Julia Platin Band 15

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DER KUSS DES PRINZEN von SHARON KENDRICK
Eigentlich müsste Rose glücklich sein, dass sich der immens reiche und unglaublich attraktive Prinz Khalim von Maraban so sehr um sie bemüht. Doch die Sache hat einen Schönheitsfehler: Sie kann nur seine Geliebte werden – Heirat ist vollkommen ausgeschlossen! Roses Verstand sagt Nein, aber ihr Herz fühlt ganz anders …

UNTER DER GOLDENEN WÜSTENSONNE von SARAH MORGAN
Golden leuchtet die Sonne über der Wüste, entfacht ein Feuer der Leidenschaft in Avery. Doch sie darf nicht vergessen: Scheich Malik hat sie nur aus einem Grund auf diese Wüstenreise mitgenommen: um seine verschwundene Braut zu suchen. Was sollte er auch sonst vorhaben?

HOCHZEIT MIT EINEM FREMDEN?von TRISH MOREY
Wie konnte sie nur den Küssen eines Fremden verfallen? Kindermädchen Victoria ist entsetzt! Doch für Reue ist es nun zu spät, denn ihr Verführer ist nicht nur ein neuer Auftraggeber, sondern auch ein mächtiger Scheich, der immer bekommt, was er will! Sogar sie als Braut?


  • Erscheinungstag 20.05.2022
  • Bandnummer 15
  • ISBN / Artikelnummer 9783751512220
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sharon Kendrick, Sarah Morgan, Trish Morey

JULIA PLATIN BAND 15

1. KAPITEL

Eine Hochzeit war etwas Besonderes, weil sich dann der alltägliche Zynismus in Luft auflöste. Rose drehte während des Wartens auf die Rede des Trauzeugen gedankenverloren an ihrem Champagnerglas.

Schon in der Kirche war ihr aufgefallen, wie sich selbst die hartgesottensten Zyniker der versammelten Gesellschaft – zumindest aber alle anwesenden Frauen – heimlich die Tränen aus den Augen wischten. Diese Frauen verkündeten sonst in Weinlokalen unverblümt ihre Meinung zum männlichen Geschlecht. Alle Männer seien ebenso gedanken- wie verantwortungslos. Doch beim Gottesdienst war ein wehmütiges Lächeln über die abgeklärten Gesichter unter den breitrandigen Hüten gehuscht.

Selbst Rose hatte eine Träne vergossen, obwohl sie im Allgemeinen keineswegs dazu neigte, ihre Gefühle öffentlich zu zeigen.

„In meinem Land“, setzte der Trauzeuge mit einem Blick auf Braut und Bräutigam zu seiner Rede an, „beginnt das Hochzeitsfest immer mit einem Toast auf das Hochzeitspaar. Auf dass eure Freude aneinander ewig wären möge. Hiermit bitte ich alle Anwesenden, das Glas zu erheben und auf Sabrina und Guy zu trinken.“

„Sabrina und Guy“, sprach die prächtige Menge nach und erhob brav die Gläser.

Rose musterte, wie auch die anderen Frauen im Raum, bereits zum wiederholten Male den engsten Freund des Bräutigams über den Rand ihrer Champagnerflöte hinweg.

Er sah im wahrsten Sinne des Wortes Aufsehen erregend aus. Es gab auch nicht oft einen echten Prinzen als Trauzeugen zu sehen.

Sabrina hatte ihr bei den Hochzeitsvorbereitungen aufgeregt mitgeteilt, dass er Prinz Khalim heiße. Es handelte sich um einen wirklichen Prinzen mit eigenem Land, dem wunderschönen Maraban. Eines Tages würde er über dieses Land herrschen, wie es seine Vorfahren über die Jahrhunderte hinweg getan hatten. Er war ein alter Schulfreund von Guy. Sabrina hatte Rose anvertraut, dass die beiden so eng miteinander befreundet waren, wie dies nur bei zwei Männern möglich war, die sich von Kindheit an kannten.

Rose hatte erwartet, dass der Prinz klein und stämmig sein und einen eher hässlichen Anblick bieten würde. Darin hatte sie sich getäuscht. Prinz Khalim war der schönste Mann, den sie je zu Gesicht bekommen hatte.

Er war fast so groß wie der Bräutigam und trug eine auffällige Kleidung aus exotischen Stoffen. Eine herrliche seidene Tunika in warmem Goldton fiel locker über die weite Hose, die er darunter trug.

In dieser Kleidung hätten die meisten Männer wie auf dem Weg zu einem Maskenball gewirkt. Doch er sah keineswegs weibisch aus unter der verführerisch seinen Körper einhüllenden Seide. Von Kopf bis Fuß strahlte er eine berückend urwüchsige Männlichkeit aus.

Als Rose schluckte, schmeckte der Champagner plötzlich bitter. Sie musste ein zweites Mal schlucken, als der Prinz seine onyxschwarzen Augen auf ihr ruhen ließ. Dann senkte er die dichten dunklen Wimpern, bis nur noch ein nachtschwarzes Glimmen wahrzunehmen war.

Mit einem raubtiergleichen Lächeln setzte er sich in Bewegung.

Roses Hände fingen an zu zittern, als er auf sie zukam.

Die prächtig gekleideten Frauen und die Männer in ihren Anzügen gaben ihm den Weg frei, als er durch den Ballsaal des Hotels schritt. Mit jedem geschmeidigen Schritt offenbarte er seine vornehme Abstammung. Er hatte eine gebieterische Ausstrahlung an sich, die die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf ihn zog.

Roses Kehle schnürte sich vor Furcht und Verlangen zusammen. Am liebsten wäre sie aus dem Raum gelaufen, um sich im Waschraum die Nase zu pudern. Doch sie traute ihren Beinen nicht mehr.

Schließlich war es zu spät, weil der Prinz bereits vor ihr stehen geblieben war und sie ansah. Sein stolzes, dunkles Gesicht verbarg jede Emotion außer einer einzigen, die er nicht zu verbergen trachtete.

Roses Herz schlug schneller, als sie seine erotische Anziehungskraft wahrnahm. Von ihm schien in fast spürbaren Wellen eine verführerische Hitze auszugehen. Seine funkelnden schwarzen Augen sprachen eine deutliche Sprache.

„Nun“, sagte er mit einer vollen, tiefen Stimme leise zu ihr. „Wissen Sie, dass Sie die schönste Frau auf der Hochzeit sind?“

Rose kämpfte unter seinem intensiven Blick um ihre Fassung. Dann schüttelte sie den Kopf. „Das sehe ich nicht so“, sagte sie kühl, während ihr Herz raste wie ein Hochgeschwindigkeitszug. „Wissen Sie denn nicht, dass die Braut stets die schönste Frau auf einer Hochzeit ist?“

Der Prinz wandte den Kopf, um Sabrina in ihrem Hochzeitsornat zu mustern. Rose fielen sein markantes Kinn und seine Adlernase auf.

Seine Stimme klang unerwartet weich, als er wieder sprach. „Sabrina?“, murmelte er. „Ja, sie ist sehr schön.“

Rose hatte nicht mit dem Anflug von Eifersucht gerechnet, der sie plötzlich packte. Sie konnte doch kaum auf Sabrina eifersüchtig sein, eine ihrer besten Freundinnen! Erschrocken schnappte sie nach Luft.

Als er sie wieder anblickte, fand sich Rose erneut im Bann seiner faszinierenden Augen. „Aber Sie auch. Sie sind sehr, sehr schön.“ Als er bemerkte, dass sie nicht lächelte, wurde er ernst. „Was ist? Mögen Sie keine Komplimente?“

„Nicht von Menschen, die ich kaum kenne“, sagte Rose zu ihrem eigenen Erstaunen ungewohnt schroff.

Überrascht zog er die Augenbrauen eine Spur nach oben. Er schien solche Reaktionen nicht gewohnt zu sein. Die Menschen sprachen wohl in der Regel höflicher mit ihm.

