Auf der Ranch der Leidenschaft

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NUR EIN HEIßER SOMMERFLIRT ...
"Sie wird nicht bei dir bleiben. Vergiss sie!" Leichter gesagt als getan: Eigentlich sucht Öl-Magnat Ryan Delaney eine Köchin für seine Ranch. Dass sich eine Blondine mit atemberaubendem Sexappeal vorstellen würde, hat er nicht geahnt. Schnell ist ihm klar: Jessica wäre die ideale Frau an seiner Seite - von ihren süßen Küssen bekommt er nicht genug! Leider hat sie von Anfang an keinen Hehl daraus gemacht, dass sie nur in Texas bleibt, bis die Wunden der Vergangenheit geheilt sind. Dann wird Jessica in ihre Heimat zurückkehren. Und ihn unglücklich zurücklassen ...

VERGISS IHN UND KÜSS MICH
"Ich will den Jungen." Bei Jordans harten Worten überläuft Angie ein Schauer. Drei Jahre hat sie ihren kleinen Sohn Lucas vor der Familie ihres tödlich verunglückten Verlobten Justin versteckt. Doch jetzt verlangt Jordan, dass sie und Lucas auf seine Ranch ziehen! In seinen Blicken liest Angie Wut, dass sie ihn so lange um den Sohn seines Zwillingsbruders betrogen hat. Aber da schimmert noch etwas anders: Bewunderung, Hoffnung - Leidenschaft? So wie damals in der Nacht, als Jordan sie hinter Justins Rücken verboten heiß und sinnlich geküsst hat?

IN EINER STÜRMISCHEN GEWITTERNACHT
"Warum kommen Sie nicht mit nach Wild River?" Macy sieht Carter verblüfft an. Eben hat der unerhört attraktive Cowboy sie vor einer Horde Paparazzi gerettet, und nun lädt er sie sogar nach Texas ein. Spontan sagt sie Ja. Denn die schöne Tochter eines Hollywoodstars sehnt sich nach Ruhe - und danach, in Carters starken Armen zu liegen. Tag für Tag packt sie auf seiner Ranch mit an, und in einer stürmischen Gewitternacht siegt endlich das Verlangen. Macy schmilzt unter Carters heißen Küssen dahin. Doch mehr als Lust will ihr Traummann keiner Frau je wieder schenken …

VERFÜHR MICH UNDERCOVER!
Eine Story über den Immobilien-Mogul Jared Ryder würde Melissas Karriere als Journalistin retten! Von einer riesigen Ranch aus regiert Jared sein Firmenimperium - und hütet sein Privatleben wie einen Schatz. Nur wenn Melissa undercover bei ihm als "Stallbursche" anheuert, kann sie herausfinden, was er zu verbergen hat. Doch als sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzt, gerät ihr Plan ins Wanken: Hals über Kopf verliebt sie sich in Jared und genießt seine erregenden Küsse. Er beichtet ihr sein Geheimnis, und Melissa muss sich entscheiden: für die Story oder die Liebe ihres Lebens …

DIE RÜCKKEHR DES SHOWGIRLS
Was will dieses Showgirl aus Las Vegas auf seiner Ranch? Logan würde Sophia Montrose am liebsten in die Prärie schicken. Aber das ist unmöglich: Sein Vater hat der schwarzhaarigen Schönheit die Hälfte der Ranch vermacht. Und außerdem ist Logan auch nur ein Mann …


  • Erscheinungstag 10.03.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733767839
  • Seitenanzahl 704
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Sara Orwig, Elizabeth Lane, Charlene Sands, Barbara Dunlop

Auf der Ranch der Leidenschaft

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2014 by Sara Orwig
Originaltitel: „Her Texan to Tame“
erschienen bei: Harlequin Books, Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1883 - 2015 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Christian Trautmann

Abbildungen: mauritius images / OrÈdia, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733721299

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY, CORA CLASSICS

 

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1. KAPITEL

„Jeb, ich komme später raus und sehe mir den Traktor an, den du reparieren willst. Vorher muss ich aber noch Bewerbungsgespräche führen. Die Stelle der Köchin soll neu besetzt werden. Die erste Bewerberin müsste jede Minute hier sein.“

Unter der breiten Krempe seines schwarzen Stetson blickte Ryan Delaney in die Ferne. Er schob die Hände in die Taschen und lauschte dem Geräusch eines näher kommenden Wagens, während er auf der Veranda seines Ranchhauses in West Texas stand.

„Es ist ziemlich früh für eine Frau aus der Stadt, um hier rauszukommen“, bemerkte Jeb.

„Diese wollte ein frühes Vorstellungsgespräch. Sie kommt mit dem Auto aus Dallas, also wird sie seit mindestens drei Stunden unterwegs sein.“

„Sie steht früh auf – ein gutes Zeichen. Was ist mit ihrem Mann? An welchem Job ist er interessiert?“

„Es gibt keinen Mann.“

Jeb kniff die Augen zusammen. „Ich dachte, du hättest eine Vereinbarung mit der Agentur, dass du für das Hauspersonal nur Paare einstellst.“

Jeb hatte recht, doch irgendwie hatte Martin Clayburne von der Arbeitsagentur ihn zu diesem Vorstellungsgespräch überredet und ihm versprochen, er werde es nicht bereuen. Ryan nahm an, dass es ein kurzes Gespräch werden würde. „Ich habe Martin gebeten, mir keine junge, alleinstehende Frau zu schicken. Daher werde ich diese Bewerberin auf keinen Fall einstellen.“

„Na ja, schau dir den Traktor an, sobald du kannst. Wenn du das Problem siehst, wirst du mir zustimmen, dass eine Reparatur besser ist, als einen neuen zu kaufen.“ Ryan hörte Motorengeräusche und entdeckte eine Staubwolke auf dem Weg, der zum Haus führte. Schnell wandte er sich wieder an seinen Vorarbeiter, der sich den Hut in den Nacken geschoben hatte. „Wann kommen eigentlich die beiden neuen Stuten?“

„Die hole ich morgen Nachmittag ab.“

„Leg einen Stopp am Haus ein, dann werfe ich einen Blick auf sie“, sagte Ryan, schaute zufrieden zum Korral hinüber und atmete tief ein. Er mochte die Arbeit auf der Ranch lieber als die in seiner Ölbohr- und Energiefirma. Obwohl er sich wünschte, ständig hier sein zu können, verbrachte er meistens nur eine Woche im Monat auf der Ranch. Dabei wollte er an allem teilhaben, was auf der RD-Ranch vor sich ging. Das Leben hier gefiel ihm.

„Es sind gute Pferde. Vertrau mir.“ Jeb schob den Hut noch weiter zurück und schaute an Ryan vorbei. „Mann, jetzt sieh dir das an.“ Er klang beinah ehrfürchtig.

Ryan sah einen Wagen über die Zufahrt rasen, der durch die letzte Kurve schlitterte und etwa hundert Meter von der Veranda entfernt zum Stehen kam. Es handelte sich um ein rotes Cabrio. Die blonde Frau darin stellte den Motor aus und griff nach ihrer Handtasche.

„Du meine Güte“, brummte Jeb. „Die kann bestimmt nicht mal Toast zubereiten. Nicht, dass es darauf ankäme“, fügte der Vorarbeiter hinzu.

„Auf die Wette lasse ich mich lieber nicht ein“, erwiderte Ryan, ohne den roten Wagen und die Fahrerin aus den Augen zu lassen. Die Tür schwang auf, und sie stieg aus. Sie trug ein hellblaues Sommerkostüm, dessen Rock kurz genug war, um ihre langen wohlgeformten Beine sehr vorteilhaft zur Geltung zu bringen. Die obersten Knöpfe ihrer dazu passenden Bluse standen offen und offenbarten ein aufregendes Dekolleté.

„Wow! Ich wette mit dir, dass du sie einstellst, egal, ob sie nun kochen kann oder nicht.“

„Du wirst verlieren“, warnte Ryan ihn.

„Stell sie trotzdem ein. Ich bringe ihr Kochen bei.“

Ryan konnte nicht aufhören, die Frau anzusehen, musste aber über Jebs Angebot grinsen. „Ich werde das im Hinterkopf behalten. Auf jeden Fall ist sie eine echte Augenweide. Es würde mich doch sehr wundern, wenn sie jemals zuvor einen Job als Köchin hatte. Sie sieht eher aus wie ein Filmstar oder wie ein Model, nicht wie eine Köchin auf einer Ranch irgendwo in Texas.“

„Ich verschwinde.“

„Bleib noch, dann mache ich euch bekannt – nur für den Fall, dass sie abends mal eine der Kneipen in der Gegend besucht.“ Ryan musterte den Wagen, der neu und sehr teuer aussah. „Wieso bewirbt sie sich als Köchin, wenn sie einen solchen Wagen fährt?“

Ryan kannte genug Frauen, um zu wissen, dass auch die Kleidung der Blondine teuer gewesen war. Während die Bewerberin sich den Verandastufen näherte, ging er ihr entgegen. Sie stieg die Stufen hinauf, und Ryan starrte ihre Beine an.

Die Frau lächelte strahlend und offenbarte dabei makellos weiße Zähne sowie ein Grübchen in der Wange. Er ging schneller und schüttelte ihr die Hand. Kaum dass er sie berührt hatte, begann sein gesamter Körper zu kribbeln. Als er in ihre kristallblauen Augen schaute, fühlte er sich, als würde er in den geheimnisvollen Tiefen des Meeres versinken.

„Mr Delaney, mein Name ist Jessica Upton. Ich bin wegen des Vorstellungsgesprächs hier.“ Sie hatte eine weiche Stimme, der Ryan für den Rest des Tages hätte lauschen können.

„Freut mich, Sie kennenzulernen. Das hier ist mein Vorarbeiter Jeb White.“ Ryan war hingerissen von ihrem Lächeln. So sehr, dass er gar nicht merkte, dass er ihre Hand noch immer festhielt. Widerstrebend ließ er sie los.

Jeb schüttelte ihr ebenfalls die Hand. „Freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Miss Upton.“ Dann wandte er sich an Ryan. „Ich mache mich jetzt auf den Weg. Wir sehen uns später in der Werkstatt.“

„Klar“, antwortete Ryan, ohne den Blick von Jessica abzuwenden. Ihr Lächeln musste einen Kurzschluss in seinem Gehirn ausgelöst haben, denn er hörte sich fragen: „Konnte Ihr Mann heute Morgen nicht mitkommen?“

Das brachte ihm ein noch strahlenderes Lächeln ein, von dem er weiche Knie bekam. Sie war mit Abstand die schönste Bewerberin, mit der er je ein Vorstellungsgespräch geführt hatte.

„Es gibt keinen Mann, weil ich geschieden bin.“

„Aber Sie tragen einen Ehering.“ Er hatte den breiten goldenen Ring sowie den Verlobungsring mit einem Diamanten, der sicher vier Karat hatte, sofort bemerkt. Ihre langen Nägel waren rot lackiert und sahen nach professioneller Maniküre aus.

„Ich bin nicht bereit für eine neue Beziehung. Ein Ehering erspart mir möglicherweise unerwünschte Einladungen.“

Ryan bezweifelte, dass der Ring alle Männer abschrecken würde.

„Ich habe von dieser Stelle durch einen Bekannten in Dallas gehört und die Arbeitsvermittlung überredet, mich herzuschicken. Seien Sie denen nicht böse. Manchmal kann ich sehr überzeugend sein.“

„Schon klar. Ich bin mir sicher, dass der Vermittler nicht Nein sagen konnte.“ Die Bemerkung war heraus, ehe Ryan es verhindern konnte. Wo blieb seine Professionalität? Die wurde weggefegt von einer verlockenden Frau, in deren Gegenwart er sich wie ein Sechzehnjähriger fühlte.

Er sollte klarstellen, dass er nur Paare einstellte, und sie wieder wegschicken. Nein, er würde ihr die Stelle nicht geben. Aber er wollte das Gespräch mit ihr führen. Verdammt, und er wollte mit ihr ausgehen.

„Kommen Sie mit in mein Büro.“

„Hier ist mein Lebenslauf“, erklärte sie und reichte ihm einen Umschlag. „Ich hatte schon einen per Post geschickt.“

Er klemmte sich den Umschlag unter den Arm und hielt ihr die Tür auf. Ihren Lebenslauf hatte er sich nicht angesehen, weil die Arbeitsvermittlung normalerweise die Vorauswahl traf.

Als sie das Haus betrat, nahm Ryan ihren süßen, betörenden Duft wahr. Auch ihr Hüftschwung entging ihm nicht. Ihr hellblondes Haar war leicht gewellt und fiel ihr bis auf die Schultern.

Er wusste, dass es klüger wäre, sie sofort wieder wegzuschicken. Sie sollte eigentlich gar nicht da sein, und er sollte sie nicht in sein Büro führen. Womöglich bedeutete sie nichts als Ärger, zumal sie aussah, als hätte sie keinen einzigen Tag ihres Lebens gearbeitet. Trotzdem folgte er ihr ins Haus, wo sie sich umdrehte und ihn erwartungsvoll ansah.

„Mein Büro befindet sich ein Stück den Flur entlang. Kommen Sie. Sind Sie heute Morgen von Dallas aus hergefahren?“

„Ich habe bei Freunden übernachtet, die Sie kennen – die Jimsons. Pru und ich sind seit Langem befreundet. Von ihnen weiß ich, dass Sie einen Koch suchen. Die Arbeitsvermittlung hat Sie sehr empfohlen.“

„Wo wohnen Sie, Miss Upton?“

„Nennen Sie mich bitte Jessica. Miss Upton hört sich an, als sei meine Mutter in der Nähe.“

„Gern, Jessica. Sie dürfen mich Ryan nennen.“

„Ich bin in Memphis, Tennessee, aufgewachsen, und dort lebt auch noch meine Familie.“

„Hier ist mein Büro.“

Er ließ sie in den Raum vorangehen, der mit dunklem Walnussholz getäfelt war. Auf dem Fußboden lag ein handgewebter Navajo-Teppich mit rot-schwarzem Muster auf weißem Untergrund. Jessica blieb bei einem der braunen Ledersessel vor seinem Schreibtisch stehen.

Ryan drehte den anderen Sessel ein wenig, damit er Jessica ansehen konnte. „Bitte nehmen Sie Platz.“

Er setzte sich ebenfalls und warf einen Blick auf diese fantastischen Beine, die sie übereinanderschlug. Wenn er nicht aufhörte, sie zu betrachten, würde er der Versuchung, sie doch einzustellen, nie widerstehen können.

„Wo haben Sie vorher gearbeitet?“, erkundigte er sich.

„Ich hatte keinen festen Job, habe aber viel ehrenamtlich bei Wohltätigkeitsorganisationen gearbeitet. Die habe ich alle in meinem Lebenslauf aufgelistet.“

Er klappte die Mappe auf seinem Schoß auf und las erstaunt, wie viel Zeit sie in ehrenamtliche Arbeit investiert hatte.

„Warum wollen Sie diesen Job, Miss Upton?“

„Weil er perfekt zu dieser Phase in meinem Leben passt. Ich habe eine schlimme Scheidung hinter mir. Es war eine sehr emotionale Angelegenheit, und im kommenden Jahr würde ich gern etwas Neues machen.“

Ryan dachte über ihre Antwort nach. Er sollte sie wegschicken. Wenn sie blieb, würde er sie verführen, und dann würde es kompliziert werden, wenn er Schluss machte. Früher oder später endeten alle seine Beziehungen. Er hatte noch nie eine ernsthafte Partnerschaft geführt, wollte es auch gar nicht – noch nicht.

„Sie sind eine attraktive Frau, die leicht einen besser bezahlten Job in einer großen Stadt finden kann. Wo es mehr Menschen gibt und man mehr unternehmen kann. Sie kommen doch aus der Stadt. Warum wollen Sie sich hier draußen auf meiner Ranch vergraben und einen schlecht bezahlten Job annehmen?“

Sie lächelte nachsichtig, als sei er ein bisschen schwer von Begriff. „Danke für das Kompliment. Ein ruhiger, stiller Ort, an dem ich mich vergraben kann, wie Sie es nennen, ist für mich momentan genau das Richtige. Ich stehe an einem Scheideweg in meinem Leben und muss ebenso über meine Zukunft nachdenken, wie ich mich von meiner Vergangenheit erholen muss. Durch diesen Job habe ich eine Beschäftigung und verdiene ein bisschen Geld. Außerdem habe ich Abstand zu meiner Familie und meinem Ex. Beide würden mich beim Nachdenken über meine Zukunft nur ablenken.“

Eine logische Antwort. Nur glaubte er Jessica nicht. Sie war zu hübsch, um sich vergraben zu müssen. Memphis war groß genug, um vor ihrer Familie und ihrem Ex zu fliehen. Und wenn nicht Memphis, dann gab es noch genügend andere große Städte. Sie sah aus wie ein typischer Städter, nicht wie eine Köchin auf seiner Ranch, wo tagelang keine Menschenseele sie sehen würde – ihn selbst eingeschlossen.

„Ich habe ein Unternehmen in Houston und bin nur ungefähr eine Woche im Monat auf der Ranch. Ich bezahle meine Angestellten, ob ich nun da bin oder nicht. Aber Sie wären viel auf sich allein gestellt. Was würden Sie anfangen?“

„Ich würde schon etwas finden, um mich zu beschäftigen“, sagte sie. „Das ist nie ein Problem gewesen, und jetzt, wo ich älter bin, schon gar nicht.“

Ryan schaute erneut in ihren Lebenslauf und las, wann sie die Highschool beendet hatte. Demnach war sie sechsundzwanzig. Ihrem Aussehen nach hätte er sie auf zweiundzwanzig geschätzt.

„Ein Jahr kann eine lange Zeit sein. Vielleicht wollen Sie schon bald wieder mit jemandem ausgehen. Hier draußen lernt man aber nur eine sehr begrenzte Anzahl an Männern kennen.“

„Damit kann ich leben“, erwiderte sie, und ihre Augen funkelten.

„Ehrlich gesagt, Miss Up… ich meine Jessica, ich glaube nicht …“

„Geben Sie mir eine Chance, und ich verspreche, Sie werden es nicht bereuen.“

Ihre weiche Stimme betörte ihn. Vermutlich konnten dieser Frau nur wenige Männer etwas abschlagen.

Erneut warf er einen Blick in ihre Unterlagen. „Sie haben ein erstklassiges Abschlusszeugnis und eine Ausbildung in Buchhaltung. Buchhaltung und Kochen?“

„Mein Dad hat alle seine Kinder dazu gedrängt, eine solche Ausbildung zu machen. Buchhaltung könnte man immer brauchen, meinte er. Ich weiß nicht, mir fiel es jedenfalls nicht schwer.“

„Ich bin beeindruckt“, sagte er. „Haben Sie vorher schon für jemanden gekocht? Ich sehe, Sie haben einige Kurse besucht und eine angesehene Kochschule in Paris.“

„Ja. Ich liebe es, zu kochen. Lassen Sie mich etwas für Sie zubereiten, dann werden Sie mich auf jeden Fall einstellen“, forderte sie ihn lächelnd auf. „Was ist Ihr Lieblingsgericht?“

Er war versucht, „Blondinen mit blauen Augen“ zu antworten, verkniff es sich jedoch.

„Mein Lieblingsdessert ist Brombeer-Cobbler. Mein Lieblingsessen ist Roastbeef mit Kartoffelpüree und brauner Soße – ziemlich simpel. Keine ausgefallenen französischen Gerichte.“

„Ah, Sie sind leicht zufriedenzustellen.“

Schon wieder musste er sich zusammenreißen, um nicht das Erstbeste zu erwidern, das ihm in den Sinn kam. Seine innere Stimme der Vernunft schrie jetzt, er solle sie endlich wegschicken. „Ich stelle eigentlich nur Paare ein.“

„Zwei Köche brauchen Sie nicht“, konterte sie.

„Normalerweise ist die Frau die Köchin, und der Mann macht eine andere Arbeit – als Chauffeur, Gärtner, Hausmeister. Ich hatte mal einen Ehemann, der Koch war, und seine Frau putzte. Es könnte ein bisschen komisch sein, eine junge alleinstehende Frau als Köchin zu haben. Manchmal sind wir die Einzigen im Haus. Ich habe etliche Angestellte, die alle auf der Ranch wohnen. Dazu kommen noch die Cowboys, die für mich arbeiten, aber die erledigen ihre Aufgaben selbstständig.“

„Kein Problem. Sie haben gute Empfehlungen, und es heißt, Sie seien absolut professionell.“

Am liebsten hätte er ihr gestanden, dass er an seiner Professionalität zweifelte, seit er sie getroffen hatte. Stattdessen schaute er auf ihren Lebenslauf, als denke er intensiv darüber nach. „Übernachten Sie in Dallas?“

„Das habe ich gestern. Wenn Sie mich nicht einstellen wollen, fahre ich einfach weiter in westlicher Richtung. Meine Sachen habe ich dabei. Irgendwo werde ich sicher Arbeit finden.“

„Sie sollten sich an eine von diesen Modelagenturen wenden. Da bekämen Sie deutlich mehr Geld und hätten eine interessantere Arbeit.“

Sie lächelte, als habe er einen unmöglichen Vorschlag gemacht. „Danke. Ich bleibe lieber beim Kochen. Das liebe ich.“

Dann fügte sie in vertraulichem Ton hinzu: „Wenn es Ihnen Sorgen bereitet, dass ich Single bin, kann ich Ihnen versichern, dass das nicht ins Gewicht fallen wird. Momentan habe ich kein Interesse an einer Beziehung.“

„Das verstehe ich“, sagte er. „Aber Sie sind jung und attraktiv. In sechs Monaten sehen Sie das vielleicht schon wieder ganz anders. Für mich arbeiten einige alleinstehende Männer. Die werden mit Ihnen ausgehen wollen.“

„Dann werden sie schnell begreifen, dass ich nicht interessiert bin, und selbst das Interesse verlieren.“ Sie hob die Hand. „Außerdem trage ich einen Ehering.“

„Sie sind geschieden. Das wird sich rumsprechen. Es sind gute Männer.“

„Ermutigen Sie mich etwa, mit den Cowboys auszugehen, wenn ich hier anfange?“

„Keineswegs.“

„Die Sorge über meine eventuellen Dates ist unnötig. Ich kann momentan nicht mit einem Mann ausgehen. Sie wollen eine Köchin. Ich werde meine Arbeit erledigen und Ihnen aus dem Weg gehen. Und Sie werden meine Kochkünste zu schätzen wissen. Falls nicht, dann muss ich das akzeptieren. Aber bis jetzt gab es noch niemanden, dem meine Kochkünste nicht gefallen hätten. Ich liebe es wirklich, zu kochen“, fügte sie hinzu und seufzte leise, was ihn sofort an heiße Küsse und sinnliche Kurven denken ließ – nicht ans Essen.

„Wenn Sie mir eine Chance geben, werden Sie angenehm überrascht sein“, fuhr sie fort. Inzwischen hatte sie sich so weit zu ihm herübergelehnt, dass er im Ausschnitt ihrer Bluse den Ansatz ihrer Brüste erkennen konnte. Außerdem war ihr Mund verlockend nah. Unwillkürlich erwachte das Verlangen in ihm, seine Lippen auf ihre zu pressen.

„Ryan“, sagte sie herausfordernd. „Ich soll Sie doch Ryan nennen, oder?“

„Ja“, brachte er mühsam heraus.

„Lassen Sie mich heute für Sie kochen. Ich verschwinde nach dem Abendessen, sobald ich die Küche aufgeräumt habe. Und neunzig Prozent der Zeit sehen Sie nichts von mir. Wie wär’s?“

Er fühlte sich manipuliert von einer Frau, die er erst seit einer halben Stunde kannte und die einen Job von ihm wollte. Er sollte dieses Vorstellungsgespräch beenden. Stattdessen geriet er immer mehr in ihren Bann.

„Ich bin finanziell übrigens gut versorgt und habe nicht vor, einen Weg zu finden, an Ihr Geld zu kommen. Mein Vater besitzt ein Steuerberaterbüro, ein Transportunternehmen und eine Bank. Er hat drei Söhne und zwei Töchter. Seinen Kindern gegenüber ist er sehr großzügig, wenn Sie verstehen, was ich meine. Abgesehen davon, dass ich koche, werden Sie mich gar nicht bemerken.“

„Das, Jessica, ist absolut unmöglich“, erwiderte Ryan.

Sie lachte leise. „Ich hätte trotzdem gern die Chance, für Sie zu kochen.“

„Ich habe noch zwei weitere Vorstellungsgespräche heute Vormittag, und zwei Termine finden nach dem Mittagessen statt.“ Er konnte nicht glauben, dass er mit ihr diskutierte.

„Die Termine können Sie ruhig wahrnehmen. Vielleicht ist jemand dabei, der Ihnen besser gefällt. Aber bitte geben Sie mir die Chance. Was haben Sie denn zu verlieren?“ Sacht berührte sie seinen Arm mit den Fingerspitzen. Es war elektrisierend. Nervosität erfasste ihn. Hitze breitete sich in ihm aus. Er wischte sich die feuchte Stirn.

Dieses Gespräch hatte die professionelle Ebene längst verlassen. Und er den Verstand verloren. Schick sie weg, befahl seine innere Stimme.

Laut sagte er: „Abgemacht, Jessica.“

2. KAPITEL

„Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar für diese Chance.“ Jessica lächelte, obwohl sie gemischte Gefühle hatte. Mit ihrer Freundin hatte sie ausgiebig darüber diskutiert, ob sie sich für diesen Job bewerben sollte. Lieber wäre es ihr gewesen, für ein Ehepaar zu arbeiten. Am besten für ein älteres Ehepaar oder eines mit Kindern. Nicht für einen gut aussehenden Junggesellen.

Doch als sie zur Ranch abgebogen war, schien ihr dieser Ort perfekt, um sich zu erholen.

Ihre Scheidung war übel gewesen, sehr emotional für beide Parteien. Carlton hatte sich gegen die Trennung gesträubt. Er wollte Jessica zurückhaben – wahrscheinlich wegen seines verletzten Egos. Aus Liebe ganz sicher nicht. Ihre Eltern wollten auch, dass sie zu ihm zurückkehrte. Jessica jedoch wollte nur fort von allem und für eine Weile ihre Ruhe haben.

Sie hatte Ryan Delaney nicht erzählt, dass sie ihr Baby im zweiten Monat verloren hatte. Diese Fehlgeburt hatte alles noch schlimmer gemacht. Zuerst die Erkenntnis, dass Carlton sie vom Beginn ihrer Ehe an betrogen hatte, dann der Verlust des Babys. Ja, diese einsame Ranch in Texas schien der ideale Ort, um über all das hinwegzukommen.

Ryan Delaney war ein gut aussehender Mann – das allein brachte sie schon aus der Fassung, denn seit sie ausgezogen und die Scheidung eingereicht hatte, war in ihren Augen kein Mann mehr attraktiv gewesen.

Dass sie ihn anziehend fand, war ein Nachteil. Aber er war nett, und das glich diesen Nachteil wieder aus. Er hatte sich ihr gegenüber professionell verhalten, obwohl auch er, wenn sie nicht alles täuschte, eine gewisse Anziehung zwischen ihnen bemerkt hatte. Das wäre ein weiterer Grund, sich irgendwo anders einen Job zu suchen. Andererseits hätte sie hier einen Job und eine Unterkunft, wo niemand sie finden würde.

Und hatte Ryan nicht erwähnt, sie würden sich kaum sehen? Darauf verließ sie sich einfach. Zuerst aber musste sie diesen Job auch bekommen.

Während sie ihm aus dem Büro hinausfolgte, bewunderte sie seine breiten Schultern und das dichte schwarze Haar, das knapp über dem Kragen seines blauen Jeanshemds endete. Sie gingen nebeneinander den Flur entlang, sodass Jessica sich seiner Größe sehr bewusst war. Und der Möglichkeit, dass sie es bereuen könnte, diesen Job anzunehmen, denn sobald sie in Ryans Nähe war, spürte sie dieses beunruhigende Kribbeln.

„Sie haben ein wunderschönes Haus.“

„Danke. Ich liebe die Ranch. Sie ist meine Zuflucht. Hier kann ich mich entspannen. Waren Sie jemals vorher in Texas?“

„Nein.“

„Hier ist die Küche.“ Er führte sie in einen großen Raum voller neu aussehender Geräte. Jessica fand die praktische Anordnung und professionelle Ausstattung sofort überzeugend. Nebenan befand sich ein gemütliches Wohnzimmer. Eine große Frau mit einem dicken braunen Zopf drehte sich an der Spüle um und sah sie lächelnd an. Sie trug Jeans und T-Shirt und hatte sich eine gelbe Schürze umgebunden.

„Jessica, das ist Gwen Grayson. Sie ist für die Reinigungskräfte zuständig, von denen es noch zwei weitere gibt. Meistens ist aber Gwen da. Gwen, darf ich dir Jessica vorstellen? Sie hat sich für die Stelle der Köchin beworben.“

Gwen musterte sie erstaunt. „Willkommen auf der Ranch.“

„Danke“, sagte Jessica. „Freut mich, Sie kennenzulernen. Das ist eine wunderbare Küche.“

„Oh ja“, bestätigte Gwen. „Man hat alles, was man braucht.“

„Ich werde Jessica alles zeigen. Anschließend kocht sie das Mittag- und das Abendessen. Du kannst dich also getrost weiter um deine Arbeit kümmern“, erklärte Ryan der anderen Frau.

„Ich kann das Mittagessen kochen“, warf sie ein.

„Das ist nett, aber das möchte ich gern machen“, erklärte Jessica lächelnd, worauf Gwen die Schultern zuckte.

„Sagen Sie Bescheid, falls Sie Hilfe brauchen.“

„Mach ich“, versprach Jessica.

„Ich zeige Jessica ihre Unterkunft, dann kommt sie zurück“, erklärte Ryan und umfasste sanft ihren Arm. Die Berührung löste ein Prickeln aus. Jessica sah zu der Bar mit den Hockern, die die Küche von dem angrenzenden Raum trennte, in dem es einen Kamin, einen Billardtisch sowie einen großen Flachbildfernseher gab.

Auf der anderen Seite der Küche stand die Tür zur großen Speisekammer offen, die gut gefüllt war.

„Die Küche ist groß genug, um eine ganze U.S.-Armeebasis zu versorgen.“

„Sie werden nur für mich kochen und für meinen Besuch, wenn ich welchen habe. Außerdem für meine Hausangestellten, zu denen Gwen, Paolina und Chiara gehören, die Reinigungskräfte. Außerdem Enrique und Dusty, die beiden Hausmeister. Ich bezweifle, dass Sie viel von den Angestellten sehen werden, bis auf Gwen. Paolina und Chiara haben diesen Monat frei. Enrique und Dusty sind für alle Gebäude zuständig. Wenn sie hier arbeiten, essen sie auch hier. Gwen hilft aus, bis ich eine Köchin gefunden habe, aber eigentlich ist sie Vollzeit-Reinigungskraft. Wie gesagt, ich bin nicht oft hier, und wenn, dann meistens allein. Also kochen Sie hauptsächlich für mich.“

Diese Vorstellung machte sie nervös, und sie fragte sich, wie häufig sie beide zusammen sein würden.

„Wenn Sie Hilfe brauchen oder etwas nicht finden, sagen Sie mir Bescheid. Besonders an diesem ersten Tag“, fügte er hinzu.

„Ich bin sicher, dass ich zurechtkomme.“

„Eins noch: Meine Köchin erledigt auch die Lebensmitteleinkäufe. Ich habe ein Konto beim Supermarkt, der ist in Bywater, eine Kleinstadt in der Nähe. Sind Sie sicher, dass Sie diese Aufgabe auch übernehmen wollen?“

„Klar.“

„Es ist eine sehr kleine Stadt.“

„Das stört mich nicht.“

„Gut, dann wäre das auch geklärt.“ Er schaute sich um. „Normalerweise wohnt meine Köchin in einem der Häuser auf der Ranch. Aber da Sie Single sind, wird es für Sie ruhiger sein, wenn Sie hier wohnen. Hier geht’s zu Ihrem Apartment.“ Er ging ein kurzes Stück den Flur entlang. „Schauen Sie, ob es Ihnen zusagt. Sie können hier wohnen, dann sind Sie nah bei der Küche und hier unten für sich allein.“

Sie stand im Wohnraum und betrachtete die Möbel aus Obstbaumholz, den Holzfußboden, einen weiteren großen Flachbildfernseher sowie einen Schreibtisch mit Computer im angrenzenden Schlafzimmer.

„Das ist wunderbar“, sagte sie und sah in Ryans dunkelbraune Augen, die sie erneut fesselten. Jeder Gedanke an Konversation war vergessen. Die Atmosphäre schien förmlich zu knistern.

Dann wandte er sich ab, und der Bann war gebrochen. Jessicas Herz pochte. Es wäre vernünftiger, diesen Job sausen zu lassen. Sie hatte Mühe, ihre Fassung zurückzugewinnen.

„Geben Sie mir Ihren Wagenschlüssel, dann bringe ich Ihre Sachen rein“, erklärte Ryan mit rauer Stimme. Reagierte er etwa ähnlich wie sie? Sie war alarmiert, doch wollte sie die Chance auf diesen Job unbedingt wahrnehmen.

Sie zeigte zur Tür. „Ich kann auch etwas tragen.“

„Wenn Sie hier sind, können Sie Ihren Wagen in die Garage stellen.“

„Danke.“

Als sie ihren Wagen erreichten, hob er zwei Taschen heraus und schulterte ihr Handgepäck.

Sie folgte ihm mit ihrem Laptop, einer Umhängetasche und einer weiteren kleinen Tasche zurück ins Haus, wo er die Sachen in ihrem neuen Apartment abstellte.

„Haben Sie noch mehr im Kofferraum?“, wollte er wissen.

„Nein.“

„Für jemanden, der sein Zuhause verlässt, reisen Sie mit wenig Gepäck.“

Sie zuckte die Schultern. „Ich fange neu an, da brauche ich nicht viel. Meine Familie wird sich um meine Sachen kümmern. Ich habe eine kleine Wohnung für ein Jahr im Voraus gemietet.“

Einer seiner Mundwinkel hob sich, sodass sich ein kleines Grübchen in seiner Wange bildete. Wieder einmal schoss Jessica durch den Kopf, was für ein außergewöhnlich attraktiver Mann er war. Das würde den Job nicht gerade leichter machen.

„Warum lächeln Sie?“

„Ich vermute, das, was Sie an Miete bezahlt haben, wird Ihr Gehalt hier übersteigen. Sie haben das College besucht und sind ausgebildete Buchhalterin. Sie könnten Karriere machen und gut verdienen. Sind Sie sicher, dass Sie die richtige Wahl getroffen haben?“

„An diesem Punkt in meinem Leben, ja. In meinem Beruf als Buchhalterin wäre ich nicht mit dem Herzen dabei. Ich verändere mich gerade und versuche herauszufinden, was ich mit meinem weiteren Leben anfangen will. Ich möchte eine Arbeit machen, die mir wirklich gefällt. Meine Ehe ist definitiv vorbei. Ich bin immer noch darüber erschüttert, wie falsch ich meinen Ex eingeschätzt habe.“

„Sie folgen Ihrem Herzen, und das tun nicht viele Menschen.“ Er klang eine Spur wehmütig, und Jessica erinnerte sich an seine Äußerung, dass er gern mehr Zeit auf der Ranch verbringen würde. „Geben Sie mir Ihren Schlüssel, dann fahre ich Ihren Wagen in die Garage.“ Erwartungsvoll streckte er die Hand aus.

Sie gab ihm den Schlüssel. „Ich warte auf der Veranda, dann sehe ich, wo Sie den Wagen unterstellen.“ Auf dem Weg durch das Haus schaute sie sich um. „Sind Sie hier auf der Ranch aufgewachsen?“

„Nein. Ich habe das Haus erst vor fünf Jahren bauen lassen. Es gibt noch eine andere Delaney-Ranch. Die ist mehrere Generationen alt. Dort haben wir zeitweise gewohnt. Wegen der Schule und Dads Unternehmen haben wir uns aber meistens in Dallas aufgehalten. Wir waren mehrere Kinder“, fuhr er fort. „Mein Bruder Adam ist gestorben, aber ich habe noch zwei andere Brüder, die in der Gegend wohnen. Will ist der nächstältere. Er ist verheiratet und lebt in Dallas. Wir haben eine Halbschwester, Sophia, die verheiratet ist und ebenfalls in Dallas lebt. Ihr Mann ist für uns wie ein Bruder. Der mittlere Bruder Zach hat vor Kurzem geheiratet und die Familie damit ziemlich geschockt, denn er war ein Weltenbummler. Ich bin der Jüngste.“

„Ich komme auch aus einer großen Familie, wie ich schon erwähnt habe. Ich habe eine ältere Schwester und drei ältere Brüder – einen Banker, einen Steuerberater und einen Anwalt. Alles Berufe, die mein Vater gutheißt.“

„Es muss etwas geben, das Sie tun wollen und das Ihrem Vater missfällt“, vermutete Ryan.

„Ich hätte gern mein eigenes Restaurant, aber er hält das für viel zu riskant. Meine Eltern wollen mich am liebsten so, wie ich war: verheiratet mit einem erfolgreichen Mann, eine feine Dame der Gesellschaft. Ein solches Leben habe ich geführt, obwohl ich nebenbei viel ehrenamtlich gearbeitet habe. Das hat mir Freude gemacht.“

„Sie haben anderen Menschen geholfen. Das ist gut.“ Er hielt ihr die Tür auf, und als Jessica an ihm vorbei nach draußen ging, war sie sich seiner Nähe sehr bewusst.

„Ich bin gleich wieder da“, sagte er und nahm zwei Verandastufen auf einmal.

Sie beobachtete, wie er mit langen Schritten zu ihrem Wagen ging. Beim Anblick seiner breiten Schultern, der schmalen Taille und der langen Beine zog sich etwas in ihr zusammen. Wie wäre es wohl, ihn zu küssen? Schnell versuchte sie, an etwas anderes zu denken. Woher kam dieses Knistern zwischen ihnen?

Ryan war zurück und übergab ihr den Autoschlüssel. „Schicker Wagen. Wollen Sie ihn mir verkaufen?“

„Sie bekommen als Erster die Chance, falls ich mich dazu entschließe, ihn zu verkaufen. Aber das täte ich nur höchst ungern.“ Sie schaute zur Tür. „Tja, ich mache mich mal lieber mit Ihrer Küche vertraut. Was möchten Sie zu Mittag essen?“

„Überraschen Sie mich“, erwiderte er. „Ich muss mich jetzt auf das nächste Vorstellungsgespräch vorbereiten. Ich werde selbst öffnen, wenn die Bewerberin da ist.“

Jessica nickte und ging zu ihrem Apartment, um sich umzuziehen. Doch bevor sie nicht sicher war, dass sie den Job hatte, würde sie ihre Sachen nicht in die Schränke einräumen. Sie dachte an Ryans Angebot, ihr Auto zu kaufen. Vorläufig wollte sie es behalten, schon allein deshalb, weil bei einem Verkauf ihre Spur leichter nach Texas zu verfolgen wäre.

Sie zog eine Jeans und ein rotes Baumwollhemd an. Die Haare band sie mit einem roten Tuch zurück. Dann schlüpfte sie in Flipflops und machte sich auf den Weg in die Küche. Überzeugt davon, dass Ryan sich in seinem Büro befand, wo er das nächste Bewerbungsgespräch führte, schaute sie den leeren Flur entlang. Sie hatte weder die Türglocke noch Stimmen gehört, aber das Haus war so groß, dass sie vermutlich nichts mitbekam, wenn sie in ihrer Wohnung oder in der Küche war.

