, Clay … Peyton, meine ich.“

„Danke, Zoe.“ Clay lächelte. „Dann klären Sie das bitte. Wann können Sie mich zurückrufen?“

„In fünf Minuten?“

„Einverstanden.“

„Bis gleich, Chef. Die Uhr läuft.“

Clay steckte das Handy wieder ein und sah, wie Megan ihrem Sohn einen grünen Rucksack in die Hände drückte und zum Ladentresen zeigte. „Nicht solange er hier ist“, flüsterte sie dabei.

Tyler warf ihm einen Blick zu und ging widerwillig nach vorn.

Was sollte der Junge nicht tun, solange „Peyton Johnson“ hier war?

Sie lächelte Clay zu, aber es wirkte etwas gezwungen.

Warum war sie so nervös?

„Soll ich Ihnen den Laden zeigen?“, fragte sie.

Clay hatte schon mit sechzehn hier gearbeitet, außerdem gehörte ihm das Gebäude. Er brauchte keine Besichtigungstour, aber das musste sie nicht wissen.

„Gern.“ Je früher er diese Filiale wieder auf Vordermann brachte, desto früher konnte er aus Brighton Valley verschwinden. Und diesmal würde er es für immer tun.

„Den Verkaufsraum haben Sie ja schon gesehen“, begann sie. „Dort bieten wir unsere aufgearbeiteten Computer und einige neue Geekon-Modelle an. Wir haben nicht viel Bargeld in der Kasse, nur genug, um den Kunden herauszugeben. Wir nehmen auch Kreditkarten, aber damit brauchen Sie sich nicht zu befassen.“

Er hätte sich damit befassen müssen, wenn ein Kunde den Laden betreten hätte, während sie ihren Sohn von der Schule abgeholt hatte. Doch bevor er antworten konnte, läutete die Glocke über der Tür.

Mit einem Laptop unter dem Arm und wütendem Gesicht marschierte ein Kunde herein. „Wo ist Don? Er sollte diesen verdammten Computer reparieren, und ich habe fast drei Wochen darauf gewartet. Gestern hat er mich angerufen, dass ich ihn abholen kann, aber das Ding funktioniert noch immer nicht richtig.“

Riley McLaughlin hatte den gebrauchten Laptop gekauft, als Clay hier gearbeitet hatte, und stellte den in die Jahre gekommenen Rechner auf den Tresen. „Dies ist jetzt schon das dritte Mal, dass ich in die Stadt fahren musste, und ich kann noch immer nicht ins Netz oder E-Mails verschicken. Euer Service ist miserabel.“

„Don ist im Moment nicht da“, antwortete Megan. „Aber wenn Sie Ihren Laptop hierlassen, sieht er ihn sich noch mal an.“

„Und was dann?“ Riley schnalzte mit der Zunge. „Soll ich wieder drei Wochen darauf warten?“

„Ich verspreche Ihnen, er kümmert sich sofort darum.“ Megan griff unter den Tresen und präsentierte den Teller mit Keksen. „Hier, probieren Sie meine Zimtplätzchen. Die habe ich heute Morgen gebacken.“

Riley runzelte die Stirn und murmelte etwas Unverständliches, bevor er sich eins nahm und hineinbiss.

„Ich sehe mir Ihren Rechner an“, sagte Clay zu ihm. „Zufällig haben wir einen der neuen Geekon-Laptops hier. Nehmen Sie ihn doch mal mit. Wir bieten dieses Modell gerade besonders günstig an, und Sie können ihn zehn Tage lang testen, bevor Sie ihn kaufen.“

Kauend drehte Riley sich zu ihm um, und Clay befürchtete schon, der Mann könnte ihn wiedererkennen.

„Wer sind Sie?“

Clay atmete auf. „Peyton Johnson aus der Zentrale in Houston.“

Rileys Miene entspannte sich. „Was kostet er?“

„Wenn er Ihnen gefällt und Sie es herumerzählen, bekommen Sie ihn für hundert Dollar.“ Er nahm den Karton mit dem neuen Geekon Blast aus dem Regal. Selbst für einen Geizhals wie Riley war das ein tolles Angebot. Vor allem besänftigte es den Mann wirksamer als jeder noch so leckere Keks.

Als Clays Smartphone läutete, nahm er es wieder in die Hand.

„Hundert Dollar sind zehn Prozent vom eigentlichen Verkaufspreis“, flüsterte Megan ihm zu.

Er hob das Handy. „Möchten Sie erst mal mit der Zentrale darüber reden?“

Sie musterte ihn, als wollte sie sich davon überzeugen, dass er es ehrlich meinte.

Er lächelte. „Peyton Johnson“, meldete er sich.

„Hallo, Chef. Ich bin’s wieder.“

„Danke, Zoe. Und wenn ich Sie schon mal dran habe, könnten Sie mit Megan sprechen, die in unserem Geschäft hier in Brighton Valley arbeitet? Ich habe ihr gerade von dem Hundert-Dollar-Superangebot erzählt, mit dem wir für den Geekon Blast werben, aber sie hat mir nicht geglaubt.“ Er hielt Megan das Smartphone hin.

Als sie danach griff, streifte ihre Finger seine, und er fühlte es im ganzen Arm. Ihre Blicke trafen sich, und er sah ihr an, dass auch sie etwas Ungewöhnliches gespürt hatte.

Hastig schaute sie aufs Display. „Hallo?“ Sie lauschte kurz. „Okay“, sagte sie dann. „Es klang nur zu schön, um wahr zu sein. Du meine Güte, wenn die Dinger nur hundert Dollar kosten, möchte ich auch eins.“

Erneut hörte sie zu, bevor sie nickte und ihm das Telefon zurückgab. Clay bedankte sich bei Zoe und steckte es ein.

„Zufrieden?“

„Sie hat gesagt, dass Sie an der letzten Marketingsitzung teilgenommen haben und sich nie irren, wenn es um Verkaufsaktionen und Sonderpreise geht. Außerdem möchte sie auch eins der neuen Geekon-Blast-Modelle, weil ihr Neffe in der nächsten Woche Geburtstag hat. Jetzt kann sie sich endlich eins leisten.“

„Schlaues Mädchen, unsere Zoe. Gute Angebote lässt sie sich nie entgehen.“ Er würde seiner Assistentin erklären müssen, dass sie es nicht herumerzählen durfte. Schließlich war es eine Aktion, die nur heute stattfand.

