Baccara Weekend Band 44

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ICH MÖCHTE DICH VERFÜHREN, LIEBSTE von SHAWNA DELACORTE

Er hat sie gerettet, als sie tränenblind durch den Schneesturm fuhr. Jetzt erholt Samantha sich auf der Ranch des attraktiven Fremden – und merkt bald, dass Jack Tremayne alles ist, wonach sie sich je gesehnt hat: stark, erotisch und ein Bild von einem Mann …

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  • Erscheinungstag 30.11.2024
  • Bandnummer 44
  • ISBN / Artikelnummer 9783751527538
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Shawna Delacorte

1. KAPITEL

Niemals in ihrem ganzen, perfekt organisierten und durchgeplanten Leben hätte Samantha Burkett sich träumen lassen, dass sie eines Tages in eine solche Situation geraten würde – einem wildfremden Mann ausgeliefert und festgeschnallt an den Sitz eines Hubschraubers, der mehrere Hundert Meter über einer endlosen Schneelandschaft einem ihr unbekannten Ziel entgegen flog.

In den neunundzwanzig Jahren ihres Lebens hatte Samantha noch nie so gefroren. Dass sie jetzt hier oben festsaß, war das Ergebnis ihre ersten impulsive Tat – und wohin hatte sie das geführt? Sie fröstelte in ihrer dünnen Jacke. Die Wildnis von Wyoming war ganz offensichtlich nicht die richtige Umgebung für einen maßgeschneiderten Hosenanzug aus Seide und teure italienische Schuhe. Hier war sie weit entfernt von Los Angeles und den strengen Spielregeln der Geschäftswelt, die sie sonst tagtäglich befolgte.

Eine einzelne Träne rann ihr über die Wange, und Samantha wischte sie hastig fort. Sie dachte, sie hätte all ihre Tränen bereits vor zwei Tagen geweint, als ihre Welt einstürzte. Samantha schüttelte den Kopf, um die schrecklichen Gedanken zu verscheuchen. Dieser Teil ihres Lebens war vorüber, jetzt galt es Pläne für die Zukunft zu schmieden. Vorerst allerdings musste sie sich einen Ausweg aus ihrer momentanen prekären Situation überlegen. Sie atmete tief ein, hielt für ein paar Sekunden die Luft an und atmete langsam wieder aus.

Dann drehte sie sich zu dem Mann neben ihr, dem Mann, der den Hubschrauber flog. Alles war so schnell gegangen, dass sie noch nicht einmal Zeit gefunden hatte, ihn richtig anzusehen. Eben noch hatte sie neben ihrem Wagen gestanden, der auf der Landstraße in einer Schneewehe stecken geblieben war, im nächsten Moment hatte sie diesem Fremden wie ein Mehlsack über der Schulter gehangen, während er auf den Hubschrauber zugelaufen war. Ihr war in diesem Augenblick nur aufgefallen, dass der Mann sehr groß war, eine Sonnenbrille trug und eine dicke Winterjacke anhatte.

Endlich gelang es ihr, ein paar Worte hervorzubringen. „Wer sind Sie?“, fragte Samantha. „Und wo bringen Sie mich hin?“

Er antwortete nicht. Das laute Motorengeräusch und das Knattern der Rotorblätter übertönten ihre Worte und machten jedes Gespräch unmöglich. Deshalb musterte sie ihn stumm weiter, während sie vermutete, dass sie einen kleinen, nahe gelegenen Flugplatz anflogen, wo sie den Pannendienst anrufen konnte und hoffentlich ein Motel für die Nacht finden würde.

Der Mann war blond, hatte dichtes und etwas langes Haar, was jedoch gut zu seinem Gesicht passte, das sehr markant geschnitten war – zumindest in dem Teil des Profils, das sie oberhalb seines hochgeschlagenen Jackenkragens sehen konnte. Die Sonnenbrille hinderte sie daran, seine Augenfarbe zu erkennen. Seine Haut war gebräunt und wirkte wettergegerbt, wahrscheinlich arbeitete er viel an der frischen Luft. Samantha schätzte ihn auf Mitte oder Ende dreißig. Die Art und Weise, wie er sie sich mit Schwung und Leichtigkeit über die Schulter geworfen und sie getragen hatte, wies auf eine ausgesprochen gute körperliche Kondition hin.

Wenige Minuten später tauchte in einiger Entfernung ein großes Ranchhaus mit Scheune, Ställen, Koppeln und mehreren umliegenden kleineren Gebäuden auf. Als der Hubschrauber neben einer der Gebäude aufsetzte, hatte es wieder zu schneien begonnen. Der Fremde sprang hinaus, und zwei Männer kamen aus der Scheune und liefen zu ihm.

„Sieh zu, dass der Hubschrauber gut festgemacht wird, Ben“, erklärte er. „Da braut sich was Schlimmes zusammen.“

Der ältere der beiden Männer nickte und antwortete: „Ich hab mir schon Sorgen um dich gemacht, Jack. Ich hatte Angst, der Sturm würde dich mitten im Nichts von der Außenwelt abschneiden. In den Nachrichten heißt es, dass der Sturm mit arktischer Kälte auf uns zukommen würde und mindestens einen Meter Neuschnee mitbrächte.“

„So ein vorzeitiger Schneesturm ist im Grunde nicht ungewöhnlich – sozusagen eine Vorankündigung des Winters –, aber dass er so heftig ist, haben wir ja noch nie erlebt. Ich hoffe, er zieht so schnell vorbei, wie er aufgezogen ist.“ Jack drehte sich in Richtung des Ranchhauses und rief Samantha über die Schulter zu: „Kommen Sie, gehen wir rein. Sie müssen ja halb erfroren sein.“

Ehe sie antworten konnte, war er schon den halben Weg vorausgestapft. Sie rannte los, so gut das in ihren dünnen Lederschuhen möglich war, um ihn einzuholen. Dies ist ganz bestimmt kein Flughafen, dachte Samantha. Aber im Moment war alles, was sie wollte, ein warmes und trockenes Plätzchen.

Auf der Veranda hatte sie den Mann, der offenbar Jack hieß, endlich eingeholt. Er hielt ihr die Haustür auf, und sie lief ins Haus. Als sie das Kaminfeuer im Wohnzimmer entdeckte, ging sie schnurstracks darauf zu, zog ihre nassen Schuhe aus und stellte sie auf den Sims. Ihre Füße waren regelrecht gefühllos vor Kälte, und ihr Hosenanzug war mit Sicherheit ruiniert. Ihr klapperten die Zähne, und ihre Hände zitterten, als Samantha sie dem warmen Feuer entgegenstreckte. Sie befürchtete, dass sie eher wie eine triefende, durchweichte Stoffpuppe aussah als wie eine beherrschte, erfolgreiche Geschäftsfrau.

Plötzlich spürte sie seine Nähe. Der Fremde musste direkt hinter ihr stehen, und sie fühlte, dass er sie ansah. Gern hätte sie den Schauer, der ihr in diesem Moment über den Rücken lief, der Kälte zugeschrieben, doch Samantha wusste, dass sie sich damit nur etwas vorgemacht hätte. Sie drehte sich um. Der Fremde stand nur etwa eineinhalb Meter von ihr entfernt.

Er hatte seine Sonnenbrille abgenommen, und sie blickte in intelligente, silbergraue Augen, die sie eindringlich musterten. Irgendetwas an diesem markanten Gesicht beeindruckte sie zutiefst, doch sie konnte nicht im Mindesten verstehen, warum. Das seltsame Gefühl, das sich langsam in ihrem Körper ausbreitete, hatte etwas sehr Sinnliches. Aber es musste eine rationale Erklärung dafür geben. Schließlich war sie ein vernünftiger, logisch denkender Mensch. Allerdings war nichts Vernünftiges oder Logisches daran, dass sie sich dermaßen stark zu diesem Fremden hingezogen fühlte.

Samantha warf einen kurzen Blick durch den Raum und wandte sich dann an den Mann, der sie immer noch beobachtete. „Wer sind Sie? Wo bin ich?“, fragte sie und fügte hinzu: „Und warum haben Sie mich gerade hierher gebracht?“ Sie bemühte sich, trotz ihrer Furcht mit fester Stimme zu sprechen.

