Brenda Jackson Edition Band 11

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LUST UND LIEBE INKLUSIVE von BRENDA JACKSON

Als Privatpilotin ist Regan oft mit ihrem Boss Garth Outlaw unterwegs, in den sie schon lange hoffnungslos verliebt ist! Jetzt soll sie Garth nach Spanien fliegen, denn er plant eine Vernunftehe und will mit seiner Zukünftigen zwei Wochen am Mittelmeer verbringen …

HEISSE LIEBESNACHT AUF DER RANCH von BRENDA JACKSON

Cash Outlaw will eine Ferienranch eröffnen, doch dafür braucht er das Land, das seine Mutter ihrer Haushälterin vermacht hat, der schönen Brianna. Als er ihr ein Kaufangebot macht, sagt sie Ja – wenn Cash dafür eine Liebesnacht mit ihr verbringt!

EIN SKANDALÖSER WEIHNACHTSWUNSCH von BRENDA JACKSON

Das Wiedersehen mit Leslie weckt heiße Gefühle in Sloan Outlaw, obwohl sie ihm das Herz gebrochen hat. Als ihrem Unternehmen eine feindliche Übernahme droht, macht er Leslie einen Vorschlag: Er rettet die Firma – für einen gemeinsamen Winterurlaub. Sex inklusive!


  • Erscheinungstag 31.08.2024
  • Bandnummer 11
  • ISBN / Artikelnummer 9783751523608
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Brenda Jackson

BRENDA JACKSON EDITION BAND 11

1. KAPITEL

„Also, Garth – wann ist die Hochzeit?“

Garth Outlaw hob den Blick von den Karten in seiner Hand. Wollte sein Bruder ihn absichtlich aus dem Konzept bringen?

„Von was für einer Hochzeit redest du?“

Garth sah in die grinsenden Gesichter seiner vier Brüder. Sogar Jess war für eine Woche aus der Hauptstadt nach Hause gekommen.

„Könnte mir vielleicht jemand antworten?“, hakte er nach.

Jess warf eine Karte ab. „Dad behauptet, du seist über Karen Piccard hinweg und hättest beschlossen, im Interesse der Firma zu heiraten und mit deiner Frau Kinder in die Welt zu setzen, um den Fortbestand der Outlaw-Dynastie zu sichern. Das waren seine Worte, nicht meine.“

„Wir haben dasselbe gehört“, sagte Cash. Sloan und Maverick nickten zustimmend.

Garth schwieg. Der älteste Sohn von Bartram ‚Bart‘ Outlaw zu sein, war nicht einfach, besonders wenn sein Vater Dinge behauptete, die einfach nicht wahr waren. In diesem Fall waren sie das allerdings – jedenfalls zum Teil. Er hatte vor zu tun, was im Interesse der Firma nötig war, aber er bezweifelte, dass er jemals über Karen hinwegkommen würde. Sein Herz gehörte für immer ihr.

„Es gibt keinen Hochzeitstermin, weil ich mich noch nicht für eine Braut entschieden habe.“

Cash setzte sich auf. „Hast du wirklich vor, eine Familie zu gründen? Mit Frau und Kindern?“ Aus seinem Ton hätte man schließen können, diese Vorstellung sei so unerhört wie ein Leben im All.

Garth warf ein paar Chips auf den Spieltisch. „Wieso nicht? Ich sehe keinen von euch auf dem Weg zum Altar, um für Nachkommen zu sorgen. Nicht einmal dich, Jess, und du bist der Politiker unter uns. Eine Familie wäre für dein Image mehr als förderlich.“ Vor ein paar Jahren war Jess zum Senator von Alaska gewählt worden.

Jess grinste. „Nein, danke. Ich habe keine Lust, mich zu verlieben.“

Garth zuckte die Schultern. „Wer hat etwas von Liebe gesagt?“

„Du willst eine Frau heiraten, ohne sie zu lieben?“ Die Frage kam von Sloan.

„Für mich gibt es keinen anderen Weg.“

Er musste nichts weiter erklären. Sie wussten Bescheid.

„Du machst das also nur Bart zuliebe?“

Garth rollte die Augen angesichts der Naivität seines jüngsten Bruders. „Nein, ich bin jetzt achtunddreißig, und Dates werden allmählich langweilig.“

„Das kann ich von mir nicht behaupten.“ Maverick grinste. „Ich liebe es einfach, immer wieder neue Frauen kennenzulernen.“

Garth schüttelte den Kopf. „Walker hat mich zum Nachdenken gebracht. Er hat ein zweites Mal geheiratet. Wenn er es schafft, dann kann es jeder.“

Walker Rafferty war Garths bester Freund. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass Walker wieder heiraten würde, nachdem er seine erste Frau und seinen Sohn bei einem Autounfall verloren hatte. Zur Überraschung seiner Familie und Freunde hatte er sich zehn Jahre danach erneut verliebt. Nun waren er und seine jetzige Frau stolze Eltern der Zwillinge Walker und Westlyn. Garth freute sich für Walker und war geneigt, es ihm gleichzutun und ebenfalls sesshaft zu werden. Nur den Part mit dem Verlieben sah er für sich nicht. Er war überzeugt, dass Karen die einzige Frau war, der seine ganze Liebe gehörte.

Sie hatten sich bei den Marines kennengelernt und es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Nach Beendigung ihrer Dienstzeit wollten sie heiraten. Sie waren sechs Monate zusammen gewesen, als es eines Morgens passierte: Bei einem Routineflug über der syrischen Grenze war Karens Militärhubschrauber abgestürzt. Es gab keine Überlebenden. Er hatte niemals die Chance gehabt, Karen nach Fairbanks zu bringen und sie seiner Familie vorzustellen.

„Walker wirkt auf jeden Fall wesentlich glücklicher als früher – dank unserer Cousine“, bemerkte Cash.

Garth nickte, während sein Blick wieder über seine Pokerkarten glitt. Walker gehörte inzwischen zur Familie, weil seine zweite Frau Bailey eine geborene Westmoreland war – eine Cousine, von der sie nichts gewusst hatten, bis sich herausstellte, dass die Westmorelands und die Outlaws miteinander verwandt waren. Die äußerliche Ähnlichkeit der beiden Familien ließ sich nicht leugnen, dennoch weigerte ihr Vater sich aus irgendeinem Grund, die Verwandtschaft anzuerkennen. Garth und seine Brüder hatten ihm wiederholt gesagt, dass sein beharrliches Leugnen sinnlos war, ohne dass sich bei ihm etwas geändert hätte.

Die Familienmitglieder der Westmorelands lebten in Georgia und Texas, in Montana, Colorado und Kalifornien. Nachdem die Outlaw-Kinder ohne nähere Verwandte aufgewachsen waren, genossen sie es jetzt, an den großen Familienfesten teilzunehmen, darunter der jährliche Westmoreland-Wohltätigkeitsball in Denver. Garth liebte es, wenn die Westmorelands und die Outlaws zusammenkamen.

Stunden später, als das Pokerspiel vorbei war und Cash seinen Brüdern ihr Geld abgenommen hatte, gingen alle bis auf Garth und Jess zu Bett. Obwohl jeder der sechs Outlaws ein Haus in Fairbanks besaß, taten sie ihrem Vater gelegentlich den Gefallen, gemeinsam unter seinem Dach zu nächtigen.

Manche Leute fanden es erstaunlich, dass die sechs Outlaw-Geschwister ein so enges Verhältnis zueinander hatten. Schließlich hatten sie alle eine andere Mutter. Einige der Frauen waren nur auf das Geld von Bart Outlaw aus gewesen. Barts Anwälte sorgten aber dafür, dass er nach jeder Scheidung das alleinige Sorgerecht für das Kind bekam.

Garth war der Älteste. Seine Mutter war Barts erste Frau gewesen. Sie kam aus einer wohlhabenden Familie und hatte Bart gegen den Widerstand ihrer Familie geheiratet. Irgendwann hatten ihre Eltern sie so sehr beeinflusst, dass sie Bart um die Scheidung bat. Er willigte ein, bestand aber darauf, dass er seinen Sohn behielt. Letztlich ging sie dann ohne Garth. Ein paar Jahre später heiratete Juanita den Mann, den ihre Eltern für sie ausgesucht hatten, und vergaß, dass sie einen Sohn aus erster Ehe hatte. Seine Großeltern mütterlicherseits hinterließen Garth allerdings ein ansehnliches Vermögen, als sie vor gut zwanzig Jahren starben.

Jessup – oder Jess, wie er lieber genannt wurde – war sechsunddreißig und der zweitälteste der Brüder. Seine Mutter Joyce hatte es nur auf Barts Geld abgesehen. Er beendete die Ehe noch vor ihrem ersten Hochzeitstag, und wieder erstritt er vor Gericht das Sorgerecht für seinen Sohn.

Cashen, genannt Cash, war vierunddreißig. Seine Mutter Ellen war eine anständige Frau. Zu anständig für Bart. Sie hatte unentwegt versucht, das Gute in ihm zum Vorschein zu bringen. Als ihr klar wurde, dass das unmöglich war, ging sie und nahm ihren Sohn trotz Barts Drohungen mit. Einflussreiche Freunde sorgten dafür, dass Bart auch diesen Sorgerechtsstreit vor Gericht gewann.