Zuerst machte sie sich mit der Küche vertraut. Während sie Lebensmittel aus der Speisekammer holte, kam Gwen herein.

„Ah, Sie bereiten das Mittagessen zu“, bemerkte sie lächelnd. „Das müssen Sie nicht. Ich vertrete die Köchin. Sie haben den Job noch nicht, oder?“

„Ich koche zur Probe“, antwortete Jessica. „Zuerst das Mittagessen. Ryan hat mir nicht gesagt, was er gern essen möchte, also muss ich mir etwas einfallen lassen. Ich werde zuerst einen Kuchen backen, zum Nachtisch.“

„Das wird ihm gefallen. Ich habe noch nie erlebt, dass er bei Kuchen Nein gesagt hat. Sie haben eine Probezeit? Darauf verzichtet er normalerweise“, bemerkte Gwen.

„Er hat gesagt, dass er für gewöhnlich nur Paare einstellt. Ich bin geschieden und habe ihn mehr oder weniger dazu überredet, mir eine Chance zu geben und mich heute für ihn kochen zu lassen.“

„Aha.“ Gwen lächelte. „Na gut. Falls Sie Hilfe brauchen, sagen Sie nur Bescheid.“

„Danke, das ist nett. Aber ich muss allein zurechtkommen, damit er sieht, was ich kann.“

„Und Sie fühlen sich der Aufgabe gewachsen?“

„Oh ja.“

Gwen grinste. „Gut. Wenden Sie sich an mich, wenn Sie Fragen haben oder irgendetwas nicht finden können.“

„Danke, das mache ich.“

„Mein Mann arbeitet für Ryan, seit er die Ranch gekauft hat. Nachdem Ryan das Haus gebaut hatte, wurde ich als Reinigungskraft eingestellt. Wir wohnen in einem Haus auf der Ranch, und uns gefällt die Arbeit hier. Was für einen Kuchen wollen Sie für heute Abend backen?“

„Gar keinen. Da gibt es Schokoladeneistorte.“

„Sehr gut. Er hat eine Schwäche für Schokolade. Burger, Braten, Steaks, Barbecue und einfache Kartoffeln sind sein Lieblingsessen. Und Blaubeerwaffeln.“

„Danke für die Information.“

„Können Sie wirklich kochen?“

„Ja, das kann ich“, versicherte Jessica ihr lächelnd.

„Dann bekommen Sie die Stelle auch. Außerdem werden Sie die hübscheste Köchin sein, die wir je hatten.“

Gemeinsam lachten die beiden Frauen. „Vielen Dank. Auch dafür, dass Sie mir verraten haben, was er gern isst.“

„Es ist ruhig hier. Wollen Sie wirklich in dieser Abgeschiedenheit leben?“

„Ja, ganz bestimmt. Ich habe eine schlimme Scheidung hinter mir. Mein Ex wollte mich nicht gehen lassen. Dieser Ort hier wird mir guttun.“ Unwillkürlich dachte sie an Ryans unwiderstehliches Lächeln.

„Gegen vier bin ich mit Putzen fertig und verschwinde. Falls Sie etwas brauchen oder wissen möchten, gebe ich Ihnen vorsichtshalber meine Handynummer.“ Gwen nahm einen Zettel und schrieb ihre Nummer auf.

„Danke. Das ist sehr nett.“

„Ich glaube, Sie werden eine angenehme Bereicherung sein. Ich putze heute oben und fange jetzt mal lieber an. Oh, wenn Sie Blumen für den Tisch wollen – Mr Ryan hat nichts dagegen, wenn wir draußen welche pflücken. Aber geben Sie auf Klapperschlangen im Garten acht.“

„Klapperschlangen? Ich verzichte auf die Blumen.“

Nachdem die Haushälterin gegangen war, fand Jessica gefrorene rohe Hamburger, außerdem Brötchen und alle anderen Zutaten. Dann widmete sie sich der Zubereitung des Kuchens.

Gegen Mittag kontrollierte sie, ob alles bereit war. Eine halbe Stunde verging, ohne dass Ryan auftauchte. Sie fragte sich, ob er während der Vorstellungsgespräche auf eine geeignetere Kandidatin gestoßen war.

Gegen eins hörte sie seine Schritte. „Ich habe schon nicht mehr mit Ihnen gerechnet.“

„Tut mir leid, ich hätte Bescheid geben können. Essen Sie mit mir, dann können wir uns unterhalten.“

„Ist das nicht ein wenig ungewöhnlich?“, gab sie zu bedenken.

„Weil Sie für mich arbeiten? Das spielt keine Rolle. Es sei denn, Sie wollen nicht mit mir essen …“

„Nein, das ist es nicht.“ Sie lächelte.

„Gut.“

Sie saßen mit Blick auf den gepflegten Garten, in dem es einen Teich mit Springbrunnen, einen Wasserfall und wunderschön blühende Lilien gab.

„Das ist ein toller Ausblick“, bemerkte sie.

Er betrachtete seinen Teller. „Das hier sieht auch gut aus, und ich bin hungrig. Das Frühstück liegt schon eine Weile zurück.“

„Ich habe Bohnen gemacht“, erklärte sie. „Das hielt ich für gesünder als Fritten.“

„Da haben Sie vermutlich recht. Übrigens habe ich beide Bewerberinnen von heute Vormittag abgelehnt. Sie sind also noch im Rennen.“ Er biss in seinen Burger.

„Das sind gute Neuigkeiten, denn ich glaube, es gefällt mir hier. Mal sehen, wie Ihnen mein Mittagessen und mein Abendessen schmecken. Lunch ist keine Herausforderung, denn Hamburger sind leicht zuzubereiten.“

„Dieser hier ist sehr gut.“

„Danke. Werden Sie eine Weile auf der Ranch bleiben oder schon bald wieder nach Houston zurückkehren?“

„Momentan pendle ich. Gegen Ende der Woche fliege ich nach Houston.“

„Freut mich zu hören, dass der Job noch nicht anderweitig vergeben ist“, sagte sie.

„Nach dem Essen habe ich noch zwei Bewerbungsgespräche. Ich werde Sie darüber informieren, wie es gelaufen ist. Das Mittagessen ist gut. Die Bohnen sind großartig, und der Burger ist genau so, wie ich ihn mag.“

„Gwen hat mir verraten, dass Sie Hamburger mögen, allerdings nicht, wie Sie sie am liebsten zubereitet haben.“

„Dann haben Sie gut geraten. Gwen und ihr Mann arbeiten übrigens beide hier.“

„Das hat sie mir erzählt.“ Jessica wischte sich die Hände an ihrer Serviette ab und stand auf. „Ich habe für heute Abend einen Kuchen und für jetzt Kekse gebacken.“ Sie holte die Platte mit Schokoladenkeksen. Prompt hielt er ihr die Platte hin, während sie sich setzte.

„Nein, danke“, sagte sie. „Ich bin nicht so für süße Sachen.“

„Das werde ich mir merken.“ Er nahm einen Keks.

„Ich bezweifle, dass es nötig ist, sich zu merken, dass Ihre Köchin nicht auf Süßes steht.“

„Vielleicht möchte ich Ihnen irgendwann etwas schenken, und dann wäre es gut, sich daran zu erinnern“, gab er zu bedenken. Sein Ton war sachlich. Das war kein Flirtversuch, auch gab es keine Berührung. Doch als Jessica in seine dunkelbraunen Augen sah, knisterte es sofort wieder zwischen ihnen. Die Anziehung war immer noch da.

Schnell sah sie hinaus auf den Teich.

„Sind Sie mit dem Typen auf dem College gewesen?“

Ryans Frage ließ sie stutzen. Offenbar hatte sie etwas, das er zuvor gesagt hatte, nicht mitbekommen. „Mit meinem Ex?“ Als er nickte, antwortete sie: „Nein. Er war ein bisschen älter als ich. Ich kannte ihn schon mein ganzes Leben. Vermutlich hielt er mich für die perfekte Ehefrau und glaubte, ich würde nie hinter seine Affären kommen. Oder dass ich mich damit abfinden würde.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich war in jeder Hinsicht naiv. Na ja, jetzt ist es vorbei.“

„Ihre Familie lebt in Tennessee. Werden Sie nicht irgendwann zurückgehen?“

„Ja, sicher. Ich liebe Tennessee, besonders Nashville. Dort will ich eines Tages leben. Das ist nah genug bei meiner Familie in Memphis, aber auch weit genug weg, dass ich mein eigenes Leben führen kann und nicht ständig meinem Ex über den Weg laufe. Aber ehe ich zurückkehre, will ich mich vom Stress der vergangenen Monate erholen.“

„Wenn Ruhe und Abgeschiedenheit Ihnen dabei helfen, haben Sie den richtigen Ort gefunden.“ Ryan schaute auf seine Uhr und stand auf. „Entschuldigen Sie mich. Es wird Zeit, dass ich mich auf die nächsten Gespräche vorbereite. Danke für das Essen.“

Jessica konnte nicht verhindern, dass sie ein wenig enttäuscht war, weil er weiter mit Bewerbern sprach. Sie räumte den Tisch ab und brachte die Sachen zur Spüle. Als sie sich umdrehte, wäre sie beinah mit Ryan zusammengestoßen, der mit Gläsern in den Händen vor ihr stand. Da Jessica wankte, berührte er ihre Schultern. Er kniff die Augen zusammen, sog scharf die Luft ein und ließ Jessica wieder los. Ihr Herz pochte. Sie hätte sich gern an ihn gelehnt.

Doch Ryan eilte bereits hinaus.

Sie atmete tief ein. Erneut meldete sich ihr Verstand und riet ihr, schleunigst zu verschwinden. Ihre Reaktionen auf Ryan Delaney waren unberechenbar. Und auch ihn hatte es nicht kaltgelassen, als er sie berührte. Vielleicht würde er am Nachmittag die Stelle an jemand anderen vergeben, dann würde ihr die Entscheidung aus der Hand genommen.

Sie wusch die Teller ab und machte sich weiter mit der Küche vertraut. Sie schaltete den Herd ein, um für das Abendessen einen Braten zuzubereiten. Den ganzen Nachmittag verbrachte sie mit den Vorbereitungen für das Abendessen. Dann ging sie in ihre Wohnung, um zu duschen. Sie wählte ein blaues Sommerkleid und Sandaletten, bürstete ihre Haare und ließ sie offen.

Gegen fünf befand sie sich wieder in der Küche und konnte nicht leugnen, dass sie nervös war. Aber war sie aufgeregt, weil das Essen über ihre Zukunft entscheiden würde? Oder vielmehr wegen der Aussicht, den Abend mit Ryan zu verbringen?

3. KAPITEL

Ryan richtete sich vor dem Traktor auf. „Alles klar. Kauf die Teile, wenn du meinst, dass du den Schaden reparieren kannst.“

„Kann ich.“ Jeb trat von dem Traktor zurück. „Was hast du heute gemacht? Ich sehe, der rote Wagen ist noch da. Werde ich Jessica das Kochen beibringen?“

„Nein. Der heutige Abend ist ein Test. Sie hat mich dazu überredet, ihr eine Chance zu geben.“

Jebs Mundwinkel zuckten. „Stell dir vor. Ich vermute, sie wird dich dazu überreden, sie einzustellen, ganz unabhängig von ihren Kochkünsten.“

„Nein. Wenn sie nicht kochen kann, geht sie, und das weiß sie auch. Aber ich gebe ihr die Chance und lasse sie heute das Abendessen kochen.“

„Tja, ich kann mir schon denken, wie das ausgeht. Wie gesagt, ich würde ihr gern das Kochen beibringen.“

„Danke für das Angebot, ich werde es im Hinterkopf behalten“, erwiderte Ryan trocken. „Das Mittagessen war allerdings gut. Es gab Burger und Bohnen, also kann sie möglicherweise doch kochen.“

„Selbst ein Kind kann Burger und Bohnen zubereiten. Na, geh jetzt, und genieß dein Essen und den Abend.“

„Mach ich, Jeb.“ Ryan verließ den Vorarbeiter und ging zurück zum Haus, doch statt die Küche durch die Hintertür zu betreten, benutzte er den Seiteneingang und gelangte direkt in den Wohnbereich. Er duschte und zog sich ein frisches braunes Westernhemd aus Baumwolle an, dazu Jeans und schwarze Stiefel.

Anschließend entschied er sich spontan, seine Freunde, die Jimsons, anzurufen. Brad meldete sich, und Ryan unterhielt sich mit ihm, um herauszufinden, ob Jessicas Angaben stimmten und die Jimsons ihr geraten hatten, sich auf seiner Ranch als Köchin zu bewerben.

Danach sprach er mit Pru und legte kurz darauf auf. Jessica hatte die Wahrheit gesagt. Und was jetzt? Würde er alles von ihrem Abendessen abhängig machen?

Er hatte Pru davon erzählt, die daraufhin gelacht hatte. Wahrscheinlich weil sie Ryans Schwäche für schöne Frauen kannte.

Er ging nach unten in die Küche. Verlockende Düfte nach Rindfleisch und Brot stiegen ihm in die Nase. Er hörte jemanden singen, Pfannengeklapper und Wasserrauschen.

Im Türrahmen blieb er stehen und beobachtete Jessica, die gerade mehrere Dinge gleichzeitig erledigte. Sie hastete nicht panisch umher. Die Küche war sauber und aufgeräumt. Die hellblonden Haare hatte sie mit einem Tuch zusammengebunden, dessen Farbe zu ihrem Kleid passte. Sie hatte Ryan den Rücken zugekehrt, weil sie dabei war, eine zugedeckte Platte ins Warmhaltefach des Ofens zu schieben. Am liebsten wäre er zu ihr gegangen und hätte ihr von hinten die Arme um die schmale Taille geschlungen. Natürlich verzichtete er darauf.

„Hier duftet es ja wundervoll“, bemerkte er heiser.

Sie drehte sich um und schenke ihm ein strahlendes Lächeln, was ein Grübchen in ihrer Wange zum Vorschein brachte. In diesem Moment musste er sich eingestehen, dass er sie nicht mehr wegschicken konnte.

„Das Abendessen ist fertig.“

„Wie wäre es zuerst mit einem Drink draußen auf der Veranda? Es ist ein herrlicher Abend. Wir könnten für eine Weile vergessen, dass wir Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind.“

„Damit überschreiten wir eine Grenze“, meinte sie skeptisch.

„Muss nicht sein. Wir können einfach zusammensitzen, den Abend genießen, uns unterhalten und ein wenig entspannen. Sie haben lange in der heißen Küche gekocht.“

Ihre skeptische Miene wich einem Lächeln. „Na ja, so schlimm war es nicht.“

„Schon möglich, aber ein Drink sollte drin sein, und wir müssen keine Grenze überschreiten.“

„Ich habe trotzdem meine Zweifel, dass Sie für gewöhnlich etwas mit Ihren Angestellten trinken“, vermutete sie.

„Hm, ich habe auch selten eine so attraktive Frau unter meinen Angestellten. Können wir nicht mal für einen Augenblick darauf verzichten, strikt professionell zu sein?“

„Es wird schwierig werden, strikt professionell zu bleiben, wenn ich mit Ihnen auf Ihrer Veranda sitze und etwas trinke. Andererseits kann ich Sie auch nicht mit ‚Mr Ryan‘ anreden, so wie Gwen das macht.“

„Das hoffe ich. Das ist nun mal ihre Art. Ich habe sie aufgefordert, mich Ryan zu nennen, doch sie besteht darauf. Ihr Mann nennt mich Ryan, aber sie nicht. Ich diskutiere nicht mehr darüber. Die zwei arbeiten seit einigen Jahren für mich, und sie haben auch schon für meinen älteren Bruder Adam gearbeitet. Sie kennen mich also praktisch schon ewig.“

„Danke auch noch für das Kompliment.“ Erneut war das Grübchen in ihrer Wange zu sehen.

„Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir, und trinken Sie etwas mit mir. Wenn es Ihnen unangenehm wird, gehen wir rein und essen. Einverstanden?“

„Einverstanden, Ryan.“ Zu hören, wie sie seinen Namen aussprach, weckte sein Verlangen. Er reagierte ziemlich heftig auf sie und brachte sich mehr und mehr in Schwierigkeiten, indem er sie hierbleiben ließ und überdies zu einem Drink einlud. Wollte er sie verführen und sich diesen Wunsch nur nicht eingestehen? Sofort meldeten sich Schuldgefühle, denn Jessica war verletzlich. Ganz bestimmt würde er ihre Situation nicht ausnutzen … andererseits war es schwer, ihr zu widerstehen.

„Was möchten Sie?“ Seine Stimme klang schon wieder rau, ein verräterisches Indiz für seine Empfindungen.

„Ich nehme Eistee. Zufällig habe ich einen Krug zubereitet.“

„Tee für Sie, ein kaltes Bier für mich.“

„Ich habe den Tisch drinnen gedeckt, aber ich kann alles nach draußen auf die Veranda bringen, wenn es Ihnen lieber ist“, bot sie an, während er Eis holte und Tee aus dem Krug auf dem Tresen einschenkte.

„Nein, wir essen drinnen.“ Er bemerkte den gedeckten Tisch. „Sehr schön. Hier ist Ihr Tee.“ Er reichte ihr das Glas und streifte dabei ihre schlanken Finger. Selbst diese flüchtige Berührung reichte aus, um die Spannung zwischen ihnen weiter zu steigern.

Er holte sich ein Bier und hielt ihr die Tür nach draußen auf. Es war ein kühler, windstiller Juniabend. Jessica setzte sich mit Blick auf den Garten, und Ryan zog seinen Stuhl dicht neben ihren. Ihr langes Kleid verbarg ihre Beine fast bis zu den schmalen Knöcheln.

Er hob die Flasche. „Willkommen in Texas. Und angenehmen Aufenthalt.“

Sie stieß mit ihm an, trank einen Schluck und stellte das Glas auf einen kleinen Beistelltisch.

„Ich gestehe, dass ich auf eine Anstellung hoffe, denn ich glaube, das hier ist genau das Richtige für mich. Hier kann ich mich erholen und über meine Scheidung hinwegkommen. Aber wenn Sie mich nicht nehmen, mache ich mich auf den Weg nach Norden. Vielleicht gehe ich nach Montana oder Wyoming und eröffne ein Restaurant.“

„Ich glaube nicht, dass Sie diese Reise planen müssen. Wir werden uns schon einig. Ich habe mit Brad und Pru gesprochen. Die beiden haben Sie wärmstens empfohlen.“

„Na ja, die beiden sind gute Freunde, da müssen sie mich empfehlen. Die besseren Referenzen sind die auf meiner Liste, weil es sich um lauter ehrenamtliche Projekte handelt. Außerdem sind da die beiden Kochschulen, die ich besucht habe. Es liegen von beiden Empfehlungsschreiben bei.“

„Ich habe all diese Informationen noch nicht gelesen“, gestand er. „Als ich sah, dass Sie Single sind, schieden Sie als potenzielle Kandidatin aus.“

„Danke, dass Sie mir trotzdem eine Chance gegeben haben.“

„Sie können sehr überzeugend sein. Ich bezweifle, dass es viele Männer gibt, die Ihnen etwas abschlagen können.“

„Stimmt.“ Ihre großen blauen Augen leuchteten. „Erzählen Sie mir mehr von Ihrer Familie. Wenn ich hier arbeite, werde ich wohl früher oder später alle kennenlernen.“

„Meine Familie lebt in Dallas. Und ja, Sie werden sie kennenlernen. Von Adams Verlust habe ich Ihnen erzählt. Er hatte eine kleine Tochter, Caroline. Will ist ihr Vormund, und Ava, seine Frau, ist ihr eine bessere Mutter, als die leibliche Mutter es war, die die Familie früh verlassen hat.“

„Verlassen? Das ist schrecklich. Wie kann eine Mutter ihr Kind verlassen?“

„Sie hat sich nie für Caroline interessiert. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Tatsächlich ist testamentarisch verankert, dass ich der Vormund des Kindes werde, sollte Will und Ava etwas zustoßen. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, Vater zu sein.“

„Warum nicht? Sie sind nett, fröhlich, intelligent.“

„Danke“, sagte er grinsend. „Will hat sich hervorragend um Caroline und Ava gekümmert. Die Kleine hat harte Zeiten durchgemacht, und Ava half ihr, sich wieder zu öffnen und über den Schmerz hinwegzukommen.“

„Es ist traurig, wenn ein kleines Kind solchen Schmerz erleiden muss. Ich bin froh, dass sich für sie alles zum Guten gewendet hat.“

„Sie hat inzwischen einen kleinen Bruder, Adam. Er ist ein süßes Baby, und Caroline ist ein Schatz. Es sind zwei glückliche, fröhliche Kinder, so wie es sein sollte.“ Er trank einen großen Schluck Bier und stellte die Flasche auf den Tisch. „Wo leben Ihre Schwester und Ihre Brüder, der Banker, Buchhalter und Anwalt?“

„Alle in Memphis, nicht weit von meinen Eltern entfernt. Ich bin diejenige, die ein bisschen aus der Reihe tanzt. Meine Schwester und meine Brüder sind alle verheiratet, und alle haben zwei Kinder. Meine Schwester hat zwei Jungs. Meine Brüder haben jeweils einen Sohn und eine Tochter. Ich habe wundervolle Nichten und Neffen, und ich vermisse sie alle sehr.“

Der wehmütige Unterton erinnerte Ryan daran, wie verletzlich sie war – und daran, die Finger von ihr zu lassen.

