Tausend Rosen für den CEO

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Damals brach es Alexandras Herz, als ihr einflussreicher Vater sie zwang, mit Grant Schluss zu machen. Nur weil er aus einer armen Familie stammte! Jetzt hat sich das Blatt gewendet: Ihr kleiner Blumenladen in Manhattan steht vor dem Ruin, sie braucht unbedingt von Grant, mittlerweile ein mächtiger Finanzmogul, einen lukrativen Auftrag. Doch sein arrogantes Lächeln und das gefährliche Glitzern in seinen Augen sind beunruhigend: Sieht er in ihr wirklich die talentierte Floristin – oder schmiedet er insgeheim einen verführerischen Racheplan?


  • Erscheinungstag 22.08.2023
  • Bandnummer 2610
  • ISBN / Artikelnummer 0800232610
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

Alexandra Moss starrte hinaus auf den Central Park und nahm dankbar die Anzeichen dafür wahr, dass der Frühling endlich begonnen hatte: hellgrünes Gras, rosige Blüten an den Kirschbäumen, Jogger, Radfahrer und Familien auf den Bürgersteigen. Der Winter hatte New York City bis Ende März in seinem eisernen Griff gehalten, doch nun drängte die Sonne die grauen Wolken beiseite und ließ den Park in all seiner Pracht erstrahlen.

Ihre Finger schlossen sich wie von selbst fester um die schwarze Ledermappe in ihrer Hand. Der Wechsel der Jahreszeiten kam gerade rechtzeitig, um Zeuge zu werden, wie der letzte Nagel in ihren Sarg geschlagen wurde. Der Vermieter hatte die Miete für ihren kleinen Laden in SoHo am gleichen Tag erhöht, als ihre größte Kundin die gesamte Blumendekoration für ihre Hochzeit abbestellt hatte. Der finanzielle Schlag war so groß, dass Alexandra ihre Teilzeitangestellte Sylvia hatte entlassen müssen. Seitdem arbeitete sie von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, um alles zu erledigen, was damit einherging, in New York City einen Blumenladen zu betreiben.

Zehntausend Dollar waren einfach so verschwunden. Und damit auch die Chance zu zeigen, dass The Flower Bell in der Lage war, ein so hochwertiges Event auszustatten, was ihr Folgeaufträge eingebracht hätte.

Sie wandte sich vom Fenster ab und schaute über den langen Konferenztisch, der einsam mitten im Raum stand. Noch gab es keine Stühle oder andere Möbel, denn die aufstrebende Pearson Group war gerade erst in den sechsundvierzigsten Stock des exklusiven Carlson-Gebäudes eingezogen.

Als Pamela, Alexandras beste Freundin und Inhaberin eines Luxus-Cateringunternehmens ihr vorgeschlagen hatte zu versuchen, an Unternehmensaufträge zu kommen, hatte Alexandra erst gezögert. Wenn sie an The Flower Bell dachte, sah sie Hochzeiten, Babypartys und Jubiläumsfeiern vor sich. Doch je mehr sie darüber nachgedacht hatte, desto verlockender war ihr die Herausforderung erschienen, und so hatte sie sich entschieden, es zu probieren. Pamela hatte ihr eine Liste mit Firmen zugesteckt, die demnächst größere Veranstaltungen planten.

Als Erstes hatte Alexandra die Liste nach bekannten Namen durchsucht. Es war sieben Jahre her, dass ihr Vater David Waldsworth nach dem Zusammenbruch seines Schneeballsystems im Gefängnis gelandet war. Bei der Mehrheit der Menschen, die seiner Betrugsmasche zum Opfer gefallen waren, hatte es sich um Arbeiter und mittelständische Familien gehandelt. Ein Fakt, den die Presse gnadenlos ausgeschlachtet hatte, um Alexandra und ihre Familie aufs Schärfste zu verdammen. Schlagzeilen wie: „Es kann nicht sein, dass seine Familie nichts gewusst hat“, hatten sie während des Gerichtsprozesses verfolgt, und sie hatte angefangen, in Secondhandläden einzukaufen, weil sie den Gedanken nicht ertrug, dass ihre Seidenblusen und Wickelkleider mit den Ersparnissen von einfachen Arbeitern oder armen Großmütterchen bezahlt wurden. Die meisten Besitztümer ihrer Familie – darunter das Penthouse, der Privatjet, das Haus in den Hamptons und das Ferienhaus auf Martha’s Vineyard – waren verkauft worden, um die Schulden ihres Vaters abzubezahlen und einen Fonds zur Entschädigung der Opfer zu gründen. Doch es fehlten immer noch mehrere Hundert Millionen Dollar.