Sloan war zweiunddreißig. Seine Mutter Barbie gehörte zu den Frauen, die sich nur für Barts Geld interessierten. Die Ehe hatte nicht einmal sechs Monate gedauert – genug Zeit für sie, um schwanger zu werden. Barbie hatte kein Problem damit, ihren Sohn zurückzulassen – gegen eine hübsche Abfindung natürlich. Seither hatte man nichts mehr von ihr gesehen oder gehört.

Maverick war mit neunundzwanzig der jüngste Outlaw-Sohn. Keiner der Brüder war ein Kostverächter, wenn es um das weibliche Geschlecht ging, aber Maverick war eindeutig der Frauenheld unter ihnen. Seine Mutter Rosalind war auch eine jener Frauen, die Bart ausnehmen wollten. Er hatte sie mit einem anderen Mann ertappt. Es konnte jedoch keinen Zweifel daran geben, dass Maverick Barts Sohn war, denn die Ähnlichkeit war verblüffend – bis hin zu dem Grübchen in seinem Kinn.

Die Jüngste der Geschwister war Charm, Barts einzige Tochter, inzwischen fünfundzwanzig Jahre alt und sein ganzer Stolz und seine Freude. Charms Mutter Claudia war die einzige Frau, die Bart je wirklich geliebt hatte. Sie tanzte nicht nach seiner Pfeife und trat auch nicht mit ihm vor den Traualtar – und es war nicht so, dass er sie nicht gefragt hätte.

Bart machte ihr fünf Heiratsanträge, und fünfmal lehnte sie ab. Das letzte Mal war vor vier Jahren gewesen, als Charm einundzwanzig wurde. Die Outlaws sahen Claudia ziemlich oft, da ihr die Tür im Gegensatz zu den anderen Frauen stets offenstand. Sie kam jedoch nicht so häufig, wie Bart es sich gewünscht hätte. Claudia tolerierte es nicht, dass er ständig mürrisch war und an allem herumnörgelte. Sie schien das Beste in ihm hervorzubringen – falls es denn etwas gab, was man so hätte bezeichnen können.

Bart hatte gewusst, dass Claudia schwanger war, als ihre Beziehung zu Ende ging. Sie verschwand einfach von der Bildfläche. Fünfzehn Jahre später kehrte sie zusammen mit ihrer Tochter zurück. Sie informierte Bart, dass sie sich außerstande sah, mit Charm fertig zu werden und dass er sich jetzt mit ihr befassen solle.

Leider ging Bart es falsch an, indem er seine Tochter noch mehr verwöhnte. Die fünf älteren Brüder waren es schließlich, die sie in ihre Schranken verwiesen. Letztlich entwickelte sich ihre verwöhnte Schwester zu einem erträglichen Wesen – was nicht hieß, dass sie die Geduld ihres Umfelds nicht immer wieder auf die Probe stellte.

„Was hat es nun auf sich mit deiner Absicht zu heiraten, Garth?“, erkundigte Jess sich. „Dad mag zwar behaupten, dass du über Karen hinweg bist, aber ich glaube das nicht – auch wenn es fast zehn Jahre her ist.“

Garth nippte an seinem Wein. Von allen Brüdern war sein Verhältnis zu Jess am engsten. Jess hatte ihm seinerzeit anvertraut, dass er für das Amt des Senators kandidieren wollte. Er gewann die Wahl dann mit großer Mehrheit. Jess wiederum wusste, was Karen Garth bedeutet hatte, weil er es aus allen Briefen herausgelesen hatte, die Garth ihm damals schrieb.

Garth lehnte sich zurück. „Es könnten zwanzig Jahre vergehen, und ich wäre immer noch nicht über Karen hinweg, Jess. Dazu habe ich sie zu sehr geliebt. Aber ich werde nicht jünger, und ich möchte dieses Glück erleben, das ich bei Walker und unserer Cousine sehe. Außerdem gehe ich davon aus, dass ihr meinem Beispiel bald folgt, wenn ich den ersten Schritt mache.“

Jess grinste. „Da kannst du lange warten. Wir sind noch nicht bereit für Heim, Herd und das Tapsen kleiner Füße.“ Nach einer Pause setzte er hinzu: „Hast du dich schon für eine Frau entschieden? Ist es jemand, den wir kennen?“

Garth schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe Charms Rat angenommen und …“

„Moment mal! Du hast einen Rat von Charm angenommen?“

„Ich weiß, es klingt beängstigend, aber ihr Tipp hat mir gefallen. Es ist ein völlig neuer Zugang, um eine Frau kennenzulernen, die für eine Ehe infrage kommt.“

„Was soll das für ein Zugang sein?“, erkundigte Jess sich interessiert, bevor er einen Schluck von seinem Bier nahm.

„Ein Dating-Service.“

Jess hätte sich fast verschluckt. „Ist das dein Ernst?“

Garth nickte. „Zuerst hielt ich es auch für absurd, bis Charm mir klargemacht hat, wie effektiv das Ganze ist. Sie hat sich umgehört und eine erstklassige Agentur in Beverly Hills gefunden. Um in die Liste aufgenommen zu werden, müssen Männer ihr Vermögen nachweisen, und Frauen sollen nicht nur attraktiv sein, sondern Bildung vorweisen und Stil und Klasse haben.“

Garth räusperte sich. „Ich habe angegeben, dass ich eine Frau suche, der ich vertrauen kann, die ehrlich ist und eines Tages Ehefrau und Mutter sein möchte. Letzteres eher früher als später. Außerdem sollte sie meine Interessen und Hobbys teilen. Ich habe eine Liste beigefügt.“

„Haben sie die Superfrau gefunden, die all diesen Anforderungen genügt?“

„Überraschenderweise ja. Glaub mir, diese Agentur nimmt ihre Kandidaten wirklich genau unter die Lupe – und ich kann mich darauf verlassen, dass sie das Ganze vertraulich behandelt.“

„Hast du die Frau schon kennengelernt?“

„Nein, aber sie hat sich einverstanden erklärt, zwei Wochen mit mir an einem Ort zu verbringen, auf den wir uns verständigt haben. Dort wollen wir uns näher kennenlernen. Natürlich übernehme ich alle Kosten, einschließlich der Anreise.“

„Und wo ist dieser Ort?“

„Auf Teneriffa. Ich fliege nächste Woche hin.“

„Ich finde das sehr unpersönlich. Klingt wie ein Geschäftsabkommen.“

„Gewissermaßen ist es das ja auch. Ich beauftrage die Agentur, eine Frau zu finden, die meinen Bedürfnissen und Wünschen entspricht. Ich habe Fotos von ihr gesehen. Sie ist sehr attraktiv, und ihr Lebenslauf ist beeindruckend. Falls alles so läuft, wie ich es mir vorstelle, dann treffen wir uns weiterhin und sprechen irgendwann über die Ehe.“

„Eine Ehe ohne Liebe.“

„Ja, das stimmt. Ich werde sie achten und respektieren und ihre Wünsche erfüllen, aber ich werde sie nie lieben“, sagte Garth offen. „In der Hinsicht werde ich ihr auch nichts vormachen, Jess. Sie soll die Ehe nicht mit falschen Erwartungen eingehen.“

„Wieso diese Agentur? Ich hätte gedacht, dass du allein in der Lage bist, eine Frau zu finden.“

„Ich hatte keine Zeit.“

„Gibt es einen Grund dafür, dass du es plötzlich so eilig hast?“

„Nein.“

Jess musterte ihn durchdringend. Garth fühlte sich zunehmend unwohl unter seinem Blick. Jess hatte ein Gespür für seine Motive und Garth hoffte inständig, dass er ihn diesmal nicht durchschaute. Je weniger Jess wusste, desto besser.

„Na ja, du bist ein Ass, wenn es um strategische Planung geht. Ich hoffe, die Frau ist alles, was du dir wünscht, Garth.“

„Danke, Jess, das hoffe ich auch.“

Regan Fairchild arbeitete als Pilotin für die Outlaws. Es war ein Job, um den sie jeder beneidete, der das Fliegen liebte. Wieso erwog sie, ihn aufzugeben? Die Antwort auf diese Frage war eng mit dem attraktiven Mann verknüpft, der gerade mit einer Aktentasche in der einen Hand und einem Handy in der anderen auf ihre Maschine zukam. Der starke Wind, der im Oktober in Alaska wehte, drückte den langen schwarzen Mantel gegen seine Beine. Die Schultern unter dem Mantel waren breit und kräftig. Sie verstärkten sein ausgesprochen männliches Erscheinungsbild.

Regan war überzeugt, dass er in einem anderen Leben ein Entdecker gewesen war, der unbekannte Küsten und Regionen erforscht hatte. Er war immer aktiv, hatte immer einen Plan. Er gönnte sich nur selten eine Pause und in letzter Zeit hatte er auch kaum noch Dates.

