Zuckerkuss und Mistelzweig

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Eine Weihnachtshochzeit zu organisieren klingt für Madeline wie die reinste Freude - bis sie herausfindet, dass sie eng mit dem sexy Bruder der Braut zusammenarbeiten muss. Jonny Blaze, der Hollywoodstar, für den sie schon so lange schwärmt. Wie soll ein Kleinstadtmädchen wie sie sich dagegen wappnen, sich in diesen heißen Traumtypen zu verlieben? Vor allem, wenn an jeder Ecke Mistelzweige hängen, unter denen man sich einfach küssen muss?

"Großartige Charaktere in einer liebevollen Gemeinschaft … ein glanzvoller Ausflug nach Fool's Gold."

Publishers Weekly


  • Erscheinungstag 09.10.2017
  • Bandnummer 27
  • ISBN / Artikelnummer 9783955767365
  • Seitenanzahl 304
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Ich bin eine der glücklichsten Autorinnen der Welt. Ehrlich, ich habe die besten Leserinnen überhaupt. Dieses Buch ist der entzückenden, kreativen und lustigen Kim V. R. gewidmet. Ich freue mich so, dass deine Mädchenwochen-Freundinnen, deine Bestrahlungsfreundinnen und Inez dich zu einer Romance-Anhängerin gemacht haben. Und ich bin sehr dankbar dafür, dich kennengelernt zu haben.

Und …

… für meine Leserin Paula B., die mich bat, dieses Buch „meinem Sohn Tom B. zu widmen, weil er meinen Traum wahr gemacht hat“.

1. Kapitel

„Wissen die, dass sie wie Kürbisse aussehen?“

Madeline Krug war dankbar, dass Rosalind die Frage sehr leise stellte. Eine der wichtigsten Regeln für das erfolgreiche Führen einer Brautmodenboutique lautete, die Braut bei der Anprobe nicht zu beleidigen. Und auch wenn sie das ihrer Assistentin gegenüber normalerweise nicht erwähnt hätte, war die Frage in diesem Fall legitim.

Es waren nicht allein die ausufernd ausgestellten Kleider der Brautjungfern, die irgendwie seltsam, nun ja, kürbisförmig aussahen. Auch nicht die Farben, die von Orangerot über Koralle bis zu einem Kürbiston reichten. Denn wenn man das beides mit einer blassgrünen Krone aus Blättern und winzigen Blumen auf jedem der sechs Köpfe kombinierte, war der Gesamteindruck tatsächlich ein wenig … kürbisartig.

„Die Braut hat mir gesagt, dass das so genau ihren Wünschen entspricht“, murmelte Madeline. „Dass sie schon als kleines Mädchen von ihrer Hochzeit geträumt und sich dabei diese Kleider vorgestellt hat. Sie war ganz aufgeregt, weil wir sie besorgen konnten.“

Madeline lächelte ihre Assistentin an. „Jede Braut hat ein perfektes Kleid vor Augen und eine Vision, wie ihre Hochzeitsgesellschaft aussehen soll. Unsere Aufgabe besteht darin, herauszufinden, was dieser Traum beinhaltet, und ihn wahr zu machen.“

Rosalind wirkte skeptisch, nickte aber, als mache sie sich mental Notizen.

Die Brünette war Mitte vierzig und arbeitete seit ungefähr einem Monat im Paper Moon. Nachdem ihre Kinder nun alle auf der Middle- und Highschool waren, hatte sie wieder in die Arbeitswelt zurückkehren wollen. Madeline brauchte jemanden, auf den sie sich verlassen konnte, und Rosalind hatte gute Referenzen. Bislang bildeten sie ein gutes Team, auch wenn Rosalind einige Eigenarten von Bräuten und bestimmte Hochzeiten immer noch irritierend fand.

Madeline richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Hochzeitsgesellschaft. Sie überprüfte den Sitz eines jeden Kleides, versicherte sich, dass der Braut schwindelig vor Glück war, dann versprach sie, die Kleider ein letztes Mal aufzubügeln, bevor sie am Mittwoch vor Thanksgiving abgeholt würden. Denn die, äh, Kürbishochzeit sollte am Samstag nach dem Feiertag stattfinden.

Um drei Uhr am Nachmittag war die Hochzeitsgesellschaft verschwunden, und Madeline zog sich in ihr Büro zurück, um noch etwas Papierkram zu erledigen. Nachdem sie sich um die Rechnungen gekümmert, ein paar Bestellungen bestätigt und sich notiert hatte, wann die neue Sommerkollektion ihrer Lieblingsdesignerin erhältlich war, lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück und genoss einen seltenen Moment der Zufriedenheit.

Sie liebte ihre Arbeit. Zwar rettete sie damit nicht die Welt und fand auch keine neuen Quellen für erneuerbare Energien, aber auf ihre bescheidene Art half sie Menschen dabei, glücklich zu werden. Alle Bräute waren grundverschieden, aber meistens mochte sie jede. Sie liebte den Gesichtsausdruck, wenn sie das richtige Kleid fanden. Glückstränen zu sehen war der schönste Lohn für ihre Arbeit.

Sicher, es gab auch Dramen, aber damit konnte sie umgehen. Das machte die Sache interessant. Und wenn alles vorbei war und die Braut ihr ein Foto von sich an ihrem großen Tag schickte … Nichts könnte ihr den Job mehr versüßen.

Ich habe einfach riesiges Glück, dachte sie. Wenn schon nicht in der Liebe, dann aber ganz gewiss in jedem anderen Lebensbereich. Denn …

„Hallo, Madeline.“

Zwei schlichte Worte, freundlich ausgesprochen. Das hätte nett sein sollen. Oder sogar schön. Stattdessen starrte Madeline die gut gekleidete Frau an, die an der Bürotür stand, und wusste, dass ihr Leben sich verändern würde. Sie konnte nicht sagen, warum oder wie, aber so sicher, wie die Sonne im Osten aufging, galt: Wenn Bürgermeisterin Marsha Tilson auftauchte und leicht erwartungsvoll dreinblickte, passierte etwas.

„Ma’am“, sagte Madeline und stand sofort auf. Denn so war sie erzogen worden. Man erhob sich, wenn eine ältere Person den Raum betrat.

Marsha Tilson war schon länger Bürgermeisterin von Fool’s Gold, als Madeline auf der Welt war. Sie war sogar die am längsten regierende Bürgermeisterin von Kalifornien, wurde von allen geliebt, war warmherzig, fürsorglich und schien unerklärlicherweise immer alles zu wissen, was vor sich ging. Madeline hatte sie schon immer gemocht, auch wenn sie sie ein wenig Furcht einflößend fand.

„Hast du eine Minute?“ Noch während die Bürgermeisterin die Frage stellte, betrat sie das Büro und setzte sich.

„Natürlich.“

Madeline war ein wenig erleichtert, als Dellina Ridge, die Eventplanerin von Fool’s Gold, der Bürgermeisterin ins Büro folgte und ihr aufmunternd zulächelte. Dellina war eine gute Freundin. Wenn etwas Schlimmes passiert wäre, hätte Dellina sie nicht nur vorgewarnt, sondern ihr auch moralische Unterstützung und Brownies angeboten.