„Stehen Sie Ihren Geschwistern nahe?“

„Ja, meiner Schwester und dem jüngsten meiner Brüder, Jason. Das liegt vermutlich daran, dass wir vom Alter her nicht so weit auseinander sind. Er ist fünf Jahre älter als ich. Derek ist schon acht Jahre älter als ich, Lydia ist zehn Jahre älter und Dillon zwölf. Seit wir erwachsen sind, haben Dillon und ich uns besser kennengelernt, aber nahe stehen wir uns nicht. Viel schlimmer ist, dass er mit Carlton befreundet ist. Das gilt auch für Lydias Mann Frank.“

„Woher kommt Ihr Interesse am Kochen?“, wollte Ryan wissen.

„Wir hatten eine Frau, die für uns gekocht und geputzt hat. Ihr Name war Sandy, und als ich klein war, durfte ich ihr helfen. Sie war eine wundervolle Köchin. Immer wieder haben Leute versucht, sie uns abzuwerben, aber sie blieb. Wir haben noch heute Kontakt, denn wir standen uns immer nahe. Sie weiß, dass ich für eine Weile weg bin, und sie kennt auch den Grund.“

„Aber Sie haben sie nicht mit dem Wissen über Ihren genauen Aufenthaltsort belastet? Das ist nett. Obwohl es vielleicht nicht schlecht wäre, wenn es Leute gäbe, die Bescheid wissen.“

„Oh, einige Leute wissen, wo ich bin. Ich halte Kontakt zu meiner Mom. Sie kennt die Einzelheiten nicht, aber sie weiß genug. Meine Schwester weiß ebenfalls, wo ich bin und was ich mache. Wir simsen täglich. Außerdem habe ich eine enge Freundin in Memphis, Olivia, die auch Bescheid weiß. Sie redet nicht einmal mehr mit Carlton. Meine Eltern werden sie nicht ausfragen, denn sie wissen, dass sie nichts verrät.

Olivia und Carlton verkehren in denselben Kreisen, und sie wird mich informieren, sobald er mit einer anderen zusammen ist. Das müsste er inzwischen eigentlich schon sein. Dann wird sein Interesse, mich aufzuspüren, deutlich nachlassen. Er weiß, dass ich nicht zurückkehre. Unsere Scheidung ist seit einem Jahr rechtskräftig.“ Ihre ernste Miene erschreckte ihn. „Bevor ich ihn verlassen habe, verlor ich ein Baby. Ich war im zweiten Monat schwanger.“ Sie wandte sich ab, doch er sah noch, dass ihre Augen sich mit Tränen füllten.

„Das tut mir leid.“

„Obwohl der Arzt mir versicherte, ich könne weiterhin Babys bekommen, gelingt es mir anscheinend nicht, diesen Verlust zu überwinden“, fuhr sie leise fort. Dann wischte sie sich die Augen, atmete tief ein und stand auf. „Danke. Ich sollte jetzt besser nach dem Abendessen schauen.“

„Ich helfe Ihnen.“

„Nein, setzen Sie sich an den Tisch, ich trage gleich auf.“

„Möchten Sie noch Tee?“, erkundigte er sich.

„Ja, bitte.“ Sie eilte in die Küche, und Ryan half ihr. Bei jedem Gericht, das sie aus dem Wärmefach oder dem Ofen holte, staunte er begeistert. Alles sah sehr appetitlich aus.

Dann saßen sie am Tisch, auf dem eine Platte mit Scheiben vom zarten Rinderbraten lag. Jessica hatte flockiges Kartoffelpüree dazu gemacht und gedünstetes Kohlgemüse.

Kaum hatte er den ersten Bissen des Bratens gekostet, stand für Ryan fest, dass sie den Job hatte. Auch die Soße war köstlich. Eine Eieruhr klingelte, und Jessica stand auf, um Brötchen aus dem Ofen zu holen.

„Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass die in meinem Tiefkühler waren“, sagte er.

„Waren sie auch nicht. Die habe ich heute selber gemacht.“

„Sie können wirklich kochen“, lobte er sie. Ihr Ex musste nicht ganz bei Trost sein, sie so schlecht zu behandeln. Sie war der Traum eines jeden Mannes.

„Und was heißt das jetzt?“, wollte sie wissen.

Das hieß, er war verloren. Er musste sie einstellen und dabei professionell distanziert bleiben. Er musste seine Hände bei sich behalten und durfte nur unverfängliche Gespräche mit ihr führen. Seit er von ihrer Fehlgeburt wusste, war es noch wichtiger, sie in Ruhe zu lassen, damit sie über den Schmerz hinwegkam.

„Das heißt, Sie haben den Job als Köchin, falls Sie ihn noch wollen.“

„Danke.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln, das ihn dahinschmelzen ließ. Er musste dringend wieder zurück nach Houston, denn hierzubleiben wäre eine zu große Herausforderung.

„Wir sollten den Speiseplan für nächste Woche besprechen. Ich weiß nicht genau, was Sie gern mögen. Was hätten sie morgens gern?“

Die Antwort darauf lag ihm auf der Zunge, nur konnte er sie nicht aussprechen. Ihm brach der Schweiß aus. Sie war sexy und aufregend und die schönste Frau, die er je kennengelernt hatte. Nur schien sie nicht der Typ für eine kurze Affäre zu sein, sondern eher für eine ernste Beziehung, und er wollte ihr nicht wehtun.

„Sie reden vom Frühstück“, sagte er, da er es sich nicht verkneifen konnte.

Sie stutzte zunächst, dann errötete sie leicht. „Ich rede definitiv vom Frühstück“, erklärte sie brüsk, doch auch ein wenig atemlos, was ihn noch mehr erregte. „Orangensaft? Tomatensaft? Eier, Pfannkuchen? Was?“

„Ich werde darüber nachdenken“, versprach er. Momentan war es unmöglich, sich zu entscheiden, was er zum Frühstück wollte. Er schaute auf sein Essen und nahm sich zusammen. „Nach dem Abendessen erstellen wir eine Einkaufsliste, und Samstag fahren wir zum Supermarkt.“

Sie aßen schweigend, während Ryan krampfhaft versuchte, seine Libido zu ignorieren und nicht mehr daran zu denken, wie gern er mit Jessica flirten würde. Glücklicherweise kehrte mit dem nächsten Bissen der Appetit zurück. Jeb würde sprachlos sein, sobald er ihr Essen gekostet hatte.

„Was für ein Restaurant hätten Sie gern?“, fragte er nach einer Weile und riskierte es wieder, sie anzusehen.

„Einfach ein amerikanisches. Da kenne ich mich aus. Ich habe schon auf dem College davon geträumt, aber dann habe ich geheiratet und den Plan aufgegeben.“ Sie aß einen Bissen Fleisch, und er betrachtete sie fasziniert. „Jetzt möchte ich in Nashville leben und arbeiten“, fuhr sie fort. „Das ist nicht zu weit weg von meiner Familie, aber auch nicht zu nah dran. Außerdem laufe ich da meinem Ex nicht über den Weg. Ich liebe Tennessee aus tiefstem Herzen. Es ist der schönste Staat – die Smoky Mountains, Chattanooga, die kleinen Städte, die großen Städte. Es gibt Countrymusik, wunderschöne Südstaatenhäuser und Gärten und das beste Essen weit und breit. Ich will nirgendwo anders leben. Ich nehme an, so geht es Ihnen mit Texas, also verstehen Sie mich wahrscheinlich.“

„Ehrlich gesagt empfinde ich so für diese Ranch. Das ist der Ort, an dem mein Herz hängt. Ich kann mir nicht vorstellen, von hier wegzugehen. Das hier ist meine Vorstellung vom Paradies.“

„Sehen Sie? Nashville wäre nichts für Sie. Und ich würde hier nicht mein Leben verbringen wollen. Momentan ist es jedoch genau der richtige Platz für mich.“

„Da wir gerade von diesem Ort und Ihrem neuen Job sprechen – ich frühstücke morgens gegen sechs.“ Dieser Augenblick mit der schönsten Frau, der er je begegnet war, kam ihm plötzlich unwirklich vor. Statt mit ihr zu flirten, zu lachen, ihr näherzukommen – was er wirklich wollte –, informierte er sie über den Zeitpunkt, an dem er sein Frühstück einnehmen wollte. Und sie nickte, als sei sie vollkommen zufrieden über ihr Arrangement.

„Gut, um sechs. Es wird alles bereit sein.“

„Wie ich schon sagte, beim Speiseplan haben Sie freie Hand. Ich will keine Mahlzeiten planen.“ Ihm war nicht wichtig, was sie zubereiten würde. Viel mehr war er daran interessiert, Zeit mit ihr zu verbringen.

„Wenn ich den Speiseplan zusammenstellen kann, erleichtert mir das die Arbeit sehr.“

„Ich bin ein unkomplizierter Typ“, sagte er. „Ich bin weder Veganer, noch halte ich irgendeine strikte Diät. Und wenn ich ein Steak will, sage ich Ihnen Bescheid und grille es selbst. Ansonsten liegt alles bei Ihnen.“

„Gut. Also in etwa wie heute?“

„Genau“, sagte er. Gleichzeitig wurde ihm klar, dass es albern wäre, allein zu essen, während sie für ihn kellnerte oder sich in der Küche aufhielt. „Jessica, wir befinden uns in einer etwas schwierigen Situation. Sie sind anders als die anderen Köche, die ich bisher hatte.“

Mit unbeweglicher Miene hörte sie ihm zu, lediglich ein Mundwinkel zuckte leicht.

„Also planen Sie bitte ein, mit mir zu essen, ja? Ich finde die Vorstellung befremdlich, allein zu essen, während Sie servieren und zuschauen.“

„Sie müssen nicht mit mir essen. Ich kann mich unsichtbar machen. Was immer Sie wollen.“

„Ich will, dass Sie mit mir essen“, sagte er in dem vollen Bewusstsein, dass das sein Leben verkomplizieren würde. Seit Jessica aus ihrem roten Sportwagen gestiegen war, schien sein Leben in eine seltsame neue Umlaufbahn geraten zu sein. Jede Mahlzeit mit ihr einzunehmen, ohne zu flirten, würde eine höllische Herausforderung sein.

„Sie werden bald die Nase voll davon haben, mich dauernd zu sehen“, warnte sie ihn.

„Auf keinen Fall.“

„Bitte sehr, Sie sind der Chef.“

„Das ist keine Anforderung an den Job“, erklärte er und fragte sich, wie ihre Gefühle aussahen. „Sie müssen es nicht, wenn Sie nicht wollen.“

„Wir versuchen es. Sie erwähnten, dass Sie nicht oft hier sind, also sollte es gar kein Problem sein.“ Sie klang, als sei die Sache nicht wichtig und als sei sie ihm gegenüber immun. „Was ist eigentlich, wenn Sie unterwegs sind? Muss ich mir für die Zeit einen anderen Job suchen?“

„Nein, ich bezahle meine Angestellten weiter, ob ich hier bin oder nicht. Andernfalls könnte ich kaum alle behalten.“

„Alle anderen haben auch zu tun, wenn Sie weg sind. Ich nicht. Kann ich beim Putzen helfen oder etwas anderes machen, während Sie weg sind?“

„Mir fällt nichts ein. Meine anderen Hausangestellten essen in der Gemeinschaftsunterkunft, und ich glaube nicht, dass Gwen Sie kochen lässt. Sie können ja fragen. Die geben Ihnen Bescheid, wenn sie hier essen wollen. Gwen ist für die Reinigung des Hauses zuständig, da wird sie Sie vermutlich auch nicht helfen lassen. Tun Sie, was Sie wollen, wenn Sie die Gelegenheit haben.“

„Was ist mit der Kleinstadt, in der ich die Lebensmittel einkaufen kann? Könnte ich da irgendwo als freiwillige Helferin arbeiten?“

„Ich werde mich mal umhören.“ Er beendete seine Mahlzeit, lehnte sich zurück und legte die Serviette auf den Tisch. „Das war ein köstliches Abendessen, und Sie sind eine ausgezeichnete Köchin.“

„Danke.“

„Kommen Sie, ich führe Sie durchs Haus. Ich kann Ihnen eine kleine Übersichtskarte der Ranch geben, denn das Gelände kann verwirrend sein, wenn man neu hier ist. Im Haus schauen wir uns nur unten um, da Sie hier wohnen werden.“

Als sie das Esszimmer betraten, sagte Jessica: „Hier ist es sehr schön. Wenn meine Mutter das sehen könnte, würde sie wohl aufhören, sich Sorgen um mich zu machen. Sie besitzen wunderbare Dinge.“ Begeistert deutete sie auf zwei hohe Kristallkandelaber auf einem edwardianischen Buffet. Der Esstisch bot Platz für zwanzig Personen, und sie fragte sich, wann er solch vornehme Feiern veranstaltete.

Langsam ging sie durch den Raum, betrachtete das edle Porzellan und die funkelnden Kristallgläser in dem Schrank aus Obstbaumholz.

Vom Esszimmer gelangten sie in ein Wohnzimmer, von dem aus man einen Blick auf die Terrasse und den Pool hatte. Es gab einen großen Flachbildfernseher, einen Kamin, der von Bücherregalen flankiert wurde, Familienfotos an den Wänden und bequeme Ledersitzmöbel. Vor einem Schaukasten mit vergoldetem Rahmen blieb sie stehen. Darin lag auf schwarzem Samt eine antike Pistole.

„Das ist ein altes Familienerbstück“, bemerkte Ryan. „Ein Colt.“

„Mein Dad wäre beeindruckt.“

„Vielleicht wird er ihn eines Tages zu Gesicht bekommen.“

Lachend schüttelte sie den Kopf. „Das glaube ich nicht.“

„Gehen wir zurück auf die Terrasse und sehen uns den Sonnenuntergang an.“

„Ich sollte lieber meine Sachen auspacken.“ Ihr Lächeln verschwand.

„Setzen Sie sich zu mir. Auspacken können Sie auch später noch.“

Auf dem Weg hinaus blieb sie plötzlich stehen. „Fast hätte ich es vergessen. Zum Nachtisch habe ich eine Schokoladeneistorte gemacht.“

„Hm, die sparen wir uns für später auf. Es sei denn, Sie wollen jetzt ein Stück.“

„Nein, wir können warten. Setzen Sie sich auf die Terrasse, ich räume inzwischen den Tisch ab.“

„Ich helfe Ihnen. Aber vorher will ich Jeb anrufen, damit er sich das übrig gebliebene Essen abholt.“

„Telefonieren Sie, ich räume ab“, sagte sie und ging in die Küche.

Ryan zog sein Handy aus der Tasche und beobachtete Jessica bei der Arbeit.

„Jeb. Es ist noch reichlich vom Abendessen übrig. Hol dir was, und koste Jessicas Kochkünste. Du kannst auch hier essen.“

Ryan folgte Jessica hinein, um ihr beim Abräumen des Tisches zu helfen. „Jeb kommt gleich wegen des Essens.“

„Sie pflegen ein freundschaftliches Verhältnis zu Ihren Angestellten.“

„Vermutlich haben Sie recht. Ich kenne alle schon lange.“ Er neigte den Kopf und musterte sie. „Wissen Sie, ich habe Sie mir ganz anders vorgestellt.“

„Ich Sie mir auch, Ryan. Sie entsprechen auch nicht dem Mann, den ich hier zu finden gehofft hatte. Aber ich weiß, dass ich auch nicht der Person entspreche, die Sie sich erhofft hatten.“

Jemand klopfte an die Tür, und als Ryan sich umdrehte, entdeckte er Jeb. „Bist du gerannt?“

„Na klar. Ich habe Hunger. Ich fülle mir den Teller auf und nehme ihn mit.“

„Du kannst dich ruhig zu uns setzen.“

„Offensichtlich hast du eine neue Köchin.“

„Oh ja. Warte, bis du deine Zähne in den Braten und die Brötchen geschlagen hast, die sie zubereitet hat. Deshalb habe ich dich angerufen – damit du dich selbst überzeugen kannst.“

„Was du nicht sagst.“ Er grinste verschmitzt in Jessicas Richtung. „Das könnte in den nächsten Wochen interessant werden.“

„Nichts hat sich geändert. Sie muss sich erholen, und du kannst ruhig die anderen darüber informieren, dass sie hier ist.“

„Habe ich schon. Mir war klar, dass du sie engagierst, auch wenn sie nicht mal Wasser kochen kann. Hallo übrigens, Miss Upton“, begrüßte Jeb sie und betrat die Küche.

„Hallo, Jeb. Wenn Sie nicht wollen, dass ich Sie Mr White nennen, nennen Sie mich bitte Jessica.“

„Gern, Jessica.“

„Bedien dich, Jeb. Wir setzen uns gleich nach draußen. Nimm dein Essen doch mit raus, und setz dich zu uns“, sagte Ryan.

„Danke, aber ich gehe zu mir. Die Hunde warten.“ Jeb nahm sich einen tiefen Teller aus dem Schrank und bediente sich. „Herzlich Willkommen auf der Ranch, Jessica. Freut mich, dass Sie auch hier arbeiten. Ryan ist nicht immer da, also falls Sie mich mal brauchen, melden Sie sich einfach. Meine Nummer ist hier gespeichert.“

„Danke, Jeb.“

„Danke für das Abendessen. Es duftet herrlich.“

„Warten Sie, ich schneide Ihnen noch ein Stück Torte ab.“ Geschickt legte sie zwei Stücke übereinander auf einen Pappteller und gab ihn Jeb.

„Du solltest hier essen“, meinte Ryan. „Wenn du das alles fallen lässt, war’s das mit dem Abendessen.“

„Ich lasse gar nichts fallen. Danke, Jessica. Schön, Sie bei uns zu haben“, bekräftigte Jeb noch einmal.

Ryan folgte ihm zur Tür. „Genieß dein Abendessen.“

„Du hast es ganz sicher genossen“, flüsterte Jeb.

Ryan verstand die Anspielung. „Ich muss mir ständig ins Gedächtnis rufen, was sie alles durchgemacht hat.“

„Du kriegst das schon hin. Danke für das Essen.“

Ryan schloss die Tür hinter Jeb und kehrte in die Küche zurück, um Jessica zu helfen.

„Sie müssen die Küche nicht mit mir zusammen aufräumen. Sie bezahlen mich für die Arbeit hier.“ Sie stand nah bei ihm, so nah, dass er deutlich ihre makellose Haut und ihre langen Wimpern sehen konnte. Ihre Lippen waren voll und sinnlich.

„Dies ist kein gewöhnliches Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis. Es ist anders, das wissen Sie genau. Sie sind Single. Wenn Sie nicht gerade eine schlimme Scheidung und eine Fehlgeburt hinter sich hätten, würde ich Sie fragen, ob Sie mit mir ausgehen“, gestand er.

„Tja, aber so ist es nun mal“, erwiderte sie. „Danke, dass Sie meine Wünsche respektieren, sonst könnte ich nämlich nicht bleiben. Es wäre für uns beide vielleicht einfacher, wenn Sie mir nach den Mahlzeiten nicht mehr beim Aufräumen helfen würden.“

„Wir werden sehen. Ich kann Distanz wahren“, versicherte er ihr und fühlte erneut, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat, während sich alles in ihm zusammenzog. Sie hatte so gut wie zugegeben, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Das war nicht gerade hilfreich bei dem Versuch, ihr zu widerstehen.

Als das Geschirr weggeräumt war, sagte Ryan: „Kommen Sie, wir sehen uns den Sonnenuntergang an. Das kann um diese Jahreszeit sehr schön sein. Wir setzen uns in den mit Fliegengitter geschützten Teil der Veranda, dann plagen uns die Mücken nicht. Möchten Sie einen Drink mit nach draußen nehmen?“

„Nein, danke.“

Ryan war sich ihrer Nähe sehr bewusst, während sie neben ihm ging. Er registrierte ihre seidenweich aussehenden blonden Haare und ihr verlockendes Parfum. Beinah hätte er laut gestöhnt.

Sie setzte sich auf einen Liegestuhl, an den er seinen heranzog und so platzierte, dass er sie ansehen konnte. Sie legte die Füße hoch, und beim Anblick ihrer spektakulären Beine stockte ihm der Atem, bis sie sie wieder mit ihrem Rock bedeckte.

„Es ist schön hier draußen.“

„Ja“, sagte er, ohne den Blick von ihren Beinen abzuwenden. Erst als sie ihn ansah, schaute er auf den Garten. „Ich genieße es immer, hier draußen zu sein.“

Sie saßen beisammen und redeten, und nach einer Stunde holte er ihr von drinnen einen Eistee und sich ein kaltes Bier. Die Sonne ging unter und war schließlich verschwunden. Die Dämmerung wich der Dunkelheit. Poollichter, Laternen und Verandalampen gingen an und tauchten das blaue funkelnde Wasser, die Blumen und den Springbrunnen in sanftes Licht.

Jessica und Ryan vergaßen die Zeit, bis Jessica irgendwann die Füße vom Liegestuhl schwang und aufstand. „Es ist schon spät. Bis sechs Uhr morgen früh ist es nicht mehr lange hin.“

„Stimmt. Sagen wir lieber morgen um sieben. Keiner von uns wird um sechs zum Frühstück auf sein.“

„Gern.“

Er begleitete sie zur Tür, wo sie stehen blieb und ihn ansah. Er wusste, dass er zu nah bei ihr stand, doch er konnte nicht widerstehen. „Ich bin froh, dass Sie sich für den Job beworben und mich dazu überredet haben, Ihnen eine Chance zu geben. Sie sind eine ausgezeichnete Köchin.“

„Danke für den Job, Ryan“, sagte sie und wollte ihm die Hand schütteln. Kaum hatten sich seine Finger um ihre geschlossen, sog er scharf die Luft ein. Ihre Hand fühlte sich so warm und sanft an, dass er sie nicht mehr loslassen wollte.

„Sie besitzen all die guten Eigenschaften, von denen Pru und Brad gesprochen haben“, erwiderte sie und klang dabei ein wenig atemlos, während er nach wie vor ihre Hand hielt.

Er schüttelte leicht den Kopf. „Ich will ihren Empfehlungen lieber nicht gerecht werden müssen, aber ich werde es zumindest versuchen, Jessica.“ Er senkte den Blick auf ihren Mund. Er durfte sie nicht küssen, doch er wollte es so sehr, dass ihn ein Schauer überlief. Ihre Lippen sahen so einladend aus.

„Gute Nacht, Ryan“, sagte sie und verschwand in ihrem Apartment.

Er ging zurück, um die Lichter zu löschen. Der morgige Tag würde noch schwieriger werden, trotzdem hatte er nicht die Absicht, ihr aus dem Weg zu gehen.

Er fluchte leise und ging in sein Zimmer, obwohl er wusste, dass er noch nicht würde schlafen können. Jessica Upton, seine neue Köchin, war wunderschön, sexy und verführerisch.

Er fuhr sich durch die Haare. „Jessica“, flüsterte er. Nie zuvor hatte er eine Frau so sehr begehrt. Und noch nie hatte es so viele Gründe gegeben, die Finger von einer Frau zu lassen.

„Jessica, ich will dich“, flüsterte er in der Dunkelheit.

4. KAPITEL

Drei Tage später schenkte Jessica Orangensaft ein. Auf dem Tisch standen Schalen mit Blaubeeren und Erdbeeren. Auf dem Küchentresen hatte sie eine Auswahl an Frühstückszerealien bereitgestellt, da Ryan Müsli und Früchte jedem anderen Frühstück vorzuziehen schien.

Sie hörte ihn kommen und strich sich die Schürze glatt, die sie über der Jeans und der roten Bluse trug.

Als Ryan eintrat, beschleunigte sich ihr Puls. Seine Haare waren noch feucht vom Duschen. Er war frisch rasiert, trug ein dunkelblaues Poloshirt, Jeans und seine braunen Stiefel. Ihre Blicke trafen sich, und ihr Herz schlug noch schneller.

Mit jedem weiteren Tag reagierte sie heftiger auf ihn. Die meiste Zeit widerstand Ryan der Versuchung zu flirten. Er war der ideale Arbeitgeber, und das half ihr, sich allmählich von den Schmerzen der Vergangenheit zu erholen.

Plötzlich wurde sie sich ihres Aussehens bewusst und widerstand dem Impuls, sich eine Strähne, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte, aus dem Gesicht zu streichen.

„Guten Morgen“, begrüßte er sie und kam auf sie zu. „Sie haben schon das Frühstück zubereitet, wie ich sehe.“

„Na ja, so einigermaßen. Möchten Sie Frühstücksflocken und Obst?“

„Ausgezeichnet“, antwortete er. „Haben Sie schon etwas gegessen?“

„Nein, noch nicht.“

„Großartig, dann leisten Sie mir doch einfach Gesellschaft. Ich schenke Ihnen Orangensaft und Kaffee ein“, sagte er.

Lachend versuchte sie, ihm die Flasche Orangensaft aus der Hand zu nehmen. „Ich glaube, ich sollte Sie bedienen, nicht umgekehrt …“ Kaum berührte ihre Hand seine, durchfuhr es sie heiß. Er atmete tief ein, und der Ausdruck in seinen Augen ließ sie erschauern.

„Ich arbeite heute auf der Ranch, aber morgen muss ich nach Dallas. Es findet ein Treffen der Delaney Foundation statt. Sie könnten mich begleiten und meine Familie kennenlernen. Glauben Sie mir, Sie werden noch viel von meinen Verwandten hören und häufig mit ihnen telefonieren. Während des Treffens können Sie Ihre Zeit frei gestalten, was in Dallas nicht schwierig sein dürfte.“

„Danke“, erwiderte sie, und es fiel ihr schwer, ihr Interesse nicht zu offenkundig zu zeigen. Die ruhige RD-Ranch diente ihren Zwecken, doch die Aussicht, nach Dallas zu kommen, war nicht zu verachten. „Sehr gern.“

„Macht Ihnen die Ruhe auf der Ranch bereits zu schaffen?“

Sie errötete leicht. „Ja, ein bisschen“, gestand sie. „Aber ich bin nach wie vor dankbar für den Job. Er ist perfekt, und der Ort ist ideal. Hier kann ich mich erholen, ohne ständig an meinen Ex denken zu müssen. Es war unangenehm, ihm auf Partys über den Weg zu laufen. Außerdem rief er häufig an. Wie dem auch sei, ein Ausflug nach Dallas klingt nach Abwechslung. Ich freue mich darauf, Ihre Familie kennenzulernen.“

„Die sind alle sehr nett, einschließlich der Angeheirateten. Sie werden sie mögen.“

„Bestimmt“, versicherte sie ihm, noch immer überrascht, dass er sie eingeladen hatte. Warum war er so höflich und freundlich zu ihr? Sie vermutete, dass er noch niemanden von seinen Angestellten eingeladen hatte, ihn zu begleiten.

„Wir werden am Spätnachmittag zur Ranch zurückfliegen. Es sei denn, Sie wollen noch bleiben und ich darf Sie zum Abendessen einladen.“

Das klang so verlockend, dass sie noch nicht einmal wagte, darüber nachzudenken. Sie musste ihm sofort eine Absage erteilen.

„Danke, aber ich sollte wieder auf die Ranch zurückkehren“, sagte sie, obwohl sie am liebsten jede Vorsicht vergessen, seine Einladung angenommen und einen wundervollen Abend mit diesem aufregenden Mann verbracht hätte.

Doch nun hatte sie Nein gesagt und musste dabei bleiben.

„Dann fliegen wir eben nach Hause“, sagte er.

Ein Date mit Ryan. Tanzen. Sie durfte nicht mehr daran denken, was hätte sein können.

Gegen ihre Enttäuschung war sie machtlos.

Am nächsten Morgen erwachte Jessica früh, weil sie es kaum erwarten konnte, nach Dallas zu kommen. Sie zog das hellblaue Baumwollkostüm an, das sie zum Vorstellungsgespräch bei Ryan getragen hatte.

Endlich verließ sie ihr Apartment und fand ihn wartend in seinem Arbeitszimmer. Als sie eintrat, stand er auf und musterte sie von Kopf bis Fuß, was ein sinnliches Kribbeln in ihr auslöste. Zusätzlich zu dieser Reaktion ließ sein Äußeres ihr Herz schneller schlagen. In dunklem Anzug, weißem Hemd und anthrazitfarbener Krawatte sah er noch besser aus als in Arbeitsklamotten. Dazu trug er elegante schwarze Stiefel, und sein Haar war ordentlich gekämmt – trotzdem fielen ihm einige widerspenstige Locken in die Stirn.

„Sie sehen großartig aus“, bemerkte er, und seine Stimme klang rau.

„Sie sehen auch ziemlich gut aus“, erwiderte sie. „Ich freue mich auf den heutigen Tag.“

„Ich auch. Brechen wir auf.“ Er umfasste ihren Ellbogen, was dazu führte, dass sie sich seiner Gegenwart noch stärker bewusst wurde.

In weniger als einer Stunde saßen sie in seinem Luxusjet und flogen Richtung Dallas. Jessica schaute auf das sich weithin erstreckende Ranchland unter ihnen.

„Ich habe heute Morgen mit meiner Mutter gesprochen und meiner Schwester sowie meiner Freundin eine SMS geschickt. Meine Mom möchte, dass ich nach Hause komme. Meine Schwester und meine Freundin sind froh, dass ich einen Job gefunden habe, der mir gefällt. Meine Mutter weiß nicht genau, wo ich mich aufhalte, aber sie kann mich auf dem Handy oder über meine Schwester erreichen. Ich will nicht, dass meine Eltern sich meinetwegen Sorgen machen, aber ebenso wenig möchte ich, dass sie versuchen, mich zur Heimkehr zu überreden.“

„Sie können doch einfach Nein sagen, oder?“

„Oh, natürlich. Aber mein Dad gibt nicht so leicht auf. Noch schlimmer wäre, dass sie meinem Ex verraten, wo ich bin, und der hier auftaucht. Meine Eltern mögen ihn sehr, und meine Mutter findet sogar, ich sollte über seine Untreue hinwegsehen. Ich habe aber nicht die Absicht, etwas Derartiges zu tun. Das Ehegelübde hat mir etwas bedeutet, auch wenn Carlton offenbar nichts darauf gab.“

Ryan musterte sie, doch wurde sie aus seiner Miene nicht recht schlau. „Sie sagen gar nichts. Heißt das, Sie sind einer Meinung mit ihnen?“, erkundigte sie sich.

„Ganz und gar nicht. Ich bin auf Ihrer Seite. Sie wollten sich an das Ehegelübde halten. Ich frage mich, warum Ihre Eltern wollen, dass Sie mit so jemandem zusammen sind. Außerdem frage ich mich, warum Ihr Ex Affären hatte, wenn zu Hause jemand wie Sie auf ihn wartete.“

Lächelnd zuckte sie die Schultern. „Vermutlich war ich ihm nicht genug. Ich glaube, im Grunde wollte er keine Ehe. Er hat nur geheiratet, weil es sich so gehörte. Ich war die richtige Ehefrau, bis ich beschloss, ihn zu verlassen.“

„Sollte er je auf der Ranch auftauchen, lassen Sie mich mit ihm reden.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass er auf Ihre Ranch kommt.“

Ryan drückte ihre Hand. „Gut. Und nun lassen Sie uns über etwas Erfreulicheres reden. Zum Lunch treffen wir uns mit meiner Familie, anschließend sind Sie bis zum Nachmittag auf sich gestellt. Am Flughafen wird uns eine Limousine abholen, die Sie für den Nachmittag benutzen können, falls Sie shoppen möchten. Ich rufe an, sobald das Meeting beendet ist.“

Sie lächelte. „Ich kann es kaum erwarten, shoppen zu gehen. Übrigens, weiß Ihre Familie eigentlich, dass ich Ihre Köchin bin?“

„Natürlich. Das ist kein Geheimnis.“

„Wie viele Köchinnen haben Sie Ihrer Familie denn schon vorgestellt?“

„Noch keine. Sie sind in jeder Hinsicht eine Ausnahme.“

Sie beobachtete ihn und wünschte, seine Gedanken lesen zu können.

Schweigend wandte er den Blick ab.

Am Flughafen in Dallas holte sie eine schwarze Limousine ab und brachte sie zu einem Countryclub.

Beim Betreten des Raumes, in dem sich ein großer runder Tisch befand, erkannte Jessica die Familienmitglieder von den Fotos wieder. Der erste Mann, der ihr auffiel, musste ein Delaney sein. Groß, mit dunkelbraunen Augen und vollem, gewelltem schwarzem Haar, wiesen seine Gesichtszüge deutliche Ähnlichkeit mit denen von Ryan auf. Er war in Begleitung einer wunderschönen blonden Frau mit faszinierenden grünen Augen. Sie sah jünger aus als er und lächelte freundlich.

Ryan machte sie miteinander bekannt. „Jessica, dies ist mein Bruder Will. Will, darf ich dir Jessica Upton vorstellen?“

„Ich bin Ryans neue Köchin“, erklärte sie, während sie Wills Hand schüttelte. „Ich habe schon viel von Ihnen gehört und freue mich, Sie kennenzulernen.“

„Freut mich auch. Schön, dass Sie beim Lunch dabei sind“, erwiderte Will.

„Ich habe von Caroline und Adam gehört“, sagte Jessica und sah Ava an. „Haben Sie zufällig Fotos von ihnen dabei?“

„Selbstverständlich“, antwortete Ava und wandte sich an Will, der nickte. „Wir haben beide Fotos“, sagte er lachend. „Ava soll ihre ruhig zeigen.“

Ava zog ihr Handy hervor und hielt es so, dass Jessica und Ryan sich die Fotos anschauen konnten. Jessica fühlte einen Stich, als sie ein wunderhübsches schwarzhaariges kleines Mädchen sah, das lächelnd einen flauschigen weißen Hund hielt. Für einen Moment musste sie an ihren Verlust denken und wie sehr er geschmerzt hatte. „Das ist also Caroline“, sagte sie. „Sie ist ein so hübsches Mädchen.“

„Zeig ihr Adam“, forderte Ryan Ava auf und legte den Arm lässig um Jessicas Schultern.

Ava blätterte weiter und hielt ein Foto von einem grinsenden kleinen Jungen mit dunklen Augen und dunkelbraunen Haaren hoch.

„Er ist so süß“, bemerkte Jessica.

„Finden wir auch“, sagte Ava glücklich.

Ryan ließ den Arm sinken und löste sich von Jessica, um kurz etwas Geschäftliches mit Will zu besprechen.

„Ich weiß, dass Sie sich alle sehr gut verstehen“, sagte Jessica, als Ava ihr Handy wieder einsteckte. „Sie sind zu beneiden.“

Ryan kehrte zu ihr zurück und umfasste ihren Arm. „Entschuldigt uns bitte. Ich möchte Jessica Zach und Emma vorstellen. Wir sehen uns später. Kommen Sie, ich stelle Ihnen den Weltenbummler vor, der so gerne Häuser demoliert. Jetzt allerdings nicht mehr, denn mit Emma hat er alle Hände voll zu tun“, fügte er belustigt hinzu.

„Tut mir leid, falls ich ein wenig zu emotional reagiert habe. Manchmal fällt es mir immer noch schwer, den Verlust meines Babys zu akzeptieren.“

„Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Niemand hat etwas bemerkt, und falls doch, würden sie es verstehen. Dieser schmerzliche Verlust wird Sie immer begleiten. Aber vergessen Sie nicht, was der Arzt Ihnen gesagt hat: Sie können noch Babys bekommen.“

„Dass er Ihr Bruder ist, sieht man gar nicht“, bemerkte sie, als sie auf Zachs dichtes lockiges Haar und seine lebhaften blauen Augen deutete, während sie sich ihm näherten. Neben ihm stand eine schlanke Rothaarige. Er hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt. Offenbar war das Emma Delaney, seine Frau.

„Nein, wir sehen uns nicht ähnlich. Die älteren Familienmitglieder behaupten alle, Zach sehe wie einer unserer Großväter aus. Ich staune immer noch über die Veränderungen in seinem Leben, die früher niemand für möglich gehalten hätte. Zach ist jetzt häuslich, arbeitet im Büro und hat seinen Lebensstil komplett geändert. Tja, das macht die Ehe mit einem Mann.“

Sie lachte. „Das hört sich an, als seien Sie gegen die Ehe.“

„Nein. Sie ändert nur alles. Für Zach hat sie monumentale Veränderungen bedeutet. Für Will nicht so sehr. Aber Garrett – das ist Sophias Mann – hat sich auch sehr geändert, beinah so sehr wie Zach. Garrett hat den Beruf gewechselt. Er war unser Finanzberater, und nun baut er Möbel. Ich nehme an, die Frauen haben ihr Leben ebenfalls geändert. Ava ist zweifache Mutter. Emma hat jetzt ein Baby. Sophia geht ganz in ihrer Kunst auf, und sie ist sehr gut darin. Wenn ich mit ihnen zusammen bin, freue ich mich, noch Single zu sein, denn sie haben alle so viele Verpflichtungen.“

„Das sagt ausgerechnet der Mann, der eine große Firma leitet und eine Ranch führt.“

Sie blieben vor einem Paar stehen, das Ryan begrüßte. Er küsste seine Schwägerin auf die Wange und erklärte: „Emma, Zach, das ist meine neue Angestellte Jessica Upton. Jessica, das sind meine Schwägerin Emma und mein Bruder Zach.“

Erneut war Jessica erstaunt über die fehlende Ähnlichkeit zwischen den Brüdern.

Man unterhielt sich einen Moment im Stehen, dann sagte Ryan: „Entschuldigt mich bitte, ich möchte Jessica noch Sophia und Garrett vorstellen.“

Während sie weiter die Runde machten, bemerkte Jessica: „Sie haben eine nette Familie.“

Ehe Ryan darauf etwas entgegnen konnte, kam ein anderes Paar auf sie zu. Ryan schüttelte dem Mann die Hand und küsste die Frau.

„Sophia, ich möchte dir Jessica Upton vorstellen“, sagte Ryan. Eine bezaubernde schwarzhaarige Frau richtete ihre braunen Augen auf Jessica. Sophia trug ihr Haar auf der einen Seite hochgesteckt, mit einer großen weißen Rose darin. Ihr blaues Kleid hatte einen tiefen runden Ausschnitt.

„Freut mich sehr, Sie kennenzulernen“, begrüßte Sophia sie. „Das ist mein Mann Garrett Cantrell.“ Sie zeigte auf einen großen attraktiven Mann, dessen graue Augen sein verwegenes Äußeres noch unterstrichen.