Ihre Stiefmutter war weinend zusammengebrochen, doch Alexandra hatte erleichtert aufgeatmet, nachdem die Erinnerungen an die Heimtücke und Gier ihres Vaters endlich weg waren.

Jetzt, nachdem sie neun Jahre lang alles gegeben hatte, um sich ein neues Leben aufzubauen, drohte sie erneut, alles zu verlieren.

Das wirst du nicht, sagte sie sich und atmete tief ein. Sie würde diesen Vertrag kriegen und ihren Laden weiter zum Erfolg führen.

Der Gedanke, sich bei der Pearson Group vorzustellen, hatte sie nervös gemacht. Viele Menschen aus den oberen Kreisen erinnerten sich noch an den Skandal. Doch Pamela hatte erwähnt, dass der neue CEO erst kürzlich von Los Angeles nach New York gezogen war, und deshalb war Alexandra bereit, das Risiko einzugehen. Das Schlimmste, was passieren konnte, war, dass sie vom Sicherheitsdienst hinausbegleitet werden würde. Das Beste, was passieren konnte, war, dass sie einen Vertrag an Land zog, der ausreichte, um ihren Laden zu retten und den Leuten von New York zu zeigen, wozu sie fähig war, bevor sie herausfanden, wer ihr Vater war, und sie abschrieben.

Das war schon viel zu oft geschehen. Auch als sie anfangs versucht hatte, Räumlichkeiten für The Flower Bell zu finden. Ihr Traum war ein Eckgeschäft in der Nähe des Buchladens ihrer zukünftigen Schwägerin gewesen. Doch dann hatte die Vermieterin erfahren, wer ihr Vater war. Da deren eigener Vater alle seine Ersparnisse durch Investitionen in Davids Fonds verloren hatte, war der Deal damit gestorben.

Immer noch stieg Scham in ihr auf, wenn sie an die Abscheu in der Miene der Vermieterin dachte, als diese sie des Hauses verwiesen hatte. Schnell richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf das Blumenarrangement, das sie mitgebracht hatte, und musterte es mit kritischem Blick. Auf der Liste der anstehenden Veranstaltungen der Pearson Group standen ein Brunch in der öffentlichen Bibliothek von New York, eine Reihe von Abendessen in einem Privathaus in den Hamptons, und ein formeller Empfang im Metropolitan Museum of Art.

Sie hatte entschieden, ein schlichtes Arrangement für die erste Veranstaltung, den Brunch, zu machen. Es war eine elegante Mischung aus weißen Rosen, Duftnesseln und Lavendel. Nicht so übertrieben, dass es geschmacklos gewesen wäre, aber einzigartig genug, um zu zeigen, dass Pearson sowohl traditionell als auch innovativ war.

Mit einem Finger strich sie sanft über die samtige Blüte einer Rose. Erinnerungen stiegen in ihr auf. Der Duft von Veilchen und Zeder vermischt mit dem holzigen Aroma von Amber. Als sie damals ihre Augen aufgeschlagen hatte, waren beim Anblick seines Gesichts so wenige Zentimeter von ihrem entfernt, Schmetterlinge in ihr aufgestoben.

„Willst du es wirklich?“, hatte er mit vor Begehren rauer Stimme gefragt. Dennoch hatte er sich zurückgehalten, weil er sie nicht bedrängen wollte.

In jenem Moment war ihre Liebe zu ihm so groß gewesen, dass sie sich in einem Anfall von Selbstbewusstsein auf die Zehenspitzen erhoben und ihn geküsst hatte. Sie spürte noch seine seidigen Haare unter ihren begierigen Fingerspitzen, die Hitze in ihrer Mitte, als sie ihre Hüften gegen seine gepresst hatte.

