Architekt meiner Liebe - Dieser Mann kann mehr als Häuser bauen

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NUR EIN SINNLICHES VERGNÜGEN?
Schon so lange träumt Mallory davon, ein Baby zu haben. Und der erfolgreiche Architekt Whit Manning soll der Vater ihres Kindes werden: Denn er ist sexy, intelligent und sucht nur flüchtige Affären. Ihn zu verführen wird zu einem einzigen sinnlichen Vergnügen. Nach diesem stürmischen Festival der Leidenschaft erkennt Mallory viel zu spät, dass ihr Plan einen verhängnisvollen Fehler hat: Liebe war nicht eingeplant ...

SO KÜSST NUR EIN MILLIONÄR
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MIT JEDEM KUSS, MIT JEDER NACHT
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  • Erscheinungstag 11.10.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738112
  • Seitenanzahl 868
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Emilie Rose, Kristi Gold, Anne Marie Winston, Maggie Cox, Michelle Reid, Elizabeth Oldfield

Architekt meiner Liebe - Dieser Mann kann mehr als Häuser bauen

Emilie Rose

So küsst nur ein Millionär

IMPRESSUM

BACCARA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2009 by Emilie Rose Cunningham
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 082010 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Roswitha Enright

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format im 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86295-510-7

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

1. KAPITEL

„Bitte, drücken Sie sich deutlicher aus. Was genau bedeutet in diesem Zusammenhang ‚unglückliches Ereignis‘?“ Ryan Patrick hielt den Blick unnachgiebig auf den Mann auf der anderen Seite des ausladenden Schreibtischs gerichtet.

Der Direktor der Lakeview-Fertility-Klinik rutschte unbehaglich auf seinem schweren Ledersessel hin und her. „Einer von unseren jungen Ärzten hat vergessen, die Referenznummer auf Ihrer Probe gegenzuchecken. Er hat lediglich die Namen überprüft, und die waren gleich, wenn auch Vor- und Nachname vertauscht waren. Ich versichere Ihnen, Mr. Patrick, so etwas kommt wirklich außerordentlich selten vor. Normalerweise wird alles doppelt und dreifach überprüft, sodass es unmöglich …“

„Und was genau bedeutet das? In meinem Fall? Für mich speziell?“, unterbrach Ryan ihn ungeduldig. Nervös hielt er die Armlehnen des Besucherstuhls umklammert. Denn es war nicht leicht, sich zu entspannen, wenn der Mann ihm gegenüber so wirkte, als bekäme er jede Sekunde einen Herzinfarkt.

Der Direktor holte tief Luft. „Ihre Samenspende wurde der falschen Frau injiziert.“

„Was?“ Ryan zwang sich zur Ruhe. Das war ja nur dann ein Problem, wenn die Frau …

„Vor zwei Wochen wurde die Schwangerschaft bestätigt“, erklärte der Direktor und räusperte sich.

Also hatte er doch ein Problem. Dazu noch eins, das seinen Plan gefährdete. Schließlich wollte Ryan seinem Vater endlich beweisen, dass er sehr wohl in der Lage war, das millionenschwere Familienunternehmen zu leiten. Dazu gehörte, dass er seinem Vater überzeugend erklärte, wie weit die wilden Jahre zurücklagen und wie lange er bereits ein ruhiges Leben führte. Außerdem brauchte er ein Kind – das Enkelkind, das der Vater sich schon seit Langem wünschte.

Doch Ryan war schon mit ganz anderen Sachen fertiggeworden. Er wäre nicht der erfolgreiche Architekt, der er war, wenn er vor jedem Problem kapitulieren würde. Schade, dass sein Vater ihn jetzt nicht sehen konnte.

„Schon vor zwei Wochen? Und warum erfahre ich erst jetzt davon? Und was ist mit der Leihmutter, der Frau, die ich engagiert habe?“

„Wir haben die ganze Sache erst gestern entdeckt, als die Frau zu ihrem vereinbarten Termin kam. Da Sie nur eine Samenspende abgeben wollten, konnten wir nur eine Insemination mit ihr durchführen.“

Natürlich hatte er nur eine Samenspende abgegeben. Schließlich war er bei dem exzellenten Ruf der Klinik davon ausgegangen, dass alles beim ersten Mal klappen würde. „Und Sie sind absolut sicher, dass diese andere Frau mit meinem Kind schwanger ist?“

„Ja, Sir.“

Ryan konnte immer noch nicht glauben, was da passiert war. Dann hätte er sich die monatelangen Nachforschungen und das harte Auswahlverfahren mit den verschiedenen Frauen auch sparen können! Aber er hatte sehr viel Wert darauf gelegt, die perfekte Leihmutter zu finden, eine Frau mit erstklassiger genetischer Ausstattung, die gut aussah und intelligent war. Die Frau, für die er sich schließlich entschieden hatte, erfüllte all diese Voraussetzungen. Außerdem machte sie sehr deutlich, dass sie sich nicht gefühlsmäßig an das Kind binden würde, das sie neun Monate lang auszutragen hatte. Und dass sie keine Schwierigkeiten hätte, ihm das Kind nach der Geburt zu überlassen.

Und nun war die falsche Frau mit seinem Kind schwanger.

„Wer ist diese Frau?“

„Ich bin nicht befugt, Ihnen das zu sagen, Sir.“

„Was?“ Wütend sprang Ryan auf. „Sie können mir nicht sagen, wer mein Kind bekommen wird?“

„Nein. Datenschutz, Sie verstehen …“

„Nein, das verstehe ich ganz und gar nicht.“ Ryan stützte sich auf dem Schreibtisch ab und starrte den Direktor an, der immer tiefer in seinem Sessel zu versinken schien. „Soll ich erst mit einem Heer von Anwälten hier anrücken? Das möchte ich Ihnen nicht raten. Denn das kann nicht nur sehr kostspielig für Sie werden. Ihr Ruf als beste Fruchtbarkeitsklinik wäre total ruiniert. Das ist mein Kind, und ich habe alle Rechte der Welt, zu erfahren, wer die Mutter ist und ob sie überhaupt geeignet ist, mein Kind auszutragen. Ich verlange, dass Sie mir jegliche Information zur Verfügung stellen, die Sie über diese Frau haben.“

Der Direktor wurde puterrot und verschränkte nervös die Hände. „Mr. Patrick, Sie können sich doch sicher vorstellen, dass eine derart delikate Angelegenheit wie diese …“

„Wie heißt sie, und wie kann ich Kontakt mit ihr aufnehmen? Wenn Sie mir nicht sofort sagen, was ich wissen will, können Sie noch vor der Lunchpause mit dem Eintreffen meiner Anwälte rechnen.“

„Das wird nicht nötig sein.“ Der Klinikdirektor schob nervös die Akten auf seinem Schreibtisch hin und her. „Ich bin überzeugt, dass Ms. Hightower, unsere andere Klientin, eine nüchterne und vernünftige Frau ist. Wenn ich ihr erkläre, was passiert ist und worum es geht …“

„Sie werden ihr überhaupt nichts erklären, das mache ich. Sie haben schon genug Unheil angerichtet. Auch wenn Sie sich noch so sehr bemühen und das, was passiert ist, als ‚Ereignis‘ oder ‚Angelegenheit‘ bezeichnen, es war einfach eine grobe Fahrlässigkeit Ihrerseits und ein nicht wiedergutzumachender Kunstfehler.“

Dem armen Mann stand der Schweiß auf der Stirn. Ryan musterte ihn wie ein Insekt, das er am liebsten zertreten würde. Als der Mann schließlich kaum merkbar nickte, wusste Ryan, dass er gewonnen hatte. Er brauchte die Anwälte nicht zu bemühen, und das war ihm auch ganz recht. Sonst hätte sein Vater womöglich noch Wind von der Sache bekommen.

„Okay.“ Der Direktor räusperte sich. „Sie bekommen die gewünschte Information.“

„Warum nicht gleich so!“ Während der Direktor hastig den Raum verließ, setzte Ryan sich wieder. So weit, so gut. Jetzt musste er nur noch diese Frau davon überzeugen, dass sie ihm das Baby nach der Geburt überließ, so, wie es mit der Leihmutter verabredet gewesen war.

Sie würde die beste Tante sein, die ihr Baby sich nur vorstellen konnte. Das würde genügen. Es musste genügen. Nicole Hightower legte sich eine Hand auf den rumorenden Magen und griff mit der anderen nach einem Cracker. Sie konnte es immer noch kaum glauben. Sie war schwanger mit Patricks Baby.

Und Beths.

Bei dem Gedanken umfasste sie den Griffel ihres digitalen Terminkalenders fester. Denn so war es ursprünglich nicht geplant gewesen. Zumindest hatte sie andere Träume gehabt.

Schnell steckte sie sich den Vollkorncracker in den Mund und versuchte, sich auf den Kalender zu konzentrieren, der vor ihr lag. Für einen Kunden musste sie die nächsten drei Monate vorausplanen, das heißt, sie musste die Termine von Pilot, Crew und Flugzeugwartung koordinieren und aufeinander abstimmen. Normalerweise liebte sie ihre Arbeit, und es machte sie stolz, wenn die Kunden zufrieden waren. Aber heute musste sie ständig an ihre eigene Situation denken und ließ sich nur zu leicht von der Arbeit ablenken. Dabei hatte sie genug zu tun.

Ihr Baby aufzugeben würde sicher hart sein, aber sie würde schon damit zurechtkommen. Denn sie wäre nicht nur die Patentante, sondern auch jederzeit willkommen – das zumindest hatte ihre Schwester ihr versprochen. Und Beth würde ihr Versprechen halten, davon war Nicole überzeugt. Auf ihre ältere Schwester hatte sie sich immer verlassen können, Beth war immer für sie da gewesen, besonders wenn die Eltern mal wieder Probleme machten. Wenn der Vater seiner Spielleidenschaft nachging und die Mutter einen neuen Verehrer hatte. Da war es nur selbstverständlich, dass sie der Schwester den Herzenswunsch erfüllte und ein Kind für sie austrug.

Und später hätte sie auch oft Gelegenheit, das Kind zu sehen. Denn ihre Schwester wollte wegen des Babys nicht zu Hause bleiben, sondern würde es in der Krippe abgeben, die die Hightower Aviation Management Corporation für die Angestellten eingerichtet hatte. Also würde Nicole die ganze Lunchpause mit ihrem, nein, Beths Kind verbringen können. Und selbst von ihrem Arbeitsplatz aus würde sie in den Hof sehen können, in dem die Kinder, also auch ihr Ba…, das heißt, ihre Nichte oder ihr Neffe, spielten. In dem firmeneigenen Kindergarten war sogar eine Kamera installiert, sodass ein kurzer Klick genügte, und Nicole konnte auf ihrem Monitor sehen, was dort vor sich ging.

Die Gegensprechanlage summte und riss Nicole aus ihren Gedanken. Sie drückte auf den Knopf. „Ja?“

„Ein Mr. Ryan Patrick möchte dich sprechen.“

„Du meinst wohl Patrick Ryan.“

„Nein. Es ist nicht dein Schwager. Es ist ein …“ Nicoles Assistentin Lea senkte die Stimme. „… Traum von einem Mann mit schwarzem Haar und blauen Augen. Er ist in der Rezeption und hat nach dir gefragt. Auf seiner Visitenkarte steht, dass er irgendein hohes Tier bei Patrick Architectural Designs ist. Das ist eine der besten Firmen in Knoxville, falls du das nicht weißt. Plant Hightower Aviation denn schon wieder, um- oder anzubauen?“

„Nein, soviel ich weiß, sind keine Erweiterungen geplant.“ Allerdings konnte Nicole da nicht ganz sicher sein. Leider informierte ihr ältester Bruder Trent, der die Firma führte, sie längst nicht über alles. Da sie die jüngste der Hightowers war, hielt er es wohl nicht für nötig.

Vielleicht hatte sie den Termin vergessen? Sie überprüfte ihren Kalender. Nein, die nächste Besprechung war erst in einer Stunde. Schnell googelte sie Patrick Architectural Designs, denn sie hasste es, nichts über ihren Gesprächspartner zu wissen. Verschiedene Links tauchten auf dem Monitor auf, und sie suchte sich den vielversprechendsten aus. Die Website war eindrucksvoll, brachte etwas über die Geschichte der Firma und zeigte die interessantesten Bauten. Ein Bild von Ryan Patrick war allerdings nicht dabei. Offenbar war die Firma schon eine ganze Zeit lang im Geschäft.

„Patrick Architectural Designs scheint ein ziemlich großes Unternehmen zu sein, das landesweit operiert“, informierte sie Lea. „Vielleicht will Mr. Patrick bei uns ein Flugzeug kaufen?“ Dennoch seltsam, dass er direkt nach ihr gefragt hatte. Normalerweise unterschrieben die Kunden erst Kauf- oder Leasingverträge in der Verkaufsabteilung, bevor sie zu ihr wegen der Terminkoordination kamen.

Auch dass er Ryan Patrick hieß und ihr Schwager Patrick Ryan, war ein merkwürdiger Zufall.

„Nur ein Kunde?“, fragte Lea enttäuscht. „Und ich habe schon gedacht …“

„Ich weiß.“ Nicole lachte. „Vielleicht solltest du deine romantischen Fantasien etwas mehr zügeln, Lea. Aber okay, lass ihn reinkommen.“

„Sofort.“

Nicole wischte schnell die Krümel von ihrer Seidenbluse und stellte die Schachtel Cracker in die Schublade. Als es klopfte, stand sie auf.

Die Tür wurde aufgestoßen, und ein Mann trat ein. Er kam mit einer Selbstverständlichkeit auf Nicole zu, als gehöre ihm das Büro. Lea hatte recht. Er sah umwerfend aus. Das kurze schwarze Haar war leicht gewellt, die Figur war sicher der Traum eines jeden Herrenschneiders: breite Schultern, schmale Hüfte, lange Beine. Und diese Augen … sie waren nicht einfach blau, sie waren von einem leuchtenden Kobaltblau und musterten Nicole jetzt so kritisch, als wäre sie ein Jet, den der attraktive Fremde eventuell kaufen wollte.

Nicole straffte sich, ging um den Schreibtisch herum und trat auf diesen Traummann zu.

„Sind Sie Nicole Hightower?“

Seine Stimme entsprach der übrigen Erscheinung. Dunkel und sexy. Was für ein Mann … doch Schluss jetzt!, rief Nicole sich schnell zur Ordnung. Kunde war Kunde, und es wäre sehr unprofessionell, irgendwelchen Fantasien nachzuhängen.

Lächelnd streckte sie die Hand aus. „Ja, die bin ich. Was kann ich für Sie tun, Mr. Patrick?“

Er schüttelte ihr die Hand, und Nicole spürte die Wärme, die seine kräftigen Finger ausstrahlten, bis in die Zehenspitzen. Warum das? Als sie erfahren hatte, dass sie schwanger war, hatte sie das Kaffeetrinken aufgegeben. Ob ihr Körper deshalb so seltsam reagierte? Fehlte ihr das Koffein? Schnell entzog sie ihm die Hand.

Er warf einen Blick auf Lea, die immer noch an der Tür stand. „Wenn Sie erlauben … ich würde gern mit Ihnen allein sprechen.“

Auf einen Wink von Nicole verschwand Lea und zog die Tür fest hinter sich zu.

Nicole war verblüfft, dass Lea so bereitwillig den Raum verlassen hatte. Normalerweise war sie bei allen Gesprächen dabei. Denn sie war nicht nur eine Angestellte und Nicoles Assistentin, sie war auch eine Freundin, die mit ihrer Meinung nur selten hinter dem Berg hielt.

So war sie zum Beispiel entsetzt über Nicoles Plan gewesen, als Leihmutter für ihre Schwester zu fungieren. Denn sie wusste, was Nicole für ihren Schwager empfand. Sie waren zusammen auf dem College gewesen, und Lea hatte miterlebt, wie die Freundin sich Hals über Kopf in Patrick verliebte. Als der dann aber mit Beth durchbrannte, war Nicole vollkommen am Boden zerstört gewesen. Und Lea hatte versucht, ihr, so gut es ging, beizustehen.

Lea war davon überzeugt, dass dieser ganze Baby-Schwachsinn, wie sie sagte, noch einmal schlimme Folgen für die Freundin haben würde.

Nicole wies auf den Besucherstuhl, während sie selbst um den Schreibtisch herumging. „Bitte, nehmen Sie Platz, Mr. Patrick. Was führt Sie her?“ Sie spürte, dass er sie unverwandt ansah. Ihre Brüste waren wegen der Schwangerschaft bereits ein bisschen größer geworden, und sie konnte nur hoffen, dass ihr Po nicht auch … Aber im Grunde war es vollkommen egal, was er von ihrem Po hielt. Er war ein Kunde wie jeder andere, zumindest ging sie davon aus.

Erst als sie sich in ihren bequemen Ledersessel sinken ließ, setzte auch er sich. Dass er so höflich war, hätte sie ihm gar nicht zugetraut. Heutzutage erlebte man das als Frau nur noch sehr selten, vor allem nicht bei diesen reichen Schnöseln, mit denen sie meistens zu tun hatte.

„Ich möchte Ihnen zu Ihrer Schwangerschaft gratulieren.“

Was? Woher wusste er …? Sie hatte doch nur Beth, Patrick und Lea davon erzählt. Die zukünftigen Eltern hatten das Recht, es zu wissen. Und vor Lea hatte sie ihre morgendliche Übelkeit nicht verbergen können, sodass die Freundin es ihr schließlich auf den Kopf zugesagt hatte. Der Rest der Familie und auch die Freunde würden es erst am Sonnabend erfahren. Am Labour Day fand wie jedes Jahr die große Gartenparty statt, und da wollten Beth und Patrick die Neuigkeit verkünden. Nicole stand dieser Tag ein wenig bevor, denn sie war ziemlich sicher, dass eine Reihe von Leuten ihre Entscheidung unmöglich finden würde.

Inzwischen hatte sie sich wieder gefangen. „Danke. Aber weshalb sind Sie heute zu uns gekommen?“

„Sie sind mit meinem Kind schwanger.“

„Wie bitte?“ Entsetzt riss sie die Augen auf und sah ihn fassungslos an. Sie musste sich verhört haben.

„Die Fruchtbarkeitsklinik hat einen schweren Fehler gemacht und Sie fälschlicherweise mit meinem Samen behandelt statt mit dem des Spenders, den Sie sich ausgesucht hatten.“

Fassungslos ließ sie sich zurücksinken. „Das kann nicht sein.“

Mr. Patrick griff in seine Brusttasche und zog einen länglichen weißen Briefumschlag heraus. Er hielt ihn ihr hin, und als sie ihn nicht nahm, warf er ihn auf den Schreibtisch.

Nicole blickte starr auf den Umschlag, als hätte sie eine riesige haarige Spinne vor sich.

„Der Klinikdirektor hat in diesem Brief dargelegt, wie es dazu kommen konnte. Die Erklärung ist ziemlich einfach. Ich heiße Ryan Patrick, und der Name Ihres Spenders ist Patrick Ryan. Die Referenznummern wurden nicht gegengeprüft, und so haben Sie den falschen Samen bekommen. Weil irgendein Idiot die Namen verwechselt hat.“

Ihr wurde eiskalt, ihr Herz schlug wie verrückt. „Das kann nicht sein, Sie müssen sich irren.“

Er wies auf den Brief. „Bitte, lesen Sie selbst.“

Sie betrachtete den Umschlag. Sollte sie ihn öffnen? Oder lieber nicht? Andererseits konnte sie ihm nicht beweisen, dass er unrecht hatte, wenn sie die Tatsachen nicht kannte. Mit zitternder Hand griff sie nach dem Brief und riss ihn auf. Das Geräusch des reißenden Papiers und dann das Knistern, als sie den Bogen auseinanderfaltete, taten ihr in den Ohren weh. Ihre Nerven lagen blank.

Ja, es war der Briefbogen der Lakeview-Klinik. Und der Brief war von dem Direktor der Klinik unterschrieben worden. Hastig überflog sie das Geschriebene. Bestimmte Begriffe blieben haften. Unglücklicher Fehler … Vertauschen der Spender … bitte vielmals um Entschuldigung

Verwirrt ließ sie den Brief sinken. Sie wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf stand, Tausend Gedanken stürzten auf sie ein. Dann las sie den Brief zum zweiten Mal, aber der Inhalt blieb derselbe, ein Missverständnis war ausgeschlossen.

Sofern dieser Brief nicht ein überaus geschmackloser Witz war, war sie mit Ryan Patricks Baby schwanger, nicht aber mit Patrick Ryans, dem Baby des Mannes, den sie schon seit ihren Collegetagen liebte. Und der ihre Schwester geheiratet hatte.

„Das ist nicht besonders komisch“, sagte sie leise.

Ihr Gegenüber blieb ernst. „Das ist bei medizinischen Kunstfehlern selten der Fall.“

Irgendwie hatte sie immer noch gehofft, dass ihre Schwester hinter der ganzen Sache steckte, wenn es auch ein ausgesprochen übler Scherz wäre. Aber Mr. Patrick sah so stoisch und entschlossen aus, dass sie diesen Gedanken schnell beiseiteschob. Eine leichte Übelkeit meldete sich, und sie presste die Hand fest auf den Magen. „Da muss irgendwo ein Fehler unterlaufen sein.“

„Allerdings. Die Klinik hat ihn gemacht. Und die Folge davon ist, dass Sie mit meinem Kind schwanger sind.“

„Das kann nicht sein.“

„Ich wünschte, Sie hätten recht.“

Wieder blickte sie auf den Brief, während ihr Tausend Dinge im Kopf herumschwirrten. Wenn es wirklich so war, was hatte das für Konsequenzen? Für sie selbst? Für Patrick und Beth? Für diesen Fremden, der hier vor ihr saß?

Was sollte geschehen? Wenn das Baby wirklich nicht Patricks war?

Sie versuchte, die Fassung wiederzugewinnen, und räusperte sich kurz. „Das tut mir alles sehr leid. Muss schwierig sein für Sie und Ihre Frau.“

„Ich habe keine Frau.“

„Na, dann für Ihre Freundin.“

„Ich habe auch keine Freundin.“

Damit konnte sie nun gar nichts anfangen. „Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz …“

„Ich will das Kind allein aufziehen.“

„Für Frauen ist das nicht ungewöhnlich. Aber für Männer? Warum heiraten Sie nicht einfach?“

Er hob abwehrend die Hände. „Um Himmels willen! Ich war schon mal verheiratet und habe fest vor, diesen Fehler nie wieder zu machen.“

Soso. Offenbar war seine erste Ehe kein Erfolg gewesen. Aber davon wollte sie jetzt nichts weiter hören. Sie hatte selbst genug Probleme. Vielleicht war seine Geschichte nicht wahr … Vielleicht war er nicht ganz normal. Mit einem Verrückten könnte sie leichter umgehen als mit der Situation, wie sie in dem Brief beschrieben war. Sie brauchte nur den Sicherheitsdienst anzurufen. Aber so einfach ließ sich das Ganze wohl nicht regeln. Der Mann schien seinen Verstand durchaus beisammenzuhaben.