Garrett schüttelte Jessica die Hand. „Schön, Sie kennenzulernen. Ich hörte, Sie kommen aus Tennessee. Eine schöne Stadt.“

„Ja, finde ich auch“, erwiderte Jessica und unterhielt sich eine Weile mit ihm über einen Sommerurlaub, den er dort einmal verbracht hatte. Dann war es Zeit für das Mittagessen. Sie saß zwischen Ryan und Emma Delaney. Sämtliche Delaneys waren freundlich, ebenso ihre Partner, und Jessica machte es Spaß, sie alle kennenzulernen.

Nach dem Essen verabschiedete Jessica sich von allen, und Ryan begleitete sie hinaus zur Limousine.

„Ich habe eine Liste von Läden, in denen man am besten einkaufen kann. Pru hat sie mir gegeben.“

„Ich melde mich, sobald wir fertig sind. Wir können hier essen, bevor wir zurückfliegen, dann brauchen Sie heute Abend nicht mehr zu kochen“, bot er an. „Wollen Sie wirklich nicht tanzen gehen, solange Sie in der Großstadt sind?“

„Diesmal nicht“, antwortete sie und schaute den vorbeifahrenden Wagen auf dem Parkplatz und den in das weitläufige Clubhaus hinein- und hinausgehenden Leuten zu. „Das machen wir ein andermal“, vertröstete sie ihn.

„Überlegen Sie es sich. Bis später.“

Der Chauffeur hielt ihr die Tür auf, und Jessica stieg in die Limousine. Beim Wegfahren sah sie Ryan zurück ins Clubhaus gehen. Noch immer war sie erstaunt über ihre Reaktion auf ihn. Eigentlich hatte sie geglaubt, zurzeit völlig unempfänglich für das männliche Geschlecht zu sein, doch auf Ryan traf das definitiv nicht zu. Für ihn zu kochen, mit ihm unter einem Dach zu wohnen, sich mit ihm zu unterhalten und nun auch noch seine Familie kennenzulernen – all das verband sie noch enger miteinander. Was ihre Gefühle betraf, musste sie auf der Hut sein, denn momentan war sie einfach zu verletzlich und konnte ihrem eigenen Urteil kaum trauen.

Das Einzige, was sie jetzt mit Sicherheit wusste, war, dass es nahezu unmöglich sein würde, sich nicht in Ryan zu verlieben.

Sie musste ihm aus dem Weg gehen. Das war ihre einzige Hoffnung.

So viel zu meinem Vorsatz, Ryan aus dem Weg zu gehen, dachte Jessica nach dem gemeinsamen Abendessen und dem Rückflug. Es war bereits nach zehn, als sie endlich die Ranch erreichten. Ryan half ihr, die Einkäufe in ihr Apartment zu bringen. Er hatte Mantel und Krawatte abgelegt, die Hemdsärmel aufgekrempelt sowie die obersten drei Knöpfe geöffnet. Er sah sexy und anziehend aus, was Jessicas Entschlossenheit auf die Probe stellte.

„Ich glaube, ich muss mir keine Sorgen machen, dass Sie nicht genug Bargeld dabeihatten oder nichts gefunden haben. Sieht aus, als hätten Sie ganz Dallas leer gekauft.“

„So schlimm ist es auch wieder nicht. Meine Kleiderauswahl war begrenzt.“

„Sie sehen in allem gut aus“, erwiderte er, ein paar Schritte von ihr entfernt, die Hände in den Hosentaschen. Sie standen in ihrem Schlafzimmer, und erneut knisterte die Luft zwischen ihnen.

„Gute Nacht“, sagte er unvermittelt und wandte sich zum Gehen.

Jessica atmete tief ein und folgte ihm, um die Tür hinter ihm zu schließen.

Fast hatte sie damit gerechnet, dass er sie küsste – und sie hatte es gewollt. Mit beiden Händen rieb sie sich die Schläfen und schüttelte den Kopf. Sie durfte sich nicht in Ryan verlieben. Das würde ihre Probleme nur noch größer machen. Außerdem war eine Affäre an diesem Punkt in ihrem Leben das Letzte, was sie brauchte. Sie war hier, um sich zu erholen, und nicht, um ihre Situation noch komplizierter zu machen.

Am nächsten Morgen stand Jessica extra früh auf, um vor Ryan zu frühstücken.

Er tauchte um sieben auf. Jessica hörte ihn im Flur pfeifen, bevor er die Küche betrat. In Jeans und blauem Wollpullover strahlte er Energie und gute Laune aus.

„Guten Morgen. Ah, neue Klamotten, was? Mir gefällt, was Sie sich ausgesucht haben.“ Er musterte ihre Jeans und ihr Baumwollhemd. Beides gehörte zu den Sachen, die sie in Dallas gekauft hatte. Ihre Haare waren mit einem roten Band zusammengebunden.

Jessica mochte auch seinen Kleidungsstil, doch sie hütete sich, ihm das zu sagen. Sie beabsichtigte, unpersönlich und professionell zu bleiben. „Ich habe Erdbeeren, Brombeeren, Blaubeeren, Kiwis und Mangoscheiben. Es gibt Haferflocken und Maisgrütze mit Käse.“

„Ich nehme alles“, erklärte er und bediente sich bereits. „Klingt gut. Essen Sie mit mir.“

„Ich habe schon gefrühstückt.“ Schnell wandte sie sich ab, um das Geschirr in die Maschine zu räumen, deshalb sah sie seine Reaktion auf ihre Aussage nicht.

„Wenn ich gefrühstückt habe, fahren wir in die Stadt und kaufen Lebensmittel, okay?“

„Ja, gern“, antwortete sie, ohne sich umzudrehen, und konnte eine gewisse Enttäuschung nicht leugnen. Es schien ihn nicht zu kümmern, dass sie nicht mit ihm frühstückte. Allerdings sollte sie darüber froh sein, nicht enttäuscht.

Während er in der Frühstücksecke aß und die Zeitung las, arbeitete sie in der Küche. Als er fertig war, brachte er sein Geschirr zur Spüle. „Wann können wir los?“

„Von mir aus in fünf Minuten“, sagte sie.

„Ausgezeichnet. Dann brechen wir auf. Ich fahre meinen Pick-up vor.“

Rasch lief sie in ihr Apartment, um ihre Handtasche zu holen. Als sie das Haus verließ, wartete Ryan schon in seinem glänzenden schwarzen Pick-up. Sie stieg ein, und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Highway.

„Wenn ich nächste Woche allein in die Stadt fahre, soll ich dann meinen Wagen nehmen?“, fragte sie, damit die Unterhaltung sich um den Job drehte.

„Nein, in der Garage steht ein Van, den Sie nehmen können. Der hat alles, was Sie brauchen. Haben Sie je auf dem Land oder in einer Kleinstadt gelebt?“

„Bisher nicht.“

„Das Leben hier ist in vielerlei Hinsicht anders als in der Stadt, und das trifft auch auf Ihre Lebensmitteleinkäufe zu.“

„Inwiefern?“

„Der Laden ist der soziale Treffpunkt des Ortes.“

„Hört sich gut an. Bis jetzt mochte ich alle Einheimischen, denen ich begegnet bin.“

Als sie nach Bywater hineinfuhren, fühlte Jessica sich in die Vergangenheit zurückversetzt. Entlang der Gehsteige standen Maulbeerbäume, und vereinzelte Holzhäuser mit Veranden säumten die breite Hauptstraße. Blumen und hohe Yuccapalmen blühten in den Vorgärten, und hier und dort sah man eine Kinderschaukel an einem Ast. Kinder fuhren mit dem Fahrrad auf dem Gehsteig, und Hunde trotteten ihnen hinterher.

„Da ist das Bywater Hotel. Es wurde 1910 gebaut und hat sich seither nicht viel verändert. Man könnte den Stil treffend mit ‚ländlich‘ beschreiben“, erklärte Ryan, während sie die Hauptstraße entlangfuhren.

Sie kamen an einem Eisenwarenladen vorbei, einem Kleidergeschäft, einer Eisdiele, einem Restaurant und einer Tankstelle an der Ecke. Auf der anderen Straßenseite lag der Lebensmittelladen, mit Getränkeautomaten davor, einem Zeitungsstand und einer Bank. Die Tür stand offen, eine Fliegengittertür dahinter hielt Insekten fern. Drinnen nahm Ryan einen kleinen Einkaufswagen. „Gehen Sie voran, ich folge Ihnen.“

„Guten Morgen, Ryan“, begrüßte ihn eine Frau. „Was machst du am Samstagmorgen im Lebensmittelladen?“

„Guten Morgen, Grace. Das ist meine neue Köchin Jessica Upton. Jessica, das ist Grace Parker.“

Bei der zehnten Person, der sie begegneten, gab Jessica es auf, sich jeden Namen merken zu wollen. Manche grüßten sie und liefen weiter, die meisten aber blieben stehen und unterhielten sich mit ihr. Wenn das so weiterging, würden sie erst mittags wieder aus dem Laden herauskommen. Einmal schaute sie sich um und entdeckte Ryan, der mit ein paar Männern in ein Gespräch vertieft war.

Kaum war er wieder an ihrer Seite, rief ihn erneut jemand. Sanft umfasste er ihr Handgelenk. „Das sind meine Freunde Molly und Jas Cooley. Ich kenne die beiden schon lange. Und das ist der kleine Benny Cooley, der jüngste Nachwuchs.“

„Was für hübsche große braune Augen“, sagte Jessica, während sie Benny in den Armen seiner Mutter betrachtete. Erneut fühlte sie einen Stich wegen des Babys, das sie verloren hatte. „Sie sind sicher überglücklich.“

„Unbedingt – bis zwei Uhr morgens“, erwiderte Jas und lächelte seinen Sohn an. „Dann ist er nicht mehr ganz so süß wie die übrige Zeit.“

„Na, komm schon“, neckte Ryan ihn. „Um zwei Uhr morgens steht Molly doch auf. Dich würde nicht mal eine Atomexplosion aus dem Bett werfen.“

Alle lachten, und Jessica begriff aufs Neue, dass dies der perfekte Ort war, um zu arbeiten. Die Leute waren freundlich, und die Chance, jemandem von zu Hause über den Weg zu laufen, war äußerst gering. Ryan war sehr nett und aufmerksam, und bis zu einem gewissen Grad verhielt er sich sehr professionell. Inzwischen schlief sie sogar schon besser und sah ihrer Zukunft zuversichtlicher entgegen.

Während sie weitergingen, schaute sie auf die Einkaufsliste. „Wir brauchen nur noch ein paar Sachen. Ihre Freunde sind nett, und das Baby ist hinreißend.“

Ryan legte ihr den Arm um die Schultern, während sie vor einem Regal mit Bohnen stand. „Eines Tages werden Sie wieder heiraten und ein Baby bekommen.“

„Das hoffe ich“, flüsterte sie mit pochendem Herzen. Seine Nähe machte sie nervös. „Momentan ist die Ehe für mich allerdings undenkbar. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis ich meinem eigenen Urteil wieder traue. Beim ersten Mal habe ich jedenfalls gleich einen Riesenfehler begangen.“

„Vergessen Sie’s, und schauen Sie nach vorn. Ein zweites Mal werden Sie keinen solchen Fehler machen.“

Sie verzichtete darauf, ihm zu widersprechen, doch bezweifelte sie, dass sie jemals diese Zuversicht besitzen würde.

Es dauerte noch eine weitere Stunde, bis sie fertig waren und den Laden verließen.

„Hier gibt es ein recht gutes Hamburger-Restaurant – die Burger sind nicht so gut wie Ihre, aber passabel. Ich lade Sie ein, dann können Sie weitere Einheimische kennenlernen.“

Sie lachte. „Dieses Städtchen ist so klein, und doch läuft man so vielen Leuten über den Weg.“

„Es ist Samstag, die Leute kommen von überallher. Man kauft ein, trifft sich, isst in der Stadt, macht Besorgungen. Morgen ist Gottesdienst, dann strömen die Menschen in die Kirche. Montag ist es wieder still und beinah wie ausgestorben.“

Er hielt ihr die Fliegengittertür zu einem kleinen Restaurant auf, auf dessen Tischen rot-weiß karierte Plastikdecken lagen. Sie aßen dicke saftige Burger, und Ryan trank dazu Eiswasser. Er stellte sein Glas ab und sagte: „Roy, der grauhaarige Mann, den ich Ihnen vorgestellt habe, veranstaltet heute Abend eine Grillparty. Haben Sie Lust? Es tut Ihnen vielleicht ganz gut, mal rauszukommen und sich zu amüsieren.“

Er hatte ganz beiläufig gefragt, deshalb antwortete sie: „Eigentlich sollte ich nicht, aber irgendwie kann ich nicht Nein sagen. Es ist so lange her, dass ich ausgegangen bin, und auf einer Grillparty oder Scheunenfete war ich noch nie.“

„Gut. Sagen wir, um sieben? Die Party geht schon vorher los, aber wir müssen nicht schon um fünf da sein, wenn es noch heiß ist.“

„Sieben passt mir gut“, erwiderte sie und überlegte bereits, was sie anziehen sollte.

Zurück auf der Ranch, half er ihr, die Einkäufe zu verstauen, bis sie ihn wegscheuchte. Im Lauf des Nachmittags stieg Jessicas Vorfreude auf die Grillparty. Nach dem Duschen zog sie eine neue enge Jeans und ein hellrotes Baumwolltop an. Dazu schlüpfte sie in neue Westernstiefel. Sie bürstete sich die Haare und wählte indianische Ohrringe, die sie bei ihrer Shoppingtour gekauft hatte.

Nervös nahm sie ihre Handtasche und machte sich auf den Weg zu Ryans Arbeitszimmer.

Er stand mit dem Rücken zur Tür, sodass Jessica Gelegenheit bekam, seine breiten Schultern zu bewundern und den Blick langsam bis zu seinen Westernstiefeln hinabgleiten zu lassen. Er trug ebenfalls eine enge Jeans, dazu ein blau kariertes Hemd und einen handgearbeiteten Ledergürtel um die schmale Taille. Er sah fantastisch aus, sexy und verführerisch. An diesem Abend, nahm sie sich vor, wollte sie die Vergangenheit vergessen und den Augenblick genießen.

Und wie könnte sie das auch nicht – mit diesem Mann an ihrer Seite?

5. KAPITEL

Als Ryan Jessica anlächelte, klopfte sein Herz. In der engen vorgewaschenen Jeans, der roten Western-Bluse, die ihre Kurven perfekt zur Geltung brachte, und den schwarzen Stiefeln brachte sie ihn glatt um den Verstand.

„Wow“, stieß er leise hervor und ging auf sie zu. „Sie sehen absolut großartig aus.“

„Danke“, gab sie zurück und lächelte, sodass ihr Grübchen in der Wange sichtbar wurde. Sein Blick fiel auf ihre sinnlichen Lippen, und er fragte sich unwillkürlich, wie er es schaffen sollte, nicht an heiße Küsse zu denken.

Er nahm sich zusammen. „Brechen wir auf zu dieser Party. Das Essen wird klasse sein, wenn auch nicht so gut wie Ihre Küche.“

Sie lachte und ließ sich von ihm zur Hintertür hinausführen. „Noch sind meine Kochkünste nicht gut genug. Ich hoffe, mit der Zeit besser zu werden.“

Ryan nahm ihren Duft wahr, während sie nebeneinander hergingen. Am liebsten hätte er sie den ganzen Abend eng an seiner Seite gehabt.

„Das ist wirklich eine ganz neue Welt für mich“, gestand Jessica auf der Fahrt. „Ich war nie zuvor in Texas und hatte auch noch nie mit Cowboys zu tun. Deshalb bin ich wegen heute Abend ein bisschen aufgeregt. Es ist schwer, nicht zu vergessen, dass Sie eigentlich Geschäftsmann sind und kein Rancher.“

„Das Leben als Rancher liebe ich über alles, und ich hoffe, mich frühzeitig aus meinem Unternehmen in Houston zurückziehen und mich ganz auf meine Ranch konzentrieren zu können.“

„Warum tun Sie das nicht sofort, wenn es Ihnen so viel bedeutet? Leisten könnten Sie es sich.“

„Es gibt ein paar Dinge, die ich mir und meinen Brüdern beweisen muss. Die hatten alle großen Erfolg als Unternehmer, und ich will es ihnen gleichtun. Ich möchte, dass die Firma noch weiter wächst, bevor ich mich zurückziehe. Begonnen habe ich mit einem kleinen Ölförderunternehmen. Inzwischen forschen wir und haben Erdgasquellen. Ich will ein solides Energie-Imperium, möchte herausfinden, ob ich das erreichen kann. Dass ich es verstehe, eine Ranch zu führen, weiß ich.“

„Wir setzen uns alle unsere eigenen Ziele“, sagte sie und schaute aus dem Fenster.

Ryan erkannte, dass ihr die Unterhaltung zu ernst geworden war, deshalb nahm er ihre Hand und wechselte das Thema. „Die Party wird Ihnen gefallen. Es gibt lauter verschiedene Sachen zu essen, weil jeder etwas beisteuert.“

„Hätten wir dann nicht auch etwas mitbringen sollen?“

„Ich habe Bier und Wein eingekauft, als wir im Lebensmittelladen waren, und auf Roys Pick-up laden lassen.“

„Ich hätte etwas kochen sollen.“

„Oh nein, es muss nicht gleich jeder wissen, was für eine ausgezeichnete Köchin Sie sind. Sonst versucht man noch, Sie abzuwerben.“

„Ich finde, Sie übertreiben, aber na gut“, erwiderte sie lachend.

Sie hatte ihre Hand in seiner liegen lassen. Wahrscheinlich wäre es besser, ihre Hand nicht zu halten, doch sie war warm und weich. Er mochte diese Berührung, ihre Nähe, fühlte sich wie magisch zu ihr hingezogen – seit dem Moment, als sie auf seiner Ranch aufgetaucht und aus ihrem Wagen gestiegen war. Die Party war ihm ziemlich egal, er wollte nur einen Tanz mit Jessica, auch wenn er es besser nicht tun sollte. Aber ein einziger Tanz würde schon nicht so schlimm sein, oder doch?

Jessica verbrachte die erste Stunde damit, Leute kennenzulernen oder sich mit denen zu unterhalten, die sie aus dem Lebensmittelladen kannte. Kinder waren ebenfalls da, deshalb wurde Ponyreiten veranstaltet, und es gab Spiele für alle Altersgruppen.

Ryan blieb an ihrer Seite und machte sie mit allen bekannt. Einige sehr schöne Frauen blieben bei ihm stehen und unterhielten sich mit ihm. Jessica spürte ihre neugierigen Blicke. Es war offensichtlich, dass er einige von ihnen sehr gut kannte. Was für eine Beziehung er auch mit ihnen gehabt haben mochte, sie waren Freunde geblieben, was Jessica nicht überraschte. Ryan war ein so lockerer Typ, dass sie sich ihn gar nicht in einer festen Partnerschaft vorstellen konnte. Es wäre besser, das nicht zu vergessen.

Sie sahen Molly und Jas mit Benny, und nur wenige Minuten später hatten sie Jessica dazu überredet, mit Molly zusammen beim Dreibeinrennen der Frauen mitzumachen.

„Wenn wir im Takt bleiben, schaffen wir es“, meinte Molly.

Jessica kam sich ein wenig albern vor, willigte jedoch lachend ein.

Jemand rief „Los!“, und auf ging’s. Zu Jessicas Erstaunen überquerten sie und Molly die Ziellinie etliche Sekunden vor den Zweitplatzierten. Als Molly das Gleichgewicht verlor, fielen sie beide lachend zu Boden.

Ryan half Jessica auf und gratulierte beiden Frauen.

Beim Eierwerfen mit Ryan schieden sie unter den letzten drei Paaren aus.

