Auf der Fahrt ins Abenteuer

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Als Lara Stevens den Architekten Slade Baron zufällig in Baltimore wiedersieht, hat sie nur einen Gedanken: Er soll nicht erfahren, dass sie einen gemeinsamen Sohn haben. Wie damals zieht er sie an wie ein Magnet - und als er ihr heimlich folgt, passiert das, was sie vermeiden wollte. Für Slade gibt es nur eine Entscheidung: Heirat!


  • Erscheinungstag 18.07.2022
  • Bandnummer 04
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514972
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Slade Baron war überzeugt, dass die Blondine in dem grünen Wildlederkostüm genau wusste, wie sich ihr Rock öffnete, wenn sie die Beine übereinanderschlug.

Und es waren schöne Beine. Lang, gebräunt und gut in Schuss gehalten.

Er wartete in der Lounge erster Klasse der „East Coast Air“ auf den Abflug seiner Maschine, der sich wegen schlechten Wetters verspätete. Die Blondine war vor ungefähr einer halben Stunde hereingekommen, und sie war allen Männern im Raum aufgefallen. Nur ein kastrierter Mann könnte eine so begehrenswerte Frau ignorieren, besonders wenn es nichts anderes anzusehen gab als den Regen, der ans Fenster prasselte.

Trotz ihrer Schönheit wirkte sie sehr geschäftsmäßig. Wie fast jeder Passagier, der das Ende des Sommergewitters abwartete, trug sie eine Computertasche in der einen und ein Bordcase in der anderen Hand. Aber dann setzte sie sich Slade gegenüber, holte ein Buch aus der Außentasche ihres Bordcase und schlug die Beine übereinander. Und es zeigte sich, dass der Schlitz des so schicklich aussehenden Wildlederrocks bis zu den Oberschenkeln ging.

Slade bewunderte den Anblick, und jeder andere Mann in der Nähe tat dasselbe. Warum auch nicht? Es brachte nichts, den Regen und die Blitze am schwarzen Himmel zu betrachten. Die Ansicht der Abflugtafel war nicht viel besser. „Delayed“ stand dort immer wieder, und daran würde sich nichts ändern, bis das Unwetter vorbei war. Slade war bereits die Notizen für seine Präsentation durchgegangen, hatte den Wirtschaftsteil des „Boston Globe“ gelesen und Edwin Dobbs beim „Beaufort Trust“ in Baltimore angerufen. Jetzt blieb nur noch, entweder Blondie zu beobachten oder vor Langeweile verrückt zu werden.

Blondie gewann spielend.

Sie sah von ihrem Buch auf, bemerkte Slades taxierenden Blick und lächelte. Er erwiderte das Lächeln. Sie las weiter, blätterte eine Seite um und schob sachte ein Bein an das andere. Der Rock öffnete sich noch ein bisschen weiter. Slade verschränkte die Arme, lehnte sich zurück und ließ seiner Fantasie freien Lauf.

Was verbarg der Rock immer noch?

Schwarze Spitze wahrscheinlich. Mit fast dreißig Jahren hatte er schon viele Frauen kennengelernt – mehr, als ihm zustanden, wie seine Brüder scherzhaft behaupteten –, und er war sicher, dass Blondie der Typ dafür war. Andererseits würde Zartrosa großartig zu ihrer Sonnenbräune passen.

Sie bewegte die langen Beine. Schwarze Spitze. Da war sie. Nur einen Moment lang, doch es genügte, um einen Passagier zwei Plätze weiter aufstöhnen zu lassen. Der arme Narr verbarg es gut, indem er einen Hustenanfall vortäuschte, aber Blondie wusste Bescheid. Sie sah auf, blickte erst ihn und dann Slade an. Als sie lächelnd noch einmal ihren Slip vorführte, nahm Slade seine Computertasche und das Bordcase, stand auf, ging auf sie zu …

Und blieb auf halbem Weg stehen.

Die Blondine zog die Augenbrauen hoch. Sie wartete. Verdammt, er merkte, dass alle warteten und ihn beobachteten. Nur ein Mann im Koma hätte die Einladung nicht verstanden. Und nur ein toter Mann würde sie nicht annehmen.

Slade war weder komatös noch tot, aber er würde passen. Erinnerungen hatten die Vorfreude plötzlich verdrängt und ihn wütend gemacht. Nicht auf die Blondine. Auf sich selbst.

Stirnrunzelnd ging er an ihr vorbei und hörte sie enttäuscht seufzen. Er ging weiter zum Empfang, wo sich irgendein Kerl mit rotem Gesicht laut darüber beschwerte, dass er seinen Anschlussflug verpassen würde, und stieß die Tür zum allgemeinen Wartebereich auf.

Leute liefen ziellos durch die Halle. Nicht einmal die Klimaanlage konnte mit der Hitze und Feuchtigkeit Schritt halten. Slade blickte aus dem Fenster und sah Flug vierhundertfünfunddreißig nach Baltimore. Es kam ihm so vor, als würde sich die Maschine wie ein großer, nasser grauer Vogel neben dem Gate ducken.

Erst am Ende des Gangs blieb Slade stehen. „Hör auf, ein Idiot zu sein“, befahl er sich. „Es ist achtzehn Monate her. Anderthalb Jahre sind im Leben eines Mannes fast eine Ewigkeit.“ Er presste die Lippen zusammen, stellte die Laptoptasche und das Bordcase ab, zog sein Handy heraus und rief im Büro an.

„Ich bin’s“, sagte er, als sich seine Sekretärin meldete. „Irgendwelche Nachrichten für mich?“

Nein. Er hatte auch keine erwartet. Schließlich hatte er erst vor einer halben Stunde zuletzt angerufen. Er beendete das Gespräch und begann die Nummer des Beaufort Trusts zu wählen, dann fiel ihm ein, dass er das ebenfalls schon erledigt hatte. Seufzend suchte er sich einen Sitzplatz und schaltete den Computer ein. Mit „Solitär“ würde er ein bisschen Zeit herumkriegen. Es brachte ihn immer zum Lachen, wie viele gut angezogene Geschäftsleute auf einem langen Flug über ihre Computer gebeugt dasaßen und spielten.

Er könnte fleißig sein und seine Entwürfe für die neue Zentrale des Beaufort-Konzerns aufrufen, die er in Baltimore bauen sollte. Oder er könnte sich mit der Realität auseinandersetzen.

Slade runzelte die Stirn, schaltete das Gerät aus und stellte es auf den Boden. Was in Denver passiert war, gehörte doch der Vergangenheit an. Er hatte keinen Grund, sich jetzt wieder daran zu erinnern. Die Blondine mit dem geschlitzten Rock war überhaupt nicht wie Lara. Na gut, die Situation an diesem Tag war ähnlich. Die Verspätung wegen schlechten Wetters, die Lounge für Passagiere der ersten Klasse, ein Mann und eine Frau, die einfach nur hofften, Zeit totzuschlagen … Trotzdem wäre es letzten Endes nicht genauso ausgegangen wie in Denver.

Und er würde nicht anderthalb Jahre später daran denken, was passiert war, und sich fragen, warum er eigentlich immer noch daran dachte.

„Verdammt, Baron“, schimpfte Slade mit zusammengebissenen Zähnen.

Ein Mann, der in der Nähe stand, warf ihm einen seltsamen Blick zu, hob seinen Koffer hoch und ging weg. Slade konnte es ihm nicht verübeln. Normale Menschen mieden Typen, die auf Flughäfen herumsaßen und Selbstgespräche führten. Er überlegte, was der Mann wohl von ihm halten würde, wenn er ihm folgen und sagen würde: Hören Sie, mit mir ist alles in Ordnung. Es ist nur so, dass ich vor langer Zeit diese Frau „aufgegabelt“ habe. Wir hatten umwerfenden Sex, und ich kann sie immer noch nicht vergessen.

Was völlig verrückt war. Weil der Vorfall unwichtig gewesen war. Ein bedeutungsloser One-Night-Stand. Bedeutungslos, dachte Slade und blickte nach draußen in den Regen. Im Geiste sah er jedoch Schnee.

Schwere, dicke Flocken waren an jenem Dezembermorgen vom bleigrauen Himmel über Colorado gefallen. Der Pilot war außerplanmäßig gelandet, da östlich von Denver der gesamte Flugverkehr zum Erliegen gekommen war. Slade hatte in einer noblen Lounge erster Klasse gewartet.

Eine Stunde Verspätung, wurde andauernd durchgesagt, selbst dann noch, als daraus drei Stunden geworden waren. Das Unwetter sei kein Grund zur Beunruhigung. Der planmäßige Flugbetrieb werde so schnell wie möglich wieder aufgenommen.

Nur dass es weiterschneite und der Himmel immer dunkler wurde. Und Slades Ungeduld zunahm. Er hatte seinen Bruder in Kalifornien besucht und war auf dem Rückweg nach Boston. Das lange Wochenende war herrlich gewesen. Sie hatten am Strand vor Travis’ Haus in Malibu Volleyball gespielt, und Trav hatte wie jedes Mal für den Samstagabend Dates arrangiert, die Weltklasse gewesen waren.

Jetzt ist mir das schöne Wochenende verdorben, weil ich den Sonntagabend eingeschneit auf dem „Denver International“ verbringe, dachte Slade ärgerlich. Er seufzte. Niemand hatte Schuld an der Verspätung. Er war selbst Pilot, schon seit seiner Jugend. Gerade er wusste, dass sich mit dem Wetter nicht streiten ließ.

Wenn er das Warten überstehen wollte, ohne verrückt zu werden, musste er sich beschäftigen. Er hatte bereits seine E-Mails überprüft und „Time“ von der ersten bis zur letzten Seite gelesen. Und was jetzt?, überlegte er müde …

In diesem Moment sah er die Frau, die ihm gegenübersaß. Sie war wohl in die Lounge gekommen, während er gelesen hatte, sonst hätte er sie bemerkt. So, wie alle Männer im Raum sie bemerkt hatten. Sie versuchten, lässig zu sein, und warfen ihr über den Rand ihrer Zeitungen vorsichtige Blicke zu. Slade hatte noch nie viel davon gehalten, vorsichtig zu sein. Außerdem hatte es so eine Frau verdient, dass ihr ein Mann seine volle Aufmerksamkeit zuwandte.

Sie hatte rotblondes Haar, aber er fand, dass es eine fade Bezeichnung für eine Farbe war, die ihn an einen frühen Herbstmorgen erinnerte. Ihre Augen konnte er nicht sehen, da sie den Laptop auf ihrem Schoß anblickte, doch er hatte das Gefühl, dass sie blau waren. Sie trug ein sehr zweckmäßiges und sittsames Kostüm, nur dass es an ihr nicht ganz so sittsam aussah.

Wütend versetzte sie ihrem Computer einen Faustschlag, sagte leise irgendetwas und sah auf. Ihre Augen waren tatsächlich blau, und sie hatte ein sensationell schönes Gesicht. Slade zögerte nicht. Er nahm seine Sachen, legte die wenigen Schritte zwischen ihnen zurück und lächelte sie an. „Jetzt geht’s los, Darling.“

Sie warf ihm einen Blick zu, der den Schnee draußen hätte gefrieren lassen. „Wie bitte?“

Slade sah den Mann neben ihr scharf an und nickte dankend, als er nervös aufstand und davoneilte.

„Ich bin die Antwort auf Ihr Flehen, Süße.“ Slade setzte sich auf den frei gewordenen Platz.

„Ich heiße nicht ‚Süße‘.“ Sie musterte ihn von oben bis unten und verzog verächtlich den Mund. „An mich kommen Sie nicht heran, Cowboy. Verziehen Sie sich.“

„Ah“, sagte er, „ich verstehe. Sie halten das für einen altmodischen Annäherungsversuch.“

„Du meine Güte. Jetzt werden Sie behaupten, ich irre mich, stimmt’s?“

Slade schüttelte seufzend den Kopf, öffnete seine Laptoptasche und holte eine Ersatzbatterie heraus. „Es ist schmerzlich, falsch eingeschätzt zu werden, Süße. Sie brauchen eine Batterie für Ihren Computer, und ich habe zufällig eine zweite dabei.“ Er hielt sie ihr hin. „Sieht das nach einer Aufreißermasche aus?“

Sie blickte ihn lange an. „Ja“, sagte sie schließlich lächelnd.

„Na schön, Sie haben recht. Aber es ist eine originelle, das müssen Sie doch zugeben.“

Sie lachte, er lachte, und so begann alles.

„Hallo, ich bin Slade.“

„Lara.“ Sie zögerte, dann gab sie ihm die Hand.

Es war genau der richtige Name für diese Frau. Sanft und weiblich, aber er hatte auch etwas Starkes.

Ein kleiner Stromschlag sprang zwischen ihnen über.

„Statische Elektrizität“, sagte Lara schnell und entzog ihm die Hand.