Schnell zog Alexandra ihre Hand von der Rose zurück. Beinahe neun Jahre war das her. Normalerweise war sie besser darin, die Erinnerungen in Schach zu halten.

Das Aufgehen der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Jessica Elliot, die Assistentin des CEO, stand auf der Schwelle. Sie hatte Alexandra vorhin in den Konferenzraum geführt. Mit ihrem schwarzen Bleistiftrock, der roten Seidenbluse und den glänzenden blonden Haaren war sie der Inbegriff von Perfektion. Nervös strich Alexandra sich eine braune Locke hinters Ohr. Als ihre Familie noch zur Elite gehört hatte, hatten ihr Vater und seine dritte Frau Susan sie immer gedrängt, ihre „langweiligen braunen Haare“ mit goldenen Strähnen aufzuhübschen, um ihre dunkelbraunen Augen zu betonen. Heute hatte sie Glück, wenn sie genügend Geld hatte, um sich ab und zu die Spitzen schneiden zu lassen.

„Der CEO empfängt Sie jetzt“, sagte Jessica.

Alexandras Herz setzte einen Schlag aus, und sie musste gegen den Kloß anschlucken, der sich auf einmal in ihrer Kehle gebildet hatte. Sie hatte sich darauf vorbereitet, mit Laura Jones, der Eventplanerin des Unternehmens, zu sprechen.

„Der CEO?“, fragte sie.

„Ja.“

„Was ist mit Ms. Jones? Ist sie nicht die Eventmanagerin?“

„Ja, aber der Großteil unserer Mitarbeiter befindet sich diese Woche auf einem Seminar in Schanghai.“

Okay. Sie würde das hier auch so schaffen. Warum der CEO allerdings Interesse daran hatte, sich mit einer ums Überleben kämpfenden Floristin zu treffen, war ihr ein Rätsel. Doch anstatt ihr Glück infrage zu stellen, würde sie die Gelegenheit mit beiden Händen ergreifen.

„Okay. Es ist nett von ihm, sich Zeit für mich zu nehmen.“

Jessica zog amüsiert eine perfekt gezupfte Augenbraue in die Höhe. „Das ist keine Nettigkeit. Sie haben sein Interesse geweckt. Er hat fünf Minuten Zeit.“ Jessica schaute auf ihre Uhr. „Die genau jetzt beginnen. Folgen Sie mir, Miss Moss.“

Alexandra straffte die Schultern, klemmte sich ihr Portfolio unter den Arm und folgte Jessica mit dem Blumenarrangement in der Hand aus dem Raum.

Es war nicht leicht, mit der Assistentin Schritt zu halten, als sie an leeren Büros vorbeieilten. Alexandras Nervosität erreichte ihren Höhepunkt, als sie um eine Ecke bogen und vor einer Flügeltür aus Mahagoni stehen blieben. Die Zukunft ihres Unternehmens hing davon ab, wie sie sich in diesem Meeting verkaufte.

„Er erwartet Sie.“

„Danke. Und sein Name?“

„Den wird er Ihnen nennen.“

Alexandra blinzelte. „Was …?“

Jessica nickte ihr noch einmal beinahe mitleidig zu, bevor sie sich umdrehte und den Flur hinunter verschwand.

Langsam näherte Alexandra sich der Tür. Sie hatte in den zwanzig Jahren, in denen sie Alexandra Waldsworth gewesen war, viele exzentrische und egoistische Millionäre getroffen. Der Mann hinter dieser Tür genoss es vermutlich einfach nur, seine Macht auszuspielen.

Diese rationale Erklärung half jedoch auch nicht, die Anspannung zu lösen, die sich wie eine Schraubzwinge um ihren Brustkorb legte, als sie anklopfte.

„Herein.“

Die gedämpfte Stimme mit dem leichten Akzent klang beinahe wie …

Konzentrier dich.