Anschließend verließen sie die Spielfläche. „Sie und Molly haben das Rennen wie Profis absolviert“, bemerkte Ryan. „Sie ist viel gelaufen – zumindest bis zu Bennys Geburt.“

„Das wusste ich nicht. Ich bin auch fast täglich gejoggt, bis ich schwanger wurde. Vor vier Monaten habe ich wieder angefangen. Vielleicht waren wir deshalb so gut.“ Mit der Hand fächerte sie sich Luft zu. „Auf jeden Fall hat es Spaß gemacht.“

„Das freut mich. Ich hoffe, Sie haben Appetit bekommen. Sie haben bisher kaum etwas gegessen.“

„Das kommt noch, verlassen Sie sich drauf. Es duftet alles so herrlich.“ Ryan war jedoch noch verlockender als das Essen. Ihre Blicke trafen sich, und sofort war das Knistern wieder da. Er schien es ebenfalls zu bemerken.

Schnell ergriff er ihre Hand und führte Jessica zum Grillplatz und Buffet, wo sich allmählich eine Schlange bildete. Es gab so viele verschiedene Gerichte, dass sie unmöglich alles probieren konnten. Die Sonne war inzwischen untergegangen, und Fackeln brannten. Irgendwo spielten Geigen.

„Können Sie Squaredance?“, erkundigte Ryan sich nach dem Essen.

„Nein, aber ich habe den Verdacht, dass ich es gleich lernen werde.“

„Ganz genau. Folgen Sie mir einfach, und tun Sie, was man Ihnen sagt. Sie werden schnell begreifen.“

In der Scheune waren große Ventilatoren aufgestellt, die für Kühlung sorgten. Die Geiger klopften den Takt mit den Füßen, während sie spielten, und ein Mann rief die Tanzschritte aus. Eine größere Gruppe tanzte gemeinsam durch die große Scheune. An den Tresen und vom Heuboden aus sahen die Leute zu.

„Los, wir machen mit“, forderte Ryan sie auf und zog Jessica in den Kreis der anderen, mit denen sie durch die Scheune tanzte. Und obwohl sie sich auf die Schrittfolgen konzentrieren musste, war Jessica sich des großen Cowboys an ihrer Seite nur allzu bewusst.

Als sie zwei Männer an den Händen hielt, die sie nicht kannte, musste Jessica lächeln. Es machte wirklich Spaß, einmal alles zu vergessen. Sie war von Ryan getrennt worden, und als sie über die Schulter zurückschaute, sah sie, dass er sie nicht aus den Augen ließ.

Es war ein Uhr morgens, als sie zu Ryan sagte, sie sei müde und würde gern nach Hause fahren. Sie verabschiedeten sich und machten sich auf den Heimweg.

„Das war ein toller Abend. Danke, dass Sie mich gefragt haben. Ich habe mich köstlich amüsiert. Und das leckere Essen werde ich nie vergessen. Ich wünschte, ich käme an dieses Chili-Rezept ran.“

„Ich weiß nicht. Es gab ungefähr acht Leute, die Chili mitgebracht haben. Ich werde mal nachfragen und sehen, was ich tun kann. Sie könnten die Rezepte von allen bekommen und alle ausprobieren. Freut mich jedenfalls, dass Sie sich amüsiert haben. Mir hat’s auch gefallen.“

„Jetzt weiß ich, wie man Squaredance tanzt. Das hat wirklich Spaß gemacht.“

Als sie die Ranch erreichten, sagte er: „Wollen wir uns noch einen Moment nach draußen setzen? Sie können morgen länger schlafen. Sonntags müssen Sie nicht kochen. Ich komme allein zurecht.“

„Es macht mir nichts aus, am Sonntag zu kochen. Ich habe keinen Grund freizunehmen. Allerdings würde ich vormittags gern in die Kirche gehen, so wie ich es zu Hause auch mache. Aber anschließend kann ich gerne kochen.“

Sie nahmen Getränke mit hinaus und setzten sich auf die Veranda. Es war kühl geworden, und im Licht der Gartenlampen funkelte das Wasser des Springbrunnens.

„Es ist wie eine Oase hier“, sagte sie.

„Finde ich auch.“

„Sie sollten mal nach Tennessee kommen. Es ist wunderschön, und die Blumen sind herrlich im Frühjahr.“

„Ich war schon dort, und Sie haben recht. Es ist sehr hübsch. Genau wie die Ladys.“

Sie lächelte. „Danke. Und wo ist die Frau in Ihrem Leben? Ich habe darauf gewartet, dass sie auftaucht. Eine Menge Frauen haben heute Abend mit Ihnen gesprochen.“

„Tja, die ist wohl nicht erschienen. Es gab bisher niemanden, mit dem ich eine längere Beziehung hatte. Nur viele Freundinnen, mit denen ich eine gute Zeit hatte.“

„Sie nehmen das Leben und Beziehungen nicht allzu ernst, oder?“

„Das Leben ist ein Wahnsinnsspaß. Nein, ich fürchte, manche Dinge nehme ich nicht allzu ernst. Es gibt aber einige, die mir sehr wichtig sind. Meine Familie zum Beispiel. Aber was Beziehungen angeht – na ja, etwas Ernstes und Dauerhaftes ist nichts für mich.“

Sie nickte. „Erzählen Sie mir von den Rodeos. Ich war noch nie bei einem. Was machen Sie?“, erkundigte sie sich, um das Thema auf eine weniger persönliche Ebene zu lenken.

Sie unterhielten sich bis drei Uhr morgens. „Ryan, ich muss ins Bett.“

Sofort stand er auf und begleitete sie nach drinnen, schaltete die Lichter aus und schloss das Haus ab. In der Küche sahen sie sich an. Nur noch eine schwache Lampe brannte, die einen behaglichen Lichtschein verbreitete, der eine intime Atmosphäre schuf. Dieses Licht hob Ryans markante Wangenknochen hervor. Eine Locke fiel ihm in die Stirn. Doch es waren seine braunen Augen, die Jessica in ihren Bann zogen und ihr Herz schneller schlagen ließen. Denn der Ausdruck darin ließ keinen Zweifel – sein offenes Verlangen raubte ihr beinah den Atem.

Als er den Blick auf ihren Mund richtete, teilten sich ihre Lippen. Er trat näher. Sie sollte ihn stoppen, irgendetwas sagen, weglaufen. Stattdessen hielten seine Augen sie in ihrem Bann. Sie wollte ihn genauso sehr wie er sie.

Ein Kuss konnte nicht allzu schlimm sein, oder? Er wäre nicht viel mehr als das, was ohnehin schon zwischen ihnen war – sie waren zur Party gegangen, zusammen in die Stadt gefahren, beim Familienessen vor dem Meeting der Delaney Foundation gewesen. Von Beginn an hatten sie permanent eine Grenze überschritten, und es war nicht lebensbedrohlich gewesen. Schließlich waren sie nicht ineinander verliebt, wollten keine Beziehung außer der zwischen Arbeitgeber und Angestellter. Es würde bloß ein simpler Gutenachtkuss werden, etwas, das sie seit über einem Jahr nicht mehr bekommen hatte. Was konnte es also schaden?

Ryan kam noch näher und legte ihr sanft die Hände auf die Schultern. „Der heutige Abend war fantastisch.“

„Fand ich auch. Danke.“ Zärtlich massierte Ryan ihre Schulter. Im Grunde berührte er sie kaum, und doch erschauerte sie. „Ryan, wir sollten nicht …“

„Es ist bedeutungslos“, flüsterte er. „Nur ein Kuss. Ein harmloser Kuss, der den Abend abrundet. Sie werden sich nicht gleich in mich verlieben und ich mich nicht in Sie. Aber es wäre die Krönung dieses Abends und außerdem etwas, das ich tun will, seit Sie aus Ihrem roten Wagen gestiegen sind.“ Er legte ihr den Arm um die Taille.

Mit klopfendem Herzen wartete sie. Er presste seine Lippen auf ihre. Jessica fühlte sich benommen, wie berauscht. Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass er sich irrte und dieser Kuss nicht so harmlos war. Immerhin handelte es sich um den besten Kuss, den sie je bekommen hatte.

Nie zuvor war ein Kuss wie dieser gewesen. Heiß durchströmte es sie, ihr Herz raste. Diesen Kuss würde sie niemals vergessen. Er änderte alles.

Aus einem wurden viele, bis Jessica allmählich dämmerte, wie lange sie dort schon standen. Inzwischen brannte sie vor Begierde.

Ein wenig außer Atem löste sie sich von ihm, doch er ließ die Hände auf ihren Hüften liegen.

Als er sie wieder an sich zu ziehen versuchte, schüttelte sie den Kopf und befreite sich ganz von ihm. „Nein, bitte nicht“, flüsterte sie. Warum waren seine Küsse so anders? Sie kannten einander kaum, also konnte es nicht daran liegen, dass sie ihn liebte. Seine Küsse waren so leidenschaftlich, dass sie einfach dahinschmolz. Und jetzt sehnte sie sich nach mehr, wollte ihn die ganze Nacht küssen, in seinen Armen liegen.

„Gute Nacht, Ryan“, hauchte sie, lief zu ihrem Apartment und schloss atemlos die Tür hinter sich.

Am folgenden Tag würde sie nicht für ihn kochen, würde ihm aus dem Weg gehen und ihre Gefühle wieder unter Kontrolle bekommen. An ihrer heftigen Reaktion auf Ryan gab es nichts schönzureden. Wenn er sie weiter auf diese Weise küsste, würde sie schon bald in seinem Bett landen. Und dann würde sie eine körperliche Beziehung nicht mehr von einer emotionalen trennen können.

Musste sie den Job kündigen, der ihr doch in jeder Hinsicht perfekt erschien? Und das alles nur wegen einiger Küsse, die Ryan bedeutungslos genannt hatte? Waren sie für ihn tatsächlich bedeutungslos? Den Eindruck hatte sie nicht gehabt. Im Gegenteil, er hatte genauso geschockt gewirkt, wie sie sich fühlte, was das Problem nur verschlimmerte. Das hieß, dass sie die gleiche Wirkung auf ihn hatte wie er auf sie und dass das zwischen ihnen etwas Einzigartiges war.

Sie rieb sich die Schläfen und wünschte, sie könnte die Küsse ungeschehen machen. Vermutlich würde sie in dieser Nacht kein Auge mehr zutun.

Völlig verwirrt machte sie sich fertig fürs Bett, schaltete das Licht aus und lag in der Dunkelheit. Noch lange dachte sie an Ryan und die aufregendsten Küsse ihres Lebens, bevor sie endlich einschlief.

Am Sonntagmorgen stand Jessica früh auf, um zu duschen. Anschließend zog sie Jeans und T-Shirt an, lief rasch nach unten, um zu frühstücken, und kehrte in ihr Apartment zurück, wo sie sich für die Kirche umzog. Sie nahm den Van und fuhr vorsichtig. Dabei fragte sie sich die ganze Zeit, ob Ryan sie stoppen oder anrufen würde, um zu fragen, was sie vorhatte und wohin sie fuhr.

Sie hatte sich für ein weißes Leinenkostüm und eine hellgelbe Bluse entschieden, die sie in Dallas gekauft hatte. Passend dazu trug sie hellgelbe Pumps. Um noch ein wenig welterfahrener zu wirken, hatte sie die Haare hochgesteckt.

Auf halbem Weg in die Stadt bemerkte sie einen Wagen hinter sich. Als er näher kam, sah er ganz nach Ryans schwarzem Sportwagen aus. Warum sollte Ryan ihr in die Stadt folgen? Er gab ihr kein Zeichen, rechts heranzufahren, deshalb hörte sie auf, in den Rückspiegel zu schauen, bis sie den Ort erreichten. Ihre Neugier wuchs. Vielleicht sollte sie den Van nicht nehmen, außer zum Einkaufen am Samstag. Als sie auf dem Kirchenparkplatz hielt, stoppte er neben ihr und stieg aus.

Statt der Westernkluft trug er erneut einen anthrazitfarbenen Anzug, in dem er äußerst attraktiv wirkte. Die Manschetten seines weißen Hemdes wurden von goldenen Knöpfen zusammengehalten. Eine rote Krawatte und elegante schwarze Stiefel rundeten seine Erscheinung ab. Jessica hoffte, dass er ihr Herz nicht klopfen hörte.

„Irgendwie bezweifle ich, dass du hier bist, um mich zum Gottesdienst zu begleiten“, sagte sie.

„Da irrst du dich.“

„Wie nett. Aber warum? Du musst mich nicht begleiten.“

„Tja, das Problem ist nur, dass dir die Kerle hinterherlaufen werden, wenn du allein in der Stadt auftauchst. Es wird sich herumsprechen, dass eine schöne blonde geschiedene Frau auf der RD-Ranch arbeitet. In meiner Begleitung wirst du davon verschont bleiben, denn dann verlieren sie schnell das Interesse. Keiner wird die Frau eines anderen wollen. Willst du dein ruhiges Leben auf der Ranch weiterführen, solltest du auf meine Begleitung Wert legen. In Dallas spielt das keine Rolle. Hier schon. Soll ich nun mit in die Kirche kommen?“

„Ja, danke. Du kennst die Leute hier besser als ich. Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass ich für solch ein Interesse sorgen könnte. Aber du wirst es wissen.“

„Verlass dich drauf. Du bist so schön, da hat jeder Cowboy in West Texas längst von dir gehört.“

„Vielleicht sollte ich lieber wieder zurück zur Ranch fahren.“

„Nein. Lass mich deinen Arm nehmen, dann sieht es so aus, als gehörtest du zu mir.“

„Einverstanden.“ Lächelnd hakte sie sich bei ihm unter, und er hielt ihre Hand. „Es kommt mir allerdings ein wenig altmodisch vor.“

„Das ist es auch. Hier ändern sich manche Dinge nicht.“ Er musterte sie anerkennend von Kopf bis Fuß. „Hast du dieses Kostüm in Dallas gekauft?“

„Ja.“

„Du siehst umwerfend darin aus. Ich bin froh, dass ich dich in dem Van wegfahren gehört habe. Wollen wir reingehen?“

Während sie die Stufen neben ihm hinaufging, war sie sich seiner Nähe überdeutlich bewusst. Als der Gottesdienst beendet war, sprachen sie noch mit verschiedenen Kirchenbesuchern. Nach einer ganzen Zeit standen sie endlich wieder bei ihren Wagen.

„Wir können natürlich zur Ranch zurückfahren. Wir könnten aber auch hier etwas essen. Oder ich lasse den Jet kommen, und wir fliegen nach Dallas.“

„Um Himmels willen, nein. Wir müssen nicht in Dallas essen. Fahren wir einfach zurück zur Ranch. Ich hatte jetzt meinen Gottesdienst und habe außerdem mit gefühlt fünfhundert Leuten gesprochen.“

Er lachte. „So viele waren es nicht. Fahr mit mir, den Van lasse ich später abholen. Irgendwer wird zum Abendgottesdienst fahren und ihn mitbringen.“

„Danke für deine Begleitung.“ Sie sah ihm ins Gesicht und musste unwillkürlich an die Küsse vom gestrigen Abend denken.

Unterwegs in seinem Wagen sagte er: „Ich muss diese Woche nach Houston, um mich um einige Dinge zu kümmern. Wahrscheinlich bin ich erst Samstag wieder zurück.“

Jessica hatte aus dem Fenster gesehen und die Landschaft betrachtet. „Ryan, halt mal an. Da war etwas.“

Er schaute in den Rückspiegel, hielt an, dann fuhr er rückwärts. In beiden Richtungen war meilenweit kein anderer Wagen zu sehen. „Ich habe nichts gesehen …“ Erneut hielt er an und schaute in den Rückspiegel. „Doch, da liegt ein Hund auf dem Seitenstreifen.“

„Möglicherweise wurde er angefahren. Ich will nachsehen.“

„Lass mich gehen. Falls er verletzt ist, beißt er vielleicht.“

Sie stiegen zusammen aus. „Ich will mitkommen“, sagte Jessica. „Ich werde schon aufpassen.“

Langsam ging Ryan auf das Tier zu und sprach leise mit ihm. Der große Hund mit zotteligem braun-weißem Fell lag im Gras und wedelte mit dem Schwanz, als Ryan sich ihm näherte.

„Oh verdammt“, sagte er leise und ging noch langsamer.

„Was ist denn? Ryan, da sind ja Welpen.“

„Vermutlich hat irgendwer sie einfach ausgesetzt und sich gedacht, jemand wird sie schon finden und mitnehmen. Wir haben mittlerweile um die zehn Hunde auf der Ranch. Ich rufe den Sheriff an.“ Er nahm sein Handy aus der Tasche.

„Es sind doch noch Babys“, wandte Jessica ein. „Wir müssen sie mitnehmen. Das Hundefutter kannst du mir vom Gehalt abziehen. Ruf den Sheriff nicht an. Ich werde schon irgendwo ein Zuhause für sie finden.“

Ryan lachte. „Du kannst keines finden außer auf der RD-Ranch. Der Sheriff wird sie zum Tierarzt bringen, und der findet ein Zuhause für sie.“

„Und wenn nicht? Nein, lass mich sie mitnehmen. Sie können doch in der Scheune wohnen. Ich werde mich um sie kümmern.“

„Jessica, bei deinem Aussehen und mit deinem roten Wagen …“ Er hielt inne und zählte die Hunde. „Wenn du mit sechs Hunden unterwegs bist, wirst du auffallen wie eine Zirkusparade.“

„Es sind Welpen“, ließ sie nicht locker und streichelte die Hündin, die immer noch mit dem Schwanz wedelte. „Ich lasse sie nicht allein.“ Jessica zog ihre Kostümjacke aus, drehte sie auf links und band die Ärmelenden zusammen. Dann reichte sie zwei Welpen Ryan und setzte die übrigen in ihre Jacke.

„Du wirst dir die Jacke ruinieren. Nimm stattdessen mein Jackett“, bot er an und jonglierte die beiden Welpen, während er versuchte, sein Jackett auszuziehen.

„Auf keinen Fall. Ich komme schon zurecht. Die Jacke kann ich reinigen lassen. Aber dein Jackett musst du Montag wieder zur Arbeit tragen. Los, nimm die Welpen. Komm mit“, rief sie der Hündin zu und pfiff. Sie ging zu Ryans Wagen und schaute zurück. Er stand noch immer da. Dann folgte er ihr kopfschüttelnd.

Sie setzte die Welpen auf den Boden vor dem Rücksitz, und die Hündin sprang zu ihren Jungen hinein.

Ryan legte seine Welpen zu den anderen, und dann fuhren sie weiter zur Ranch. „Hast du das zu Hause in Memphis auch gemacht?“

„Streunende Hunde aufgesammelt? Nur manchmal, wenn ich kein Zuhause für sie finden konnte. Wir hatten zwei Hunde, und als ich mich scheiden ließ, nahm meine Schwester sie zu sich. Vorübergehend sozusagen. Eines Tages hole ich sie zurück, es sei denn, ihre Familie hängt dann so an ihnen, dass sie sie behalten wollen. Der eine ist ein süßer kleiner Beagle, der andere ein Sheltie-Mix.“

„Vielleicht übernehme ich lieber die Lebensmitteleinkäufe. Auf dem Land werden viele Hunde ausgesetzt.“

Sie lachte. „Du würdest sie nicht sich selbst überlassen, sonst hättest du nicht so viele auf der Ranch. Die Einkäufe erledige ich.“

„Ich werde bei den Männern nachfragen. Irgendeiner kümmert sich bestimmt um die Hündin und ihre Welpen.“

„Danke, Ryan.“ Sie strahlte.

Als sie in die lange Auffahrt zum Ranchhaus einbogen, rief Ryan Jeb an und erzählte ihm von den Welpen. Nachdem er das Gespräch beendet hatte, wandte er sich an Jessica. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Jeb und ein paar der Männer holen die Hunde ab und kümmern sich um sie. Du brauchst es also nicht zu tun.“

„Danke, das ist wirklich nett von dir.“ Spontan umarmte sie ihn. Er seufzte, und ein Wangenmuskel zuckte in seinem Gesicht. Sie war sich nicht sicher, ob er genervt war, aber immerhin sorgte er dafür, dass die Hunde ein Zuhause bekamen.

„Du bist ein netter Mann“, bemerkte sie leise. „Wenn es in der Stadt einen Tierarzt gibt, bezahle ich die Impfungen und was sonst noch anfällt.“

„Das wird nicht nötig sein. Ich lasse routinemäßig alle Tiere auf der Ranch vom Tierarzt betreuen.“

„Du hast eine komplette Kehrtwendung gemacht, was die Hunde angeht.“

„Tja, ich weiß eben, wann ich einen Kampf verloren habe.“

Sie lachte und drückte liebevoll sein Handgelenk. Wenn er sich weiterhin so wundervoll benahm, würde sie sich noch in ihn verlieben.

Sie schnallte sich ab und schaute nach den Hunden. „Es geht ihnen gut. Danke für alles, was du heute getan hast.“

„Schon okay. Was machen sechs Hunde mehr auf einer Ranch schon aus?“

Jeb erwartete sie bereits in Begleitung von drei Cowboys. Alle nahmen Welpen, und Jeb gab der Hündin ein Leckerli. Sie folgte den anderen, als sie zur Scheune gingen.

„Jetzt haben deine Hunde ein gutes Zuhause.“

„Wird jemand nach den Welpen schauen? Wenn nicht, kann ich das machen.“

„Jemand wird sich um sie kümmern, du musst dir überhaupt keine Gedanken mehr machen.“

„Danke.“

Für den Rest des Tages bekam Jessica Ryan kaum zu Gesicht, nur kurz beim Mittagessen. Die meiste Zeit blieb sie in ihrer Wohnung, packte ihre Sachen weiter aus und meldete sich bei ihrer Schwester und bei Olivia. Sie aß ein frühes Abendbrot, bestehend aus Salat, Shrimps sowie einem Apfel, und kehrte wieder in ihr Apartment zurück.

Am nächsten Morgen hatte sie bereits gefrühstückt, als Ryan erschien. Falls er es bemerkt haben sollte, dass sie ihm ein wenig aus dem Weg ging, so sagte er jedenfalls nichts. In seiner dunkelblauen Hose und dem weißen Hemd sah er aus wie fürs Büro gekleidet, deshalb nahm sie an, dass er gleich nach dem Frühstück nach Houston fliegen würde.

Als sie das Geschirr wegräumte, stand er im Türrahmen zur Küche. „Ich breche jetzt auf. Freitagabend bin ich wieder zurück, aber nicht bis zum Abendessen. Wahrscheinlich sehen wir uns erst Samstagmorgen.“

„Gut, bis dann.“ Sie ließ sich nichts anmerken, obwohl sie ihn mehr vermissen würde, als sie sollte. Wie hatte er ihr innerhalb so kurzer Zeit so wichtig werden können? Sie durfte nicht mehr so oft mit ihm zusammen sein, sollte sich auf ihre Arbeit und ihr eigenes Leben konzentrieren.

Die Woche ohne Ryan verlief ruhig. Am Dienstag fuhr sie in die Stadt, wo sie den Vormittag damit zubrachte, Besorgungen zu machen und sich mit Leuten zu unterhalten, die sie kennengelernt hatte. Alle begegneten ihr überaus freundlich. In der Stadt gab es eine kleine Bücherei, die im Rathaus untergebracht war, das sich gleich neben dem Sheriffbüro und dem Gefängnis befand. Jessica hatte Millie Wales schon kennengelernt, die sowohl die Sekretärin des Bürgermeisters als auch die Bibliothekarin war. Als sie das Rathaus betrat, stapelte die Frau mit den kastanienbraunen Haaren gerade Bücher auf einen Rollwagen.

Dreißig Minuten später verließ Jessica die Bücherei mit einem Stapel Bücher unter dem Arm.

In den nächsten Tagen fing sie wieder an zu trainieren, indem sie für dreißig Minuten am Tag in den Fitnessraum auf der Ranch ging.

Der Freitag kam, und sie hatte immer noch nichts von Ryan gehört. Wie er angekündigt hatte, begegnete sie ihm erst am Samstagmorgen wieder. Sie war gerade in der Küche beschäftigt, und als sie seine Schritte vernahm, blickte sie voller Vorfreude zur Tür. Sekunden später tauchte Ryan auf.

Und plötzlich begriff sie, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Mehr, als sie je für möglich gehalten hätte.

6. KAPITEL

Als Ryan die Küche betrat, schlug sein Herz schneller. Jessica hatte ihm gefehlt – mehr, als gut für ihn war. Die ganze Zeit über hatte er mit sich gehadert, denn er hätte lieber noch eine Woche länger in Houston bleiben sollen. Normalerweise verbrachte er nur eine Woche pro Monat auf der Ranch, im Sommer eher mehr, im Winter weniger. Doch er hatte unbedingt zurückgewollt, um Jessica zu sehen.

Die Erinnerungen an ihre Küsse verfolgten ihn. Seit sie sich geküsst hatten, hatte sich ihre Beziehung verändert. Jessica ging ihm aus dem Weg. Auch er hatte versucht, ihr aus dem Weg zu gehen, indem er nach Houston aufbrach. Doch das hatte nichts geändert. Sein Verlangen war erwacht, er wollte mit ihr schlafen, wollte sie in seinem Bett. Das Problem bestand nur darin, dass es für ihn niemals etwas Ernstes sein würde, während sie sich nach einer festen Partnerschaft sehnte.

Es war ihm nie schwergefallen, eine Beziehung zu beenden und trotzdem mit der Frau befreundet zu bleiben. Instinktiv wusste er jedoch, dass Sex für Jessica keine unverbindliche Angelegenheit sein würde. Er hingegen hatte sich nie tiefer mit jemandem einlassen wollen, und er würde auch jetzt nicht damit anfangen.

Ryan schüttelte den Kopf und versuchte, die Erinnerungen zu verdrängen. Er musste aufhören, ständig an Jessica zu denken oder von ihr zu träumen – was er in der vergangenen Woche viel zu oft getan hatte, sogar während seiner geschäftlichen Meetings.

Wie sollte er dieser Frau widerstehen, die sexy war und überdies eine hervorragende Köchin? Sie übertraf seine kühnsten Fantasien und war noch dazu ein warmherziger Mensch.

Nachdem er allein gefrühstückt hatte, trug er sein Geschirr zur Spüle. Jessica hatte ihm den Rücken zugekehrt und sang leise vor sich hin. Selbst in ausgewaschener Jeans und einem blauen Shirt, dazu einer Schürze um die Hüften, sah sie großartig aus.

„Ich fahre mit dir zum Supermarkt“, kündigte er an. „Ich brauche noch ein paar Sachen aus der Stadt.“

Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu. Ihre Lippen sahen einladend aus. Am liebsten hätte er Jessica an sich gezogen und geküsst. „Kann ich sie dir nicht mitbringen?“

„Das glaube ich kaum. Ich muss mit Fred vom Eisenwarenladen sprechen und Schindeln für das neue Büro neben der Scheune aussuchen. Wann willst du los?“

„Ich kann in etwa dreißig Minuten fertig sein“, antwortete sie.

„Dann treffen wir uns in der Küche.“

Unterwegs im Wagen forderte er sie auf: „Erzähl mir von deiner Woche.“

„Langsam gewöhne ich mich an deine Küche. Es ist ein guter Platz zum Arbeiten. Wie kommt es, dass sie so toll eingerichtet ist?“

„Garrett hatte mal eine Freundin mit einem Partyservice. Sie hat mir dabei geholfen.“

„Gute Arbeit. Es ist eine Traumküche.“

Ohne recht zu wissen, warum, freute er sich über ihr Lob.

„Ich muss dir erzählen, was es zu Hause Neues gibt“, sagte sie. „Von Olivia habe ich erfahren, dass Carlton immer noch nach mir sucht. Er hat sie angerufen. Ich dachte, er hätte es inzwischen längst aufgegeben. Meine Mutter will, dass ich nach Hause komme. Ich habe auch mit Lydia gesprochen, meiner Schwester. Sie erzählte mir, meine Eltern, mein ältester Bruder und natürlich Carlton selbst wollen, dass ich zu ihm zurückgehe. Denen ist offenbar nicht klar, dass es nach der Scheidung nie wieder wie früher sein wird.“

„Warum ist deine Familie so davon überzeugt, dass Carlton der Richtige für dich ist?“

„Ich glaube, es hat damit zu tun, dass meine Eltern mich in ihrem Countryclub haben wollten, in ihren gesellschaftlichen Kreisen. Mein Bruder hat Carlton für seinen unternehmerischen Erfolg bewundert und war mit ihm befreundet.“ Zögernd fügte sie hinzu: „Tja, und Carlton brauchte mich wahrscheinlich für sein Ego und weil ich der Typ Frau war, den er wollte. Bis ich entdeckt habe, dass er fremdgeht.“

„Ist die Scheidung schon rechtskräftig?“

„Und ob. Wir sind seit mittlerweile einem Jahr geschieden. Das scheint allerdings aus meiner Familie noch niemand registriert zu haben. Wahrscheinlich weil Carlton selbst auch nichts darauf gibt. Na, irgendwann wird er es schon schlucken.“

„Dein Exmann hat Memphis also noch nicht verlassen, um nach dir zu suchen?“

„Nicht dass ich wüsste. Das würde ich umgehend von meiner Schwester erfahren.“ Jessica zuckte die Schultern, als wollte sie ihm damit zu verstehen geben, dass das Thema damit für sie erledigt sei. „Das sind auch schon alle Neuigkeiten von zu Hause. Aber es gibt wichtige lokale News. Du kennst doch Millie Wales.“

„Natürlich.“ Er musste lächeln. Wenn sich in der Gegend etwas Wichtiges ereignet hätte, wäre er längst von Jeb informiert worden.

„Ich habe mich mit Millie unterhalten, und jetzt arbeite ich an zwei Vormittagen pro Woche ehrenamtlich in der Bibliothek. Ich werde Kindern vorlesen und Leseübungen veranstalten.“

„Das hört sich toll an.“

„Und ich hab wieder angefangen zu trainieren, weil du auf der Ranch einen Fitnessraum hast. So sieht’s momentan in meinem Leben aus. Wie steht’s mit dir?“

„Ziemlich gewöhnlich im Vergleich zu deinem. Alles wie üblich. Ich fliege in dieser Woche wieder nach Houston, und die Woche darauf bin ich auf der Ranch. Heute Morgen ist mir an der Hintertür eine große gelb getigerte Katze aufgefallen. Ist sie der neueste Mitbewohner? Ich habe Jeb gefragt, und er meinte, wir haben keine gelb getigerte Katze.“

„Na, jetzt schon. Mit ihr war es so ähnlich wie mit der Hündin und den Welpen. Die Katze tauchte einfach auf, also habe ich sie gefüttert. Ich wollte sie auf die Liste der Tiere setzen, die der Tierarzt sich beim nächsten Besuch anschauen soll. Ryan, zieh die Kosten doch von meinem Gehalt ab.“

„Wenn du so weitermachst, wird dir bald nichts mehr bleiben von deinem Geld“, sagte er schmunzelnd. „Du bist ziemlich weichherzig. Aber du kannst Texas nicht mit einem Wagen voller Tiere verlassen.“

„Ach, ich finde schon jemanden, der sie aufnimmt. Ich werde mich beim nächsten Besuch im Supermarkt mal umhören. Die Katze heißt übrigens Sunshine, weil ich sie morgens bei Sonnenaufgang auf den Treppenstufen gefunden hab – und wegen ihres Fells.“

„Jessica, du bist seit zwei Wochen bei mir, und wir haben bereits sieben neue Tiere, um die wir uns kümmern müssen.“ Trotzdem war gerade ihr großes Herz eine der Eigenschaften, die er besonders anziehend an ihr fand.

Sie lachte und legte ihre Finger auf sein Handgelenk. Er fragte sich, ob sie seinen beschleunigten Puls fühlte. „Wahrscheinlich wird kein weiteres Tier mehr dazukommen. Mach dir keine Sorgen.“

Ihre Berührung empfand er als elektrisierend. Sein Verlangen erwachte. Sie könnte glatt einen Zoo auf seiner Ranch aufmachen, und er würde nicht protestieren.

Er konnte nur noch an seinen Plan denken, sie an diesem Abend zum Essen auszuführen. Zum Essen und zum Tanzen.

Den Vormittag verbrachten sie beim Einkauf, wo sie erneut eine Menge Leute trafen. Jessica war immer noch neu in der Stadt, weshalb jeder sie kennenlernen wollte.

Die verderblichen Lebensmittel luden sie in Kühlboxen, die Ryan mitgebracht hatte, und erledigten weitere Einkäufe. Er ging in den Eisenwarenladen, während Jessica ein Kleidergeschäft aufsuchte. Als er fertig war, kam er herüber in ihren Laden. Sie trug ihre Einkäufe schon unter dem Arm, und Ryan begrüßte die Besitzerin des Geschäftes.

„Ich habe mich mit Jessica unterhalten“, berichtete sie. „Wir freuen uns, dass sie da ist.“

„Ich habe jetzt eine ausgezeichnete Köchin“, erklärte er und nahm ihr das Paket ab. „Wollen wir?“

„Hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen, Natalie“, wandte Jessica sich an die blonde Frau.

Auf dem Weg zu Ryans Pick-up meinte sie: „Das hier ist wirklich eine nette Stadt.“

„Oh ja. Du bist neu, das ist für alle interessant, denn viele Veränderungen gibt es nicht.“ Als sie im Auto saßen, fragte er: „Wie wär’s wieder mit Burgern in der Stadt?“

„Gern.“

„In der Innenstadt von Dallas eröffnet ein neues Restaurant, das großartig sein soll. Wollen wir heute Abend dort essen?“, wollte Ryan wissen, als sie in einer Nische saßen und ihre Hamburger aßen.

„Das ist eine lange Fahrt für ein Abendessen.“

„Wir können fliegen. Ich dachte, dich interessiert vielleicht die Küche. Die Karte ist online noch nicht verfügbar, aber die Leute, die das Restaurant eröffnen, haben eine beeindruckende Karriere vorzuweisen. Wollen wir?“

Sie betrachtete ihn einen Moment mit ernster Miene, dann erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht. „Ja, gern, das würde mich interessieren.“

„Wollen wir um sechs los?“

„Okay.“ Wohlweislich verschwieg er ihr, dass er hatte reservieren lassen, und zwar schon eine Woche zuvor, was nur möglich gewesen war, weil er einen der Besitzer kannte.

Am frühen Nachmittag trafen sie wieder auf der Ranch ein. „Du musst die Lebensmittel nicht alle allein ins Haus tragen“, erinnerte Ryan sie. „Sag im Stall oder in der Mannschaftsunterkunft Bescheid, dann kommt jemand und hilft dir beim Ausladen. Du hast genug Arbeit damit, alles zu verstauen.“

Ryan trug die Sachen mit ihr ins Haus, dann ließ er sie allein, um seine Mails zu lesen und seinen Anrufbeantworter abzuhören.

Später zog er sich für den bevorstehenden Abend um, und eine prickelnde Aufregung erfasste ihn. Er wählte einen dunklen Anzug, eine dazu passende Krawatte und Stiefel.

Er war vor Jessica fertig und wartete in seinem Arbeitszimmer auf sie, bis er endlich das Klackern ihrer Absätze im Flur hörte. Als sie hereinkam, blieb ihm glatt die Luft weg.

In ihrem schlichten ärmellosen schwarzen Kleid mit V-Ausschnitt sah sie bezaubernd aus. Es endete knapp über dem Knie, und dazu trug sie schwarze Pumps mit Stiletto-Absätzen. Die blonden Haare hatte sie mit einem dünnen Diamant-und-Saphir-Haarband gebändigt, das hervorragend zu ihren Diamantohrringen passte.

„Du bist wunderschön“, brachte er heiser hervor, denn eine tiefe Sehnsucht erwachte in ihm.

„Vielen Dank“, erwiderte sie lächelnd. „Du siehst auch sehr gut aus. Ich freue mich auf diesen Abend.“

„Ich mich auch. Du wirst etwas vom Nachtleben in Dallas sehen. Komm, das Flugzeug wartet bereits auf uns.“ Er führte sie zu seinem schwarzen Sportwagen, in dem sie zur Startbahn fuhren.

Während des Fluges plauderte Jessica lebhaft über das Restaurant und ihre eigenen Pläne. Außerdem erzählte sie von dem Stadtteil in Nashville, in dem sie ihr Restaurant eröffnen wollte. Ryan hörte kaum zu; er wollte einfach nur mit ihr zusammen sein und sie ansehen.

„Das wird teuer“, bemerkte er irgendwann.

„Ich habe Geld von meinem Großvater zur Seite gelegt. Das habe ich nie angerührt. Und selbst habe ich auch noch einiges gespart. Meine Schwester will sich beteiligen und meine Freundin auch. Finanzielle Probleme werde ich daher wohl nicht haben. Wenn es ein solider Geschäftsplan ist, wird auch mein Dad investieren. Einem guten Geschäft kann er nicht widerstehen, aber er wird erst mal abwarten. Wahrscheinlich traut er mir die geschäftliche Leitung eines Restaurants nicht so ohne weiteres zu.“

„Deiner Arbeit auf der Ranch nach zu urteilen, habe ich vollstes Vertrauen in deine Fähigkeiten.“

„Ich hoffe, du kommst eines Tages vorbei und isst in meinem Restaurant, damit du selbst siehst, was deine ehemalige Köchin geschafft hat.“

„Das verspreche ich.“ Er hatte Mühe, nicht ständig ihre langen Beine anzustarren, die ihr Kleid besonders sexy zur Geltung brachte. Ihre Augen leuchteten, und ihre Wangen waren leicht gerötet. Sie sah glücklicher denn je aus, also fing Texas vermutlich allmählich an, ihr gutzutun. Das hoffte er jedenfalls. An diesem Abend würde er seinen Wunsch, mit ihr zu flirten, zu beherrschen versuchen. Doch irgendwann, wenn sie sich von ihren deprimierenden Erlebnissen erholt hatte, wollte er mit ihr ausgehen, mit ihr flirten, sie verführen und mit ihr schlafen.

Jessica schaute sich um und nahm jedes Detail wahr. Im obersten Stock eines Hochhauses in Dallas untergebracht, boten die Fensterfronten des eleganten Restaurants einen wunderbaren Panoramablick auf die Skyline der Stadt, die stimmungsvoll ins Licht der untergehenden Sonne getaucht war. Die Einrichtung war in Schwarz und Weiß gehalten. Selbst die Kellner trugen schwarzweiße Kleidung. Die perfekte Hintergrundmusik für das elegante Ambiente lieferte ein Pianist in der Ecke vor einer kleinen Tanzfläche.

Autor

Sara Orwig
<p>Sara’s lebenslange Leidenschaft des Lesens zeigt schon ihre Garage, die nicht mit Autos sondern mit Büchern gefüllt ist. Diese Leidenschaft ging über in die Liebe zum Schreiben und mit 75 veröffentlichten Büchern die in 23 Sprachen übersetzt wurden, einem Master in Englisch, einer Tätigkeit als Lehrerin, Mutter von drei Kindern...
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Elizabeth Lane
Immer auf der Suche nach neuen Abenteuern und guten Stories, hat Elizabeth Lane schon die ganze Welt bereist: Sie war in Mexiko, Guatemala, Panama, China, Nepal und auch in Deutschland, aber am wohlsten fühlt sie sich im heimatlichen Utah, im Westen der USA. Zurzeit lebt sie mit ihrer 18jährigen Katze...
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Barbara Dunlop
<p>Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
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Charlene Sands
Alles begann damit, dass der Vater von Charlene Sands, ihr als Kind die schönsten, brillantesten und fantastischsten Geschichten erzählte. Er erfand Geschichten von plündernden Piraten, mächtigen Königen und Sagen von Helden und Rittern. In diesen Erzählungen war Charlene immer die Prinzessin, Königin oder Heldin um die gekämpft oder die gerettet...
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