„Ich heiße Jack Tremayne, und dies ist meine Ranch. Wir sind hier, weil ein gefährlicher Sturm im Anzug ist und ich mein Haus erreichen musste, bevor wir irgendwo mitten in der Prärie hätten landen müssen.“ Sein Blick glitt über ihren Körper. „Und jetzt, glaube ich, ziehen Sie lieber Ihre Sachen aus.“

Wie bitte? Hatte sie richtig gehört? Hatte er sie etwa auf diese abgelegene Ranch verschleppt, damit sie sich vor ihm auszog und er …? Sie schluckte vor Nervosität und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück. „Wie bitte?“

„Hören Sie, Ihre Sachen sind nass, und Sie waren eine ganze Weile draußen in der Kälte. Sie müssen sich abtrocknen und aufwärmen, sonst holen Sie sich eine schlimme Lungenentzündung.“ Er deutete in den Hausflur. „Die zweite Tür rechts führt zu einem Gästezimmer mit Badezimmer. Vielleicht möchten Sie ein heißes Bad nehmen. Saubere Handtücher finden Sie im Schrank.“

Er schien den Anflug von Panik, den seine ersten Worte bei ihr hervorgerufen hatten, nicht zu bemerken. Vermutlich hatte sie vorhin überreagiert. Und die logische Erklärung dafür war, dass die unerwartete Attraktivität dieses Mannes sie total durcheinandergebracht hatte. Ja, das muss es sein, sagte Samantha sich entschieden, und sie hatte das verzweifelte Bedürfnis, die Geschehnisse irgendwie unter ihre Kontrolle zu bringen.

Wobei seine Bemerkung über ihre nassen Kleider durchaus korrekt gewesen war. „Es ist sehr großzügig von Ihnen“, antwortete sie dann, „dass Sie mir Ihr Gästezimmer zur Verfügung stellen.“

Jack nickte knapp und konnte nicht den Blick von der Frau vor ihm losreißen. Als Erstes war ihm an ihr aufgefallen, dass ihre Kleidung ganz und gar nicht nach Wyoming passte und schon gar nicht bei diesem Wetter. Das Weideland hier war nicht ihre Welt, so viel stand fest. Fest stand allerdings auch, dass sie trotz ihres derangierten Aussehens ein hübscher Anblick war. Nein, mehr noch, wie er sich bei genauerem Hinsehen eingestehen musste, diese Frau war eine regelrechte Schönheit.

Und wenn er ganz ehrlich zu sich war, musste er ebenfalls zugeben, dass er sie äußerst begehrenswert fand – so schwer ihm dieses Eingeständnis auch fiel. Deshalb schob er den Gedanken auch ganz schnell wieder beiseite. Er hatte keine Zeit für solche Spekulationen. Ganz davon abgesehen, dass sie ihm Unbehagen bereiteten.

„Ich würde tatsächlich sehr gern ein heißes Bad nehmen“, fuhr Samantha fort, „allerdings habe ich keine trockenen Sachen zum Anziehen, da sich mein Koffer noch im Kofferraum meines Wagens befindet.“ Sie wusste nicht, ob sie Jack Tremayne böse sein sollte, weil er sie ohne ein Wort der Erklärung einfach entführt hatte, oder ob sie ihm dankbar sein sollte, weil er sie vor einem offenbar bevorstehenden Schneesturm gerettet hatte. „Aber Sie haben mich so schnell gepackt und in Ihren Hubschrauber verfrachtet, dass mir gar keine Gelegenheit blieb, den Koffer zu holen.“

„Sie befanden sich ganz offensichtlich in einer Notlage, also tat ich, was getan werden musste. Es war keine Zeit, die Angelegenheit erst lange zu diskutieren.“

Ihre anfängliche Furcht war vollkommen verflogen. Sie fühlte sich von diesem Mann nicht bedroht, zumindest nicht körperlich.

„Warten Sie einen Moment.“ Jack drehte sich um und verschwand. Ein paar Minuten später kam er zurück und reichte Samantha einen dicken Frotteebademantel. „Hier, den können Sie anziehen, bis Ihre Sachen wieder trocken sind.“

Dann machte er ein ernstes Gesicht, und seine Stimme wurde hart. „Ich habe noch viel zu tun, ehe der Sturm mit voller Kraft losbricht. Aber wenn ich zurückkomme, können Sie mir ja erzählen, warum Sie, um alles in der Welt, während eines Schneesturms einfach durch diese einsame Gegend und dabei angezogen sind, als wollten Sie zur Vernissage einer piekfeinen Kunstgalerie. Sie können von Glück reden, dass ich Sie rechtzeitig entdeckt habe, sonst säßen Sie jetzt nämlich ganz schön in der Patsche.“

Sein unerwarteter – und, wie Samantha fand, ungerechtfertigter – Angriff ärgerte sie. „Ich bin nicht einfach so durch die Gegend kutschiert. Ich habe …“ Wenn sie ehrlich war, hatte sie allerdings genau dies getan. Sie war blindlings losgefahren, ohne über Sinn und Ziel ihrer Fahrt nachzudenken. Sie war sich nicht einmal sicher, was überhaupt sie dazu bebracht hatte, den Highway zu verlassen. Etwas Derartiges hatte sie noch nie zuvor getan, aber das würde sie vor diesem beunruhigenden Fremden natürlich niemals zugeben.

Er stand mit gekreuzten Armen vor ihr, neigte den Kopf zur Seite und hob fragend eine Augenbraue. „Sie haben … was?“

„Ich … ich habe mich verfahren“, erklärte sie. „Durch den Sturm hatte ich die Orientierung verloren, und es fiel mir schwer, den Weg zurück zum Highway zu finden.“

„Typisch Frau – kein Orientierungssinn!“

Jetzt wurde sie regelrecht wütend. „Was genau wollen Sie mit dieser Bemerkung ausdrücken? Sind Sie etwa einer von diesen grässlichen Chauvis, die denken, Frauen gehörten ins Haus und die Geschäftswelt sei Männersache?“

Er musterte sie wieder von oben bis unten. „Ich kann nur von dem ausgehen, was ich sehe. Und das, was ich sehe, ist eine Frau in einer dünnen Seidenjacke und feinen Lederschühchen inmitten eines Blizzards, die nicht einmal weiß, wo sie sich befindet.“

Samantha merkte, dass sie den Kampf verlor, aber sie wollte es noch ein letztes Mal versuchen, Oberwasser zu bekommen. „Ich wusste sehr wohl, wo ich war, bevor Sie mich von der Straße gezerrt und in Ihren Hubschrauber geschleppt haben. Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, mich zu fragen, ob ich Ihre Hilfe überhaupt nötig habe. Sie haben einfach entschieden, dass Sie das am besten wissen.“

„Ich dachte, Sie hätten gerade gesagt, dass Sie sich verfahren hätten und den Weg zum Highway gesucht haben.“ Jack verkniff sich ein Schmunzeln. „Nun, dann hab ich Sie wohl missverstanden. Und wo wollten Sie gerade hin, als Ihr hervorragender Orientierungssinn Sie in die nächste Schneewehe brachte?“

„Das geht Sie einen feuchten Kehricht an!“ Oh nein, dachte Samantha, kaum waren die Worte heraus, jetzt bin ich zu weit gegangen. Ihre Entgegnung war nicht nur zu impulsiv und defensiv, sie war auch extrem unhöflich. Schließlich war sie auf einer gottverlassenen Nebenstraße in einer Schneewehe stecken geblieben. Sie sollte diesem Mann dankbar sein, dass er sie gerettet hatte, und ihn nicht angreifen.

Etwas verlegen blickte sie zu Boden, atmete tief durch, um sich zu beruhigen, und sah ihn wieder an. „Hören Sie, es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht so anblaffen. Die ganze Sache hat mich nur sehr mitgenommen. Ich bin es nicht gewohnt, mich mit unvorhergesehenen Ereignissen auseinanderzusetzen. Und ich treffe ausgesprochen ungern spontane Entscheidungen. Bei mir müssen die Dinge immer sorgfältig geplant sein. Ich hatte einen … Freund besucht, und … Na ja, es lief nicht so wie …“

Wiederum spürte sie einen Schauer über ihren Rücken laufen. Und wieder war Samantha sicher, dass das nichts mit ihren klammen Sachen zu tun hatte. Alles an Jack Tremayne – seine Worte, sein entschlossenes Handeln, selbst seine Körpersprache – wies darauf hin, dass er ein äußerst dynamischer Mann war. Hinzu kam, dass er sehr viel Sex-Appeal hatte, sich seiner verführerischen maskulinen Ausstrahlung aber wohl gar nicht bewusst war.

Er wurde wieder etwas freundlicher. „Wollen Sie jemanden anrufen, um zu sagen, dass es Ihnen gut geht? Jemanden aus der Familie, der sich vielleicht Sorgen macht?“ Er zögerte einen Moment. „Den Freund, den Sie besucht haben … oder Ihren Mann?“

Ja, noch vor ein paar wenigen Tagen hätte sie sofort Jerry Kensington angerufen. Aber jetzt … „Nein, da ist niemand“, antwortete sie und versuchte, das Gefühl der Verzweiflung abzuschütteln, das sie plötzlich überkam. Sie sah weiterhin Jack Tremayne an, dessen silbergraue Augen bis in ihre Seele zu blicken schienen, und senkte dann den Blick, aus Angst, dass er ihre Gedanken und Gefühle lesen könnte.

Er deutete den Flur hinunter. „Die zweite Tür rechts.“

Samantha wollte etwas sagen, doch Jack hatte sich bereits abgewandt und verließ kurz darauf das Haus. Wo bin ich da nur hineingeraten? fragte sie sich. Etwas Derartiges war in ihren Reiseplänen nicht vorgesehen gewesen. Sie fröstelte und freute sich auf ein heißes Bad.