Sie holte die Erinnerung hoch, die sie in den letzten Jahren dazu angetrieben hatte, erfolgreich sein zu wollen: ihr Vater in seinem orangefarbenen Gefängnisoverall, der sie unheilvoll durch die Glasscheibe des Besucherraums anschaute. Einen Moment später war sie aufgestanden und gegangen, während er ihr eine letzte Beleidigung hinterherrief: Ohne mich wirst du niemals Erfolg haben.

Er hatte geglaubt, damit ihr Selbstbewusstsein zu zerstören, sodass sie zurückgekrochen käme. Doch das Gegenteil war der Fall gewesen. Es hatte die Fesseln um ihren Geist gesprengt und sie mit der festen Entschlossenheit zurückgelassen, es ihm zu beweisen.

Diese Erkenntnis war ihr ein gutes Jahr nach dem Tag gekommen, an dem sie dem Mann wehgetan hatte, den sie liebte. Der damit einhergegangene Schmerz war im Laufe der Zeit zwar verblasst, meldete sich aber immer noch ab und zu.

Konzentriere dich auf die Zukunft. Auf das Hier und Jetzt.

Sie reckte das Kinn. Egal, was in den nächsten fünf Minuten passieren würde, sie konnte hoch erhobenen Hauptes gehen in dem Wissen, es wenigstens versucht zu haben.

Also öffnete sie die Tür mit einem strahlenden Lächeln.

„Guten Morgen. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen …“

Ihre Stimme verebbte, und sie musste mehrmals blinzeln, weil sie hoffte, dass sie sich das alles nur einbildete.

Doch das Bild vor ihr war echt. Ein großer, breitschultriger Mann in einem perfekt sitzenden Armani-Anzug und roter Krawatte saß hinter dem größten Schreibtisch, den sie je gesehen hatte. Sein Gesicht war im Laufe der Jahre härter geworden; der fehlende Bart betonte sein kantiges Kinn und die elegante Nase. Seine Haare waren an den Seiten kurz geschnitten und oben etwas länger und zur Seite gekämmt. Er saß zurückgelehnt auf seinem Stuhl, den Blick aus den bernsteinfarbenen Augen scharf auf sie gerichtet. Die kalte Intensität darin gab ihr das Gefühl, unter einem Mikroskop betrachtet zu werden.

„Alexandra Waldsworth.“

Das tiefe Timbre seiner Stimme schwappte über sie hinweg, sickerte in ihre Haut und entzündete eine Wärme in ihren Adern, obwohl jede Silbe ihres Namens in eisige Verachtung gehüllt war.

Sie senkte den Blick und sah ihre Visitenkarte auf dem dunklen Schreibtisch aus Walnuss liegen. Er hat recherchiert, erkannte sie, während sie versuchte, die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken.

Dann schoss ihr Blick wieder zu ihm hoch, und es fiel ihr schwer, die Fassung zu wahren. Warum hatte er sich bereit erklärt, sich mit ihr zu treffen, anstatt sie von Jessica rauswerfen zu lassen? Vielleicht wollte er ihr ins Gesicht sagen, dass sie die heiligen Hallen der Pearson Group nie wieder betreten dürfe.

„Mein Nachname ist jetzt Moss“, erwiderte sie, stolz darauf, dass ihre Stimme nicht zitterte.

Er ließ eine Augenbraue in die Höhe schnellen. „Hast du einen deiner reichen Verehrer geheiratet?“

„Nein. Das ist der Mädchenname meiner Mutter. Ich habe Waldsworth schon vor Jahren abgelegt.“

„Das Letzte, was ich weiß, ist, dass du irgendeinen Sohn eines Öltycoons von der Princeton gedatet hast.“ Sein verächtliches Lächeln ließ sie zusammenzucken. „Hat es nicht funktioniert?“

„Nein.“ Sie machte sich nicht die Mühe, ihm zu erklären, dass ihr Vater sie förmlich dazu gezwungen hatte, mit diesem Jungen auszugehen, weil er seine Eltern als Investoren für seinen Fonds gewinnen wollte. „Du hast es zu was gebracht, Grant. Glückwunsch.“