Schweigend zog er einen zweiten Briefumschlag aus der Tasche und legte ihn vor sie hin. Wieder sah Nicole darauf. „Ich bin bereit, Ihnen das Gleiche zu zahlen wie der Leihmutter, die ich engagiert hatte.“

Nachdenklich runzelte sie die Stirn. „Sie haben einen Vertrag mit einer Leihmutter?“ Wieso musste jemand, der so aussah wie er, eine Frau dafür bezahlen, dass sie sein Kind zur Welt brachte? Wahrscheinlich standen die Frauen bei ihm doch Schlange.

„Ja. Sie ist für die Aufgabe vorzüglich qualifiziert und hat alle Tests bestanden.“

Wollte er damit sagen, dass sie, Nicole, für eine solche Aufgabe nicht ausreichend qualifiziert war? Ungeduldig griff sie nach dem Umschlag, zog das Blatt Papier heraus und begann zum zweiten Mal an diesem Tag, etwas zu lesen, was sie eigentlich gar nicht lesen wollte.

Doch sie kam nicht weit. Überall war ihr Name eingefügt … Was hatte das zu bedeuten? Schockiert starrte sie ihn an. „Sie wollen mein Kind kaufen?“

Genau, Nicole. Leihmütter verkaufen ihre Babys. Das war ihr schon klar, aber es so schwarz auf weiß zu sehen war etwas ganz anderes.

„Es ist der Vertrag für eine Dienstleistung, wenn ich so sagen darf. Sie liefern mir ein Produkt. Ich bezahle Sie für Ihre Zeit und den Umstand, dass Sie Ihren Körper zur Verfügung stellen.“ Das klang so emotionslos, als verhandele er mit ihr über den Kauf eines Flugzeugs.

Ein Produkt? Ihr Baby? Niemals! Unwillkürlich schlang sie die Arme um ihren Bauch, als wolle sie das werdende Leben schützen. Bisher war sie zwar bereit gewesen, das Kind Beth und Patrick zu überlassen. Aber es einem Fremden verkaufen? Nie im Leben! „Sie sind wohl vollkommen verrückt geworden, Mr. Patrick.“

„Es ist mein Kind.“

„Aber auch meins. Es sind mein Ei, mein Körper und meine Schwangerschaft.“

„Ich finde meine Bedingungen sehr großzügig.“

„Kann sein.“ Sie warf ihm den Vertrag zu, doch er fing ihn nicht auf. „Aber Ihre Bedingungen sind mir vollkommen egal. Gehen Sie doch zurück zu Ihrer Leihmutter.“

„Ich soll vergessen, dass ich bereits ein Kind gezeugt habe?“

„Ja. Sie haben doch noch keinerlei Gefühl investiert, und finanzielle Verpflichtungen haben Sie auch nicht. Für Sie ist es sehr viel einfacher als für mich, ein zweites Kind zu haben. Ich trage dieses Kind neun Monate lang aus. Ihren Beitrag können Sie innerhalb weniger Sekunden abliefern.“

„Sie sind doch erst seit zwei Monaten schwanger. Da können Sie doch noch gar keine Bindung zu dem Kind aufgebaut haben.“

Empört sah sie ihn an. „Wie können Sie das behaupten! Sie haben doch keine Ahnung.“

Zu ihrer eigenen Überraschung hatte sie nur wenige Tage nach der Entlassung aus der Klinik bereits gespürt, dass etwas anders war. Ihr Geschmack hatte sich geändert, sie hatte plötzlich auf die seltsamsten Dinge Appetit. Noch bevor der Schwangerschaftstest positiv ausgefallen war, hatte sie gewusst, dass sie Patricks Baby unter dem Herzen trug.

Das heißt, dieser Mann behauptete ja, dass es nicht Patricks Baby sei. Aber vielleicht irrte er sich.

Wenn er sich doch nur irrte … „Tut mir leid, aber ohne Beweis nehme ich Ihnen Ihre Geschichte nicht ab.“

„Da liegt der Beweis.“ Er wies auf den Brief.

„Das ist nicht genug.“ Wenn nötig würde sie sämtliche Unterlagen der Klinik durchsehen. Und wenn das nicht ausreichte, würde sie einen DNA-Test machen lassen. Wie lange das wohl dauerte? Ob das gefährlich für das Baby war? Sie musste unbedingt ihre Frauenärztin fragen.

Mr. Patrick wurde zunehmend ungeduldig. „Sie sind doch erst achtundzwanzig. Da können Sie noch weitere Kinder haben.“

Eben nicht, denn der Mann, den sie liebte, war bereits vergeben. „Sie sind auch nicht gerade uralt.“

„Ich bin fünfunddreißig.“

„Frauen haben einen sehr viel geringeren zeitlichen Spielraum, ein Kind zu bekommen, als Männer. Sie können in den nächsten fünfzig Jahren noch viele Kinder zeugen.“

Gereizt schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch. „Ich will aber jetzt ein Kind! Außerdem habe ich keine Lust, dass Sie irgendwann auf die Idee kommen, mich wegen unterlassener Unterhaltszahlungen zu verklagen.“

Der Mann wurde Nicole mit jedem Satz unsympathischer. Normalerweise fand sie an jedem Menschen irgendetwas Positives. Mr. Ryan Patrick schien die Ausnahme von der Regel zu sein. Abgesehen von seiner Erscheinung gab es nichts, was sie für ihn einnahm.

Doch sie zwang sich zur Ruhe. HAG, ihre goldene Regel, hatte sie noch nie im Stich gelassen. Mit Höflichkeit, Ausdauer und Geduld ließ sich jedes Problem lösen. „Das würde ich nie tun“, sagte sie freundlich. „Ich will nichts von Ihnen, jetzt nicht und auch in Zukunft nicht.“

„Und Sie erwarten von mir, dass ich mich auf das Wort einer Fremden verlasse?“

Denk doch, was du willst! „Ich bin an Ihrem Geld nicht interessiert. Und ich bin durchaus bereit, von meiner Anwältin eine entsprechende Erklärung aufsetzen zu lassen, die Sie von jeglicher Verantwortung und Verpflichtung befreit.“

„So eine Erklärung ist vollkommen wertlos. Sie können sie jederzeit widerrufen.“

Oh … Am liebsten hätte sie ihn geschlagen. Doch sie beherrschte sich, wenn auch mit Mühe. „Mr. Patrick, selbst wenn ich wollte, was nicht der Fall ist, könnte ich Ihnen dieses Kind nicht geben.“ Wieder spürte sie diese Übelkeit und legte sich die Hand auf den Magen. „Das Baby gehört mir nicht. Ich trage es für meine Schwester und meinen Schwager aus.“ Die das Kind vielleicht gar nicht haben wollen, falls es nicht von Patrick ist.

Himmel, daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Was sollte sie tun? Ganz sicher würde sie das Kind nicht diesem ungehobelten Klotz überlassen, der so tat, als sei es das Einfachste von der Welt, ein Kind aufzugeben.

„Sie haben sich als … Leihmutter für jemand anderen zur Verfügung gestellt?“

„Ja. Patrick Ryan ist mein Schwager.“

„Was zahlt er Ihnen dafür?“

„Nichts natürlich.“ Sie war empört. „Es ist ein Geschenk. Geld ist schließlich nicht alles auf der Welt.“

„Aber eine ganze Menge. Ich biete Ihnen einhunderttausend Dollar zusätzlich zu Ihren Ausgaben an. Sie wollen Ihr Kind doch sowieso nicht behalten. Warum wollen Sie es dann nicht mir geben? Sie können sein Kind das nächste Jahr zur Welt bringen.“

„Ich bin doch keine Zuchtstute!“ Sie hatte sich einmal dazu durchgerungen, ihr Kind wegzugeben. Ein zweites Mal würde sie das nicht durchstehen.

„Sie würden es nicht bereuen.“

„Nein, vielen Dank. Ich habe mein Wort gegeben.“ Weil sie einmal auch etwas für Beth tun wollte, die sich in der Vergangenheit so oft für die kleine Schwester eingesetzt hatte. Und weil sie Patrick etwas schenken wollte, was die Schwester ihm nicht geben konnte.

Was für ein hässlicher Gedanke, Nicole.

Er gab nicht auf. „Sagen Sie ihr einfach, Sie hätten Ihre Meinung geändert. Da Sie die biologische Mutter sind und ich der Vater, hat dieses Kind mit Ihrer Schwester und Ihrem Schwager überhaupt nichts zu tun.“

Wenn er doch nur aufhören würde, sie immer wieder daran zu erinnern. Denn leider hatte er recht. Wenn Patrick nicht der Vater war, dann gehörte das Baby ihr. Na ja, ihr und diesem hartnäckigen Kerl.

„Aber ich habe mich vertraglich verpflichtet“, sagte sie leise und mehr zu sich selbst. Na und? Ist denn der Vertrag überhaupt gültig, wenn es nicht Patricks Kind ist?

„Verträge können gelöst werden.“

Um die gesetzliche Lage zu kennen, musste sie unbedingt mit ihrer Anwältin sprechen. „Das können Sie nicht verstehen. Ich werde offiziell die Tante dieses Kindes sein. Ich kann es so oft sehen, wie ich will. Ich werde eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen und dabei sein, wenn es aufwächst. Denn ich gehöre zur engsten Familie.“ Warum klang ihre Stimme dann so ängstlich, als zweifele sie selbst an diesem Familienidyll? Alles schien so viel einfacher zu sein, als sie noch nicht schwanger war. „Ich würde sagen, Sie versuchen es noch mal mit Ihrer Leihmutter.“

„Aber Sie sind mit meinem ersten Kind schwanger. Und der erstgeborene Patrick übernimmt später die Firma. Das ist schon seit drei Generationen so.“

„Und wenn mein Kind nicht Architekt werden will?“

Fragend hob Ryan eine Augenbraue. „Warum sollte es nicht?“

„Weil ich künstlerisch überhaupt nicht begabt bin und das Kind nach mir gerät.“

„Vielleicht aber auch nach mir. Vielleicht wird es später mal ein sehr guter Architekt. Sie sehen, Miss Hightower, die Trümpfe sind gleich verteilt. Und ich würde Ihnen nicht raten, sich mit mir auf eine gerichtliche Auseinandersetzung einzulassen.“

Das war eindeutig eine Drohung. Nicole presste die Lippen aufeinander und legte die Arme wie schützend um ihre Taille. „Dies ist mein Kind.“

„Tatsächlich? Wo Sie doch bereits vertraglich alle Rechte an dem Kind aufgegeben haben? Da habe ich als biologischer Vater wahrscheinlich sogar eher Anspruch als Sie.“

Der Hieb saß. Und dennoch, sie würde nicht aufgeben, auch wenn an dem, was er sagte, etwas dran sein sollte. Kämpferisch sah sie ihn an, und er gab ihren Blick ebenso zurück. Da wusste sie, dass er verstanden hatte, was in ihr vorging. Denn er stand auf und nickte ihr kurz zu.

Auch sie erhob sich, musste aber immer noch den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Wie groß war er wohl? Sicher über einen Meter achtzig.

„Das wär’s für heute, Mr. Patrick. Erst muss ich mit meiner Anwältin sprechen.“

„Tun Sie das. Für mich gilt das Gleiche. Mein Anwalt wird Sie anrufen. Aber ich muss Sie warnen, Ms. Hightower. Ich erreiche immer das, was ich will. Und ich werde auf dieses Kind nicht verzichten. Also machen Sie es sich selbst nicht zu schwer. Akzeptieren Sie mein Angebot, und ziehen Sie die ganze Sache nicht unnötig in die Länge.“

Damit wandte er sich um und verließ das Büro.

Erschöpft sank Nicole in ihren Sessel zurück. Sie musste unbedingt etwas tun. Dieser Ryan Patrick durfte nicht gewinnen. Denn wenn er mit seiner Forderung Erfolg hatte, dann gab sie viel mehr auf als ihr Recht als Mutter. Dann würde sie ihr Kind nie wiedersehen. Und das war unvorstellbar und durfte nicht geschehen.

Auf keinen Fall.

2. KAPITEL

Es kam noch schlimmer. Die schlechten Nachrichten rissen nicht ab.

Ungläubig sah Nicole ihre Anwältin an. „Was? Wollen Sie damit andeuten, dass Ryan Patrick die Wahrheit sagt? Dass er mehr Rechte auf mein Kind hat als ich?“

Die Anwältin lächelte traurig und nickte. „Es tut mir so leid, Nicole. Die Klinik hat das, was er sagte, bestätigt. Die Samenspenden sind vertauscht worden. Das bedeutet, dass er der biologische Vater des Kindes ist, es sei denn, der DNA-Test beweist das Gegenteil.“

„Aber meine Ärztin hat gesagt, dass es gefährlich für den Embryo sein kann, den Test in einem so frühen Stadium vorzunehmen. Also kommt das gar nicht infrage.“

Sowie Ryan Patrick ihr Büro verlassen hatte, hatte Nicole panisch die Ärztin angerufen. „Aber ich weiß nicht, wie ich die nächsten sieben Monate durchstehen soll. Diese Ungewissheit macht mich jetzt schon ganz fertig.“

„Das kann ich gut verstehen. Und ein DNA-Test ist auch nicht nötig. Denn die Referenznummer von Ryan Patricks … ‚Beitrag‘ ist auf Ihrer Karteikarte notiert. Es ist wirklich fatal, dass in der Klinik so schlampig gearbeitet wurde.“

Sie war tatsächlich von einem Fremden schwanger.

Und nicht von Patrick.

Verzweiflung stieg in ihr auf, aber Nicole durfte sich jetzt nicht gehen lassen. „Ist denn der Vertrag mit Beth und Patrick überhaupt gültig, wenn das Kind nicht von Patrick ist?“

„In dem Vertrag steht lediglich, dass Sie den beiden ein Kind überlassen und dass Sie damit Ihr Recht auf das Kind aufgeben.

Vom biologischen Vater ist nicht die Rede. Ansonsten aber ist das Ganze ziemlich wasserdicht. Auch wenn Sie Ihre Meinung ändern sollten, können Sie keine Rechtsansprüche geltend machen. Da Sie das auch nicht vorhatten, sah ich als Ihre Anwältin keinen Grund, Extraklauseln einzubauen.“

Nicole ließ den Kopf hängen. „Aber Ryan Patrick darf das Kind nicht bekommen“, sagte sie leise. „Denn dann werde ich mein Kind nie wiedersehen. Beth hat mir wenigstens versprochen, dass ich als ‚Tante‘ so viel mit ihm zusammen sein kann, wie ich will.“

„Da Sie das aber nicht schriftlich haben, ist diese Abmachung vor Gericht irrelevant. Ich wünschte, ich könnte Ihnen versichern, dass Ryan Patricks Aussichten schlecht sind. Aber es ist sehr gut möglich, dass Sie sich das Sorgerecht mit ihm teilen müssen, falls Ihre Schwester verzichtet. Eigentlich kann ich Ihnen nur abraten, mit dem Fall vor Gericht zu gehen. Denn erst müssten Sie den Vertrag mit Ihrer Schwester anfechten, und der Gewinner dieses Rechtsstreits müsste sich mit Mr. Patrick auseinandersetzen. Das dauert lange und ist sehr teuer.“

Nicole war den Tränen nahe. „Also gibt es keine Hoffnung? Denn den Vertrag mit meiner Schwester kann ich nicht anfechten. Das würde den Familienfrieden zerstören. Und meine Familie ist mir zu wichtig.“

„Dann müssen Sie als Erstes mit Beth und Patrick sprechen. Sie müssen ihnen erzählen, was passiert ist. Und wenn die beiden das Kind trotzdem adoptieren wollen, dann werden wir uns gemeinsam den nächsten Schritt überlegen.“

Bei der Vorstellung, Patrick und Beth erzählen zu müssen, was passiert war, wurde Nicole ganz elend. Vor allen Dingen, weil sie auch nicht sicher war, wie die beiden reagieren würden. Der Traum, Patrick ein Kind zu schenken, hatte sich in einen Albtraum verwandelt. „Und wenn die beiden das Kind nicht wollen“, sagte sie zögernd, „kann ich dann das Kind behalten?“

„Ihre Aussichten sind auch in diesem Fall nicht gut. Mit Ihrer Unterschrift unter dem Vertrag haben Sie gleichzeitig klargemacht, dass Sie Ihre Rechte als Mutter aufgeben. Die Rechtsprechung ist da nicht ganz eindeutig, aber bei ähnlichen Fällen in Kalifornien und Texas wurde das Sorgerecht dem Vater zugesprochen.“

Also war auch das hoffnungslos. Aber selbst wenn sie das Baby behalten könnte, wäre das dem Kind gegenüber fair? Sie hatte doch keine Ahnung, wie man mit einem Kind umging. An ihren Eltern konnte sie sich da kein Beispiel nehmen. Die waren selten zu Hause gewesen, und wenn sie zu Hause waren, waren sie sehr auf sich konzentriert und kümmerten sich kaum um die Kinder. Allerdings war es für die Eltern immer sehr wichtig gewesen, nach außen hin das Bild der heilen Familie aufrechtzuerhalten.

„In der Zwischenzeit“, fuhr die Anwältin fort, „werde ich die Klinik verklagen. Es geht ja nicht nur um diesen einen groben Fehler. Die haben auch gegen andere Vorschriften verstoßen. So hätten sie zum Beispiel nie Ihre Daten herausgeben dürfen, ohne vorher gerichtlich die Genehmigung einzuholen.“

„Ja, wahrscheinlich müssen Sie das tun. Schon, damit so etwas nicht noch mal passiert.“ Nicole seufzte. „Und ich werde heute Nachmittag mit meiner Schwester und meinem Schwager sprechen. Dann werden wir weitersehen.“

Dieses Gespräch stand ihr sehr bevor. Noch nie war ihr etwas so schwergefallen, abgesehen von dem Lächeln, mit dem sie dem geliebten Mann zur Hochzeit mit ihrer Schwester gratulieren musste.

„Noch eins, Nicole. Ich möchte Sie bitten, sich Mr. Patrick gegenüber zusammenzunehmen. Meiner dreißigjährigen Erfahrung nach werden diese Auseinandersetzungen immer hässlicher und teurer, je mehr man die zivilen Umgangsformen außer Acht lässt. Dann geht es nicht mehr um Recht oder Unrecht, sondern nur noch darum, um jeden Preis zu gewinnen.“

Nicole nickte. Ryan Patrick hatte sehr deutlich gemacht, dass er es hasste zu verlieren. Und er hatte das Geld, um den Kampf bis in alle Ewigkeit fortzusetzen.

Beths und Patricks Schweigen sprach Bände. Und als sie sich dann noch einen langen Blick zuwarfen, wurde Nicole das Herz schwer. Wie würden sie auf ihre schlechten Nachrichten reagieren? „Ihr könntet das Baby also immer noch haben“, fügte sie leise hinzu. „Wenn ihr wollt.“ Ängstlich hielt sie den Atem an.

Beth lächelte freundlich. „Natürlich wollen wir das Baby, Nicole. Es ist dein Kind und deshalb immer noch mit uns verwandt.“

Erleichtert atmete Nicole aus.

„Aber der Streit um das Sorgerecht kann teuer werden, Beth“, warf Patrick ein.

„Dieses Baby ist ein Hightower, Liebster“, gab Beth sanft, aber bestimmt zurück. „Wir können nicht zulassen, dass dieser Mann unsere Familie zerstört.“

Wieder sahen sich die beiden lange an, und Nicole spürte einen Stich im Herzen. In den drei Monaten, die sie eng befreundet gewesen waren, hatte Patrick sie nie so angesehen. Dann hatte sie ihn mit nach Hause genommen, um ihn den Eltern und Geschwistern vorzustellen, ja, und das war das Ende ihrer Liebesbeziehung gewesen.

Allerdings waren Beth und Patrick auch schon lange verheiratet, tröstete sie sich. Eheleute entwickelten eben eine bestimmte Art der nonverbalen Kommunikation. Wenn sie statt Beth mit Patrick verheiratet wäre, gäbe es zwischen ihnen sicher auch diese Nähe.

Aber Patrick hatte sich für Beth entschieden, und Nicole wollte, dass er glücklich war. Selbst wenn nicht sie es war, die ihn glücklich machen konnte. Er war der einzige Mann, den sie jemals geliebt hatte. Nach ihm würde nie ein anderer kommen. Denn sie war nicht wie ihre Mutter, die flirtete, was das Zeug hielt, und sich von einer Affäre in die nächste stürzte, immer auf der Suche nach etwas, das es gar nicht gab.

„Das schon, nur …“, wollte Patrick zu bedenken geben, aber Beth unterbrach ihn.

„Nicole tut etwas ungeheuer Großzügiges für mich, für uns, um mir zu danken, dass ich in ihrer Kindheit und Jugend immer für sie da war. Wie könnte ich ein derart selbstloses Geschenk ablehnen? Außerdem wollen wir doch mehr als alles andere auf der Welt ein Kind haben, oder nicht?“

„Doch, natürlich.“

Aufmerksam sah Nicole ihren Schwager an. Täuschte sie sich, oder klang er leicht verbittert? Bedauerte er seine Zusage?

Sicher nicht. Er war nur durcheinander und enttäuscht. Das war ja auch verständlich. Er hatte sich gefreut, Vater zu werden. Und nun würde er es nicht sein, wenigstens nicht in biologischer Hinsicht. Kein Wunder, dass er frustriert war. Denn seit über drei Jahren versuchte Beth, schwanger zu werden. Es klappte nicht, obgleich die Ärzte weder bei ihr noch bei Patrick einen organischen Grund finden konnten.

Und nun hatte es bei Nicole gleich auf Anhieb geklappt. Andererseits …

Nun nimm doch Vernunft an! Du bist deiner Schwester nichts schuldig!

Lea hatte immer wieder versucht, Nicole den Plan auszureden. Aber sie konnte auch nicht wissen, was Beth alles für die kleine Schwester getan hatte. Wie oft hatte sie Verabredungen abgesagt, um bei Nicole bleiben zu können, während die Eltern durch die Welt gejettet und ihrem Vergnügen nachgegangen waren.

Da konnte sie der Schwester doch wenigstens den Gefallen tun und ein Kind für sie austragen.