Ihr Herz schlug schneller – wie immer, wenn sie ihn sah. Wie lange war es her, dass sie sich hoffnungslos in Garth Bartram Outlaw verliebt hatte? War es vor zehn Jahren gewesen, an ihrem achtzehnten Geburtstag, als er sie und ihre beiden besten Freundinnen nach Las Vegas geflogen hatte? Es war ein Geschenk zum Schulabschluss gewesen. Oder war es noch zwei Jahre früher gewesen, als er ihrem Vater geholfen hatte, sie mit einer Party in Disney World zu ihrem sechzehnten Geburtstag zu überraschen? Im Grunde spielte es keine Rolle, wann es passiert war. Wichtig war nur: Es war passiert, und sie musste etwas tun, bevor ihre Gefühle für Garth sie ins Verderben stürzten.

Regan wusste, dass es eigentlich keine Option war, den Job aufzugeben, auch wenn sie sich etwas anderes wünschte. Ihr Vater Franklin Fairchild war über vierzig Jahre lang der Firmenpilot von Outlaw Freight Lines gewesen. Als er sich vor ein paar Jahren zur Ruhe setzte, übernahm sie seinen Job. Sie liebte die Arbeit. So wie sie den Mann liebte, der sie mit einem strahlenden Lächeln begrüßte – so wie immer, wenn er sie sah. Es war ein Lächeln, das ihr alles bedeutete.

Garth runzelte nur selten die Stirn, und wenn er es tat, wussten alle, dass es ein Problem gab. Er war ein kluger Geschäftsmann und die Firma war stark gewachsen, seit er sie von seinem Vater übernommen hatte. Nicht, dass Bart Outlaw seinen Job nicht gut gemacht hätte, aber Garth hatte einen anderen Ansatz als sein Vater. Bart herrschte mit harter Hand und war von Natur aus misstrauisch, halsstarrig und wenig flexibel. Garth hingegen beherrschte die Kunst des Kompromisses und er war brillant in seinen Entscheidungen. Alle mochten Garth, und gerade sie wusste nur zu gut, wie leicht es war, ihn zu lieben.

Sie wusste auch von der düsteren Phase seines Lebens – damals, als er von seinem Einsatz bei den Marines zurückgekommen war. Er war ein gebrochener Mann, der die Liebe seines Lebens verloren hatte. Eine Zeitlang hatte er nie gelächelt, während er sich an der Seite seines Vaters in die Arbeit stürzte und die Firma vergrößerte.

Irgendwann hatte Bart sich zur Ruhe gesetzt. Besser gesagt: Der Aufsichtsrat zwang ihn, seinen Hut zu nehmen. Garth übernahm und arbeitete hart, um die Firma durch schwierige Zeiten zu bringen. Regan vermutete, dass die Arbeit für ihn ein Mittel zum Zweck war. So konnte er wenigstens vorübergehend den Verlust der Frau vergessen, die er so geliebt hatte. Mehr als einmal hatte sie in Momenten, in denen er sich unbeobachtet glaubte, unverkennbare Trauer in seinem Blick gesehen.

„Gute Morgen, Regan“, sagte er jetzt, als er zu ihr trat.

Sie sah zu ihm auf. Er war groß, aber zuallererst registrierte sie das helle Braun seiner glatten Haut, die durchdringenden dunklen Augen, die perfekt geformte Nase, die vollen Lippen und das markante Kinn. Die Aufmerksamkeit der Frauen war ihm immer sicher, ganz gleich, wo er sich befand.

„Hallo, Garth. Bereit zum Start?“ Santa Cruz auf Teneriffa war ihr Ziel.

„Bereit, wenn du bereit bist. Wie geht es Franklin?“

„Dad geht es gut.“

„Schön. Ich will ihn bald mal besuchen.“

Regans Vater hatte ein gutes Verhältnis zu allen Kindern von Bart, aber Garth war immer sein Liebling gewesen. Franklin hatte schon als Pilot für Bart gearbeitet, als Garth geboren wurde. Nachdem Bart das Sorgerecht für Garth bekommen hatte, begleiteten er und seine Nanny ihn oft auf seinen langen Reisen.

„Ich vermisse ihn.“

Regan vermisste ihren Vater auch. Es hatte sie überrascht, als er für seinen Ruhestand das kalte Alaska gegen das sonnige Florida tauschte. Doch er liebte es, das ganze Jahr über den Sonnenschein zu genießen.

„Alles ist in Ordnung, Garth. Wir können bald starten.“

Keine zwanzig Minuten später hoben sie ab. Sie mussten ein paar Tankstopps einplanen. Regan war noch nie in Santa Cruz gewesen, hatte aber gehört, dass es sehr schön war. Sie hatte es sich zum Prinzip gemacht, sich nicht nur über die Gegebenheiten des Zielflughafens zu informieren, sondern auch über die Umgebung. Geplant war, dass sie Garth in Santa Cruz absetzte und ihn zwei Wochen später dort abholte. Vor dem Rückflug nach Alaska hatte sie zwei Ruhetage. Die wollte sie nutzen, um sich ein bisschen umzusehen und shoppen zu gehen. Gelegentlich kam es vor, dass Garth sie bat, während seines Aufenthaltes bei ihm zu bleiben und ihn zu chauffieren, aber diesmal hatte er nichts dergleichen gesagt.

„Hast du etwas dagegen, wenn ich zu dir nach vorn komme?“

„Natürlich nicht.“ Sie lächelte ihn an.

Es war nicht das erste Mal, dass Garth sich zu ihr ins Cockpit setzte, weil er sich allein langweilte, auch wenn die Maschine jeden nur erdenklichen Luxus bot.

Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie geschmeidig er sich auf den Platz des Ko-Piloten gleiten ließ. Wie immer duftete er gut. Sie musste nicht hinübersehen, um zu wissen, dass er sich das Headset aufsetzte. Ihr Vater hatte Garth als Teenager bereits Flugstunden gegeben, und er hatte seine Fähigkeiten bei den Marines weiterentwickelt. Mehr als einmal hatte er sie bei langen Flügen als Ko-Pilot unterstützt.

„Geschätzte Flugzeit?“, fragte er.

„Zwölf Stunden.“

„Der erste Stopp?“

Nach den Regularien musste sie nach neun Stunden eine Pause einlegen. „Bolungarvik, Island.“

Er nickte. „Eine schöne Stadt. Ich war ein paarmal dort, als ich bei den Marines war. Ein kleiner Fischerort in einer atemberaubenden Berglandschaft.“

„Klingt schön.“

„Das ist es.“

Sie nahm die Kurve um einen hohen Berg. „Du bist gut in deinem Job, Regan.“

„Danke. Ich habe vom Besten gelernt.“

Für sie war ihr Vater der beste Pilot, den sie kannte. Er hatte dafür gesorgt, dass sie ihren Pilotenschein schon mit sechzehn machte. Ihre Mutter war an einem Aneurysma gestorben, als Regan gerade einmal fünf gewesen war. Sie und ihr Vater hatten ein enges Verhältnis, und sie vermisste ihn jetzt, wo er in Florida war. Natürlich hatte sie Verständnis dafür, dass er die Vorzüge des warmen Klimas genießen wollte. Er hatte den Erlös aus dem Verkauf ihres Elternhauses mit ihr geteilt und sie hatte sich von ihrem Anteil ein Haus am Tanana River gekauft.

Da Fairbanks einen Militärstützpunkt hatte, waren die meisten Männer, mit denen sie Verabredungen hatte, Soldaten. Sie mochte ihre Gesellschaft, aber es war mit keinem von ihnen etwas Ernsteres geworden. Zumindest nicht so, wie einige es gern gehabt hätten. Anfang des Jahres hatte sie sich von Craig Foster getrennt. Sie waren sechs Monate zusammen gewesen. Als er Anzeichen von Eifersucht zu entwickeln begann, machte sie Schluss, weil sie darauf keine Lust hatte.

„Ich bin gern hier oben.“

Sie wusste, was Garth meinte. Es war ein unglaubliches Gefühl, ganz allein am blauen Himmel zu sein. „Ich auch. Ich nehme an, ich muss nicht fragen, ob du auf deine Termine gut vorbereitet bist.“ Sie wusste, wenn es um Geschäftliches ging, war Garth immer gut vorbereitet.

„Diesmal nicht.“ Er lachte leise. „Das hier ist eine echte Vergnügungsreise.“

„Oh.“ Seine Bemerkung versetzte ihr einen Stich. Sicher verbrachte er die zwei Wochen in Santa Cruz mit einer Frau. Die Vorstellung tat ihr weh, obwohl es sie natürlich nichts anging.

„In Fairbanks braucht niemand die Maschine, solange ich in Santa Cruz bin. Es hat sowieso jeder seinen eigenen Flieger“, sagte Garth. „Wenn du möchtest, kannst du gern deinen Vater in Florida besuchen, bevor du mich wieder abholst.“

Er hatte recht. Jeder Outlaw besaß sein eigenes Flugzeug und konnte es auch selbst fliegen. Sogar Charm. Die Straßenverhältnissen machten in Alaska das Fliegen einfach notwendig. Es hieß, dass es im ganzen Staat mehr private Flugzeuge als Autos gab.