„Also, was meinen Sie?“, fragte er Riley. „Lassen Sie Ihren alten Laptop hier und testen unser neues Baby?“

„Abgemacht“, erwiderte der Kunde, bevor er sich den Karton unter den Arm klemmte und den Laden verließ.

„Ich glaube, der neue Laptop hat sogar noch besser gewirkt als meine Kekse.“

„Wie viele Beschwerden bekommen Sie aktuell?“

Sie biss sich auf die Lippe. „Einige. Don ist mit den Reparaturen ein wenig im Rückstand.“

Clay vermutete, dass das untertrieben war. Aber er würde der Sache auf den Grund gehen.

„Kommen Sie“, sagte sie. „Ich zeige Ihnen alles.“

Megan führte ihn zurück in die Werkstatt, die dreimal so groß war wie der Verkaufsraum. Clay hatte sie viel kleiner in Erinnerung. Das lag vielleicht auch daran, dass sich nicht nur in den Regalen, sondern auch auf dem Fußboden gebrauchte und fabrikneue Computer stapelten.

„Hier arbeitet Don.“ Megan zeigte auf den Schreibtisch, der bei Ralph Weston immer blitzsauber und aufgeräumt gewesen war. Jetzt war die Platte, die Ralph an jedem Samstagnachmittag auf Hochglanz poliert hatte, unter all den Papieren und anderem Zeug nicht mehr zu sehen.

Clay folgte Megan, während sie redete und zeigte, aber jedes Mal, wenn ihm ihr Lavendelduft in die Nase stieg, fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Allerdings nicht darauf, wie die Jeans sich an jeden Zentimeter ihres aufregenden Körpers schmiegte – ganz anders als bei dem gertenschlanken Model, mit dem er zuletzt ausgegangen war. Er fand Megans feminine Figur wesentlich reizvoller.

Sie griff nach einem Stapel Papiere und deponierte ihn in einer Ablage auf einem alten grünen Aktenschrank. „Ich organisiere gerade ein neues System.“

Das neue System interessierte ihn nicht halb so sehr wie die Frau, die es ihm gerade zu erklären versuchte.

„So, das war’s hier unten“, sagte sie am Fuß der Treppe, die nach oben führte. „Dort ist die Wohnung, die Tyler erwähnt hat. Aber bestimmt hätten Sie es im Night Owl wesentlich bequemer. Das Motel ist viel näher an den Supermärkten und direkt neben dem Stagecoach Inn, falls Sie nach der Arbeit ein Bier trinken oder tanzen gehen möchten.“

„Ist das eine Einladung?“ Kaum hatte er es ausgesprochen, hätte er sich treten können.

Warum zum Teufel hatte er sie das gefragt? Er war es gewohnt, dass Frauen mit ihm flirteten, aber selbst er wusste, dass Megan einfach nur freundlich sein wollte.

„O nein. Ich …“ Sie errötete. „Ich meine, ich gehe nicht tanzen oder so etwas. Ich bin Mutter, ich habe Tyler und Lisa und … Dabei fällt mir ein …“ Sie blickte auf die Uhr. „Es tut mir leid, aber am Mittwoch arbeitete ich sonst nicht, deshalb habe ich heute keinen Babysitter und muss meine Tochter abholen. Könnten Sie noch mal für mich auf den Laden aufpassen?“

Bevor er antworten konnte, war die attraktive Rothaarige schon verschwunden. Wie vorhin. Vielleicht war es besser so, weil er sich nicht ablenken lassen durfte und nicht vorhatte, länger als unbedingt nötig in Brighton Valley zu bleiben.

Hoffentlich kam Don Carpenter bald zurück, denn Clay wollte nicht zu lange mit Megan Adams allein sein. Als er hörte, wie jemand mit einem Bleistift auf Holz klopfte, wurde ihm bewusst, dass sie auch eben nicht allein gewesen waren. Megans Sohn saß am Verkaufstresen und schrieb nicht in sein Hausaufgabenheft, sondern starrte auf die Computer an der Wand.

Das heißt, ich muss mich nicht nur ums Geschäft kümmern, ich muss auch noch den Babysitter spielen, dachte Clay verärgert.

Megan Adams mochte höllisch sexy sein, aber sie war auch die verantwortungsloseste Angestellte, die er je gehabt hatte. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie die erste in Brighton Valley sein würde, die er feuern musste.

Peyton Johnson hätte zu keinem schlechteren Zeitpunkt auftauchen können. Und vermutlich war er im Moment ziemlich wütend auf sie.

Als Megan zum zweiten Mal aus dem Laden gerannt war, hatte er sie nur fassungslos angeschaut. Aber sie konnte sich vorstellen, was er dabei gedacht hatte.

Ohne Don war ihr nichts anderes übrig geblieben. Schließlich hatte sie ihre kleine Tochter nicht in der Schule lassen können.

Als sie in die Gasse hinter den Geschäften an der Main Street einbog, warf sie Lisa im Rückspiegel einen Blick zu. „Bitte zieh deine Stiefel aus und die Schuhe an, bevor wir hineingehen. Du weißt, wie schwer der Schmutz und das Gras aus dem Teppichboden im Laden herauszukriegen sind.“

„Ach, Mom.“ Die Siebenjährige wäre am liebsten dauernd im Fußballdress herumgelaufen. „Darf ich barfuß gehen? Unser Trainer hat erzählt, dass viele Sportler barfuß gehen, um ihre Füße abzuhärten. Und ich will, dass meine Füße hart werden.“

Megan war noch nicht dazu gekommen, im Geschäft Staub zu saugen, und befürchtete, dass überall noch Schrauben oder Drahtstücke herumlagen. Außerdem wollte sie nicht, dass Mr Johnson ihr auch noch einen Verstoß gegen die Sicherheitsbestimmungen vorwarf. „Schon gut. Stampf einfach ein paarmal auf, bevor du hineingehst.“

Dass sie an diesem Nachmittag gleich beide Kinder zur Arbeit mitnehmen musste, war schlimm genug. Aber ihre Mutter und Ted machten den Urlaub, von dem sie seit Jahren geträumt hatten, und fuhren mit dem Wohnmobil quer durch die USA. Daher hatte Megan keine andere Wahl, bis in der nächsten Woche das Sommercamp in Wexler begann.