„Mr. Santos“, korrigierte er. „Vorstandsvorsitzender, CEO und Gründer der Pearson Group.“ Sein Blick glitt von ihrem Gesicht zu dem Blumengesteck in ihren Händen. „Und du benutzt nun einen falschen Namen und verkaufst Blumen.“ Um seine Mundwinkel zuckte es. „Wie sich die Zeiten ändern …“

Schuldgefühle nagelten sie am Boden fest, als heiße Scham in ihr aufstieg. Sie hatte seine Abscheu verdient. Er hatte nichts getan, außer sie zu lieben, sie zu ermutigen, sie zu unterstützen. Doch als es hart auf hart kam, hatte sie sich dem Zorn ihres Vaters gebeugt, anstatt für den Mann einzustehen, den sie liebte.

Den Mann, der offensichtlich zu größeren und besseren Dingen aufgebrochen war. Die schwarzen Bücherregale hinter Grants Schreibtisch waren gefüllt mit Büchern über Finanzen, Politik und Geschichte. Dazwischen kunstvoll arrangierte Skulpturen, Auszeichnungen und Fotos von Grant mit sehr wichtig aussehenden Leuten. Vor den bodentiefen Fenstern mit Blick auf den Central Park standen Ledersessel um einen Glastisch herum. So eine kühle, beinahe sterile Atmosphäre hätte sie sich für Grant nicht vorgestellt, aber andererseits war es auch neun Jahre her, dass sie ihn gekannt hatte.

„Ich entschuldige mich, Mr. Santos.“ Wie sie es schaffte, mit ihm so gefasst zu sprechen, war ihr ein Rätsel, aber der Klang ihrer eigenen ruhigen, aber selbstbewussten Stimme, verlieh ihr die Kraft, seinen Blick zu erwidern. „Hätte ich gewusst, dass Sie der Kopf der Pearson Group sind, hätte ich Sie nicht belästigt.“ Sie trat ein paar Schritte vor und stellte das Blumenarrangement auf dem Schreibtisch ab. „Bitte akzeptieren Sie das mit meinen besten Wünschen und meiner Entschuldigung dafür, Ihre Zeit in Anspruch genommen zu haben. Ich finde selbst hinaus.“

Damit wandte sie sich um und ging, so wie sie es bei ihrem letzten Zusammentreffen getan hatte. Auch damals hatten ihr heiße Tränen in den Augen gebrannt. Auch damals hatte sich ihr Herz angefühlt, als würde es entzweibrechen. Aber dieses Mal verspürte sie nicht das Verlangen, sich umzudrehen und in seine Arme zu stürzen. Nein, sie wollte nur so weit von ihm weg wie möglich.

Ihre Hand lag schon auf dem Türgriff, als seine Stimme durch den Raum hallte.

„Du hast noch zwei Minuten.“

Sie musste all ihre Kraft aufbringen, um sich umzuwenden und sich ihm erneut zu stellen.

„Wie bitte?“

Er deutete auf das Blumenarrangement. „Ich habe Miss Elliott gesagt, dass du fünf Minuten hast. Davon sind noch zwei übrig, in denen du mir verkaufen kannst, was auch immer du mir vorschlagen wolltest.“ Verachtung blitzte in seinen Augen auf, als er einen Blick auf die Duftnesseln warf. „Vielleicht suchst du nach einem Investor für eine Wildblumenfarm?“

Gereiztheit stieg in ihr auf. Blumen waren die einzige Konstante in ihrem Leben. In den wenigen kostbaren Jahren, die sie mit ihrer Mutter gehabt hatte, bevor diese an Krebs gestorben war, hatte Amelia Waldsworth ihrer Tochter eine tiefe Liebe für Blumen ins Herz gepflanzt. Alexandras frühe Kindheit war von Blumen erfüllt gewesen – ob es nun die Wildblumen gewesen waren, die in den Wäldern rund um den Familiensitz gewachsen waren oder aufwendig arrangierte Bouquets, die überall im Haus herumgestanden hatten.

Sie waren für sie der einzige Lichtblick in dem Chaos gewesen, das ihr Vater mit seinen windigen Geschäften verursacht hatte. Eine Chance, neu anzufangen, den Abschluss als Eventplanerin für Unternehmen hinter sich zu lassen, zu dem ihr Vater sie überredet hatte, und stattdessen ihrer wahren Leidenschaft zu folgen.