Er lächelte bedauernd. „Dann sollten Sie sich nicht so aufreizend kleiden, meinen Sie nicht? Sie hätten sich in eine Kleidung hüllen sollen, die Sie von Kopf bis Fuß verbirgt“, sagte er leise, während er sie eingehend vom Kopf bis zu den rosa lackierten Zehennägeln musterte. „Es ist allein Ihre Schuld.“

Rose spürte, wie sie nun auch noch gegen alle Gewohnheit rot wurde. Sie hatte in ihrem Beruf täglich mit einflussreichen Fremden zu tun. Aber das war ihr noch bei keinem ihrer Kunden passiert. Sie benahm sich wie ein naiver Teenager.

„Nicht wahr?“, hakte er leise nach.

Rose blinzelte verwirrt. Natürlich hatte sie sich dem Anlass entsprechend angezogen.

Sie trug ein kurzes Seidenkleid mit hauchdünnen Trägern aus strahlend blauem Seidenchiffon. Die Verkäuferin hatte davon geschwärmt, dass es genau die Farbe ihrer Augen träfe. Dazu trug sie zierliche Sandaletten mit winzigen Absätzen. Sie hatte sie absichtlich in einem auffälligen Pink erstanden, das nicht mit dem Kleid harmonierte. Passende Accessoires waren so aus der Mode, dass ihr sogar die Verkäuferin beigepflichtet hatte. Sie trug keinen Hut, weil sie ihr dichtes blondes Haar ungern einzwängte. Dies galt besonders für einen heißen Tag wie heute. Stattdessen hatte sie beim nahe gelegenen Blumengeschäft eine taufrische, extravagante Orchidee bestellt und sich diese ins Haar gesteckt. Die Farbe der Blüte war einen Hauch blasser als die der Schuhe. Bald würde sie zu welken beginnen.

Sie fühlte sich unter der fortgesetzten Musterung durch diesen exotischen Mann, als würde sie ebenfalls dahinwelken. Er musterte sie scharf und zugleich mit beiläufiger Bewunderung.

Sie sollte der Neugier ein für alle Mal ein Ende setzen. Daher reichte sie ihm mit einem höflichen Lächeln die Hand. „Rose Thomas“, sagte sie.

Er ergriff ihre Hand und sah auf sie hinab. Rose folgte wie hypnotisiert seinem Blick. Ihre Haut sah ganz weiß aus gegen seinen gebräunten Teint. Der Kontrast der Hautfarben wirkte auf sie schockierend erotisch.

Sie versuchte ihre Hand wieder zu befreien, doch er hielt sie fest. Sie blickte auf. Er sah ihr spöttisch in die Augen.

„Und wissen Sie, wer ich bin, Rose Thomas?“, fragte er mit weicher Stimme.

„Natürlich weiß ich, wer Sie sind“, erwiderte sie steif. „Es ist die einzige Hochzeit mit einem Prinzen, die ich je besucht habe. Den meisten Menschen hier wird es ähnlich gehen.“

Er lächelte. Rose nahm die Gelegenheit wahr, um ihre Hand aus seinem Griff zu lösen.

Khalim verspürte ein leichtes Verlangen, als sie sich ihm widersetzte. „Mögen Sie es nicht, wenn ich Sie berühre, Rose Thomas?“ Er sah sie gespielt vorwurfsvoll an.

„Fassen Sie alle Frauen an, die Sie eben erst kennengelernt haben?“, entgegnete Rose ungläubig. „Fühlen Sie sich durch Ihren Titel dazu berechtigt?“

Sein Verlangen wuchs angesichts ihrer temperamentvollen Reaktion. Es kam so selten vor, dass sich jemand seinen Wünschen widersetzte. Daher verstärkte diese Abweisung seinen Wunsch um ein Vielfaches. Er sah in ihre klaren, strahlend blauen Augen und musste schlucken.

Dann zuckte er mit den Achseln. Plötzlich wirkte er wie ein kleiner Junge. Dieser Gesichtsausdruck hatte ihm an der Internatsschule in England gute Dienste geleistet, vor allem was die Frauen betraf. „Sie haben meine Hand genommen“, protestierte er. „Das wissen Sie genau!“

Rose zwang sich zu einem Lachen. Es war lächerlich, dass sie sich als Freunde von Sabrina und Guy wegen eines Handschlags zankten. „Entschuldigung“, sagte sie und lächelte einlenkend. „Ich bin etwas gereizt.“

„Steckt ein Mann dahinter?“, stieß er hervor. Ohne nachzudenken, schüttelte sie den Kopf.

„Was für eine seltsame Schlussfolgerung“, protestierte sie eine Sekunde später.

„Nun, was ist es dann?“, fragte er weiter.

„Die Arbeit“, sagte sie.

„Die Arbeit?“, fragte er erstaunt.

Ein Mann wie Prinz Khalim hatte wahrscheinlich nie in seinem Leben arbeiten müssen. „Es war nur eine anstrengende Woche“, sagte Rose. „Ein anstrengender Monat und ein anstrengendes Jahr.“ Sie trank den Rest ihres Champagners aus. „Ich werde mir noch ein Glas hiervon besorgen. Möchten Sie auch eines?“

Khalim schnappte enttäuscht nach Luft. Er hasste diese emanzipierten Frauen manchmal direkt. Es war nicht Sache der Frau, einem Mann einen Drink anzubieten. Beinahe hätte er ihr das gesagt.

„Ich trinke nur selten“, sagte er kühl.

„Und wie kommt Ihr Körper dann zu ausreichend Flüssigkeit?“, entgegnete Rose leichthin.

Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Er war es nicht gewohnt, dass man sich mit ihm einen Scherz erlaubte. Und Frauen durften das nur im Schlafzimmer, und zwar mit seiner Einwilligung. Am liebsten hätte er sie stehen lassen. Doch der helle Glanz ihres Flachshaares zog ihn an. Er hätte es gern auf seiner nackten Brust gespürt.

„Alkohol“, stieß er hervor.

„Nun, es gibt sicher auch ein paar Softdrinks“, schlug Rose vor. „Aber wie dem auch sei, ich gehe jetzt ohnehin. Es war nett, mit Ihnen zu plaudern, Prinz Khalim.“

„Nein.“ Er hielt sie an den Handgelenken fest und genoss es, dass ihre Augen sich für einen Moment weiteten. Ihr Mund blieb kurz offen stehen. „Für Sie bin ich Khalim.“

Gern hätte sie eine sarkastische Bemerkung gemacht, doch stattdessen fühlte sie sich tatsächlich geschmeichelt.

„Lassen Sie mich los“, sagte Rose atemlos, obwohl sie die Berührung erregte.

„Schön.“ Khalim lächelte siegesgewiss. „Doch nur, wenn Sie mir versprechen, dass der nächste Tanz mir gehört.“

„Es tut mir leid, aber ich laufe nie einem Mann nach.“

Khalim spürte ihren schnellen Pulsschlag. „Also nicht?“

„Sie müssen schon zu mir kommen“, sagte Rose leichthin.

Er ließ sie los. „Das werde ich“, sagte er ruhig. „Sie können ganz sicher sein.“ Als er ihr nachblickte, hatte er plötzlich einen Einfall.

Er würde sie warten lassen. Er kannte genügend Frauen, deren Verlangen stieg, wenn er Gleichgültigkeit vortäuschte. Er würde mit ihr spielen. So würde sich der Appetit steigern und der Hunger hinterher umso schöner befriedigt werden. Rose Thomas würde schließlich dankbar in seinen Armen seufzen.

Rose eilte mit immer noch zitternden Knien zur Bar. Sie verliebte sich nicht in Männer wie Khalim. Sie mochte feine, gebildete Männer. Er schien zwar sehr intelligent zu sein, doch hatte er etwas Gefährliches an sich.

Von der Bar aus konnte sie Sabrina am anderen Ende des Raumes erkennen, die mit einer der Brautjungfern sprach.

„Champagner, Madam?“, fragte der Barkeeper freundlich.

Rose wollte schon nicken, als sie es sich anders überlegte. Sie brauchte ihren klaren Verstand.

„Nur ein Mineralwasser, bitte“, sagte sie leise.

„War es zu viel des Guten?“, fragte hinter ihr amüsiert eine vertraute Stimme. Es war Guy Masters.

Rose mochte Sabrinas Ehemann sehr gern. Er sah außergewöhnlich gut aus, war übermäßig reich, und er liebte Sabrina mit einer beneidenswerten Leidenschaft.