Sie hielt dem blonden kleinen Mädchen die Tür auf. Lisa hatte mal wieder ihren Rucksack im Wagen „vergessen“. „Sobald du Mr Johnson kennengelernt hast, holst du die Schultasche mit deinen Hausaufgaben herein, damit du Rechtschreibung üben kannst.“

Lisa verdrehte die Augen. „Wozu denn? Fußballer müssen nur wissen, wie man schnell rennt und den Ball tritt.“

Als sie die Werkstatt betraten, drehte Peyton sich zu ihnen um. „Selbst Mia Hamm musste Buchstabieren lernen“, sagte er.

Großartig, dachte Megan. Der Mann war noch keine dreißig Minuten hier, und schon erlaubte er sich ein Urteil über ihre Erziehungskünste. Bestimmt vermutete er, dass ihr Sohn ein Hacker war und ihre Tochter Lesen hasste.

„Wer sind Sie denn?“, fragte Lisa.

„Lisa! Das ist Mr Johnson. Ich habe dir von ihm erzählt. Er ist der Mann von Geekon Enterprises, der eine Weile hier arbeiten wird.“

„Kennen Sie Mia Hamm?“

„Ich bin ihr sogar schon mal begegnet. Sie kann hervorragend buchstabieren.“

Lisas Augen wurden groß. „Eine Nationalspielerin? Wirklich?“

„Na ja, wir sind nicht gerade befreundet“, gab er zu. „Ich bin ihr bei … einer Benefizveranstaltung begegnet. Und das mit dem Buchstabieren … habe ich irgendwo gelesen.“

„Mom, ist der Wagen offen? Ich muss meinen Rucksack holen.“

„Er ist offen.“ Belustigt sah Megan ihr nach, als Lisa nach vorn rannte. „Danke“, sagte sie zu Peyton Johnson.

„Selbst Stubenhocker können sich manchmal in Sportfans hineinversetzen.“

Stubenhocker? Das galt vielleicht für viele Buchhalter, aber ganz sicher nicht für Peyton Johnson. Er sah aus, als würde er lieber übers Footballfeld sprinten als Zahlen addieren.

„Ich bringe meine Kinder nicht immer zur Arbeit mit.“

Okay, das stimmte nicht ganz, aber Don ließ ihr keine andere Wahl, wenn sie ihre Krankenversicherung und das zusätzliche Einkommen behalten wollte. Eigentlich sollte das hier nur ein Teilzeitjob sein, aber sie hatte häufiger als geplant für den armen Mann einspringen müssen.

„Aber ich bin alleinerziehend, und da Tyler heute Ärger in der Schule hatte …“ Dass sie sich als verlassene Mutter präsentieren musste, war schrecklich. Sie wollte nicht bedauert werden, weil sie zu dumm gewesen war, um Todd Reddings Charme zu widerstehen.

Als ihr bewusst wurde, dass Peyton noch immer nicht antwortete, begann es hinter ihren Schläfen zu pochen. Sie nahm das Gummiband ab, ließ das lange Haar auf die Schultern fallen und massierte die Kopfhaut.

Erstaunt starrte Peyton sie an.

Was war los? Hatte sie den nächsten Fehler begangen?

Er wandte den Blick ab und sagte endlich etwas. „Kommen Sie eine Weile allein zurecht, während ich meinen Koffer hole und einen Happen esse?“ Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern eilte aus dem Laden.

Wahrscheinlich wollte er seinen Chef anrufen und ihm mitteilen, dass die Filiale in Brighton Valley keinen Rettungsversuch wert war. Sie wollte ihm nachgehen, aber sie durfte den Laden nicht unbeaufsichtigt lassen.

Aber Augenblick mal. Er wollte seinen Koffer holen. Das bedeutete, dass er in der Wohnung über dem Geschäft absteigen wollte.

Sie musste schleunigst oben lüften und die Bettwäsche wechseln.

„Tyler, hilf deiner Schwester beim Buchstabieren und pass auf den Laden auf. Ich muss oben aufräumen.“

„Mach ich, Mom.“

„Und sag Bescheid, wenn Mr Johnson wiederkommt.“

„Okay.“

Sie wollte unbedingt wieder unten und bei der Arbeit sein, wenn er zurückkehrte.

Clay konnte nicht fassen, dass er wie ein verlegener Teenager aus dem Laden gerannt war. Hoffentlich lag es nur daran, dass er nicht genug gegessen hatte, und nicht daran, wie die attraktive alleinerziehende Mutter das Gummiband aus dem Haar gezogen und ihre seidigen Locken vor seinen Augen ausgeschüttelt hatte …

Megan Adams erinnerte ihn an die Cheerleader in der Highschool, für die er geschwärmt hatte, für die er aber so gut wie gar nicht existiert hatte. Vermutlich war sie auch Cheerleaderin gewesen und hatte ihre wertvolle Zeit nicht mit einem unsportlichen Außenseiter wie ihm verschwendet. Wahrscheinlich würde sie sich auch jetzt dazu herablassen, erst recht nicht mit jemandem wie Peyton Johnson.

Als sie fort gewesen war, hatte er sich die Rechnungen und andere Unterlagen angesehen. Seitdem fragte er sich, ob wenigstens der Laden für sie existierte. Hier herrschte das reine Chaos. Zweifellos war Megan überfordert, und auch ihre leckeren Kekse änderten nichts daran, dass er möglichst schnell einige personelle Veränderungen vornehmen musste.

Wie sollte er diese Filiale jemals in Ordnung bringen, ohne zu verraten, wer er war?