„Sie haben ein gutes Auge, Mr. Santos. Das sind lavendelfarbene Duftnesseln, eine Wildblume, die in New York zu finden ist.“

„Und warum hast du mir Wildblumen mitgebracht?“

Nach einem tiefen Atemzug kehrte sie zu seinem Schreibtisch zurück, nahm das Angebot heraus und legte es vor ihn hin. Am liebsten hätte sie danach einen großen Schritt zurückgemacht, hielt sich aber zurück. Grant berührte die oberste Seite mit dem Finger, las sie aber nicht, sondern hielt den Blick fest auf Alexandras Gesicht gerichtet.

„Sie haben vor, neue Kunden zu gewinnen, die bei der Pearson Group investieren“, sagte sie.

Seine Miene blieb ausdruckslos, was sie traurig machte. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er alle seine Gefühle offen gezeigt – von dem fröhlichen Lächeln bei einem Glas eisgekühlter Limonade bis zu dem verstörenden Herzschmerz, als sie sich von ihm abgewandt hatte.

„Wie bist du zu dem Schluss gekommen?“

„Gerüchte besagen, dass Ihre Firma in den nächsten zwei Wochen mehrere Events veranstaltet, um potenzielle Kunden zu umwerben.“ Sie tippte auf ihr Angebot. „Dabei kann ich Ihnen helfen.“

„Abgesehen von meiner Neugierde darauf, wer so indiskret war, Details meiner geschäftlichen Angelegenheiten auszuplaudern, wie soll deine Sammlung an Unkraut mir helfen, Klienten davon zu überzeugen, Millionen oder Milliarden Dollar bei der Pearson Group zu investieren?“

„Es ist bewiesen worden, dass Blumenarrangements bei Unternehmensveranstaltungen die Wahrnehmung der Klienten positiv beeinflussen, was die Räume, das Event selbst und sogar den Gastgeber angeht“, sagte sie mit fester Stimme, während sie sich für das Thema erwärmte. „Frische Blumen können die Aufmerksamkeitsspanne der Gäste erhöhen und zeigen, dass Ihre zukünftigen Klienten es Ihnen wert sind, in sie zu investieren.“ Sanft berührte sie eine der lilafarbenen Blüten. „Da Sie erst kürzlich von Los Angeles hierhergezogen sind, ist das Einbinden einer einzigartigen, hier heimischen Blume ein subtiles, aber unübersehbares Zeichen dafür, dass Ihnen an den Details liegt und Sie nicht nur hergezogen sind, um das schnelle Geld zu machen, bevor Sie zu Ihrem nächsten Ziel aufbrechen.“

„Und du glaubst, die Reichen von New York kennen den Unterschied zwischen einer Duftnessel und einem Gänseblümchen?“

„Das werden sie, dank der individuellen Karten, die ich für solche Events dazulege und auf denen die Bedeutung der Blumen in dem Arrangement erklärt wird.“

Also zumindest wenn du mich anheuerst, fügte sie in Gedanken dazu.

Noch nie hatte ihr jemand die Chance gegeben, ihre größten Ideen umzusetzen.

„Wie lange gibt es deinen Laden schon?“

Langsam nahm Alexandra ihre Hand zurück und unterdrückte den Drang, sie sich schützend auf den Bauch zu legen.

„Seit sechs Monaten.“

Er schnaubte. „Was kannst du, was ein etablierterer Laden nicht kann?“

Darauf bedacht, ihn nicht zu berühren, zog sie das Angebot unter seinen Fingern heraus, blätterte ein paar Seiten um und legte es wieder vor ihn. „Ich biete sehr gute Bedingungen. Und ich habe fünf Jahre bei den Top-Floristen der Ostküste gelernt. Doch vor allem mache ich nicht die üblichen Gebinde.“

„Ja, das sehe ich.“

Sie wusste nicht, ob das ein Kompliment oder eine Beleidigung war. Und es war ihr auch egal, wie sie überrascht und ein wenig stolz feststellte. Dieses Blumengesteck war bislang eines ihrer besten.

