Brenda Jackson Edition Band 4

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So lange hat Casey darauf gewartet, dass ihr Boss ihr zeigt, dass er sie begehrt. Nun machen seine stürmischen Küsse ihr Glück perfekt. Bis zum nächsten Morgen: McKinnon tut, als ob nichts geschehen wäre. Was ist passiert? Das will Casey um jeden Preis herausfinden …

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  • Erscheinungstag 30.06.2023
  • Bandnummer 4
  • ISBN / Artikelnummer 9783751517034
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Brenda Jackson

BRENDA JACKSON EDITION BAND 4

1. KAPITEL

Casey Westmoreland machte einen Schritt in den Stall hinein und blieb augenblicklich stehen, so fasziniert war sie vom warmen Klang der verführerischen maskulinen Stimme, die leise auf einen riesigen schwarzen Hengst einsprach. Aber noch mehr faszinierte Casey der Mann, der das Tier striegelte.

McKinnon Quinn.

Ihrer Meinung nach war er umwerfender, als einem Mann überhaupt zustand. In seinen Adern floss nicht nur das Blut der Blackfoot, sondern auch das der amerikanischen Kreolen, und Casey hätte noch Stunden einfach so dastehen und ihn bewundern können.

McKinnon war groß, kräftig gebaut, und sein schwarzes Haar war dicht gelockt. Unter seinem blauen Hemd verbarg sich ein breiter Brustkorb, und die ausgeblichenen Jeans umschmeichelten einen knackigen Po, der Casey fast den Atem nahm, als McKinnon sich vorbeugte, um die Bürste gegen einen Kamm auszutauschen. Er brauchte sich gar nicht umzudrehen, da sie seine Gesichtszüge bereits kannte, denn sie hatten sich ihr schon beim ersten Mal tief ins Gedächtnis eingegraben. Er hatte ein ebenmäßiges, markantes Gesicht mit dunklen Augen, hohen Wangenknochen, mittelbrauner, fast goldfarbener Haut, einer geraden Nase, einem energischen Kinn und vollen Lippen. Casey holte tief Luft und spürte, dass sie errötete, wenn sie an diese Lippen nur dachte und an ihre geheimen Fantasien, in denen sie davon träumte, was sie mit diesen Lippen alles anstellen würde.

Außerdem wusste sie über McKinnon Quinn, dass er vierunddreißig Jahre alt war und gemeinhin als einer der begehrtesten Junggesellen von Bozeman und Umgebung angesehen wurde. Allerdings hatte sie auch gehört, dass ihm sein Junggesellenstatus durchaus lieb war und er keine Absicht hatte, in naher Zukunft etwas daran zu ändern. Auch wenn sein bester Freund und Caseys Cousin, Durango Westmoreland, gerade geheiratet hatte.

Seit sie sich vor zwei Jahren das erste Mal getroffen hatten, schätzte Casey McKinnon als einen ruhigen und kontrollierten Menschen ein. Obwohl er mit ihren Cousins gut befreundet war, vermittelte er etwas Unnahbares, so als gäbe es nur wenige Menschen, die er wirklich an sich heranließ. In seiner Gegenwart hatte sie stets das Gefühl, unter Beobachtung zu stehen, aber seine Blicke fühlten sich trotzdem irgendwie an wie ein Streicheln.

„Sind Sie da angewurzelt, oder wollen Sie mir sagen, was Sie wollen?“

Seine tiefe, schneidende Stimme riss Casey aus ihren Gedanken, und sie fragte sich, ob er über Augen im Hinterkopf verfügte. Sie hätte schwören können, nicht das geringste Geräusch gemacht zu haben, und doch hatte er ihre Anwesenheit gespürt.

„Ich weiß, wie wichtig das Striegeln ist, und wollte nicht stören“, antwortete Casey schließlich.

Erst jetzt drehte McKinnon sich um, und sie musste sich zwingen weiterzuatmen – zumal ein rätselhaftes Funkeln in seine Augen trat, als er sie erkannte. „Casey Westmoreland. Richtig, Durango hat ja erwähnt, dass du deinen Dad besuchst.“

Dad. An diesen Ausdruck hatte Casey sich noch immer nicht gewöhnt, obwohl es inzwischen zwei Jahre her war, seit sie herausgefunden hatte, dass sie einen Vater hatte, der noch quicklebendig war. Dabei hatte man sie ein Leben lang glauben gemacht, er wäre noch vor ihrer Geburt gestorben.

„Genau genommen ist es kein Besuch. Ich habe mich entschlossen, hierher nach Bozeman zu ziehen“, erwiderte sie und wünschte, McKinnon würde sie nicht so ausgiebig mustern.

Er hakte die Daumen in die Taschen seiner Jeans – eine Haltung, die seinen muskulösen Körperbau noch mehr betonte – und neigte verwundert den Kopf zur Seite. „Du ziehst nach Bozeman?“

„Ja.“

„Warum denn?“

Die Frage kam wie ein Peitschenhieb, und Casey überlegte, warum es ihn überhaupt interessierte. „Corey … ich meine mein Dad, hofft, dass wir uns dann besser kennenlernen können.“ Selbst nach zwei Jahren fiel es ihr noch schwer, Corey Westmoreland Dad zu nennen, wie es ihre beiden Brüder bereits seit einiger Zeit taten.

McKinnon nickte und sah sie noch intensiver an als vorher. Er hatte eine enge Beziehung zu ihrem Dad, da Corey der beste Freund von McKinnons Vater war. Die Beziehung war vermutlich enger als ihre eigene zu ihrem Vater, und zwar einfach deshalb, weil McKinnon ihn schon sehr viel länger kannte.

„Das findet Corey, aber denkst du das auch?“, wollte er wissen.

Im Moment denke ich nichts anderes, als dass alles sehr viel einfacher wäre, wenn du aufhören würdest, mich so anzustarren, hätte sie am liebsten gesagt. Sie kam sich vor wie ein hilfloses Insekt unter einem Mikroskop. Andererseits, ob beabsichtigt oder nicht, war McKinnons Blick provozierend sinnlich und ließ ihre Haut angenehm kribbeln. „Ich glaube, es kann nicht schaden. Ich habe mein Leben lang in Texas gelebt, und als der Pachtvertrag für meine Boutique auslief, ohne dass ich ihn verlängern konnte, habe ich mir überlegt, einmal woanders hinzuziehen. Mir hat Montana schon immer gut gefallen, und ich glaube auch, dass es meiner Beziehung zu Corey guttun wird, wenn ich hierherziehe.“

„Ich verstehe.“

Casey bezweifelte es. Nicht einmal ihre Brüder hatten ihre widersprüchlichen Gefühle verstanden, als sie die Wahrheit über ihren Vater herausgefunden hatten. Seit sie ein kleines Mädchen gewesen war, hatte ihre Mutter märchenhafte Geschichten von dem Mann erzählt, der sie und ihre Brüder gezeugt hatte – von dem Mann, der angeblich bei einem Rodeounfall ums Leben gekommen war und sie mit Drillingen schwanger zurückgelassen hatte.

Carolyn Roberts Westmoreland hatte so getan, als hätten sie und Corey Westmoreland eine perfekte Ehe geführt und als hätte sie nach dem Tod ihres Mannes nur weiterleben können, weil sie Drillinge erwartete.

Es tat weh zu wissen, dass ihre Mutter ihnen nichts als Lügen erzählt hatte.

Corey hatte Carolyn niemals geheiratet. Er hatte weder gewusst, dass sie schwanger war, noch hatte er sie je wirklich geliebt. Die Frau seiner Träume war schon immer Abby gewesen. Er hatte sie schon gekannt, bevor er Caseys Mom kennengelernt hatte, und als er sie vor einigen Jahren wieder getroffen hatte, konnte er sie endlich auch heiraten.

„Außerdem gibt es noch einen anderen Grund, warum ich hierhergezogen bin“, fügte sie hinzu und kam damit zu dem Anlass ihres Besuches. „Ich hielt es für eine gute Idee, mich beruflich neu zu orientieren, und wenn ich hier wohne, kann ich etwas tun, was ich schon immer geliebt habe.“

„Und das wäre?“

„Die Arbeit mit Pferden. Deshalb bin ich ja auch hier. Ich habe gehört, du suchst einen Pferdetrainer, und ich würde mich gern um den Job bewerben.“

Casey versuchte die Gefühle zu ignorieren, die sie durchfluteten, als McKinnon seinen Blick abschätzend über ihre zierliche Statur wandern ließ. Seine Augen blitzten auf, als er ihr wieder ins Gesicht sah, so als wäre er leicht amüsiert. „Das soll wohl ein Witz sein, oder?“

„Nein, natürlich nicht“, erwiderte sie empört und ging auf ihn zu. „Ich meine das völlig ernst.“

Sie sah, wie er sein Kinn anspannte und die Augen zusammenkniff, und ärgerte sich im selben Moment darüber, weil sie ihn so unglaublich sexy fand.

„Ich kann dich unmöglich als Pferdetrainerin einstellen“, sagte er mit rauer Stimme.