„Das alles könnte sehr teuer werden“, fing Patrick wieder an. „Du weißt, wie viel wir bereits ausgegeben haben, um …“

„Um es überhaupt möglich zu machen und alles für das Kind vorzubereiten. Ich weiß, Liebling.“ Beth warf ihrem Mann ein etwas angespanntes Lächeln zu. „Aber das darf nicht Nicoles Sorge sein. Sie braucht jemanden, der sich um ihre Probleme kümmert. Und das habe ich immer schon gut gekonnt.“ Sie wandte sich an Nicole. „Mach dir keine Sorgen, deine große Schwester wird alles regeln. Wie sonst auch.“

Nicole nickte bekümmert. Ja, es hatte viele Situationen gegeben, in denen Beth für Nicole die Verantwortung übernommen hatte. Und immer noch beschämte es Nicole, wenn sie daran dachte, was sie der Schwester oft zugemutet hatte. Aber in diesem Fall würde auch ihre tatkräftige Schwester Probleme haben, da war sie ziemlich sicher. Denn Ryan Patrick würde sein Ziel nicht aufgeben.

Mein Baby wird hier bestimmt glücklich sein, sagte sich Nicole, während sie die schweren Isolierbehälter aus dem Wagen hob und auf die Haustür zuging. Der mit Natursteinen gepflasterte Weg wurde von blühenden Büschen eingerahmt, und Nicole erfreute sich an der Farbenpracht.

Als Beth und Patrick dieses geräumige zweistöckige Haus gekauft hatten, dessen Garten von einem weißen Holzzaun eingefasst wurde, hatten sie an eine große Familie gedacht. Denn in dieser Gegend wohnten viele junge Familien, deren Kinder miteinander spielten und gefahrlos Rad fahren konnten, da es sich nicht um eine Durchgangsstraße handelte. Hier musste jedes Kind glücklich sein.

Und war es nicht das, was sich jede Mutter für ihr Kind wünschte?

Deine Entscheidung ist richtig. Du musst nur Ryan Patrick davon abhalten, dass er dir in die Quere kommt.

Es roch nach Gebratenem, und Nicole merkte plötzlich, dass sie hungrig war. Schon seit fünf Uhr morgens war sie auf den Beinen, und trotzdem hatte sie kaum Zeit gehabt, ihren Müsliriegel zu essen und die vom Arzt empfohlenen Vitamintabletten einzunehmen.

Wie immer ging sie durch die Seitentür und brachte die Sachen in die Küche. Merkwürdig, keiner war hier. Dabei war doch noch so viel zu tun, bevor die Gäste kamen. Wahrscheinlich waren Beth und Patrick oben und zogen sich um.

Sie hob die Behälter mit dem Essen, das sie für die Party vorbereitet hatte, auf den Tresen. Dann nahm sie die Schüsseln heraus, stellte die kalten Speisen in den Kühlschrank und die warmen bei niedriger Hitze in den Backofen.

Was noch? Ach ja, der Garten. Sie öffnete die Hintertür und blieb auf der Treppe stehen. Unwillkürlich musste sie lächeln. Was für ein wunderschöner Spätsommertag, wie geschaffen für eine Gartenparty. Die gemieteten Tische waren bereits angeliefert und aufgestellt worden. Mit den rot-weiß karierten Tischdecken und dem Blumenschmuck sah alles sehr fröhlich und einladend aus. Dies war auch ein besonderer Tag. Heute sollte den Anwesenden verkündet werden, dass die Hightowers Familienzuwachs erwarteten.

Hinten auf dem zementierten Grillplatz stand ein junger Mann über den großen Grill gebeugt. Jetzt richtete er sich auf und winkte.

„Guten Morgen!“, rief Nicole und ging auf ihn zu. „Ich bin Nicole Hightower.“

„Guten Morgen. Und ich Bill Smith von dem Cateringservice. Was für ein toller Tag für eine Gartenparty!“

„Ja, finde ich auch. Haben Sie alles, was Sie brauchen?“

Er nickte. „Das Schweinefleisch ist so gut wie fertig. Huhn kommt jetzt dran, danach die Gemüsespieße.“

Es duftete verführerisch, aber die Zeit war zu knapp. Sie konnte sich nicht länger dort aufhalten. „Fabelhaft. Sie wissen ja, wo die Getränke stehen. Bedienen Sie sich. Und wenn Sie sonst noch irgendetwas brauchen … ich bin in der Nähe.“

„Danke.“

Im Vorbeigehen hob Nicole die Deckel von zwei großen Kühlboxen hoch. Wie bestellt waren in der einen Softdrinks und Sodawasser, in der anderen Bier und ein paar Flaschen Champagner. Wunderbar, diese Cateringfirma konnte man wirklich weiterempfehlen. Es war eine gute Idee gewesen, sie zu engagieren, vor allem weil Beth es hasste, Partys auszurichten.

Deshalb hatte Nicole sich immer schon um diese Dinge gekümmert. Das Familienpicknick am ersten Wochenende im September hatte schon Tradition, zumindest seit Beth und Patrick geheiratet hatten. Normalerweise lief auch alles harmonisch ab. Dieses Jahr allerdings würde es ein paar Neuigkeiten geben, die nicht so leicht zu verkraften waren. Da war einerseits Nicoles Schwangerschaft, die sicher den einen oder anderen schockieren würde. Außerdem war einen Monat zuvor plötzlich eine Halbschwester aufgetaucht, der auf Druck der Mutter eine Stellung bei Hightower Aviation verschafft werden musste.

Diese Halbschwester war der lebende Beweis, dass ihre Mutter es mit der Treue nicht so genau nahm. Das war zwar kein Geheimnis in der Familie, aber man sprach nicht darüber und versuchte, die zahlreichen Affären der Mutter zu ignorieren. Aber nun war plötzlich diese fünfundzwanzigjährige Halbschwester da und sollte offiziell in die Familie aufgenommen werden. Erstaunlich, dass die Mutter deren Existenz so lange hatte geheim halten können.

Schnell ging Nicole zurück ins Haus. Als sie die Küche betrat, hörte sie Beths Stimme. Sie kam aus dem Wohnzimmer. Offenbar unterhielt sich Beth nicht mit Patrick, denn ihr Tonfall war ein ganz anderer. Wahrscheinlich war bereits einer der Gäste da.

„Es ist doch nicht Ihr Kind“, sagte eine tiefe Stimme, und Nicole blieb wie versteinert stehen.

Das war Ryan Patricks Stimme!

„Aber es ist Nicoles Kind“, erwiderte Beth.

„Liebling“, mischte Patrick sich jetzt ein, „du hast doch wohl mitgekriegt, dass Mr. Patrick uns sehr viel Geld geben will, wenn wir auf seinen Vorschlag eingehen?“

Nicole stockte der Atem, und ihr Herz schlug wie verrückt. Dieser widerliche Kerl versuchte doch tatsächlich, ihre Schwester und ihren Schwager zu bestechen. Wenn er das schaffte, dann würde sie ihr Kind nie wiedersehen. Das könnte sie nicht ertragen und durfte es nicht zulassen.

Außer sich vor Wut stürzte sie in den Raum. „Wie können Sie es wagen, meiner Familie hinter meinem Rücken unmoralische Angebote zu machen?“

Betont langsam stand Ryan auf. Seine blauen Augen fixierten sie kühl. „Ich habe mich nur mit den Menschen in Verbindung gesetzt, die möglicherweise besonnen genug sind, die richtige Entscheidung zu fällen. Dass nämlich das Kind an die Seite seines biologischen Vaters gehört.“

Zwar fiel ihr unwillkürlich auf, wie gut er in seinem anthrazitfarbenen Anzug mit dem hellblauen Hemd und der dunkelroten Krawatte aussah. Aber davon ließ sie sich nicht täuschen. Schön ist nur, wer auch Schönes tut, wie eine ihrer zahllosen Nannys zu sagen pflegte. Und was Ryan Patrick im Begriff war zu tun, war alles andere als schön. Es war widerlich und hässlich.

„Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass Sie dieses Baby nicht bekommen!“, fuhr sie ihn an.

„So?“ Böse lächelnd stützte er die Hände auf die schmale Hüfte. „Falls Sie mit Ihrer Anwältin gesprochen haben, dann wissen Sie, dass Sie in diesem Fall überhaupt nichts zu sagen haben.“

Es sei denn, sie entzweite sich mit ihrer Familie. Und selbst dann hatte sie nur geringe Chancen auf Erfolg. Kurz sah sie zu Patrick und Beth hinüber. Sie konnte die beiden unmöglich gegen sich aufbringen.

Höflichkeit, Ausdauer und Geduld … Höflichkeit, Ausdauer und Geduld. Damit musste doch auch dieses Problem zu lösen sein. Sie musste nur herausfinden, wie. In der Zwischenzeit sollte sie zumindest freundlich mit diesem Typen umgehen, sonst gab es überhaupt keine Chance, sich gütlich mit ihm zu einigen. Zwar nervte es sie, ihm seine Unverschämtheiten nicht mit gleicher Münze heimzahlen zu können. Aber es gab keinen anderen Weg.

„Darf ich Sie mal kurz draußen sprechen?“, wandte sie sich an ihn und lächelte gezwungen.

„Aber sicher.“ Ryan wies auf die Tür.

Mit hoch erhobenem Kopf schritt sie an ihm vorbei auf die Hintertür zu, die er höflich für sie öffnete. Hm, tolles Aftershave, schoss ihr durch den Kopf, doch sie schob den Gedanken schnell beiseite. Jetzt war anderes wichtiger. Zielstrebig ging sie auf den kleinen Pavillon am hinteren Ende des Gartens zu. Ryan folgte ihr dicht auf den Fersen, zu dicht, wie sie fand.

Im Pavillon versuchte sie, Ryan auf größtmöglichen Abstand zu halten, bevor sie sich umdrehte und ihm ins Gesicht sah. Wie konnte sie den Mann nur dazu bringen, seinen verrückten Plan aufzugeben?

„Haben Sie Geschwister, Ryan?“ Ihn mit seinem Vornamen anzureden fiel ihr nicht leicht. Aber sie konnte unmöglich „Mr. Patrick“ zu ihm sagen, weil sie dann immer an ihren Patrick denken musste, dessen Kind sie eigentlich austragen sollte.

„Nein.“

Also konnte sie auch nicht an sein Gefühl als Familienmensch appellieren, denn er hatte keine Familie. „Dann können Sie sich sicher nicht vorstellen, wie wichtig dieses Kind für meine Schwester ist.“

„Darum geht es hier doch gar nicht. Es ist mein Kind.“

Das war leider eine Tatsache. Aber auf irgendeine Art und Weise musste er doch zu knacken sein. „Seit Jahren sehnt sie sich nach einem Kind, und sie wird dieses lieben, als sei es ihr eigenes. Haben Sie Erfahrung mit Kindern?“

„Nein. Aber ich werde mir das aneignen, was ich wissen muss.“

Himmel, was für ein sturer Kerl. Irgendwie musste sie ihn davon überzeugen, dass das Kind bei Beth und Patrick besser aufgehoben war. Aber wie? Doch dann kam ihr ein Gedanke. Klar, so musste es gehen. Strahlend lächelte sie ihn an. „Wie Sie sehen, haben wir hier heute eine Party. Mit Familie, Freunden und ein paar Nachbarn. Die ersten Gäste werden in wenigen Minuten eintreffen. Sie sind herzlich eingeladen zu bleiben.“

Misstrauisch kniff er die Augen zusammen. „Warum?“

„Damit Sie selbst feststellen können, was für ein wunderbares Leben das Kind hier bei Patrick und Beth erwartet, umgeben von einer warmherzigen Familie. Von Tanten und Onkeln und bald auch von Cousins und Cousinen. Meine Schwägerin erwartet nämlich auch ein Kind, kurz vor mir.“

„Das wird meine Entscheidung nicht beeinflussen.“

Vielleicht nicht. Aber dieses Risiko musste sie eingehen, wenn sie ihr Kind nicht vollständig aus den Augen verlieren wollte. Wieder strahlte sie ihn an. „Ich möchte Sie auch nur bitten, sich ohne vorgefasste Meinung umzusehen. Sie werden sehr schnell erkennen, was Sie dem Kind vorenthalten würden, wenn Sie auf Ihrem Plan bestehen. Bleiben Sie hier, Ryan, Sie werden es nicht bereuen. Es sei denn, Sie sind gegen gutes Essen und nette Menschen allergisch.“

„Okay.“ Er nickte widerwillig, doch sein durchdringender Blick sagte alles. Er würde es ihr nicht leicht machen. Und dennoch musste sie ihn in den nächsten vier Stunden dazu bringen, seine Meinung zu ändern.

Ihre eigene und die Zukunft ihres Kindes hingen davon ab.

Etwa vierzig Gäste waren gekommen. Die Party war ein voller Erfolg, alle schienen sich blendend zu amüsieren. Doch Ryan Patrick hatte nur Augen für eine Person. Nicole Hightower.

Eigentlich sollte er sie nicht attraktiv finden, denn sie war nicht sein Typ. Er stand auf Frauen mit üppigen Kurven und sanftem, femininem Verhalten. Nicole dagegen war sehr schlank und wirkte ausgesprochen rastlos. Keine halbe Minute konnte sie still stehen. Und doch, wenn er ihre festen Brüste betrachtete, die sich unter dem dünnen Stoff deutlich abzeichneten, dann konnte er sich durchaus vorstellen, wie sie sein Kind stillte.

Was für ein abwegiger Gedanke! Sein Kind würde von Anfang an mit der Flasche aufgezogen werden.

Jetzt blickte Nicole ihn mit ihren hellen blauen Augen an, nicht das erste Mal an diesem Nachmittag. Und wieder durchfuhr es ihn siedend heiß, sodass er sich kurz abwenden musste, um seiner Erregung Herr zu werden. Dass er so stark auf sie reagierte, ärgerte ihn. Denn er wollte mit ihr nichts weiter zu tun haben. Sie würde sein Kind zur Welt bringen, es ihm übergeben, und das wär’s. Bloß keine Komplikationen, er hatte bereits genug Probleme in seinem Leben.

Immer noch sah sie in seine Richtung, wies dann mit dem Kopf auf sein Bier in der Hand und blickte ihn fragend an. Noch eins? Er schüttelte den Kopf. Erotische Anziehung und Alkohol, das vertrug sich nicht. Es sei denn, er hatte vor, mit dem Objekt seiner Begierde ins Bett zu gehen, wie es in den letzten Jahren oft geschehen war. Das war auch der Grund dafür, dass sein Vater von ihm Beweise dafür verlangte, dass er sich geändert und seinen wilden Lebenswandel aufgegeben hatte. Erst dann wäre sein Vater dazu bereit, ihm im nächsten Sommer das Familienunternehmen zu übergeben. Wenn Ryan diese Beweise nicht erbringen konnte, würde der Vater Patrick Architectural Designs verkaufen, damit hatte er mehr als einmal gedroht.

Deshalb musste er die Wirkung ignorieren, die Nicole auf ihn hatte. Denn eine kurze Affäre mit ihr – und mehr könnte es nie sein – würde ihn in den Augen des Vaters für die ihm zugedachte Aufgabe disqualifizieren.

Eine leichte Brise blies ihr das Haar, das ihr heute offen auf die Schultern fiel, aus dem Gesicht. Wie viel hübscher sie aussah als mit dem Knoten, den sie offenbar nur während der Arbeit trug.

Egal, das war nicht von Bedeutung.

Dennoch musste er unwillkürlich daran denken, wie das Kind wohl aussehen würde. Sicher sehr hübsch, wenn es ihre feinen Gesichtszüge, die vollen Lippen und die leuchtenden Augen erbte. Die Leihmutter hatte eher durchschnittlich ausgesehen. Und dieses Lächeln, das sie sehr freigiebig verteilte. Nur wenn sie ihn ansah, wirkte ihr Lächeln künstlich und angestrengt. Als ertrüge sie seine Gegenwart nur mit Mühe.

Und noch etwas fiel ihm auf. Nicole liebte es, Menschen zu berühren. Wann auch immer sie jemanden ansprach, legte sie ihm die Hand auf den Arm oder auf die Schulter. Ein guter Grund, sich von ihr fernzuhalten. Denn nachdem sie ihn im Büro mit Handschlag begrüßt hatte, hatte er die Berührung noch lange danach gespürt. Und das konnte nur Probleme bringen.

Er warf einen Blick auf die versammelten Gäste, wobei ihn die Mitglieder der Familie Hightower besonders interessierten. Dort hinten stand Nicoles Mutter, schlank und feingliedrig wie die Tochter. Wahrscheinlich würde Nicole in dreißig Jahren genauso aussehen. Die Mutter schien die gleiche Energie wie die Tochter zu haben, im Übrigen waren die beiden aber wohl sehr verschieden. Während Nicole freundlich, aber reserviert auf die Menschen zuging, flirtete ihre Mutter noch immer leidenschaftlich. Sie gehörte zu den Frauen, die in ihrer Jugend von Männern angehimmelt worden waren und nur schwer damit zurechtkamen, dass ihre besten Jahre vorbei waren.

Nicoles Vater dagegen schien die Gesellschaft anderer Menschen zu meiden. Er saß im Schatten einer großen Eiche, ein Bier in der Hand, und sprach nur mit denen, die sich zu ihm setzten. Dann waren da noch Nicoles Zwillingsbrüder, die etwas älter waren als sie und sich sehr ähnlich sahen. Beide aber wirkten nicht sehr zufrieden. Der eine war ein Spieler, wie Ryans Nachforschungen ergeben hatten. Und der andere war unglücklich verheiratet und blickte immer wieder den jungen Mädchen hinterher, obgleich seine Frau ganz offensichtlich schwanger war.

Über die weitere Familie hatte Ryan noch nichts in Erfahrung bringen können, und von den Nachbarn hatte er kaum die Namen behalten. Wo waren denn Beth und Patrick?, fragte er sich, bevor er sie schließlich entdeckte. Sie standen hinten in der Ecke des Gartens und schienen eine heftige Auseinandersetzung zu haben. Schon wieder. In den letzten drei Stunden war ihm schon ein paarmal der bissige Tonfall aufgefallen, in dem sie miteinander sprachen.

Vielleicht war Nicole wirklich der Meinung, dass dies die ideale Umgebung sei, um ein Kind aufzuziehen. Aber Ryan hatte große Zweifel. Diese Vorstadtidylle war trügerisch. Beth und Patrick schienen ernsthafte Schwierigkeiten in ihrer Ehe zu haben, und auf keinen Fall sollte sein Kind in eine hässliche Scheidung hineingezogen werden, wie er sie selbst hatte erleben müssen. Ein Grund mehr, sich nur mit dem vollen Sorgerecht zufriedenzugeben. Denn er ging jede Wette ein, dass die Ehe von Beth und Patrick nicht mehr sehr lange halten würde.

Beth erinnerte ihn sehr an seine Mutter. Sie hatte die gleiche Märtyrerhaltung wie seine Mutter, als sie fünfundzwanzig Jahre zuvor ihren damals zehnjährigen Sohn genommen und ihren Mann verlassen hatte. Bis er volljährig war, hatte sie den Sohn als Waffe benutzt, um seinen Vater unter Druck zu setzen und gegen seine „Geliebte“, seine Arbeit, Front zu machen.

Doch ihre Klagen waren bei dem Sohn auf taube Ohren gestoßen. Schon sehr früh hatten sich seine Liebe und sein Talent für die Architektur gezeigt. Solange er denken konnte, hatte er gespannt neben dem Zeichentisch des Vaters ausgeharrt und ihn bei seiner Arbeit beobachtet. Nach der Trennung der Eltern war das zwar seltener geworden, aber sowie er volljährig war, hatte er seine Leidenschaft zu seinem Beruf gemacht.

Die Arbeit war für beide Patricks das Wichtigste in ihrem Leben. Frauen waren unzuverlässig und bösartig. Das hatte auch Ryan während seiner Ehe bitter lernen müssen, denn seine Frau hatte ihn belogen und betrogen.

Dann fiel sein Blick auf die Jüngste der Hightower-Kinder, die ihn besonders interessierte. Denn obwohl sie ihrer Mutter und Nicole sehr ähnlich sah, passte sie nicht hierher. Das war ihm bereits aufgefallen, als sie mit einer dröhnenden Harley-Davidson vorgefahren war. Sie war eine Außenseiterin, wie er ein Außenseiter war. Auch wenn Nicole immer wieder versuchte, sie ins Gespräch mit anderen einzubeziehen, war deutlich zu erkennen, dass zwischen ihr und den Geschwistern eine Kluft bestand. Nicole war sowieso die Einzige, die sich um ihre Schwester kümmerte.

Jetzt blickte die jüngste Hightower zu ihm hinüber, sah, dass sein Blick auf ihr ruhte, und kam mit langen Schritten auf ihn zu. Mit ihren hautengen Jeans und den hohen schwarzen Lederstiefeln wirkte sie in dieser Umgebung wie ein Wesen von einem anderen Stern. Früher hätte ihre wilde Aufmachung den Rebellen in Ryan angesprochen, aber aus irgendeinem Grund war er nicht beeindruckt.

Dicht vor ihm blieb sie stehen. „Du siehst nicht so aus, als seist du einer von Beths hochnäsigen Nachbarn.“

Ryan musste lächeln und reichte ihr die Hand. Er schätzte die Nachbarn genauso ein. „Ich bin Ryan Patrick. Und, nein, ich wohne nicht hier in der Gegend.“

Als sie den Namen hörte, hob sie kurz fragend die Augenbrauen, dann schüttelte sie Ryan die Hand. „Lauren Lynch.“

Lynch? Nicht Hightower? Wieso sah sie dann Nicole so ähnlich? „Sie gehören nicht zu dem Hightower-Clan?“

„Nicht ganz. Jacqueline Hightower ist zwar meine Mutter, aber William ist nicht mein Vater. Mein Vater ist vor ein paar Monaten gestorben. Und bevor du deine kleinen grauen Zellen zu sehr anstrengst, um dieses Rätsel zu lösen, sage ich es dir gleich. Meine Mutter hatte eine Affäre mit einem Piloten von Hightower Aviation. Und ich bin das Produkt dieser Affäre. Nach der Geburt hat sie mich meinem Vater überlassen und ist als treu sorgende Hausfrau und Mutter zu William Hightower zurückgeeilt.“

Aha, deshalb existierten diese Spannungen zwischen Lauren und ihren Halbgeschwistern. „Tut mir leid, dass Sie Ihren Vater verloren haben.“

„Danke. Ja, sein Tod war hart für mich. Aber er gab mir die Gelegenheit, meine Familie kennenzulernen, von deren Existenz ich bisher nichts gewusst hatte. Und weshalb bist du hier? Bist du ein Kunde von Hightower Aviation?“

„Noch nicht. Aber ich bin am Überlegen, ob ich nicht mit Hightower einen Vertrag schließen sollte.“ Das wäre für ihn tatsächlich sinnvoll, weil er doch oft weite Strecken zurücklegen musste. Aber eigentlich hatte er an einen anderen Vertrag gedacht. Einen, der nichts mit Fliegen zu tun hatte.