Rose hatte Sabrina kennengelernt, als sie ein seltenes Buch suchte. Sabrina hatte in allen Karteien nachgeschaut, bis sie das Gewünschte für Rose gefunden hatte. Das war am Tag nach der Verlobung mit Guy gewesen. Sabrina hatte Rose begeistert den Ring gezeigt, den ein schlichter, aber äußerst kostbarer Diamant zierte.

Sabrina kannte kaum jemanden in London, von Guys Freunden einmal abgesehen. Da traf es sich gut, dass die beiden Frauen gleich alt waren und dieselben Interessen hatten.

„Oder musst du noch fahren?“, fragte Guy.

„Nein, das nicht“, antwortete sie mit leiser Stimme. „Ich möchte nur einen klaren Kopf behalten.“

„Das ist weise“, bemerkte Guy. „Denn mein alter Freund Khalim scheint ein Auge auf dich geworfen zu haben.“

„Wirklich?“ Sie bemühte sich um ein Lächeln. „Ach, wir haben uns nur ein wenig unterhalten.“

„Unterhalten?“, fragte Guy amüsiert. „So kenne ich Khalim gar nicht. Das wäre das erste Mal.“

„Es ist eine wundervolle Hochzeit“, warf Rose ein, um das Thema zu wechseln. „Sabrina sieht absolut herrlich aus.“

Guy vergaß tatsächlich seinen alten Schulfreund. „Nicht wahr?“, sagte er zärtlich. „Und unter uns gesagt, ich würde am liebsten auf den Rest der Feier verzichten und einfach mit ihr verschwinden.“

Rose lächelte. „Und deine Frau um ihren Hochzeitstag bringen? Du wirst noch ein wenig warten können, Guy. Immerhin lebt ihr nun schon seit gut einem Jahr zusammen.“

„Sicher“, seufzte Guy, „aber dieses Mal wird es zum ersten Mal legal sein. Du wirst ja rot, Rose!“, bemerkte er überrascht. „Ich wollte dich nicht verwirren.“

„Das hast du auch nicht, ehrlich“, versicherte Rose. Sie wollte ihn nicht einweihen, dass ein Paar schwarzer Augen, das provokativ auf sie gerichtet gewesen war, die Schuld daran hatte. Sie wünschte, dass Guy und Sabrina bald nach dem Essen gehen würden. Dann würde auch sie gehen können, ohne mit Khalim tanzen zu müssen.

Warum konnte sie ihm nicht einfach sagen, dass sie nicht in der Stimmung zum Tanzen war? Sie gehörte nicht zu seinen Untertanen und hatte seinen Geboten nicht Folge zu leisten.

Die Frage erübrigte sich von selbst, da Khalim nicht mehr in ihre Nähe kam. Und in den folgenden Stunden fing Rose an, ihn unauffällig zu beobachten.

Er hob sich von der Menge ab durch eine wahrhaft königliche Haltung, die etwas Neues für Rose war.

In all seinen Bewegungen lag eine Grazie, die sie noch nie gesehen hatte. Die Menschen machten ihm stillschweigend Platz. Die Frauen sahen ihn mit unverhohlener Bewunderung an.

Rose fragte sich, ob er es wahrnahm. Auf seinem Gesicht zeichnete sich keinerlei Gefühlsregung ab.

Als das Essen aufgetragen wurde, saß Rose zwischen einem Bankkaufmann und einem Ozeanographen. Beide Männer waren amüsant und intelligent. Der Ozeanograph war ein attraktiver Naturbursche. Er flirtete offen mit Rose.

Doch der einzige Mann, der ihr im Moment etwas bedeutete, saß am Tischende und stocherte mit einer Gleichgültigkeit auf seinem Teller herum, als ob für ihn Essen etwas Nebensächliches sei.

Khalim sah auf und zu ihr hinüber. Eilig legte sie die Gabel nieder und schob den Teller zurück.

„Also, was machen Sie, Rose?“, fragte der Ozeanograph.

Sie wandte sich mit einem Lächeln an ihn. „Ich gehöre zu den Headhuntern. Ich suche Führungspersonal für die Werbebranche.“

„Wirklich?“ Er lachte leise auf. „Dann verdienen Sie sicher eine Menge Geld.“

Das glaubten die Leute immer. „Ich wünschte, es wäre so.“

Die Serviererin lehnte sich besorgt vor. „Ist mit dem Lachs alles in Ordnung?“

Rose nickte. „Er ist ausgezeichnet. Ich habe nur wenig Appetit, das ist alles.“

Tapfer schob sie sich ein paar Himbeeren in den Mund. Schließlich war es an der Zeit, den Kuchen anzuschneiden, dann folgten die Tischreden.

Rose verstand kaum ein Wort von dem, was der beste Freund des Bräutigams sagte. Sie war ganz verzaubert von seinem dunklen, stolzen Gesicht. Sein Mund bestand aus einer vollen, sinnlich geschwungenen Unterlippe und einem damit kontrastierenden harten, fast grausamen Zug um die Oberlippe. Erschauernd riet sie sich, dies als Warnung zu nehmen.

Nach Guys Rede hatten alle Frauen im Raum Tränen in den Augen stehen, so offen drückte er seine Bewunderung und Liebe für Sabrina aus.

Als die Band wieder zu spielen begann und die Menschen zur Tanzfläche drängten, schlug Rose das Herz bis zum Hals. Sie dachte an Khalims Ankündigung, mit ihr zu tanzen.

Doch er kehrte zu seinem Platz zurück, von wo aus er sie ab und zu mit einem sinnlichen Blick ansah.

Rose tanzte mit allen, die sie aufforderten. Aber sie war nicht mit dem Herzen bei der Sache. Auch als der Ozeanograph sie führte, bewegte sie sich wie mechanisch. Als er sie enger an sich zog, wurde sie steif wie ein Brett.

Sie setzte sich in der Hoffnung, dass Guy und Sabrina nun bald in die Flitterwochen aufbrechen würden. Dann konnte auch sie gehen. Doch plötzlich stand Khalim vor ihr.

„Also“, sagte er leise. „Ich nehme Sie beim Wort.“ Es blitzte in seinen dunklen Augen auf. „Es war übrigens nicht schwer, Sie zu finden, Rose. Sie sind eine süße, errötende Blume.“ Seine Stimme wurde tiefer, als er sie verführerisch fragte: „Sollen wir nun tanzen?“

„Wenn das eine Aufforderung sein soll, kann ich wohl kaum etwas dagegensetzen“, gab sie zurück.

Ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel. „Nein, Rose“, schnurrte er. „Das ist ein königlicher Befehl.“

Sie wollte etwas entgegnen, doch es war zu spät. Er hatte schon ihre Hand ergriffen und führte sie zur Tanzfläche.

„Kommen Sie“, sagte er ruhig.

Sie glitt in seine Arme, als ob ihr ganzes Leben die Vorbereitung auf diesen Moment gewesen wäre. Er hielt ihre Taille umschlungen, Rose griff nach seinen Schultern. Sie atmete den unaufdringlichen Duft von Sandelholz ein, der ihn umgab. Der Moschuscharakter hüllte ihre Sinne ein.

Obwohl sich Rose für eine moderne Frau hielt, wurde sie in Khalims Armen in wenigen Minuten zu einem hilflosen Kätzchen.

Khalim spürte sein Verlangen wachsen, als er die Hände auf ihren schlank geformten Hüften ruhen ließ. „Sie tanzen wundervoll, Rose“, murmelte er.

„Sie auch“, entgegnete sie atemlos. Sie war sich des schlanken, festen Körpers wohl bewusst, der sich unter den seidenen Gewändern mit einer angeborenen Grazie bewegte. „Eine schöne Hochzeit, nicht wahr?“, bemerkte sie.

Er blieb kurz still. „Alle Frauen mögen Hochzeiten“, entgegnete er schließlich.