„Warum nicht?“, fragte sie so gelassen wie möglich. „Ich denke, wenn du dir meine Referenzen anschaust, wirst du nicht ganz unbeeindruckt von meiner Qualifikation sein.“ Sie hielt ihm die Mappe hin, die sie in der Hand hielt.

Er warf einen kurzen Blick auf die Mappe, machte aber keine Anstalten, sie zu nehmen. „Das mag sein, aber es ist unerheblich“, meinte er und bedachte sie mit einem einschüchternden Blick. „Ich werde dich nicht einstellen.“

Seine abweisenden Worte machten Casey wütend, doch sie war entschlossen, ruhig zu bleiben. „Gibt es einen Grund dafür?“

Nach einem Moment angespannten Schweigens antwortete er abweisend: „Es gibt eine Reihe von Gründen, aber ich habe keine Zeit, sie aufzuführen.“

Casey stählte sich gegen den Zorn, der sich weiter in ihr aufbaute – leider vergeblich. McKinnons Worte hatten einen Nerv getroffen. „So viel Zeit wirst du ja wohl haben!“, fuhr sie ihn an.

Er verschränkte die Arme vor der Brust und kam Casey auf einmal noch größer vor. „Tut mir leid“, meinte er nur knapp. „Hier auf der Ranch wird gearbeitet, und ich habe zu viel zu tun. Wenn du nach einem Job suchst, dann schlage ich vor, du suchst anderswo.“

Casey, die bekannt dafür war, von Natur aus stur zu sein, weigerte sich nachzugeben. McKinnon hatte den Bogen überspannt. Und als sie sah, dass er sich wieder seinem Pferd zugewandt hatte und es striegelte, als hätte er ihre Anwesenheit schon wieder vergessen, platzte ihr der Kragen.

„Aber warum?“, fragte sie mit zornerstickter Stimme. „Du schuldest mir ja wohl zumindest eine Erklärung, warum du mich nicht einstellen willst.“ Eine ganze Weile blieb McKinnon still, und Casey wartete wütend darauf, dass er antwortete. Sie würde nicht eher gehen, bis er es getan hatte.

Schließlich seufzte McKinnon und drehte sich zu ihr herum, obwohl er nicht der Ansicht war, ihr eine Erklärung schuldig zu sein. Er sah die vor Wut zusammengepressten Lippen und dachte daran, dass er, seit er Casey das erste Mal gesehen hatte, diesen Mund so verlockend gefunden hatte wie den glänzend roten Apfel, den Eva Adam angeboten hatte. Und er mochte wetten, dass Caseys Lippen genauso köstlich und vermutlich sogar noch sündiger waren.

Verflixt, konnte sie denn die sexuelle Spannung nicht spüren, die trotz der schlechten Luft zwischen ihnen bestand? Seit dem Moment, als er sich umgedreht und Casey im Stall hatte stehen sehen, raste das Blut in seinen Adern und sein Testosteronspiegel war erheblich gestiegen. Diese Frau war so strahlend schön, dass sie sogar die Sonne in den Schatten stellte.

Außerdem war sie unglaublich sexy. Jetzt gerade schaute sie zwar böse, aber er wusste, wie verlockend sich ihr Mund beim Lächeln verzog, sodass man am liebsten das Lächeln direkt von ihren Lippen küssen wollte. Und selbst ihr verärgertes Schmollen war absolut verführerisch.

Ganz zu schweigen von ihren körperlichen Attributen. Das dunkelbraune Haar war zu einer frechen Kurzhaarfrisur geschnitten und unterstrich ihre mahagonifarbene Haut und ihre Augen, die von einem tiefen Schokoladenbraun waren. Vermutlich schmolz man dahin, wenn man sie lange genug ansah. Und ihre zierliche Figur steckte in einer Jeans, die aussah, als wäre sie eigens für diesen Körper geschaffen worden.

McKinnon hatte Casey gerade erst letzten Monat auf der Geburtstagsfeier ihrer Cousine Delaney gesehen. Sie schien von Mal zu Mal hübscher zu werden, während seine Faszination in gleichem Maße zunahm. Ihr gelang es sogar, gut zu duften, obwohl sie in einem Stall voller Tiere stand. Und dieser Duft war äußerst betörend. Hinzu kam, dass er, obwohl er ihre Beine nicht sehen konnte, noch sehr genau wusste, wie sie aussahen. Sie waren lang, wohlgeformt und …

„Nun, McKinnon?“

Er schaute ihr in die Augen, warf die Bürste zur Seite und stopfte die Hände in die Taschen seiner Jeans. „Okay, ich werde dir einen Grund nennen. Dies ist eine Pferderanch, und ich suche jemanden, der Pferde trainieren kann, keine Ponys. Corey würde mir niemals verzeihen, wenn dir etwas zustößt.“

Er erschauerte innerlich bei diesem Gedanken und fügte hinzu: „Du meine Güte, du bist ja kaum größer als ein Zwerg. Das Pferd, das trainiert werden soll, ist ziemlich hinterhältig, und ich muss es bis zu den Rennen in sechs Wochen gebändigt haben. Du bist einfach nicht die Richtige für den Job. Prince Charming ist ein zu großes Tier für dich.“

Caseys Augen blitzten wütend auf, während sie sich zu ihrer vollen Größe von einem Meter sechzig aufrichtete. „Und du fällst diese Entscheidung, ohne mir die Chance zu geben, mein Können zu beweisen?“

„Ja, das tue ich.“

„Dann bist du nichts weiter als ein typisch männlicher Chauvinist …“

„Denk, was du willst, aber ich werde dich nicht einstellen. Es gibt bestimmt eine Reihe anderer Jobs in Bozeman, die dich interessieren könnten. Und da du ja eine Boutique gehabt hast, wird sich in der Stadt vielleicht auch etwas in dieser Richtung finden lassen.“

Casey starrte ihn ungläubig an und versuchte, nicht die Beherrschung zu verlieren. McKinnon hatte recht, sie verschwendete hier nur ihre Zeit. „In dem Fall habe ich nichts mehr zu sagen“, erklärte sie verärgert.

„Nein, das sehe ich auch so.“ Um seinen Standpunkt zu unterstreichen, griff er erneut nach der Bürste und wandte sich wieder dem Pferd zu.

Wutentbrannt verließ Casey ohne ein weiteres Wort den Stall.

McKinnon sah Casey hinausmarschieren und seufzte frustriert auf.

Er wusste, dass sie ziemlich wütend auf ihn war, aber niemals würde er sie auf seiner Ranch arbeiten lassen. Die meisten Araberpferde waren von Natur aus zahm und friedliebend, aber das Pferd, das man ihm zum Trainieren geschickt hatte, war das genaue Gegenteil und würde einen erfahrenen Trainer brauchen. McKinnon wusste zwar, dass Casey in Texas aufgewachsen war und vermutlich schon mit Pferden zu tun gehabt hatte. Doch wenn alles so lief, wie er es sich vorstellte, würde er bald mehr Pferde zum Trainieren aufnehmen, und sie müsste mit Hengsten umgehen, die nicht immer zu den zahmsten gehörten. Und er wollte nicht verantwortlich dafür sein, wenn ihr etwas passierte.

Außerdem gab es noch einen Grund, warum er Casey nicht einstellen wollte. Vor sechs Jahren, als Lynette ihn verlassen hatte, hatte er sich geschworen, nie wieder eine Frau für mehr als eine Stippvisite auf diese Ranch zu lassen.

Allein der Gedanke an Lynette machte ihn wütend. Allerdings konnte er ihr nicht verdenken, dass sie etwas gewollt hatte, was er ihr nicht hatte geben können. Und als sie gegangen war, wurde ihm klar, dass er niemals wieder eine ernsthafte Beziehung eingehen würde.

Seine Gedanken wanderten zurück zu Casey. Was er für sie empfand, war allerdings sehr viel mehr, als er für Lynette empfunden hatte. Casey war eine Frau, die ohne Mühe heftiges Verlangen in jedem Mann hervorrufen konnte. Aber zu allem Überfluss war sie auch noch Coreys Tochter und Durangos Cousine, was bedeutete, dass sie für ihn absolut tabu war.

„Egal, was sie denkt, ich habe das Richtige getan“, murmelte er und versuchte sich wieder auf das Pferd zu konzentrieren und nicht darauf, wie verführerisch Caseys Po ausgesehen hatte, als sie davonstolziert war. Er war lediglich an einer kurzen, heißen Affäre mit einer Frau interessiert. Casey dagegen standen die Worte „Heim, Herd und Mutterschaft“ quasi auf der Stirn geschrieben. Und das war der Typ von Frau, den er auf jeden Fall mied.

Nie wieder würde er irgendeinem weiblichen Wesen erlauben, eine emotionale Bedrohung für ihn darzustellen.

Als Casey aus dem Stall hinaus in die Sonne trat, versuchte sie, ihre Wut auf McKinnon zu bändigen. Der Mann war einfach unmöglich!