„Bist du verheiratet?“

Ganz schön direkt, die Kleine. „Nicht mehr. Und Sie?“

„Um Himmels willen! Ich war nie verheiratet und werde wahrscheinlich nie heiraten. Hast du Kinder?“

„Noch nicht.“

Lauren blickte auf die Bierflasche, die sie in der Hand hielt, und sah dann Ryan von unten durch ihre dichten schwarzen Wimpern an. „Kann ich dir einen Tipp geben?“

Inwiefern? „Nur zu.“

„Nicole ist wahrscheinlich die einzig akzeptable Person hier. Wahrscheinlich die Beste der ganzen Hightower-Sippe. Aber sie ist eine harte Nuss und nicht leicht zu knacken. Doch es lohnt sich. Bleib dran. Sie ist es wert.“

Wollte sie ihn etwa verkuppeln? „Wie kommen Sie darauf, dass ich an Nicole interessiert bin?“

Lauren grinste und trank einen Schluck Bier. „Ich habe doch gesehen, wie du sie den ganzen Nachmittag beobachtet hast.“

Stimmt. Aber wie konnte er mehr über die Mutter seines Kindes herausbekommen? Wo war sie überhaupt? Ach so, dahinten stand sie, zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Schwager. Alle drei schienen sehr erregt zu sein und unterhielten sich gestikulierend. Nicole hatte eine Hand auf ihren Bauch gelegt. Jetzt hob sie den Kopf und entdeckte Ryan in der Menge. Er wusste zwar nicht, um was es in der Unterhaltung ging, aber Nicole wirkte ratlos, ja, verzweifelt. Sofort spürte er tief in sich den Wunsch, ihr zu helfen.

„Na los, geh schon“, sagte Lauren lächelnd.

„Gehen? Wohin?“

„Na, zu ihr. Um sie zu retten. Das willst du doch.“

Schlaues Kind. „Ist Nicole der Typ, der gerettet werden muss?“

„Vielleicht.“ Lauren trank wieder einen Schluck. „Ich will’s mal so ausdrücken: Wenn ich sie wäre, hätte ich die ganze Sippschaft schon längst zur Hölle gejagt. Aber sie ist nun mal ein Mensch, der sich nach Harmonie und Familienfrieden sehnt.“

Erstaunlich, was diese kleine Person alles wusste. Eines Tages würde er sie zum Essen einladen und sich eingehender mit ihr unterhalten. Er reichte ihr die Hand. „War schön, mit Ihnen zu reden, Lauren.“

„Ja, find ich auch. Und viel Glück.“

Glück brauchte er nicht. Er hatte das Gesetz auf seiner Seite.

Er trat zu den dreien, die verstummten, sowie er in Hörweite war. „Probleme?“

Beth schüttelte den Kopf. „Nein. Wir haben uns nur dagegen entschieden, Nicoles Schwangerschaft heute schon zu verkünden.“

Das konnte ihm nur recht sein. Umso mehr Zeit hatte er, sich darauf vorzubereiten, den Kampf mit dem Hightower-Clan aufzunehmen.

Aber offenbar war diese Entscheidung Nicole nicht recht. Sie blickte zu Boden und presste die Lippen aufeinander. Ahnte sie, dass sie ihm keinen größeren Gefallen hätte tun können, als ihn zu dieser Gartenparty einzuladen? Denn so hatte er die Gelegenheit gehabt, die einzelnen Familienmitglieder kennenzulernen. Von einem harmonischen Zusammenhalt konnte keine Rede sein. Im Gegenteil. Das war sehr günstig. Denn umso bereitwilliger würde das Gericht ihm das alleinige Sorgerecht zusprechen.

Er bräuchte nur diese sogenannte Einheit der drei hier vor ihm zu zersprengen, dann würde er sein Ziel erreichen. Und er würde mit dem schwächsten Glied anfangen.

Mit Nicoles Schwager, diesem geldgierigen Bastard.

3. KAPITEL

„Ryan Patrick ist hier wegen der Verabredung zum Mittagessen“, war Leas muntere Stimme über die Gegensprechanlage zu hören.

Wieso das denn? Nicole drückte auf den Knopf. „Ich bin nicht mit ihm zum Lunch verabredet.“

„Oh, doch. Er hatte angerufen, und ich habe ihm einen Termin gegeben.“

Am liebsten hätte Nicole die Freundin erwürgt. „Was will er denn?“

„Das musst du schon selbst herausfinden“, erwiderte Lea lachend.

„Okay, schick ihn rein.“ Nicole seufzte. „Und, Lea, tu mir einen Gefallen und hör auf, für mich Termine zu machen, ohne sie vorher mit mir abzusprechen. Und lass die Kuppelei. Du hast bisher nicht viel Glück damit gehabt, das musst du doch wohl zugeben.“

Immer wieder hatte Lea versucht, Nicole mit anderen Männern zusammenzubringen, damit diese endlich ihre alte Liebe Patrick vergaß. Warum konnte Lea nicht begreifen, dass das nicht möglich war?

Anders als ihre Mutter, die ihre Geliebten wie Handtücher wechselte, gab es für Nicole nur eine große Liebe. Sie blieb lieber allein, als sich an den falschen Mann zu binden. Und jeder Mann war falsch, weil er nicht Patrick war. Und falls sie wirklich einmal etwas für einen anderen Mann empfunden hatte, hatte sie sehr schnell die Verbindung gelöst, aus Angst, wieder enttäuscht zu werden.

Die Tür flog auf, und Ryan Patrick betrat den Raum. Zu dem dunklen Anzug trug er ein weißes Hemd und eine Krawatte von dem gleichen Blau wie seine Augen.

Der Mann sah unverschämt gut aus, das musste Nicole zugeben. Wem das Kind wohl mehr ähneln würde, ihm oder ihr? Wahrscheinlich würden seine Kinder alle sehr gut aussehen. Aber egal, das Äußere spielte keine Rolle. Hauptsache, das Baby war gesund.

„Hallo, Nicole.“ Er neigte leicht den Kopf zur Seite und ließ dabei den Blick über ihr Sommerkleid gleiten, dessen Schnitt ihre mittlerweile vollen Brüste betonte. „Sind Sie fertig?“

Seine leise dunkle Stimme verunsicherte sie, sein Blick ließ sie erröten. „Warum sind Sie gekommen, Ryan?“

Er schloss die Tür hinter sich. „Weil ich etwas mehr über die Frau wissen will, die mein Kind zur Welt bringen wird. Die Informationen von der Klinik waren sehr mager. Und wahrscheinlich haben Sie doch auch Fragen an mich. Erbkrankheiten, allgemeiner Gesundheitszustand und so weiter.“

Jetzt, wo er es erwähnte, fiel ihr auf, dass sie wirklich nichts über ihn wusste. Über Patrick hatte sie sich nicht zu erkundigen brauchen, ihn kannte sie genau. Aber dieser Ryan? Der war ihr vollkommen fremd. Und schon Beth zuliebe sollte sie mehr über ihn erfahren.

„Einverstanden. Ich habe eine gute Stunde Zeit.“

„Mehr brauchen wir nicht.“

Sie griff nach ihrer Handtasche, stand auf und ging auf die Tür zu. Als Ryan ihr fürsorglich die Hand auf den Rücken legte, fuhr sie zusammen und wäre fast gestolpert.

Schnell ergriff er sie beim Arm. „Vorsicht …“

Er sah sie an. Sie sah ihn an, und ihr Puls fing an zu rasen. Warum hatte der Mann nur eine solche Wirkung auf sie? Er war arrogant und so gar nicht ihr Typ.

Andererseits war er der Vater des Kindes, mit dem sie schwanger war. Klar, dass sie irgendwie auf ihn reagierte.

Hastig schüttelte sie seine Hand ab.

Lea winkte fröhlich, als die beiden ins Vorzimmer kamen. „Viel Spaß beim Lunch. Du brauchst dich nicht zu beeilen. Ich habe hier alles im Griff.“

Nicole warf ihr einen warnenden Blick zu. „Spätestens um zwei bin ich wieder hier. Rechtzeitig zu meinem nächsten Termin.“

„Den habe ich auf vier verschoben. Wie ist es, soll ich Mr. Patrick auch für morgen einen Termin geben?“

„Untersteh dich!“, zischte Nicole ihr zu.

„Dann nicht. Lasst es euch schmecken. Und hetzt euch nicht ab.“

Ryan Patrick grinste, und Nicole ärgerte sich. Sie wollte den Lunch so kurz wie möglich halten. Aber was half’s? Sie fügte sich in ihr Schicksal und folgte ihm zu seinem schwarzen Sportwagen. Als er ihr die Beifahrertür aufhielt, achtete sie darauf, ihn nicht zu berühren, während sie sich auf den luxuriösen Ledersitz fallen ließ.

Auch er stieg ein, und wieder fiel ihr sein herbes Aftershave auf. Ihr wurde warm. Irgendwie waren diese Sportwagen immer zu eng. Sie rückte dicht an das Seitenfenster heran.

„Warum hat es Ihnen etwas ausgemacht, dass Ihre Schwester die Schwangerschaft noch nicht bekannt geben wollte?“, fragte er, während er den Motor anließ.

Der Mann war ein scharfer Beobachter. Aber was in ihr vorging, ging ihn nichts an. „Es hat mir doch gar nichts ausgemacht.“

Während er sich in den Verkehr einfädelte, warf er ihr einen skeptischen Blick zu. „Ich hasse Lügen.“

Für einen kurzen Moment war sie sprachlos. Doch dann hatte sie sich wieder gefangen. Höflichkeit, Ausdauer, Geduld. „Ich habe nicht gelogen. Ich war nur etwas verärgert, denn ich möchte immer, dass alles so abläuft, wie es geplant ist. Und Beth hat sich erst in letzter Minute entschieden, nichts zu sagen. Das ist alles. Nicht wichtig.“

Doch sie machte sich etwas vor. Es war wichtig. Noch eine Woche zuvor hatte Beth die Neuigkeit sofort in alle Welt hinausposaunen wollen. Jeder hatte es wissen sollen. Sie hatte auch nicht bis zu der Gartenparty warten wollen, das war Nicoles Idee gewesen. Aber warum hatte die Schwester dann plötzlich kalte Füße gekriegt? Wollte sie das Kind vielleicht doch nicht adoptieren, weil ihr Mann nicht der Vater war? Oder steckte Patrick dahinter? Hatte er plötzlich Zweifel?

Ohne dass es ihr bewusst war, hatte Nicole sich Ryan zugewandt und betrachtete sein beeindruckendes Profil. Wieder wurde ihr ganz warm, und ihr Herz schlug schneller. Was war das? Sie konnte doch unmöglich etwas für diesen Mann empfinden, der ihr das Kind wegnehmen wollte. Das war es auch nicht. Sie war lediglich neugierig, ob ihr, das heißt, ob Beths Kind nach ihm geraten würde.

Schnell wandte sie den Kopf und blickte starr aus dem Seitenfenster. Ryan fuhr durch die Innenstadt, an der Universität vorbei in Richtung Volunteer Landing, einer teuren Wohngegend mit Parks und Restaurants direkt am Ufer des Tennessee. An Sommerwochenenden war hier immer viel los, vor allem während der Wasserskisaison. Nicole musste lächeln. Wie lange schon war sie nicht mehr hier gewesen.

Doch Volunteer Landing war offenbar nicht Ryan Patricks Ziel, denn er fuhr weiter über die Henley Street Bridge und bog in eine abgeschlossene Wohnsiedlung ein. Der Wachmann am Tor winkte ihn durch. Sie fuhren auf einen riesigen neuen Apartmentkomplex zu, der direkt am Wasser lag. Zu jedem Apartment schien ein großer Balkon zu gehören.

Nicole runzelte die Stirn. „Was soll das? Wo sind wir hier?“

„Gleich bei mir zu Hause.“

Ach du Schreck, das war viel zu persönlich, viel zu intim, viel zu … alles. „Keine gute Idee, finde ich.“

Er parkte auf dem großen Parkplatz neben einem Motorrad und stellte den Motor ab. Sein Parkplatz und der des Motorrades trugen die Nummer 10A. „Möchten Sie denn, dass wir über unsere delikate Situation bei ‚Calhoun’s‘ oder ‚Ruth’s Chris‘ sprechen, wo jeder uns zuhören kann?“

Nein, natürlich nicht. „Äh … nein. Gehört das Motorrad Ihnen?“

„Ja.“

Offenbar liebte er das Risiko. Nicht gut für einen verantwortungsvollen Vater.

Dennoch sah sie ihn plötzlich vor sich, wie er, ganz in schwarzes Leder gekleidet, auf der mächtigen Maschine saß. Sehr sexy. Wie heiß es in diesem Wagen war!

Schnell stieß sie die Tür auf. Die kühle Brise, die vom Wasser herüberwehte, tat ihr gut.

Er führte sie in die Halle zu den Fahrstühlen. Offenbar wohnte er ganz oben, denn er drückte auf den obersten Knopf. Lautlos schoss der Fahrstuhl nach oben und entließ sie in ein achteckiges Foyer, über dem sich eine Glasdecke wölbte und von dem vier Türen abgingen. In der Mitte des Foyers sprudelte ein Brunnen, der Raum war hell und wirkte sehr einladend.

„Hübsch“, sagte sie nur. Zu modern für ihren konservativen Geschmack, wenn auch die geschwungenen Teakbänke durchaus bequem aussahen.

„Danke. Ich bin der Architekt.“

Die Apartments hier oben mussten ein Vermögen kosten. Nicole wurde das Herz schwer, als sie begriff, wie viel Geld Ryan Patrick besitzen musste, um sich so etwas leisten zu können. Dann könnte er sicher auch einen Sorgerechtsprozess bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag durchstehen. Beth, Patrick und sie hatten zwar auch keine finanziellen Probleme, aber das hier war einfach eine Nummer zu groß.

Ryan schloss die Tür auf und ließ Nicole eintreten. Der kleine Vorflur führte zu einem riesigen Wohnbereich, von dessen bodentiefen Fenstern aus man einen wundervollen Blick auf den Fluss hatte. Die dunklen Schieferfliesen waren schön, aber kalt und hart und ganz sicher nicht geeignet für ein kleines Kind, das krabbeln und laufen lernte. Auch die moderne Einrichtung mit den Stahlrahmen und den vielen Glasflächen war nichts für ein Kleinkind. Viel zu gefährlich.

Nicole trat ans Fenster und blickte hinunter. Das hätte sie lieber nicht tun sollen, denn plötzlich drehte sich alles um sie, und sie musste ein paar Schritte zurückgehen, um aus sicherer Entfernung die Aussicht zu genießen. Schnell warf sie einen Blick nach links. Dort schloss sich das Esszimmer an, vor dem ein großer Balkon lag, der bis zur Hausecke reichte und von einem spiegelnden Glasgeländer umgeben war. Trotz der sehr geschmackvollen Steinskulpturen und der großen Pflanzentöpfe wirkte der Balkon wie ein riesiges Sprungbrett, von dem aus man direkt in den Fluss tauchen konnte.

Das Apartment passte sehr gut zu Ryan Patrick. Dunkel, glatt, kalt, gefährlich.

Vorsichtig ging Nicole wieder ans Fenster. Der Blick auf den World’s Fair Park und den Fluss war wirklich atemberaubend. Auf der anderen Seite des Flusses lag Volunteer Landing mit seiner Promenade und den vielen kleinen exquisiten Restaurants.

Direkt vor dem Apartmentkomplex war ein kleiner Jachthafen zu sehen, der gut besucht war.

„Haben Sie auch ein Boot?“, fragte sie, und als er nickte, wollte sie wissen: „Welches gehört Ihnen?“

„Das dritte von rechts.“

Sie verstand ein bisschen was von Booten, weil auch ihre Brüder am Wassersport interessiert waren. So wusste sie gleich, dass das lange schmale Boot da unten ein Rennboot war.

Das hatte noch gefehlt! Ryans Apartment, sein Boot und das Motorrad waren ein Albtraum für jede Mutter. Schon bei der Vorstellung, dass ihr Kind hier aufwachsen sollte, wurde Nicole schlecht vor Angst. „Ihre Wohnung ist für Kinder nicht geeignet.“

„Warum denn nicht?“

Sie zuckte zusammen, weil sie nicht gemerkt hatte, dass er direkt hinter ihr stand. Hastig trat sie ein paar Schritte zur Seite.

„Es ist viel zu gefährlich mit all dem Glas und Stahl. Hinzu kommt, dass Sie offenbar verrückt nach sehr teuren und sehr gefährlichen Spielsachen sind. Haben Sie etwa eine geheime Todessehnsucht?“

„Natürlich nicht. Ich liebe das Leben. Und ich gehe sehr vorsichtig mit meinen Spielsachen um.“

„So?“ Sie verdrehte die Augen. „Sie vielleicht schon. Aber wer hindert ein Kind daran, gleich neben Ihrem Boot ins Wasser zu fallen? Außerdem gibt es hier viel zu wenig Grünflächen. Kinder brauchen Parks zum Spielen.“

„Kinder, die in der Stadt aufwachsen, müssen auch ohne auskommen.“

„Gibt es in diesem Gebäudekomplex denn überhaupt Kinder?“

„Hm … das weiß ich ehrlich gesagt nicht.“

„Aber ein Kind braucht andere Kinder zum Spielen. Da sind Beths Haus und das große Grundstück viel besser geeignet.“

Er machte eine ungeduldige Handbewegung. „Und wenn schon. Wir sind nicht hier, um über Ihre Schwester und Ihren Schwager zu sprechen, sondern über uns.“

„Ta…tatsächlich?“

Er kam einen Schritt näher. Sie trat einen Schritt zurück. „Ich habe mich wegen HIV testen lassen und auch wegen anderer Geschlechtskrankheiten. Ich bin absolut gesund. Wie ist es mit Ihnen? Haben Sie sich testen lassen?“

Sie errötete. „Nein. Ich hatte bisher keine Veranlassung.“

„Wieso? Sind Sie noch Jungfrau?“

Ihr brannten die Wangen. „Nein, natürlich nicht. Ich bin schließlich schon achtundzwanzig.“

Doch was Männer betraf, war sie sehr zurückhaltend. Schließlich hatte sie ständig das schlechte Beispiel ihrer Mutter vor Augen.

„Ich habe von all den anderen Frauen, die eventuell als Leihmütter infrage gekommen wären, bestimmte Tests verlangt. Also werde ich auch für Sie einen Termin machen.“

„Was?“ Empört sah sie ihn an. „Das werden Sie schön bleiben lassen. Ich bin nicht eine von Ihren Leihmutter-Kandidatinnen.“

„Das nicht. Aber Sie sind mit meinem Kind schwanger. Da ist es noch wichtiger zu wissen, dass Sie vollkommen gesund sind. Tut mir leid, aber Sie haben keine Wahl. Entweder lassen Sie sich freiwillig testen, oder es wird vom Gericht angeordnet.“

Sie sah ihn an, als wäre ihr gerade ein Geist begegnet. „Das können Sie doch nicht machen!“, stieß sie schließlich wütend hervor.

„Doch, ich kann. Ich habe bereits mit meinem Anwalt darüber gesprochen. Dies ist mein Kind. Ich habe das Recht, auf seine Gesundheit zu achten.“

Nicole hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. „Hören Sie auf damit! Das Ganze war ein Versehen und Ihr Beitrag nicht der Rede wert. Sie waren doch gar nicht da. Sie hatten nichts damit zu tun. Und wenn die Klinik nicht gegen das Datenschutzgesetz verstoßen hätte, hätten Sie mich nie gefunden.“

„Das spielt doch jetzt alles keine Rolle mehr. Ich weiß, wer Sie sind, und ich werde mich nicht plötzlich in Luft auflösen.

Seien Sie doch vernünftig. Die Einzigen, die von einer Auseinandersetzung profitieren würden, sind unsere Anwälte.“ Er wandte sich ab, zog sein Jackett aus und warf es über einen dieser ultramodernen Stühle.

Nicole war froh über die Atempause. Dieser Mann machte sie nervös und verunsicherte sie, vor allem wenn er so dicht vor ihr stand und ihr direkt ins Gesicht sah. Eigentlich merkwürdig, denn sie hatte auch sonst mit reichen und mächtigen Männern zu tun. Normalerweise blieb sie kühl und gefasst. Aber hier ging es natürlich nicht um eine geschäftliche Abmachung, sondern um etwas sehr Persönliches. Um ihr, das heißt um Beths Baby.

„Rauchen Sie?“

Nicole schrak zusammen. Ryan war dabei, sich die Hemdsärmel hochzukrempeln. Was für kräftige gebräunte Unterarme er hat, dachte sie unwillkürlich. „Nein.“

„Trinken Sie Alkohol?“

„Hin und wieder. Aber keinen Tropfen, seit ich schwanger bin.“

„Mit wie vielen Männern haben Sie bisher geschlafen? Mehr als fünf?“

„Das geht Sie nun wirklich nichts an. Fahren Sie mich sofort wieder in mein Büro!“

„Und ob mich das etwas angeht. Dieses sind die Standardfragen, die die Fruchtbarkeitsklinik Ihnen hätte stellen sollen. Was offenbar nicht geschehen ist. Sie haben das Recht, mich das Gleiche zu fragen. Und Sie sollten es auch tun.“

Leider stand es ihm tatsächlich zu, wenn sie es auch hasste, einem Fremden Einblick in ihr Privatleben zu geben. Aber wenn es nun so weit kam, dass Beth und Patrick sich das Sorgerecht mit ihm teilen mussten? Dann musste sie, das heißt mussten Beth und Patrick, alles über ihn wissen.

Sie durfte keine Schwäche zeigen. „Die Klinik nimmt weder Empfänger noch Spender an, die HIV-positiv sind. Das sollten Sie doch eigentlich wissen.“

„Die Klinik behauptet auch, dass nie Fehler vorkommen.“

Stimmt. „Mit weniger als fünf. Und mit wie vielen Frauen haben Sie …?“

„Mit mehr als fünf. Aber ich bin immer vorsichtig gewesen.

Haben Sie momentan einen festen Freund?“

„Nein.“ Das war ja schlimmer als ein Blind Date. „Und Sie? Gibt es eine Frau, die Ihnen nahesteht und die meine Schwangerschaft nur schwer akzeptieren könnte?“

„Nein.“

„Einen Mann?“

Sein empörter Blick sprach Bände. Aber sie musste diese Frage stellen, denn dass ein Mann allein ein Kind aufziehen wollte, kam so gut wie nie vor.

Doch er hatte noch mehr Fragen. „Haben Sie irgendwelche Angewohnheiten, die die Gesundheit meines Kindes gefährden könnten? Nehmen Sie Drogen? Tabletten?“ Dabei musterte er sie langsam von oben bis unten.

Nicole wurde heiß und kalt zugleich. Der Mann hatte eine unerklärliche Wirkung auf sie. „Natürlich nicht. Sonst hätte ich nie zugestimmt, ein Kind für Beth auszutragen. Ich nehme nur die Vitaminpillen, die mir der Arzt empfohlen hat.“

„Gut. Dann wollen wir jetzt essen.“

„Ich möchte lieber zurück ins Büro.“ Oder nach Alaska … bloß weit weg.

„Aber Sie müssen etwas essen. Sie sind jetzt auch für ein Kind verantwortlich.“

Auch das stimmte. Sie folgte ihm in die Küche, die so edel wie das übrige Apartment ausgestattet war. Offensichtlich hatte er bereits etwas vorbereitet, denn er holte eine Auflaufform aus dem Backofen, und sofort duftete es nach geschmortem Gemüse und Knoblauch. Und obwohl sie vorher hätte schwören können, keinen Bissen herunterzubringen, knurrte ihr jetzt der Magen.

„Sie müssen ja ganz schön sicher gewesen sein, dass ich mit Ihnen komme“, sagte sie kopfschüttelnd.

„Wir beide wollen das Beste für das Kind. Und was ich bisher über Sie herausgefunden habe, sagt mir, dass Sie intelligent genug sind zu wissen, dass wir über diese ganze Sache in Ruhe reden müssen. Bitte, setzen Sie sich, und bedienen Sie sich. Es ist eine Gemüselasagne.“

Sie nahm Platz und sah zu, wie er einen Untersetzer aus der Schublade nahm und die Auflaufform darauf abstellte. Dann holte er ein duftendes Brot aus dem Backofen und schnitt ein paar Scheiben ab, die er in einen Brotkorb legte.

Doch damit nicht genug. Er hatte auch noch einen Bohnen-Tomaten-Salat vorbereitet. Und als er schließlich einen Krug mit Eistee aus dem Kühlschrank holte, konnte Nicole sich kaum noch zurückhalten. Erst jetzt merkte sie, wie hungrig sie war.

Sie lud sich den Teller voll, und sobald auch Ryan sich genommen hatte, fing sie an zu essen … Es schmeckte einfach himmlisch. Schon lange hatte sie nicht mehr etwas so Gutes gegessen.

Als sie nach einigen Minuten von ihrem Teller aufblickte, bemerkte sie, dass Ryan sie unverwandt ansah. Wie peinlich! Sie hätte etwas zurückhaltender sein sollen. Um ihn abzulenken, fragte sie: „Sie können kochen?“

„Ja, meine Großmutter hat darauf bestanden.“

„Sehr vernünftig. Und es schmeckt ganz ausgezeichnet.“

„Danke.“ Immer noch hielt er den Blick auf ihren Mund gerichtet, und plötzlich veränderte sich der Ausdruck in seinen Augen.

Was las sie darin? Verlangen? Sehnsucht? Nicole wusste nur, dass ihr Puls plötzlich zu rasen anfing. Doch das durfte nicht sein. Er durfte nicht diese Wirkung auf sie haben. Schnell dachte sie an das, was sie an ihm störte. Dass alles nach seinem Willen gehen musste. Dass er diese gefährlichen Hobbys hatte. Dass er ihr das Kind wegnehmen wollte.

„Trotz Ihrer häuslichen Qualitäten scheinen Sie aber nicht genug Verantwortungsgefühl zu besitzen, um ein Kind aufzuziehen. Wenn ich an Ihr Boot und Ihr Motorrad und an das denke, was ich so über Sie gelesen habe …“

„Sie sollten nicht alles für bare Münze nehmen, was in den Klatschblättern steht.“

„Stimmt es denn nicht, dass Sie Ihre Frauen häufiger wechseln als Ihre Hemden? Ein Kind braucht Sicherheit und Stabilität.“

„Ich habe in letzter Zeit keine Freundin gehabt, falls Sie darauf anspielen. Und wann hatten Sie Ihre letzte längere Beziehung?“

„Mein Liebesleben geht Sie gar nichts an.“

„Doch, wenn es die Gesundheit meines Kindes gefährden könnte.“

„Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.“

„Dennoch bestehe ich darauf, dass Sie mir eine Kopie Ihres Gesundheitszeugnisses schicken. Außerdem will ich bei den Arztbesuchen dabei sein.“

„Wie bitte?“ Was dachte sich dieser Kerl eigentlich?

„Am besten schicken Sie die Unterlagen an die gynäkologische Praxis, die ich ausgesucht habe.“

„Sind Sie vollkommen verrückt geworden? Das sind Entscheidungen, die ich selbst treffen möchte.“

„Ich will an der Entwicklung meines Kindes teilhaben. Und diese Praxis ist die beste hier in der Gegend.“

Verärgert schob sie den Teller von sich. „Ich habe bereits eine Ärztin. Ich kenne sie schon seit vielen Jahren und denke nicht daran, einen anderen Arzt aufzusuchen. Ich werde ihr sagen, dass sie Ihnen nach jeder Untersuchung einen Bericht zuschicken soll. Zufrieden?“

„Nicht ganz. Ich möchte die Ultraschallaufnahmen sehen und meine Fragen dazu stellen können.“

War das nun echtes Interesse, oder wollte er nur wieder seine Macht ausspielen? „Ich werde meine Ärztin fragen, ob sie dazu bereit ist. Und natürlich auch Beths und Patricks Einverständnis einholen.“

Eigentlich seltsam, dass die beiden bisher noch nicht daran interessiert waren, sie zur Ärztin zu begleiten. Aber vielleicht wäre das zu bitter für sie, weil sie dann immer daran erinnert würden, dass sie selbst keine Kinder haben konnten.

„Damit werden die beiden sich abfinden müssen. Und Sie sollten sich allmählich an den Gedanken gewöhnen, Nicole, dass ich an dem Leben dieses Kindes teilhaben werde, ob Ihnen das nun passt oder nicht. Das bedeutet auch, dass ich mich nicht ins Wartezimmer abschieben lasse, sondern bei den Untersuchungen an Ihrer Seite sein werde.“

4. KAPITEL

Ryans Unverfrorenheit ärgerte Nicole. Er wollte sie in die Ecke drängen, und das gefiel ihr ganz und gar nicht. Am liebsten hätte sie ihm alles Mögliche an den Kopf geworfen. Aber sie wusste, dass sie ruhig bleiben musste. Mit ungezügelten Wutausbrüchen kam sie nicht weiter. „Sie können mich doch nicht zwingen, Sie zu den Untersuchungen mitzunehmen. Das ist eine sehr intime Angelegenheit und ganz allein meine Sache.“

„Ach ja? Wenn Sie untersucht werden, wird auch mein Kind untersucht. Ich habe das Recht, Sie zu zwingen, den Anweisungen der Ärztin Folge zu leisten, muss also wissen, was besprochen wurde. Es ist eben nicht allein Ihre Sache.“

„Ich würde nie etwas tun, was dem Kind schaden könnte.“ Nur mit Mühe unterdrückte sie ihre Wut. Es musste doch eine einvernehmliche Lösung zu finden sein. Wenn Probleme im Beruf aufgetreten waren, hatte sie die Wogen bisher immer mit einem Kompromiss glätten können. Wahrscheinlich brauchte sie einfach Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen. Und Abstand von diesem Mann.

Sie schob den Stuhl zurück und stand auf. „Vielen Dank fürs Essen. Ich muss jetzt wieder zurück ins Büro.“

Auch er erhob sich, allerdings zögernd. „Sie haben noch nicht aufgegessen.“

„Ich kann nicht mehr.“

„Ich fahre Sie zurück.“

Sie ließ die Serviette neben den Teller fallen. „Nein. Rufen Sie mir bitte ein Taxi.“

„Aber wir haben unser Gespräch noch nicht beendet.“

„Das ist auch nicht nötig. Und noch etwas: Veranlassen Sie, dass Ihr Arzt mir Ihr Gesundheitszeugnis ins Büro faxt.“

Mein Gesundheitszeugnis?“, fragte er verblüfft.

„Ja. Sie haben selbst behauptet, dass wir wissen müssen, ob von irgendeiner Seite her gesundheitliche Probleme auftauchen könnten.“

„Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich kerngesund bin.“

„Ich kenne Sie nicht. Sie erwarten hoffentlich nicht, dass ich mich so einfach auf das Wort eines Fremden verlasse.“

Das hatte gesessen. Aber Ryan fing sich schnell wieder. „Okay, ich veranlasse das. Aber ich denke nicht daran, ein Taxi zu rufen. Ich habe Sie hergefahren, und ich fahre Sie auch wieder zurück.“

Leise seufzte sie auf. Sturer Kerl! Aber es lohnte sich nicht, wegen einer solchen Kleinigkeit erneut eine Auseinandersetzung zu riskieren. „Na gut. Lassen Sie uns gehen.“

„Vorher möchte ich Sie noch um eines bitten.“

Was wollte er denn jetzt noch? Lange hielt sie das nicht mehr durch …

„Wenn Sie meinen, dass mein Apartment nicht kindgerecht ist, würden Sie mir dann helfen, etwas anderes zu finden?“

Verblüfft sah sie ihn an. „Warum sollte ich das tun? Und warum ausgerechnet ich?“

„Weil wir beide wollen, dass mein Kind in einer sicheren Umgebung aufwächst.“

Mein Kind. Es nervte sie, mit welcher Selbstverständlichkeit er von seinem Kind sprach. Andererseits war sie beinahe gerührt, wie wichtig ihm die Sicherheit des Kindes war. „Da wird Ihnen ein Makler eher weiterhelfen können als ich.“

„Bis zu einem gewissen Grade schon. Ich werde mich auch mit einem Makler in Verbindung setzen, aber er kann nicht so genau wissen, worauf es ankommt. Ich werde zwar alles daransetzen, das alleinige Sorgerecht zu erhalten. Aber wenn ich Pech habe, muss ich es mit Beth und Patrick teilen. Und das ist Ihre Familie. Also sollten Sie mich auch beraten, wenn es um das Wohl des Kindes geht.“

Ehrlich war er, das musste sie zugeben. Er legte seine Karten offen auf den Tisch. Da ihre Anwältin schon gesagt hatte, dass das Gericht ihm bestimmt eine Art Sorgerecht zubilligen würde, war es nur im Interesse des Kindes, ein sicheres Zuhause zu schaffen.

„Einverstanden. Ich helfe Ihnen, das passende Haus zu finden. Aber machen Sie sich nichts vor. Ich halte Sie trotzdem für vollkommen ungeeignet, ein Kind aufzuziehen.“

Er lächelte kurz, und dieses Lächeln traf sie mitten ins Herz. „Dann muss ich Ihnen wohl beweisen, dass Sie sich irren.“

„Ist das deine neueste Liebschaft?“ Harlan Patrick warf seinem Sohn von der anderen Seite des Schreibtischs her einen verächtlichen Blick zu.

Ryan blickte hoch. Oben auf der Akte, die er für Hightower Aviation angelegt hatte, lag ein Foto von Nicole, das er sich von der Website hatte ausdrucken lassen. Sie war ganz gut getroffen, wenn auch das leuchtende Blau der Augen und ihr goldbraunes Haar nicht so gut zur Geltung kamen.

Sein Vater wusste nichts von dem Plan mit der Leihmutter und auch nichts von dem schwerwiegenden Fehler, der passiert war. Das ging ihn vorläufig nichts an. „Ich schlafe nicht mit jeder Frau, mit der ich beruflich zu tun habe“, gab er kühl zurück.

„Das ist ja ganz was Neues.“

Ryan war es gewohnt, dass sein Vater ihm nur das Schlechteste zutraute. Leider hatte er bis vor Kurzem auch allen Grund dazu gehabt. Aber Ryans schlimmste Jahre waren vorbei, er hatte kein Interesse mehr an wilden Partys und oberflächlichen Frauengeschichten.

Dennoch wollte er nicht, dass sein Vater die falschen Schlüsse zog. Denn Nicole Hightower war genau die Frau, mit der sein Vater ihn gern verheiratet sehen würde. Aber Ryan hatte nicht vor, noch einmal zu heiraten. Allerdings war es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn Harlan Patrick glaubte, sein Sohn sei ernsthaft an Ms. Hightower interessiert. Später, wenn sein Vater ihm die Firma überschrieben hatte, war immer noch genug Zeit, ihn aufzuklären.

„Das ist Nicole Hightower. Sie arbeitet bei der Hightower Aviation Management Corporation.“ Er legte das Foto zur Seite und schob dem Vater den Ordner hin. „Wir sollten überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, ein Flugzeug bei HAMC zu leasen oder vielleicht sogar eine Teilhaberschaft an einer Maschine in Erwägung zu ziehen.“

„Was?“, fuhr Harlan auf. „Damit du noch ein gefährliches Spielzeug mehr hast? Mein Gott, Ryan, denkst du nie darüber nach, wer irgendwann mal diese Firma führen soll, wenn du dir den Hals brichst?“

„Aber Vater …“

„Du besitzt bereits ein Motorrad für dreißigtausend und ein Boot für sechzigtausend Dollar. Was willst du jetzt noch? Ein Flugzeug für fünf Millionen? Und sicher willst du dann auch noch den Pilotenschein machen, oder?“

„Nein, darum geht es nicht. Hightower sorgt für die Crew und kümmert sich um alles. Wie oft müssen wir kurzfristig die teuren Flüge für unsere Leute buchen? Da geht viel Geld drauf. Hightower garantiert uns, dass unsere Maschine samt Crew vier Stunden nach dem Anruf startbereit ist.“

„Auch nicht gerade billig.“

„Sie fliegen uns direkt an den Bestimmungsort, was viel Zeit spart.“

„Aber so ein Flugzeug ist viel zu teuer.“ Damit war für Harlan Patrick die Sache erledigt.

Doch Ryan blieb hartnäckig. „Es gibt doch auch noch andere Möglichkeiten. Wir müssen nicht unbedingt eine Maschine kaufen, wir können sie auch leasen. Oder wir beteiligen uns zu einem Achtel oder einem Sechzehntel daran. Wir können uns auch auf eine bestimmte Anzahl von Stunden festlegen. Auf alle Fälle haben wir jederzeit eine Maschine zur Verfügung.“

Er stand auf, ging um den Schreibtisch herum und trat neben den Vater. „Hier, schlag doch mal Seite sechs auf. Ich habe meine Sekretärin gebeten zusammenzutragen, wie viel Zeit und damit auch Geld unsere Angestellten im letzten Jahr durch Verspätungen, schlechte Verbindungen und Flugstornos verloren haben. Damit könnten wir spielend die Raten für eine Teilhaberschaft bezahlen. Und wenn wir ständig ein Flugzeug zur Verfügung hätten, könnten wir auch global ganz anders operieren.“

„Und was ist mit dem Mädchen?“

Der Vater war ja nicht dumm. So leicht ließ er sich nicht täuschen, das wusste Ryan. „Nicole wäre unsere Ansprechpartnerin bei Hightower. Wenn wir ein Flugzeug brauchen, rufen wir sie direkt an und sagen ihr, was wir wollen. Bis hin zu dem, was an Essen an Bord sein soll. Und es ist dann ihr Job, alles genau nach unseren Wünschen zu organisieren.“

„Wie kommst du darauf, dass man gerade sie für uns abstellen wird?“

„Sie soll besonders gut sein. Und wir werden darauf bestehen, dass sie und nur sie für uns zuständig ist.“

„Okay, ich sehe mir die Sache mal an. Aber ich glaube nicht, dass es machbar ist.“

Das war wieder mal typisch für seinen Vater. „Wenn es nicht machbar wäre, hätte ich dir den Vorschlag gar nicht unterbreitet“, sagte Ryan gereizt.

„Abwarten.“

An Tagen wie diesem war Nicole absolut davon überzeugt, dass sie das Richtige tat. Aufatmend sank sie auf ihr Sofa und streifte sich die Schuhe von den geschwollenen Füßen.

An diesem Sonnabendnachmittag war sie mit Beth unterwegs gewesen, um alles Mögliche für das Baby einzukaufen. Und es war herzergreifend gewesen, zu sehen, wie begeistert Beth bei der Sache war. Alles würde gut werden. Wenn sie nur dieses lästige Hindernis mit Namen Ryan Patrick aus dem Weg räumen könnten.

Bei dem Gedanken an ihn verflog ihre gute Laune. In den letzten drei Tagen hatte sie ihn weder gesehen noch etwas von ihm gehört. Das war richtig erholsam gewesen. Manchmal hatte sie sogar vergessen können, dass er existierte, zumindest für ein paar Minuten.

Plötzlich überfiel sie eine lähmende Müdigkeit. Unter der morgendlichen Übelkeit hatte sie jetzt weniger zu leiden, aber sie ermüdete immer noch sehr schnell. Gähnend streckte sie sich aus und zog die Wolldecke über sich.

Gerade als sie kurz vorm Einschlafen war, klingelte es an der Tür. Nicole sah auf die Uhr. Es waren kaum zehn Minuten vergangen, seit Beth sie vor der Haustür abgesetzt hatte. Wahrscheinlich hatte sie irgendetwas vergessen.

„Komme schon“ rief sie halblaut, raffte sich auf, tappte mit nackten Füßen zur Tür und riss sie auf.

Es war nicht Beth. Es war Ryan Patrick.

Trotz des „Herzlich willkommen“, das auf der Fußmatte stand, war er ein höchst unwillkommener Gast. Da Nicole barfuß war, musste sie auch noch den Kopf in den Nacken legen, um ihn ansehen zu können. Natürlich sah er wieder viel zu gut aus in seinem schwarzen Polohemd.

„Woher haben Sie meine Adresse?“, fragte sie mürrisch.

„Die stand in Ihrer Krankenhausakte.“ Als er sie von oben bis unten musterte, hatte sie plötzlich den albernen Wunsch, ihr Haar zu bürsten und das Make-up zu überprüfen. Albern, weil er ihr ja vollkommen gleichgültig war.

Wie konnte er es wagen, einfach ohne Anmeldung bei ihr aufzukreuzen? „Was ist denn so dringend, dass Sie nicht vorher hätten anrufen können?“, fuhr sie ihn an.

„Ich habe angerufen und auch eine Nachricht hinterlassen. Sie haben nicht zurückgerufen. Und Ihre Handynummer habe ich nicht.“

Die wirst du auch nie kriegen. „Ich war den ganzen Vormittag unterwegs und bin gerade erst nach Hause gekommen. Den Anrufbeantworter habe ich noch nicht abgehört. Was wollen Sie?“

„Wir haben einen Termin mit dem Makler und können uns heute Nachmittag ein paar Häuser ansehen.“

„Wir?“

„Ja. Sie haben doch versprochen, mir bei der Suche zu helfen.“

Stimmt, aber ausgerechnet heute? Sie war müde und außerdem auf seinen Besuch nicht vorbereitet. Sonst hätte sie sich rechtzeitig ein paar Ausreden zurechtlegen können. „Und wenn ich nun heute Nachmittag etwas vorhabe?“

„Haben Sie etwas vor?“

Erschöpft, wie sie war, hätte sie sich gern etwas hingelegt, aber es war immer gefährlich, dem Feind gegenüber eine Schwäche zuzugeben. „Das schon, aber das kann ich auch später machen.“

„Gut. Dann wollen wir los.“

Seufzend suchte sie nach ihren Schuhen und zog sie an. Dann griff sie nach der Handtasche und folgte ihm.

Dass Ryan so fest damit rechnete, das Sorgerecht zugesprochen zu bekommen, verunsicherte sie. Was, wenn sie nun ihre Aufgabe, ihre Pflicht nicht erfüllen könnte? Sie hatte Beth und Patrick versprochen, ihnen das Kind zu schenken, nach dem sie sich schon so lange sehnten.

Erst als er auf der Autobahn gen Osten fuhr, brach er das Schweigen. „Sie sind heute Morgen schon früh los. Ich habe um acht angerufen, und da waren Sie bereits aus dem Haus.“

Erschrocken fuhr sie zusammen. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie schon seit einiger Zeit auf seine muskulösen Oberschenkel gestarrt hatte. „Ich … äh … ich war schon früh mit Beth unterwegs, weil es einen Sonderausverkauf für Babysachen gab. Ich mochte sie nicht alleinlassen, weil ihr solche Einkäufe immer so an die Nieren gehen. Sie bleiben da sicher ganz cool, oder?“

Er ging nicht darauf ein. „Ich dachte immer, nur Schwangere seien besonders nah am Wasser gebaut.“

„Vielleicht empfindet sie aus Sympathie für mich so. Es soll auch Männer geben, die wie ihre schwangeren Frauen morgens unter Übelkeit leiden. Und Beth und ich standen uns immer sehr nah.“

„Männer, denen morgens schlecht wird? Das kann ich mir nicht vorstellen. Höchstens weil ihnen das ganze Getue ihrer Frauen auf die Nerven geht.“

„Sie sind zynisch!“

„Nein, realistisch. Ich sehe die Dinge so, wie sie wirklich sind.“

Das hörte sich sehr verbittert an. Neugierig warf sie ihm einen Blick von der Seite her zu. „Was wissen Sie denn schon über schwangere Frauen …“

„Eine ganze Menge. Ich habe die neun Monate mit meiner Ex verbracht.“

Wie das denn? Das hörte sich ja so an, als habe er schon einmal ein Kind gezeugt. „Sie haben doch gesagt, dass immer der erstgeborene Patrick die Firma übernehmen wird. Warum dann nicht Ihr erstes Kind?“

„Es war nicht mein Kind.“

„Das verstehe ich nicht. Es war das Kind Ihrer Frau, aber nicht Ihres?“

Kurz biss er die Zähne zusammen. „Genau. Übrigens, die Gegend, die wir uns ansehen wollen, liegt auf der linken Seite. Etwa noch eine Meile entfernt.“

Das war Nicole im Augenblick ganz egal. „Aber Sie haben doch bewiesen, dass Sie zeugungsfähig sind. Also brauchte Ihre Frau keinen Spender. Hatte sie vor Ihrer Ehe …? Aber das kann nicht sein, denn dann wären Sie ja nicht neun Monate an ihrer Seite gewesen. Ich fürchte, Sie müssen mir das erklären.“

„Und wenn ich nun sagte, das geht Sie nichts an?“

„Dann würde ich Sie daran erinnern, dass Sie mich sogar aufgefordert haben, Fragen zu Ihrem Privatleben zu stellen.“

„Na gut. Meine Freundin hat mit meinem besten Freund geschlafen. Das wusste ich nicht, oder ich habe es nicht wissen wollen. Als sie schwanger war, hat sie geschworen, dass es mein Kind sei. Daraufhin habe ich sie geheiratet. Nur um später herauszufinden, dass sie gelogen hatte.“

Armer Mann! Das Ganze hörte sich beinahe so an wie die Geschichte ihres Vaters, der auch von seiner Frau betrogen worden war. Aber anders als ihr Vater hatte Ryan daraus die Konsequenzen gezogen, während ihr Vater immer noch mit ihrer Mutter verheiratet war. Allerdings hatte das sicher handfeste wirtschaftliche Gründe. Denn ihre Mutter hatte das Geld mit in die Ehe gebracht, und sie hielt die Aktienmehrheit an Hightower Aviation. „Tut mir sehr leid. Wie lange ist das jetzt her?“

„Vierzehn Jahre.“

„Haben Sie sie denn während der Schwangerschaft unterstützt? Ich meine, bevor Sie herausgefunden haben, dass es nicht Ihr Kind war?“

„Allerdings. Jeden Tag. Ich war bei jedem Arztbesuch dabei, hielt ihr den Kopf, wenn sie sich übergeben musste, und ging auf die merkwürdigsten Essensgelüste ein.“

Kein Wunder, dass er zum Zyniker geworden war. Ein solcher Betrug konnte einen verbittern, wenn man es zuließ. Sie selbst hatte sich dagegen gewehrt – mit Erfolg, wie sie fand. „Wie haben Sie es denn rausgefunden? Hat Ihre Frau es Ihnen irgendwann gestanden?“

„Oh nein. Mein ehemals bester Freund ist ein Schwarzer. Und die Tochter meiner blonden hellhäutigen Frau war das Ebenbild ihres Vaters.“

Das war schlimm! Dann hatte mit einem Schlag seine Frau, den besten Freund und ein Kind verloren, auf das er sich neun Monate lang gefreut hatte. „Sind Sie noch in Kontakt mit Ihrer Ex oder Ihrem ehemaligen Freund?“

„Warum sollte ich?“

Typisch Mann. „Ist sie mit Ihrem Freund glücklicher als mit Ihnen?“

„Woher, zum Teufel, soll ich das wissen? Das ist mir auch vollkommen egal.“

„Wenn man jemanden wirklich liebt, dann möchte man, dass er glücklich ist, egal mit wem.“ Genau so empfand sie Patrick gegenüber.

Ryan sah sie an, als habe sie den Verstand verloren. „Das ist absoluter Quatsch.“

„Nein. Denn wir haben es in der Hand, ob wir eine Situation positiv oder negativ beurteilen.“

„Was sind Sie? Eine Heilige?“

Machte er sich etwa über sie lustig? „Warum? Nur weil ich mich auf das konzentriere, was ich habe, und nicht auf das, was ich nicht habe?“

Kopfschüttelnd bog er in eine breite Straße ein, die durch eine luxuriöse Siedlung führte, direkt am Wasser entlang. Nach ein paar Querstraßen fuhr er links in eine Zufahrt, die sich etliche Hundert Meter durch ein Waldgebiet wand. Schließlich hielten sie vor einem wunderschönen zweistöckigen Haus, das von einer breiten Terrasse umgeben war. Doch noch bevor Nicole ausgestiegen war, wusste sie schon, dass dieses Haus nicht infrage kam.

„Nein“, stieß sie schnell hervor.

„Aber Sie haben es noch gar nicht gesehen.“

„Das ist auch nicht nötig. Es ist sicher ein tolles Haus in einer schönen Gegend. Aber der Garten fällt sehr steil zum Ufer hin ab. Das ist für ein kleines Kind einfach zu gefährlich.“

„So?“ Er blickte in die Richtung, in die Nicole zeigte. „Warten Sie hier.“ Er kletterte aus dem Wagen und ging auf eine Frau zu, die gerade aus ihrem Minivan stieg. Nach einem kurzen Wortwechsel kam er wieder zurück. „Das nächste Objekt steht auch nah am Wasser. Meinen Sie, es lohnt, es sich anzusehen?“

„Sie lieben das Wasser?“

„Ja. Wasserski ist meine große Leidenschaft. Und während meiner Collegezeit bin ich viel gerudert.“

Wenn sie seine muskulösen Arme betrachtete, konnte sie sich das sehr gut vorstellen. Wahrscheinlich konnte sie mit beiden Händen kaum seinen Bizeps umschließen. Wie er wohl mit nacktem Oberkörper aussah, nur mit einer Badehose bekleidet?

Schnell wandte sie den Kopf ab und blickte angestrengt aus dem Fenster. Wieso war sie so an seinem Körper interessiert? Weil ihr Kind die Hälfte von Ryans Genen in sich trug und möglicherweise seinem Vater ähnlich sehen würde?

Ja, das musste es sein. Einigermaßen gefasst wandte sie sich wieder zu Ryan um. „Wo Wasser ist, droht immer Gefahr. Wahrscheinlich kann man ein Grundstück so einzäunen, dass nichts passieren kann. Aber ich vermute, Sie werden Ihre gefährlichen Hobbys nicht aufgeben, nur weil Sie Vater werden?“

„Nein.“

Immerhin war er ehrlich. Aber er musste noch viel lernen, wenn er glaubte, dass er auch mit einem Kind seine alten Gewohnheiten beibehalten konnte. Sie würde das Kind nicht einmal großziehen, und doch hatte die Tatsache, dass sie schwanger war, bereits ihr ganzes Leben durcheinandergebracht.

5. KAPITEL

Dass eine Frau neben ihm einschlief, ohne dass er sie vorher leidenschaftlich geliebt hatte, war Ryan noch nie passiert. Aber genau das war geschehen.

Während er darauf wartete, dass die Ampel rot wurde, betrachtete er die schlafende Nicole neben sich. Auch die dichten schwarzen Wimpern konnten die dunklen Augenringe nicht verbergen. Am Ende des dritten Schwangerschaftsmonats schien sie ständig müde zu sein.

Das kannte er von Jeanette. Sie hatte in der ersten Zeit so viel geschlafen, dass sie nicht mehr zum College hatte gehen können und sich dauernd über ihre Erschöpfung und die Morgenübelkeit beklagt hatte. Rund um die Uhr wollte sie bedient werden, und er war dumm und verliebt genug gewesen, um alles zu tun, was sie wollte. Von dem Verhalten seiner Mutter her hätte er es besser wissen sollen, denn auch sie hatte den Vater ständig unter Druck gesetzt. Aber Liebe machte ja bekanntlich blind …

Nicole dagegen hatte sich noch nie beschwert, obwohl sie sicher auch oft erschöpft war. Sonst wäre sie nicht eben mitten im Satz eingeschlafen. Wie sie so dalag, in sich zusammengesunken, war ihr Ausschnitt verrutscht und der Ansatz der Brüste zu sehen. Die rosigen Lippen waren leicht geöffnet. Eine Locke war ihr in die Stirn gefallen, und Ryan ärgerte sich über seinen spontanen Wunsch, sie ihr aus dem Gesicht zu streichen.

Stattdessen sollte er sich lieber auf ihr letztes Gespräch konzentrieren. Natürlich hatte sie nicht ganz unrecht. Wasser war für Kinder immer gefährlich. Deshalb war es gut, dass er sie mitgenommen hatte. Während er nur das Haus beurteilte, achtete sie mehr auf die praktischen Aspekte. Sie ergänzten einander wirklich perfekt.

Er blickte auf die Uhr. Schon seit zwanzig Minuten war er mehr oder weniger ziellos herumgefahren, um Nicole nicht zu wecken, aber nun wurde es Zeit. Es dämmerte bereits, und so schlug er den Weg zu dem Restaurant ein, in dem sich sein Vater um diese Zeit mit seinen Golffreunden traf.

Sowie er geparkt und den Motor abgestellt hatte, wachte Nicole auf. Verwirrt blickte sie sich um, dann setzte sie sich schnell auf und zog sich den Pullover zurecht.

„Wo sind wir?“

Als sie Ryan aus ihren großen blauen Augen fragend ansah, hatte er Mühe, ruhig sitzen zu bleiben. Am liebsten hätte er Nicole in die Arme genommen, sie an sich gezogen und geküsst. Wenn sie nicht von ihm schwanger wäre, hätte er der Versuchung bestimmt nachgegeben. Aber eine Affäre plus Kind führte automatisch zu einer dauerhaften Bindung. Und daran war er nun wirklich nicht interessiert. Sobald ihm das Sorgerecht zugesprochen worden war, würde er Nicole Hightower nie mehr wiedersehen.

Verlegen lächelnd strich sie sich das Haar zurück. „Entschuldigen Sie, ich muss eingeschlafen sein.“

„Das macht doch nichts. Sie sind rechtzeitig aufgewacht. Ich habe hier einen Tisch reserviert.“

„Dann gehen Sie also davon aus, dass ich mit Ihnen essen gehe?“

Das klang nicht gerade begeistert, was ihn ärgerte. „Ich gehe davon aus, dass Sie hungrig sind. Sie haben doch den ganzen Nachmittag nichts Richtiges gegessen. Und meiner Erfahrung nach müssen Schwangere regelmäßig essen. Oder haben Sie heute Abend schon etwas anderes vor?“

Sie warf einen Blick zum Steakhaus, schloss die Augen und atmete tief ein, was Ryan natürlich nicht entging. „Nein.“

„Gut, dann wollen wir reingehen. Ich wäre Ihnen übrigens dankbar, wenn Sie mir aufschreiben könnten, worauf die Maklerin in Zukunft achten sollte. Das würde unsere Suche vereinfachen.“ Er stieg aus, öffnete die Beifahrertür und streckte die Hand aus, die Nicole jedoch übersah. Sie schwang die langen schlanken Beine aus dem niedrigen Fahrzeug und richtete sich ohne Ryans Hilfe auf.

Auch gut, dachte er. Dass sie seine galante Geste ablehnte, war ein Zeichen, dass sie dieses Abendessen nicht als echtes Date betrachtete, und das war ganz in seinem Sinn. Dennoch hätte er sie gern berührt … Als er ihr auf dem Weg zum Eingang die Hand auf den Rücken legte, fuhr sie zusammen. Schnell nahm er die Hand wieder weg, denn die Wärme, die er bei der Berührung verspürte, zeigte ihm, dass er sich auf gefährliches Terrain begab.

Auf seinen Namen war ein Tisch für zwei reserviert worden, und als er Nicole durch das Restaurant folgte, bewunderte er ihre schmale Taille und die schlanke Hüfte. Dass sie schwanger war, konnte man nicht erkennen, und das war gut so. Denn er ging davon aus, dass sie seinem Vater begegnen würden, und der sollte jetzt noch nichts davon wissen. Allerdings war es Ryan wichtig, dass sein Vater Nicole kennenlernte.

Nachdem die Kellnerin ihre Bestellung aufgenommen hatte, stellte sie einen Korb mit frischen Brötchen vor sie hin. Sofort griff Nicole nach dem duftenden Gebäck, teilte es und bestrich es dick mit Butter. Ihre Augen leuchteten, als sie hineinbiss, dann schloss sie sie mit wohligem Stöhnen, als sei dies das Köstlichste, was sie je gegessen hatte.

Unwillkürlich musste Ryan an Sex denken. Ob sie genauso reagierte, wenn sie mit einem Mann zusammen war?

Schnell griff er nach seinem Glas mit Eiswasser und trank einen Schluck. Aber das kühlte sein Verlangen nicht ab. Wahrscheinlich empfand er so, weil sie für ihn nicht infrage kam und er schon seit längerer Zeit keine Frau mehr gehabt hatte. Die Suche nach der passenden Leihmutter war sehr aufwendig gewesen und hatte seine ganze Freizeit in Anspruch genommen.

„Zwei Häuser haben Sie jetzt abgelehnt. Wo sollte man Ihrer Meinung nach weitersuchen?“

„Der Norden von Knoxville ist auch sehr hübsch.“

Da wohnte doch ihre Schwester. Vielleicht eine ganz nette Gegend, aber viel zu spießig für seinen Geschmack. „Wenn ich die Zeit hätte, würde ich selbst ein Haus entwerfen.“

„Und warum tun Sie das nicht?“

Hoffentlich erbte das Kind ihre Augen. Die Farbe erinnerte ihn an die Karibik, wenn sich die Wellen an dem Bug der Segeljacht brachen, mit der er im letzten Sommer unterwegs gewesen war. „Ein halbes Jahr ist zu kurz, um es gut zu machen.“

„Geben Sie Ihrer Leihmutter noch eine Chance, dann haben Sie mehr Zeit.“

Ganz schön hartnäckig. Er lächelte. „Ich habe sie ausbezahlt und den Vertrag mit ihr gelöst.“

„Sicher wäre sie wieder bereit, wenn Sie wollten.“

„Ich will aber nicht.“

„Ryan, sehen Sie nicht ein, dass es für alle sehr viel einfacher wäre, wenn Sie die Sache auf sich beruhen lassen könnten?“

„Der einfache Weg ist nicht immer der richtige. Außerdem spielt die Zeit eine Rolle. Zum Sommerbeginn nächsten Jahres möchte ich ein Kind haben.“ Bevor sein Vater sich aus dem Geschäft zurückziehen würde.

Die Eingangstür ging auf, und Harlan Patrick und seine Freunde traten ein. Wie auf Befehl, dachte Ryan. Wie üblich sah sich der Vater sorgfältig in dem Restaurant um, und wie erwartet erblickte er den Sohn. Sofort kam er auf ihn zu, blieb an dem Tisch stehen und reichte Nicole die Hand. „Ich glaube, wir sind uns noch nie begegnet. Ich bin Harlan Patrick. Und Sie sind Nicole Hightower, wenn ich mich nicht irre?“

Fragend sah Nicole Ryan an, dann lächelte sie freundlich und schüttelte Harlan die Hand. „Ja, das bin ich. Und Sie sind Ryans Vater?“

Die Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn war verblüffend. Zwar war Ryan größer und schlanker als der Vater, aber sie hatten die gleichen Augen, das gleiche Haar und das gleiche Profil. Die irischen Gene der Patricks setzten sich offenbar durch.

„Stimmt.“ Harlan nickte Nicole zu, bevor er sich an Ryan wandte. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass ihr heute Abend hier seid? Wir hätten zusammen essen können.“

„Nicole und ich haben Geschäftliches zu besprechen.“ Er hatte den Platz absichtlich so gewählt, dass kein Raum blieb, um für den Vater und seine Freunde einen Tisch heranzuschieben. Zwar konnte er sich nicht vorstellen, dass Nicole einem Fremden etwas von ihrer Schwangerschaft erzählte, bevor sie nicht ihre eigene Familie informiert hatte. Aber er wollte kein Risiko eingehen. Der Vater würde noch früh genug von diesem Baby-Deal erfahren, und Ryan wusste, dass er davon alles andere als begeistert wäre.

„Vielleicht kann ich Sie zu einem Drink an der Bar einladen“, meinte Patrick senior galant.

„Nicole trinkt keinen Alkohol“, sagte Ryan schnell. Zumindest nicht, solange sie mit seinem Kind schwanger war.

Stirnrunzelnd sah sein Vater ihn an. „Ich möchte aber mehr über Hightower Aviation erfahren. Wir von Patrick Architectural Designs denken daran, vielleicht Ihre Dienste in Anspruch zu nehmen.“

Soso, natürlich war das jetzt wieder die Idee des Vaters gewesen! Doch Ryan vergaß seinen Frust, als er sah, dass Nicole auf diese Ankündigung nicht gerade begeistert reagierte. Kurz bildete sich eine steile Falte zwischen ihren feinen Augenbrauen. Dann hatte sie sich wieder gefasst und lächelte Harlan freundlich an.

„Ich bin sicher, dass HAMC zu Ihrer Zufriedenheit auf Ihre Wünsche eingehen kann. Aber unsere Verkaufsabteilung kann Ihre Fragen sehr viel besser beantworten als ich.“ Sie zog eine Visitenkarte aus der Handtasche und schrieb etwas auf die Rückseite. „Das ist die Durchwahl meines Bruders Brent. Rufen Sie ihn doch einfach mal ganz unverbindlich an.“

Brent. Das war doch der, der seine Frau betrog. Schon nach drei Minuten hatte Ryan gewusst, dass ihm nicht zu trauen war und dass er ihn nicht leiden konnte. Der sollte sich bloß von seinem Kind fernhalten! Schnell griff er nach der Karte, die Nicole seinem Vater hinhielt. „Das ist nicht nötig, Nicole. Ich habe bereits mit einem von Ihren Verkäufern gesprochen und meinem Vater die Unterlagen gegeben.“

Überrascht sah sie ihn an. „Davon haben Sie mir gar nichts erzählt.“

„Es ist auch noch nichts entschieden. Dad, wenn du uns jetzt bitte entschuldigen würdest“, wandte er sich dann wieder an seinen Vater. Irgendwie hatte er keine Lust mehr, Nicoles Gesellschaft mit jemand anderem zu teilen.

Der Vater stutzte, fing sich aber schnell wieder. „Okay, wir sprechen uns dann später, Ryan. Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Ms. Hightower.“

„Danke. Guten Abend, Sir.“ Sowie der Vater außer Hörweite war, zischte sie Ryan zu: „Was soll das? Warum tun Sie das?“

„Was?“

„Sich in mein Leben einmischen.“

„Sie haben etwas, das ich haben will. Und ich werde mich durch nichts davon abhalten lassen, es auch zu bekommen.“

Es war schon lange dunkel, als Ryan sich die Rechnung bringen ließ und kurz danach Nicole zu seinem Wagen brachte. Auf der Fahrt nach Hause war sie sehr schweigsam. Es bedrückte sie, dass Ryan in ihr Leben eindrang. Sie fühlte sich wie in einer Falle. „Es gibt auch noch andere Firmen, die Ihnen weiterhelfen können. Ich könnte Ihnen ein paar gute empfehlen“, sagte sie schließlich.

„Geben Sie sich keine Mühe.“ Er deutete ein kurzes Lächeln an. „Ich habe mich bereits erkundigt. Hightower hat den besten Ruf auf diesem Gebiet. Sie haben die erfahrensten Angestellten und bieten die meisten Flugzeugtypen an. Ihr Sicherheitsstandard ist extrem hoch, und Sie sind rund um die Uhr im Einsatz.“

Das alles hatte er ganz eindeutig aus der Werbebroschüre. Plötzlich lagen Nicole die Spaghetti mit Meeresfrüchten wie Blei im Magen. Wenn sie ihn nicht überreden konnte, die Dienste eines ihrer Konkurrenten in Anspruch zu nehmen, würde er dauernd bei ihr aufkreuzen, und das könnte sie nur schwer ertragen. Denn jedes Mal würde sie daran erinnert werden, dass sie ihr Baby möglicherweise an ihn abgeben musste. Wenn sie ihn wenigstens in den nächsten Monaten nicht sehen müsste, wäre ihr sehr geholfen.

„Ihrer Website nach zu urteilen, sind Sie bisher nicht international tätig“, versuchte sie es wieder. „Eine kleinere Firma als HAMC wäre deshalb für Ihre Bedürfnisse sehr viel passender. Und preiswerter.“

„Wir haben eine Menge internationaler Kontakte und planen durchaus, in Zukunft auch weltweit zu operieren.“

Diese Selbstsicherheit hätte sie bei anderen Männern bewundert. Bei Ryan machte sie ihr Angst. „Größer ist ja nicht immer besser“, versuchte sie es noch einmal.

Er behielt weiterhin die Straße im Blick, aber an den Lachfältchen, die sich um seine Augen bildeten, erkannte sie, dass er ihre Absicht durchschaute. Doch er sprach sie nicht darauf an, sondern wechselte das Thema. „Ich bin überrascht, dass HAMC immer noch in Familienbesitz ist. Woran liegt es, dass das Unternehmen bisher noch nicht von irgendeinem Konzern geschluckt worden ist?“

„Es hat durchaus Versuche gegeben. Aber mein Bruder Brent will das auf keinen Fall.“

„Und die Firma steht auf einer soliden finanziellen Grundlage, die Aktien sind vorzüglich bewertet.“

„Ich sehe, Sie haben sich genau informiert.“

„Das tu ich grundsätzlich bei Firmen, mit denen ich langfristig Geschäfte dieser Größenordnung machen will.“

Langfristig? Du liebe Zeit, daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Womöglich würde er jahrelang bei Hightower ein und aus gehen.

Dass er sich die Firma, mit der arbeiten wollte, genauer ansah, überraschte sie dagegen nicht. Ganz sicher war er nicht dumm, nur einfach stur, was die Sache mit dem Baby betraf. „Dennoch, wenn Sie sich auf mehrere Jahre festlegen, sind Sie auch finanziell gebunden. Das könnte riskant sein, besonders in der momentanen wirtschaftlichen Situation. Ich würde mir an Ihrer Stelle noch einmal genau überlegen, ob wir wirklich der richtige Partner für Sie sind.“

Sie gibt nicht auf. Er unterdrückte ein Lächeln. „Davon bin ich überzeugt. Mit einem professionellen Flugdienst lässt sich vieles so viel schneller erledigen. Und das wird für mich besonders wichtig sein, wenn ich ein Kind habe, das zu Hause auf mich wartet.“

Das Herz wurde ihr bleischwer, als ihr klar wurde, dass er fest entschlossen war, um dieses Kind zu kämpfen.

Als er vor ihrem Stadthaus den Motor abstellte, öffnete sie sofort die Beifahrertür. „Danke für das Essen. Aber rufen Sie mich bitte in Zukunft vorher an, wenn Sie irgendwelche Termine mit irgendwelchen Maklern ausmachen. Ich habe schließlich auch noch andere Dinge zu tun.“

„Was kann wichtiger sein als ein sicheres Zuhause für das Kind?“

Nichts. Sie stieg aus und hastete die Treppe zur Eingangstür hinauf. Er folgte ihr! Nervös suchte Nicole nach ihrem Schlüssel, fand ihn schließlich und versuchte, ihn ins Schloss zu stecken. Erst beim dritten Mal gelang es ihr. Warum musste Ryan auch so dicht hinter ihr stehen? Schnell schloss sie auf, öffnete die Tür und drehte sich um, um sie wieder zuzuwerfen. Doch da stieß sie frontal mit Ryan zusammen, der die Unverschämtheit besessen hatte, ihr ohne Einladung ins Haus zu folgen, und verlor die Balance!

Ryan packte sie schnell bei den Ellbogen und hielt sie fest. Als ihr bewusst wurde, dass sie ihn an Brust, Hüfte und Oberschenkeln berührte, wurde ihr siedend heiß, und sie war wie erstarrt. Verwirrt sah sie ihn an und bemerkte, wie sich seine Pupillen weiteten und er leicht den Mund öffnete. Ihr Puls raste, und bei jedem Atemzug spürte sie nur allzu deutlich, dass ihre empfindlichen Brüste seinen muskulösen Oberkörper berührten.

Sie wollte zurücktreten, sich von ihm lösen, aber sie konnte es nicht. Als sein Blick auf ihren Mund fiel, wusste sie, was kommen würde, und Panik überfiel sie. Er würde doch nicht …

Doch er zog sie dichter an sich heran und senkte langsam den Kopf.

Ihr stockte der Atem. „Ryan, nicht …“, stieß sie leise hervor, aber er erstickte ihren Protest mit seinen warmen Lippen.

Sie hielt still, überrascht, wie zärtlich der Kuss war, gleichzeitig aber auch fordernd und voll Verlangen. Er hatte viel Erfahrung beim Küssen, das merkte sie gleich. Doch bevor sie sich vollkommen diesem verzehrenden, berauschenden Gefühl überließ, machte sie noch einen letzten Versuch, sich zu befreien. Es war zu spät. Denn als sie die Hände auf seinen kräftigen Bizeps legte, um Ryan von sich zu stoßen, konnte sie nicht anders, sie musste sich an ihn schmiegen.

Im nächsten Moment spürte sie, wie er ihre Unterlippe mit der Zunge liebkoste, und sie musste den Mund leicht öffnen, Ryan entgegenkommen, zu drängend war das süße Verlangen, das sie plötzlich überfiel und ihren ganzen Körper erfasste. Zwar versuchte sie immer wieder, dieses lähmende Gefühl zu überwinden und ihren Verstand einzuschalten, aber auch der wollte ihr nicht mehr gehorchen. Nur ein Gedanke meldete sich wieder und wieder. Wie konnte es sein, dass sie diesem Fremden Gefühle entgegenbrachte, die sie sonst nur für Patrick empfand? Sie wollte protestieren, aber ihr kam nur ein leises Seufzen über die Lippen, auf das Ryan umso leidenschaftlicher reagierte.

Dann ließ er sie jedoch plötzlich los. Schwer atmend standen sie einander gegenüber und sahen sich an.

Nicole fasste sich als Erste. „Das hätten Sie nicht tun sollen.“

„Nein“, stimmte er zu. Seine Stimme klang rau und sexy.

Sie senkte den Kopf und schlang sich die Arme wieder wie schützend um ihren Bauch. Immer noch war sie vollkommen verwirrt. Noch nie hatte ein Kuss sie derart erregt, nicht einmal Patricks. Wie konnte das sein? Vielleicht … „Das ist nur passiert, weil wir uns in einer so verrückten Situation befinden. Denn Sie sind überhaupt nicht mein Typ. Ich begehre Sie nicht.“

Das hätte sie nicht sagen sollen. Denn als er den Blick auf ihre Brüste richtete, wusste sie sofort, was er sah, denn sie spürte es selbst. Ihre Brustspitzen hatten sich zusammengezogen und waren unter dem dünnen Stoff nur zu deutlich sichtbar.

Mist, warum hatte sie auch keine Kontrolle über ihre Hormone! Sie hatte zwar gelesen, dass schwangere Frauen besonders erregbar sein sollten, aber sie hatte das nie auf sich bezogen. Zwar hatte sie nichts gegen Sex, aber sie konnte auch gut ohne leben.

Als Ryan ihr über die Wange strich, überlief es Nicole wieder heiß. „Ich habe mich auch dagegen gewehrt, Nicole“, sagte er leise. „Aber ich finde dich einfach zu begehrenswert.“

Ihre Beine schienen sie nicht mehr lange zu tragen, und so machte sie ein paar unsichere Schritte Richtung Garderobe und hielt sich an dem Telefontischchen fest. „Bitte, sagen Sie so etwas nicht, und versuchen Sie nicht noch mal, mich zu küssen.“

Langsam schüttelte er den Kopf. „Ich kann nichts versprechen, was ich möglicherweise nicht halten kann.“

Der Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren. „Sie müssen jetzt gehen.“

„Ich rufe Sie an, wenn der Makler ein neues Objekt gefunden hat.“

Nein, rufen Sie mich nie wieder an, wollte sie sagen, aber sie konnte es nicht, sie durfte es nicht. Hatte sie Beth und Patrick nicht versprochen, einigermaßen freundlich zu Ryan Patrick zu sein?

„Herzlichen Glückwunsch!“, sagte Trent, als er am Montagnachmittag Nicoles Büro betrat.

Da ihr Bruder nicht zu den Menschen gehörte, die freigiebig mit Lob umgingen, musste schon etwas Besonderes geschehen sein.

„Wovon sprichst du?“

„Patrick Architectural Designs hat sich gerade eine Teilhaberschaft an der Cessna Citation X gekauft. Du hättest das Geschäft vermittelt, sagen sie.“

Also doch. Immerhin hatte Ryan sich für einen der besten und schnellsten Jets der Mittelklasse entschieden.

Trent warf einen schmalen Aktenordner auf den Tisch. „Hier ist der Vertrag. Sie wollen, dass du ihre Kontaktperson bist und die Einsatzpläne erstellst.“

Auch das noch. „Kannst du nicht jemand anderen finden, Trent? Ich bin vollkommen ausgebucht.“

„Das kann ich nicht. Es war eine ihrer Bedingungen.“ Sein entschiedener Tonfall sagte ihr, dass es keinen Sinn hatte, dagegen anzugehen. Aber sie musste es versuchen. Zu viel stand für sie auf dem Spiel.

„Ich kann niemanden mehr übernehmen, wenn ich weiterhin Qualitätsarbeit leisten soll.“

Trent war nicht zu beeindrucken. „Dann wirst du eben ein paar deiner Kunden abgeben.“

„Nein, das kann ich nicht. Sie verlassen sich auf mich.“

„Tut mir leid, aber nur unter dieser Bedingung kam der Vertrag zustande.“

Nicole dachte nach. Sie musste Beth unbedingt dazu bringen, die Schwangerschaft und deren Umstände bekannt zu geben. Erst dann würde Trent verstehen, warum sie, Nicole, sich weigerte, so eng mit Ryan Patrick zusammenzuarbeiten. Dass sie nämlich unmöglich einen Kunden betreuen konnte, den sie bald vor Gericht wiedersehen würde.

Aber so weit waren sie noch nicht. „Bitte, Trent, erfüll mir nur diesmal meinen Wunsch. Ich habe meine Gründe, das musst du mir glauben.“

Er blieb hart. „Tut mir leid, das kann ich nicht. Mach dich mit den Unterlagen vertraut, denn Freitagnachmittag um zwei ist der erste Termin mit dem neuen Kunden.“

„Aber …“

„Kein Aber. Der Fall ist abgeschlossen. Du hast einen neuen Kunden.“ Er ging.

Nicole ließ sich in ihren Stuhl zurücksinken und starrte an die Decke. Das durfte einfach nicht wahr sein. Ihre Haltung hatte nichts mit dem Kuss zu tun, ganz sicher nicht. Und doch erinnerte sie sich bei dem Gedanken daran sehr genau an das Verlangen, das Ryans Kuss in ihr ausgelöst hatte. Bestimmt würde er wieder versuchen, sie zu küssen, und davor hatte sie Angst. Am Beispiel der Mutter hatte sie zu deutlich vor Augen, wohin es führen konnte, wenn …

Nein, sie würde nicht wie ihre Mutter werden. Dieser Kuss war eine Ausnahme gewesen und würde sich nicht wiederholen, da war sie ganz sicher.

Na ja, ziemlich sicher.

Sollte sie Ryan anrufen und ihn bitten, von sich aus auf ihre Dienste zu verzichten? Aber er würde sich genauso wenig erweichen lassen wie ihr Bruder. Sie saß in der Falle, das wusste er genau. Und er würde jedes Mittel einsetzen, um sein Ziel zu erreichen.

Also musste sie mit Beth sprechen. Sofort. Nicole sprang auf und stürzte aus der Tür.

„Halt! Wo willst du hin?“, rief Lea ihr hinterher. „Du hast in zehn Minuten einen Termin mit Ronnie.“

Nicole blieb stehen und sah die Freundin abwesend an.

„Was ist mir dir, Nicole?“

„Ich muss unbedingt mit Beth sprechen. Wenn ich nicht rechtzeitig zurück bin, versorg Ronnie schon mal mit Kaffee.

Er nimmt Sahne und drei Stück Zucker, wie du weißt. Außerdem liebt er die Mandelkekse.“

„Okay, Boss!“ Lea salutierte lächelnd.

Nicole hastete die Treppe hinunter. Der Fahrstuhl wäre schneller gewesen, aber da lief sie Gefahr, Ronnie zu begegnen. Beths Büro lag drei Stockwerke tiefer, die Tür stand offen. Außer Atem klopfte Nicole kurz an und trat ein.

Beth telefonierte und deutete auf den Besucherstuhl. Aber Nicole war zu unruhig, um sich zu setzen. Sie blickte auf die Uhr. Noch acht Minuten. Noch nie war sie zu spät zu einem Termin gekommen. Pünktlichkeit war einer ihrer großen Vorzüge. Nervös ging sie in dem Büro auf und ab.

Scheinbar nach einer halben Ewigkeit – in Wirklichkeit jedoch nur zwei Minuten später – legte Beth den Hörer auf. „Was gibt’s denn, Nicole?“

„Beth, wir müssen der Familie endlich von dem Baby erzählen.“

Beth runzelte die Stirn. „Warum denn?“

„Weil wir einen Vertrag mit Ryan Patricks Firma haben und er darauf besteht, dass ich die Kontaktperson bin. Ich schaff das nicht, und du weißt, warum. Aber ich kann Trent den Grund nicht nennen, bevor du der Familie nicht reinen Wein eingeschenkt hast.“

Beth sah die Schwester nicht an. „Nein, noch nicht.“

„Was soll das heißen? Sehr viel länger kann ich die Schwangerschaft sowieso nicht verbergen.“

Beth rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her und hob schließlich den Blick. „Patrick und ich haben … Probleme miteinander.“

In letzter Zeit hatte es Streit gegeben, das wusste Nicole. „Aber das ist doch normal. Das kommt in jeder Ehe vor.“

„Es ist schlimmer.“

Erschrocken sah Nicole ihre Schwester an. Früher hatte sie sich manchmal gewünscht, Patrick würde irgendwann merken, dass er die falsche Schwester geheiratet hatte. Aber nicht jetzt, nicht zu diesem Zeitpunkt. Wenn Beths Ehe zerbrach, hatte Ryan Patrick umso bessere Chancen, das alleinige Sorgerecht zu bekommen. Und sie, Nicole, würde ihr Kind endgültig verlieren.

„Habt ihr Schwierigkeiten, weil er nicht der Vater des Kindes ist?“

„Auch deshalb.“

Panik überfiel Nicole. Was sollte sie tun, wenn die beiden das Kind nicht adoptieren wollten? Es musste doch einen Ausweg geben. „Das renkt sich bestimmt wieder ein, Beth. Ihr hattet doch früher auch schon mal Schwierigkeiten und habt sie überwunden.“

„Diesmal ist es anders.“

„Vielleicht kann ich helfen. Soll ich mal mit Patrick reden? Ich tu alles, was du willst, damit ihr zusammenbleibt. Ihr liebt euch doch.“ Die Ironie der Situation entging Nicole nicht. Sie flehte die Schwester an, bei dem Mann zu bleiben, der immer noch ihr, Nicoles, Herz besaß.

„Manchmal ist Liebe nicht genug. Auf keinen Fall können wir die Sache jetzt schon bekannt geben.“

„Du weißt es doch schon seit fünf Wochen.“

„Ich brauche noch etwas mehr Zeit, um die Dinge zu klären.“

Nicole legte sich die Hand auf den Bauch. Die kleine Wölbung war deutlich zu fühlen. „Aber ich habe keine Zeit mehr. Am nächsten Mittwoch treffen wir uns bei meiner Ärztin zur Ultraschalluntersuchung. Und danach wollt ihr doch sicher die Bilder rumzeigen. Die Ärztin will sogar ein kurzes Video aufnehmen.“

„Das müssen wir uns dann eben später ansehen.“

„Später? Bedeutet das, dass ihr auch nicht mit zur Ärztin kommt?“

Beth tat so, als überprüfe sie ihren Terminkalender. „Ich kann nicht weg an dem Tag.“

Fassungslos blickte Nicole ihre Schwester an. Noch nie hatte Beth ihr gegenüber gelogen. Für sie schon, vor allem in der Vergangenheit. Aber ihr hatte sie immer die Wahrheit gesagt, doch diesmal nicht. Denn im September gab es für die PR-Abteilung, in der Beth arbeitete, nur wenig zu tun. Dass Patrick und Beth zu den allerersten Besprechungen mit der Ärztin nicht mitgekommen waren, hatte Nicole verstanden. Aber am Mittwoch würden sie ihre Tochter oder ihren Sohn das erste Mal sehen können.

Hatten sie kein Interesse mehr an dem Kind? Das konnte, das durfte nicht sein. Nicole stiegen Tränen in die Augen. „Bitte, Beth, überleg es dir noch mal. Trent muss die Wahrheit wissen, denn ich kann unmöglich Ryan Patrick als Kunden betreuen.“

„Tut mir leid, Nicole. Aber momentan können wir die Schwangerschaft nicht bekannt geben. Vielleicht in ein paar Wochen.“

In ein paar Wochen? Noch vor zwei Wochen war Beth ganz wild darauf gewesen, allen Leuten davon zu erzählen. Dann wollte sie es um einige Tage verschieben. Und jetzt um einige Wochen?

Was steckte dahinter? Irgendetwas lief nicht so wie abgesprochen. Und bevor Nicole nicht wusste, was es war, konnte sie auch nichts dagegen tun.

„Beth, bitte, hilf mir …“

„Nicole, du musst ein für alle Mal begreifen, dass wir keine Kinder mehr sind und es nicht mehr so einfach ist, dir zu helfen. Es geht nicht mehr darum, für dich zu lügen, dich zu trösten, wenn du Liebeskummer hast, oder dich zu decken, wenn du Mutters Unterschrift gefälscht hast. Jeder ist jetzt selbst für seine Probleme verantwortlich, und es wird Zeit, dass du lernst, sie allein zu lösen!“

Dieser Ausbruch kam für Nicole vollkommen überraschend und verschlug ihr die Sprache. Sie wurde kreidebleich und stand mühsam auf. Das war deutlich gewesen. Sie war auf sich allein gestellt und stand vor einem Scherbenhaufen, der einmal ihr Leben gewesen war.

6. KAPITEL

Am späten Mittwochvormittag war Nicole gerade dabei, den Einsatzplan für die Piloten zu überprüfen, als sie plötzlich das untrügliche Gefühl bekam, beobachtet zu werden. Schnell wandte sie sich um. Ryan Patrick stand in der Tür und musterte sie mit ausdrucksloser Miene. Sofort spielte Nicoles Herz verrückt.

„Mr. Patrick möchte mit dir sprechen“, flötete Lea aus dem Hintergrund.

„Das ist mir nicht entgangen“, entgegnete Nicole trocken.

Jetzt tauchte die Freundin mit gespielt zerknirschter Miene hinter Ryans großer Gestalt auf. „Entschuldige, ich hing gerade am Telefon und habe ihn deshalb nur durchgewunken.“

Wie lange Ryan sie wohl schon beobachtet hatte? „Ist schon okay, Lea“, sagte Nicole resigniert. Zwar konnte sie etwas gegen Privatbesuche in ihrem Büro unternehmen, aber als Kunden musste sie Ryan Patrick empfangen wie jeden anderen auch.

Was er wohl wollte? Da er einen klassischen grauen Anzug trug, der natürlich wieder tadellos saß, kam er wahrscheinlich direkt aus dem Büro. Wie so viele ihrer Kunden war er ein attraktiver, vermögender, erfolgreicher Unternehmer, und dennoch hatte er auf sie eine vollkommen andere Wirkung als andere Männer. Sie war nervös und verlegen, fühlte sich andererseits aber auch sehr feminin. Das musste an diesen blauen Augen liegen, mit denen er sie jetzt aufmerksam ansah. Und an dem Kuss …

„Guten Morgen, Ryan. Ich hatte Sie eigentlich nicht vor Freitag erwartet.“

„Die Maklerin hat mich angerufen. Sie will mir zwei Häuser auf dieser Seite der Stadt zeigen. Ich habe ihr gesagt, wir sehen sie uns während der Lunchpause an.“

Das war keine Einladung, sondern eine Anordnung.

Lea klatschte vor Freude in die Hände. „Ihr seht euch Häuser zusammen an? Toll!“

„Beruhige dich. Ryan sucht ein Haus für sich, und dabei helfe ich ihm.“

„Ach so … Und ich dachte schon, ihr zwei …“

„Nein“, schnitt Nicole ihr das Wort ab. „Bist du schon mit der letzten Monatsaufstellung fertig?“

Hinter Ryans breitem Rücken versteckt, streckte Lea ihr die Zunge heraus und verschwand. Nicole blickte auf die Uhr. „Tut mir leid, dass Sie vergeblich gekommen sind. Ich habe bereits einen Termin und muss gleich aus dem Haus.“

Sollte sie ihm sagen, dass an diesem Tag ihre Ultraschalluntersuchung war, bei der er unbedingt dabei sein wollte?

Nein.

Dann fiel ihr ein, dass Lea natürlich darüber informiert war, aber nicht wusste, dass Ryan der Vater war. Sie würde doch nicht gerade jetzt …

Zu spät.

„Du musst mir unbedingt nachher das Video von dem kleinen Wurm zeigen, wenn du wieder da bist“, rief Lea aus dem Nebenzimmer. „Die Ärztin wollte doch eine CD davon brennen, oder?“

Oh nein … am liebsten hätte Nicole sich unter dem Schreibtisch versteckt. Oder Lea erwürgt. Am besten beides. „Darüber sprechen wir später.“ Vielleicht hatte Ryan ja gar nichts mitgekriegt.

Keine Chance. „Haben Sie heute den Termin bei Ihrer Ärztin?“, fragte er sofort.

„Ja.“

„Das haben Sie mir nicht gesagt.“

„Nein.“

Ryan ging zur Tür und schloss sie. „Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich zu jedem Arzttermin mitkommen will.“

„Meine Anwältin hat gesagt, dass Sie mich nicht dazu zwingen können. Lediglich der Bericht der Ärztin steht Ihnen zu.“

Wütend runzelte er die Stirn, die eisblauen Augen glitzerten zornig. Plötzlich sah er dunkel, gefährlich und unberechenbar aus, so wie ein Mann, dem man nachts nicht auf einsamer Straße begegnen mochte. „Wollen Sie sich mit mir anlegen?“, stieß er leise hervor.

Nein, das wollte sie ganz sicher nicht, und zwar nicht nur, weil ihre Anwältin sie davor gewarnt hatte. Wenn die Sache mit dem Baby nicht wäre, würde sie sogar gern mit Ryan zusammen sein, hin und wieder wenigstens. Er war intelligent, attraktiv und ehrgeizig, alles Eigenschaften, die ihr bei einem Mann gut gefielen.

Sie befeuchtete sich kurz die trockenen Lippen. „Ich brenne Ihnen eine Kopie der CD.“

„Das genügt mir nicht. Ich möchte dabei sein, damit ich Fragen stellen kann.“

Zwar konnte sie seinen Wunsch verstehen und bewunderte ihn irgendwie auch dafür, aber es gab einen ganz entscheidenden Grund, weshalb sie ihn nicht dabeihaben wollte. Sie war ziemlich sicher, dass sie zusammenbrechen würde, wenn sie das erste Mal die Umrisse ihres Kindes sah und gleichzeitig wusste, dass sie es nicht würde behalten können.

Entschlossen schüttelte sie den Kopf. „Tut mir leid, den Termin werde ich allein wahrnehmen.“

„Kommt nicht infrage.“

„Aber Ryan …“

„Ich begleite Sie.“

„Und die Häuser?“

„Ich verschiebe den Termin.“

Was sollte sie tun? Sie wusste, sie konnte ihm per Gerichtsbeschluss verbieten lassen, sie in solchen Fällen zu begleiten, aber das hieße, die Sache an die große Glocke zu hängen. Zu schnell würden die Medien dann Wind davon bekommen und wären nur zu begierig, diese pikante Sache, in die zwei prominente Familien verstrickt waren, der Öffentlichkeit zu präsentieren. Sollte ihre Familie das Ganze aus der Zeitung erfahren? Und wie würden die Kunden reagieren?

Sie seufzte schwer. „Okay. Sie können mitkommen. Folgen Sie mir mit dem Auto.“

„Damit Sie mich im dichten Verkehr abhängen? Ich denke nicht daran. Wir fahren zusammen.“ Er zog seinen Autoschlüssel aus der Tasche.

Musste denn alles nach seinen Vorstellungen gehen? „Ich fahre“, sagte sie schnell.

„Nichts dagegen.“ Er zuckte mit den Schultern und verstaute den Schlüssel wieder in der Hosentasche. Nicole griff nach ihrer Handtasche und ging vor ihm zur Tür. Verdammt, warum musste er ihr denn schon wieder die Hand auf den Rücken legen? Sie ärgerte sich, dass sie gleich wieder dieses Kribbeln im Magen verspürte, und noch mehr, als sie Leas große runde Augen auf sich gerichtet sah, weil ihrer Assistentin diese vertrauliche Geste natürlich nicht entgangen war.

Da werden wohl einige Fragen zu beantworten sein, wenn ich wiederkomme, sagte sich Nicole. Aber daran wollte sie jetzt nicht denken. Die Situation war schwierig genug.

Ihr weißer luxuriöser Cadillac war geräumig und bequem. „Ich muss häufig Kunden chauffieren“, erklärte sie auf Ryans fragenden Blick hin.

Sowie sie aus der Parkgarage heraus waren, stellte Ryan das Radio leiser und fragte: „Wo treffen wir Patrick und Beth? Direkt in der Praxis?“

Nicole wollte ihm nicht von dem Zerwürfnis mit Beth erzählen. Aber wie konnte sie die Abwesenheit der beiden erklären? Auf die Schnelle fiel ihr nichts ein. So sagte sie nur: „Nein. Sie kommen nicht.“

„Sind sie denn nicht neugierig auf das Kind?“

„Doch. Aber heute ist … heute können sie beide nicht. Sie werden sich nachher das kleine Video ansehen.“

Er schwieg.

Auch wenn er nichts sagte, fühlte sich Nicole von seiner Gegenwart einfach überwältigt. Der sonst so geräumige Wagen schien für sie beide zu klein zu sein. Kurz warf sie einen Blick auf Ryans große schlanke Hände, die auf den kräftigen Oberschenkeln lagen. Wie es wohl war, von diesen Händen gestreichelt zu werden? Sie biss sich auf die Unterlippe und versuchte vergeblich, diesen Gedanken zu verdrängen.

„Ryan, ich kann nicht Ihr Ansprechpartner bei Hightower sein“, platzte sie heraus. „Ich käme in einen schrecklichen Interessenskonflikt.“

„Warum denn? Ihr Bruder hat da keine Probleme gesehen.“

„Haben Sie ihm etwa das mit dem Baby erzählt?“

„Nein. Nur, dass wir uns … kennen. Er hat daraus wohl seine Schlüsse gezogen.“

„Dass wir ein Verhältnis haben? Oh Ryan, wenn Sie die Situation für mich unerträglich machen wollen, dann sind Sie auf dem besten Wege.“

„Ich will Sie nicht quälen. Ich will nur das, was mir zusteht.“

„Warum begreifen Sie nicht, dass das Baby nicht Ihnen gehört, nur weil ein dummer Fehler passiert ist.“

„Ich bin der biologische Vater. Das allein zählt.“

Frustriert schwieg sie. So kam sie nicht weiter. Da war schon das Ärztehaus. Sie bog auf den Parkplatz ein, stellte den Motor ab, mochte aber nicht aussteigen. Die Vorstellung, gleich das erste Bild ihres Kindes zu sehen, ihres Babys, das sie gleich nach der Geburt wieder verlieren würde, lähmte sie.

„Nicole?“

„Ja …“

„Was ist, wollen wir nicht hineingehen?“ Besorgt sah er sie an.

„Ja, gleich.“

„Ist das die erste Ultraschalluntersuchung?“

Sie umklammerte das Lenkrad und ließ den Kopf auf die Hände sinken. „Ja.“

„Na los!“ Er stieg aus, kam um den Wagen herum und öffnete die Fahrertür. „Es tut nicht weh, keine Sorge“, sagte er leise.

Er tröstete sie? Erstaunt hob sie den Kopf und sah Ryan an. „Ich weiß.“

Lächelnd reichte er ihr die Hand. „Dann kommen Sie. Wir müssen uns doch ansehen, was wir zustande gebracht haben.“

In diesem Augenblick war er ihr beinahe sympathisch. Zögernd nahm sie seine Hand und ließ sich aus dem Wagen ziehen. Mit zitternden Knien folgte sie ihm in das Gebäude. Als sie der Arzthelferin ihren Namen nennen musste, versagte ihr fast die Stimme. So schwer hatte sie sich diesen Besuch nicht vorgestellt.

Die Frauen im Wartezimmer sahen erst Ryan neugierig an, dann lächelten sie Nicole zu. Wahrscheinlich hielt sie hier jeder für ein glückliches Paar, das sich auf sein Kind freute.

Scheu sah sie sich um. Auf der anderen Seite saß eine junge Mutter mit ihrem Neugeborenen. Sie wirkte erschöpft, aber sehr glücklich. Nicole kämpfte mit den Tränen. Wenn sie zur ersten Nachuntersuchung kam, würde sie allein sein, ohne Kind. Ihr Baby würde dann nicht mehr ihr gehören.

Es gehört dir auch jetzt nicht.

Sie senkte den Kopf und schniefte leise. Da spürte sie Ryans warme Hand und sah ihn überrascht an. Sein ernster Blick war auf sie gerichtet, und er strich ihr sanft über die verkrampften Finger.

Schnell entzog sie ihm die Hand. Sie wollte nicht getröstet werden, schon gar nicht von ihm.

„Nicole?“ Eine Frau in einem rosa Kittel blickte durch die leicht geöffnete Tür. Nicole sprang auf und ging auf sie zu. Ryan folgte ihr.

„Und wen haben wir hier?“, fragte die Frau herzlich lächelnd.

„Ich bin Ryan Patrick, der Vater des Kindes“, antwortete Ryan schnell.

„Wie schön, dass Sie kommen konnten. Heute werden Sie Ihr Kind das erste Mal sehen.“ Die rundliche Schwester wies auf die Waage. „Aber erst einmal wollen wir feststellen, wie Mommy sich macht.“

Mommy. Nicole fühlte einen dicken Kloß im Hals. Sie würde nie die Mommy dieses Kindes sein.

Die Schwester notierte das Gewicht. „Sonst alles okay?“

„Ja, alles in Ordnung.“

„Gut, dann warten Dad und ich in Raum vier auf Sie. Sie müssen noch ins Labor zur Blutabnahme.“

Dad. Nicole sah, wie Ryan kurz zusammenzuckte. Gut, dass ihn auch mal etwas aus dem Gleichgewicht brachte.

„Beim ersten Kind ist immer alles besonders aufregend“, sagte die Frau im rosa Kittel zwanzig Minuten später. „Es ist noch ein bisschen früh, aber vielleicht kann man schon das Geschlecht erkennen. Möchten Sie es wissen?“

„Nein“, sagte Nicole.

„Ja“, sagte Ryan.

Die Schwester lachte. „Da werde ich wohl Frau Doktor warnen müssen, dass hier eine gewisse Uneinigkeit besteht.“

Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts, schoss es Nicole durch den Kopf. Sie wusste nur eins: Je weniger sie über das Kind erfuhr, desto leichter würde ihr später die Trennung fallen.

Die fröhliche junge Frau legte ein rosa Handtuch auf die Liege und wandte sich zur Tür. „Frau Dr. Lewis kommt gleich“, sagte sie zu Nicole. „Bitte, ziehen Sie den Rock aus, legen Sie sich hin, und decken Sie den Unterkörper mit dem Handtuch ab.“

Nicole wurde rot. Sie sollte sich hier vor Ryan ausziehen? Ausgerechnet heute, wo sie doch nur diesen winzigen Spitzenslip trug. Denn die Arzthelferin hatte bei der Anmeldung gemeint, sie solle wegen der Untersuchung eine möglichst knapp sitzende Hose anziehen.

Glücklicherweise entdeckte sie noch rechtzeitig einen Vorhang, der eine Ecke des Raumes abtrennte. Erleichtert verschwand sie dahinter, zog den Rock aus und wickelte sich das Handtuch um die Hüfte. Dennoch war es ein merkwürdiges Gefühl, zu wissen, dass Ryan auf der anderen Seite dieses dünnen Stoffs stand, nur wenige Meter von ihr entfernt. Zögernd kam sie hinter dem Vorhang hervor und setzte sich schnell auf die Liege.

Die Tür öffnete sich, und die Ärztin kam herein. „Hallo, Nicole“, sagte sie munter und warf dann Ryan einen fragenden Blick zu. „Und wer sind Sie?“

„Der Vater des Kindes. Ryan Patrick.“

„Willkommen! Nicole hat mir nicht gesagt, dass sie Sie mitbringen wollte.“

Ryan lächelte charmant. „Ich werde ab jetzt jedes Mal mitkommen.“

„Nichts dagegen.“ Die Ärztin nickte ihm freundlich zu. „Dann wollen wir mal, Nicole. Bitte, schieben Sie den Pullover etwas höher.“

Mit zitternden Fingern schob Nicole den Pullover bis zum unteren Brustansatz hoch. Irrte sie sich, oder hatte Ryan eben scharf die Luft eingesogen?

„So ist es gut.“ Dr. Lewis steckte das Handtuch in das dünne Gummi des Spitzenslips. „Jetzt wollen wir uns erst mal den Herzschlag anhören. Achtung, das wird jetzt kalt sein.“ Sie verteilte ein kühles Gel auf Nicoles Bauch, die sich wie ein Opfer fühlte, das alles über sich ergehen lassen musste. Die Vorstellung, halb nackt Ryans Blicken ausgeliefert zu sein, versetzte sie in Panik … oder war es eher Erregung? Waren ihre Brustspitzen nicht plötzlich hart geworden? Wie peinlich! Am liebsten hätte sie sich die Hände vor die Brüste gehalten, aber das wäre erst recht aufgefallen.

Andererseits, versuchte sie sich zu beruhigen, rief sicher auch das kalte Gel diese Reaktion hervor. Und dann war die Situation ja auch nicht gerade alltäglich.

Die Ärztin glitt jetzt mit einem kleinen Instrument über Nicoles Bauch. „Da, hören Sie? Das ist der Herzschlag Ihres Kindes.“

Richtig, ein etwas undeutliches rhythmisches Klopfen war zu hören! Nicole hielt den Atem an und blickte unwillkürlich zu Ryan hinüber. Sein Blick war starr auf ihren Bauch gerichtet, und er schluckte, als versuchte er, seiner Emotionen Herr zu werden.

Ihr traten Tränen in die Augen. Das war der Herzschlag ihres Kindes!

Nein, nicht ihres Kindes.

Das Kind gehörte Beth und Patrick.

Und Ryan.

7. KAPITEL

Mein Kind

Ryan konnte vor Erregung kaum atmen, als die Ärztin die Umrisse des Embryos auf dem Monitor erklärte. Plötzlich erkannte er, dass es nicht mehr um seine Rechte an dem Kind ging, um eine Auseinandersetzung, die er unbedingt gewinnen musste, weil er es hasste zu verlieren. Und auch nicht darum, dem Vater einen Erben zu präsentieren, damit er ihm die Firma überschrieb.

Dies hier war ein lebendes Wesen, für das er verantwortlich war. Und er würde alles tun, was in seiner Macht stand, um es zu schützen.

Und Nicole? Er sah sie an und traute seinen Augen nicht. Sie war in Tränen aufgelöst, blickte aber weiterhin konzentriert auf den Monitor. Offenbar war sie mindestens so gerührt wie er.

Erst jetzt wurde ihm klar, dass er sie vollkommen falsch eingeschätzt hatte. Er hatte geglaubt, sie würde das Kind zur Welt bringen und es dann relativ leichten Herzens an ihre Schwester übergeben. Doch das Gegenteil war der Fall. Sie litt schon jetzt darunter, und es konnte durchaus sein, dass sie ihre Meinung ändern würde und das Baby behalten wollte.

Das würde auch seine Chancen mindern. Also war es besser, die Strategie zu ändern. Wenn er nicht auf sein Kind verzichten wollte, musste er sich wohl verstärkt um Nicole bemühen. Wenn er ihre Pläne durchschaute, wäre er in der Lage, rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Nicole hastete aus dem Gebäude, als könne sie so auch all ihren Zweifeln und inneren Qualen entkommen. Durch die Ultraschalluntersuchung war das Kind plötzlich real geworden und hatte in ihr mütterliche Gefühle geweckt, die sie verzweifeln ließen.

Einerseits war es ihr unvorstellbar, auf das Kind zu verzichten. Andererseits wollte, ja, musste sie den Vertrag einhalten, den sie mit Beth und Patrick geschlossen hatte. Denn wenn nicht, würde sie die ganze Familie gegen sich aufbringen. Da die Mutter absolut unzuverlässig war, galt Beth als älteste Tochter schon lange als Matriarchin der Familie. Alle würden auf ihrer Seite stehen.

Ihr Verstand sagte Nicole, dass es richtig war, Beth und Patrick das Kind, nach dem sie sich schon so lange sehnten, zu geben. Dann würden sich sicher auch die ehelichen Spannungen legen.

Aber das linderte nicht den Schmerz, der ihr das Herz zerriss.

Erst kurz vor dem Parkplatz hatte Ryan sie eingeholt und ergriff sie beim Arm. Die Wärme seiner Hand breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. Am liebsten hätte sie sich an ihn geschmiegt, aber sie traute sich nicht. Ihre Reaktion auf die Berührung verunsicherte sie.

Dennoch tat seine Fürsorge ihr wohl. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und versuchte ein Lächeln.

Doch sie konnte ihn nicht täuschen. „Geben Sie mir die Schlüssel“, sagte er leise. Sein Blick war voll Mitgefühl und Verständnis. Kein Wunder, fiel ihr ein, er hatte so etwas ja auch schon mal durchgemacht. Er hatte ein Kind verloren, auf das er sich neun Monate lang gefreut hatte. „Sie sind nicht in der Verfassung zu fahren“, fügte er hinzu.

Sie nickte nur und gab ihm den Autoschlüssel. Als sich ihre Hände berührten, zuckte sie kurz zusammen, als habe sie einen elektrischen Schlag bekommen. Sie biss sich auf die Lippen. Wieso hatte Ryan eine solche Wirkung auf sie? Weil er nicht zu durchschauen war?

Zweifellos gab er ihr Rätsel auf. Einerseits gab er sich verständnisvoll, andererseits war er rücksichtslos. Er hielt Türen auf, zog Stühle heran, setzte sich erst, wenn sie saß. Der perfekte Gentleman alter Schule. Und dann suchte er sich eine Leihmutter und nutzte die moderne Technik, um ein Kind in die Welt zu setzen.

Seine Reaktion auf die ersten Bilder seines Kindes hatte Nicole überrascht. Vielleicht würde er doch kein so schlechter Vater sein. Sie hatte den Eindruck gehabt, er liebe das Kind bereits jetzt und wolle es auf keinen Fall verlieren.

Genau so wie sie.

Aber konnte jemand, der Aufregung und Spannung in seinem Leben brauchte – denn warum hätte er sonst ein Motorrad und ein Rennboot? –, wirklich ein verlässlicher Partner für ein Kind sein? Ihre Eltern waren ein Beispiel dafür, dass das nicht möglich war. Auch sie suchten ständig nach Abwechslung in ihrem Leben und einem gewissen Nervenkitzel. Deshalb brauchte die Mutter laufend neue Männer und der Vater neue Kasinos.

Ryan öffnete die Beifahrertür und riss Nicole damit aus ihren Gedanken. Sie stieg ein, er schloss die Tür und ging um den Wagen herum. Während er sich hinter das Lenkrad setzte, fragte er: „Wann haben Sie heute Ihren nächsten Termin?“

„Den Nachmittag werde ich am Schreibtisch verbringen. Ich habe noch eine Menge aufzuarbeiten. Warum?“

„Weil wir noch etwas zum Lunch essen sollten, bevor ich Sie wieder abliefere.“

Sie wollte auch etwas essen gehen, aber nicht mit ihm. Um endlich ihre Gedanken ordnen zu können, musste sie allein sein. „Das ist wirklich nicht nötig“, wehrte sie ab.

„Ich glaube, wir müssen uns beide erst mal sammeln. Außerdem sollten wir noch Ihre Medikamente abholen.“

Hatte er nicht gehört, was sie gesagt hatte? „Das kann ich auch allein.“

„Aber ich möchte sicher sein, dass Sie sie auch bekommen. Außerdem will ich mich an den Kosten für Arzt und Medikamente beteiligen.“

Warum denn das? Wollte er helfen? Oder versprach er sich davon nur mehr Einfluss? „Danke, aber das möchte ich nicht.“

„Kommen Beth und Patrick denn für Ihre Arztrechnungen auf?“

Auch kein gutes Thema. „Nein. Meine Versicherung deckt fast alles ab.“

„Seltsame Vereinbarung, die Sie da mit den beiden getroffen haben. Geht ja wohl alles zu Ihren Lasten.“

„Ja, das war mein Wunsch“, sagte Nicole knapp. Er brauchte nicht zu wissen, dass Beth schon viel Geld bei allen möglichen Ärzten gelassen hatte, auch wenn die Behandlungen leider nicht den gewünschten Erfolg gehabt hatten.

„Ich werde mich beteiligen, ob Sie wollen oder nicht. Damit müssen Sie sich abfinden.“

Diese arrogante Bevormundung hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie sehnte sich nach Stille und Frieden, um nach diesem emotional belastenden Arztbesuch zur Ruhe zu kommen. Ihr dröhnte der Kopf, und sie rieb sich die schmerzenden Schläfen. „Vielleicht kommen Sie auch noch auf die Idee, jeden Morgen bei mir auf der Matte zu stehen, um zu kontrollieren, ob ich auch brav alles einnehme.“

Hm. Sarkasmus war vielleicht nicht die richtige Methode, um ihn bei Laune zu halten, wie die Anwältin ihr dringend empfohlen hatte.

„Ist das nötig?“

Wahrscheinlich würde er das tatsächlich fertigbringen … „Ich würde nie etwas tun, was meinem Kind schaden könnte“, sagte sie müde.

Unserem Kind. Ihrem und meinem.“ Er wandte sich ganz zu ihr um und blickte ihr ernst in die Augen. „Geben Sie es zu, Nicole. Nach dem, was Sie heute gesehen haben, bereuen Sie den Vertrag mit Ihrer Schwester und Ihrem Schwager.“

Woher wusste er …? Sie mochte es sich ja selbst kaum eingestehen. „Was ich möchte, spielt keine Rolle. Ich habe mein Wort gegeben und einen Vertrag unterschrieben. Das Baby ist mit zwei Elternteilen besser dran.“

„Mit Vater und Mutter, die sich immer streiten?“

Also hatte er die Spannungen zwischen Beth und Patrick auf der Gartenparty auch bemerkt. „Für beide ist diese Zeit sehr stressig und belastend. Beth hat jahrelang versucht, schwanger zu werden. Sie lieben sich, auch wenn es momentan nicht so aussieht. Sowie das Kind da ist, wird alles wieder gut.“

„Glauben Sie das wirklich?“

Nach dem Gespräch mit Beth war sie davon nicht mehr so fest überzeugt wie früher. Aber das brauchte Ryan nicht zu wissen. „Ja.“

Ryan schüttelte skeptisch den Kopf. „Manchmal ist es besser, mit nur einem Elternteil aufzuwachsen, der einen wirklich liebt, als mit zweien, die einen nur als Waffe benutzen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. So etwas möchte ich meinem Kind nicht zumuten.“

Auch sie erinnerte sich nur zu gut an die heftigen Auseinandersetzungen der Eltern. Ohne Beth hätte sie das nicht ausgehalten und wäre sicher weggelaufen. „Das tut mir sehr leid, Ryan.“

„So schlimm war es dann auch wieder nicht. Ich habe es ja überstanden.“

Bei dem nächsten Drive-in-Restaurant hielt er an und bestellte einmal die Speisekarte rauf und runter. Zumindest hatte Nicole den Eindruck. Sie wurde natürlich nicht gefragt.

Aber das war ihr momentan egal, auch dass er in Richtung seines Apartments in dem Luxuskomplex fuhr. Sie hielt die große Tüte auf dem Schoß, aus der es verführerisch duftete, und hatte den Kopf zurückgelehnt. Immer noch hatte sie das Bild auf dem Monitor vor Augen, diese winzigen zehn Finger und Zehen, die das Ergreifendste und Wunderbarste waren, das sie je in ihrem Leben gesehen hatte.

Wie sollte sie die Trennung von dem Kind bloß überleben?

Als Ryan den Wachmann passierte, der vor der luxuriösen Wohnanlage stand, sah sie kaum hoch. Doch als er in die Straße zu dem kleinen Jachthafen einbog, war sie mit einem Mal hellwach. Hastig richtete sie sich auf und blickte sich alarmiert um. „Wo sind wir? Was soll das?“

„Ich habe beschlossen, dass wir ein Stück mit dem Boot fahren und dann auf dem Wasser picknicken.“

„Ohne mich zu fragen? Das ist keine gute Idee, finde ich.“

„Warum nicht? Werden Sie seekrank?“

Wenn es nur das wäre. Sie hatte Angst, dass es in der intimen Atmosphäre auf dem Boot wieder zu einem Kuss kommen könnte. Von dem ersten war sie noch vollkommen durcheinander … und von diesem nur zu deutlich spürbaren Verlangen, das sie jedes Mal überfiel, auch wenn sie sich nur flüchtig berührten.

Das waren Gefühle, die sie nicht verspüren sollte und wollte.

Denn Patrick war die Liebe ihres Lebens. Und wenn sie jetzt feststellte, dass sie Ähnliches auch für einen anderen Mann empfinden konnte, dann ähnelte sie ihrer Mutter mehr, als ihr lieb war. Und das war ein erschreckender und beunruhigender Gedanke.

„Nein, ich werde nicht seekrank. Aber ich kann es mir nicht leisten, meine Zeit auf dem Schiff zu vergeuden.“

„Sie werden sehen, es wird Ihnen guttun, in schneller Fahrt über das Wasser zu gleiten. Der Wind vertreibt jeglichen Stress und alle bösen Gedanken. Das geht mir auch beim Motorradfahren so. Aber in Ihrem Zustand wollte ich Ihnen das nicht zumuten.“

„Wie kommen Sie darauf, ich sei gestresst?“ Schwächen gab man nicht zu, das hatte sie schon früh in ihrem Leben gelernt. „Außerdem hätte ich gar keine Lust, auf Ihrer Höllenmaschine zu sitzen.“

„Motorradfahren ist nur gefährlich, wenn man leichtsinnig ist. Ich bin ein sehr überlegter Fahrer.“ Er stieg aus, zog sein Jackett aus, legte die Krawatte ab und knöpfte die Manschetten auf.

Nicole beobachtete ihn reglos. Sein Anblick hatte eine berauschende Wirkung auf sie. Was war nur los mit ihr? Sie verstand sich selbst nicht mehr, hatte aber auch keine Zeit, darüber nachzudenken. Denn jetzt öffnete er mit seinen kräftigen Händen das weiße Hemd, Knopf für Knopf, streifte es ab und stand in einem weißen T-Shirt vor ihr.

Ihr stockte der Atem. Das T-Shirt lag so eng an, dass nicht nur jeder Muskel zu erkennen war, sondern auch dunkles Brusthaar und die kleinen harten Brustwarzen. Oh Gott … Sollte sie, um jede Gefahr zu vermeiden, darauf bestehen, dass er sie wieder in ihr Büro fuhr? Oder konnte sie auf ihre Widerstandskraft vertrauen und diese Lunchpause durchstehen? Wie aufs Stichwort begann ihr der Magen zu knurren und gab ihr somit die Antwort. Sie hatte Hunger und musste unbedingt etwas essen. Außerdem war es bestimmt sinnvoll, mit Ryan Patrick etwas mehr Zeit zu verbringen, um mehr über ihn zu erfahren. Vielleicht fand sie etwas heraus, das Beth und Patrick später bei der gerichtlichen Verhandlung gegen ihn verwenden konnten.

Sie stieg aus, und schon war Ryan neben ihr und nahm ihr die Tüte mit dem Essen ab. „Ziehen Sie doch Ihre Jacke aus“, meinte er fröhlich. „Es ist bestimmt warm genug.“

Sollte sie? Darunter trug sie doch nur ein knappes Top. Aber er hatte recht. Morgens war es frisch gewesen, aber jetzt schien die Sonne vom wolkenlosen Himmel, und die sanfte Brise fühlte sich angenehm warm auf der Haut an. Bald würde der Herbst mit seinen kalten Winden einsetzen. Da sollte sie die letzten warmen Tage genießen. Entschlossen zog sie die Jacke aus.

„Gut.“ Ryan nickte lächelnd, drehte sich dann um und ging den schmalen Weg zu dem Anlegesteg hinunter. Er hatte einen kräftigen, geschmeidigen Gang, und sie musste sich beeilen, um nicht zurückzubleiben. Vor einem schnittigen Boot mit roten Rennstreifen blieb er kurz stehen, sah sich nach Nicole um und stieg an Bord. Er setzte die Tüte ab und streckte dann die Hand aus. „Geben Sie mir Ihre Schuhe.“

Nach kurzem Zögern reichte sie ihm ihre High Heels. Dann nahm sie seine Hand, machte einen großen Schritt und stand neben Ryan. Das Boot schwankte, aber Ryan hielt sie fest. Als sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, wies er auf eine gepolsterte Bank im Heck des Schiffes. „Setzen Sie sich, und machen Sie es sich bequem.“

Autor

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