„Danke, aber Dad ist gerade zu einer dreiwöchigen Kreuzfahrt aufgebrochen. Falls du nichts dagegen hast, würde ich gern ein paar Tage in Los Angeles bei Simone verbringen.“ Garth wusste, dass Simone ihre beste Freundin aus College-Zeiten war.

„Natürlich habe ich nichts dagegen. Es könnte übrigens sein, dass wir auf dem Rückflug einen Gast mitnehmen.“

Regan spürte, wie sich ihr der Magen zusammenzog. „Einen Gast?“

„Ja. Ich gebe dir Bescheid, sobald ich mir sicher bin, damit du alle Papiere entsprechend ausfüllen kannst.“

„Natürlich, Garth.“

Bisher hatte er noch nie eine Frau mit an Bord gebracht. Er trennte Privates und Berufliches strikt. Aber hatte er nicht gesagt, dass es sich diesmal nicht um eine Geschäftsreise handelte?

Regan versuchte, sich auf den Flug zu konzentrieren und nicht auf das, was Garth ihr erzählte. Vielleicht war es an der Zeit, endlich zu akzeptieren, dass sie für Garth seine Pilotin war, nicht mehr. Sie würde nie die Frau sein, die sich eines Tages einen Platz in seinem Herzen eroberte, um die Trauer zu besiegen, die sie so oft in seinem Blick sah. Sosehr sie sich auch etwas anderes wünschte, dazu würde es nie kommen. Sie musste endlich ihren Frieden mit dieser Tatsache machen.

2. KAPITEL

„Was soll das heißen, sie kommt nicht?“ Frustriert fuhr Garth sich mit der flachen Hand über das Gesicht, während er in sein Handy sprach. Er war nach Santa Cruz gekommen und hatte erwartet, die Frau zu treffen, die die Dating-Agentur für ihn ausgesucht hatte. Sie war nicht da.

„Die Agentur hat mich angerufen“, erklärte Charm. „Offenbar hat es irgendeine Verwechslung gegeben. Sie bedauern den Irrtum und hoffen, dass du einen neuen Termin vorschlägst.“

Garth spürte Zorn in sich aufsteigen. Eine Verwechslung der Termine? Und das bei einer Agentur, die vorgab zu den besten des Landes zu gehören? „Jetzt gibt es keinen Grund mehr, hier zu bleiben. Ich werde Regan sagen, dass ich mitkomme, wenn sie in zwei Tagen zurückfliegt.“

„Wieso?“

Garth runzelte die Stirn. „Wieso was?“

„Wieso willst du nach Hause? Glaubst du, Cash kommt nicht ohne dich zurecht?“

Garth rollte die Augen. „Natürlich kommt er zurecht. Hätte ich es ihm nicht zugetraut, hätte ich ihm die Verantwortung nicht übertragen.“

„Dann lass ihn machen. Es gibt ihm das Gefühl, wichtig zu sein für das Unternehmen.“

„Aber er ist wichtig, Charm. Ihr alle seid wichtig.“

„Dann gönn dir die Freizeit, du hast sie dir wirklich verdient. Wir haben uns schon Sorgen um dich gemacht. All die langen Stunden, die du im letzten halben Jahr gearbeitet hast! Dieser Biggins-Deal war nicht einfach, Garth. Du hast es geschafft, nun nimm dir Zeit, um das Leben zu genießen.“ Nach kurzer Pause setzte sie hinzu: „Ich weiß, es ist enttäuschend, die Frau nicht zu treffen, aber sieh es doch einmal positiv. Zumindest habe ich dir ein nettes Haus ausgesucht.“

Garth sah sich um. Charm hatte alles gebucht und sie hatte recht. Das Haus war wirklich beeindruckend. Ein hübsches Château in den Bergen mit einem atemberaubenden Ausblick auf den Atlantik. „Was soll ich hier allein zwei Wochen lang anfangen?“

„Erhol dich. Entspann dich. Schlafe. Und wer sagt, dass du allein sein musst? Ich habe mehrere Aktivitäten für dein Date und dich gebucht. Es ist alles bezahlt. Bitte doch Regan zu bleiben und dir Gesellschaft zu leisten.“

„Regan?“

„Ja, Regan.“

Garth atmete tief durch. Seit dem Wohltätigkeitsball zu Silvester – als er auf Wunsch der Westmorelands Regan gebeten hatte, ihn zu begleiten – sah er sie mit anderen Augen. Er schob es auf ihr Abendkleid und den gemeinsamen Tanz. Als er sie in seinen Armen hielt, hatte ihn auf einmal ein intensives Verlangen überkommen, das er nach Karen nicht mehr für möglich gehalten hatte. Er kannte Regan von Kindesbeinen an, und sie arbeitete seit fast fünf Jahren als seine Pilotin, aber an diesem Abend hatte er sie in einem ganz anderen Licht wahrgenommen.

In einem Licht, das er seither versuchte zu dämpfen.

„Ich kann Regan nicht bitten, zwei Wochen mit mir hier im Château zu bleiben, Charm.“

„Wieso nicht?“

Er weigerte sich, irgendetwas zu sagen, das seiner Schwester Anlass zu Spekulationen gab. Sie war der letzte Mensch, der wissen sollte, wie sehr er sich zu Regan hingezogen fühlte. Und schon gar nicht sollte sie auch nur ahnen, dass er dieser Sache mit der Agentur nur zugestimmt hatte, um Regan auf diese Weise aus seinen Gedanken zu verbannen.

„Ich glaube, sie möchte nach L. A. fliegen, Charm. Sie sagte etwas von ihrer Freundin, die sie besuchen möchte.“

„Glaub mir, Garth – jede Frau würde gern zwei Wochen in diesem Château verbringen. Wann hat Regan das letzte Mal einen Urlaub genommen, in dem sie nicht ihren Vater in Florida besucht hat? Sie ist seit fast fünf Jahren deine Pilotin, und du hast noch nichts richtig Nettes für sie getan.“

Er unterdrückte ein Seufzen. „Charm, ich bin immer nett zu Regan.“

„Ich meine, richtig nett. Sie muss schließlich Entscheidungen treffen und …“ Charm sprach nicht weiter.

Garth hakte nach. „Entscheidungen? In welcher Hinsicht?“

Seine Schwester zögerte und das gefiel ihm gar nicht.

„In welcher Hinsicht, Charm?“, fragte er noch einmal.

„Ich wollte nicht darüber sprechen, weil sie mich gebeten hat, es vertraulich zu behandeln, aber vielleicht solltest du es wissen. Zumal er ihr eine Menge bietet …“

„Wovon redest du? Wer ist er und was bietet er ihr?“

Charm seufzte. „Du darfst Regan nicht sagen, dass du es von mir weißt, aber Harold Anders hat ihr einen Job als seine persönliche Pilotin angeboten. Das Gehalt ist gut und die Zusatzleistungen sind noch besser.“

Garth schwieg, während er diese Informationen verdaute. Sie schlugen ihm schwer auf den Magen. Harold Anders besaß ein riesiges Software-Unternehmen in Fairbanks mit Büros in Los Angeles, Dallas, Atlanta, Portland und einigen weiteren Städten, sowie Niederlassungen in London, Rom und Paris. Er hatte nicht nur eine Privatmaschine, sondern gleich mehrere.

Er wusste auch, dass der Mann einundvierzig war, geschieden und ein Frauenheld. Anders betrachtete Frauen als Trophäen, je jünger desto besser. Garth hatte noch gut den Sexskandal in Erinnerung, in dem Harold und seine persönliche Assistentin im Mittelpunkt standen.

Und dieser Mann wollte Regan als persönliche Pilotin?

Anders war der letzte, den Regan als Arbeitgeber in Betracht ziehen sollte. Außerdem: Noch arbeitete sie ja für Garth. Seit über vierzig Jahren hatte immer ein Fairchild für die Familie Outlaw gearbeitet. Gelegentlich, wenn er im Ausland unterwegs war, chauffierte sie ihn auch im Wagen. Es war absurd, sich auch nur vorzustellen, sie könne sich eine andere Stelle suchen. Er bot ihr ein gutes Gehalt und etliche Bonusleistungen. Darüber klagte er auch nicht, denn er war sicher, dass sie jeden Penny wert war. Sie war für ihn einfach unersetzlich.

„Ich habe nicht gesagt, dass sie das Angebot annimmt, Garth. Sie hat einen Monat Zeit, sich zu entscheiden.“

„Mir gefällt nicht, dass sie überhaupt darüber nachdenkt.“

Das Schweigen, das nun eintrat, verriet, dass auch Charm nicht begeistert war. Für sie war Regan so etwas wie eine ältere Schwester. Charm war nach Alaska gekommen, als sie fünfzehn Jahre alt war, voller Aggressionen und bereit, verbal um sich zu schlagen. Ihre Wut richtete sich gegen alle, außer gegen Regan. Die beiden hatten sich sofort verstanden.

„Ich bin überzeugt, Regan nimmt den Job nicht an“, erklärte Charm. „Sie arbeitet gern für unsere Firma. Das hat sie schon oft gesagt, und ich weiß auch, dass sie dich gern fliegt.“

Garth wünschte, er könne davon so überzeugt sein wie seine Schwester. „Wieso hat sie mir nichts von dem Angebot erzählt?“, fragte er frustriert.

„Meine Güte, Garth! Du bist ihr Boss. Wahrscheinlich dachte sie, du glaubst, sie wolle um ein höheres Gehalt pokern, wenn sie es dir erzählt.“

„Das hätte ich nicht geglaubt. Außerdem bin ich mehr als ihr Boss, Charm. Wie alle Outlaws betrachte ich Regan als eine Freundin.“

„Du bist ein schöner Freund! Missgönnst ihr zwei Wochen in dem Château mit dir! Ich an deiner Stelle würde mir wirklich Mühe geben, ihr zu zeigen, dass sie für dich nicht nur deine Pilotin, sondern auch eine Freundin ist.“

Er war sich nicht sicher, ob er diese Grenze überschreiten wollte. „Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist, wenn Regan und ich hier zusammen Zeit verbringen.“

„Und wieso nicht?“

Unter gar keinen Umständen würde er ihr den wahren Grund verraten. „Ich möchte nicht, dass sie sich irgendwie unwohl fühlt.“

„Wieso sollte sie? Du denkst zu viel nach. Weder Jess, Cash, Sloan oder Maverick hätten ein Problem damit, Regan auf zwei Spaßwochen einzuladen. Ich verstehe nicht, wo dein Problem ist.“

„Wir haben nicht diese Art von Beziehung.“

„Das solltet ihr aber. Du kennst sie genauso lange wie die anderen, wenn nicht länger. Und alle wissen, was für eine gute Beziehung du zu Franklin hast. In mancher Hinsicht stehst du ihm näher als Bart.“

Als er schwieg, setzte sie hinzu: „Weißt du, was ich glaube, Garth?“

„Nein. Was?“ Er hielt förmlich die Luft an.

„Ich glaube, das Problem liegt nicht bei Regan, sondern bei dir.“

In ihm zog sich alles zusammen. Ahnte Charm, dass er sich zu Regan hingezogen fühlte? „Inwiefern?“

„Seit du die Firma übernommen hast, bist du so besessen von der Idee, sie noch erfolgreicher zu machen, dass du nur noch an die Arbeit denkst und gar nicht mehr weißt, wie es ist, Spaß zu haben. So wie früher. Du bist ein echter Langweiler geworden.“

„Ein Langweiler?“

„Ganz genau. Und mürrisch dazu. Fast schon ein zweiter Bart.“

Garth runzelte die Stirn. „Das ist ja wohl etwas übertrieben!“

„Aber es wird dazu kommen, wenn du nicht lernst, zu entspannen, Spaß zu haben und Zeit mit Leuten zu verbringen, denen du vertraust. Wenn es dir lieber ist, komme ich nach Santa Cruz und verbringe die zwei Wochen mit dir.“

Darauf hatte er nun wirklich keine Lust. Charm würde ihn um den Verstand bringen. „Ich frage Regan.“

„Gut. Nun zur Dating-Agentur. Soll ich einen neuen Termin vereinbaren?“

Er atmete tief durch. Vielleicht war es ein Omen, dass die Frau nicht erschienen war. Wenn er ehrlich war, zog er es ohnehin vor, Frauen auf traditionelle Art kennenzulernen. „Nein. Bitte kündige den Vertrag.“

„Sicher?“

„Absolut.“

„Gut, dann sage ich ihnen Bescheid, dass sie dich aus ihrer Liste nehmen können. Hab eine schöne Zeit, Garth.“ Charm beendete das Gespräch.

„Du möchtest, dass ich dir im Château Gesellschaft leiste?“ Regan versuchte zu begreifen, was Garth gerade am Telefon sagte.

„Genau. Meine ursprünglichen Pläne haben sich geändert, und es wäre doch schade, wenn alles verfällt, was ich gebucht habe. Deswegen lade ich dich ein.“

Regan konnte daraus nur einen Schluss ziehen: Aus irgendeinem Grund war die Frau, mit der er verabredet gewesen war, nicht erschienen, und nun lud er stattdessen sie ein.

Sollte sie sich darüber aufregen, dass sie nur die Ersatzlösung war? Aber sie war ja kein vollständiger Ersatz. Er erwartete gewiss nicht, dass sie in jeder Hinsicht für die Frau einsprang. Sie hegte keinen Zweifel daran, dass er eine Affäre mit ihr hatte. Was für ihn und sie selbst mit Sicherheit nicht zutraf. Er wollte einfach nur nett sein und ihr einiges von dem anbieten, was sein Date nun nicht genießen konnte. Mit ihm ins Bett zu gehen, gehörte nicht dazu.

Wenn sie ihre Gefühle für Garth überdachte, dann lautete die Frage: Konnte sie seine Gesellschaft so genießen, als käme die Einladung von Jess, Cash, Sloan oder Maverick? Garth war ihr Boss, die anderen nicht. Als der Erstgeborene war er darauf vorbereitet worden, eines Tages Bart zu ersetzen, und in letzter Zeit war er nicht mehr so zugänglich wie seine Geschwister.

Seit sie seine Pilotin war, hatte sie gelernt, seine Stimmungen zu erkennen. Er war ihr gegenüber immer nett und rücksichtsvoll, aber sie wusste dennoch, ob er eher ernst oder entspannt war. Das hing immer von den geschäftlichen Dingen ab, mit denen er gerade befasst war. In letzter Zeit hatte sie ihn selten entspannt erlebt.

Von diesen entspannten Momenten wollte sie mehr.

„Ja, Garth, ich nehme die Einladung gern an. Vielen Dank.“

„Ich weiß, du wolltest ein paar Tage in L. A. mit deiner Freundin verbringen. Ich sorge dafür, dass du das nachholen kannst. Wir können die Tage auf dem Rückflug anhängen. Während du sie besuchst, kann ich mich mit ein paar Freunden von früher treffen. Kein Problem.“

„Das musst du nicht tun.“

„Es macht mir nichts aus. Das ist das wenigste, was ich tun kann, um mich zu revanchieren. Schließlich hältst du mich davon ab, dass ich mich hier zwei Wochen zu Tode langweile. Auf dem Flug hast du erwähnt, dass du morgen shoppen gehen willst. Wie wäre es, wenn ich mitkomme?“

Regan hätte sich fast an ihrem Tee verschluckt. „Du willst mit mir shoppen gehen?“

„Sicher. Wieso nicht? Es ist ja nicht so, als ob ich noch nie shoppen gewesen wäre. Vergiss nicht, ich bin Charms Bruder. Wenn ihre Einkauf-Eskapaden mich nicht um den Verstand gebracht haben, dann wirst du es auch nicht schaffen.“

„Oh.“

„Wann soll ich dich im Hotel abholen?“

„Jederzeit.“

„Dann also bis zehn!“

Pünktlich um zehn Uhr sah Regan Garth die Lobby des Hotels betreten. Ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer und begann dann zu rasen, als er sie entdeckte und ihr sein Lächeln schenkte. Dieses Lächeln, das ihr ganz warm werden ließ.

„Guten Morgen, Regan. Bist du startklar?“

Sie war sich da nicht sicher. In der vergangenen Nacht hatte sie kaum Schlaf gefunden, weil sie darüber grübelte, ob es eine gute Idee war, zwei Wochen mit ihm zu verbringen. Als seine Pilotin zu arbeiten, war schon Versuchung genug. Aber jetzt konnte sie keinen Rückzieher mehr machen, ohne ihm Gründe nennen zu müssen.

„Ja, ich bin fertig.“

„Brauchst du Hilfe mit deinem Gepäck?“

„Nein, danke, geht schon.“ Ihre Tasche war nicht sehr schwer.

„Walker hat angerufen, bevor ich losgefahren bin. Rate mal, was passiert ist!“

Sie sah ihn fragend an. „Was denn?“

„Die Zwillinge sind die Babys des Jahres. Ihr Foto erscheint auf dem Cover irgendeiner Zeitschrift.“

„Das ist ja wunderbar!“ Regan kannte Walker schon genauso lange wie Garth, da sie mit beiden von Kindesbeinen an befreundet war.

„Das finde ich auch. Er musste es mir gleich erzählen, ich bin ja einer der Paten.“

Sie wusste, dass Baileys ältester Bruder Ramsey Westmoreland der andere Pate war. „Ich habe die Zwillinge schon lange nicht mehr gesehen. Ich wette, sie sind ganz schön gewachsen.“

„Das sind sie. Ich freue mich für Walker. Es war sehr hart für ihn, seinen Sohn Connor zu verlieren, und damals hat er geschworen, er wolle nie wieder Kinder haben. Es ist schön, dass er und Bailey eine wunderbare Familie haben.“

Garth hielt ihr die Tür des Leihwagens auf. „Willst du eigentlich eine Familie und Kinder? Wir haben nie darüber gesprochen.“

Sie schnallte sich an. „Irgendwann schon“, bekannte sie, „aber ich habe es nicht eilig damit.“

Er nickte und schloss die Tür hinter ihr. Sie bekam eine Gänsehaut, als sie ihn um den Wagen herumgehen sah. Er hatte einen unglaublich sinnlichen Gang. Heute trug er Jeans, genau wie sie. Das blaue Polohemd stand ihm blendend, und sie hoffte, dass er das Gleiche über ihre Bluse dachte.

„Ich kann mich gar nicht erinnern, ein Memo verschickt zu haben“, sagte sie.

Er sah sie verblüfft an. „Was für ein Memo?“

„Das über die Farben, die ich heute trage.“

Er grinste breit. „Es wäre nicht das erste Mal, dass wir das gleiche Outfit tragen, ohne uns vorher abgesprochen zu haben.“

Das stimmte. Sie war schon oft genug in letzter Sekunde bei verschiedenen Anlässen als seine Partnerin eingesprungen und hatte es sich daher zur Angewohnheit gemacht, immer halboffizielle und offizielle Kleidung mit den nötigen Accessoires in den Koffer zu packen.

Die Frage drängte sich auf: „Wieso interessiert es dich, ob ich eine Familie und Kinder möchte? Hat Dad mit dir geredet?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe rein aus Neugier gefragt. Wieso hätte Franklin mit mir darüber sprechen sollen?“

„Weil das im Moment sein Lieblingsthema ist. Jetzt, wo er im Ruhestand ist und Zeit hat, findet er, er sollte Enkelkinder haben, um die er sich kümmern kann. Er hat schon ein paar zarte Andeutungen gemacht.“

Garth lachte. „Das kann ich mir vorstellen.“

„Dad weiß, dass er mich zuerst einmal unter die Haube bringen muss. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Söhne und Enkelsöhne seiner neuen Bekannten in Florida er schon eingeladen hat, wenn ich zu Besuch war.“

„Geht es dir auf die Nerven?“

„Allerdings.“ Sie lachte. Da er selbst das Thema angeschnitten hatte, fühlte sie sich frei, ihn auch zu fragen: „Was ist mit dir? Willst du dir ein Beispiel an Walker nehmen und auch eine Familie gründen?“

Regan hatte ein schnelles Ja oder Nein erwartet. Sein Zögern überraschte sie. „Umm … vielleicht“, sagte er schließlich.

Vielleicht? Waren seine Pläne mit der Frau hier in Santa Cruz ernster gewesen, als sie angenommen hatte? Sie hatte spontan jede Menge Fragen. Wie hatten die beiden sich kennengelernt? Wie ernst war es schon? Wenn er an eine Familie dachte, dann hieß es doch, dass er nach dem Verlust von Karen wirklich wieder ins Leben zurückkehrte.

„Wohin möchtest du zuerst?“

„Ich habe gehört, die besten Shops und Märkte sind im Zentrum.“

„Dann soll das unser erstes Ziel sein.“ Er fuhr los.

3. KAPITEL

Garth ärgerte sich. Falls noch ein Mann es wagen sollte, mit Regan zu flirten, würde er sich einmischen. Es spielte keine Rolle, dass sie sehr gut allein damit klarzukommen schien.

Er saß auf einer Bank im hinteren Teil des Ladens und konnte sie gut sehen. Bedauerlicherweise sahen auch andere Männer, was er sah – eine sehr hübsche junge Frau. Aber das gab immer noch niemandem das Recht, sie beim Shoppen zu stören.

Der Mann trat endlich beiseite, sodass Garths Sicht auf sie nun wieder ungehindert war. Er musterte sie versonnen – ihre glatte, dunkle Haut, die vollen Lippen und die hohen Wangenknochen. Dazu die mandelförmigen braunen Augen. Das glänzende dunkelbraune Haar wellte sich leicht und fiel ihr bis auf die Schultern. Wie alle anderen Männer registrierte er natürlich, wie gut ihre Jeans und die blaue Bluse saßen. Regan Fairchild war ganz eindeutig eine attraktive Frau. Er wollte, er hätte es nicht so bewusst wahrgenommen.

Ein Ping informierte ihn über Neuheiten in seiner Börsen-App. Garth erhob sich, um das Handy aus seiner Hosentasche zu ziehen. Er lächelte zufrieden, als er sah, dass einige seiner Aktien sich sehr gut entwickelten. Nachdem er das Handy wieder eingesteckt hatte, bemerkte er, dass schon wieder ein Mann zu Regan getreten war.

Pikiert registrierte Garth, dass sie auf ihn ausgesprochen freundlich reagierte. Sie lächelte pausenlos, während er redete. Wieso?

Es war an der Zeit, die kleine Party aufzulösen! Während er hinüberging, war ihm sehr wohl bewusst, dass Regan reden durfte mit wem auch immer sie wollte. Er hatte kein Recht, sie davon abzuhalten. Ausnahmsweise wollte er aber die Stimme der Vernunft ignorieren.

Aus dem Akzent des Mannes schloss Garth, dass er Amerikaner war. „Wie läuft es, Regan?“, erkundigte er sich.

Sie lächelte ihn an. „Alles in Ordnung, Garth. Ich würde dir gern jemanden vorstellen. Das ist Lamont Jefferson. Lamont und ich waren zusammen an der Universität.“

Sie wandte sich an den anderen Mann. „Lamont, das ist mein Boss, Garth Outlaw.“

Garth verzog keine Miene. Er wusste selbst nicht, wieso es ihn irritierte, dass sie ihn als ihren Boss bezeichnete. Schließlich war er es. Während er dem Mann die Hand schüttelte, überlegte er, dass dieser Lamont sich wahrscheinlich fragte, wieso ihr Boss sie beim Shoppen begleitete.

„Was machen Sie in Santa Cruz?“, fragte Garth.

„Meine Frau und ich sind gerade auf Kreuzfahrt. Wir haben uns hier in der Stadt getrennt, weil ich mir ein paar Sportsachen ansehen wollte, während sie sich für neue Kleider interessiert. Dies war die erste Damenboutique auf meinem Weg und ich dachte, ich finde sie vielleicht hier. Dabei habe ich zufällig Regan getroffen. Die Welt ist doch klein.“

Regan strahlte. „Das kann man wirklich sagen!“

„Ich sollte mich jetzt besser auf die Suche nach Monica machen“, bemerkte Lamont. „Wir müssen bald wieder aufs Schiff zurück. Hat mich sehr gefreut, dich wiederzusehen, Regan. War nett, Sie kennenzulernen, Garth.“

„Ganz meinerseits.“ Garth nickte. „Scheint ein netter Kerl zu sein“, bemerkte er, während er dem Mann nachsah.

„Das ist er. Wir sind ein Semester lang zusammen ausgegangen, während wir an der UCLA waren.“

Das stieß ihm ebenso bitter auf wie die Neuigkeit seiner Schwester, dass Harold Anders Regan ein Angebot gemacht hatte. Garth verstand seine Reaktion selbst nicht. Vielleicht war es ein reiner Schutzinstinkt. Ja, das musste es ein.

„Ich wette, du langweilst dich.“

Ihre Worte durchbrachen seinen Gedankengang. Glaubte sie, er sei deswegen herübergekommen? „Nein, ich langweile mich nicht.“ Sein Blick fiel auf die Sachen über ihrem Arm. „Wie ich sehe, hast du einiges gefunden.“

„Ja, die Auswahl hier ist wirklich super. Ich muss nur noch zahlen, dann können wir gehen.“

Er sah sie erstaunt an. „Willst du nichts anprobieren?“

„Nicht nötig, ich kenne meine Größe.“

Er lachte leise. „Das behauptet Charm auch, aber das hat sie noch nie davon abgehalten, alles anzuprobieren. Nur zu, ich warte. Sonst habe ich noch das Gefühl, ich hätte dich unter Druck gesetzt.“

„Das musst du nicht. Ich bin sicher, es passt alles.“

„Tu mir den Gefallen, sonst denke ich noch, Charm hätte meine Gutmütigkeit all die Jahre ausgenutzt.“

Sie warf den Kopf zurück und lachte laut auf. Sie konnte nicht ahnen, wie verführerisch ihr Hals so wirkte. „Also gut, wenn du meinst. Es ist deine Zeit.“

„Stimmt, und ich habe genug davon. Ich setze mich wieder da drüben hin und warte.“

Er sah, wie sie im Umkleidebereich verschwand. Während der Arbeit trug sie immer ihre Pilotenuniform, und wenn sie ihn chauffierte, hatte sie auch dafür eine Uniform. Bei den offiziellen Anlässen, zu denen sie ihn begleitete, trug sie passende förmliche Kleidung. Er sah sie selten in Freizeitkleidung, und wenn, dann stellte er immer wieder fest, was für eine attraktive Frau sie war.

Regan hatte eine fantastische Figur, stellte sie aber nie bewusst heraus. Er liebte es, wenn sie ihr Haar offen auf die Schultern herabfallen ließ – das tat sie nie, wenn sie im Dienst war. Dann trug sie für gewöhnlich einen Pferdeschwanz oder ließ das Haar unter der Pilotenmütze verschwinden.

Während er wieder Platz nahm, musste er daran denken, wie unglaublich gut sie auf dem Wohltätigkeitsball ausgesehen hatte. Er atmete tief durch, während er versuchte zu ergründen, was sich an jenem Abend in Denver für ihn geändert hatte. Es war nicht wirklich ein Wendepunkt gewesen, hatte ihm aber irgendwie die Augen geöffnet. Seither versuchte er, auf einiges an ihr nicht zu achten, registrierte es aber dennoch. Auf Distanz zu ihr zu gehen, war keine Option, da er in letzter Zeit sehr viele Termine hatte, zu denen sie ihn flog.

Es stimmte, was er zu Regan gesagt hatte: mit ihr shoppen zu gehen war harmlos verglichen zum Shoppen mit Charm. Bart hatte schon sehr früh verfügt, dass immer einer der Brüder Charm begleiten sollte, wenn sie das Haus verließ. Das betraf auch das Einkaufen. Ihr hatte diese Anweisung ebenso wenig gefallen wie den Brüdern.

Statt ihren Verdruss an Bart auszulassen, ließ sie die Brüder dafür büßen, indem sie jeden Shopping-Ausflug zu einem Albtraum werden ließ. Zumindest für die anderen. Garth hatte von Anfang an gewusst, wie er Charm zu nehmen hatte. Als sie merkte, dass sie ihn mit nichts auf die Palme treiben konnte, begann sie, sich zivilisiert zu verhalten. Er musste zugeben, dass die Ausflüge mit ihr sehr informativ für ihn waren. Sie erzählte ihm mehr, als er je wissen wollte über weibliche Dessous und verriet ihm auch, woran er erkennen konnte, wenn eine Frau keine trug. Charm ging von allen Brüdern am liebsten mit ihm einkaufen, weil sie sich von ihm nicht gehetzt fühlte. Und er flirtete nie mit den Verkäuferinnen, so wie Sloan und Maverick es taten. Sie behauptete, Maverick sei sogar ein- oder zweimal mit einer der Frauen im Waschraum verschwunden. Garth sah keinen Anlass, an ihren Worten zu zweifeln.

„Ich bin fertig, Garth.“

Er sah überrascht auf. „Das war schnell.“

Sie lachte leise. „Als Model habe ich gelernt, mich schnell an- und auszuziehen.“

Ihre Bemerkung ließ eine Reihe unerwünschter Bilder vor seinem geistigen Auge ablaufen. „Ich hatte deine Karriere als Model schon ganz vergessen.“ Franklin hatte Angst gehabt, sie könne sich zu burschikos entwickeln und hatte sie daher mit sechzehn zu einem Benimmkurs angemeldet. Einer ihrer Lehrer hatte ihm dann das Einverständnis abgerungen, sie als Model an einigen Teen-Events teilnehmen zu lassen.

„Es ist lange her, aber ich weiß noch, dass es viel Spaß gemacht hat.“

„Vermisst du es?“ Er erhob sich.

Die Verkäuferin packte alle Kleidungsstücke, die Regan erstanden hatte, in eine Tasche mit dem aufgedruckten Logo der Marke.

„Dazu habe ich es nicht lange genug gemacht. Es waren ja nur zwei Jahre.“

Er erinnerte sich noch gut, dass er und seine Geschwister ihre Mode-Events mehrfach besucht hatten. Damals war sie sogar auf den Titelblättern einiger Teenager-Zeitschriften in Alaska. Er warf einen Blick auf die Uhr. „Es ist kurz nach Mittag. Ich hoffe, du hast Lust auf eine Kleinigkeit zu essen.“

„Immer.“

„Ich weiß, wie gern du Tacos isst. Ich habe gehört, ganz hier in der Nähe gibt es ein Restaurant, das sehr gute anbietet.“

Sie verließen den Laden. „Nur zu deiner Information: Charm hat das alles für mich geplant, unter anderem auch einen Koch, der uns die ganzen zwei Wochen zur Verfügung steht.“

„Klingt nicht schlecht.“

„Ich habe ihn heute Morgen kennengelernt. Das Frühstück war ein Gedicht.“

Während sie so nebeneinander hergingen, war er froh, dass er den Tipp seiner Schwester befolgt und Regan eingeladen hatte. Die Vorstellung, sie könne das Jobangebot annehmen, irritierte ihn nach wie vor, aber das einzig echte Problem, das er für diese zwei Wochen vorhersah, war, dass er seine Gefühle für sie nicht im Griff haben könnte.

Regan sah zu, wie Garth ihr Gepäck in das Gästezimmer des Châteaus brachte und es neben dem riesigen Bett abstellte. Wieso musste er immer so sexy wirken, ganz gleich, was er tat? Und sein Duft! Immer frisch und herb-männlich.

„Vielen Dank.“

„Kein Problem. Ich hoffe, es gefällt dir hier.“

Das sollte wohl ein Witz sein! Das Zimmer war sehr geschmackvoll eingerichtet. Ein Fenster bot einen Blick auf die Berge, während das andere einen ebenso spektakulären Ausblick auf den Atlantik gewährte. Das Château lag hoch oben auf einem Berg.

„Es ist wunderschön hier, Garth. Vielen Dank, dass du mich eingeladen hast.“

„Wann möchtest du zu Abend essen?“

Regan hatte nicht erwartet, dass sie alle Mahlzeiten zusammen einnehmen würden. Irgendwie war sie davon ausgegangen, dass jeder für sich aß. „Wir haben gut zu Mittag gegessen, ein spätes Abendessen wäre mir also recht.“ Die Tacos waren köstlich gewesen und vielleicht hatte sie ein paar zu viel gehabt.

„Okay.“

Er ließ sie allein. Mit einem tiefen Seufzer trat sie ans Fenster. Wie oft hatte sie von einem solchen Szenario geträumt? Sie allein mit Garth auf einer fernen Insel. In ihrem Traum waren sie ein Liebespaar gewesen. Ein Traum, der sie bereits seit Jahren verfolgte.

Sie war gerade dabei, ihre Sachen auszupacken, als ihr Telefon klingelte. Sie lächelte, als sie den Namen Simone Brinkley auf dem Display sah, ihrer besten Freundin aus College-Zeiten. „Simone! Danke, dass du zurückrufst.“

„Kein Problem. Bist du schon auf dem Weg zu mir?“

„Es hat eine Planänderung gegeben. Ich komme noch nicht gleich nach L. A. Garth hat mich eingeladen, zwei Wochen mit ihm hier in einem Château zu bleiben.“

„Wieso das denn? Gestern dachtest du noch, er sei dort mit einer Frau verabredet.“

„So war es wohl auch, aber aus irgendeinem Grund ist sie nicht aufgetaucht.“

„Sie hat ihn versetzt, und nun hat er stattdessen dich eingeladen?“

Regan hatte das Handy auf laut gestellt, um während des Gesprächs weiter auspacken zu können. Sie hängte ihre neuen Stücke in den Schrank. „Ganz so ist es nicht, Simone. Er ist mein Boss.“

„Ein Boss, in den du verliebt bist. Wie hältst du das aus?“

Regan legte ihre Dessous in eine Kommode. „Wie meinst du das?“

„Wie kannst du ihn lieben und es dann akzeptieren, dass er dich nur einlädt, weil eine andere Frau nicht gekommen ist?“

„Es ist anders, Simone. Garth hat keine Ahnung, wie ich zu ihm stehe. Ich nehme nicht den Platz dieser Frau ein. Zumindest nicht so, wie du es andeutest. Für ihn bin ich einfach nur eine Angestellte, zu der er nett sein will. Deswegen hat er mir angeboten, die zwei Wochen hier zu verbringen. Mehr nicht.“

„Aber du liebst ihn.“

Regan atmete tief durch. „Ja, aber mit meinen Gefühlen für Garth muss ich allein fertig werden. Irgendwann werde ich darüber hinwegkommen.“

„Bisher war das nicht der Fall. Wie viele Jahre geht das schon, Regan? Als wir zusammen an der UCLA waren, hast du nur von ihm gesprochen, und ob du es nun zugibst oder nicht, ich bin überzeugt, du bist auch nur seinetwegen nach Fairbanks zurückgegangen. Wieso sonst würde man das sonnige Kalifornien gegen das kalte Alaska tauschen?“

Simone hatte recht. Garth war der Grund für ihre Rückkehr gewesen. „Es spielt keine Rolle.“

„Aber das sollte es.“ Simone machte eine Pause. „Hmmm …“

Regan runzelte die Stirn. „Was hat dein ‚Hmmm‘ zu bedeuten?“

„Ich denke nach.“

Regan wusste, dass das bei Simone gefährlich sein konnte. Sosehr sie ihre Freundin auch mochte – sie würde sich von ihr in nichts hineinziehen lassen. Simone konnte manchmal wirklich gnadenlos sein. Als das einzige Kind einer alleinerziehenden Mutter war sie in dem Glauben aufgewachsen, sie könne alles erreichen, wenn sie es nur richtig anstellte.

„Bitte, tu das nicht, Simone. Ich habe die Situation im Griff.“

„Hast du nicht – sonst hättest du Garth Outlaw genau an dem Punkt, an dem du ihn haben möchtest.“

„Simone …“

„Dies ist vielleicht deine einzige Chance zu bekommen, was du dir wünschst. Zu zweit mit ihm in einem romantischen Château. Das ist perfekt! Wäre ich an deiner Stelle, würde ich ihn hemmungslos verführen. Was hast du schon zu verlieren?“

Regan rollte die Augen. „Zum Beispiel meinen Job. Willst du, dass ich auf der Straße stehe?“

„Er wird dich nicht feuern und du weißt es. Du bedeutest ihm zu viel.“

„Ich wollte, es wäre so.“ Regan seufzte.

„Dann sieh zu, dass du ihn so weit bringst! Du musst ihm nur zeigen, dass du interessiert bist. Du bist hübsch, smart und intelligent. Wer würde sich nicht in dich verlieben wollen?“

„Das sagst du nur, weil du meine beste Freundin bist.“

„Nein, ich glaube mehr an dich als du selbst. Du willst Garth, und jetzt ist die perfekte Gelegenheit, ihn zu bekommen. Wenn du es jetzt nicht versuchst, kannst du es für immer vergessen.“

Regan schüttelte den Kopf. „Der Mann, den du dir einmal in den Kopf setzt, kann einem leidtun. Er hat keine Chance, dir zu entkommen.“

Simone lachte laut auf. „Ich weiß nicht, ob es einen solchen Mann gibt. Aber falls er einmal auftauchen sollte, werde ich auch alles tun, um ihn zu bekommen.“

4. KAPITEL

Garth stand am Fenster. Es war wirklich ein schöner Tag für Mitte Oktober. Nicht zu vergleichen mit dem Wetter, das jetzt zu Hause in Fairbanks herrschte.

Vor ein paar Minuten hatte er mit Jess gesprochen, der nach Washington zurückgeflogen war. Er hatte Alaska direkt vor dem Einbruch der kalten Jahreszeit verlassen, die in diesem Jahr einen Monat früher als sonst eingesetzt hatte.

Garth ließ den Blick über die Landschaft gleiten. Der Ausblick war einfach atemberaubend. Üppig grünes Land, Berge und der Ozean. Ein Gefühl tiefen Friedens überkam ihn. Es hatte viel mit dem Ausblick zu tun – und noch viel mehr mit Regan, die hier bei ihm war.

Sie hatte während des Mittagessens nicht viel gesprochen. Das war merkwürdig, weil sie sich während der Flüge oft miteinander unterhielten. Aber im Flugzeug nahmen sie natürlich auch andere Rollen ein. Hier waren sie auf Augenhöhe.

Er hatte sie schließlich dazu gebracht, sich etwas zu öffnen, indem er Themen anschnitt, die ihnen beiden vertraut waren. Zum Beispiel ihr Vater und seine Geschwister. Er schwelgte in Erinnerungen und sie konnten über vieles gemeinsam lachen. Sie sprachen sogar über Bart und darüber, dass er sich immer noch weigerte, die Westmorelands als Verwandte anzuerkennen. Beim Kaffee fühlte er sich mit ihr ebenso entspannt, wie er es zwischen ihr und seinen Geschwistern vermutete.

„Ich hoffe, ich habe nicht zu lange gebraucht, um auszupacken, Garth.“

Er drehte sich herum und hatte ein Déjà-vu. Es war wieder wie auf dem Wohltätigkeitsball. Ihn übermannten dieselben Gefühle. Sie trug jetzt zwar kein Abendkleid, aber hatte die Jeans gegen einen langen geblümten Rock und eine hübsche Bluse getauscht. Total sexy!

„Du hast dich umgezogen?“ Er sagte es nur, um etwas zu sagen. Seine innere Anspannung wuchs. Wenn er nicht den Verstand verlieren wollte, musste er sich unter Kontrolle bekommen.

„Ja, ich habe beschlossen, so viele meiner neuen Kleider zu tragen wie möglich – die ich heute gekauft habe und die ich mitgebracht habe. Gefällt es dir?“ Sie drehte sich vor ihm.

Er nickte. „Ja, sehr hübsch.“

Sie strahlte. „Danke. Wie wäre es, wenn du mir das Haus zeigst?“

„Gern.“ Er trat zu ihr. Sie hatte auch geduscht. Er wusste es, weil sie ein frischer Duft von Jasmin umgab. „Wir fangen vorn an und bewegen uns langsam nach hinten.“

„Einverstanden.“

Sie sahen sich das große Wohnzimmer mit der Essecke an und dann die geräumige Küche, in der ebenfalls ein Esstisch stand. Das Haus hatte zwei Flügel. Garths Zimmer lag im Osten, ihres im Westen. Der Wohnbereich dazwischen wurde von einem großen Kamin beherrscht, der eine ganze Wand einnahm. Gegenüber boten deckenhohe Fenster Ausblick auf einen romantischen Flusslauf. Eine verglaste Außenterrasse bot Pool wie Whirlpool.

Garth registrierte, dass ihr Augenmerk mehr als allem anderen dem Flügel galt, der im Wohnzimmer stand, und er erinnerte sich, dass sie und Charm Klavierstunden gehabt hatten, aber nur Regan sie ernstnahm. Er hatte sie spielen gehört und wusste, dass sie Talent besaß. Es überraschte ihn nicht, da ihre Mutter eine talentierte Pianistin gewesen war. Erst jetzt wurde ihm bewusst, in wie vielen Bereichen Regan wirklich gut war.

„Noch einmal danke dafür, dass du mich eingeladen hast.“

Er erwiderte ihr Lächeln. „Kein Problem. Ich möchte, dass du die Zeit genießt.“

„Wieso?“

Er konnte ihr nicht sagen, dass er durch Charm von dem Jobangebot von Harold Anders wusste, deswegen antwortete er nur: „Es kann nicht ganz einfach sein, ständig mit mir herumzufliegen. In diesem Jahr war es besonders hektisch. Ich bin dir sehr dankbar für alles, was du für mich getan hast.“

Das war ihm ernst. Das Unternehmen hatte eine Reihe neuer Großkunden gewonnen. Für die Verhandlungen war er quer durch die Staaten geflogen. Nachdem Bart sich zurückgezogen hatte, hatte Garth die Firma global aufgestellt. Sloan war für das Auslandsgeschäft zuständig, Maverick zunächst einmal für die Expansion Richtung Texas, Florida und Carolina. Cash war Garths rechte Hand in der Zentrale in Alaska und Charm … nun ja, für Charm wurde noch eine Rolle gesucht. Im Moment erhielt sie verschiedenste Aufgaben, die ihr das Gefühl gaben, nützlich zu sein, und sie schien damit zufrieden.

Da Garth nicht wollte, dass Regan ihre Ferien im Château nur als einen Arbeitsbonus verstand, setzte er hinzu: „Meine Wertschätzung für dich geht weit über deine Pflichten im Unternehmen hinaus, Regan. Ich hätte niemanden sonst hierher eingeladen. Ich betrachte unsere Beziehung als etwas Besonderes – wegen unserer Familiengeschichte und unserer Freundschaft. Du bist jemand, dem ich bedingungslos vertraue.“

„Danke, Garth.“

Es entstand ein Moment des Schweigens. Er war sich nicht sicher, ob sie die sexuelle Spannung zwischen ihnen auch spürte, er spürte sie auf jeden Fall – und zwar so intensiv, dass er einen Schritt zurückweichen musste, um nicht etwas zu tun, was er später bereute. Er warf einen Blick auf die Uhr. „Paulo wird bald hier sein.“

„Paulo?“

„Das ist der Koch, von dem ich dir erzählt habe. Er steht uns die ganzen zwei Wochen zur Verfügung. Da ich selbst gern koche, möchte ich ein paar Mahlzeiten auch allein zubereiten.“

„Wie deine Pfannkuchen?“

Garth lachte leise. „Ja, auch meine Pfannkuchen.“

Während ihrer Teenagerzeit hatte sie viele Wochenenden mit Charm verbracht. Dann bereitete er immer für alle Frühstück zu. Roberta, die jahrelang Köchin bei den Outlaws, hatte ihn unter ihre Fittiche genommen, als er noch ein Kind war und sich bei ihr in der Küche herumdrückte. Kochen machte ihm Spaß und er hatte ein paar Spezialgerichte. Nach Robertas Tod hatte Bart Maddie eingestellt, aber sie konnte Roberta nicht das Wasser reichen. An ihren freien Tagen genoss Garth es, für die Familie zu kochen.

Nachdem sie den Rundgang durch das Haus beendet hatten, kehrten sie in die Küche zurück. Paulo war inzwischen eingetroffen. Alle machten sich miteinander bekannt. Als Regan sich mit ihm auf Spanisch unterhielt, erinnerte Garth sich daran, dass sie wie er auch mehrere Sprachen fließend sprach.

Garth wusste, dass Paulo in den Fünfzigern war, verheiratet und fünf Kinder sowie ein Enkelkind hatte. Garths Cousi...

Autor

Brenda Jackson
Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...
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