The Flower Bell würde mit Freude den Blumenschmuck für Ihre anstehenden Veranstaltungen liefern, Mr. Santos. Für weitere Fragen finden Sie meine Telefonnummer auf der Visitenkarte.“

Grant senkte den Blick auf das Angebot, und Alexandra nutzte die Gelegenheit, um sich erneut umzudrehen und zur Tür zu gehen. Sie hatte es versucht, und nun waren ihre fünf Minuten um. Er hatte weder den Sicherheitsdienst gerufen noch sie angebrüllt oder beschimpft. Alles in allem war es besser gelaufen, als sie hätte hoffen können. Und es war eine gute Übung für das nächste Mal.

„Warum sollte ich Sie nach dem, wie unsere letzte Verbindung geendet hat, anheuern, Miss Waldsworth?“

Der plötzliche Wechsel in seiner Ansprache ließ sie beinahe über ihre eigenen Füße stolpern. Sie war sich sicher, dass diese Frage so viel Schmerz wie möglich verursachen sollte. Dennoch war sie fair. Immerhin hatte sie einst sein Leben zerstört. Und auch wenn sie wusste, dass sie keine Chance hatte, von ihm jemals engagiert zu werden, wollte sie ihm nicht noch einmal wehtun.

Also wandte sie sich um und sah ihn so an, wie sie es vor all den Jahren hätte tun sollen.

„Ich bin gut in meinem Job, Mr. Santos. Mein Geschäft hat ausgezeichnete Bewertungen. Aber ich verstehe Ihre Bedenken angesichts dessen, wie es zwischen uns geendet hat. Wenn unsere Geschichte das behindern würde, was Sie in New York erreichen wollen, dann bin ich nicht die beste Wahl. Danke für Ihre Zeit.“

Damit ging sie endgültig und ließ die Tür hinter sich zufallen, bevor er noch etwas sagen konnte.

Allein im Fahrstuhl ließ sie sich gegen die Wand sinken und biss sich auf die Unterlippe.

Von allen Leuten, die gewillt waren, sich ihr Angebot anzuhören, musste es ausgerechnet Grant Santos sein. Der erste und einzige Mann, dem sie sich je hingegeben hatte. Den sie geliebt hatte und von dem sie geliebt worden war. Bis sie schwach gewesen war und ihrem Vater erlaubt hatte, ihr die Chance auf ein Happy End zu ruinieren.

Grant war nicht nur der Mann, den sie geliebt hatte, sondern auch der Vater des Kindes, von dem sie erst Wochen, nachdem sie ihn aus ihrem Leben gestrichen hatte, erfuhr. Und das sie noch am gleichen Tag verloren hatte.

Sie kniff die Augen zusammen und zwang sich, den Rücken durchzustrecken. All ihre Hoffnungen, dass die Pearson Group ihre Dienste in Anspruch nehmen würde, waren von Grants messerscharfer Zunge in Fetzen geschnitten worden.

Als sie vor dem Gebäude auf den Bürgersteig trat und ein Taxi herbeiwinkte, fragte sie sich, ob es ein Fehler gewesen war zu versuchen, sich eine Karriere in New York aufzubauen. Vielleicht wäre es besser gewesen, weit wegzuziehen.

Denn egal, wie schnell sie rannte – hier war ihr die Vergangenheit doch immer auf den Fersen.

2. KAPITEL

Grant Santos beobachtete auf dem Monitor der Überwachungskamera, wie Alexandra Waldsworth – oder Moss oder wie auch immer sie sich jetzt nannte – die Lobby durchquerte. Als die Türen des Fahrstuhls hinter ihr zuglitten, starrte sie geradeaus, die Hände um ihr Portfolio geklammert, als wäre es ihr Rettungsring.

Wie war es möglich, so etwas wie Mitgefühl für die Frau zu empfinden, die ihm vor all diesen Jahren das Herz gebrochen und dafür gesorgt hatte, dass er seinen Job verlor? Doch es war definitiv Mitgefühl, was gerade an seinem Herzen zupfte, als sein Blick auf das vor ihm liegende Angebot fiel.

Auch wenn sie seit ihrer letzten Begegnung tief gefallen war, hatte sie gut ausgesehen.

Als er sie vor all den Jahren das erste Mal erblickt hatte, war sie ihm wie eine von der Sonne geküsste Meerjungfrau erschienen – strahlend weiße Zähne, perfekt gebräunte Haut und dieses herrliche Lachen, als er sie fragte, ob sie eine der Gärtnerinnen des Anwesens sei, denn sie hatte vor einem Beet gesessen und Unkraut gezupft.

Es hatte zwei Tage mit langen Spaziergängen in den Gärten und intimen Unterhaltungen gebraucht, bis sie ihm ihren Namen verraten und gestanden hatte, dass es ihr Vater war, der ihn als Landschaftsgärtner eingestellt hatte. Doch da war es bereits zu spät gewesen, um sich von ihr zurückzuziehen, denn sie hatte ihn vollkommen in ihren Bann geschlagen.

Wenn sie ihm gleich am Anfang gesagt hätte, wer sie war, hätte er sich vielleicht nie gestattet, sich in sie zu verlieben. Und er wäre nicht auf die Illusion hereingefallen, die sie erschaffen hatte.

Seufzend klickte er auf die Webseite, die er vor der Ankunft seines unerwarteten Gastes angeschaut hatte. Auf der „Über-uns“-Seite gab es ein Foto von Alexandra in einer schlichten gelben Bluse und Jeans, auf dem sie einen Terrakottatopf mit buschigen weißen Blumen in den Händen hielt.

Bei den Recherchen über die Frau, mit der er einen Termin hatte, so unverhofft seine ehemalige große Liebe zu sehen, hatte ihn aus der Bahn geworfen. Und es war nicht nur ihr Foto, sondern die Tatsache, dass sie darauf so strahlend und glücklich lächelte.

Einst war er die Quelle dieses Lächelns gewesen. Aber das war alles nur vorgetäuscht, wie er sich in Erinnerung rief, als er nun erneut durch die Webseite scrollte. Alexandra war eine begabte Schauspielerin. Was führte sie nun im Schilde, dass sie nach all diesen Jahren bei ihm im Büro auftauchte? Es war ihr nicht nur gelungen, den Namen seiner Eventmanagerin herauszufinden, sondern auch die Daten der exklusiven Veranstaltungen, die Laura organisiert hatte, um seine Wunschkunden zu hofieren. Was immer Alexandra vorhatte, sie hatte gezeigt, dass sie immer noch gerissen und manipulativ war. In seinen wildesten Träumen hätte er sich nicht vorstellen können, dass Alexandra Moss, Besitzerin eines kleinen Blumenladens in SoHo, etwas mit seiner Vergangenheit zu tun haben könnte. 

Wobei, wenn man ihn mit einem Mann in Verbindung brächte, der so sadistisch und gierig war wie ihr Vater, hätte er vermutlich auch seinen Namen geändert.

So sehr er auch versucht hatte, alles, was diese Familie anging, zu ignorieren, hatte er durch die Berichte rund um den Gerichtsprozess doch die grundlegenden Anklagepunkte mitbekommen. Und jedes Mal, wenn er den Drang verspürt hatte, Alexandra im Internet zu suchen, um zu sehen, wie es ihr ging, hatte er ihn knallhart unterdrückt. Sie war Teil seiner Vergangenheit und würde niemals wieder Teil seiner Gegenwart oder Zukunft sein.

Und dann war sie heute einfach in sein Leben zurückspaziert, mit ihrer vorgetäuschten Unschuld und dem sorgfältig geplanten Look einer Geschäftsfrau, die vom Pech verfolgt wurde.

Autor

Emmy Grayson
<p>Emmys Begeisterung für Romances begann, als sie die legendären Nancy Drew Krimiromane las, in denen die gleichnamige Heldin allerhand mysteriösen Fällen auf die Spur ging. Dabei blätterte Emmy beim Lesen immer wieder zu den romantischen Kapiteln mit Ned Nickerson zurück. Mehr als 20 Jahre später machte Harlequin Presents ihren Traum...
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