„Wie du weißt“, fing Bürgermeisterin Marsha an, als alle saßen, „sind die Feiertage hier in der Stadt immer eine sehr geschäftige Zeit.“

Madeline nickte. In Fool’s Gold wurde jede Gelegenheit genutzt, um zu feiern. Von Mitte November bis zum ersten Tag des neuen Jahres war immer irgendetwas los. Zum Glück war es die eher ruhige Zeit im Paper Moon, sodass sie alles genießen konnte, was um sie herum passierte.

Der Rhythmus in einer Brautmodenboutique war ganz anders als in anderen Läden. Ab dem zweiten Januar, wenn es in den meisten Geschäften ruhiger wurde, würde sie mit neuen zukünftigen Bräuten herumjonglieren. Viele Heiratsanträge wurden an Weihnachten oder Silvester gemacht. Doch das war nicht der Grund, warum die Bürgermeisterin hier war.

Bürgermeisterin Marsha warf Dellina einen Blick zu, die auf ihrem Stuhl nach vorn rutschte und erneut lächelte.

„Es geht um mich“, gab Dellina leicht reumütig zu. „Ich habe zu viel zu tun. Die Hendrix-Familie plant eine große Party an Silvester, es gibt Dutzende Feiertagsevents und drei Hochzeiten, und ich stecke bis zu den Augenbrauen in Einladungen und To-do-Listen. Ich kann kein weiteres Projekt übernehmen.“

Madeline war sich immer noch nicht sicher, worauf die beiden Frauen hinauswollten. „Wenn du Unterstützung brauchst, ich helfe dir gern“, sagte sie langsam. Aber warum war Dellina nicht direkt zu ihr gekommen? Sie kannten einander schon ihr ganzes Leben lang. Warum hatte sie die Bürgermeisterin hinzugezogen?

Dellina verlagerte das Gewicht. „Na ja, es ist mehr als mein üblicher panischer Anruf, damit du mir beim Packen von Goodiebags hilfst. Es geht um eine Hochzeit.“

„Ich verstehe nicht …“, gab Madeline offen zu.

„Am Samstag nach Weihnachten gibt es eine Hochzeit“, erklärte die Bürgermeisterin fröhlich. „Du weißt, wie sehr ich Hochzeiten liebe. Die hier wird sehr klein. Im Moment stehen vierzig Leute auf der Gästeliste. Ich schätze, da kommen noch ein paar hinzu, aber es sollten nicht mehr als fünfzig oder fünfundfünfzig Gäste werden. Die Location ist kein Problem – es findet alles im Haus des Bruders der Braut statt. Auch das Catering steht schon.“

„Darum kümmert sich Ana Raquel“, warf Dellina ein. „Sie hatte eine Absage und kann die Hochzeit noch mit reinnehmen. Also geht es nur um die grundsätzlichen Dinge – Kleid, Einladungen, Dekoration. Ich weiß, es ist viel verlangt …“ Sie schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid. Wir haben dich noch gar nicht gefragt, oder?“

Bürgermeisterin Marsha tätschelte Dellinas Hand. „Das übernehme ich, meine Liebe. Madeline, deine Stadt braucht dich, um eine Hochzeit zu planen. Bist du dazu bereit?“

„Ich weiß es nicht“, erwiderte Madeline ehrlich. „So was habe ich noch nie gemacht. Ich arbeite mit Bräuten, und wir besprechen Details, aber eine Hochzeit von Anfang bis Ende auszurichten, selbst wenn es nur eine kleine Feier ist, wird eine Herausforderung.“

Was einer Absage so nahe kommt, wie es nur geht, dachte sie, während die Bürgermeisterin sie weiter mit diesem Blick ansah, für den sie so berühmt war und der besagte: Du tust, was ich möchte, weil ich die Macht habe und du mir noch nie etwas abschlagen konntest.

„Ich habe eine Liste mit allem, was wichtig ist, und ich helfe dir gern“, sagte Dellina. „Es tut mir leid, dich in diese Situation zu bringen.“

„Entschuldige dich nicht“, warf Bürgermeisterin Marsha entschlossen ein. „Es ist meine Schuld. Als ich heute früh mit Dellina gesprochen habe und sie sagte, dass sie keine Zeit hätte, haben wir gemeinsam überlegt, wen wir fragen könnten. Du bist uns beiden eingefallen.“

Madeline verstand die unterschwellige Botschaft. Dellina saß genauso in der Klemme wie sie. Wenn Bürgermeisterin Marsha etwas wollte, war sie nicht aufzuhalten. Was bedeutete: Nein zu sagen war keine Option.

Eine Hochzeit innerhalb von sieben Wochen zu planen, noch dazu über die Feiertage, wenn sie keine anderen Erfahrungen hatte als die, selbst Brautjungfer zu sein und Brautkleider zu verkaufen? Waren die beiden verrückt?

„Sicher“, sagte sie leichthin. „Ich bin dabei.“ Sie runzelte die Stirn, als ihr auffiel, dass sie niemanden kannte, der sich in letzter Zeit verlobt hatte oder gar eine Weihnachtshochzeit plante. „Oh, wer heiratet denn überhaupt?“

„Ginger Blaze.“

Der Name sagte ihr nichts. „Sie ist nicht von ihr. Aber vielleicht ihr Verlobter …?“

Madelines Herz blieb stehen. Tatsächlich stehen. Na ja, zumindest setzte es einen Schlag aus. Dann folgte ein Ploppen in ihren Ohren. Gefolgt von Panik. Kalter, schleimiger, ihr den Atem raubender Panik.

„Blaze“, flüsterte sie. Was nicht schlecht war angesichts der Tatsache, dass ihr Herz nicht schlug und ihre Lungen offenbar nicht arbeiteten. „Blaze wie in Jonny Blaze?“

Bürgermeisterin Marsha nickte. „Ginger ist seine jüngere Schwester. Ich glaube, sie wohnt in San Francisco, wo sie gerade im Doktorandenprogramm ist. Etwas mit Biologie oder Genetik. Mr. Blaze hat sich da nicht so eindeutig geäußert. Wie auch immer, er hat mich gebeten, jemanden zu finden, der die Hochzeit mit ihm plant. Da habe ich Dellina angesprochen. Den Rest kennst du ja, meine Liebe.“

Jonny Blaze? Der große, attraktive Actionstar, der erst vor Kurzem auf eine Ranch außerhalb der Stadt gezogen war? Der Mann, der einen Körper wie ein Gott hatte und dessen Lächeln intelligente, wortgewandte Frauen in stotternde Nervenbündel verwandelte?

Nein. Das konnte sie nicht. Sie schwärmte wie verrückt für ihn. Jedes Mal, wenn sie ihn in der Stadt sah, starrte sie ihn an wie eine Idiotin. Sie faselte unsinniges Zeug, und dabei war er ihr noch nicht einmal näher als zehn Meter gekommen. Sie konnte sich nicht vorstellen, in seiner Nähe zu sein, geschweige denn, mit ihm zu arbeiten.