Auf dem Weg zum Gästezimmer fiel ihr Blick aus dem Fenster. Große Schneeflocken wirbelten durch die Luft, und es war stürmischer geworden. Jack hatte den Hof überquert und verschwand gerade in der Scheune. Stirnrunzelnd ging Samantha weiter zum Gästezimmer. Dieser Mann hatte sie mit Sicherheit aus einer sehr gefährlichen Situation gerettet – aber hatte er sie nicht vielleicht in eine noch viel gefährlichere hineingebracht?

Sie war sich der ganz und gar untypischen Gedanken und Gefühle bewusst, die er in ihr weckte. Mit seinen spontanen, scheinbar unüberlegten Entscheidungen war er ihr irgendwie unheimlich. Aber da war noch viel, viel mehr. Samantha war keineswegs eine unerfahrene Frau, aber dass sie so schnell und so stark auf jemanden ansprach, hatte sie noch nie erlebt. Eine solche Erregung hatte sie bei Jerry Kensington jedenfalls nicht gespürt, als sie dem das erste Mal begegnet war. Sie warf erneut einen Blick aus dem Fenster.

Es war schlichtweg absurd, was sie verspürte. Denn Jack Tremayne war nicht im Mindesten das, was sie sich unter einem idealen Mann vorstellte: ein Geschäftsmann; jemand, der seine Aktivitäten sorgfältig überdachte; jemand, dessen Leben durchgeplant war und der genau wusste, was er in den nächsten fünf Jahren tun wollte; jemand, der ein ausgesprochener Stadtmensch war. Nichts von alledem schien auf Jack Tremayne zuzutreffen.

Während sein unerwarteter Gast sich aufwärmte, hatte Jack noch einiges zu erledigen. Und warum stehst du dann wie angewurzelt in der Scheune und starrst zurück zum Haus, als wäre dort das Tollste vom Tollen zu sehen? fragte er sich. Er wusste doch gar nicht, woher diese Frau kam und warum sie dort draußen offenbar ziellos herumgefahren war. Er kannte ja nicht einmal ihren Namen.

Allerdings wusste er mittlerweile, dass sie streitsüchtig, störrisch und überaus rechthaberisch war. Und dass sie etwas verbarg. Er konnte das an ihren Augen erkennen, an der Art, wie manche Dinge sie nervös machten. Sie war eine starke Frau, das spürte er, dennoch war da auch eine gewisse Verletzlichkeit an ihr – etwas, das sie ständig bemüht war zu überspielen. Hinzu kam, dass sie ihn körperlich außerordentlich erregte, was sie offenbar aber gar nicht merkte. Und was ihn dafür ziemlich beunruhigte.

Er versuchte sich zu entspannen und musste dann plötzlich grinsen. Ihre wütende Anschuldigung, dass er ein Chauvi sei, der eine Frau am liebsten nur im Haus sähe, amüsierte ihn. Seine Frau war eine kreative, unabhängige Frau gewesen. Er hatte sie kennengelernt, als sie an seiner Haustür geklingelt hatte und erklärt hatte, sie schreibe ein Buch über die Geschichte von Wyoming, das ohne Informationen über ihn und seine Familie nicht vollständig wäre. Obwohl er ihr mitgeteilt hatte, dass es da genug Informationen in der Universitätsbibliothek gebe, hatte sie sich nicht abwimmeln lassen.

Ihr Tod vor vier Jahren hatte ihn hart getroffen. Sie waren erst zwei Jahre verheiratet gewesen, als sie bei einem Autounfall ums Leben kam – im dritten Monat schwanger mit ihrem ersten Kind. Um mit dem Verlust fertig zu werden, hatte er sich in Arbeit gestürzt, und seine Anstrengungen waren finanziell belohnt worden, doch das hatte die große Leere nicht füllen können, die er seither verspürte.

Und nun hatte ein Schneesturm diese Frau aus dem Nichts in sein Leben geweht. Obwohl die Umstände sehr ungewöhnlich waren und obwohl ihre Haltung nicht anders als feindselig bezeichnet werden konnte, hatte sie es geschafft, seine lang vergessenen sinnlichen Bedürfnisse wieder zu wecken. Zum ersten Mal seit vier Jahren fühlte er sich körperlich zu einer Frau hingezogen – und zwar zu einer Frau, die für ihn ganz und gar die Falsche war.

Nachdenklich runzelte Jack die Stirn. Es beunruhigte ihn, dass sie niemanden anrufen wollte. Dass sich anscheinend niemand Sorgen um sie machte. Der Schmerz in ihren Augen hatte ihn ebenfalls beunruhigt. Vielleicht hatte auch sie etwas sehr Leidvolles durchlitten, genau wie er.

„Der Hubschrauber ist sicher untergebracht, Jack. Das müsste so okay sein.“

Ben Downey, sein Vormann, hatte die Scheune durch die Seitentür betreten. Jack war froh über die Unterbrechung seiner Gedanken.

„Gut … danke, Ben. Würdest du hier in der Scheune weitermachen und sehen, ob alles sturmsicher ist, während ich noch einmal durch die Ställe gehe? Lass einen der Jungs einen extra Stapel Brennholz an eurer Schlafbaracke und im Wohnhaus aufschichten. Und Vince soll den Notgenerator überprüfen, damit er einsatzbereit ist. Es kann einige Tage dauern, ehe der Sturm nachlässt, und wenn es ganz hart kommt, könnten wir wieder einen Stromausfall haben, wie vor drei Jahren.“

2. KAPITEL

Eine Stunde später verließ Samantha das Gästezimmer, nachdem sie die Hälfte der Zeit in der heißen Badewanne verbracht und versucht hatte, nicht an die prickelnden Gefühle zu denken, die Jack Tremayne allein durch seine Nähe in ihr ausgelöst hatte. Da war es am sichersten, sich einfach immer wieder vor Augen zu führen, dass sie diese Ranch bald verlassen und ihr innerer Aufruhr schnell wieder verebben würde.

Samantha kuschelte sich in den Bademantel, den Jack ihr gegeben hatte, und das Gefühl des flauschigen Frottees auf der Haut machte ihr ihre Nacktheit noch bewusster. Dem Pastellton nach zu urteilen, gehörte der Bademantel wohl einer Frau, war ihr aber mindestens drei Nummern zu groß. Samantha zog den Gürtel enger und tapste barfuß den Flur entlang in das Wohnzimmer, wo sie es sich vor dem warmen Kaminfeuer gemütlich machen wollte.

Vorhin in der Badewanne hatte sie sich zum ersten Mal seit ihrer Landung in Denver richtig entspannen können. Fast ein Jahr lang war sie mit Jerry Kensington verlobt gewesen, und das, obwohl sie tausend Meilen voneinander entfernt wohnten. Doch sie hatte auf einer zweijährigen Verlobungszeit bestanden, da sie dies als vernünftig und logisch erachtet hatte. So blieb ihnen ausreichend Zeit, um sich über mögliche Schwierigkeiten in ihrer Beziehung klar zu werden und die gemeinsame Zukunft zu planen.

Die letzten zwei Monate waren allerdings schwer für sie gewesen. Trotz aller sorgfältigen Planung hatte sie zunehmend das Gefühl gehabt, dass irgendetwas nicht stimmte. Was sie dann jedoch am meisten beunruhigt hatte, war, dass es sie gar nicht so sehr störte, wie es sollte, das womöglich nicht alles bestens lief. Sie hatte sich allerdings verboten, darüber nachzudenken, dass sie Jerry möglicherweise überhaupt nicht liebte – zumindest nicht genug, um ihn heiraten zu wollen.

Ihre Reise nach Denver sollte ihr Klarheit über ihre Gefühle verschaffen, und natürlich hatte sie Jerry auch sehen wollen. Er hatte sich ständig darüber beklagt, dass sie so wenig impulsiv sei und jeden noch so kleinen Aspekt ihres Lebens planen wolle. Und sie hatte sich schon auf seinen überraschten Gesichtsausdruck und das darauf folgende Lob gefreut, wenn sie ihn in seinem Haus besuchen würde.

Überrascht war er dann tatsächlich gewesen. Aber ihr Besuch schien weniger Freude bei ihm auszulösen als einen Schock. Das Haar zerzaust und nur mit einem Bademantel bekleidet, öffnete er die Tür und starrte Samantha an, als wäre sie ein Geist. Unter verlegenem Gestammel verwehrte er ihr den Zugang zu seinem Haus. Kurz darauf erkannte sie den, denn jetzt war sie natürlich erst recht alarmiert und wollte wissen, was los war. Eine Frau, die nichts weiter trug als eines seiner T-Shirts, kam aus seinem Schlafzimmer spaziert.