Sie sah ihm in die Augen. „Soll das heißen, dass Männer Hochzeiten nicht mögen?“

Er blickte sie spöttisch an. Wie hell ihr Haar und ihre weiche Haut waren. Wie tiefrosa ihre Lippen, die ihn an die Rosen erinnerten, die in den Gärten des väterlichen Palastes blühten und die Nacht mit ihrem Duft erfüllten. „Neigen Sie immer zu gewagten Schlussfolgerungen?“

„Sie haben es doch genau so gemeint“, erwiderte sie. „Sie wollten mich mit Ihrer Bemerkung wütend machen.“

Er schüttelte den Kopf. „Es war nur eine Beobachtung“, stritt er es ab. „Man könnte es vielleicht eine chauvinistische Bemerkung nennen.“

„Sie können mir nicht weismachen, dass Sie unsere Sprache nicht beherrschen, Khalim“, sagte sie verstimmt. „Ich weiß, dass Sie hier in England im Internat waren und die Sprache ebenso gut sprechen wie ich.“

Sie hat wirklich Temperament, dachte er voller Begehren. „Und was wissen Sie sonst noch über mich, Rose Thomas?“, fragte er.

„Ich weiß, dass Sie der Nachfolger des Herrschers über ein Königreich im Bergland sind.“

„Über Maraban“, ergänzte er leise und mit leidenschaftlichem Stolz.

„Maraban?“, wiederholte sie erstaunt.

„Was wissen Sie noch?“, fragte er. Ihr verträumter Blick, als sie den Namen seines Landes ausgesprochen hatte, hatte ihn für sie eingenommen. Doch dann verhärteten sich seine Gesichtszüge wieder. Es war bekannt, dass Maraban Ölvorkommen und damit fabelhaften Reichtum besaß. Westliche Menschen wurden immer enthusiastisch, wenn es um Reichtum ging.

Rose konnte sich nicht erklären, warum sich seine Miene auf einen Schlag so verfinstert hatte.

„Außerdem habe ich gehört, dass Sie hinsichtlich der Frauen einen gewissen Ruf haben“, sagte sie steif.

„Einen Ruf?“ Khalim schien ob dieser Kritik etwas irritiert zu sein. „Bitte erklären Sie sich näher, Rose.“

„Sie mögen doch Frauen, nicht wahr?“

Er lächelte spöttisch. „Was ist falsch daran, die Freuden zu genießen, die das andere Geschlecht zu bieten hat?“

Bei diesen Worten streichelte er sanft ihren Rücken. Sie schluckte. „Das hört sich so an, als ob Frauen ein Vergnügungspark wären.“

Er lächelte. „Das ist ein interessanter Vergleich“, sagte er. Er widerstand dem Verlangen, seine Finger unter ihre Brüste zu legen. Er begehrte sie. Noch nie hatte er sich bei einer Frau besonders bemühen müssen. Es gab nur eine Frau, die ihm einen Korb gegeben hatte. Das war Sabrina gewesen.

Er wandte den Blick, bis er Braut und Bräutigam entdeckte. Sabrina blickte zu ihrem neuen Ehemann auf. Khalim hatte ihr damals sofort verziehen, weil sie in seinen besten Freund verliebt war.

Er widerstand der Versuchung. Denn obwohl er genau wusste, dass er Rose verführen würde, würde es doch seine Zeit dauern.

„Also“, sagte er mit heiserer Stimme. „Sie sind im Vorteil, weil Sie einiges über mich wissen, während ich nichts über Sie weiß, Rose. Außer natürlich, dass Sie die schönste Frau im ganzen Saal sind.“

„Das hatten Sie bereits gesagt“, entgegnete Rose sanft. Ihr gefiel es, dass sie ihn mit dieser Bemerkung in Verwirrung versetzen konnte. „Ich verstehe nicht, wie die Frauen Ihrem Charme erliegen können, wenn Sie immer wieder mit denselben Komplimenten ankommen.“

„Ach, verstehen Sie das nicht?“, fragte er mit weicher Stimme. Dann zog er sie noch enger an sich, bis sie fast schockierend eng aneinander geschmiegt waren. Mit Genugtuung nahm er wahr, dass sich ihre Augen verdunkelten und ihre Wangen sich röteten. Durch die dünnen Lagen der Seide hindurch konnte er die Knospen ihrer Brüste an seiner Brust spüren.

„Bitte nicht“, protestierte Rose schwach. Eine süße Welle des Verlangens ergriff sie, die alles übertraf, was sie bisher erlebt hatte.

Khalim spürte voller Triumph, wie sie an seiner Brust zitterte. Er drückte ihr einen Kuss zwischen den hellen Haarschopf und das Ohr. „Was nicht?“, flüsterte er.

„Bitte nicht.“ Doch ihre Stimme zitterte. „Bitte, kommen Sie nicht so nahe.“

Mit dem Instinkt des Eroberers trat er einen kleinen Schritt zurück, bis er ihren leisen Protestseufzer vernahm. „Ist es so besser?“, fragte er.

Rose fühlte sich so nackt, als ob ihr jemand das lange Haar abgeschnitten hätte. Am liebsten hätte sie ihn gebeten, sie wieder in seine Arme zu schließen. Doch es war nicht ihre Art, einen Mann um irgendetwas zu bitten. „Viel besser“, sagte sie ruhig.

Khalim lächelte. Er glaubte ihr kein Wort. Doch er wusste, dass die Jagd oft das Aufregendste an einer Eroberung war. „Erzählen Sie mir doch etwas über sich“, murmelte er.

Sie blickte ihn mit blitzenden Augen an. „Was wollen Sie wissen?“

„Alles, absolut alles.“

Rose musste lächeln. „Sie müssen das etwas präzisieren.“

Was hätte sie wohl gesagt, wenn er ihr gestanden hätte, dass ihn eigentlich nur interessierte, wie ihr nackter Körper aussah? Und zwar dann, wenn sie in hingebungsvoller Verzückung in den glatten, weichen Decken seines riesigen Bettes liegen würde. „Sagen Sie mir, was Sie machen“, murmelte er.

„Sie meinen, womit ich mir meinen Lebensunterhalt verdiene?“

Er nickte. Sie hätte nicht zu arbeiten brauchen. Sie hätte leicht die Geliebte eines reichen Mannes sein können. Wieso hatte er sie nur nicht schon früher getroffen? „Oder soll ich raten, Rose?“

„Sie können es versuchen.“

„Sie arbeiten als Modell“, schlug er vor.

„Ich bin nicht groß genug dafür“, entgegnete sie abweisend, weil sie es nicht mochte, dass ihr sein Kompliment gefiel. „Oder nicht dünn genug.“

Er musterte die sinnlichen Linien ihrer Brüste und Hüften. „Sie sind perfekt“, sagte er mit heiserer Stimme. „Vollkommen perfekt.“

Rose begann in seinen Armen zu zittern. Das sagten die Männer nicht zu ihr, wenn sie sie erst wenige Minuten kannten. Meistens war sie mit stolzen Intellektuellen zusammen, die gelegentlich ein schlaues Kompliment machten. Sie kannte keine Männer, die gar nicht erst versuchten, ihren primitiven Hunger zu verbergen. „Das ist übertriebene Schmeichelei“, widersprach sie.

„Schmeichelei, ja. Übertrieben, nein.“

Er ist der beste Tänzer, dachte Rose. Sie hatte kaum mit Partnern getanzt und noch nie mit einem Prinzen. Es war himmlisch, in den Armen dieses Mannes über die Tanzfläche zu gleiten.

Er blickte sie nachdenklich an.

„Also, wollen Sie noch einen Versuch wagen? Sie sind nicht besonders geschickt im Raten.“

„Ich kann vielleicht nicht gut raten, aber es gibt viele Dinge, die ich extrem gut beherrsche, Rose“, verkündete er bedeutungsvoll und drückte seinen Schenkel zwischen die ihren. Er verlor sich an den erotischen Traum, sie zu lieben.

Rose spürte sein Verlangen und die stählernen Muskeln durch das feine Gewebe. Ein ungeahntes Begehren ergriff sie, während ihr Herz zu rasen begann. Sie musste sofort eine Grenze ziehen, bevor ihr die Kontrolle über die Situation entglitt.

„Ich bin Headhunter“, sagte sie schnell.

Khalims Traum zerstob bei diesen Worten. „Headhunter?“, fragte er verwirrt, während sich vor seinem inneren Auge wilde Vorstellungen abspielten.