Das kann ich nicht. So. Sie hatte es gesagt. Oder wenigstens gedacht. Was praktisch das Gleiche war. Sie konnte es nicht.

„Nach allem, was ich weiß, ist Mr. Blaze ein sehr netter Mann“, sagte die Bürgermeisterin gerade. „Er möchte sich gern hier einleben. Ein Teil der Gemeinschaft sein. Wie du weißt, ist es uns sehr wichtig, dass sich unsere Bürger wohlfühlen. Mr. Blaze braucht einen Rückzugsort vor all den Dingen, die mit seinem Beruf zusammenhängen, und den können wir ihm bieten. Das ruhige, alltägliche Leben, nach dem er sich sehnt.“

„Zu der Hochzeit sind nur enge Freunde und die Familie eingeladen“, ergänzte Dellina. „Es wird eine kleine, intime Feier. Ich schwöre, wenn ich eine Sekunde übrig hätte, würde ich es übernehmen.“

„Du tust bereits viel zu viel“, sagte Madeline und war erfreut darüber, dass sie wieder sprechen konnte. „Ich kenne dich. Du rennst gleichzeitig in fünfundvierzig verschiedene Richtungen.“

Wenn es doch nur jemand anderes wäre, dachte sie hektisch. Aber das war es nicht, und abzulehnen war nie eine Option gewesen.

Sie atmete tief ein und sagte sich, dass sie stark war. Erwachsen. Zumindest könnte sie es schaffen, in seiner Gegenwart nicht hysterisch zu kreischen.

„Ich freue mich, helfen zu können“, sagte sie.

„Ausgezeichnet.“ Bürgermeisterin Marsha nickte. „Du triffst dich in einer Stunde mit ihm.“

Natürlich tue ich das, dachte Madeline und war noch nicht einmal überrascht. Denn so lief das mit Bürgermeisterin Marsha. Ein wohl geplanter Überfall, gefolgt von mangelnder Zeit, um wieder zu Sinnen zu kommen.

Eine Stunde. Nicht ansatzweise ausreichend Zeit, um fünf Pfund abzunehmen, sich komplett neu zu erfinden und glamourös und weltgewandt zu werden. Warum nur hatte sie nie Französisch gelernt? Oder Aikido? Irgendetwas, das sie für Jonny Blaze interessant machen würde? Kurz fragte sie sich, ob Aikido der asiatische Kampfsport oder eine Hunderasse war. Dann seufzte sie. Nun war es zu spät, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Ihr blieb wohl nichts anderes übrig, als sie selbst zu sein.

„Ich werde ihm sagen, dass ich keine Erfahrung im Planen von Hochzeiten habe“, warf sie ein. „Was das angeht, muss ich ehrlich sein.“

Die Bürgermeisterin lächelte. „Ich hätte nicht weniger von dir erwartet, meine Liebe.“

Jonny Blaze hatte die ganze Welt bereist. Er war den Kontrast zwischen der Abgeschiedenheit eines Filmsets und der Stadt, in der sie während des Drehs lebten, gewohnt. Er hatte in Zelten, Wolkenkratzern und – für sechs Übelkeit erregende Wochen – auf einem Fischerboot gelebt. Aber nichts davon hatte ihn auf den skurrilen, seltsam glücklichen Ort namens Fool’s Gold vorbereitet.

Hier war jeder … nett. Man grüßte einander, kannte die Namen der Kinder und zelebrierte, soweit er das sagen konnte, jeden bekannten Feiertag und obendrein einige, von denen er noch nie gehört hatte. Er hatte sich nach einem Ort umgesehen, an dem er sich verstecken konnte, und sich stattdessen in einer ungewöhnlichen Stadt wiedergefunden, die er nicht ignorieren, aber auch nicht mit offenen Armen annehmen konnte. Jetzt befand er sich in einer unerwarteten Zwickmühle.

Um kurz vor zwei Uhr betrat er das Brew-haha, in dem er verabredet war. Die Barista begrüßte ihn mit Namen und fragte, ob er das Übliche wollte. Wäre er irgendwo anders gewesen, hätte er gewusst, dass sie sich nur wegen seines Status als Filmstar daran erinnerte, was er üblicherweise bestellte. Nur: In Fool’s Gold behandelte die Barista jeden genau gleich. Diese Erfahrung war so erfrischend, dass ein Besuch in dem Coffeeshop zu seinen Lieblingsbeschäftigungen gehörte, wann immer er in der Stadt war.

Er bezahlte seine Bestellung und wartete dann. Denn das hier war nicht Los Angeles, wo ein promigeiler Angestellter sich beeilte, ihm seinen Kaffee zu bringen. Er musste genauso warten, bis er dran war, wie jeder andere auch.

Jonny war normal aufgewachsen, sodass er überhaupt nicht auf die Veränderungen in seinem Leben vorbereitet gewesen war, die sein Status als Actionheld mit sich brachte. Jetzt, über zehn Jahre später, war er es gewohnt, durch die Hintertür in Restaurants zu schlüpfen und zu wissen, dass hinter jeder Ecke die Paparazzi lauerten. Er hatte versucht, in einem gesicherten Gebäude zu wohnen, dann hatte er sich die obligatorische Villa hinter hohen Mauern in den Hollywood Hills gekauft. Als das die unwillkommenen Gäste auch nicht fernhielt, hatte er sich nach etwas Besserem umgeschaut.

Ungefähr fünfundzwanzig Meilen außerhalb von Fool’s Gold, Kalifornien, hatte er es gefunden – auf einer Rinderfarm mit einem weitläufigen alten Haus und einer Scheune, die er zu einer Werkstatt und einem Fitnessraum umgebaut hatte. Er war nah genug an der Stadt, um sich seinen Koffeinkick im Brew-haha zu holen, aber weit genug weg, um seine Ruhe zu haben.

Die Rinder hatte er an einen anderen Rancher verkauft und ihm dazu die Weiderechte verpachtet. Jetzt nahm Jonny grinsend seinen Kaffee entgegen. Ja, er hatte Weiderechte. Was konnte typischer für Amerika sein als das?

Er richtete seine Aufmerksamkeit auf das halbe Dutzend Tische in dem kleinen Café. Hier sollte er sich mit einer Madeline Krug treffen. Die Bürgermeisterin hatte sie ihm als Unterstützung bei der Planung für die Hochzeit seiner Schwester empfohlen.

Er sah niemanden, auf den ihre Beschreibung passte, also setzte er sich an einen der beiden freien Tische. Sie würde ihn schon finden, wenn sie einträfe, nahm er an.

Das Café hatte große Fenster, und an den Wänden hingen Regale. Es gab ein paar Dinge, die zum Verkauf standen, dazu war alles herbstlich dekoriert. Er sah Kürbisse und eine Reihe Keramiktruthähne. Auf einer der Fensterbänke stand eine kleine Nachbildung der Bluenose, eines berühmten Renn- und Fischschoners aus Nova Scotia.