Jerry hatte Samantha schuldbewusst angesehen, doch seine Verlegenheit hatte zweifelsohne daher gerührt, dass er erwischt worden war, und nicht daher, dass er seine Tat ehrlich bedauerte. Samantha hatte sich wortlos umgedreht und war gegangen, und Jerry Kensington hatte keinen Versuch gemacht, sie aufzuhalten. Niemals in ihrem Leben hatte sie sich so betrogen und gedemütigt gefühlt … und so allein.

Das war vor zwei Tagen gewesen. Seither war sie ziellos durch Colorado und Wyoming gefahren, bis sie schließlich mitten im Nichts in einer Schneewehe gelandet und von einem Fremden per Hubschrauber auf dessen Ranch verschleppt worden war. Sie hatte keine Ahnung, wo genau sie sich befand. Ihr sorgsam durchorganisiertes Leben war außer Kontrolle geraten. Und sie hatte keinerlei Erfahrung mit unüberschaubaren Ereignissen.

Ebenso hatte sie keine Erfahrung mit der Art von Empfindungen, die Jack Tremayne in ihr hervorrief. Denn auch der körperliche Aspekt ihrer Beziehung zu Jerry Kensington war sorgsam geplant gewesen – jede Einzelheit hatte vorhersehbar sein sollen, so wie sie dachte, dass sie es immer gewollt hatte. Aber irgendwie war das auch öde gewesen, und so manches Mal hatte sie sich insgeheim gewünscht, Jerry würde etwas Aufregendes tun, um sie zu überraschen. Sie wusste, dass dies in völligem Widerspruch zu ihrer Lebenseinstellung stand, trotzdem hatte sie den Wunsch nicht unterdrücken können.

Samantha sah sich um. Das große, gemütliche Wohnzimmer vermittelte den Eindruck, als hätten hier über Jahre viele glückliche Familientreffen stattgefunden. Traurig dachte sie daran, dass glückliche Familientreffen bisher nicht zu ihrem Leben gehörten. Und nun, nach diesem schrecklichen und erniedrigenden Zwischenfall mit ihrem Verlobten – nein, ihrem Exverlobten –, sah es ganz so aus, als würden Familientreffen auch in ihrem weiteren Leben keine Rolle spielen.

Sie straffte entschlossen die Schultern. Da Heirat und Familie nun nicht mehr zu ihrem Lebenskonzept gehörten, würde sie sich eben wieder ausschließlich auf ihre Karriere konzentrieren. So hätte sie für die Zukunft zumindest finanziell ausgesorgt. Das musste reichen. Sie würde auf jeden Fall das Beste aus dieser zwischenzeitlichen Unterbrechung ihres Lebensplans machen, und sobald das Wetter besser wurde, wollte sie sofort wieder nach Los Angeles zurückkehren.

Ein kalter Windstoß fegte durch den Raum, als Jack ins Haus kam. Er stampfte mit den Stiefeln auf die Fußmatte, damit der Schnee abfiel, und zog sich Handschuhe und Jacke aus. Dann erblickte er seinen geheimnisvollen Hausgast. Selbst in dem voluminösen Bademantel wirkte diese Frau sehr attraktiv. Schnell verscheuchte er den Gedanken wieder und marschierte quer durchs Zimmer zum Kamin.

„Haben Sie alles gefunden, was Sie brauchen?“, fragte er.

„Ja, vielen Dank.“ Samantha klappte den Kragen des Frotteemantels hoch und zog noch einmal nervös den Gürtel enger. Jack Tremaynes Nähe verursachte ihr wieder ein Prickeln auf der Haut und heiße Wangen. Sie senkte den Kopf, da sie dem Blick seiner silbergrauen Augen nicht standhalten konnte. „Es ist sehr freundlich von Ihnen, mir den warmen Bademantel zu leihen.“

„Er gehört Helen, meiner Haushälterin. Ben, ihr Sohn, ist mein Vormann.“ Jack widmete sich über Gebühr dem Kaminfeuer, um seine plötzlich aufwallende Begierde in den Griff zu bekommen. Wieso, zur Hölle, fühlte er sich zu dieser Frau nur so stark hingezogen?

Samantha schaute sich um. „Wo ist sie denn? Ich würde ihr gern danken.“

„Ich werde es ihr ausrichten. Helen ist im Moment in Florida und besucht ihre Tochter.“ Jack wagte es wieder, Samantha anzusehen. Sie duftete nach Seife und strahlte Frische aus. Ihr kurzes kastanienbraunes Haar umrahmte weich ihr Gesicht und betonte ihre zarten Gesichtszüge. Unter dem langen Bademantel waren ihre nackten Füße zu sehen. Die Nägel waren zart rosa lackiert.

Prompt spürte er, dass sein Verlangen noch brennender wurde. Dabei kannte er nicht einmal ihren Namen. Doch das machte die ganze Sache auf eine seltsame Weise noch aufregender, als hätten sie ein heimliches Date, bei dem es nur um ihr sinnliches Vergnügen ging, ohne jegliche emotionale Bindung oder Verpflichtung.

Jacks durchdringender Blick verursachte ein heftiges Kribbeln in ihrer Magengegend, das sich schnell in ihrem gesamten Körper ausbreitete. Samantha atmete tief durch und versuchte, nach außen hin ruhig und geschäftsmäßig zu wirken.

„Ich fürchte“, erklärte sie, „der Beginn unserer Bekanntschaft ist etwas unglücklich verlaufen. Es war sehr unhöflich von mir, mich nicht vorzustellen. Ich bin Samantha Burkett und komme aus Los Angeles.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen, und er nahm sie. „Sie sind also Jack Tremayne.“ Er ließ ihre Hand nicht los, und sie zog sie nicht zurück. „Ich erinnere mich, den Namen ‚Tremayne‘ über einem großen Tor gelesen zu haben, und ich glaube, es war die ‚Tremayne Road‘, in der ich in die Schneewehe geraten bin. Sind Sie dieser Tremayne?“

„Das war mein Urgroßvater. Er ließ sich auf diesem Land nieder und errichtete die Ranch, kurz nachdem die Union Pacific Railroad gebaut wurde. Das geschah etliche Jahre, bevor Wyoming ein Bundesstaat wurde. Hauptgeschäft der Ranch war immer die Rinderzucht, aber mein Vater verpachtete vor etwa fünfundzwanzig Jahren einen Teil des Landes an eine große Bergbaugesellschaft.“

„Ich habe immer in einer Großstadt gelebt und weiß eigentlich überhaupt nichts über Landwirtschaft und Viehzucht. Tatsächlich war ich noch nie auf einer Ranch. Es scheint mir aber ein sehr einsames Leben zu sein. Wie weit sind wir hier von der nächsten richtigen Stadt entfernt?“, fragte Samantha.

Sie spürte Jacks Wärme noch, nachdem er seine Hand weggezogen hatte. Doch das wohlige Gefühl hörte abrupt auf, als er die Augen zusammenkniff.

„Eine richtige Stadt?“, konterte er. „Im Gegensatz wozu? Ach ja. Sie sind ja aus Los Angeles, was offensichtlich eine richtige Stadt ist. Ihr Wagen hatte aber Nummernschilder aus Colorado, Lady.“

Sie bemerkte den Sarkasmus in seiner Stimme. Seine Feststellung klang fast wie eine Anklage. „Das ist ein Leihwagen vom Flughafen in Denver“, erwiderte sie.

Jack neigte leicht den Kopf zur Seite. „Sie sind von Los Angeles nach Denver geflogen, um in Seide gewandet in einen Schneesturm zu fahren? Haben Sie solche Einfälle häufiger?“

Auch wenn er sie wie ein strahlender Ritter aus ihrer Notlage befreit hatte, gab das diesem Mann noch lange nicht das Recht, ihre persönlichen Entscheidungen zu kritisieren. „Ich bin weder gedankenlos noch unvernünftig, und ich habe in meinem ganzen Leben noch nie etwas Spontanes …“ Nun ja, das stimmte nicht mehr. Und ihre einzige spontane Entscheidung hatte sie ja genau in dieses Chaos gestürzt. Nervös spielte sie mit ihrer goldenen Kette. „Ich bin eine Geschäftsfrau und kleide mich dementsprechend.“

Der sarkastische Unterton in seiner Stimme wurde noch deutlicher. „Oh! Und was ist Ihr Geschäft in einer richtigen Stadt wie Los Angeles?“

Er machte sich offenbar über sie lustig, und sie wusste ärgerlicherweise nicht, warum. „Ich arbeite für eine Unternehmensberatung und erstelle Zeit- und Logistik-Studien für große Firmen, um deren Effektivität zu erhöhen.“

„Sie sind Expertin für Effektivität?“ Er machte aus seiner Überraschung kein Hehl. „Da hätten Sie Ihre Reise aber wirklich effektiver planen können.“

Jack wusste nicht, warum er Samantha angriff. Er war im Grunde kein spöttischer oder streitlustiger Mensch. Aber diese Frau brachte ihn einfach völlig aus dem Gleichgewicht, und das wiederum regte ihn erst recht auf. Er versuchte, daran zu denken, dass sie ja bald weiterreisen und in ihre „richtige Stadt“ zurückkehren würde – ein Ort, der ihrem Lebensstil gewiss mehr entsprach als das raue Land von Wyoming.