Sie sah sich um und musste widerstrebend zugeben, dass seine Ranch dagegen einfach herrlich war. Das Haus war nicht so groß wie das ihres Vaters, aber sie fand, es strahlte genauso viel Klasse aus wie der Mann, dem es gehörte.

Es war ein sonniger Tag, und das Wetter erinnerte sie heute an das Klima in Texas. McKinnons Männer waren bei der Arbeit, und als sie zu ihrem Wagen ging, sah sie, dass einige wunderschöne Pferde in einen Korral geführt wurden. Dann plötzlich ließ sie der panische Aufschrei eines Mannes zusammenzucken. Eins der riesigen Pferde hatte sich losgerissen und ging auf den Mann los.

Als das Pferd sich auf die Hinterbeine stellte, mit der offensichtlichen Absicht, den Mann zu Tode zu trampeln, hielt Casey den Atem an und sah erleichtert, dass der Mann geschickt auswich, sich zu Boden fallen ließ und sich in Sicherheit bringen konnte. Das Tier war außer sich, und als einige andere Männer versuchten, nach den Zügeln zu greifen, griff es auch sie an, sodass sie schnell Schutz suchend davonliefen. Einer von ihnen war jedoch nicht schnell genug, und das Pferd stürmte auf ihn zu.

Ohne darüber nachzudenken, dass sie vielleicht ihr Leben aufs Spiel setzte, rannte Casey auf das ausschlagende Pferd zu und versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie wedelte heftig mit den Armen und pfiff. Abrupt richtete das Tier seine riesigen dunklen Augen auf sie und kam mit geneigtem Kopf und aufgeblähten Nüstern auf sie zugerast. Casey sträubten sich die Nackenhaare, doch statt in Deckung zu gehen, blieb sie still stehen.

McKinnon kam im selben Moment aus dem Stall gerannt. Er hatte den Lärm gehört, und als er sah, dass Prince Charming auf Casey zustürmte, während sie stocksteif stehen blieb, klopfte ihm das Herz bis zum Hals.

„Casey, verdammt, lauf!“

Als er entsetzt registrierte, dass sie sich nicht regte, wollte er zu ihr laufen, auch wenn er bei Prince Charmings Geschwindigkeit ganz offensichtlich keine Chance hatte, rechtzeitig bei ihr zu sein. Er wollte gerade lossprinten, als ihm jemand ein Gewehr in die Hand drückte. Er fürchtete, das Tier wirklich erschießen zu müssen, bevor es Casey tötete. In diesem Augenblick war es jedoch völlig unerheblich, dass dieses Pferd Scheich Jamal Ari Yasir über eine Million Dollar gekostet hatte. McKinnons einzige Sorge war Caseys Sicherheit.

Er hob das Gewehr, zielte und wollte gerade abdrücken, als einer seiner Männer rief: „Warte! Schau dir das an!“

McKinnon blinzelte erstaunt und traute seinen Augen nicht. Nicht Angst hatte Casey erstarren lassen – sie hatte auf das aufgeregte Tier eingeredet, und irgendwie war es ihr gelungen, zu ihm durchzudringen. Prince Charming blieb drei Meter vor Casey stehen und trottete jetzt schwanzwedelnd auf sie zu, als wären sie die besten Freunde. Sie streckte dem Pferd die Hand hin, und das Tier kam vorsichtig näher und drückte die Schnauze in ihre Handfläche.

McKinnon ließ das Gewehr fassungslos sinken. Genau wie er hielten auch alle anderen Männer auf dem Hof den Atem an und beobachteten die Szene ungläubig. Dann, als Casey sicher war, das Vertrauen des Pferdes gewonnen zu haben, nahm sie die Zügel und führte den Hengst zurück, um ihn festzubinden.

„Unfassbar. Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich es nicht glauben“, hörte McKinnon einen seiner Männer hinter sich flüstern.

„Schaut euch das an“, sagte ein anderer Mann entgeistert. „Prince Charming frisst der Frau praktisch aus der Hand, statt sie ihr abzubeißen. Wer zum Teufel ist das?“

McKinnon gab das Gewehr seinem Vorarbeiter Norris Lane zurück und schüttelte den Kopf. Er hatte die erstaunten Kommentare der Männer gehört. Er hätte es auch nicht geglaubt, wenn er es nicht selbst gesehen hätte. „Das ist Corey Westmorelands Tochter“, erklärte er grimmig.

„Coreys Tochter?“

„Ja“, bestätigte McKinnon, während er Casey zusah, wie sie das Tier festband und ihm dann etwas ins Ohr flüsterte, bevor sie sich umdrehte und wegging.

Was seine Männer miteinander tuschelten, bekam McKinnon nicht mehr mit, als er auf Casey zuging. Sein Herz klopfte noch immer heftig, da er sich von dem Schock, den Hengst auf Casey zurasen zu sehen, noch nicht erholt hatte. Verdammt! Dieser Moment hatte ihn bestimmt zehn Jahre seines Lebens gekostet.

Als er bei ihr war, blieb Casey nicht stehen, sondern warf ihm lediglich einen wütenden Blick zu und marschierte trotzig an ihm vorbei.

McKinnon erstarrte und drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um Casey zuzusehen, wie sie die Wagentür öffnete, einstieg und wegfuhr. Leise fluchend sah er ihr hinterher.

2. KAPITEL

Früh am nächsten Morgen saß McKinnon am Küchentisch und trank seinen Kaffee, als Norris hereinkam. Ein Blick auf die Miene seines Vorarbeiters verriet McKinnon, dass dieser keine guten Neuigkeiten für ihn hatte.

„Hallo, Norris.“

„Morgen, McKinnon. Beckman ist weg. Er ist anscheinend irgendwann heute Nacht verschwunden und hat nur einen Zettel auf seinem Bett hinterlassen, dass der Vorfall gestern das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Nach dieser kleinen Episode mit Prince Charming hatte er wohl keine Lust mehr zu warten, bis du einen Ersatz für ihn findest.“

McKinnon fluchte leise. Das waren Neuigkeiten, auf die er gern verzichtet hätte. Gale Beckman war mit guten Referenzen aus Wyoming gekommen, und McKinnon hatte ihn eingestellt, damit er Prince Charming trainierte. Anscheinend hatte Beckman beschlossen, dass er in dem Hengst seinen Meister gefunden hatte. Gestern war das Pferd ja auch in einer überaus schlechten Form gewesen, aber als Pferdetrainer musste man die Tiere nun mal nehmen, wie sie waren.

„Wo willst du denn jetzt noch einen anderen Trainer finden?“

Norris’ Frage riss McKinnon aus seinen Gedanken. Seit er und sein Freund Durango Westmoreland vor einigen Jahren damit begonnen hatten, Pferde zu züchten, kümmerte McKinnon sich um die Pferde, während Durango, der noch als Ranger im Yellowstone Park beschäftigt war, die Buchhaltung erledigte.

Als Scheich Jamal Ari Yasir, der mit Durangos Cousine Delaney verheiratet war, vor einigen Monaten gefragt hatte, ob sie Prince Charming auf die Rennen im Herbst vorbereiten könnten, hatten sie begeistert zugestimmt. Sie hatten darauf gehofft, auf diese Art ihr Geschäft ausweiten und von den Kontakten des Scheichs profitieren zu können.

Im Moment sah es allerdings nicht so gut aus, da sie bisher noch keinen sichtbaren Fortschritt beim Bändigen des Hengstes gemacht hatten, und allmählich lief ihnen die Zeit davon.

McKinnon seufzte. „Ich denke, als Erstes muss ich noch mal herumtelefonieren“, meinte er dann.

„Was ist mit Coreys Tochter?“

McKinnon zuckte zusammen und stand auf. „Was soll mit ihr sein?“

„Na ja, du hast doch gesehen, wie sie gestern mit Prince Charming umgegangen ist. Das verflixte Tier hat ihr im wahrsten Sinne des Wortes aus der Hand gefressen. Meinst du, sie wäre an dem Job interessiert?“

McKinnon entschied, dass dies nicht der geeignete Zeitpunkt war, um Norris zu erzählen, dass Casey tatsächlich an dem Job interessiert war – und genau aus diesem Grund auf der Ranch gewesen war. Stattdessen sagte er: „Es spielt keine Rolle, ob sie interessiert ist. Du kennst meinen Standpunkt, was Frauen auf dieser Ranch betrifft.“

Norris starrte ihn einen Moment lang an, bevor er den Kopf schüttelte. „Es ist jetzt sechs Jahre her, McKinnon. Wie lange wird es noch dauern, bis du vergessen hast, was Lynette dir angetan hat?“

McKinnon holte tief Luft. „Das habe ich bereits.“

Norris war einer der wenigen, der die ganze Geschichte mit Lynette kannte. Er war an jenem Abend dabei gewesen, als sie nach einem harten Arbeitstag auf die Ranch zurückgekehrt waren und feststellten, dass Lynette ihre Koffer gepackt hatte und abgereist war. Sie hatte lediglich eine kurze Notiz hinterlassen, in der sie erklärt hatte, warum sie gegangen war.