Während er an seinem Latte macchiato nippte, versuchte er sich zu erinnern, wie genau die Bürgermeisterin von seiner Schwester erfahren hatte. Er konnte sich nicht entsinnen, Ginger oder ihre Verlobung erwähnt zu haben, aber das musste er wohl, denn das war nicht öffentlich bekannt. Vielleicht hatte sein Freund Shep etwas gesagt. Mit Sicherheit wusste er nur, dass die Bürgermeisterin und er sich in der einen Minute über die anstehende Thanksgiving-Parade unterhalten hatten und sie ihn in der nächsten Minute nach Gingers Hochzeit fragte. Er hatte zugegeben, dass er keine Ahnung davon hatte, wie man eine Feier plante, und die Bürgermeisterin hatte angeboten, jemanden zu finden, der ihm helfen konnte. Keine zwei Stunden später hatte sie dieses Meeting anberaumt.

Die Tür zum Brew-haha ging auf, und eine Frau trat ein. Sie war Ende zwanzig, hatte schulterlanges blondes Haar und blaue Augen. Sie wirkte ein wenig gehetzt und nervös. Nein, nicht nervös, dachte er, als er sie musterte. Eher unsicher, aber auch entschlossen.

Ihr Blick landete auf ihm. Sofort straffte sie die Schultern und reckte das Kinn. Madeline, dachte er und erkannte sie von der Beschreibung der Bürgermeisterin wieder. Ihm fiel auf, dass sie eher Resignation als Begeisterung ausstrahlte. Er schätzte, dass die meisten Menschen gemocht werden wollten – genau wie er, aber nur aus den richtigen Gründen. Jeder, der in der Sekunde des Kennenlernens von ihm beeindruckt war, ließ ihn sofort nach dem nächsten Ausgang Ausschau halten. Denn er wollte um seiner selbst willen gemocht werden und nicht, weil er der Actionstar Jonny Blaze war. Skepsis war wesentlich ehrlicher als Überschwänglichkeit, und in seiner Welt war Aufrichtigkeit ein rares Gut.

Madeline durchquerte das kleine Café und blieb an seinem Tisch stehen. Ihr Blick war direkt, als sie ihm ein leichtes Lächeln schenkte. „Mr. Blaze. Ich bin Madeline Krug. Bürgermeisterin Marsha sagte mir, dass Sie mich erwarten.“

„Jonny“, sagte er lässig und stand auf, um ihr einen Stuhl heranzuziehen. „Schön, Sie kennenzulernen.“

„Ebenfalls.“

Sie setzte sich und öffnete eine große schwarze Tasche. Daraus holte sie einen Block und einen Stift hervor. Nachdem sie beides auf den Tisch gelegt hatte, atmete sie tief durch und konzentrierte ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihn.

„Ich habe gehört, Ihre Schwester will heiraten.“

„Ja, so hat sie es mir gesagt.“ Er lächelte.

Madeline versteifte sich und atmete erneut tief durch. „Am 26. Dezember? Dem Samstag nach Heiligabend?“

Er nickte.

„Okay. Die Sache ist die: Ich arbeite im Paper Moon. Das ist eine Brautmodenboutique. Ich bin dort die Managerin und arbeite jeden Tag mit Bräuten. Ich kümmere mich um die Einzelheiten ihrer Kleider, Schleier und oft auch Schuhe. Außerdem kleide ich die Hochzeitsgesellschaft ein. Manchmal muss ich als Schiedsrichterin zwischen verschiedenen Familienmitgliedern fungieren. Die Grandmas heißen die Wahl der Braut nicht immer gut.“

Er hatte genügend Reality-TV-Sendungen gesehen, um zu wissen, dass das stimmte. Aber er hatte das Gefühl, dass Madeline noch nicht zu dem eigentlichen Punkt ihrer Unterhaltung gekommen war. Sie hatte etwas zu sagen, und er würde geduldig sein, bis sie es getan hatte.

Nervös schaute sie auf ihren leeren Block und dann wieder ihn an. „Ich bin keine professionelle Hochzeitsplanerin. Nicht einmal eine laienhafte. Ich habe viele Hochzeiten miterlebt, und meine Freundin Dellina, die eine echte Eventplanerin ist, hat mir angeboten, mich zu unterstützen. Aber es ist nicht mein Beruf. Das vorausgeschickt, bin ich nur zu gern bereit, Ihnen zu helfen, wenn Sie das möchten. Oder Sie können jemanden aus Los Angeles oder woher auch immer engagieren. Das liegt ganz bei Ihnen.“

Jonny konnte sich nicht erinnern, wann ihm das letzte Mal jemand gesagt hatte, dass er einen Job nicht beherrschte. Normalerweise versprachen die Leute immer das Blaue vom Himmel und lieferten dann zu wenig. Das war der Lauf des Lebens. Sie wollten sein Geld oder das Prestige, sagen zu können, sie hätten für ihn gearbeitet. Ersteres ergab Sinn. Menschen mussten irgendwie ihren Lebensunterhalt verdienen. Aber Letzteres verblüffte ihn immer wieder. Der Ruhm mochte sein Leben bestimmen, aber er war nicht real. Er wurde ihm aufgedrückt. Trotz seines großen Namens war er nur ein Mann, der seinen Job machte. Einen sehr seltsamen Job, aber trotzdem. Er rettete nicht die Welt. Er sprang aus Flugzeugen und gab falschen Bösewichten eins auf die Nase. Das war nicht gerade der Stoff, aus dem Legenden gemacht wurden.

Doch nichts davon ist Madelines Problem, dachte er und sah sie an.

Sie war ganz hübsch und nur leicht geschminkt. Er schätzte, dass ihre Züge nicht von den geschickten Händen eines plastischen Chirurgen verändert worden waren. Sie trug ein einfaches schwarzes Kleid, dessen schlichter Stil nicht wirklich zu ihr passte. Ohne Zweifel wählte sie ihre Kleidung so aus, dass sie nicht auffiel, anstatt hervorzustechen. In ihrem Beruf war die Braut der Star.

„Nur damit ich das richtig verstehe“, sagte er und nahm seinen Latte zur Hand. „Sie haben noch nie eine Hochzeit geplant. Sie sind offen dafür, dass ich jemand anderen engagiere, aber wenn ich Ihre Hilfe brauche, sind Sie da.“

„Ja.“

„Okay. Ginger und ich habe keine Familie, aber ihr Verlobter schon. Von seiner Seite aus werden zehn bis zwölf Verwandte teilnehmen. Der Rest der Gäste besteht aus Gingers und Olivers Freunden. Beim letzten Gespräch mit meiner Schwester waren wir bei vierundvierzig Gästen.“

Madeline nahm den Stift in die Hand und legte ihn gleich wieder ab. „Ist das hier bloß eine Unterhaltung oder schon ein Briefing?“

Er dachte an seine Schwester. Sie war süß und lustig und bei Weitem der klügste Mensch, den er kannte. Sie wollte eine kleine, stille Feier. Schlicht. Normal. Sie würde alles Protzige oder Große hassen. Eine Hochzeitsplanerin aus L. A. würde etwas Extravagantes wollen. Etwas, womit sie sich einen Namen machen konnte. Jonny wollte, dass Ginger glücklich war. Mehr nicht.

Madeline Krug, Brautladenmanagerin aus Fool’s Gold, Kalifornien, würde verstehen, was Ginger wollte. Und sie hatte kein Portfolio, das sie auf Gingers Kosten ausbauen wollte.

„Ein Briefing“, sagte er entschlossen. „Ich möchte, dass Sie mir bei der Hochzeit meiner Schwester helfen.“

Madeline widerstand dem Drang, die offensichtliche Frage zu stellen: Warum wollte irgendjemand, dass sie eine Hochzeit plante? Auch wenn die Antwort für jemanden, der nicht darunter litt, Jonny Blaze so unglaublich nah zu sein, durchaus klar sein könnte.

Sie freute sich, dass sie atmen konnte. Und ihr Herz schien auch normal zu schlagen. Vielleicht lag es daran, dass die Situation so surreal war. Hier war sie und saß in der Stadt, in der sie aufgewachsen war, Jonny Blaze gegenüber.

Aus der Nähe war er genauso attraktiv wie auf der Leinwand. Seine Augen hatten ein wunderschönes tiefes Grün, und sein Haar war glänzend und dunkel. Sie fragte sich, ob das seine natürliche Haarfarbe war, denn in den verschiedenen Rollen waren sie schon braun, blond und rot gewesen.

Er war breitschultrig und muskulös. Schlank, aber nicht dünn. Wenn er sprach, klang er unglaublich normal. Sie konnte das, was passierte, einfach nicht mit ihrem Leben in Einklang bringen, aber sie würde versuchen mitzumachen. Die Alternative wäre, schreiend auf die Straße hinauszulaufen, und das sah bei niemandem attraktiv aus.

„Was denken Sie gerade?“, wollte er unerwartet wissen.

Madeline blinzelte. Auf keinen Fall konnte sie diese Frage ehrlich beantworten.

„Dass Sie ein ganz normaler Mensch sind.“

Er ließ ein Lächeln aufblitzen. „Danke, dass Sie das bemerken. Die meisten Leute tun das nicht.“

„Wie seltsam es sein muss, ein Leben zu führen, in dem die Menschen glauben, sie kennen einen, obwohl sie es nicht tun“, sagte sie, ohne nachzudenken. „Das muss sowohl gut als auch schlimm sein.“

„Das ist es.“ Er nippte an seinem Latte. „Wir sollten über das Honorar sprechen.“

Madeline riss die Augen auf. „Was? Honorar? Nein. Sie müssen mich dafür nicht bezahlen. Das ist kein Job. Bürgermeisterin Marsha hat mich gebeten, auszuhelfen, und das tue ich gern.“

Er stellte seinen Latte macchiato ab und beugte sich vor. Plötzlich war er ihr so nah, dass sie all die Schattierungen von Grün und Gold in seinen Augen sehen konnte. Es war faszinierend. Genau wie er.

„Sie können das nicht umsonst machen“, beharrte er.

„Warum nicht?“

Sie versuchte, ihre Atmung zu kontrollieren, um nicht zu hyperventilieren. Der Mann war unglaublich attraktiv: der Schwung seines Kiefers, die Form seines Mundes. Sie könnte den ganzen Tag hier sitzen und ihn anstarren.

„Weil Sie einen Job erledigen.“

„Ich helfe einem Mitbürger aus. Das ist ein Unterschied.“ Langsam atmete sie ein. „Ich tue das nicht, weil Sie Jonny Blaze sind, sondern weil Sie hier wohnen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Zu dieser Jahreszeit ist es in der Boutique ziemlich ruhig, und ich freue mich darauf, eine Hochzeit von Anfang bis Ende zu begleiten. Normalerweise habe ich es nur mit der Brautausstattung zu tun.“

Er wirkte nicht überzeugt, doch das war egal. Auf keinen Fall würde er sie dafür bezahlen. Das wäre einfach zu bizarr.

„Ich sage Ihnen was“, erklärte sie grinsend. „Sie überlegen sich, was Sie als angemessenes Honorar betrachten würden, und dann können Sie diese Summe an HERO spenden – unser örtliches Such- und Rettungsteam.“

Er musterte sie, als wäre ihr so jemand wie sie noch nie untergekommen. „Sie sind ein wenig seltsam.“

„Genau wie diese Stadt?“

„Ja.“ Er nickte langsam. „Okay, Madeline, ich nehme Ihr Angebot, mir zu helfen, an, und werde eine großzügige Spende an eine von Ihnen gewünschte Wohltätigkeitsorganisation überweisen.“

„Abgemacht. Jetzt sollte ich vermutlich mit Ihrer Schwester reden, um zu erfahren, was Sie von alldem hier hält.“

„Gute Idee.“

Er gab ihr Gingers E-Mail-Adresse und Handynummer.

„Machen Sie vorab einen Termin für das Telefonat aus. Wenn sie nicht im Labor ist, lernt sie oder arbeitet an ihrer Dissertation.“

„Okay. Ich schreibe ihr, sobald ich zurück im Büro bin. Nachdem sie und ich uns unterhalten haben, werde ich eine klarere Vorstellung davon haben, was sie sich wünscht. Dann stelle ich ein paar Ideen zusammen, die wir gemeinsam durchgehen können.“

„Sehr gut. Ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass Sie mir helfen. Ich möchte, dass Ginger ihre Traumhochzeit bekommt.“

„Dann werden wir dafür sorgen.“

Sie standen beide auf. Madeline streckte die Hand aus, um sich von ihm zu verabschieden, und merkte erst eine halbe Sekunde zu spät, dass das vermutlich ein Fehler war. Er nahm ihre Hand und schüttelte sie. Das taten Menschen Tausende Male am Tag. Vielleicht sogar Millionen Male.

Aber sie hatte es noch nie mit Jonny Blaze getan und war somit nicht auf die heißen Funken vorbereitet, die durch ihren Körper stoben. Oder darauf, wie ihre Brust sich zusammenzog und ihre Oberschenkel kribbelten.

Ein Blitzschlag, dachte sie erstaunt. Der Blitzschlag, von dem ihre Mutter immer gesprochen hatte. Der Blitzschlag, der für die Frauen ihrer Familie bedeutete, dass sie den Richtigen gefunden hatten.

Nein, sagte sie sich und zog die Hand zurück. Kein Blitzschlag. Nur die Macht eines Stars. Das war ein großer Unterschied, und sie täte gut daran, das nicht zu vergessen.

2. Kapitel

Jonny stellte seinen SUV in der Nähe des Sees ab und ging den Rest des Weges in die Stadt zu Fuß, um Madeline zu treffen. Wenn er in Fool’s Gold war, gefiel es ihm, draußen zu sein und zwischen den vielen anderen Menschen herumzulaufen. Die Luft war kühl, der erste Schnee der Saison war bereits gefallen. Die Leute trugen dicke Jacken und Schals, aber die Extralagen und die Kälte hielten sie nicht davon ab, einander freundlich zu grüßen.