Das mit Mia Hamm war ihm herausgerutscht. Clay kannte die weltberühmte Fußballspielerin persönlich, genau wie viele andere bekannte Sportler, denen er bei seinen wohltätigen Aktivitäten begegnet war. Wenn er nicht aufpasste, würde seine Tarnung schon am ersten Tag auffliegen. Er durfte sich Megans rotem Haar und braunen Augen nicht zu lange aussetzen, sonst würde ihm schon bald der nächste Fehler unterlaufen.

Er brauchte dringend eine Pause. Einer der saftigen Cheeseburger in Caroline’s Diner wäre jetzt genau das Richtige. Seit er in Kalifornien lebte, ernährte er sich richtig gesund, aber heute würde er sich ausnahmsweise mal rotes Fleisch und Pommes frites gönnen.

Als er am Eiscafé vorbeischlenderte, läutete sein Handy. Er schaute aufs Display, damit er sich nicht mit dem falschen Namen meldete. Nur seine Assistentin wusste, dass Clay Jenkins und Peyton Johnson ein und derselbe waren.

Der Anrufer war Don Carpenter.

Es war höchste Zeit, dass der Filialleiter sich bei ihm meldete. Wo steckte der Mann an einem Werktag? Und warum überließ er den Laden einer bildhübschen, aber unfähigen Frau?

„Peyton Johnson.“

„Don Carpenter hier. Tut mir leid, dass ich Ihren Anruf vorhin verpasst habe. Ich bin mit meiner Frau im Brighton Valley Medical Center. Sie haben gerade ein paar Untersuchungen gemacht, als Sie angerufen haben.“

Clay hatte Verständnis für medizinische Notfälle, aber warum hatte Don ihm nicht Bescheid gesagt? Und warum hatte er keine zuverlässige Aushilfe eingestellt?

„Wir beide waren heute Mittag verabredet“, sagte Clay.

„Ich hätte schwören können, dass wir uns am Mittwoch treffen wollten.“

„Heute ist Mittwoch.“

„Oje. Normalerweise fahre ich meine Cindy dienstags zur Behandlung, gestern auch. Aber heute früh ist sie ohnmächtig geworden, und ich musste sie zum Arzt bringen. Jetzt wird sie gerade untersucht. Das hat mich aus der Bahn geworfen. Tut mir leid.“

Cindy war vermutlich Dons Frau und musste sehr krank sein, wenn sie jede Woche in der Klinik behandelt wurde.

„Schon gut“, erwiderte Clay. „Megan hat mir alles gezeigt.“

„Megan ist ein tolles Mädchen und eine große Hilfe. Die Kunden lieben ihre Kekse und Kuchen. Sie zieht ihre beiden süßen Kinder ganz allein auf.“

Süß? Eins der beiden Kinder war vom Unterricht ausgeschlossen worden. Natürlich war es verzeihlich, den Computer des Klassentyrannen zu hacken. Clay hatte selbst mal in Tylers Schuhen gesteckt, und wenn er lange genug hierblieb, würde er …

Augenblick mal. Was dachte er da?

„Megan ist ein Geschenk des Himmels“, fuhr Don fort und lobte sie in höchsten Tönen, bis Clay sich fragte, ob sie dieselbe Person meinten. „Aber Sie werden sie ja morgen treffen, wenn sie nach Brighton Valley kommen. Mittwochs hat sie immer frei.“

Heute ist Mittwoch“, wiederholte Clay. „Ich bin jetzt in der Stadt.“

„Stimmt ja. Entschuldigung. Ich habe kaum geschlafen. Leider muss ich jetzt auflegen. Der Arzt kommt gerade mit Cindys Ergebnissen. Ich sehe Sie morgen im Laden, Mr Johnson.“

Seufzend schaute Clay auf das Handy in seiner Hand.

Kein Wunder, dass hier alles drunter und drüber ging. Konnte er es riskieren, Megan lange genug allein zu lassen, bis er einen Happen gegessen hatte?

2. KAPITEL

Als Clay Caroline’s Diner betrat, fiel sein Blick als Erstes auf die Kreidetafel neben der altmodischen Registrierkasse, auf der das Tagesgericht verzeichnet war. Es hörte sich verlockend an, aber er hatte nun mal Appetit auf einen Cheeseburger. Sally, die Kellnerin, die schon zu seinen Highschool-Zeiten hier gearbeitet hatte, kam lächelnd an seinen Tisch. „Möchten Sie etwas trinken?“

„Wasser, bitte.“

„Unser Eistee ist ganz frisch. Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen zu ihrem Wasser ein Glas davon bringe?“

Das hier war Texas. Wenn er nicht unangenehm auffallen wollte, sollte er den Nektar seiner Jugend nicht ablehnen.

„Gern, aber bitte ungezuckert.“

Sally schnalzte tadelnd mit der Zunge. „Sind Sie neu in der Stadt, Sugar, oder nur auf der Durchreise?“

Er war froh, dass sie ihn nicht erkannt hatte, und wollte nicht zu viele Fragen über sich beantworten. Andererseits hatte er sich seine Tarnung gut eingeprägt und war auf alles vorbereitet, also nannte er seinen falschen Namen und erzählte, dass er aus der Geekon-Zentrale kam und lediglich in der Filiale einige Türen weiter aushalf.

„Da sind Sie ja ein Segen für Don Carpenter. Er hat alle Hände voll zu tun, seit die arme Cindy krank ist. Ich hoffe, sie fühlt sich jetzt besser. So eine Chemotherapie kann echt hart sein, wenn Sie wissen, was ich meine.“

Nein, das wusste Clay nicht. Mit Krebs war er noch nie konfrontiert worden. Die bipolare Störung seiner Mutter war die ernsteste Erkrankung, mit der er bisher zu tun gehabt hatte.

Aber jetzt war ihm klar, warum Don sich so große Sorgen um seine Frau machte und warum Megan ihre Kinder in den Laden mitgebracht hatte. Wenn heute eigentlich ihr freier Tag war, sollte er wohl nicht ganz so streng zu ihr sein.

„Ich bin Megan Adams begegnet“, erwiderte Clay. „Schön, dass jemand im Laden Vertretung macht.“

„Ich liebe Megan. Sie ist eine wundervolle Mutter und eine begnadete Köchin. Ihre Muffins sind heute schon alle weg, und wir haben nur noch ein paar Gläser ihrer Marmelade. Ich weiß, das Mädchen braucht den Zusatzverdienst von Zorba’s, aber mit ihren Backwaren und Konfitüren könnte sie viel mehr verdienen als durch den Teilzeitjob bei Don Carpenter.“

Megan belieferte das Diner mit Kuchen, Keksen und Marmelade? Neben dem Job im Laden? Faul war sie offenbar nicht. Und wenn ihre Muffins so lecker waren wie die Zimtplätzchen, erstaunte es ihn nicht, dass sie ausverkauft waren. Aber steckte sie in finanziellen Schwierigkeiten? Wäre sie versucht, im Geschäft Geld zu unterschlagen? Genau das wollte er herausfinden.

Zwei ältere Ladies setzen sich an einen Tisch, und um Sally nicht länger von der Arbeit abzuhalten, bestellte er einen doppelten Cheeseburger mit extra Pommes. Wahrscheinlich würde er etliche Pfunde zunehmen, aber ein Besuch im Diner war die beste Methode, mehr über die Filiale und die dort Beschäftigten zu erfahren.

Eine halbe Stunde später, nachdem er den Burger und sämtliche Pommes frites verspeist hatte, ließ er sich von Sally überreden, ein Stück Erdnussbutterkuchen mitzunehmen. Da es noch früh am Tag war, konnte er seinen Koffer in die Wohnung bringen, Megan nach Hause schicken und das Geschäft schließen, damit er in Ruhe die Bücher durchgehen konnte.

Als er zur Kasse ging, sah er, wie die älteren Ladies Vierteldollarmünzen auf den Tisch zählten. Unauffällig nahm er einen zweiten Zwanzigdollarschein heraus und signalisierte Caroline diskret, dass er auch das Essen der Ladies bezahlen wollte. Danach gab er der überraschten Kellnerin zehn Dollar Trinkgeld und verließ das Diner. Auf dem Rückweg zu Zorba’s ließ er sich Zeit.

Die beiden Seniorinnen hatten ihn daran erinnert, dass auch er einmal in einer anderen Welt gelebt hatte. Seine Mutter hatte zwar Geld verdient, aber er hatte es einteilen, sämtliche Rechnungen begleichen, Lebensmittel kaufen und kochen müssen. Außerdem hatte er dafür gesorgt, dass sie ihre Medikamente einnahm und nachmittags aufstand, um wieder zur Arbeit im Labor zu gehen – und das alles jeden Tag aufs Neue, bis sie gestorben war.

Daran hatte er denken müssen, als er gesehen hatte, wie liebevoll Megan sich um ihre Kinder kümmerte. Jetzt gab er sich Mühe, die Vergangenheit abzuschütteln, bevor er den Laden betrat.

Lisa saß am Tresen und übte Buchstabieren.

„Hey, Mr Johnson. Wissen Sie etwas über Sportler, die nicht lesen müssen? Ich habe gehört, dass Kunstturner zu Hause zur Schule gehen dürfen. Und zwar nur zwei Stunden am Tag, weil sie so viel trainieren müssen. Vielleicht sollte ich vom Fußball zum Turnen wechseln.“

Das Mädchen bat ihn um einen Rat? Er hatte keine Ahnung von Kindern, weil er nie welche gehabt hatte. Außerdem hatte er immer die Mitschüler gemieden, die Sport trieben. Woher sollte er wissen, welchen sie ausüben sollte?

„Jeder muss lesen können“, antwortete er. „Auch Turner.“

„Was ist mit Softball? Mom hat mich zum Sommercamp angemeldet. Hoffentlich kann ich dort alle Sportarten ausprobieren und herausfinden, bei welcher ich am wenigstens zur Schule muss.“

„Warum magst du die Schule nicht?“ Clay sah sich um. Wo steckte Megan?

„Die Schule ist gar nicht so übel. Unsere Sportlehrerin Mrs Sanchez ist nett. Und ich mag meine Freundinnen und die Pausen. Aber ich sitze nicht gern in der Klasse. Die Buchstaben geraten immer durcheinander, deshalb bin ich lieber draußen.“

Bei ihm war es umgekehrt gewesen. Er hatte lieber gelesen und geschrieben. Er hatte Jahre gebraucht, um beim Basketball nicht mehr ausgelacht zu werden. Erst wenn er am Computer gesessen und die Finger auf Maus und Tastatur gelegt hatte, hatten ihm seine Hände gehorcht und stundenlang Höchstleistungen erbracht.

„Ja!“, rief Tyler in der Werkstatt und holte ihn die Gegenwart zurück.

Er durfte nicht weich werden. Und wo war Megan? War sie schon wieder irgendwohin gegangen?

Clay eilte nach hinten, wo der Junge an einem Computer saß. Als er sich vorbeugte, um auf den Bildschirm zu schauen, sah er den Aufkleber an der Festplatte. O nein. Megans Sohn spielte an einem Rechner herum, den ein Kunde Zorba’s anvertraut hatte.

„Was tust du da?“ Clay versuchte, nicht vorwurfsvoll zu klingen, aber so langsam verlor er die Geduld.

Als im Verkaufsraum das Telefon läutete, hastete er wieder nach vorn. Bevor er den Tresen erreichte, nahm Lisa den Hörer ab. „Zorba the Geek’s Computer Shop“, meldete sie sich. „Wie kann ich Ihnen helfen?“

Das ging zu weit. Eine Siebenjährige nahm geschäftliche Anrufe entgegen, während ihr zwölfjähriger Bruder in der Werkstatt Kundengeräte ruinierte. Wo zum Teufel steckte die Mutter? Brighton Valley war eine Kleinstadt, aber das entschuldigte nicht, wie unprofessionell es in dieser Filiale zuging. Er war versucht, Megan fristlos zu feuern, sobald sie wiederauftauchte.

„Tyler“, rief Lisa nach hinten. „Mr Hochstein möchte wissen, ob du seinen PC schon von dem Virus befreit hast. Er hat morgen Abend ein Pokerturnier und braucht ihn zurück.“

„Gerade geschafft“, erwiderte Tyler. „Hab den Störenfried erwischt und bin dabei, die anderen Dateien zu säubern. Aber er muss aufhören, die Offshore-Wettseiten zu besuchen, bei denen hat er sich nämlich den Virus eingefangen. Und er hat gerade eine Nachricht bekommen.“

Routiniert gab Lisa die Diagnose weiter.

„Mr Hochstein will wissen, wer ihm schreibt“, sagte sie dann.

„BigPokerMama213. Morgen findet ein Turnier statt. Ersteinsatz zwanzig Dollar.“

Als das Mädchen auch das wiederholte, fragte Clay sich, ob sein Unternehmen gerade gegen ein Gesetz verstieß – abgesehen von dem gegen Kinderarbeit. Spielte es juristisch eine Rolle, dass die beiden bei ihm kein Geld verdienten? Aber was war mit der Teilnahme an verbotenem Glücksspiel?

Auch dass Tyler den befallenen Computer bereinigt hatte, verblüffte ihn. Er hatte von dem internationalen Wettvirus gehört, der sämtliche Spezialisten in Panik versetzte. Und dieser kleine Junge – der gerade für zwei Tage vom Unterricht in der siebten Klasse ausgeschlossen worden war – schien zu glauben, dass er den Angreifer ganz allein besiegt hatte.

„Wie hast du das mit dem Virus hinbekommen?“, fragte Clay.

Tyler erklärte es ihm. Doch bevor er antworten konnte, hörte er über sich ein Knarren. Offenbar war Megan oben in der Wohnung.

„Darüber müssen wir noch reden“, sagte er zu ihrem Sohn. „Mach erst mal weiter, okay?“

Neugierig steuerte Clay die Treppe an und ging leise hinauf. Als er das Wohnzimmer betrat, fiel sein Blick auf eine geblümte Zweiercouch, den Tisch davor und einen kleinen Fernseher. Alles sah aus, als wäre es gerade abgewischt worden, und der Teppich war frisch gesaugt. Die winzige Küche war aufgeräumt, und auf dem Tisch brannte eine nach Vanille duftende Kerze.

Aus dem Schlafzimmer kam Rockmusik. Er ging hinüber. Megan beugte sich gerade übers Bett und strich das Laken glatt, wobei ihr in Jeans gehüllter Po sich zu einem Song von Fleetwood Mac bewegte, der aus dem Radiowecker auf dem Nachttisch drang.

Clay schob die Hände in die Hosentaschen, lehnte sich gegen den Türrahmen, starrte auf ihre Hüften und hoffte, dass Stevie Nicks nie zu singen aufhören würde.

Ein lautes Krächzen übertönte die Musik.

Offenbar versuchte ihr Sohn, einen Raben nachzumachen. Megan fuhr herum. Ihre geröteten Wangen und der ängstliche Blick verrieten, dass Tylers Warnung zu spät gekommen war.

Megan fragte sich, ob Peyton verärgert war, weil sie nicht unten im Laden war. Oder wunderte er sich darüber, dass sie die Wohnung für ihn bezugsfertig machte.

Sie lächelte verlegen, als ihre Kinder neben ihm in der Tür erschienen. Tyler krächzte noch immer, bis Lisa ihn anstieß.

„Was tun Sie hier?“, fragte Peyton.

„Ich wusste bis vorhin nicht, dass Sie hier oben übernachten wollten, und die Wohnung war nicht vorbereitet.“

„Gehört Putzen und Staubsaugen zu Ihrer Jobbeschreibung?“

Sie stützte die Hände auf die Hüften. „Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich zuvorkommend oder gastfreundlich bin.“

„Es tut mir leid. Ich wollte nicht undankbar klingen. Aber …“ Seufzend strich er sich durchs Haar. „Dieser Tag ist nicht so gelaufen, wie ich es erwartet habe.“

Da waren sie zu zweit. Megan seufzte ebenfalls. „Für mich war er auch etwas ungewöhnlich.“

Er antwortete nicht. Nach kurzem Zögern schickte sie die Kinder nach unten und bat sie, ihre Sachen einzusammeln.

„Don wollte heute herkommen, aber das hat nicht geklappt“, sagte sie, als sie mit Peyton allein war. „Heute ist mein freier Tag. Ich bin trotzdem für ihn eingesprungen, aber ausnahmsweise musste ich mich auch noch um die Kinder kümmern.“

„Ich verstehe.“

Tat er das wirklich? Hoffentlich. Dass die Kinder nachmittags nie hier waren, stimmte nicht ganz. Sie gab sich alle Mühe, die beiden anderweitig zu beschäftigen, aber häufig blieb ihr nichts anderes übrig, als Tyler oder Lisa im Laden oder hier oben unterzubringen.

Mit dem Bett hinter ihr und seiner athletischen Gestalt in der Tür … Obwohl sie besser nach unten gehen sollte, wollte sie es nicht. Ihr Herz klopfte, ihre Hormone befanden sich im Alarmzustand, und ihre Gedanken schlugen eine Richtung ein, in der sie nichts verloren hatten.

Keine Frage, Peyton Johnson war ein attraktiver Mann. Aber einen Mann anziehend zu finden war etwas anderes, als sich für ihn zu interessieren. Und sie war eindeutig nicht interessiert.

Und wenn sie auf der Suche nach einem Ehemann oder auch nur einem Freund wäre, dann wollte sie bestimmt keinen Jasager aus der Konzernzentrale, der noch dazu weit entfernt lebte. Nach der Scheidung hatte sie Houston verlassen und in Brighton Valley Wurzeln geschlagen, wo sie ihren Kindern endlich ein richtiges Zuhause bieten konnte.

Megan wich Peytons forschendem Blick aus und schaute auf die Uhr. „Es ist fast fünf. Zeit, den Laden abzuschließen und nach Hause zu gehen.“

Peyton trat zur Seite, um sie vorbeizulassen.

Sie hatte keine Ahnung, welches Aftershave er benutzte und wo man es kaufen konnte … Vermutlich war es teuer, aber sie hätte es sich einiges kosten lassen, um es ihrem Mann zu schenken – wenn sie einen Mann und genug Geld übrig hätte. Etwas so Aufregendes hatte sie noch nie gerochen.

Vielleicht lag es nicht nur am Duft, sondern auch daran, wie die ganz besondere Note sich mit den Pheromonen verband, die er abgab. Warum auch immer, es hatte etwas Verführerisches, fast Berauschendes. Sie musste sich von dem Mann fernhalten. Denn wenn es um Männer und sexuelle Anziehung ging, traute sie ihrem Urteil nicht mehr. Sie wurde den Verdacht nicht los, dass Peyton Johnson der Typ war, der eine Frau mit gebrochenem Herzen zurücklassen würde.

Nachdem sie Lisa an der Schule abgesetzt hatte, parkte Megan hinter dem Laden. Vor der Arbeit musste sie Caroline die frisch gebackenen Pfirsich-Muffins bringen. Sie nahm den Korb vom Rücksitz und schaute beim Aussteigen zur Wohnung über Zorba’s hinauf. Die Rollläden waren geschlossen, also schlief Peyton vermutlich noch. Vermutlich hatte er die ganze Nacht über den Büchern verbracht.

Auch sie hatte kaum geschlafen, aber nicht am Schreibtisch gesessen, sondern in der Küche gestanden, um zu backen und die Konfitüren für den Markt zu kochen, der an jedem dritten Sonntag im Monat in Brighton Valley stattfand. Sie hatte gehofft, dass die Arbeit sie von ihren Sorgen ablenken würde, aber sie hatte immer wieder an den sexy Fremden denken müssen. War er wirklich nur hier, um ihnen bei der Einführung des neuen Buchungssystems zu helfen? Oder würde er in der Zentrale berichten, wie schlecht es um ihre Filiale stand?

Im Diner saß Caroline, die mit Megans verstorbener Großmutter befreundet gewesen war, am Tresen und bestellte Vorräte. Annie, die Köchin, briet Spiegeleier und wendete Pfannkuchen, während Sally Frühstücksbestellungen durch das offene Fenster zwischen Gastraum und Küche rief.

Nachdem Megan sich von Todd hatte scheiden lassen und zu ihrer Mutter gezogen war, hatte Caroline ihr vorgeschlagen, Pfirsiche und Pflaumen aus dem Obstgarten der Familie auf dem Markt zu verkaufen. Da Todd sie in finanzieller Bedrängnis zurückgelassen hatte, war sie froh, etwas dazuverdienen zu können.

Um ihren Stand etwas interessanter zu gestalten, stellte sie einige Gläser mit Gelee und Marmelade dazu. Als einziges Mädchen der Familie hatte sie Kochen und Backen gelernt und sich sämtliche Rezepte ihrer Großmutter gemerkt. Caroline kaufte ihr Pfirsiche ab und bat sie, daraus Muffins und Konfitüre zu machen und sie am Montagmorgen ins Diner zu bringen. Da das Geld trotzdem nicht reichte, nahm Megan auch noch den Job bei Zorba’s an, zumal sie dadurch zu einer Krankenversicherung für sich und ihre Kinder kam.

„Ich hoffe, du hast mehr von der Pfirsich-Jalapeño-Marmelade mitgebracht“, sagte Caroline, als Megan ihren Korb abstellte. „Morgen haben wir die Rotarier hier, und Bürgermeister Mendez isst immer etwa zehn Brötchen und mindestens ein ganzes Glas Marmelade.“

„Ich habe nur noch ein Glas übrig, also wird er sich deine berühmte Wurstsoße über seinen Brötchen gießen müssen. Ich wollte gestern noch welche kochen, aber dann musste ich in letzter Minute für Don einspringen, weil er mit Cindy zum Arzt musste. Und von da an ging es mit dem Tag bergab.“ Megan erzählte ihr von Peyton Johnson.

Caroline zeigte mit dem Daumen auf die Kellnerin. „Sally hat berichtet, dass er hier war. Er soll richtig süß sein, wenn auch etwas schüchtern, und hat gegessen, als hätte er seit einer Ewigkeit keine gute Hausmannskost mehr zu sich genommen. Dann hat er für die Franco-Schwestern bezahlt und Sally ein großzügiges Trinkgeld gegeben.“

„Hat Sally auch erwähnt, dass er Don und mich in große Schwierigkeiten bringen kann? Wenn er uns in der Zentrale anschwärzt, ist unser Leben ruiniert!“

„Nein, aber sie hat erwähnt, dass er extrem gut aussieht. Sündhaft sexy, so hat sie sich ausgedrückt.“

Das stimmte zwar, trotzdem konnte Megan es gar nicht abwarten, ihn wieder abreisen zu sehen. „Ich versuche, dir bis Montag noch mehr Marmelade zu bringen“, versprach Megan im Gehen. Sie musste im Laden sein, bevor Don ankam, damit sie zwischen den beiden Männern vermitteln konnte. Den Frühstücksburrito für Don hatte sie bereits, vorsichtshalber nahm sie auch noch einen Muffin für Peyton mit. Nach dem Chaos, das er gestern vorgefunden hatte, war etwas Süßes für den stillen, aber kritischen Buchhalter vielleicht eine gute Idee.

Clay hatte kaum den Kopf vom Kissen gehoben, da knallte hinter dem Haus eine Wagentür. Er tastete nach seiner Brille, bis ihm einfiel, dass er nur Kontaktlinsen mitgenommen hatte. Mit zusammengekniffenen Augen schaute er auf den Wecker. Halb neun? Schon?

Nach der letzten Nacht brauchte er dringend eine doppelte Dosis Koffein.

Heute würde es bestimmt noch schlimmer als gestern werden, vor allem wenn er es außer mit unfähigen Mitarbeitern – und ihren Kindern – auch noch mit unzufriedenen Kunden zu tun bekam. Das einzig Positive in Brighton Valley waren bisher Tylers Virenbekämpfungstalent und Megans Kekse gewesen.