Samantha wurde jetzt sichtlich wütend. „Vielleicht war ich etwas leichtsinnig, aber deshalb bin ich noch lange kein dummes Schaf!“ Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Natürlich bin ich Ihnen überaus dankbar, dass Sie mich aus meiner misslichen Lage gerettet haben, aber ich lehne es ab, mich als Schwachkopf hinstellen zu lassen.“

Jack musste unweigerlich schmunzeln und brach dann in schallendes Gelächter aus. Vermutlich lag es an der Art, wie Samantha ihn zornig anstarrte, um kalt und entschlossen zu wirken, wo sie doch in Wahrheit bestimmt weich und anschmiegsam war.

Samantha blinzelte einige Male ungläubig. „Was finden Sie daran so komisch, Mr. Tremayne?“

„Oh, bitte nennen Sie mich Jack.“

Sein Lächeln war so ansteckend, dass ihre Wut verrauchte und Samantha sich allmählich dumm vorkam. „Also gut … Jack.“ Sie war nicht sicher, wie sie sich jetzt verhalten sollte, und schaute sich nun mit schüchternem Lächeln um. „Das hier ist ein schönes Haus. Stammt es noch aus der Zeit Ihres Urgroßvaters?“

„Der Kern des Hauses – dieser Raum und drei weitere – ist über hundertzwanzig Jahre alt. Im Lauf der Zeit erhielt das Gebäude mehrere An- und Umbauten.“

„Ich wohne in einem kleinen Apartment“, erklärte Samantha und sah ihn an. Er hielt ihren Blick fest; und sekundenlang stockte ihr der Atem. „Es muss sehr schön sein, so viel Platz für sich und seine Familie zu haben.“ Das sollte eine ganz harmlose Äußerung sein – sie hatte nicht weiter darüber nachgedacht, ob Jack Tremayne verheiratet war oder nicht.

Nein, das stimmt nicht, gestand Samantha sich ein. Als er seine Handschuhe auszog, war ihr sofort aufgefallen, dass er keinen Ehering trug. Und sie hatte bemerkt, dass es keine Dinge im Wohnzimmer gab, die darauf schließen ließen, dass er hier mit einer Frau lebte. Und dann der Bademantel! Er gehörte der Haushälterin, nicht seiner Frau.

Jack trat etwas nervös von einem Fuß auf den anderen. „Ich … Nun, meine Familie lebt nicht hier. Meinen Eltern sind die Winter in Wyoming zu kalt geworden, deshalb sind sie nach Arizona gezogen. Ansonsten leben auf der Ranch natürlich alle Festangestellten, darunter auch Helen und Ben.“ Was hatte diese Samantha Burkett bloß an sich, dass er herumstammelte wie ein unreifer Teenager? Irritiert wandte er sich ab.

„Ich glaube, ich muss Feuerholz nachlegen“, murmelte er. Im Moment war ihm jede Ausrede recht. Er nahm ein paar Holzscheite und legte sie in den Kamin.

Danach drehte er sich wieder zu Samantha. Er konnte sich nicht länger davor drücken, sie mit den Tatsachen vertraut zu machen, auch wenn er sich angesichts ihrer verwirrenden Anziehungskraft ziemlich unwohl dabei fühlte. „Sie wissen, dass Sie heute hier übernachten müssen, nicht wahr? Vielleicht werden es sogar noch mehr Nächte.“

Jack sah, dass ein Ausdruck von Unbehagen in ihre Augen trat und sie zurückwich. Er versuchte, möglichst sachlich zu klingen. „Es geht hier leider nicht darum, ob Sie damit einverstanden sind oder ob ich es bin. Die Entscheidung liegt nicht bei uns, sondern beim Wetter. Im Moment sind alle Straßen außer dem Highway unbefahrbar, und selbst der wird vermutlich bald gesperrt. Doch wie auch immer, bei dem Wind kann ich unmöglich den Hubschrauber starten.“

Plötzlich wurde Samantha die Tragweite ihre Situation voll bewusst. Es war zwar nicht so, dass sie diesem Mann ungebührliches Benehmen vorwerfen wollte, aber sie war auch nicht besonders erpicht darauf, die Nacht ganz allein mit ihm in seinem Haus zu verbringen. „Sie sagten … Ihre Haushälterin würde ihre Tochter in Florida besuchen, richtig? Und Sie beide sind die Einzigen, die in diesem Haus wohnen? Ich meine, es ist ein sehr großes Haus für nur zwei Personen. Sind denn keine anderen Angestellten da, die …“ Sie geriet ins Stocken, unsicher, wie sie den Satz beenden sollte.

„Meine Mitarbeiter wohnen in der Schlafbaracke. Die ist allerdings nicht so provisorisch, wie es klingt – nicht so wie in den Cowboyfilmen. Eigentlich gleicht sie mehr einer Pension mit Zwei-Bett-Zimmern, einem gemeinsamen Wohnzimmer und einer Küche. Recht gemütlich.“

„Tja, das klingt wirklich völlig anders, als ich es mir vorgestellt hatte.“ Aber das half ihr auch nicht weiter, denn die Tatsache blieb, dass sie mit Jack Tremayne allein im Haus war.

„Sie scheinen sich bei dieser Vorstellung nicht ganz wohl zu fühlen“, sagte Jack. „Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass Sie absolut nichts zu befürchten haben.“

„Oh nein, das ist es nicht!“, versicherte sie hektisch. „Ich wollte bestimmt nicht andeuten, dass …“ Verlegen drehte sie sich zum Kamin. Normalerweise hatte sie kein Problem, mit Menschen zu reden, auch nicht mit vollkommen Fremden. Kommunikativ zu sein, war ein Teil ihrer Arbeit. Warum also fiel es ihr so schwer, mit Jack Tremayne zu kommunizieren? Wo genau lag das Problem? Vielleicht ging es gar nicht um ihn, sondern um die aufwühlenden Gefühle, die er in ihr auslöste.

Samantha starrte in das fröhlich flackernde Feuer. Auf außerplanmäßige Geschehnisse war sie nun einmal nicht im Mindesten vorbereitet. Sie musste eine Sache planen können – das hieß: nachforschen, Fakten sammeln und Informationen auswerten, um vernünftige und realisierbare Entscheidungen zu treffen. Die letzten Tage hatten sie da bereits dermaßen aus dem Konzept gebracht, dass es eigentlich für die nächsten Jahre reichen sollte.

Die größte Überraschung bei dieser neuerlichen Unwägbarkeit war nun die, wie Jack Tremayne es schaffte, dass ihr Magen Purzelbäume schlug und ihr Puls raste. Es war nicht nur unpassend und äußerst verwirrend, sondern auch völlig absurd. Er war ein Cowboy, ein wettergegerbter Arbeiter – keineswegs der Typ Mann, der in ihre Welt passte. Und eine Rinderranch in Wyoming war sicherlich nicht der Ort, an den sie passte.

Samantha schob ihre wirren Gedanken beiseite, unsicher, wo sie herkamen. Sie hoffte nur, dass sie nicht wiederkehrten. Sie hatte mit diesem Mann nichts gemein – und damit basta.

Die Haustür wurde aufgestoßen, und erneut fegte ein kalter Windstoß durchs Zimmer. Samantha und Jack wandten sich um.

„Ich denke, jetzt ist alles gesichert, Jack.“ Ben Downey schloss die Tür rasch wieder. Er nahm den Hut ab und schlug ihn ein paarmal gegen die Beine, um den Schnee abzuschütteln. Dann stampfte er mit den Stiefeln auf die Fußmatte, ehe er weiter ins Zimmer kam.

„Denny und George werden die Scheune und den Hühnerstall regelmäßig kontrollieren“, erklärte er. „Wenn der Sturm die Leitungen kappt, brauchen wir so schnell wie möglich Strom über den Notgenerator, sonst verlieren wir die Hühner.“ Ben hielt inne und sah zu Samantha.

Jack stellte die beiden einander vor. „Ben, das ist Samantha Burkett. Ihr Wagen ist im Schnee stecken geblieben. Ich habe sie entdeckt, als ich eine letzte Runde über die hinteren Weiden flog. Wie es aussieht, wird sie hier bleiben müssen, bis der Sturm sich gelegt hat. Samantha, das ist Ben Downey, mein Vormann.“

Ben nickte Samantha zu. „Nett, Sie kennenzulernen, Ma’am. Tut mir leid, dass der Sturm Ihre Pläne durchkreuzt hat.“ Nach diesen Worten wandte er sich wieder an Jack. „Ich muss noch ein paar extra Lebensmittel aus eurem Vorratsraum in unsere Küche schaffen.“ Damit verließ er das Wohnzimmer.

Jack war für diese Unterbrechung seiner Unterhaltung mit Samantha äußerst dankbar. Ihre offensichtlichen Bedenken waren grundlos. Natürlich war sie allein mit ihm im Haus vollkommen sicher. Was nicht bedeutete, dass ihm nicht die eine oder andere sexuelle Fantasie durch den Kopf ging. Seit dem Tod seiner Frau war er keine Verabredung mehr eingegangen. Er hatte sich mit seinem Leben abgefunden. Es war nicht aufregend, aber er hatte auch niemanden getroffen, der es hätte aufregend machen können … bis zum heutigen Tag.

Denn so seltsam und abwegig es auch sein mochte, aber mit Samantha schien sich das plötzlich zu ändern. Dabei war sie ihren eigenen Worten zufolge nie auf einer Ranch gewesen und wusste nichts über das Leben auf dem Land. Ihre Welt waren schicke Kleidung und die große Stadt. Warum also fand er sie so unwiderstehlich? Warum wollte er sie am liebsten in seine Arme reißen, sie küssen und mit ihr schlafen, bis sie sich vor Erschöpfung nicht mehr rühren konnten?

Doch egal, warum er sie wollte – es war nicht angebracht, dass er sie wollte. Er sollte das Gespräch in sichere Bahnen lenken. „Ich nehme an, als Nächstes sollte ich Ihnen das Haus zeigen.“

Jack machte eine ausschweifende Bewegung mit dem Arm. „Dies ist, wie Sie sehen, das Wohnzimmer.“ Er führte Samantha durch das Esszimmer, die Küche, die Bibliothek und deutete kurz den Flur entlang in Richtung Gästezimmer und vier weiterer Räume, von denen einer, wie sie vermutete, sein Schlafzimmer war. Dann kehrten sie ins Wohnzimmer zurück.

„Es ist ein wirklich sehr gemütliches Haus. Man kann erkennen, dass es für viele Menschen ein schönes Zuhause war, wo sie sich wohlfühlten“, sagte Samantha, und ihr Blick war wieder etwas traurig.

Sie hatte nie ein solches Heim gehabt. Schon ihr ganzes Leben arbeitete sie hart dafür, dass ihre Eltern stolz auf sie waren. Doch gleichgültig, wie sehr sie sich anstrengte oder wie viel sie erreichte, nie hörte sie ein Wort der Anerkennung. Sie hatte gedacht, dass eine gute Partie ihren Eltern bestimmt gefallen würde. Jerry Kensington erfüllte alle Voraussetzungen, die sie sich nur wünschen konnten – er kam aus gutem Haus, hatte in Harvard studiert und führte eine erfolgreiche Anwaltskanzlei.

Die Erkenntnis, die Samantha plötzlich kam, traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Waren das die einzigen Gründe gewesen, weshalb sie sich mit Jerry verlobt hatte? Um Lob und Anerkennung von ihren Eltern zu bekommen? Denn Jerry entsprach in allem ihren Vorstellungen von einem geeigneten Schwiegersohn. Er stammte aus einer guten, wohlhabenden Familie, hatte in Harvard studiert und war ein erfolgreicher Anwalt. War es möglich, dass sie ihn nie wirklich geliebt hatte? In diesem Fall hätte sie durch eine Ehe ohne Liebe ihr Leben ruiniert, und das nur, um ihren Eltern zu gefallen. Ein sehr beunruhigender Gedanke, der sie in ihrer Entscheidung bestärkte, dass eine Ehe für sie nicht infrage kam. Ihre Karriere war wichtiger.

Sie blickte wieder zu Jack, der auf die Kaminuhr sah. „Fühlen Sie sich wie zu Hause. Wenn Sie hungrig sind, bedienen Sie sich einfach in der Küche.“ Er griff nach seinen Handschuhen und der dicken Jacke. „In der Bibliothek finden Sie einen Fernseher und genug zu lesen. Ich muss noch einige Luken dichtmachen, bevor es dunkel wird.“

Ehe sie antworten konnte, war er verschwunden.

Ob sie hungrig war? Oh ja, das war sie! Es war schon drei Uhr nachmittags, und sie hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Außerdem musste sie etwas wegen ihrer Kleidung unternehmen. So nackt unter dem Bademantel fühlte sie sich in Jacks Gegenwart äußerst unbehaglich. Ihr Hosenanzug aus Seide war ohnehin ruiniert, also konnte sie ihn genauso gut in einen Trockner werfen.

Sie entdeckte einen Wäschetrockner im Wirtschaftsraum und ging dann in die Küche. Doch anders als bei sich zu Hause fand sie weder im Kühlschrank noch im Gefrierschrank etwas, das sie einfach aufwärmen konnte. Alles musste extra zubereitet werden, was ihren sehr begrenzten hausfraulichen Fertigkeiten nicht unbedingt entsprach. In diesem Haushalt gab es nicht einmal eine Mikrowelle. So musste sie sich letztendlich mit einem gebutterten Toast und einem Glas Milch begnügen.

Sobald der Trockner durchgelaufen war, holte sie ihre Sachen heraus. Zwar waren Hose und Bluse tatsächlich hinüber, aber zumindest hatte sie jetzt wieder überhaupt etwas anzuziehen. Auf dem Weg zum Gästezimmer zögerte sie einen Moment, dann siegte die Neugier.

Sie spähte in die anderen Zimmer: ein Büro, zwei weitere Schlafzimmer und ein großes Badezimmer. Nirgends war ein Hinweis auf eine Ehefrau oder Kinder zu erblicken.

Der letzte Raum war das Hauptschlafzimmer mit einem Kamin und angrenzendem Badezimmer. Das ungemachte Bett sowie die Jeans und das über einer Stuhllehne hängende Baumwollhemd verrieten, dass dies Jacks Schlafzimmer war. Sie warf einen kurzen Blick zur Haustür und trat dann ein.

Auch dieser Raum war sehr gemütlich, obwohl er spärlich eingerichtet war und es stellenweise aussah, als seien Dinge entfernt und nicht ersetzt worden. Zögernd streckte sie die Hand aus und berührte das Bett, dann fuhr sie mit den Fingern über die Mulde in einem der Kopfkissen. Eine Woge der Begierde durchströmte sie. Schnell drehte sie sich um und verließ das Zimmer.

Sie ging in die Bibliothek, um sich mit einem Buch die Zeit zu vertreiben … und um sich von ihren aufwühlenden Gedanken und Gefühlen abzulenken. Samantha las die Titel auf den Buchrücken und stellte sich auf Zehenspitzen, um ein Buch im oberen Regal zu erreichen.

3. KAPITEL

„Lassen Sie mich Ihnen helfen.“

„Oh, Jack!“ Samantha blickte sich um und senkte den Arm. „Sie haben mich erschreckt. Ich habe Sie gar nicht kommen hören.“

„Welches Buch wollen Sie denn haben?“, fragte er.

Sie zeigte darauf und genoss das wohlige Kribbeln, als er nun hinter sie trat und sich so tief vorbeugte, dass seine breite Brust ihren Rücken streifte.

Jack nahm das dicke Buch vom Regal. Er spürte Samanthas Wärme, die ihn aufs Neue so stark erregte, dass er tief Luft holen musste, um sich wieder in den Griff zu bekommen. „Brauchen Sie noch etwas?“

„Nein … sonst nichts.“ Samantha drehte sich zu Jack herum. Ihre Körper streiften sich erneut, und der Blick aus seinen silbergrauen Augen war so intensiv, als würde er sie berühren. Sie fühlte sich wie magisch zu diesem Mann hingezogen. Es raubte ihr fast den Atem. Noch nie hatte jemand solche Gefühle in ihr wachgerufen – ihr Exverlobter jedenfalls bestimmt nicht.

Jack reichte Samantha das Buch und wich dann hastig einen Schritt zurück.

„Danke.“ Das Wort war kaum mehr als ein Flüstern.

Sein Blick glitt zu ihrem Mund. Ihre Unterlippe zitterte leicht, während Samantha mit der Zunge unruhig über die Oberlippe fuhr. Er schluckte hart. „Es tut mir leid, dass ich Sie allein lassen musste, aber bei einem Sturm dieser Größenordnung fällt eine Menge Extraarbeit an. Schnee um diese Jahreszeit ist zwar nichts Ungewöhnliches, aber ein so früher Blizzard schon.“

Erleichtert ging Samantha auf Jacks unverfängliche Konversation ein. „Ich verstehe. Und ich will auch auf keinen Fall ein Last für Sie sein. Sie haben bestimmt genug zu tun“, meinte sie leichthin. Dennoch fiel es ihr schwer, das heftige Klopfen ihres Herzens zu ignorieren, das seine Nähe verursachte. Sein eindringlicher Blick machte die Sache auch nicht besser, und sie umklammerte das Buch, das er ihr gegeben hatte, als würde sie dadurch einen Halt finden.

„Ich glaube, ich habe Ihnen noch gar nicht richtig für Ihre Hilfe gedankt. Alles ging so schnell. Mein Auto fuhr in die Schneewehe, dann tauchte Ihr Hubschrauber auf, und jetzt stehe ich in Ihrem Wohnzimmer. Ich habe erst mal eine Weile gebraucht, um das alles zu verarbeiten.“

Samantha trat von einem Fuß auf den anderen. „Erst als ich vorhin durch das Fenster das heftige Schneetreiben sah, wurde mir so richtig bewusst, in welchen Schwierigkeiten ich ohne Sie stecken würde. Und Ihre Gastfreundschaft …“ Sie war einfach zu nervös, wenn dieser Mann ihr so nah war, um einen klaren Gedanken zu fassen. Hektisch trat sie ein paar Schritte zurück. „Ich würde mich gern für Ihre Freundlichkeit revanchieren.“ Ihr fiel nichts anderes ein. „Vielleicht könnte ich für das Zimmer und mein Essen bezahlen …“

Diese Wendung ihres Gesprächs versetzte Jack einen Stich, allerdings war er doch sehr froh, dass Samantha mehr räumliche Distanz zwischen sich und ihn gebracht hatte. Denn er war bereits ungemein versucht gewesen, sie in seine Arme zu ziehen und ihren verführerischen Mund zu küssen.

„Sie wollen mir für Zimmer und Essen Geld geben? Das ist doch kein Hotel hier! Vielleicht ist das in Los Angeles oder sonstigen … richtigen Städten ja anders, aber hier sind wir auf dem Land, wo Nachbarn einander helfen. Wir sind oft aufeinander angewiesen, vor allem in Notsituationen wie dieser, und unsere Hilfsbereitschaft gilt selbstverständlich auch für Fremde, die in Not geraten sind.“

Ihr geschockter Gesichtsausdruck ließ ihn seine Worte bereuen. Es sah ihm eigentlich auch gar nicht ähnlich, jemanden so direkt zurechtzuweisen. Aber irgendetwas an Samantha Burkett brachte ihn dazu, Dinge zu sagen, die völlig untypisch für ihn waren. Als wollte er zwischen ihr und ihm eine Mauer errichten, weil er ihre Nähe als zu gefährlich empfand.

In den vier Jahren seit dem Tod seiner Frau war es ihm gelungen, seine tiefe Verzweiflung zu überwinden und durch Arbeit wieder zu einem einigermaßen normalen Leben zurückzufinden. Die ersten zwei Jahre waren verdammt schwierig gewesen, aber in den beiden letzten Jahren hatte er eine tägliche Routine entwickelt, mit der er gut leben konnte. Mittlerweile hatte er sich damit abgefunden, dass er nie wieder einen so besonderen Menschen wie seine verstorbene Frau finden würde, der sein Leben mit ihm teilte.

Und eines war ganz sicher: niemals würde er seine intimen Gefühle einer Frau offenbaren, die dermaßen wenig zu ihm passte wie Samantha Burkett. Sie kamen aus total verschiedenen Welten, und abgesehen von der erstaunlichen Tatsache, dass sie die Glut seines sexuellen Verlangens, die er fast verloschen geglaubt hatte, wieder entfachte, zog ihn überhaupt nichts zu ihr hin.

Samantha war total betreten nach Jacks plötzlichem Stimmungswandel. „Ich … Es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich bin es nur gewohnt, mich um mich selbst zu kümmern und für mich selbst zu sorgen, und wollte jetzt nicht wie ein Schmarotzer dastehen. Vielleicht könnte ich etwas tun, um Ihnen bei Ihrer Arbeit zu helfen.“

Jack überlegte. „Na ja … da Helen, meine Haushälterin, momentan fort ist, könnten wir hier tatsächlich ein wenig Hilfe brauchen. Vielleicht könnten Sie einige ihrer Aufgaben übernehmen.“ Im Grunde brauchte er keine Hilfe, aber vielleicht war es ganz gut, wenn Samantha etwas zu tun hatte, bis dieser Sturm vorüber war. Danach würde sie so schnell wieder von hier verschwinden, wie sie hier aufgetaucht war. Ihre Wege hätten sich gekreuzt wie zwei Schiffe in der Nacht. Sie wären zwei Menschen, die nichts weiter miteinander verband.

„Oh ja, natürlich.“ Samantha zwang sich zu einem Lächeln. „Ich weiß nicht, wie groß meine Hilfe tatsächlich sein wird, aber ich werde mein Bestes versuchen. Warum fangen wir nicht gleich an, indem ich uns Kaffee koche? Nach dieser Eiseskälte dort draußen möchten Sie sich doch bestimmt aufwärmen.“

„Und während Sie Kaffee kochen, werde ich mir trockene Sachen anziehen.“ Damit eilte Jack in sein Schlafzimmer, schloss die Tür hinter sich, lehnte sich dagegen und atmete langsam und tief aus.

Samantha brachte das Buch in ihr Gästezimmer und legte es auf den Nachttisch. Sie würde es später lesen. Jetzt ging es erst einmal in die Küche – was nicht gerade ihr liebster Aufenthaltsort war und wo sie bisher keine besonderen Talente entfaltet hatte. Doch sie straffte entschlossen die Schultern und sagte sich immer wieder: Du kannst das.

Sorgsam maß sie dann die hoffentlich richtige Menge Kaffee aus einer Dose ab, goss Wasser in die Maschine und drückte den Knopf. Danach holte sie zwei Tassen und Untertassen aus dem Schrank, fand eine Zuckerdose und füllte etwas Milch in einen kleinen Krug. Sie dekorierte alles fein säuberlich auf dem Tisch, zusammen mit Löffeln und Servietten. Schließlich trat sie ein paar Schritte zurück und beäugte kritisch ihr Werk kritisch. Es war zwar nur ein Kaffeetisch, aber sie wollte alles richtig machen.

„Haben Sie alles gefunden?“

Beim Klang von Jacks Stimme spürte sie sofort ein aufgeregtes Flattern im Bauch.

Ohne den Tisch auch nur eines Blickes zu würdigen, marschierte er zum Geschirrschrank, nahm einen Becher heraus und goss sich den Kaffee direkt aus der durchgelaufenen Maschine ein. Er nippte kurz, schluckte zögernd und starrte dann missbilligend in seinen Becher.

„Was ist das?“, fragte er.

„Na, Kaffee.“ Sie wusste nicht, worauf er hinauswollte. „Was dachten Sie denn?“

Er kippte den Inhalt seines Bechers in den Ausguss und leerte dann die ganze Kanne hinterher.

„He, was ist los? Was machen Sie da?“

„Ich koche neuen Kaffee.“

„Warten Sie mal …“ Samanthas Wangen röteten sich vor Ärger. „Mit dem Kaffee war doch alles in Ordnung. So koche ich ihn immer, und es hat sich noch nie jemand beschwert.“

„Dann sind Ihre Freunde vielleicht übermäßig höflich oder sie mussten sich noch nie bei einem Blizzard aufwärmen. Aber wie auch immer – richtiger Kaffee ist um einiges stärker als Ihr braun gefärbtes Wasser.“

„Starker Kaffee ist aber nicht gut. Studien über die Gewohnheiten von Kaffeetrinkern in Büros belegen …“

Jack fuhr herum. „Studien bringen mir nichts, wenn ich bei Minusgraden stundenlang durch einen Schneesturm gelaufen bin. Und das Führen einer Ranch kann man nicht im Mindesten mit Büroarbeit vergleichen. Das ist, als würde man Pferde mit Rindern vergleichen. Es sind beides Tiere mit vier Beinen, aber sie sind in keiner Weise austauschbar.“

Samantha kochte fast vor Wut über diese ungebetene Kritik. „Ihre Pferde und Kühe haben überhaupt nichts mit …“

Er bewegte sich so schnell, dass ihr keine Zeit mehr blieb zu reagieren. Eben noch führten sie ein immer hitziger werdendes Streitgespräch, und jetzt lagen seine Lippen mit solch brennender Intensität auf ihren, wie sie es noch nie erlebt hatte – eine Intensität, die ihr Unsicherheit und Angst bereitete, gleichzeitig aber auch Sehnsucht und Begierde in ihr entfachte.

Ihre erste Reaktion war, zurückzuweichen, ihre nächste, sich zu wünschen, dass sie weiter küsste. Es war so plötzlich gekommen, so verwirrend, so ungeplant … und so erregend. Sie spürte das Feuer der Leidenschaft, das hinter der kühlen Fassade von Jack Tremayne schlummerte. Und auf einmal hatte sie ihre Hände um seinen Nacken gelegt, und er zog sie in die Arme.

Dieser Mann vermittelte eine ungeheure Stärke, weil er wusste, wer er war und weil er sich akzeptierte. Er wusste, was er vom Leben wollte und wohin es ihn führte. Es war eine Art von Stärke, nach der sie sich immer gesehnt hatte – eine Stärke, die sie in ihrem Bemühen, ihren Eltern zu gefallen, verloren hatte – eine Stärke, die sie bei Jerry Kensington nie gefunden hatte. Sie jetzt bei Jack Tremayne zu spüren, war sehr wohltuend … und unglaublich sexy.

Es war schwer zu sagen, wer als Erster den Kuss beendete, er oder sie. Einen langen Augenblick standen sie da, hielten sich in den Armen und sahen sich tief in die Augen. Doch kurz darauf war der Bann gebrochen.

Samantha trat Schritt für Schritt zurück und blieb erst stehen, als sie an die Spüle stieß. Der Kuss hatte sie ohne Frage vollkommen aus dem Konzept gebracht. Ihr Herz raste, und sie atmete schwer. Und immer noch hielt Jack sie mit dem Blick seiner silbergrauen Augen fest, und sie glaubte, noch seine Arme um sich zu spüren. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Zwar hatte er sie mit diesem Kuss überrumpelt, doch sie hatte ihn begierig erwidert.

Sie zwang sich, den Blick von ihm zu lösen, und sah aus dem Fenster in den Sturm hinaus. Es dämmerte bereits, bald würde es dunkel sein. Die nächste logische Handlung wäre, jetzt das Abendessen zuzubereiten. Ja, sie musste wieder eine logische Ordnung in den Ablauf der Dinge bringen. So tun, als hätte der Kuss nie stattgefunden. Auf diese Weise konnte sie am besten mit der beunruhigenden Situation fertig werden.

Samantha räusperte sich. „Tja … es ist bald Zeit zum Abendessen.“

„Ja … Abendessen.“ Jack wirkte äußerlich ruhig und gelassen, doch die Heiserkeit in seiner Stimme verriet seinen inneren Aufruhr. „Ich muss noch etwas Papierkram erledigen, etwa eine halbe Stunde lang. Wenn ich fertig bin, kümmere ich mich um das Essen.“

„Oh nein, lassen Sie mich das machen. Ich kann doch kochen, während Sie arbeiten.“ Sie wollte ihren Fehler mit dem Kaffee unbedingt wieder gutmachen.

„Das brauchen Sie aber nicht. Es sei denn, Sie sind am Verhungern und wollen nicht warten, bis ich …“

„Wirklich, ich mache das gern. Ich möchte auch etwas tun.“ Samantha merkte, dass sie übereifrig war, aber sie konnte die Worte nicht zurückhalten.

„Na ja, wenn Sie unbedingt wollen.“ Ich muss so schnell wie möglich hier raus, dachte Jack, weit weg von ihr. Er musste Abstand zwischen sie bringen, bevor er noch einmal etwas derart Dummes tat wie eben.

Er drehte sich zur Tür. „Ich bin in meinem Büro, falls Sie mich brauchen … Ich meine, falls Sie etwas brauchen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte er aus der Küche.

So sehr er sie auch wieder in die Arme nehmen und ihre süßen Lippen küssen wollte – es durfte nicht wieder geschehen. Er schloss die Augen und erlaubte sich einen Moment lang die Erinnerung an das Gefühl ihres geschmeidigen Körpers an seinem.

Dann traf er eine Entscheidung. Die beste Art, mit diesem unkontrollierten Ausrutscher fertig zu werden, war die, ihn einfach zu ignorieren. Er würde etwas arbeiten, zu Abend essen, früh zu Bett gehen und lesen. Morgen war ein neuer Tag, und mit etwas Glück ließ der Sturm nach. Samantha würde in ihre Welt zurückkehren, und er konnte mit seinem Leben fortfahren wie gewohnt.

Jack setzte sich an den Computer.

Im Esszimmer stellte Samantha abschließend zwei Gläser auf den Tisch und betrachtete ihr Werk. Alles war zufriedenstellend vorbereitet. Als Nächstes musste sie sich um das Essen selbst kümmern. Warum, um alles in der Welt, hatte sie angeboten, das Abendessen zu kochen? Wo sie doch überhaupt nicht kochen konnte! Nun ja, jetzt war es zu spät – das Angebot war gemacht.

Sie öffnete den Kühlschrank und starrte auf dessen Inhalt. Wo sollte sie anfangen? Ein Salat. Den würde sie wohl ohne große Probleme zustande bringen. Sie fand Blattsalat, Tomaten, Pilze und Bohnensprossen, außerdem hatte sie am Nachmittag eine Tüte Croutons im Regal entdeckt.

Nach zwanzig Minuten sorgfältiger Arbeit stand ein appetitlicher Salat auf dem gedeckten Tisch. Samantha schürzte die Lippen und runzelte dann die Stirn. Ihr würde ein Salat zum Abendessen ja durchaus reichen, aber ein hart arbeitender Rancher brauchte sicher mehr als das.

Das einzige Fleisch, das sie im Kühlschrank entdeckte, war ein Huhn – unzerteilt. Sie hatte noch nie in ihrem Leben ein Huhn zerlegt. Sie nahm ein scharfes Messer, setzte es an – und legte es wieder beiseite. Aus irgendeinem unsinnigen und nicht nachvollziehbaren Grund hatte sie sich bereit erklärt, das Essen zuzubereiten. Also los. Sie biss die Zähne zusammen und nahm das Messer wieder auf.

Jack druckte den Text aus, den er erarbeitet hatte, und stellte den Computer ab. Es blieb jetzt nichts weiter zu tun, als in die Küche zurückzukehren. Er atmete tief durch und verließ sein Büro.

An der Küchentür blieb er stehen. Samantha hielt in einer Hand ein Messer und in der anderen ein Huhn. Er war nicht sicher, was sie da veranstaltete, aber es sah ziemlich chaotisch, wenn nicht gar gefährlich aus, und wenn er sie nicht aufhielt, blieb von dem Vogel nicht einmal genug für eine Person zum Essen übrig.

Er ging durch die Küche, nahm Samantha das Messer ab und stach damit kurz in den unförmigen Fleischhaufen auf dem Schneidebrett. „Um Himmels willen, was machen Sie denn da?“ Jack musste ein Schmunzeln unterdrücken. „Sie haben den armen Vogel ja bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.“

Samantha betrachtete ihr klägliches Werk. Sich wegen seiner Bemerkung beleidigt zu geben wäre reine Zeitverschwendung. Verlegen blickte sie auf. „Ich … ich habe das noch nie gemacht. Bei uns im Laden sind die immer schon klein geschnitten.“

„Was wollten Sie mit dem armen Ding denn machen, nachdem Sie es so gequält haben?“ Jack sah nun, dass Samantha das falsche Messer genommen hatte, nahm das richtige aus der Schublade und zerteilte fachmännisch den Rest.

„Ich weiß nicht genau. Kochen vermutlich … irgendwie. Oder braten? Der Herd hat ja auch einen Backofen.“ Samantha zuckte mit den Schultern. Um das Gesicht zu wahren, deutete sie auf den Esstisch. „Ich habe einen Salat zubereitet.“

„Das sehe ich.“ Jack sah auch, dass der Esstisch wie für eine Dinnerparty gedeckt war, und nicht für ein schlichtes Abendessen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte Samantha mit einem langen Blick, der anerkennend wirken sollte, während er seine Amüsiertheit verbarg.

Samantha versuchte, bei Jacks durchdringendem Blick gelassen zu bleiben. Schließlich verdiente sie ihren Lebensunterhalt mit ihrer Kommunikationsfähigkeit. Ihre Stärke bestand darin, Probleme zu analysieren und vernünftige Lösungen zu entwickeln. Hier und jetzt allerdings versagte diese Fähigkeit, so beschämend das auch sein mochte.

Sie straffte die Schultern, holte entschlossen Luft und sagte unumwunden: „Ich kann nicht kochen. Es tut mir leid, aber so ist das nun Mal.“ Samantha warf einen Blick durch die Küche. „Vielleicht, wenn Sie eine Mikrowelle hätten …“

Jack war fassungslos. „Sie können nicht kochen?“

„Ich hatte nie Gelegenheit oder Zeit, es zu lernen. Ich war immer anderweitig beschäftigt – erst mit dem Studium, dann mit meiner Karriere.“ Samantha versuchte vergeblich, ruhig zu bleiben. „Dass ich eine Frau bin, bedeutet noch lange nicht, dass ich mit sämtlichen hauswirtschaftlichen Fertigkeiten geboren wurde.“

Verwirrt runzelte Jack die Stirn. „Warum sind Sie nur so aufgebracht? Wenn Sie nicht kochen können, warum wollten Sie dann unbedingt das Abendessen zubereiten? Das verstehe ich nicht.“

„Wie bitte? Das verstehen Sie nicht? Ich war einverstanden, für Ihre Haushälterin einzuspringen. V...

Autor

Linda Conrad
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Jennifer Greene

Seit 1980 hat die US-amerikanische Schriftstellerin Jennifer Greene über 85 Liebesromane veröffentlicht, die in über 20 Sprachen übersetzt wurden. Unter dem Pseudonym Jennifer Greene schreibt die Autorin Jill Alison Hart seit 1986 ihre Romane. Ihre ersten Romane wurden 1980 unter dem Namen Jessica Massey herausgegeben, das Pseudonym Jeanne Grant benutzte...

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