Ihm war zugelächelt und öfter ein schöner Tag gewünscht worden, als er zählen konnte. Was nett war. So normal. Zumindest hier. In L. A. fuhren alle mit dem Auto, selbst wenn sie nur drei Straßen weitermussten, und in New York lebte jeder in seiner eigenen Blase. Hier musste er sich keine Sorgen um Paparazzi machen. Nach seinem Umzug waren sie für ungefähr zwei Tage eingefallen, aber nachdem sie erkannt hatten, dass es nichts zu berichten gab, hatten sie ihn in Ruhe gelassen. Genau wie es ihm am liebsten war.

Am Morgen hatte er mit Ginger telefoniert. Ihre Unterhaltung mit Madeline war sehr gut gelaufen, und sie freute sich auf ihre anstehende Hochzeit. Er hatte überlegt, ob seine Schwester Madeline wohl nach ihren Referenzen fragen würde, aber sie hatte nur davon geschwärmt, dass Madeline genau verstand, was sie wollte. Er für seinen Teil benötigte eine lokale Verbindung, weil er mit Händlern aus der Gegend zusammenarbeiten wollte. Jemanden aus Los Angeles einfliegen zu lassen wäre vielleicht leichter gewesen, aber die Zusammenarbeit mit Madeline garantierte ihm mehr Kontrolle.

Gingers Hochzeit war ihm wichtig. Seitdem ihr Dad vor beinahe zehn Jahren gestorben war, hatte es nur sie beide gegeben. Sie passten aufeinander auf. Seine Schwester heiraten zu sehen würde großartig werden. Er mochte ihren Verlobten. Oliver war ein feiner Kerl und genauso klug und fokussiert wie Ginger. Sie passten gut zusammen.

Jonny überquerte die Straße und steuerte auf das Paper Moon zu, wo er sich mit Madeline treffen wollte. Als er um die Ecke bog, kam eine große, attraktive Rothaarige auf ihn zu.

„Sie sind Jonny Blaze“, sagte sie und blieb vor ihm stehen. „Ich habe nach Ihnen gesucht.“

Das war wohl unvermeidlich, dachte er und überlegte, ob er einen Stift dabeihatte. Auch wenn es in Fool’s Gold länger gedauert hatte als an anderen Orten, gehörte erkannt und angesprochen zu werden zum Leben eines Prominenten dazu. Meistens machte es ihm nichts aus, um ein Autogramm oder Foto gebeten zu werden, selbst wenn er gerade keinen Film drehte oder nicht auf PR-Tour war, so wie im Moment. Denn seinen Fans war es egal, ob er arbeitete oder einfach ein paar freie Wochen genoss.

Er schaute auf die linke Hand der Frau und sah einen Ehering. Hoffentlich bedeutete das, dass sie ihn nicht anmachen würde. Schließlich hatte er da so seine Erfahrungen …

Die Sache mit dem Ruhm war kompliziert. Er musste zugeben, dass es Zeiten gab, in denen es ihm gefiel, nicht warten zu müssen oder immer einen Tisch in einem beliebten Restaurant zu bekommen. Aber die Kehrseite konnte dunkel sein, und meistens zog er es vor, zurückgezogen zu leben.

„Ich bin Felicia Boylan“, fuhr die Frau fort. „Ich organisiere die Festivals hier in der Stadt.“

„Schön, Sie kennenzulernen.“

„Ja, ich freue mich auch, Sie kennenzulernen.“ Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln. „Am Morgen von Thanksgiving haben wir eine Parade in der Stadt. Werden Sie über die Feiertage hier sein?“

„Das werde ich.“ Ginger würde die Zeit bei Olivers Familie verbringen, also wäre er allein.

Eine Sekunde lang fürchtete er, diese Felicia würde ihn zum Dinner einladen. Nicht, dass er ein wenig Gesellschaft nicht genießen würde, aber er war nicht daran interessiert, Zeit mit Leuten zu verbringen, die er nicht kannte. Plötzlich jedoch begriff er, was sie mit ihrem Kommentar bezüglich der Parade und ihres Jobs gemeint hatte.

Sie wollte, dass er den Zeremonienmeister spielte. Er fragte sich, wer wohl abgeschossen worden war, nachdem Felicia von seinem Umzug in die Gegend gehört hatte. Und auch wenn er das Angebot zu schätzen wusste, war er nicht gerade ein Fan von Paraden. Ich werde sehr freundlich ablehnen, sagte er sich. Keine bösen Gefühle und so.

„Ausgezeichnet. Ich habe gehört, dass Sie einen Oldtimer besitzen. Ein 1956er Cadillac Cabriolet. Einen El Dorado, wenn ich recht informiert bin.“

Ihr Blick war so eindringlich, als wollte sie sichergehen, dass sie alle Fakten richtig wiedergegeben hatte.

„Das stimmt“, sagte er langsam.

„Und er ist rot?“

Er nickte.

Das Lächeln kehrte zurück. „Perfekt. Ich hatte gehofft, wir könnten ihn uns für die Parade ausleihen. Das Fahrzeug, das Bürgermeisterin Marsha normalerweise nutzt, läuft nicht, und wie es aussieht, kommen die Ersatzteile nicht mehr rechtzeitig an. Ich hatte gehofft, auf Ihren Wagen ausweichen zu können. Wir sind versichert, und ich würde persönlich auf Ihr Auto aufpassen. Können wir es uns für die Parade ausleihen?“

Das Cabrio befand sich in nahezu fabrikneuem Zustand und hatte eine Innenausstattung aus weißem Leder. Aber was Jonny noch nicht so richtig verstand, war, dass Felicia das Auto und nicht ihn in der Parade haben wollte.

„Sie wollen sich mein Auto ausleihen“, wiederholte er.

„Ja. Für die Parade.“ Verwirrt zog sie die Augenbrauen zusammen. „Sie wissen, was eine Parade ist, oder? Falls nicht, erkläre ich es Ihnen gern.“

„Ich habe eine grobe Vorstellung davon, wie so was abläuft.“ Das Auto. Hm. Darauf wäre er nie gekommen. „Okay. Sie können sich meinen Wagen ausleihen.“

„Ich danke Ihnen. Wegen der Einzelheiten melde ich mich noch.“

Damit eilte sie davon. Jonny starrte ihr hinterher, dann schüttelte er den Kopf. Er war derjenige, der behandelt werden wollte wie jeder andere. Also sollte er dankbar sein, dass nur sein Auto an dem Umzug teilnehmen würde.

Er ging weiter und sah vor sich das Paper Moon. In den großen Schaufenstern waren Brautkleider sowie Schleier und Schuhe ausgestellt. Als er den Laden betrat, hielt er inne und schaute sich um.

Vor ein paar Jahren war er mit einer Bühnenbildnerin vom Film zusammen gewesen. Von ihr hatte er gelernt, dass scheinbar unwichtige Details Atmosphäre schaffen oder sie ruinieren konnten. Dass eine falsch aufgestellte Lampe unschöne Schatten werfen und Möbel bestimmte Stimmungen hervorrufen konnten.

Jetzt nahm er die hohe Decke in sich auf, die exklusive Einrichtung, die eleganten Schränke und Regale. Alles dirigierte den Blick auf eine Art Podest, das vor einem aus drei Meter hohen Spiegeln bestehenden Halbkreis stand. Er schätzte, dass die Kundinnen sich vor diese Spiegel stellten und sofort zum Zentrum der Aufmerksamkeit wurden. Übung für den großen Tag, dachte er.

Zu seiner Linken entdeckte er Ständer mit Hochzeitskleidern. Ein offener Durchgang führte zu anderen Räumen, in denen ebenfalls Kleider hingen, aber vermutlich eher für die Brautjungfern, nahm er an.

„Jonny.“

Er drehte sich um und sah Madeline auf sich zukommen. Sie trug wieder Schwarz – dieses Mal einen Pullover und schmal geschnittene Hosen. Ihre Haare waren wellig, ihr Make-up schlicht. Sie wirkte elegant und kompetent. Beruhigend, dachte er. Das würde den Bräuten gefallen.

„Danke, dass Sie hergekommen sind“, sagte sie und blieb vor ihm stehen. Humor blitzte in ihren blauen Augen auf. „Und, bringen Sie die ganzen Mädchensachen zum Schwitzen?“

Er lachte leise. „Nicht einmal ansatzweise. Sie vergessen, dass ich in meinem Job immer geschminkt werde.“

„Stimmt. Dann werde ich kein schlechtes Gewissen haben, weil ich Sie gebeten habe, sich in meinem Büro mit mir zu treffen.“

„Das müssen Sie auch nicht. Ich komme gern in die Stadt, und das hier war eine willkommene Entschuldigung dafür.“ Er sah sich die Kleider an. „Die sind wie Kostüme. Eine Frau zieht sie an und wird für einen Tag jemand anderes.“

„So habe ich das noch nie betrachtet, aber Sie haben recht. Es ist ein Kostüm für ein Übergangsritual.“ Sie neigte den Kopf und lächelte ihn an. „Allerdings, wenn ich meinen Job gut mache, wird die Braut nicht jemand anderes, sondern eine bessere Version von sich selbst.“

„Wie schön.“

Sie ist klug, dachte er. Es war leicht, sich mit ihr zu unterhalten. Was in ihrem Beruf vermutlich beides von Vorteil war. Sie musste mit vielen verschiedenen Persönlichkeiten auskommen, sich ihnen zuwenden, herausfinden, was sie wollten, und es dann realisieren.

Es war lange her, dass das sein Problem gewesen war. Die meisten Leute taten, was er wollte. Und oft ahnten sie im Voraus, was er brauchte. Nach einer Weile vergaß man leicht, wie es war, normal zu sein. Was der Grund dafür war, warum er keine persönliche Assistentin hatte. Wenn er drehte, wurde immer jemand für diese Position eingestellt, aber den Rest der Zeit kümmerte er sich selbst um Sachen wie Einkaufen und Wäschewaschen.

„Mein Büro ist da hinten.“ Sie zeigte auf einen schmalen Flur und ging dann voran.

Er folgte ihr, wobei sein Blick unwillkürlich zum Schwung ihrer Hüften glitt. Fasziniert betrachtete er die Form ihres Hinterns und ihre langen Beine. Da er sich nicht erinnern konnte, wann er das letzte Mal auch nur ansatzweise in Versuchung geraten war, genoss er das Gefühl seiner wachsenden Erregung.

Schön zu spüren, dass dieser Teil von ihm noch nicht tot war. Daran konnte er sich festhalten, wenn die Nächte mal wieder lang wurden.

Ihr Büro war klein und funktionell. Kein Fenster, nur ein paar Aktenschränke, ein angeschlagener Tisch, ihr Schreibtischstuhl und zwei weitere Stühle für Besucher. Eine Plastikpalme stand an der Wand, daneben hingen Fotos von einem älteren Paar und einem Mann um die vierzig. Außerdem gab es noch ein Bild von einer jungen Frau, die er auf zwanzig schätzte. Vermutlich die jüngere Schwester. Und der Mann?

So viel zu meiner kurzen Fantasie, dachte er und zeigte auf die Fotos.

„Ihr Ehemann?“

Sie drehte sich um und schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht verheiratet. Das sind mein Bruder und seine Tochter Jasmine. Und das sind meine Eltern.“

Alles gute Neuigkeiten, fand er. „Sie haben eine nette Familie.“

„Danke.“

Er setzte sich auf einen der Besucherstühle. „Wie lange gehört Ihnen der Laden schon?“

„Wie bitte? Oh, er gehört mir nicht. Ich bin nur Partnerin. Die Inhaberin ist Isabel Hendrix. Sie hat das Geschäft vor ein paar Jahren ihren Eltern abgekauft. Es ist schon seit über fünfzig Jahren im Besitz ihrer Familie. Das Paper Moon ist quasi eine Tradition in Fool’s Gold.“ Ihre Stimme klang sehnsüchtig. „Beinahe jedes kleine Mädchen wächst mit dem Traum auf, eines Tages hier sein Brautkleid zu kaufen.“

Sie lächelte. „Zum Glück erfüllen sich die meisten diesen Traum. Die andere Hälfte der Boutique ist für Damenmode reserviert. Dort bieten wir viele regionale Designer an, die noch ein Geheimtipp sind. Isabel hat mir angeboten, einen kleinen Anteil des Geschäfts zu übernehmen und über mehrere Jahre abzuzahlen. Aber auch wenn ich das Angebot sehr zu schätzen weiß, investiere ich lieber jeden Monat einen Teil meines Gehalts, um nach und nach Geschäftsanteile zu kaufen.“

Sie rümpfte die Nase. „Was wesentlich mehr Information ist, als Sie wissen wollten. Tut mir leid.“

„Sie müssen sich nicht entschuldigen. Ich finde das interessant. Sie sind ehrgeizig.“

„Auf meine bescheidene Art, ja. Ich will mir meinen Anteil verdienen.“

Das gefiel ihm. Zu viele Menschen wollten, dass ihnen alles geschenkt wurde. Er wusste, dass pures Glück und Schicksal alles verändern konnten. Immerhin war er der lebende Beweis dafür.

„Deshalb freue ich mich auch so, Ihnen bei Gingers Hochzeit helfen zu können“, fügte sie hinzu. „Das bietet mir die Möglichkeit, etwas Neues zu lernen.“

Madeline wusste nicht, ob sie einigermaßen intelligent klang oder einfach nur vor sich hin plapperte. Ihr fiel es immer noch schwer, Jonny Blaze so nah zu sein. Aus der Ferne konnte sie klar denken. Aber wenn er auf der anderen Seite ihres Schreibtischs saß, musste sie sich zusammenreißen, damit die Fantasie nicht mit ihr durchging.

Und das lag nicht nur daran, dass er gut aussah. In Fool’s Gold gab es überdurchschnittlich viele attraktive Männer. Jonny Blaze war einfach anders. Sie wusste nicht, ob der Grund dafür war, dass er ein Filmstar war oder dass sie einfach eine persönliche Schwäche für ihn hatte. Ihre Freundin Felicia hatte ihr einmal die soziologischen Aspekte der Hierarchie eines Dorfes erklärt. Irgendetwas darüber, dass der größte Kopf zählte.

Nein, das stimmte nicht. Die wichtigste Person zählte. Aber da war auch etwas mit einem großen Kopf gewesen. Wie auch immer, sie würde noch einmal Rücksprache mit Felicia halten müssen, um das zu klären. Ganz sicher würde ihr diese Theorie helfen, sich in Jonny Blazes Gegenwart normaler zu benehmen.

Nun zwang sie sich, sich auf den Grund seines Besuchs zu konzentrieren – und der war nicht, für einen Nachmittag die Augenweide für sie zu spielen. Es gab eine Hochzeit zu organisieren, und dafür war allein sie verantwortlich.

„Ich habe mit Ginger gesprochen“, sagte sie.

„Ja, das hat sie erwähnt. Sie mochte Sie.“

Dieser unerwartete Kommentar machte sie nervös. „Ich fand sie auch nett. Sie ist so aufgeregt wegen der Hochzeit.“ Außerdem hatte Ginger gerade mit ihrem Studium und den Feiertagen und allem anderen viel um die Ohren. Sich einfach nur anzuhören, was in Gingers Leben gerade los war, hatte Madeline schon erschöpft. „Ich habe mir während des Telefonats Notizen gemacht. Sie hat bestätigt, was Sie bei unserem letzten Treffen sagten. Sie möchte eine kleine, intime, bescheidene Hochzeit. Die Gästeliste besteht aus vierundvierzig Leuten, und Ginger schwört, dass es auch nicht mehr werden.“

„Wie viele Gäste sie auch immer einladen möchte, ich bin damit einverstanden“, erklärte Jonny. „Es geht um Ginger und Oliver. Sie ist meine Schwester, und was sie glücklich macht, macht auch mich glücklich.“

Das war zwar keine ungewöhnliche Bemerkung für einen Bruder, aber trotzdem nett zu hören.

„Die Hochzeit wird auf Ihrer Ranch stattfinden?“, fragte Madeline mit einem Blick auf ihre Notizen. „Dort gibt es eine Scheune?“

Jonny lächelte träge. „Das ist netter, als es klingt. Die Scheune ist zu einem großen, offenen Raum umgebaut worden – genug Platz für Tische, Stühle und Dekoration.“

„Wofür nutzen Sie die Scheune sonst?“

„Ich habe mich noch nicht entschieden. Ich wusste nur, dass ich keinen Ort brauche, an dem ich Nutzvieh halten muss.“

„Kein Interesse, Pferde und Rinder zu züchten?“

„Diese Woche nicht.“ Er lächelte verschmitzt. „Sie wollen vermutlich mal vorbeikommen, um es sich anzusehen?“

Sein Haus ansehen? Oder besser, seine Scheune? Immerhin befand die sich auf demselben Grundstück. Madeline hoffte, dass sie normal wirkte, als sie nickte und sich eine Notiz machte. „Das ist eine gute Idee. Dann können wir die Dekoration durchsprechen. Ich habe bereits Stühle und Tische reserviert, weil ich Angst hatte, dass sie für andere Events gebraucht werden könnten. Ich war mir auch nicht sicher, ob Sie ausreichend Geschirr und Gläser haben, also habe ich auch die besorgt.“

„Ah, gut mitgedacht.“ Erneut lächelte er. „Mir war gar nicht bewusst, dass es so viel zu organisieren gibt. Ich bin froh, dass wir das gemeinsam machen.“

Bei seinen Worten überlief sie ein Kribbeln. Charisma, dachte sie. Nichts als sein umwerfendes Charisma.

Nachdem das Treffen mit Jonny vorbei war, nahm Madeline ihre Handtasche und ging in den anderen Bereich des Ladens hinüber. Hochzeitskleider würden immer ein Teil von Paper Moon sein, doch auch der Bereich mit der Designermode lief gut. Madeline fand Isabel, die gerade eine Lieferung Handtaschen sortierte.

Ihre Geschäftspartnerin, eine große, kurvige Blondine, lächelte. „Ist es schon Zeit für den Lunch? Gott sei Dank. Heute ist einer dieser Vormittage … Nur die Hälfte von dem, was ich bestellt habe, wurde geliefert, und dann gab es beinahe noch eine körperliche Auseinandersetzung zwischen zwei Touristinnen, die beide dieselbe Jacke haben wollten. Ich hatte schon befürchtet, Verstärkung rufen zu müssen.“

„Du weißt ja, wo du mich findest“, erwiderte Madeline. „Rosalind ist auch an den meisten Tagen hier. Zu dritt sollten wir es schaffen, jede aufsässige Shopperin zu bändigen.“

Isabel lachte. „Ich danke dir. Jetzt geht es mir schon gleich viel besser.“

Die Worte waren richtig, aber etwas an der Art, wie Isabel sie sagte, stimmte nicht. „Geht es dir gut?“

„Was? Natürlich geht es mir gut. Warum fragst du?“

„Ich bin mir nicht sicher.“ Da ist irgendetwas, dachte Madeline und musterte ihre Freundin. Sie wusste nur nicht, was.

„Fühlst du dich auch gut?“, fragte sie.

Isabel hatte vor Kurzem verkündet, dass die schwanger sei. Soweit Madeline wusste, verlief bisher alles nach Plan.

Fürsorglich legte sich Isabel die Hand auf den Bauch. „Alles läuft so, wie es soll“, erklärte sie. „Ich bin gesund. Kein Grund zur Sorge.“ Sie machte sich auf den Weg ins Hinterzimmer. „Gib mir eine Sekunde, dann gehen wir zusammen zu Jo’s.“

Zwei Minuten später befanden sie sich auf dem Weg zu Jo’s Bar, wo sie sich mit Freundinnen zum Lunch treffen wollten. Die Luft war kalt und klar. Der erste Schnee war schon wieder geschmolzen, nur hier und da lagen ein paar kleine Häufchen, die vom Schneeschieben auf den Bürgersteigen übrig geblieben waren. Aber neuer Schnee war bereits angekündigt. Und auch wenn es immer aufregend war, wenn die ersten Flocken vom Himmel fielen, wusste Madeline, dass sie es nach zwei Monaten kaum würde erwarten können, endlich den Frühling zu sehen. Trotzdem wäre es wundervoll, weiße Weihnachten zu haben.

Sie betraten Jo’s Bar, die hauptsächlich für Frauen war und mit schmeichelnden Farben ausgestattet war. Auf der Karte standen viele gesunde Gerichte. Die Fernseher waren wie immer entweder auf einen Shoppingkanal oder auf HGTV eingestellt.

Autor

Susan Mallery
<p>Die SPIEGEL-Bestsellerautorin Susan Mallery unterhält ein Millionenpublikum mit ihren herzerwärmenden Frauenromanen, die in 28 Sprachen übersetzt sind. Sie ist dafür bekannt, dass sie ihre Figuren in emotional herausfordernde, lebensnahe Situationen geraten lässt und ihre Leserinnen und Leser mit überraschenden Wendungen zum Lachen bringt. Mit ihrem Ehemann, zwei Katzen und einem...
Mehr erfahren