McKinnons barsche Antwort hätte den sechzigjährigen Norris warnen sollen, dass dies ein heikles Thema war, doch Norris, der McKinnon seit seiner Geburt kannte, blieb hartnäckig. „Dann handle dementsprechend, mein Junge. Verhalte dich auch so, als hättest du die Sache überwunden.“

McKinnon fluchte. „Erwartest du tatsächlich von mir, dass ich Coreys Tochter hier bei mir arbeiten und auf der Ranch leben lasse? Du hast sie gestern gesehen. Sie ist winzig. Okay, sie konnte mit Prince Charming umgehen, aber was ist mit den anderen, die vielleicht noch kommen? Manche sind doppelt so hinterhältig. Außerdem möchte ich einen Trainer, der langfristig hierbleibt.“

„Ich habe gehört, dass sie in die Stadt zieht, um in der Nähe ihres Vaters zu sein. Das hört sich für mich langfristig an.“

McKinnon kniff die Augen zusammen. Offensichtlich hatte sich Norris nach Caseys beeindruckender Vorstellung prompt bei den richtigen Leuten erkundigt. Abrupt marschierte er zum Fenster und schaute hinaus. Er hatte in der letzten Nacht kaum Schlaf bekommen, da er immer wieder das Bild von Casey vor Augen gehabt hatte, wie sie wie angewurzelt dagestanden hatte, während der Hengst auf sie zugestürmt war. Nie zuvor hatte er sich so hilflos gefühlt. Selbst jetzt noch graute ihm bei dem Gedanken, was das Pferd ihr hätte antun können.

„Es ist natürlich deine Entscheidung, aber ich denke, es wäre unter den gegebenen Umständen das Beste, wenn du sie einstellst“, meinte Norris. „Selbst wenn es nur darum geht, Prince Charming zu trainieren. Der Scheich erwartet, dass das verflixte Tier in weniger als zwei Monaten so weit ist, dass es die Rennen bestreiten kann. Und meiner Ansicht nach ist Coreys Tochter unsere letzte Hoffnung.“

McKinnon drehte sich um und bedachte Norris mit einem bösen Blick. „Es muss einen anderen Weg geben“, erklärte er entschieden.

„Dann hoffe ich, dass du ihn findest“, erwiderte Norris, bevor er die Küche verließ.

McKinnon fand keinen anderen Weg.

Und aus diesem Grund ritt er einige Stunden später zu Coreys Ranch. Als er das großzügig angelegte Haus der Westmorelands inmitten der Pinien stehen sah, dachte er an all die vielen herrlichen Sommer seiner Kindheit, die er hier mit Coreys Neffen verbracht hatte. Damals war er noch ein unbekümmerter Junge gewesen und hatte sich nur vor den Brombeeren hüten müssen, auf die er allergisch war.

Heutzutage war das Leben um einiges komplizierter. Er hatte sowohl eine Ranch als auch einen Zuchtbetrieb, um den er sich kümmern musste, und jetzt sah es so aus, als würde genau die Frau, die er lieber auf Distanz gehalten hätte, ständig in seiner unmittelbaren Nähe sein – vorausgesetzt, sie nahm sein Jobangebot an.

Das war die große Frage. So wie er und Casey gestern gestritten hatten, war es höchst fraglich, ob sie jetzt noch für ihn arbeiten würde. Aber all seine Kontakte hatten ihm nicht weitergeholfen, und jetzt blieb ihm nur noch, zu Kreuze zu kriechen und Casey die Stelle anzubieten.

Als McKinnon das Ranchhaus erreichte, stieg er ab, band das Pferd fest und ließ seinen Blick über das weite Land mit den Feldern und Weiden schweifen. Coreys Land und Coreys Berg. McKinnon schüttelte den Kopf und dachte, dass es ziemlich traurig war, dass all die Jahre, in denen er und Coreys elf Neffen hier ihre Sommer verbracht hatten, Coreys Drillinge, von denen er nichts gewusst hatte – ein Mädchen und zwei Jungen –, in Texas aufgewachsen waren. Als der anständige Mann, der er war, versuchte Corey jetzt, die verlorene Zeit wiedergutzumachen.

Ein Geräusch veranlasste McKinnon, um das Haus herum in Richtung der Ställe und Koppeln zu gehen. Kaum war er um die Ecke gebogen, durchströmte ihn heftiges Begehren. Er sah Casey auf dem Rücken eines Pferdes sitzen, während eine Gruppe von Männern, darunter ihr Vater, um sie herumstand.

McKinnon blieb stehen und starrte sie einfach nur an, während er an den Tag dachte, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Es war ebenfalls hier auf diesem Hof gewesen, und zwar bei der Hochzeit eines ihrer Cousins und seines guten Freundes Stone Westmoreland.

Es war wenige Minuten vor der Trauung gewesen, und McKinnon hatte sich gerade mit Durango und seinen Brüdern unterhalten. Er hatte sich umgeschaut, und genau in diesem Moment war eine Gruppe von Gästen auseinandergetreten und hatte ihm einen guten Blick gewährt auf die seiner Meinung nach schönste Frau, die er je gesehen hatte. Er hatte von Coreys Drillingen gehört und ihre beiden Brüder bereits kennengelernt, doch an diesem Tag hatte er zum ersten Mal Casey zu Gesicht bekommen.

Von jener Sekunde an hatten seine männlichen Hormone verrückt gespielt. Er hatte dagestanden, die Unterhaltung mit den anderen Männern völlig vergessen und Casey beobachtet. In ihren Bewegungen steckte so viel Sinnlichkeit, solch eine Grazie, die ihn kaum glauben ließ, dass dieselbe Frau jetzt hier fest im Sattel saß. Dieselbe Frau, die ihm seit jenem ersten Tag nicht mehr aus dem Kopf ging.

Und dann, als spüre sie, dass er sie beobachtete, hob Casey den Kopf, schaute in seine Richtung, und ihre Blicke trafen sich. Er sah, wie sie sich versteifte, und spürte ihren Zorn. Das würde ein hartes Stück Arbeit werden. Vermutlich war er nach dem Vorfall gestern der letzte Mensch, den sie sehen wollte.

Doch er schaute sie weiterhin an, weil die Sonne ihr Haar so schön glänzen ließ – ein wirkungsvoller Kontrast zu der hellblauen Bluse, die sie trug.

Als wunderte er sich, was die Aufmerksamkeit seiner Tochter erregt hatte, drehte Corey sich um und lächelte, als er McKinnon entdeckte. Sofort kam er auf ihn zu, während McKinnon dem älteren Mann entgegenging, der für ihn wie ein zweiter Vater war.

Corey Westmoreland war ein riesiger, stattlicher Mann mit großem Herzen, in das er sein Land, seine Familie und seine Freunde geschlossen hatte. „McKinnon“, sagte er lächelnd und umarmte McKinnon kurz. „Was führt dich denn hierher?“

„Casey“, antwortete McKinnon schlicht. Dabei bemerkte er, dass Corey darüber nicht erstaunt schien. „Sie hat sich gestern bei mir nach einem Job erkundigt.“

Corey lachte. „Ja, sie hat mir davon erzählt.“

Das konnte McKinnon sich gut vorstellen. „Ich bin hier, um ihr den Job anzubieten, wenn sie ihn noch immer möchte.“

Corey zuckte mit den Schultern. „Das wirst du mit ihr besprechen müssen. Ich denke, ich brauche dir nicht zu erzählen, dass du ziemlich erfolgreich dabei warst, sie so richtig auf die Palme zu bringen.“

McKinnon nickte. Coreys Offenheit hatte ihm immer gefallen, auch jetzt. „Nein, das brauchst du nicht.“ Als er lautes Rufen hörte, schaute er zu Casey und sah, dass sie abgestiegen war. „Was ist los?“, fragte er.

„Casey will sich auf Vicious Glance versuchen.“

McKinnon fuhr herum und starrte Corey fassungslos an. „Du kannst sie doch nicht dieses Pferd reiten lassen!“

Corey schüttelte grinsend den Kopf. „Dann versuch doch mal, ihr das auszureden. Sie war oft genug hier, um zu wissen, was für ein gemeines Tier er ist, aber sie ist entschlossen, ihn zuzureiten.“

„Und du lässt sie?“ McKinnon war sowohl wütend als auch verwundert. Jeder, der je hier auf Coreys Ranch gewesen war, wusste von Vicious Glance – benannt nach dem gemeinen Blick, den das Tier jedem zuwarf, der es wagte, ihm zu nahe zu kommen. Er war ein verdammt guter Deckhengst, doch sobald jemand versuchte, auf ihm zu reiten, begehrte er auf. Mehr als einer von Coreys Männern hatte versucht, ihn zu zähmen – vergeblich.

„Ich lasse sie gar nichts, McKinnon. Casey ist eine erwachsene Frau, der man nicht mehr sagen kann, was sie zu tun oder zu lassen hat“, sagte er. „Ich habe sie freundlich gebeten, es nicht zu tun, doch sie glaubt, dass sie Vicious Glance durchaus gewachsen ist, also werden wir sehen, ob das stimmt. Komm, dann kannst du mit uns zuschauen.“

McKinnon war außer sich und überlegte, ob Corey wohl noch bei klarem Verstand war. Hier ging es schließlich um seine Tochter – und die konnte sich im nächsten Augenblick den Hals brechen, falls das Pferd sie abwarf. Aber bevor er etwas sagen konnte, packte Corey seine Schulter. „Beruhige dich. Sie wird es schaffen.“

McKinnon runzelte die Stirn und fragte sich, wen Corey damit überzeugen wollte – zumal über das Gesicht von Caseys Vater ein Ausdruck der Besorgnis huschte. „Ich hoffe, du hast recht“, murmelte McKinnon, nahm seinen Stetson ab und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Er schwitzte schon vor Angst. Verdammt, was wollte die Frau beweisen?

Ohne ein weiteres Wort setzte er seinen Stetson wieder auf und ging mit Corey hinüber zu den anderen Männern. Casey warf ihm einen wütenden Blick zu und sah dann weg. Corey schüttelte den Kopf und flüsterte McKinnon zu: „Sie scheint immer noch böse auf dich zu sein.“

„Ja, sieht so aus“, erwiderte McKinnon. Aber in diesem Augenblick war Caseys Wut auf ihn seine geringste Sorge. Wie die anderen Männer beobachtete er mit angehaltenem Atem, wie sie behende über den Holzzaun sprang und ihren zierlichen Körper auf den Sattel von Vicious Glance schwang. Sie schnappte sich die Zügel, die einer der Männer ihr reichte.

McKinnons Puls beschleunigte sich, als sie dem Mann ein Zeichen gab, die Augenbinde abzunehmen, die man dem Pferd umgebunden hatte. Im selben Moment rastete Vicious Glance völlig aus angesichts des ungewohnten Gewichts auf seinem Rücken. Er sauste wie verrückt durch den Korral, bäumte sich auf, schlug in der nächsten Sekunde mit den Hinterbeinen aus und versuchte immer wieder, Casey abzuwerfen. Einige Male stockte McKinnon der Atem, weil es so aussah, als würde sie im nächsten Moment auf dem Boden landen, doch sie hielt durch, und kurz darauf ertappte er sich dabei, genau wie die anderen Männer Anfeuerungsrufe auszustoßen.

Man ließ ihr Zeit, sich zu beweisen, bevor einige Männer hinüberliefen und sie schnell vom Rücken des Pferdes hoben. Die Männer klatschten begeistert, und McKinnon begann zu lächeln. „Wer zum Teufel hat ihr beigebracht, solch ein Pferd zu reiten?“, fragte er fassungslos und unendlich erleichtert, während er Corey ansah.

Corey schmunzelte. „Hast du schon mal von Sid Roberts gehört?“

„Welcher Möchtegern-Cowboy hätte das nicht?“, meinte McKinnon und dachte an den Mann, der längst eine Legende geworden war, erst als Rodeostar und dann als Pferdetrainer. „Warum?“

„Er war der Bruder von Caseys Mutter; der Mann, bei dem Carolyn in Texas gelebt hat und der ihr geholfen hat, meine Kinder aufzuziehen. Soweit ich weiß, hat er alles, was er über Pferde wusste, an Casey weitergegeben. Ihre Brüder hatten schon immer davon geträumt, Texas-Ranger zu werden, aber Casey wollte in die Fußstapfen ihres Onkels treten und Pferdetrainerin werden.“

McKinnon lauschte interessiert, obwohl sein Blick auf Casey gerichtet war. Sie hatte Vicious Glance beruhigen können, stand jetzt neben dem Tier und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Und so verrückt es auch war: Das Pferd schien zu verstehen, was sie sagte. „Und was ist dann passiert?“, fragte er Corey. „Boutiquebesitzerin ist ziemlich weit entfernt vom Beruf eines Pferdetrainers.“

„Ihre Mutter hat es ihr ausgeredet, weil sie es besser fand, wenn sie aufs College ging und etwas Vernünftiges lernte.“

McKinnon nickte. „Also hat sie ihren Traum einfach aufgegeben.“

„Ja, für eine Weile, aber sie ist fest entschlossen, ihn jetzt auszuleben.“ Corey sah zu McKinnon. „Übrigens, Cal Hooper kam gestern Abend vorbei und hat ihr einen Job auf seiner Ranch angeboten. Sie soll seine Pferde zureiten.“

McKinnon runzelte die Stirn. „Hat sie angenommen?“

„Nein, sie hat gesagt, sie überlegt es sich.“ Corey lachte. „Ich glaube, er war ihr irgendwie nicht ganz geheuer.“

Aus gutem Grund, dachte McKinnon. Jedermann hier wusste, dass Cal Hooper, obwohl schon Ende vierzig, noch immer gern den Playboy spielte. Wenn die Gerüchte stimmten, die McKinnon gehört hatte, dann gab es hier in der Gegend zudem eine ganze Reihe von unehelichen Kindern von Hooper.

McKinnon sah, dass Casey zu ihnen kam, und konnte an ihrem hübschen Schmollmund erkennen, dass sein Besuch sie nicht gerade erfreute. Genau genommen sah sie ziemlich sauer aus.

„McKinnon“, meinte sie nur zur Begrüßung, als sie zu ihnen trat.

„Hallo, Casey. Das war eine beeindruckende Vorstellung deiner Reitkunst“, sagte er.

„Danke.“

„Da kann ich McKinnon nur zustimmen. Das war fantastisch, was du gemacht hast, Casey.“

Das Lächeln, das sie ihrem Vater schenkte, war echt. „Danke, Corey. Vicious Glance wird sich jetzt benehmen. Er musste nur lernen, dass jemand anderes das Sagen hat, nämlich derjenige, der ihn reitet.“

„Okay, ich werde mal mit Jack sprechen, wie wir weiter vorgehen. Entschuldigt mich einen Moment“, sagte Corey und ließ die beiden allein.

McKinnon schob seinen Hut zurück und sah Casey mit zusammengekniffenen Augen an. Bevor er ihr einen Job anbot, musste er etwas klarstellen. „Wehe, du setzt noch einmal einen Fuß auf mein Land und ziehst eine Show wie gestern ab. Du konntest nicht wissen, wie das verflixte Pferd reagieren würde. Du hättest getötet werden können.“

„Aber ich bin noch am Leben, oder nicht?“, erwiderte sie schnippisch und entschied, dass das Letzte, was sie brauchte, dieser Mann war, der ihr sagen wollte, was sie zu tun und zu lassen hatte. „Du bist nicht mein Vater, McKinnon.“

„Zum Glück.“

Casey schnappte irritiert nach Luft. „Ich denke, wir beide haben uns genug gesagt, meinst du nicht auch?“ Sie drehte sich um.

„Bist du nicht neugierig, warum ich hier bin?“

Sie blickte über die Schulter. „Nein. Ich nehme an, du wolltest Corey besuchen.“

„Nein, ich bin hier, um mit dir zu reden.“

Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Und worüber wolltest du mit mir reden?“

„Ich wollte dir den Job anbieten, an dem du gestern interessiert warst.“

Sie funkelte ihn wütend an. „Das war gestern. Ich habe keine Lust, für einen chauvinistischen Tyrann zu arbeiten.“

McKinnon sah sie entgeistert an. „Einen chauvinistischen Tyrann?“, wiederholte er.

„Ja, das ist die treffende Beschreibung für dich. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, ich …“

„Die Bezahlung ist gut, und du könntest im Gästehaus auf der Ranch wohnen.“

Casey warf den Kopf zurück und straffte die Schultern. „Lass mich dir nicht sagen, wohin du dir deine Bezahlung und dein Gästehaus stecken kannst, McKinnon. Wie ich sagte, ich bin nicht länger interessiert. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich habe einiges zu tun.“

McKinnon sah ihr hinterher, als sie mit schwingenden Hüften davonging. Er bewunderte sie für ihren Mumm, hatte aber nicht vor, ihr das letzte Wort zu überlassen. „Casey?“, rief er ihr hinterher.

Sie blieb stehen und drehte sich langsam herum. „Was ist?“

„Denk über mein Angebot nach und gib mir bis nächste Woche Bescheid.“

Ihr wütender Blick war unbezahlbar. „Da gibt es nichts nachzudenken, McKinnon. Für dich zu arbeiten, ist das Letzte, was ich will.“ Damit drehte sie sich um und ging.

Ihre Worte ärgerten ihn, weil er eigentlich auch nicht wollte, dass sie für ihn arbeitete. Aber verdammt, er brauchte sie … oder besser gesagt, er brauchte ihre Kenntnisse, was Pferde betraf. Und er durfte auf keinen Fall vergessen, dass zwischen beidem ein großer Unterschied bestand.

3. KAPITEL

Der Typ hat vielleicht Nerven, dachte Casey, als sie in das warme Wasser der riesigen Badewanne glitt. Er war doch Amerikaner, warum verstand er dann kein Englisch? Wie oft sollte sie eigentlich noch wiederholen, dass sie nicht für ihn arbeiten wollte, bis er es verstand?

Sie lehnte den Kopf gegen den Wannenrand und schloss die Augen. McKinnon brachte sie zur Weißglut. Bevor sie für ihn arbeitete, würde sie noch eher zu Cal Hooper gehen, obwohl der Mann nichts als Widerwillen in ihr auslöste, wenn er sie nur ansah. Zumindest konnte sie sich gegen Männer wie Cal Hooper zur Wehr setzen, dank all der Selbstverteidigungskurse, zu denen ihre Brüder sie im Laufe der Jahre überredet hatten.

Aber wenn es um McKinnon ging, dann war sie genauso wehrlos wie ein Fisch auf dem Trockenen. So ein großer, muskulöser Mann in einer engen Jeans war einfach umwerfend heiß, zumal wenn er auch noch über einen knackigen Po verfügte. Hatte er zudem ein so attraktives Gesicht, war jede normale Frau im Nu verloren. Verflixt, sie war schließlich auch nur ein Mensch!

Casey glitt tiefer ins Wasser und wünschte zum wiederholten Mal, sie könnte McKinnon aus ihren Gedanken vertreiben. Er hatte sie gestern wirklich wütend gemacht. Und dann tauchte er heute auf und bot ihr den Job an, den er ihr gestern verweigert hatte. Aber da hatte er Pech gehabt. Das konnte er gleich wieder vergessen.

Entschlossen, keinen Gedanken mehr an McKinnon zu verschwenden, öffnete sie die Augen und sah sich um. Das Bad war genauso herrlich wie das Zimmer, das Abby ihr gegeben hatte. Beide Räume zeugten davon, dass eine Frau sie eingerichtet hatte. Coreys Ranch mochte früher vielleicht einmal die Domäne eines Mannes gewesen sein, doch jetzt war unübersehbar, dass hier eine Frau wohnte. Und diese Frau, die dem Haus ihren Stempel aufgedrückt hatte, war Abby.

Anfangs hatte Casey noch geglaubt, sie nicht leiden zu können, weil sie es ihrem Vater unmöglich gemacht hatte, eine andere Frau zu lieben. Nicht einmal Caseys Mutter, die Corey bis zum Tage ihres Todes vergöttert hatte, war es gelungen, sein Herz zu gewinnen. Doch in Coreys und Abbys Gesellschaft hatte sich Casey in kürzester Zeit davon überzeugen können, wie verliebt die beiden waren, und das vermutlich immer schon. Auch wenn Corey mehr als fünfzig Jahre lang Junggeselle geblieben war und seine Abby erst nach einer fünfzehnjährigen Ehe mit einem Mann, den sie nicht geliebt hatte, wiedergefunden hatte.

Casey lächelte. Sie musste zugeben, dass sie die Frau, die ihr Vater geheiratet hatte, mehr als lieb gewonnen hatte.

Nach einem Blick auf die Uhr stellte sie fest, dass sie sich beeilen musste, wenn sie nicht zu spät zum Abendessen unten sein wollte. Rasch stieg sie aus der Wanne und ließ ihre Gedanken erneut zu McKinnon wandern. Hoffentlich würde sie ihn jetzt erst einmal eine Zeit lang nicht wiedersehen. Aber auch wenn sie nicht für ihn arbeiten wollte, war sie doch entschlossen, einen Job zu finden. Sie konnte die Gastfreundschaft ihres Vaters ja nicht auf ewig strapazieren. Abby und er hatten ihr zwar versichert, dass sie willkommen war, doch sie wollte sich etwas Eigenes suchen.

Sie lächelte wieder beim Gedanken daran, wie verliebt ihr Vater und Abby noch immer waren. Einerseits war sie glücklich für die beiden, andererseits war es stets eine Erinnerung daran, was in ihrem eigenen Leben fehlte.

Obwohl sie in Texas mit Männern ausgegangen war, war keiner von ihnen begeistert von dem gewesen, wofür sie sich entschieden hatte – nämlich als Jungfrau in die Ehe zu gehen. Es hing vermutlich damit zusammen, dass sie in ihrer Kindheit den märchenhaften Schilderungen ihrer Mutter gelauscht hatte, die ihr immer wieder erzählt hatte, wie unglaublich romantisch ihre Beziehung mit Corey gewesen war.

Casey war entschlossen gewesen, ebenfalls die Liebe ihres Lebens zu finden, und hatte sich demzufolge entschieden, dass sie nur mit einem einzigen Mann schlafen würde – mit ihrem Ehemann. Doch seit sie die Wahrheit über ihre Eltern herausgefunden hatte, erschien ihr der Erhalt ihrer Jungfräulichkeit nicht mehr so wichtig. Bisher hatte sie nur keinen Mann gefunden, der sie genügend interessiert hätte, um mit ihm ins Bett zu gehen.

Prompt dachte sie wieder an McKinnon, verscheuchte die Vorstellung jedoch sofort. Der Mann war genauso irritierend wie verlockend. Und im Augenblick hatte sie weitaus wichtigere Dinge, über die sie nachdenken musste – zum Beispiel, wie und wo sie einen Job fand.

Sie seufzte und entschied, nach dem Essen wieder in ihr Zimmer zu gehen. Sie würde sich die Zeitung schnappen, die sie gestern aus der Stadt mitgebracht hatte, und sich die Stellenanzeigen vornehmen. Es war an der Zeit, dass sie ihre Zukunft plante. Zu Corey zu ziehen war der erste Schritt gewesen. Die nächsten Schritte waren eine neue Stelle und eine eigene Wohnung.

„Ich bin froh, dass du unser Angebot angenommen hast, heute Nacht hierzubleiben“, sagte Corey und reichte McKinnon ein Glas Scotch. „Auch wenn du ein geübter Reiter bist, in der Dunkelheit den Berg hinunterzureiten ist einfach zu gefährlich.“ Er lachte, bevor er fortfuhr: „Und Morning Star und Martin würden mir was erzählen, wenn ihrem ältesten Sohn etwas zustieße.“

McKinnon lächelte, weil er wusste, dass das die Wahrheit war. Er hatte eine enge Beziehung zu seinen Eltern und auch zu seinen drei jüngeren Brüdern. Manchmal konnte McKinnon es immer noch nicht glauben, dass Martin Quinn nur sein Stiefvater war. Erst als Teenager hatte er erfahren, dass sein richtiger Vater bei einem Autounfall noch vor McKinnons Geburt ums Leben gekommen war und dass die schwangere Morning Star – vom Volk der Blackfoot – Arbeit bei Martin Quinn, einem Richter, gefunden hatte. Die beiden hatten sich dann ineinander verliebt und geheiratet, noch ehe das Kind geboren worden war.

„Und wie läuft es so bei dir auf der Ranch?“

Coreys Frage riss McKinnon aus seinen Gedanken. „Es würde sehr viel besser laufen, wenn Casey für mich arbeitete. Gestern habe ich es vermasselt, aber dafür gab es einen Grund. Du weißt ja, warum ich keine Frau auf meiner Ranch haben möchte.“

Corey nickte. Ja, er wusste Bescheid, aber sie sprachen schließlich nicht von irgendeiner Frau, sondern von seiner Tochter. Er war nicht von gestern. Er wusste, dass zwischen McKinnon und Casey die Funken sprühten, sobald sie aufeinandertrafen. Bisher hatten die beiden Distanz wahren können, doch das war hier in Montana nicht so einfach, zumal Corey und McKinnons Eltern eng befreundet waren.

„Wie willst du sie denn überzeugen?“ Ihm war längst völlig klar, dass McKinnon nicht so schnell aufgeben würde.

„Ich weiß es noch nicht, aber ich werde es irgendwie versuchen. Ich habe Jamal versprochen, dass ich sein Pferd bis zum Herbst trainiert habe, und dabei soll es auch bleiben“, lautete die Antwort.

„Ich unterbreche eure Unterhaltung ja nur ungern, aber das Essen ist fertig“, sagte Abby lächelnd. „Und Casey wird auch jeden Moment hier sein.“

„Wir kommen sofort, Schatz“, meinte Corey und lächelte seine Frau liebevoll an.

McKinnon beobachtete diesen herzlichen Austausch zwischen den beiden und dachte an seine Eltern, die genauso miteinander umgingen. Manche Menschen hatten das Glück, ihren Seelengefährten zu finden und den Rest ihres Lebens zu zweit glücklich zu werden. Er selbst hatte schon vor langer Zeit akzeptiert, dass er nicht zu diesen Glücklichen gehörte. Sein Schicksal sah keine dauerhafte Beziehung zu einer Frau vor.

Casey eilte die Treppe hinunter, weil sie schon spät dran war. Einer ihrer Brüder hatte noch angerufen, um sich nach ihr zu erkundigen. Es tat gut zu wissen, dass sich im fernen Texas jemand Sorgen um sie machte.

Sie ging schnell zum Esszimmer und blieb dann wie angewurzelt stehen, als sie McKinnon am Tisch sitzen sah. Er und ihr Vater standen auf, als sie das Zimmer betrat, und Casey versuchte, ihren Unmut zu verbergen. „McKinnon, ich bin überrascht, dass du noch hier bist“, sagte sie und bemühte sich, nicht allzu schnippisch zu klingen.

Sie wusste, dass das Lächeln, das er ihr schenkte, nur dazu diente, sie noch wütender zu machen, aber bevor er antworten konnte, lieferte ihr Vater eine Erklärung. „Es wäre zu gefährlich gewesen, so spät noch den Berg hinunterzureiten, also habe ich ihn gefragt, ob er über Nacht hierbleiben will“, sagte Corey.

„Oh.“ Casey zuckte innerlich zusammen bei dem Gedanken, dass McKinnon die ganze Nacht im Haus sein würde. Der Gedanke, ihn schlafend unter demselben Dach wie sie zu wissen, gefiel ihr ganz und gar nicht. „Das sieht alles sehr lecker aus, Abby“, sagte sie also stattdessen.

Abby lächelte. „Danke, Casey. Lasst es euch schmecken.“

Casey entschied, dass sie McKinnon so weit wie möglich ignorieren würde, und unterhielt sich mit Abby über die neueste Mode und über den aktuellen Tratsch aus Hollywood.

Doch so sehr sie sich auch bemühte, konnte sie nicht umhin, mit halbem Ohr der Unterhaltung zwischen ihrem Vater und McKinnon zu lauschen, die darüber diskutierten, wie man ein Pferd am besten zuritt und trainierte. Einige der Vorschläge, die McKinnon machte, konnte sie nicht fassen. Wenn er sie wirklich befolgte, würde er mit seinem jüngsten Unternehmen einen großen Reinfall erleiden.

„Es wäre vielleicht besser, wenn du dich auf die Zucht von Pferden beschränken würdest, statt es mit dem Training zu versuchen, McKinnon“, warf sie schließlich dazwischen. „Wer mit den neuesten Methoden einigermaßen vertraut ist, weiß, dass man Pferde heutzutage nicht mehr schlägt.“

McKinnon hob skeptisch eine Augenbraue. „Tatsächlich?“

„Allerdings. Früher mag man die Tiere mit Schmerzen eingeschüchtert haben, aber inzwischen benutzen Trainer einen sehr viel sanfteren Ansatz, um mit den Pferden zu kommunizieren“, erklärte sie unbeeindruckt. „Und es ist wirklich traurig, dass einige Besitzer glauben, sie müssten solche furchtbaren Methoden immer noch anwenden.“

McKinnon lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Und was ist, wenn man es mit nicht ganz so sanftmütigen Tieren wie zum Beispiel Prince Charming zu tun hat? Oder mit einer Herde wilder Pferde? Was würdest du dann tun?“

„Das Gleiche, da es keinen Unterschied macht. Bei Prince Charming vermute ich, dass jemand ihn kürzlich misshandelt hat. Doch zum Glück scheint er auch schon einen guten Trainer gehabt zu haben, denn als ich mit ihm sprach, um ihn zu beruhigen, erinnerte er sich an diese friedlicheren Tage. Das ist der Grund, warum er mir nichts getan hat. Ich bin strikt gegen brutale Methoden, wenn man mit Pferden arbeitet.“

„Das mag deine Meinung sein, Casey, doch ich kann dem nicht zustimmen. Ich bin zwar auch dagegen, dass man ein Pferd misshandelt, aber trotzdem finde ich die traditionelle Art und Weise sehr viel besser. Und du hast recht – du hattest gestern mit Prince Charming Glück, allerdings bezweifle ich, dass dieser sanfte Ansatz bei allen Pferden das Richtige ist. Ohne ein paar strikte disziplinarische Methoden wird es unmöglich sein, Prince Charming für die Rennen im Herbst fit zu machen.“

„Dem muss ich widersprechen.“

Er sah ihr in die Augen. „Es ist dein gutes Recht, eine andere Meinung zu haben, Casey. Aber dies hier ist Montana und nicht Texas. Wir machen hier alles etwas anders.“

„Aber ein Pferd ist ein Pferd, egal ob in Montana oder Texas“, erklärte sie und trank einen Schluck Limonade.

Sie bemühte sich, freundlich zu bleiben, aber McKinnon machte es ihr wirklich schwer. Warum war der Mann nur so furchtbar stur? „Ich finde es sehr bedenklich, dass manche Pferdetrainer nur daran interessiert sind, das Training voranzutreiben, um möglichst schnell Erfolge vorweisen zu können. Dabei braucht man das Tier einfach nur sanft und freundlich zu behandeln, und es wird willig und bereit sein, seinem Besitzer etwas zurückzugeben.“

„Das klingt, als würdest du ein Pferd wie einen Menschen behandeln wollen, Casey.“

„Nein, das will ich nicht, aber trotzdem muss man Vertrauen schaffen, bevor man richtig mit dem Training anfangen kann. Ohne dieses Grundvertrauen wird ein Pferd wie Prince Charming niemals ein Rennen gewinnen.“

Im Grunde stimmte McKinnon mit allem überein, was Casey gesagt hatte, doch das würde er sie nicht wissen lassen. Denn mit ungerührter Gegenrede würde er sie genau da hinbekommen, wo er sie haben wollte.

„Ich glaube, dass du dich irrst, Casey.“

„Und ich denke, dass du zu engstirnig bist, um zu erkennen, dass ich recht habe.“

Er hob eine Augenbraue und schaute Casey an. „Dann beweis es mir.“

„In Ordnung“, erwiderte sie ohne nachzudenken.

Er beugte sich vor. „Gut. Und da du so erpicht darauf bist, deine neuen Methoden auszuprobieren, zahle ich dir fünfzigtausend Dollar für deine Arbeit. Du hast acht Wochen Zeit, und du musst auf meiner Ranch im Gästehaus wohnen.“

Casey blinzelte. Wovon redete er? „Wie bitte?“, fragte sie verwirrt nach.

McKinnon lächelte. „Du hast gerade zugestimmt, mir zu beweisen, dass deine Trainingsmethoden bei Prince Charming Erfolg haben werden. Aber wenn du dir deiner Sache nicht sicher bist, dann verstehe ich natürlich, wenn du einen Rückzieher machen willst.“

Sie funkelte ihn wütend an. „Ich weiß, wozu ich fähig bin, McKinnon.“

„Das sagst du, aber du scheinst es nicht beweisen zu wollen. Ich könnte es gut verstehen, wenn du dich der Aufgabe doch nicht gewachsen fühlst.“

Casey brauste auf. „Wenn es um Pferde geht, dann ist keine Aufgabe für mich zu groß.“

Er zuckte mit den Schultern. „Du hast acht Wochen Zeit, um es zu beweisen.“

Casey sah zu ihrem Vater und zu Abby. Sie hatten während der hitzigen Diskussion geschwiegen und starrten sie jetzt an. Es gab keine Möglichkeit, einen Rückzieher zu machen, obwohl sie insgeheim ahnte, dass McKinnon sie ganz gezielt in diese listige Falle gelockt hatte.

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder McKinnon zu und erklärte wütend: „In Ordnung, ich werde dir zeigen, was ich kann, McKinnon. Ich hoffe nur, dass du mir gewachsen bist.“

McKinnon lehnte sich entspannt wieder zurück. Er hatte längst beschlossen, Casey niemals, auch in hundert Jahren nicht, zu erzählen, dass er ihr niemals gewachsen sein würde.

4. KAPITEL

McKinnon kam gerade aus dem Stall, als er einen blauen Wagen auf den Hof fahren sah. Er blieb stehen und schaute auf die Frau, die hinter dem Steuer saß. Casey hatte gesagt, dass sie innerhalb von zwei Tagen bei ihm eintreffen würde, und sie hatte ihr Wort gehalten.

Noch immer hatte er gemischte Gefühle, was ihren Aufenthalt auf seiner Ranch betraf, aber er hatte nun mal einen Betrieb zu leiten – sie einzustellen war eine rein geschäftliche Entscheidung gewesen. Er musste einfach nur vernünftig sein und möglichst viel Distanz zu Casey wahren. Wenigstens wird sie im Gästehaus wohnen und nicht mit mir unter einem Dach, dachte er, während er zusah, wie sie ihre wohlgeformten, fantastischen Beine aus dem Auto schwang. Er atmete tief durch.

Ein Blick genügte, um festzustellen, dass er nicht der Einzige war, der ihre Ankunft – und ihre Beine – registriert hatte. Seine Männer starrten wie gebannt zum Auto, vor allem als Casey eine Tasche vom Rücksitz nahm und sich der Rock, der ihre herrlichen Beine umspielte, über ihrem Po spannte. Dazu trug sie eine mintgrüne Bluse, die ihre festen, perfekten Brüste betonte.

Als sie zum Kofferraum ihres Autos ging und ihn öffnete, gab ihr Gepäck zu erkennen, dass sie vorhatte, länger zu bleiben. Da die meisten von McKinnons Männern wussten, dass er normalerweise keine Frau auf der Ranch duldete, wurden sie noch neugieriger. Aber McKinnon wusste auch, dass sie Casey nicht nur aus rein männlichem Interesse anstarrten. Sie hatte sich ihren Respekt verdient, als sie Prince Charming gebändigt hatte. Für die Männer war sie diejenige, die Edward Price davor gerettet hatte, zu Tode getrampelt zu werden, und dabei ihr eigenes Leben riskiert hatte.

Nachdem anscheinend sämtliche Männer, die für ihn arbeiteten, zu Caseys Wagen gerannt waren, um ihr mit dem Gepäck behilflich zu sein, und sich dabei gegenseitig auf die Füße traten, schüttelte McKinnon den Kopf. Er würde ein ernstes Wörtchen mit seinen Männern reden müssen, um ihnen klarzumachen, dass Casey genauso wie alle anderen hier war, um zu arbeiten.

Als zwei der Männer kurz davor waren, sich die Köpfe einzuschlagen, entschied sich McKinnon einzuschreiten. „Okay, Jungs, ihr könnt wieder an die Arbeit gehen. Ich werde Casey helfen, die Sachen auszuladen.“

Er sah die enttäuschten Gesichter seiner Leute, doch sie wandten sich um, befolgten seinen Befehl und ließen ihn und Casey allein. McKinnon begrüßte sie. „Hallo, Casey.“ An ihrer Miene konnte er erkennen, dass sie nicht gern hier war.

„Hallo, McKinnon. Wenn du bitte so nett wärst, mir zu zeigen, wo ich die nächsten Wochen wohnen kann …“

Es war ihr gelungen, ihre Wut ein wenig zu bändigen, aber nicht gänzlich. Noch immer war sie sauer auf ihn, das konnte McKinnon deutlich spüren. „Komm mit. Ich werde dein Gepäck gleich holen. Das Gästehaus ist dort hinten.“

Sie gingen zusammen um das Haupthaus herum, und nicht zum ersten Mal fand Casey, dass McKinnons Ranch auf einem wunderschönen Stückchen Land lag. Es war ein warmer Tag, und sie fühlte sich an Texas erinnert, was ihr einen kleinen Seufzer entlockte, weil sie ein wenig Heimweh verspürte.

„Alles in Ordnung?“

Sie schaute McKinnon an und wünschte, seine Augen wären nicht so dunkel, so funkelnd und verführerisch. „Ja, alles in Ordnung. Aber ich bin erst seit gut einer Woche in Montana, und schon vermisse ich Texas.“

„Tatsächlich? Es ist im Moment viel wärmer als sonst um diese Jahreszeit“, erwiderte er. „Das bedeutet aber, uns steht ein kalter Winter bevor.“

Casey erschauerte. „Kälte mag ich nicht besonders.“

„Wenn du vorhast, länger hierzubleiben, dann kann ich dir nur raten, dich daran zu gewöhnen“, meinte er trocken. „Sonst wirst du nur noch zittern. Montana ist bekannt für seine eiskalten Winter.“

Ein leichtes Zittern lief jetzt schon durch ihren Körper, und zwar als ihre Arme sich zufällig berührten. Himmel, bisher hatte noch nie ein Mann solch eine Reaktion in ihr ausgelöst. Ihr blieb gar nichts anderes übrig, als den muskulösen Körper neben sich zu bewundern, dessen Nähe ihr fast den Atem stocken ließ.

Als sie das Gästehaus erreichten, trat Casey zur Seite, damit McKinnon die Tür öffnen konnte. Er bedeutete ihr hineinzugehen und folgte ihr dann. Sie entspannte sich ein wenig, als er zur anderen Seite des Raumes ging, und schaute sich neugierig um. Es war ein hübsches Haus, das in Erdtönen eingerichtet war. Die Möbel waren aus dunklem Holz gefertigt, und das riesige Fenster bot einen atemberaubenden Blick auf die Berge.

„Den Flur entlang findest du ein Schlafzimmer und ein Bad, die kannst du dir anschauen, während ich dein Gepäck hole.“

Sie drehte sich zu McKinnon um. „Okay.“

„Es gibt keine Küche, da die meisten Gäste die Mahlzeiten im Haupthaus einnehmen, aber es wäre auch kein Problem, wenn du hier essen willst. Lass es nur Henrietta wissen.“

„Henrietta?“, hakte Casey nach.

„Ja, sie ist meine Köchin und Haushälterin.“

Casey nickte. „Lebt sie hier auf der Ranch?“

„Nein“, erwiderte McKinnon so schnell, als wäre das unvorstellbar. „Henrietta und ihr Mann Lewis wohnen ein paar Meilen weiter, nicht weit weg vom Haus meiner Eltern. Sie kommt jeden Morgen um sechs und bleibt meist bis abends um sechs.“ Er stieß sich von der Wand ab. „Ich hole nur schnell dein Gepäck.“

Er verließ das Haus, und Casey war erleichtert, einen Augenblick lang nicht in seiner Gegenwart sein zu müssen. Irgendwie verströmte McKinnon eine herbe Sinnlichkeit, auf die sie äußerst sensibel reagierte. Doch sie war fest entschlossen, diese Hitze, die er in ihr hervorrief, zu bekämpfen – genauso wie das heftige Verlangen, das sie jedes Mal überkam, wenn er in ihre Nähe kam. Schließlich war sie hier, um einen Job zu erledigen, aus keinem anderen Grund.

Wie McKinnon vorgeschlagen hatte, sah Casey sich um, während er das Gepäck holte. Als er kurz darauf zurückkam und sie neben dem großen Eichenbett stehen sah, schlug sein Puls merklich schneller. Aber brachte der Anblick einer schönen Frau in der Nähe eines Bettes nicht jeden Mann um den Verstand?

Casey drehte sich um, als sie ihn ins Zimmer kommen hörte, und er konnte die sexuelle Spannung, die zwischen ihnen bestand, geradezu greifen. Das war nicht gut. Wütend, weil er seine Gefühle nicht besser unter Kontrolle hatte, stellte McKinnon das Gepäck aufs Bett. „Ich überlasse dich dem Auspacken“, erklärte er grimmig. „Da du offiziell erst morgen anfangen musst zu arbeiten, kannst du den heutigen Tag nutzen, um dich einzurichten.“

„Das werde ich. Danke, dass du die Sachen gebracht hast.“

„Kein Problem“, erwiderte er und sah auf seine Uhr. „Wie ich Henrietta kenne, wird sie bestimmt vorbeikommen, um guten Tag zu sagen.“

„Das wäre sehr nett.“

McKinnon wünschte, er könnte sich auf das konzentrieren, was Casey sagte, statt auf ihr Aussehen. Sie kam ihm heute noch betörender vor als sonst – mit ihren großen Augen, dem sinnlichen Mund und dem Haar, dessen Schnitt ihr wunderbares Gesicht nur noch unwiderstehlicher machte.

„Ist noch was, McKinnon?“

Er gab sich innerlich einen Ruck und runzelte verärgert die Stirn, weil Casey ihn dabei erwischt hatte, wie er sie angestarrt hatte. „Nein, das war alles. Ich sehe dich dann beim Abendessen.“

„Nein, das wirst du nicht.“

„Wie bitte?“

„Ich sagte, ich werde nicht zum Abendessen da sein. Ich bin eingeladen.“

Ihre Bemerkung verstärkte seine Irritation nur noch. Vergeblich bemühte er sich, nicht darüber nachzudenken, mit wem sie wohl essen ging. Cal Hooper? Jemand anderes, den sie seit ihrer Ankunft getroffen hatte? Warum zum Teufel interessierte ihn das überhaupt? „Okay, in Ordnung. Viel Spaß.“ Er wollte gehen.

„McKinnon?“

Er drehte sich wieder herum. Aus unerfindlichen Gründen gefiel ihm ihre Verabredung nicht und er hätte für sein Leben gern jemandem die Knochen gebrochen. Genauer gesagt demjenigen, mit dem Casey sich nachher treffen würde. „Was ist?“

Ihrer Miene nach zu urteilen, missfiel ihr sein Ton. „Ich habe das Gefühl, dass du mich nicht hier haben willst, dass du darauf aber keine Rücksicht nehmen kannst, weil du mich dringend brauchst“, sagte sie und stemmte die Hände in die Hüften. „Das ist gut und schön, denn ehrlich gesagt, wäre ich auch lieber woanders.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und erwiderte ihren wütenden Blick. „Und warum bist du dann hier?“

„Um zu beweisen, dass nicht alle Frauen inkompetent sind, wenn es um Pferde geht.“

Seine Miene wurde noch grimmiger. „Das habe ich niemals behauptet.“

„Brauchtest du auch nicht. Das hast du ja auch so mehr als deutlich gemacht, als du mich am ersten Tag nicht einstellen wolltest.“

McKinnon hätte fast gelacht, weil sie so weit von der Wahrheit entfernt war. Der Grund, warum er sie am ersten Tag nicht hatte engagieren wollen, hatte absolut nichts damit zu tun, was er von ihr als Trainerin hielt. Vielmehr hatte die Tatsache, dass sie eine Frau war –...

Autor

Brenda Jackson
Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...
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