„Ich suche Leute für bestimmte Jobs.“

„Ich weiß schon, was ein Headhunter ist. Sind Sie erfolgreich bei Ihrer Arbeit?“

„Ja, das bin ich.“

„Dann verfügen Sie über gute Intuition, Rose.“ Er streichelte sacht ihre Taille. Sie erschauerte. „Eine intuitive Frau. Wie interessant.“

Eine Alarmglocke begann in ihrem Kopf zu schrillen. „Ich habe nun genug getanzt“, sagte sie atemlos. Trotzdem war sie unsäglich enttäuscht, als er sie losließ.

„Ich denke auch.“ Das Verlangen war zu drängend geworden. Er wollte sie besitzen. Es fiel Khalim schwer, sich selbst so zu beherrschen, wie es ihm von Kindheit an beigebracht worden war. Seit Jahren hatte er nicht mehr so um etwas kämpfen müssen. Er trat einen Schritt zurück und bemühte sich um einen ruhigen Atem.

Rose spürte, wie ihr Puls raste und sie immer noch erhitzt war. Erst dann bemerkte sie, dass die Tanzfläche ganz leer war und alle ihnen zusahen.

„Gütiger Himmel!“, stöhnte sie. „Sehen Sie nur!“

„Wir scheinen ganz unbeabsichtigt eine Show inszeniert zu haben“, sagte Khalim amüsiert.

Rose fühlte sich noch unbehaglicher, als Guy auf sie zutrat.

„Es war eine sehr erotische Vorstellung“, neckte er.

Rose seufzte insgeheim auf.

„Wir haben nur getanzt“, sagte Khalim ungerührt, während er Rose einen verschwörerischen Blick zuwarf.

„So nennt ihr das also?“, scherzte Guy. „Sabrina und ich werden nun jedenfalls aufbrechen. Ich danke dir für die Flitterwochen, Khalim.“

„Wenn ich euch damit Vergnügen bereite“, antwortete er gelassen.

„Sabrina hat gesagt, dass das Ziel der Reise geheim ist“, sagte Rose.

Die beiden Männer warfen sich einen Blick zu.

„Es ist Tradition, dass sich der Bräutigam und sein bester Freund dieses Geheimnis teilen. Aber keine Sorge, ich werde es Ihnen später verraten, meine schöne Rose“, versprach Khalim leise.

„Später?“, fragte sie.

„Natürlich, wir werden hinterher zusammen einen Drink nehmen.“

Guy lächelte. „Wirklich?“

Rose fiel wieder das arrogante Selbstvertrauen des königlichen Erben auf.

„Sie haben mir doch erzählt, dass Sie selten trinken, Khalim“, entgegnete sie ihm unschuldsvoll. „Wäre ein Drink dann nicht eine schreckliche Zeitverschwendung?“

Rose Thomas würde diese Nacht nirgendwo mit ihm hingehen. „Sie lehnen ab?“

Seine Stimme klang unüberhörbar überrascht. Rose hätte beinahe gelächelt. „Es war ein langer Tag“, sagte sie entschuldigend. „Ich bin geschafft. Vielleicht ein anderes Mal.“

Khalim wirkte plötzlich kühl. Er bemerkte kaum, dass Guy sich entfernte, um Sabrina zu suchen. „Ich pflege eine Einladung nur einmal auszusprechen.“

Rose spürte ein Bedauern. Zugleich war sie erleichtert. Dieser Mann war anders. Er war gefährlich, weil er sie verletzen konnte.

„Wie schade“, sagte sie leichthin.

Sein Blick ruhte auf ihren vollen Lippen und ihrer weichen Haut. „Wirklich schade“, pflichtete er bei, verbeugte sich knapp und verschwand.

„Sie gehen!“, rief jemand. Rose sah, dass Sabrina jetzt ein silbriges Kostüm trug und ihren Hochzeitsstrauß schwenkte. Guy stand in einem eindrucksvollen schwarzen Anzug an ihrer Seite.

Alle eilten aus dem Tanzsaal, um den beiden zum Abschied nachzuwinken. Allein Rose blieb zurück. Sie sah, wie Khalim mit Guy sprach. Sie wollte ihn nicht mehr sehen. Sie hatte ihre einmalige Gelegenheit verpasst.

Sabrina hielt ihren Brautstrauß mit Lilien hoch über ihren Kopf, während alle Frauen sich danach reckten, um ihn aufzufangen. Selbst Rose hob ihre Arme. Doch eine Rothaarige neben ihr war schneller.

„Ich habe ihn“, rief sie, als sie ihn mit einem Sprung gefangen hatte.

Es ist nur eine Tradition, dachte Rose benommen. Außerdem wusste sie gar nicht, ob sie heiraten wollte. Viele Frauen Ende zwanzig entschieden sich dafür, als Single zu leben.

Als sie wieder aufsah, bemerkte sie zwei glänzende schwarze Augen, die sie anblickten.

Ich muss hier weg, dachte sie in einem Anflug von Panik.

2. KAPITEL

Rose verließ das Granchester ganz benommen. Irgendwann wurde ihr klar, dass sie sich in einem Taxi befand. Aber hinterher konnte sie sich an Einzelheiten der Fahrt nicht mehr erinnern. Erst als das Taxi vor ihrer Wohnung in Notting Hill anhielt, wurde ihr die Realität wieder bewusst. Angestrengt versuchte sie die Erinnerung an das stolze, sinnliche Gesicht des Prinzen zu verdrängen.

Sie betrat ihre Wohnung durch die Vordertür und stellte erleichtert ihre Tasche im Flur ab, froh, in Sicherheit zu sein.

Rose liebte ihre Wohnung, ihr erstes eigenes Domizil. Die Räume erstreckten sich über das gesamte erste Stockwerk eines ehrwürdigen Hauses mit hohen Decken. Es war eine ambitionierte Anschaffung für einen Immobilienneuling wie sie gewesen. Die Rückzahlungen an die Bank waren enorm. Daher hatte sie eine Mitbewohnerin aufgenommen.

Lara schlug sich als Schauspielerin durch. Sie bezeichnete sich als Roses Untermieterin. Rose hatte sie nie so genannt. Gleichberechtigung war ihr in jedem Lebensbereich wichtig. „Nein, wir sind Mitbewohnerinnen“, hatte sie immer dagegen gehalten.

Es war das typische Zuhause unverheirateter Frauen. Alles wirkte farbig, und in Laras Schlafzimmer herrschte das reinste Chaos. Rose war es trotz aller Anstrengung nicht gelungen, Laras Unordentlichkeit zu bessern. Inzwischen hatte sie es aufgegeben.

Bunt gefärbte Schals hingen auf dem Ständer im Flur. Das Wohnzimmer quoll über von preiswert auf dem Markt erstandenen Blumen. Das Badezimmer war mit Döschen und Fläschchen vollgestellt.

„Ist jemand zu Hause?“, rief sie.

„Ich bin in der Küche“, kam die gedämpfte Antwort. Als Rose eintrat, sah sie, dass Lara Schokoladenkekse aß und sich Kaffee in eine Tasse goss. Ihre Diätkekse und mein Kaffee, dachte Rose einen Moment. „Kaffee?“

Rose schüttelte den Kopf. „Nein, danke. Ich brauche jetzt einen Drink.“

Lara sah sie überrascht an. „Aber du kommst doch eben von einer Hochzeit.“

„Und ich habe fast den ganzen Tag nichts getrunken“, sagte Rose bitter. Sie hatte absichtlich den Alkohol gemieden, um einen klaren Kopf zu behalten. Trotzdem hatte sie sich auf der Tanzfläche so blamiert. Seufzend schenkte sie sich ein Glas Wein ein.

„Alles in Ordnung?“, fragte Lara neugierig.

„Wieso sollte es nicht?“

„Du wirkst etwas angespannt.“

Rose nippte ohne Genuss an ihrem Glas. Im Spiegel an der Küchenwand konnte sie ihr Gesicht sehen. Sie wirkte unglaublich blass. „Wahrscheinlich bin ich das auch“, gab sie leise zu.

„War es denn so schrecklich auf der Hochzeit?“

„Nein, es war schön“, sagte Rose nachdenklich. „Es war die schönste Hochzeit, auf der ich je war.“

„Wieso machst du dann so eine finstere Miene?“

Rose setzte sich. „Es ist eine dumme Sache.“ Sie blickte in Laras neugieriges Gesicht. „Habe ich dir erzählt, dass Sabrinas Mann mit einem Prinzen befreundet ist?“

„Du nimmst mich auf den Arm!“

Rose schüttelte den Kopf. „Nein, es ist die Wahrheit. Er ist Prinz eines Landes, das Maraban heißt. Es liegt im Mittleren Osten.“

„Als Nächstes erzählst du mir, dass er unglaublich gut aussieht und steinreich ist, wetten?“

Rose seufzte. „Genau. Es ist der vollkommenste Mann, den du je gesehen hast. Er ist groß und attraktiv. Eine dunkle Schönheit.“

„Oh, là, là!“

„Nein, ehrlich. Er ist göttlich. Ich habe mit ihm getanzt.“ Rose versagte die Stimme bei der Erinnerung daran.

„Und dann?“

„Nun …“ Sie dachte an den erotischen Tanz.

Ihre verträumte Miene ließ bei Lara wilde Spekulationen keimen. „Ach, Rose. Das hast du nicht getan!“

„Nein, natürlich nicht. Du denkst doch nicht, dass ich mit einem Mann ins Bett gehe, den ich eben erst auf einer Hochzeit kennengelernt habe?“

Lara sah sie nachsichtig an. „Also, was ist dann passiert?“

„Er hat mich gebeten, mit ihm einen Drink zu nehmen, sobald der Bräutigam und die Braut fort waren“, erklärte Rose.

„Du hast natürlich eingewilligt.“

„Nein“, sagte Rose mit angespannter Stimme. „Ich habe Nein gesagt.“

Lara sah sie amüsiert an. „Warum hast du ihm einen Korb gegeben, wenn er so wundervoll war?“

„Ich weiß nicht“, sagte Rose seufzend. „Vielleicht lag es eben daran, dass er so unwiderstehlich ist.“

„Das ist doch bei Männern gewöhnlich eine positive Eigenschaft, oder etwa nicht?“

„Aber er würde nie eine Verpflichtung eingehen, das weiß ich genau. Es stand ihm geradezu ins Gesicht geschrieben.“

Lara sah sie fassungslos an. „Er würde nie eine Verpflichtung eingehen?“, wiederholte sie entgeistert. „Rose, was erzählst du mir da? Du hast ein einziges Mal mit dem Burschen getanzt, und schon redest du von Verpflichtung. Dabei hast du immer geschworen, dich nie zu verheiraten.“

„Zumindest nicht, bevor ich fünfunddreißig bin“, sagte Rose entschlossen. „Dann werde ich etwas erreicht haben und dazu bereit sein. Heutzutage leben die Menschen länger. Es macht Sinn, mit der Ehe so lange wie möglich zu warten.“

„Das klingt sehr romantisch“, sagte Lara.

„Eher realistisch“, kommentierte Rose trocken.

„Warum redest du dann von Verpflichtungen?“

Rose nippte nachdenklich an ihrem Wein. Sie wusste es selbst nicht genau. Vielleicht wollte sie nur nicht eine weitere von den vielen verlassenen Frauen sein, die sich mit ihm eingelassen hatten.

Außerdem würde es für Lara wie eine Erfindung klingen, wenn sie von Khalims bedrohlicher Macht erzählte, die sie gleichermaßen anzog und abstieß. Es würde auch schwach klingen, wenn sie ihr jetzt die Wahrheit eingestand, dass er ihr das Herz brechen konnte.

Sie war nur zwei Mal in ihrem Leben verliebt gewesen. Einmal im zweiten Jahr ihres Studiums an der Universität und dann ganz am Anfang ihres Berufslebens. Damals hatte sie sich für ein glückliches Jahr mit einem Buchhalter getroffen. Dann hatte sie eines Abends leider feststellen müssen, dass er keineswegs monogam war.

Wahrscheinlich war es ihrem verletzten Stolz zu verdanken, dass sie von diesem Tag an vernünftig und umsichtig in Sachen Männer geworden war. Sie wählte einen aus und verließ ihn bald wieder.

„Möchtest du ins Kino gehen?“, fragte Lara. „Es ist noch Zeit.“

Rose schüttelte den Kopf. Sie würde sich ohnehin nicht konzentrieren können, weil sie eben das rätselhafteste Wesen der Welt kennengelernt hatte. „Nein, danke. Ich werde erst einmal duschen“, sagte sie mit einem Gähnen.

In dem Wissen, von seinem Abgesandten genau beobachtet zu werden, ging Khalim in seiner Penthouse-Suite auf und ab wie eine eingesperrte Raubkatze. Die Lichter der Stadt glitzerten draußen wie eine sagenhafte Galaxie. Doch Khalim war für deren Schönheit unempfänglich.

Wenn er sich aus Geschäftsgründen in London aufhielt, logierte er im Granchester. Er hatte die luxuriösen Räume auf Dauer gebucht, obwohl er sie die meiste Zeit des Jahres nicht nutzte. Die Suite war in jeder nur denkbaren Hinsicht anders eingerichtet worden als sein Heim in Maraban. Helle Holzmöbel und abstrakte moderne Gemälde schmückten die Räume. Er liebte es, den Kontrast zwischen dem Osten und dem Westen auszuleben. Er hatte zwei unterschiedliche Seelen in seiner Brust.

Als er sich von Londons nächtlicher Silhouette abwandte, streckte er Philip Caprice hilflos die Hände entgegen. Ihn hatten ein Paar blaue Augen und hellblondes Haar verzaubert. Nun vermochte er das Bild nicht abzuschütteln. Er begehrte Rose, wünschte sie in dieser Nacht bei sich zu haben. Er hätte ihr jede Erfüllung gegeben. Leise seufzte er auf. Philip Caprice warf ihm einen besorgten Blick zu.

„Sir?“, murmelte er. „Ist etwas nicht in Ordnung?“

„Ich kann es nicht glauben“, sagte Khalim mit einem leisen Lachen. „Ich muss wohl langsam alt werden.“

Philip lächelte, ohne etwas zu sagen. Seine Rolle war, dem Prinzen zuzuhören. Es sei denn, er wurde aufgefordert, seine Meinung zu sagen.

Khalim sah seinen Abgesandten aus dunkel glühenden Augen an. Immer noch spürte er das Verlangen in sich glimmen. „Du sagst nichts, Philip?“

„Wünschen Sie es denn?“

Khalim holte tief Luft, um das ungewohnte Gefühl einer Abweisung zu verarbeiten. „Natürlich“, sagte er kühl. „Bei der Mähne eines Akhal-Teke, Philip!“, fluchte er leise. „Glaubst du denn, ich bin zu arrogant, um die Wahrheit aus deinem Mund zu ertragen?“

„Oder meine Interpretation der Wahrheit, weil jeder Mensch seine eigene Wahrheit besitzt.“

Khalim lächelte. „Du hörst dich wie ein echter Marabaner an, wenn du so redest. Also, Philip, wie siehst du die Angelegenheit? Warum hatte ich bei dieser Frau keinen Erfolg, wo ich doch noch niemals zuvor versagt habe?“

Philip verschränkte nachdenklich seine langen Finger. „Ihr ganzes Leben lang ist jedes Ihrer Bedürfnisse befriedigt worden, Sir.“

„Nicht alle“, entgegnete Khalim finster. „Ich musste die Härten des Lebens in der englischen Internatsschule meistern lernen.“

„Ja“, sagte Philip geduldig. „Aber seit Sie das Mannesalter erreicht haben, ist Ihnen nur wenig verwehrt worden, Sir. Das wissen Sie nur zu gut.“ Er hielt inne. „Vor allem, was Frauen anbetrifft.“

Khalim atmete lange und tief durch. Ein paar der schönsten Frauen der Welt hatten sich ihm angeboten, doch es hatte stets seinen Appetit gemindert, wenn er etwas allzu leicht haben konnte. „Nur eine einzige Frau hat mich zuvor abgewiesen“, überlegte er.

„Sabrina“, sagte Philip leise.

Khalim nickte. Diese Tatsache hatte er leicht akzeptieren können. Doch dieses Mal war es anders. „Es war verständlich, weil sie Guy liebte und Guy mein Freund ist. Doch bei dieser Frau …“

Dabei hatte die Anziehung auf Gegenseitigkeit beruht. Sie hatte gegen ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse angekämpft. Als er sie in den Armen gehalten hatte, hatte sie ihn ebenso begehrt wie er sie. Er war sich so sicher gewesen, sie heute Nacht in seinen Armen zu halten. Die Enttäuschung schmeckte bitter.

„Wie heißt sie?“, fragte Philip.

„Rose.“ Es klang wie ein Wort aus einem der Gedichte, die er als Kind auswendig gelernt hatte. Es klang so süß und weich wie die Blume.

„Vielleicht ist sie in jemand anderen verliebt?“, schlug Philip vor.

„Nein“, entgegnete Khalim. „Es gibt keinen Mann in ihrem Leben.“

„Hat sie Ihnen das erzählt?“

Khalim nickte.

„Vielleicht fand sie Sie einfach nicht attraktiv“, schlug Philip zögernd vor.

Khalim lächelte arrogant. „Doch, das tat sie.“ Mit Herzklopfen dachte er daran, wie sie in seinen Armen dahingeschmolzen war. Ihr Hunger schien durch lange Abstinenz gesteigert geworden zu sein.

Auch ihn hatte schon lange keine Frau mehr auf diese Weise erregt. Seit der Krankheit seines Vaters, als die Bürde des Amtes zum Großteil auf Khalims Schultern gelegt worden war, hatte er nur noch wenig Zeit für sein Vergnügen gehabt. Und keine Frau hatte ihn jemals auf diese Weise zu erregen vermocht.

Khalim schluckte. Er konnte ihren Duft immer noch an seiner Kleidung wahrnehmen. Es war unerträglich.

„Ich muss ein Bad nehmen“, stieß er hervor.

Er ließ einen Bediensteten ein Bad mit Duftöl aus Bergamotte einlassen. Als er allein war, entledigte er sich seiner seidenen Gewänder. Seine Haut glänzte so dunkel wie lange poliertes Holz. Die Muskeln verrieten Kraft und Stärke.

Sein Körper war schlank und straff, obwohl er noch nie ein Fitness-Studio betreten hatte. So einer narzisstischen Beschäftigung hätte sich ein Mann wie Khalim auch nicht hingegeben. Dennoch verrieten seine langen, muskulösen Beine, dass er sich viel bewegte.

Das Reiten war seine Leidenschaft und diente ihm zur Entspannung. Frei und ungebunden fühlte er sich, wenn er auf seinem geliebten Akhal-Teke-Hengst über die Salzebenen von Maraban ritt und den warmen Wind in seinem dunklen Haar spürte.

Er ließ sich in das Schaumbad sinken, bis sich die Spannung etwas löste. Dennoch musste er noch immer an die hellhäutige blonde Schönheit Rose Thomas denken. Allein bei der Erinnerung an ihr Aussehen ging ein Ziehen durch seinen Körper. Nur mit aller Willenskraft vermochte er seine Erregung zu unterdrücken.

Er überlegte, ob er sie mit Blumen umwerben sollte. Nachdenklich strich er sich über das Kinn. Es gab keine Frau auf der Welt, die kostbaren Edelsteinen widerstehen konnte.

Er lächelte, als er aus der runden Badewanne stieg. Winzige Tropfen glänzten wie Diamanten auf seiner makellosen Haut.

Er hatte keinen Appetit. Heute würde er ein paar der Unterlagen für anstehende, wichtige Regierungsgeschäfte durcharbeiten, die er aus Maraban mitgebracht hatte.

Er streifte sich ein weinrotes seidenes Gewand über. Dann ging er barfuß durch das riesige Wohnzimmer in sein Bürozimmer, wo Philip am Computer saß.

Er sah auf, als Khalim hereinkam.

„Sir?“

„Ich habe jetzt eine andere Aufgabe für dich. Finde heraus, wo Rose Thomas lebt und wo sie arbeitet.“

3. KAPITEL

Selbst nachdem sie ausgiebig geduscht und einen Kamillentee getrunken hatte, konnte Rose kaum schlafen. Dabei war die Woche lang und anstrengend gewesen.

Rose wälzte sich während des größten Teils der Nacht in ihren Kissen, ohne Schlaf finden zu können.

Sie verspürte ein leises Bedauern, wenn sie an die schwarzen Augen des Prinzen dachte. An den Blick, der unglaubliche Freuden versprach.

Sie blieb lange im Bett. Erst spät stand sie auf und zog sich gerade erst an, als sie Laras aufgeregte Stimme hörte.

„Rose, komm schnell!“

„Ich bin gleich bei dir.“

Rose zog sich eine alte Jeans und ein schlichtes blassblaues T-Shirt über. Als sie ins Wohnzimmer trat, streckte Lara ihr den üppigsten Blumenstrauß entgegen, den sie je gesehen hatte.

Ein Meer von gelben Rosen mit winzigen blauen Kornblumen leuchtete ihr entgegen. Der Duft erfüllte den ganzen Raum.

„Wow!“, rief Rose bewundernd aus. „Du Glückliche! Wer ist der geheime Verehrer?“

„Die Blumen sind doch nicht für mich, du Dummchen“, sagte Lara neidisch. „Auf der Karte steht dein Name.“

Mit zitternden Händen nahm Rose die Karte entgegen. Sie starrte auf die markante Handschrift.

„Willst du den Umschlag denn nicht öffnen?“, fragte Lara.

„Ich weiß genau, von wem er kommt“, sagte Rose. „Khalim hat ihn geschickt.“ Sie lächelte angestrengt. „Ich habe zwar auch ein paar nette Freunde gehabt, aber keiner von ihnen hätte so viel für einen Blumenstrauß ausgegeben.“ Schließlich siegte ihre Neugier, und sie schlitzte das Kuvert auf. Sie hatte sich nicht getäuscht.

Das zarte Gelb erinnert mich an Ihr Haar, das Blau an Ihre strahlenden Augen. Ich werde Sie um zwölf Uhr abholen. Khalim.

„Was für eine Frechheit!“, rief Rose wütend aus. „Wie kann er meinen, dass ich ihm zu einer bestimmten Zeit zur Verfügung stehe?“

„Du hast doch heute ohnehin nichts anderes vor“, wandte Lara verblüfft ein.

„Darum geht es nicht.“

„Worum dann?“

„Ich möchte nicht mit ihm ausgehen.“

„Ehrlich nicht?“

Rose hatte sich ihre Unabhängigkeit hart erkämpft. Khalim hätte ihr Selbstbewusstsein mit seiner mächtigen Sinnlichkeit leicht unterminieren können.

„Ein kleiner Teil von mir möchte es“, gab sie zu. „Aber der Rest hält es für eine schlechte Idee.“

Lara seufzte. „Wenn du nicht möchtest, könnte ich für dich einspringen.“

Rose war überrascht, wie eifersüchtig sie dieser Gedanke machte. Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin nur realistisch“, sagte sie stolz. „Ich bin nicht feige. Wenn ich Khalim einen zweiten Korb gebe, wird er immer noch nicht aufgeben. Er liebt die Jagd. Daher wird es besser sein, ich treffe mich mit ihm. Dann kann ich ihn davon überzeugen, dass ich nicht die Art Frau bin, die er haben will.“

„Und welche Art Frau sollte das sein?“, fragte Lara verwirrt.

„Eine Konkubine“, sagte Rose. Als Lara immer noch verwirrt wirkte, fügte sie noch hinzu: „Eine Frau, die mit ihm wie in einer Ehe lebt, bis er ihrer müde wird und sich eine neue sucht.“

„Du scheinst ihn nicht sehr zu mögen“, sagte Lara nachdenklich.

Das Problem war, dass sie ihn zugleich mochte und nicht mochte. Es lag an seiner sexuellen Anziehungskraft, die sie magisch anzog. Daran war sie nicht gewöhnt.

„Ich werde mich jetzt fertig machen“, sagte sie mit einem Blick auf ihre ausgebleichten Jeans.

„Und die Blumen?“

Rose wandte sich an der Tür noch einmal um. „Du kannst sie gern behalten, Lara“, sagte sie mit einem Lächeln.

Ihre Garderobe war bestens ausgestattet für alle Anlässe. Das erforderte ihre Arbeit. Doch für ein Date mit einem Prinzen war die schicke, elegante Kleidung vielleicht doch nicht extravagant genug.

Da sie sich um die Mittagszeit trafen, wählte sie eines ihrer teuersten, schlichtesten Kostüme aus. Es war ein nüchternes Kostüm aus kreideblauem Leinen und wirkte sehr englisch.

Rose warf ihr Haar zurück und schlang es zu einem französischen Zopf. Sie legte nur einen Hauch Make-up auf, dann klingelte es auch schon an der Tür. Sie holte tief Luft, um sich Mut zu machen, und ging in den Flur.

Doch vor der Tür stand nicht Khalim, sondern ein sehr großer dunkelhaariger Mann in einem tadellosen Anzug. Er schien ihre Überraschung vergnügt zu registrieren.

„Miss Thomas?“, fragte er sanft.

Sein Gesicht wirkte kühl und schön. Unter normalen Umständen hätte er ihr sicher gefallen.

„Das bin ich“, sagte sie schlicht.

„Prinz Khalim wartet im Wagen auf Sie“, sagte er leise. „Sind Sie fertig?“

Roses Gesicht verfinsterte sich. „Und wer sind Sie?“

„Ich heiße Philip Caprice. Ich bin der Abgesandte des Prinzen.“

„Wirklich?“ Rose richtete sich auf. „Hielt der Prinz es für unhöflich, mich selbst abzuholen?“

Philip Caprice unterdrückte ein Lächeln. „Es ist für den Prinzen üblich, dass ich Sie abhole.“

„Für mich ist es aber nicht normal!“, entgegnete Rose wütend. „Wenn er nicht aus dem Auto steigen möchte, möchte ich auch nicht die Treppe herunterkommen.“

Philip Caprice runzelte die Stirn. „Bitte …“

Rose schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid“, sagte sie fest. „Ich weiß, dass Sie nur Ihre Arbeit tun. Aber die Einladung Ihres Chefs lässt eine Menge zu wünschen übrig. Es wäre höflicher gewesen, wenn er mich angerufen hätte, um den Termin abzustimmen, anstatt ihn mir einfach mitzuteilen. Entweder kommt er herauf, oder ich bleibe hier.“

Philip Caprice nickte. Er schätzte ihre Entschlossenheit richtig ein.

„Ich werde es ihm mitteilen“, sagte er. „Vielleicht könnten Sie die Tür offen lassen?“

„Zu läuten wäre wohl zu viel der Mühe?“, entgegnete sie heftig, dennoch tat sie wie geheißen.

Sie blickte ihm einen Moment nach, dann ging sie zurück ins Wohnzimmer. Lara hatte voller Faszination dem Wortwechsel gelauscht.

„Ach, Rose“, flüsterte sie bewundernd. „Jetzt hast du es geschafft. Er wird gleich abfahren.“

„Das hoffe ich doch sehr“, erwiderte Rose kühl.

„Wirklich?“, warf eine tiefe, samtige Stimme hinter ihr ein. Rose drehte sich um. Khalim stand mit glänzenden schwarzen Augen vor ihr.

„Ja, das hoffe ich“, sagte sie atemlos. Ihr Herz zog sich in der Brust zusammen bei seinem heutigen Aussehen.

Er trug anstelle der wallenden Gewänder einen hervorragend geschnittenen Anzug in Anthrazitgrau. Es war ein moderner Anzug mit einem Stehkragen, der die exotische Perfektion seines Gesichts unterstrich. Der Anzug überließ auch nichts der Vorstellungskraft, was die harte, schlanke Gestalt darunter betraf.

Seine Schultern wirkten breiter, während die Hüften athletisch schmal waren. Die muskulösen Beine schienen endlos lang zu sein.

„Sie möchten, dass ich gehe?“, fragte er mit weicher Stimme.

„Das wäre wahrscheinlich das Beste“, entgegnete sie wahrheitsgemäß.

„Aber Sie haben sich für das Mittagessen angekleidet“, bemerkte er.

„Ja, das stimmt.“

„Dann wäre die ganze Mühe umsonst gewesen.“

„Es war keine Mühe.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Ich habe nur wenige Minuten gebraucht, um mich umzuziehen.“

„Ich fühle mich geschmeichelt“, sagte er trocken.

„Ich bin es nicht gewohnt, dass mich ein Mann nicht selbst abholt, sondern seinen Diener schickt.“

Seine Augen wirkten plötzlich steinern. „Philip ist kein Diener“, sagte er kühl. „Er ist mein Abgesandter.“

„Lassen Sie uns nicht über Worte streiten“, entgegnete sie. „Wieso sind Sie nicht selbst gekommen?“

Khalim seufzte. Sein Leben lang war jede Frau zu ihm gekommen, wenn er nur mit dem Finger geschnippt hatte. Und wenn sie nicht angerannt kam, war sie doch zumindest schnell gegangen.

„Jetzt bin ich ja hier“, sagte er so bescheiden wie noch nie. Rose Thomas war es zuzutrauen, dass sie ihn ganz abwies. Er begehrte sie inzwischen viel zu sehr, als dass er sich das auch nur vorstellen wollte.

Er wandte sich an die Brünette mit den Locken, die ihn vom anderen Ende des dunkelrot gestrichenen Raumes erstaunt ansah. Er lächelte ihr zu.

„Khalim“, sagte er mit einer angedeuteten Verbeugung.

Rose war wütend, weil Lara buchstäblich wie Wachs zerging. Doch ein Mann solchen Kalibers war auch noch nie in dieser Wohnung gewesen.

„Lara Black“, stotterte Lara. „Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen, Khalim.“

Rose befürchtete, dass sich ihre Mitbewohnerin jede Sekunde vor Khalim auf den Boden werfen könnte. Daher wandte sie sich wieder an Khalim, der sie genau musterte.

„Sollen wir gehen?“, fragte er ruhig.

Es gab keinen Weg zurück, und im Moment wollte sie auch nur dieses eine Mittagessen mit diesem wunderbaren Mann einnehmen. Bei der Gelegenheit würde sie ihm beweisen, dass sie es mit ihm aufnehmen konnte. Sie würde nicht vor seinem Zauber kapitulieren.

Es war nur ein Mittagessen.

„Schön“, sagte sie so ruhig wie er.

Khalim musste ein Lächeln unterdrücken. Die kühle Zusage konnte man zwar kaum als Sieg betrachten. Dennoch durchpulste ihn wieder der hitzige, ruhelose Rhythmus, bis seine Sinne von neuem erwachten.

„Dann kommen Sie, Rose“, sagte er und wies sie an, ihm vorauszugehen.

Im Flur hielt er jedoch noch einmal inne. Rose erschrak, als sie sich umdrehte. Er war ganz nahe in dem schmalen Raum. Sie hätte ihn mit ausgestreckter Hand berühren können. Sein wie gemeißelt wirkendes Kinn mit dunklem Bartansatz lud sie geradezu dazu ein. Sie schluckte.

Khalim triumphierte. Es stand um sie also genauso wie um ihn. Sie begehrte ihn. Er bemerkte die Anspannung in ihrer steifen Haltung. Ihre Augen blickten hilflos.

„Also“, sagte er mit heiserer Stimme. „Wohin möchten Sie gehen?“

„Haben Sie noch nicht reserviert?“, fragte Rose überrascht. Sie hätte gedacht, dass er einen der besten Tische in einem der besten Restaurants reservieren lassen würde. Denn sonntags war für gewöhnlich in den Lokalen viel Betrieb.

„Nein“, sagte er mit einem Kopfschütteln.

„Dann wird die Wahl etwas eingeschränkt sein.“

„Ich glaube kaum. Ich muss nie reservieren“, erklärte er. Es klang zum ersten Mal in seinem Leben fast entschuldigend.

Rose begann zu verstehen, was es hieß, mit einem Prinzen auszugehen. „Gut, das ist einer der Vorteile, die das Leben eines Prinzen mit sich bringt.“

„Das stimmt.“ Er erwiderte ihr Lächeln. „Wo möchten Sie also essen?“

Rose war nicht ohne Grund erfolgreich in ihrem Beruf. Ihre Menschenkenntnis half ihr, sich gegen die starke Konkurrenz in der Wirtschaft zu behaupten. Für Khalim musste Luxus die zweite Natur sein. