Auf der griechischen Insel der Hoffnung

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Wie kann er es wagen! Monatelang hat Isla versucht, den mächtigen Tycoon Theo Karalis zu erreichen, und wurde jedes Mal eiskalt abgewiesen. Dabei wollte sie ihm doch nur sagen, dass ihre Urlaubsaffäre süße Folgen hatte. Und nun steht Theo im verregneten London vor ihr, als sei nichts gewesen? Und besteht auch noch darauf, dass sie sofort ihre Sachen packt und ihn auf seine griechische Privatinsel begleitet? Es könnte die Erfüllung ihres größten Traums sein – aber wie soll sie Theo nach seiner kaltherzigen Abweisung jemals wieder vertrauen?


  • Erscheinungstag 11.07.2023
  • Bandnummer 2604
  • ISBN / Artikelnummer 0800232604
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

PROLOG

Isla saß kerzengerade auf dem harten Stuhl und vermied es, irgendjemanden anzusehen. Sie war darauf vorbereitet gewesen, dass es schwierig sein würde, und doch ließ dieser Ort sie innerlich in sich zusammensinken. Es lag nicht nur an den neugierigen Blicken oder der wenig einladenden Atmosphäre.

Sie lachte lautlos auf und verspürte einen Anflug von Hysterie, den sie rasch zu vertreiben versuchte.

Gefängnisse hatten nicht die Aufgabe, einladend zu wirken.

Es war ihr dritter Besuch hier, und deshalb hätte es ihr leichter fallen sollen. Doch die abweisende Atmosphäre dieser Einrichtung, die grauen Wände, die kalten Böden, die noch kälteren Blicke der Angestellten und der durchdringende Geruch von Desinfektionsmitteln gingen ihr unter die Haut. Außerdem weckten sie Erinnerungen an eine andere Zeit und einen anderen Ort. Zwar waren die Wände dort hellgrün gewesen, doch der beißende Geruch der Reinigungsmittel und die Verzweiflung, die in der Luft gelegen hatte, waren dieselben gewesen.

Genau wie die Trostlosigkeit.

Isla sah auf ihre Hände im Schoß, die sie so fest umklammerte, dass die Knöchel weiß hervortraten. Dann hob sie den Kopf und starrte den Wachmann neben der gegenüberliegenden Tür an, bis er fortsah. Es war nicht die Vergangenheit, die sie erschütterte, sondern die Tatsache, dass sie hier nicht erwünscht war.

Nach allem, was Theo und sie geteilt hatten, nach allem, was er gesagt und sie empfunden hatte, wollte er sie nun nicht mehr. Weder ihre Hilfe noch ihr Mitgefühl noch ihre Anwesenheit. Zweimal schon hatte er sich geweigert, sie zu sehen. An diesem Tag würde das dritte Mal sein.

Sie schluckte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt vor Schmerz.

Theo hatte gerade Wichtigeres im Kopf als ihre Beziehung. So musste er zum Beispiel seine Unschuld beweisen, um das Gefängnis verlassen zu können. Als Ausländerin, die nur ein paar Brocken Griechisch sprach, war Isla da keine große Hilfe.

Anders als seine Familie und Freunde.

Erst als seine Verhaftung in den Medien öffentlich geworden war, hatte sie etwas über ihn erfahren, was sie vorher nicht gewusst hatte: Dass er steinreich, gut vernetzt und mächtig war.

Es war ihr unmöglich, diesen Theo Karalis, der für internationale Schlagzeilen sorgte, mit dem leidenschaftlichen, gefühlvollen Liebhaber in Einklang zu bringen, der ihr vollkommen den Atem geraubt hatte.

An seiner kurzen Mitteilung, dass er ihre Besuche nicht wollte, war allerdings nichts Gefühlvolles gewesen.

„Ms. Jacobs?“

Sie sah auf. Vor ihr stand ein schlanker Mann in einem dunklen Anzug. „Ja?“

Er setzte sich auf den Stuhl neben ihr und sagte mit gedämpfter Stimme: „Mein Name ist Petro Skouras. Ich arbeite für Mr. Karalis.“

Islas Herz begann zu rasen, und sie lächelte erleichtert. „Ja?“

Ihr Blick glitt zu der schweren Metalltür, neben der der Wachmann stand. Würde sie Theo endlich sehen können?

„Er hat mich gebeten, Ihnen den hier zu geben.“

Petro Skouras gab ihr einen dünnen Umschlag. Sie riss ihn auf und las die lapidare Notiz in weniger als zwei Sekunden.

Was dort stand, war eindeutig, aber Mr. Skouras wollte anscheinend kein Risiko eingehen. „Mr. Karalis möchte weder, dass Sie ihn besuchen, noch dass Sie Kontakt mit ihm aufzunehmen versuchen.“

Er schwieg, als wartete er auf eine Reaktion von Isla, doch sie fand keine Worte. Noch einmal sah sie auf die kurze Notiz. Sie erkannte Theos kühn geschwungene Handschrift wieder, nicht aber den kalten Befehlston. Er gab ihr das Gefühl, dass sie Fremde wären und sie versucht hätte, ihn zu stalken. Und nicht, dass sie eine Beziehung hatten und es eine besondere Verbundenheit zwischen ihnen gab.

Sie hatte das Gefühl, gleich in Tränen auszubrechen. Doch dafür war sie viel zu geschockt. Alles, was sie in dem vergangenen Monat erlebt hatte, die Aufregung und das Glück, schien nur ein Traum gewesen zu sein.

„Und ich bitte Sie, das hier zu unterschreiben.“

Isla starrte auf den Computerausdruck, den Petro Skouras ihr hinhielt. Es dauerte einen Moment, bis sie nach Atem rang. Sie hatte schon von solchen Dingen gehört, sich aber nie in Kreisen bewegt, in denen sie tatsächlich eine Rolle spielten. Sie las den Text noch einmal, aber da stand immer noch dasselbe. Es war eine Verschwiegenheitserklärung. Wenn sie die unterschrieb, durfte sie niemandem erzählen, dass sie Theo Karalis kannte, noch über ihn und ihrer beider Beziehung sprechen.

Theo glaubte also, dass er ein Rechtsdokument brauchte, um sie davon abzuhalten, mit dem hausieren zu gehen, was sie miteinander geteilt hatten? Das war unmöglich. Unvorstellbar.

Aber der Mann, den sie gekannt hatte, hatte ihr vieles verschwiegen. Offensichtlich hatte sie sich in vielerlei Hinsicht geirrt. Sie hatte geglaubt, sie wären Seelenverwandte. Doch anscheinend kannte er sie überhaupt nicht, wenn er glaubte, sie würde ihre Geschichte an die Presse verkaufen wollen.

Isla nahm Petro Skouras’ Füller mit erstaunlich ruhiger Hand und unterschrieb das Dokument.

Seine Erleichterung war offensichtlich. „Soll ich Sie zu Ihrem Hotel bringen?“

„Nein.“ Sie sprang von ihrem Stuhl auf. „Ich komme allein zurecht.“

Das war sie immer. Bis Theo wie ein heller Sonnenstrahl in ihr Leben getreten war.

Theo wollte sie offensichtlich nicht. In seinem Leben gab es keinen Platz für sie. Für ihn war sie nur ein kurzes Zwischenspiel gewesen.

1. KAPITEL

Isla zog den Schal enger um den Hals und schob die Hände tief in die Manteltaschen. Die Kälte des Winters drang durch ihre Kleidung, während sie die Straße entlangging. Sie konnte kaum glauben, dass es erst vier Monate her war, dass sie …

Ein scharfer Schmerz erfasste sie, eine Mahnung daran, dass sie an diese Zeit nicht mehr denken durfte. Sie atmete tief ein und tat das, was sie immer machte, wenn ihre Stimmung sank: Sie konzentrierte sich auf das Positive und dachte an fünf Dinge, die gut waren. Es war eine Methode, die sie bereits als Kind gelernt hatte und die jedes Mal half.

Auch wenn es an manchen Tagen schwer war.

Manchmal hatte sie das Gefühl, sie würde sich etwas vormachen, aber sie hielt durch. Irgendwann würde sich das Leben wieder besser anfühlen.

Also gut, fünf Dinge.

Nummer eins. Nach zwei Wochen englischen Nieselregens schien endlich wieder die Sonne. Das blasse Blau zwischen den Wolken lud zu Optimismus ein.

Nummer zwei. Rebecca hatte versprochen, Brownies für die morgendliche Teepause zu besorgen, denn sie wusste, dass Isla sie liebte.

Nummer drei. Ihre Chefin und Freundin Rebecca war Grund genug für sie, Dankbarkeit zu empfinden. Die Wolle könnte eingetroffen sein. Neue Ware auszupacken machte immer Spaß. Isla konnte sich vollkommen in den Farben und der Beschaffenheit der Knäuel verlieren, wenn sie die Regale damit auffüllte.

Nummer fünf …

Als sie an einem Mann vorbeiging, der eine Schaufensterauslage betrachtete, stieg ihr beißender Zigarettenrauch in die Nase. Sofort begann ihr empfindlicher Magen zu rebellieren, und sie geriet kurz ins Schwanken. Der Fremde warf ihr einen flüchtigen Blick zu, drückte sein Telefon ans Ohr und ging auf die andere Straßenseite.

Isla atmete tief ein. Diesmal nahm sie den Geruch von nassem Pflaster und den Geschmack des Pfefferminzbonbons, den sie sich eilig in den Mund geschoben hatte, wahr. Zum Glück beruhigte sich ihr Magen wieder.

Sie blickte dem Mann hinterher. Kannte sie ihn? Sein Gesicht, das sie nur flüchtig gesehen hatte, sagte ihr nichts, aber etwas an seinen kurzen grauen Haar und der rundlichen Gestalt kam ihr bekannt vor.

Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken.

Sie eilte weiter. Wenn sie den Laden pünktlich öffnen wollte, durfte sie keine Zeit verlieren. Doch als sie sich der Hauptstraße näherte, verspürte sie noch immer Unbehagen, ein Gefühl, das sie die ganze Woche schon hatte. Als ob jemand sie beobachtete.

Als sie ihr Ziel erreichte, verdrängte sie diesen Gedanken. Sie hatte Glück, dass sie diesen Job hatte, und war entschlossen, ihn zu behalten.

Isla hatte ihr Studium geliebt und es nicht abbrechen wollen, aber es war nicht anders gegangen. Erst einmal war ein festes Einkommen wichtiger als ihre Leidenschaft für die Antike und ihren Traum, eines Tages als Archäologin zu arbeiten.

Die Zeit flog nur so dahin, während sie Kunden bediente, Lieferungen überprüfte und sich um die Onlinebestellungen kümmerte. Nachdem die Freitagvormittag-Strickgruppe im Hinterzimmer geendet hatte, räumte Isla dort für Rebeccas Patchworkgruppe am Nachmittag auf.

Weder sie noch Rebecca hatten Zeit für Tee mit Brownies gehabt, und so knurrte ihr Magen jetzt vernehmlich, als sie unter den großen Tisch in der Mitte des Zimmers kroch, um ein entwischtes Wollknäuel aufzulesen.

„Isla?“

„Hier hinten! Ich bin gleich fertig.“

Sie nahm das graue Knäuel und richtete sich wieder auf.

„Hier ist Besuch für dich.“

Isla hielt inne. Keine ihre Freundinnen würde mitten am Tag hierherkommen. Außerdem irritierte sie etwas an Rebeccas Tonfall. Ablehnung war es nicht. Isla krauste die Stirn. Ihre Chefin war ein freundlicher Mensch, nicht bloß zuvorkommend zu ihren Kunden, sondern aufrichtig warmherzig. Sie würde nichts dagegen haben, wenn jemand ihre Angestellte im Laden besuchte.

Isla drehte sich zur Tür um, die ins Geschäft führte.

Im Rahmen stand Rebecca, ihr grauer Zopf fiel ihr über die Schulter. Doch anstatt wie üblich zu lächeln, war ihre Miene undurchdringlich.

Isla ging auf sie zu. „Was ist? Stimmt etwas nicht?“

Dann nahm sie eine Bewegung hinter ihrer Chefin wahr. Eine hochgewachsene Gestalt tauchte in ihrem Blickfeld auf, doch im Gegenlicht war sie kaum mehr als ein Schatten, bis sie hinter Rebecca trat.

Isla blinzelte, als der Schatten sich in jemanden verwandelte, den sie kannte.

Den du zu kennen geglaubt hast.

Ihre Augen weiteten sich, und sie umklammerte das Wollknäuel, als wäre es ein Rettungsring. Sie wollte etwas sagen, doch kein Wort kam über ihre Lippen. Hitze durchflutete sie, und der Tisch schien sich plötzlich zu bewegen. Dann wurde es dunkel um sie her.

„Isla, wach auf.“

Rebeccas beruhigende Stimme drang wie durch einen Nebel zu Isla hindurch. Mit einem kühlen feuchten Lappen betupfte ihre Chefin ihr Wangen und Stirn.

„Rebecca. Es tut mir leid, ich …“

Isla verstummte und versuchte, sich zu erinnern, was eigentlich passiert war. Dann schlug sie die Augen auf und sah Rebecca an, deren Lächeln von ihrem besorgten Gesichtsausdruck Lügen gestraft wurde.

„Da bist du ja wieder. Wir haben uns Sorgen um dich gemacht.“

Wir?

In diesem Moment kehrte plötzlich die Erinnerung zurück, und als würde eine ganze Armee von Ameisen über sie herfallen, begann Islas Haut zu kribbeln. Mit großen Augen sah sie sich im Zimmer um. Sie und Rebecca waren allein, die Tür war geschlossen.

„Er ist im Laden und ziemlich ungeduldig.“ Rebecca beobachtete Isla, die auf dem alten Sofa an der Wand lag und deren Anspannung sich allmählich löste. „Er wollte draußen zwar nicht warten, scheint aber ein Mann zu sein, der bekommt, was er will. Ich musste ihm mit der Polizei drohen, damit du hier drinnen deine Ruhe hast.“

„Mit der Polizei?“ Isla sah sie ungläubig an.

„Nötig war es nicht. Aber nach deiner Reaktion auf ihn wollte ich sichergehen, dass du ihn auch wirklich sehen möchtest.“ Rebecca hielt Isla ein Glas Wasser an die Lippen. „Hier, trink einen Schluck, dann geht es dir bestimmt schon besser. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass du dir Zeit für eine Tasse Tee nimmst.“

Gehorsam tat Isla, was Rebecca sagte. „Es ist nicht deine Aufgabe, auf mich achtzugeben. Ich bin erwachsen und mündig.“ Dabei fühlte sie sich im Moment eher, als wäre sie mit Watte ausgestopft.

Sie setzte sich auf und schwang die Beine über die Sofakante. Einen Augenblick lang war ihr schwindelig, doch es hielt nicht lange an. Erleichtert stieß sie den Atem aus. „Es geht mir schon viel besser.“

„Bin ich froh, das zu hören“, hörte sie in diesem Moment eine tiefe Stimme sagen.

Sofort erstarrte Isla. Ihre Knöchel färbten sich weiß, als sie die Finger in den Samtbezug des Sofas grub.

Diese Stimme erschütterte sie zutiefst. Sie beschwor Erinnerungen an unbeschwertes Lachen und magische Mondscheinnächte in ihr herauf. An tief empfundenes Glück.

Rebecca sprang auf, ihr Gesichtsausdruck war entschlossen. „Ich muss Sie bitten, sofort zu gehen, wenn Sie Islas Recht auf Privatsphäre nicht respektieren können.“

Obwohl sie kaum größer als einen Meter fünfzig war, hatte Rebecca keinerlei Probleme damit, es mit einem kräftigen Mann aufzunehmen, der sie um zwei Köpfe überragte.

Isla ging das Herz auf. Was für ein Glück, dass sie eine solche Freundin hatte! Dass sich jemand für sie einsetzte, war selten. Bereits als Kind verwaist, war sie nie adoptiert worden und ihr Leben lang allein gewesen.

„Es ist schon in Ordnung.“ Vorsichtig stand sie auf. „Ich rede mit ihm.“

Rebecca sah von ihr zu dem Mann, der mit seinen breiten Schultern den gesamten Türrahmen auszufüllen schien. „Ich setze inzwischen Teewasser auf.“

„Nicht nötig, Ms. Burridge. Ich kümmere mich darum.“ In diesem Moment erklang die Türglocke, als die Tür des Ladens geöffnet wurde. „Sie haben Kundschaft.“

Rebecca musterte ihn mit kühlem Blick, bevor sie sich Isla zuwandte. „Wenn du mich brauchst … ich bin ganz in der Nähe.“

Isla nickte und ging in die kleine Kochnische am anderen Ende des Zimmers.

„Setz dich, Isla, du brauchst Ruhe.“

Als ob ihr Wohlergehen ihn interessieren würde! Und doch war da wieder dieser prickelnde Schauer, der ihr heiß über den Rücken lief. Isla ignorierte das Gefühl und schaltete den Wasserkocher an.

„Was ich jetzt brauche, ist eine Tasse Tee.“

Als sie sich umdrehte, um zwei Becher aus einem Schrank zu holen, blickte sie plötzlich auf ein markantes Kinn und einen Mund, der im Schlaf so sinnlich war. Und wenn dieser Mund lächelte, verschlug es ihr den Atem.

Isla versuchte, sich zu beruhigen, indem sie tief einatmete. Dabei stieg ihr ein subtiler Duft in die Nase, der sie an Strand, Pinien und die warme Haut dieses Mannes erinnerte.

Sie ließ den Blick einen Moment auf dem makellos weißen Hemd und der karmesinroten Seidenkrawatte ruhen und ihn dann über den maßgeschneiderten Kaschmirmantel gleiten, der breite Schultern umhüllte. Er war so ganz anders gekleidet als früher, wo er Jeans und kurzärmelige Hemden getragen hatte.

Dieser Mann strahlte Reichtum aus und ein Selbstvertrauen, das damit einherging.

Wieso nur hatte sie das damals nicht gesehen?

Weil du eine rosarote Brille aufgehabt hast.

Weil du keinen Grund gehabt hast zu glauben, er würde dich belügen.

Abrupt trat sie einen Schritt zurück, das Herz hämmerte ihr in der Brust.

„Na schön.“ Ihre Stimme klang wie aus weiter Ferne, doch wenigstens zitterte sie nicht. „Ich nehme Milch in meinen Tee. Rebecca trinkt ihren mit Milch und einem Löffel Zucker.“

Er rührte sich jedoch nicht und stand einfach da und wartete.

Isla wusste, dass sie es nicht länger vermeiden konnte, ihm in die Augen zu sehen. Ihr stockte der Atem. Er sah noch genauso umwerfend aus wie damals. Die Symmetrie seiner kräftigen Gesichtszüge, die auffälligen goldbraunen Augen unter dunklen Brauen, die Andeutung eines Grübchens auf der einen Wange, das, wie sie sich erinnerte, sich vertiefte, wenn er lächelte. Die glatte dunkle Haut. Das dunkle Haar, das ihm damals in die Stirn gefallen, mittlerweile jedoch kurz geschnitten war.

All das war ihr vertraut und weckte Erinnerungen in ihr, an Nähe und Träume. Dumme Träume.

Isla ballte die Hände zu Fäusten, um sich davon abzuhalten, diesen kraftvollen, charismatischen Zügen mit dem Finger zu folgen.

„Hallo, Isla.“

Seine Stimme klang rau. Früher hatte sie geglaubt, es würde Zuneigung ausdrücken. Jetzt wusste sie es besser.

Sie kniff die Augen zusammen, und erst da bemerkte sie etwas, das vorher noch nicht da gewesen war: Eine frische, gezackte Narbe an seinem linken Auge. Sie hatte ihn das letzte Mal vor vier Monaten gesehen. Die Erinnerung an den letzten Morgen vor seiner Abfahrt nach Athen zerriss sie beinahe.

Darauf war die Zurückweisung gefolgt, die umso grausamer gewesen war, als sie Isla völlig unerwartet getroffen hatte.

Unsicher ging sie zum Sofa zurück und streckte die Hand aus, um Halt zu finden. Doch eine große Hand legte sich um ihre, während ihr eine zweite auf den Rücken gelegt wurde.

„Fass … mich … nicht … an!“

Hastig wich sie aus und hob einen Arm, um ihn abzuwehren. Dann sah sie seinen schockierten Gesichtsausdruck. Gut so. Sie hasste den Gedanken, die Einzige zu sein, die litt.

Sie ließ sich auf das Sofa sinken. „Das Wasser kocht.“

Er sah aus, als wollte er etwas sagen, doch dann drehte er sich um und kümmerte sich um die Zubereitung des Tees.

Ihn bei einer so alltäglichen Beschäftigung zu beobachten, hatte etwas Bittersüßes an sich und versetzte sie unvermittelt zurück nach Griechenland. Nur dass der Mann, den sie dort gekannt hatte, nicht der war, der jetzt in der Kochnische hantierte. Er war ein Trugbild gewesen, heraufbeschworen, um eine naive Ausländerin in eine kurze Affäre zu verwickeln.

Das Einzige, was echt gewesen war, war die unglaubliche sexuelle Anziehungskraft zwischen ihnen, die Isla zu völlig unrealistischen Fantasien verführt hatte. Die Zuneigung jedoch, die Verbundenheit und das gegenseitige Verständnis waren reine Einbildung gewesen.

Sie straffte sich und versuchte, ihn nüchtern zu betrachten. Nicht nur seine Kleidung war jetzt eine andere. Auch seine Haltung war anders.

Ihm war unwohl zumute? Das hatte er verdient.

Als er sich zu ihr umdrehte und ihren Blick mit seinem festhielt, verspürte sie einen Stich im Herzen. Seine Augen glühten wie geschmolzenes Gold. Sofort fühlte sie sich zurückversetzt in eine verzauberte Liebesnacht.

Es musste das Licht sein, das ihr einen Streich spielte. Sie blinzelte, und siehe da, die Täuschung verflog. Seine Augen waren braun, und sein Blick war undurchdringlich.

„Wir haben auch Brownies.“ Sie deutete mit dem Kopf auf die Keksdose.

Er rührte sich jedoch nicht, sondern musterte sie auf eine Weise, die ihr das Gefühl vermittelte, vollkommen entblößt zu sein.

Früher hatte sie es genossen, wenn er ihr das Gefühl gegeben hatte, sie wäre einzigartig. Jetzt jedoch wusste sie, dass es nur eine geschickte Verführungsmethode gewesen war.

Sie bedeutete ihm nichts. Das hatte er ihr nicht nur gesagt, er hatte auch gedroht, gerichtlich gegen sie vorzugehen, sollte sie versuchen, Kontakt zu ihm aufzunehmen.

Der Mut drohte sie zu verlassen. Ihr Leben lang hatte Isla sich wie eine Außenseiterin gefühlt. Theos Zurückweisung hatte sie am Boden zerstört, weil sie bei ihm zum ersten Mal ihre Schutzschilde fallen gelassen hatte. Sie hatte an ihn geglaubt, an sie beide.

Was wollte er hier?

Was es auch war, dieser Mann bedeutete Ärger. Gespielt ungeduldig stieß sie die Luft aus und stand auf, als wollte sie sich ihren Tee holen, doch Theo hielt sie davon ab.

„Setz dich.“ Er hatte die Stimme nicht erhoben, doch es war eindeutig ein Befehl.

Er fand Teller und Becher, goss den Tee ein und verteilte die Brownies. Dann stellte er für Isla die Sachen auf einen kleinen Beistelltisch neben dem Sofa und warf ihr einen warnenden Blick zu, bevor er Rebecca Tee und Gebäck brachte.

Sobald er das Zimmer verlassen hatte, lehnte Isla sich zurück, schloss die Augen. In seiner Nähe empfand sie viel zu viel. Zu gern hätte sie geglaubt, dass es lediglich Überraschung und Verärgerung seien, doch es war viel mehr als das. Das verräterische Pochen zwischen ihren Oberschenkeln sprach Bände.

Als sie die Augen wieder öffnete, stand er im Türrahmen, doch sie gab vor, ihn nicht zu bemerken. Stattdessen nippte sie an ihrem Tee, wobei sie den Becher mit beiden Händen umklammerte.

Die Tür fiel ins Schloss. Langsam näherte er sich ihr. Das Atmen fiel Isla immer schwerer. Sie trank noch einen Schluck und wünschte, sie hätte schon in den Brownie gebissen. Ihr knurrte der Magen. Sie war aber so aufgewühlt, dass sie in seiner Anwesenheit nicht zu essen wagte.

„Wenn du damit fertig bist, bringe ich dich zu einem Arzt.“

„Wie bitte?“

Sie hob den Kopf. Er stand breitbeinig vor ihr, die Hände in die Hosentaschen geschoben.

„Zu einem Arzt. Du bist blass und hast abgenommen. Du bist richtig mager geworden.“

Isla drückte sich den Teebecher an die Brust. Ihr Herz schlug so heftig, dass es ungesund sein musste. Sie war nicht bereit für das, was sich hier abspielte. Sie hatte nicht erwartet, ihn jemals wiederzusehen. Noch viel weniger war sie darauf vorbereitet, dass er sich dazu herabließ, mit ihr zu reden.

„Vielen Dank für deine Einschätzung, aber ich brauche keinen Arzt. Ich bin vollkommen gesund.“

Er zog die Augenbrauen hoch. „Einfach so in Ohnmacht zu fallen ist nicht unbedingt ein Beleg dafür, dass du gesund bist.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich nehme an, niemand reagiert besonders gut, wenn er unerwartet mit dem schlimmsten Fehler seines Lebens konfrontiert wird.“

Seine Haltung versteifte sich. Doch anstatt sich zurückzuziehen, kam er noch näher.

„Das erklärt aber immer noch nicht den Gewichtsverlust oder die Ohnmacht.“

Isla presste die Lippen zusammen. Sie könnte es ihm sagen. Sollte es sogar. Aber ihr einziger Versuch, nach ihrer Rückkehr nach England Kontakt zu ihm aufzunehmen, hatte zu der Androhung einer Klage geführt. Das saß natürlich. Und doch war er jetzt hier erschienen, als hätte er ein Recht darauf.

Isla hatte das Gefühl, ihre Welt wäre auf den Kopf gestellt worden. „Warum bist du hier? Woher kommt diese plötzliche Fürsorge?“

Sie konnte nicht echt sein.

Etwas flackerte in seinem Blick auf, und eine Sekunde lang verspürte sie einen Anflug von Hoffnung.

„Simon macht sich Sorgen um dich. Es hat ihn überrascht, dass du sein Angebot, nächste Saison wieder für ihn zu arbeiten, abgelehnt und dein Studium abgebrochen hast.“

Jetzt endlich verstand Isla.

Simon war der griechische Archäologe, der die Ausgrabung geleitet hatte, bei der sie vor ein paar Monaten mitgearbeitet hatte. Das Team einschließlich ihrer Kommilitonen von der Universität in England hatten die Überreste eines antiken Tempelkomplexes auf einer kleinen Ägäisinsel freigelegt.

Früher wäre sie überglücklich über die Gelegenheit gewesen, wieder dort arbeiten zu können. Auch die Vorstellung, dass Simon sie weiterhin dabeihaben wollte, hätte sie entzückt. Sie hatte die Arbeit geliebt, denn archäologische Ausgrabungen waren genau das, wovon sie immer geträumt hatte.

Aber damit war es vorbei. Zumindest für eine unabsehbar lange Zeit.

„Er hat es überhaupt nicht glauben können. Er hat gesagt, du wärst eine der vielversprechendsten Studentinnen, mit denen er je gearbeitet hat.“ Es gab eine Zeit, da hätte dieses Kompliment sie glücklich gemacht. Jetzt aber führte es ihr nur umso deutlicher vor Augen, was sie alles verloren hatte. „Eine Kollegin an deiner Universität hat ihm nur gesagt, dass du plötzlich und ohne jede Erklärung aufgehört hättest. Man macht sich Sorgen, ob du vielleicht ernsthaft krank bist.“ Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Jetzt verstehe ich, warum.“

Als Isla schwieg, fuhr er fort: „Simon wusste, dass ich beruflich nach England musste und hat mich gebeten …“

„Nach mir zu sehen?“ Ihr kurzes Auflachen klang eisig.

Natürlich war es nicht Theo gewesen, der sich Sorgen um sie gemacht hatte. Er tat nur einem Freund einen Gefallen.

Autor

Annie West
<p>Annie verbrachte ihre prägenden Jahre an der Küste von Australien und wuchs in einer nach Büchern verrückten Familie auf. Eine ihrer frühesten Kindheitserinnerungen besteht darin, nach einem Mittagsabenteuer im bewaldeten Hinterhof schläfrig ins Bett gekuschelt ihrem Vater zu lauschen, wie er The Wind in the Willows vorlas. So bald sie...
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