Megan.

Trotz des ersten, negativen Eindrucks hatte er nicht vergessen können, wie sie im Schlafzimmer wie ein junges Mädchen errötet war.

Warum hatte es ihm die Sprache verschlagen? Normalerweise fand er im Umgang mit dem anderen Geschlecht immer die richtigen Worte. Jedenfalls seit er den PC erfunden hatte, den die Medien den „Mehrgenerationencomputer“ nannten, und mit GeekMart und Zorba zum Multimilliardär geworden war.

Dennoch war er seit der Highschool bei keiner Frau so verlegen gewesen wie bei Megan. Weil sie ihn an die hübschen Mädchen erinnerte, die nur mit Footballspielern ausgegangen waren und ihn keines Blicks gewürdigt hatten? Fand er Megan deshalb so attraktiv? Und warum hatte er erst am späten Abend aufhören können, an die attraktive alleinerziehende Mutter zu denken?

Gegen Mitternacht war er in einer Schublade von Don Carpenters Schreibtisch auf eine Zeitschrift gestoßen, die alles hätte verderben können. Er suchte gerade nach mindestens zehn Auftragsformularen für ausständige Computerreparaturen. Doch als er die Schublade aufzog, fiel sein Blick als Erstes auf ein Foto, genauer gesagt, auf einen Teil davon. Er musste ein uraltes lädiertes Diskettenlaufwerk und einen verschimmelten Donut herausnehmen, um an die Zeitschrift zu gelangen. Vom Titelbild blickte ihm sein eigenes Konterfei entgegen. Trotz der schulterlangen Haare und der markanten Brille mit schwarzer Fassung war die Ähnlichkeit nicht zu übersehen.

Hastig nahm er die vor Jahren erschienene Ausgabe von Software Weekly heraus und steckte sie ein. Obwohl er jetzt Kontaktlinsen und kurzes Haar trug, ließ das Titelfoto keinen Zweifel daran, dass Clay Jenkins und Peyton Johnson ein und dieselbe Person waren.

Wenn man genau hinsehen würde. Wahrscheinlich könnte er die Zeitschrift an die Pinnwand heften, und niemand würde darauf kommen, dass der Chef von Zorba’s sich höchstpersönlich um eine kleine Filiale im Niemandsland kümmerte. Megan war nicht dumm, aber zum Glück blieb sie nie länger als zwei Minuten mit ihm in einem Raum.

Dann war da noch der Filialleiter. Clay wusste noch nicht recht, was er von Don Carpenter halten sollte. Der Mann war eindeutig abgelenkt und mit den Gedanken nicht bei der Arbeit.

Aber sicher war sicher. Als er das verräterische Fachmagazin in den Reißwolf steckte, fand er die fehlenden Aufträge im Papierkorb neben dem Gerät. Und die Bücher und Konten waren seit Monaten nicht mehr auf dem neuesten Stand.

Megan hatte recht. Bevor sie die moderne Software einsetzen konnten, mussten sie erst die komplette Buchhaltung aktualisieren. Und das würde wesentlich länger dauern, als Clay erwartet hatte.

Als draußen eine zweite Wagentür ins Schloss fiel, hoffte er, dass endlich mal beide Angestellten zur Arbeit erschienen. Es brauchte mindestens drei Leute, um das Chaos zu beseitigen, das er gestern Abend vorgefunden hatte.

Es war höchste Zeit, sich an die Arbeit zu machen. Clay stand auf, duschte kurz und ging nach unten, wo ihm der Duft von frischem Kaffee in die Nase stieg. Nicht gerade Starbucks, aber in diesem Kaff musste er eben nehmen, was er bekommen konnte. Als er das Büro betrat, reckte Megan sich nach dem Regal, in dem die Becher standen. Heute trug sie eine schwarze Hose und eine grüne Bluse. Das lange rote Haar hatte sie wieder zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er fand es gut, dass sie sich für eine praktische Frisur entschieden hatte, auch wenn sie ihm besser gefiel, wenn ihr die Locken um die Schultern strömten.

Don Carpenter, ein Mann über sechzig mit schütterem grauem Haar, saß am größten Schreibtisch. Sein hellblaues Poloshirt aus Polyester straffte sich über einem wohlgerundeten Bauch. Als Clay hereinkam, hob er den Kopf und runzelte die Stirn.

„Mr Carpenter“, sagte Megan und eilte von der Kaffeemaschine zu ihm, um ihm eine Hand auf die Schulter zu legen. „Das ist Peyton Johnson. Er ist der Buchhalter von Geekon, der uns helfen soll, unsere Buchhaltung auf die neue Software umzustellen. Er wohnt so lange über dem Laden.“

„Leider haben Sie einen schlechten Zeitpunkt erwischt“, sagte Don. „Wir sind etw...

Autor

Judy Duarte
<p>Judy liebte es schon immer Liebesromane zu lesen, dachte aber nie daran selbst welche zu verfassen. „Englisch war das Fach in der Schule, was ich am wenigsten mochte, eine Geschichtenerzählerin war ich trotzdem immer gewesen,“ gesteht sie. Als alleinerziehende Mutter mit vier Kindern, wagte Judy den Schritt zurück auf die...
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Michelle Major
<p>Die USA-Today-Bestsellerautorin Michelle Major liebt Geschichten über Neuanfänge, zweite Chancen - und natürlich mit Happy End. Als passionierte Bergsteigerin lebt sie im Schatten der Rocky Mountains, zusammen mit ihrem Mann, zwei Teenagern und einer bunten Mischung an verwöhnten Haustieren. Mehr über Michelle Major auf www.michellemajor.com.</p>
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Cindy Kirk
<p>Solange sie denken kann, liebt Cindy Kirk das Lesen. Schon als kleines Mädchen in der ersten Klasse hat sie einen Preis dafür gewonnen, hundert Bücher gelesen zu haben! 1999 war es so weit: Ihr erster eigener Roman erschien bei Harlequin. Seitdem muss die Autorin ihr Lieblingshobby Lesen damit unter einen...
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