„Klar“, erwiderte Slade, glaubte jedoch nicht daran. Sie auch nicht, nach der Röte zu urteilen, die ihr ins Gesicht stieg. „Ich habe nicht gehört, wie Sie Ihre leere Batterie genannt haben, kann es mir aber ziemlich gut vorstellen.“

Sie lachte. „Ich fürchte, ich war nicht besonders höflich.“

„Es ist mir ernst damit, Ihnen meine Ersatzbatterie zu schenken.“

„Nein, danke. Ich komme ohne aus.“

„Dann leihe ich sie Ihnen, und Sie können zumindest beenden, was Sie gerade gemacht haben.“

Sie lächelte. „Ich wollte Solitär spielen.“

Slade zog die Augenbrauen hoch. „Das Wunderwerk des Zeitalters“, sagte er gespielt feierlich. „Eine oder drei Karten?“

„Eine natürlich“, erwiderte Lara. „Beim Vegas-System, mit Zeitanzeige.“

„Das Deckblatt mit dem Palmenstrand?“

Lara lachte. „Jawohl. Ich mag das kleine Gesicht, das erscheint und grinst, wenn man es am wenigsten erwartet.“

Slade lachte auch, und sie begannen, sich über alles Mögliche zu unterhalten, wie Fremde es meistens tun, nur dass er nicht wirklich mitbekam, was sie sagten. Er war zu sehr damit beschäftigt, ihr schönes Gesicht zu beobachten und auf ihre sanfte, heisere Stimme zu hören. Er hatte den Eindruck, dass sie nicht wusste, wie sexy ihre Stimme war und wie aufreizend es wirkte, wenn sie sich das Haar zurückschob. Er musste die Hand zur Faust ballen, um sich davon abzuhalten, es selbst zu tun.

Und ihr Duft. Flieder, dachte er. Oder vielleicht Maiglöckchen.

„Finden Sie nicht auch?“, fragte sie.

„Ja, natürlich“, erwiderte Slade und hoffte, dass es die richtige Antwort war, denn er hatte keine Ahnung, wovon Lara gerade sprach.

„Deswegen nenne ich es die ‚Batterieverschwörung‘“, sagte sie. „Sie wissen schon. Man macht alles richtig, hält seine Batterien immer aufgeladen …“

O ja, dachte Slade, während er lächelte wie ein Idiot, seine Batterien aufgeladen zu halten ist wirklich gut.

„Man macht sie vorsichtig an …“

Verdammt, er wollte nicht vorsichtig angemacht werden. Er wollte Lara sofort in eine dunkle Ecke tragen und sie küssen.

„Aber sie funktionieren nicht. Sie tun es niemals, wenn sie es sollen.“

„Nein“, sagte Slade schließlich und wechselte das Thema, bevor er unangenehm auffiel.

Sie unterhielten sich noch weiter. Oder vielmehr, er redete, und Lara hörte zu. Nach einer Weile bemerkte er, dass sie ihn seltsam anblickte. Langweilte er sie? Nein, das war es nicht. Sie sah … nachdenklich aus. Er hatte das Gefühl, dass sie die Konsequenzen irgendeiner wichtigen Entscheidung abwägte.

Es gefiel ihm nicht, deshalb verstummte er mitten im Satz und sah Lara forschend an. „Wie wäre es mit Kaffee?“, fragte er schließlich.

„Ja, gern“, sagte sie nach kurzem Zögern.

Sie standen auf, gingen in den hinteren Teil der Lounge, schenkten sich Kaffee ein und setzten sich auf ein kleines Sofa in der Ecke. Während sie sich über belanglose Themen wie das Wetter, das Fliegen und Flughäfen unterhielten, war sich Slade bewusst, dass es nur der Deckmantel dessen war, was wirklich zwischen ihnen passierte.

Sie erregten sich gegenseitig.

Als er ihr nachschenkte, berührten sich ganz flüchtig ihre Hände, und der dabei entstehende Funke statischer Elektrizität ließ Slade und Lara zusammenzucken.

„Hoppla“, sagte sie lachend, „einer von uns muss geerdet werden, sonst gehen wir noch beide in Flammen auf.“

„Ach, ich weiß nicht.“ Er lächelte. „In Flammen aufzugehen würde vielleicht Spaß machen.“

Sie blickten sich lange in die Augen. Dann sah Lara weg, und sie sprachen über Teppiche, statische Elektrizität und alles Mögliche, nur nicht über die Spannung zwischen ihnen.

Slade sagte sich, es sei völlig normal. Er war ein Mann, der sich mit Frauen vergnügte, seit sich ihm die geschiedene Frau eines Nachbarranchers zu Hause in Texas hingegeben hatte, als Geschenk zu seinem sechzehnten Geburtstag. Er mochte Frauen, und sie mochten ihn. Und ja, er hatte in einer Bar oder auf einer Party eine angesehen, es hatte „gefunkt“, und sie beide hatten gewusst, dass sie zusammen im Bett landen würden.

Aber verdammt, dies war anders. Wem versuchte er etwas vorzumachen? Er begehrte Lara so sehr, dass es fast eine Qual war. Er wollte sie umarmen, ihre Erregung spüren, sie liebkosen und eins mit ihr sein.

Und sie wollte ihn. Er erkannte die Anzeichen. Laras Augen funkelten. Die Wangen waren gerötet. Ihr zitterte die Hand, wenn sie die Kaffeetasse hob. Wann würde sie bereit sein, es sich einzugestehen? Und was konnte er hier in der Lounge schon damit anfangen, wenn sie es tat?

„Stimmt’s?“, fragte Lara.

„Wie bitte?“

„Ich habe gesagt, es scheint so, als wäre die Welt stehen geblieben und wir wären hier drin gefangen.“

„Ja.“ Sie sahen sich an, und Lara erschauerte. Slade wusste, dass es Zeit war. „Sie sind schön“, sagte er leise.

Sie wurde rot. „Danke.“

„Wie lang ist Ihr Haar, wenn Sie es offen tragen? Fällt es Ihnen über die Schultern und Brüste?“ Er nahm ihr die Tasse weg und stellte sie auf den Tisch. Als Lara seinen Blick erwiderte, wurde Slade seiner Erregung kaum noch Herr. Sie wusste, dass er gerade daran dachte, ihr dieses sittsame Kostüm auszuziehen, das hochgesteckte Haar zu lösen und sie zu küssen, bis sie vor Verlangen nach ihm aufschrie.

In diesem Moment kam die Durchsage, dass für die nächsten Stunden ein allgemeines Startverbot erteilt worden sei. Passagiere, die im Hotel übernachten wollten, sollten sich zum Auskunftsschalter begeben.

Lara räusperte sich. „Tja, das war’s dann wohl.“

Slade nickte. Sie hatte recht. Es war vorbei, und er war froh darüber. Was zwischen ihnen vorgegangen war, hatte ein Ende. „Ja.“ Er lächelte höflich. „Wollen Sie hier warten oder versuchen, ein Hotelzimmer zu bekommen?“

„Hier, denke ich. Und Sie?“

„Ich auch. Oh, zum Teufel damit. Komm mit mir.“

„Nein“, flüsterte Lara. „Ich kann nicht.“

Slade sah keinen Ring an ihrer linken Hand. „Bist du verheiratet?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Verlobt?“

„Nein.“

„Ich auch nicht. Wir werden niemand wehtun.“ Slade nahm ihre Hand. „Komm mit mir ins Bett, Lara.“

Sie wurde rot. „Ich kann nicht.“

Er verstärkte den Druck seiner Finger. „Wir werden unglaublich zusammen sein.“

„Ich kenne dich nicht einmal.“

„Doch. Du kennst mich schon eine Ewigkeit, ebenso wie ich dich kenne“, sagte Slade rau. „Was die näheren Einzelheiten betrifft … Ich bin Architekt und lebe in Boston. Ich bin achtundzwanzig, ‚normal‘ und an niemand gebunden. Gerade hatte ich meine jährliche Untersuchung, und mein Arzt sagt, ich sei gesund genug, um länger als Methusalem zu leben. Und ich habe noch nie eine Frau so sehr begehrt, wie ich dich begehre. Musst du mehr wissen?“

Sie sah ihn an, und er hatte das Gefühl, dass er bewertet wurde, nicht nur als Mann, der sich an eine Frau heranmachte, sondern … Er wusste es nicht. Vor einer Stunde hatte sie ihn schon einmal so seltsam angeblickt. Es beunruhigte ihn, doch heftige Sehnsucht nach ihr verdrängte das unbehagliche Gefühl.

„Allein darüber zu reden ist verrückt …“

Er legte ihr flüchtig den Zeigefinger auf den Mund. Die Berührung war alles, was er sich vor all den Leuten in der Lounge zu tun traute. Er wollte Lara küssen, doch dann würde er den Rest seiner Selbstbeherrschung verlieren. „Ich besorge uns ein Taxi. Ganz in der Nähe ist ein Hotel, in dem ich früher schon gewohnt habe. Sie kennen mich dort und werden ein Zimmer für uns auftreiben.“

„Ein Taxi und ein Hotelzimmer bei diesem Wetter? Du bist sehr selbstsicher, Slade.“

„Wenn ich es wäre, würde ich nicht den Atem anhalten, während ich auf deine Antwort warte“, erwiderte er leise.

„Ja“, sagte sie.

Er konnte sich später nicht daran erinnern, dass sie die Lounge verlassen hatten und er ein Taxi herbeigewinkt hatte. Von der Fahrt zum Hotel bekam er auch kaum etwas mit. Er wusste nur, dass er ihr den Arm um die Taille gelegt, sie in die Halle geführt und zu Lara gesagt hatte, er müsse nur schnell in den Drugstore gehen.

„Nein, das ist nicht nötig.“

Im ersten Moment freute er sich, weil kein Gummi zwischen ihnen sein würde. Dann wurde ihm klar, dass sie sich selbst um Verhütung kümmerte, weil er nicht der Einzige war, mit dem sie sich einließ. Er empfand eine überraschend heftige Wut und primitive Eifersucht. Aber sobald er die Zimmertür hinter ihnen geschlossen hatte und sich zu Lara umdrehte, hörte er auf zu denken.

Sie geriet in Panik. „Nein! Es tut mir leid, Slade. Ich kann das nicht.“

Er umfasste ihr Gesicht. Sie blickte ihn mit großen Augen argwöhnisch und ängstlich an. Langsam neigte er den Kopf und küsste sie zärtlich auf den Mund. Es war schwierig, sich zu beherrschen, doch Slade tat es, bis Lara den Kuss erwiderte.

Er zog sie an sich, und sie legte ihm die Arme um den Nacken und schob ihm die Hände ins Haar.

„Bitte“, flüsterte sie. „O Slade, bitte …“

Und er trug sie zum Bett, zog sie aus, löste dieses herrliche Haar und tat alles, was er sich gewünscht hatte, und mehr.

Aus dem Schneesturm wurde ein Blizzard, der den ganzen Abend und während der Nacht über die Berge raste. Slade und Lara verbrachten all die Stunden im Bett.

Lara in den Armen zu halten war wie ein Traum. Wie viel Glück ich habe, sagte sich Slade, kurz bevor sie erschöpft einschliefen. Der Sex mit dieser schönen Fremden würde in den kommenden Jahren eine unglaubliche Erinnerung sein.

Bei Tagesanbruch wachte Slade auf. Er betrachtete Lara und dachte daran, dass sie getrennte Wege gehen würden, wenn der Blizzard vorbei war. Sie wohnte in Atlanta und war Rechnungsprüferin. Das war alles, was sie von sich erzählt hatte. Ihm fiel ein, wie sie ihm klargemacht hatte, dass er sich nicht um Kondome kümmern müsse, und er wurde wieder wütend, weil sie ein Leben hatte, über das er nichts wusste.

Sie wohnte in einem Haus, das er niemals gesehen hatte, und lachte mit Freunden, die er nicht kannte. Sie ging mit Männern aus, über die er nicht nachdenken wollte. Lag in den Armen anderer.

Ihm wurde das Herz schwer. „Lara“, flüsterte er und weckte sie mit Küssen.

Sie öffnete die Augen und lächelte verträumt. „Slade? Was ist los?“

Ja, was? Sie lebte im Süden, er im Nordosten. Sollte er jetzt etwa sagen, er würde jedes Wochenende nach Atlanta fliegen, um sie zu sehen? Er traf sich mit keiner Frau jedes Wochenende. Na gut, seine Beziehungen dauerten immer einige Monate, aber sich mit einer Frau einzulassen, die Hunderte von Meilen weit weg wohnte, war etwas anderes. Lara würde ihn auffordern, seine Zahnbürste und einige Kleidungsstücke bei ihr zu lassen. Und irgendwann würde sie erwarten, dass er schon freitags statt samstags kam und erst montags statt sonntags abreiste. Früher oder später würde sie vielleicht daran denken, nach Boston zu ziehen …

Er rang sich ein Lächeln ab und sagte, der Blizzard sei vorbei, er habe Schneepflüge gehört und die Straßen seien wahrscheinlich schon geräumt. Es sei wundervoll mit ihr gewesen, und vielleicht könnten sie ja irgendwann einmal wieder zusammenkommen.

„Ja, das wäre schön“, erwiderte Lara nach kurzem Zögern.

Slade fragte sich, ob er ihre Gefühle verletzt hatte, aber sie küsste ihn, berührte ihn und machte ihn so verrückt nach ihr, dass er alles vergaß und sie noch einmal nahm. Hinterher drückte er sie fest an sich und dachte, dass er mehr davon wollte. Mehr von ihr. Es musste ja nicht jedes Wochenende sein.

„Ich weiß deine Adresse nicht“, sagte er leise. „Nicht einmal deine Telefonnummer.“

Lara schob ihm lächelnd das Haar aus der Stirn. „Ich schreibe dir nachher alles auf.“

Sonnenschein und der Motorenlärm von Autos und Flugzeugen weckten Slade. Er lag allein im Bett. Lara war fort. Kein Brief. Keine Nachricht für ihn an der Rezeption. Und er wusste nicht einmal ihren Nachnamen.

Sie hatte ihn im Stich gelassen, während er geschlafen hatte. Slade war wütend. Sie konnte nicht wissen, dass er mehr wollte als die eine Nacht, trotzdem hatte er das Gefühl, benutzt worden zu sein.

Es war nur Sex mit einer schönen Fremden gewesen. Er hatte erlebt, wovon jeder Mann träumte. Dass zwischen Lara und ihm etwas Besonderes geschah, hatte er sich eingebildet. Auf dem Flug nach Hause war er zu dem Schluss gekommen, dass es nicht nur eine großartige Erinnerung war, sondern auch eine prima Geschichte. Ich bin in Denver eingeschneit und mit einer unglaublich scharfen Puppe im Bett gelandet, würde er lässig sagen.

Nur hatte er die Geschichte niemals erzählt. Nicht seinen Teilhabern und nicht einmal seinen Brüdern.

Und jetzt saß er all die Monate später in einer Abflughalle und fragte sich, warum er noch immer von jener Nacht und der Fremden mit dem sinnlichen Mund und den tiefblauen Augen träumte. Er träumte davon, wie sie sich angefühlt hatte. Wie sie sich ihm entgegengebogen und die Beine um ihn gelegt hatte …

„Wir freuen uns, Ihnen mitzuteilen, dass die Passagiere aller Flüge jetzt an Bord gehen können.“

Slade kehrte auf den Boden der Tatsachen zurück, erkannte, dass es ein langer Weg zu seinem Flugsteig war, und rannte los.

2. KAPITEL

Lara saß in ihrem Büro mit Blick auf den Hafen von Baltimore und sagte sich, dass die nächsten Stunden ein Kinderspiel sein würden. Nachdem sie sich zwei Wochen vorbereitet hatte, war sie gerüstet. Sie war das Angebot für die neue Zentrale öfter durchgegangen, als sie zählen konnte. Und sie hatte die Mängel gefunden, die sie benötigte, um Slade Baron von Baltimore und ihrem Leben fernzuhalten.

Der Name war perfekt. Lara atmete hörbar aus, nahm ihren Kaffeebecher und führte ihn zum Mund. „Baron“ mit den ganzen mittelalterlichen Anrechten, an die der Titel erinnerte, passte großartig zu so einem Mann.

Ihr zitterte die Hand. Lara stellte fluchend den Becher hin, damit sie sich nicht Kaffee übers Kostüm schüttete. In diese Besprechung zu gehen und nicht tipptopp auszusehen hätte ihr gerade noch gefehlt!

Sie würde gut sein. Sehr gut. Lara berührte flüchtig die Mappe auf dem Schreibtisch, dann schob sie den Stuhl zurück und ging zum Fenster. Der Blick auf den Hafen war herrlich. Ein Eckbüro, dachte sie lächelnd. Sie hatte sechs lange Jahre gebraucht, sich in eins hochzuarbeiten. Jetzt hatte sie alles, was sie sich immer gewünscht hatte. Eine leitende Stellung. Ein schönes kleines Haus in einer guten Gegend. Und den eigentlichen Mittelpunkt ihres Lebens, ihre ganze Freude …

Autor

Sandra Marton
Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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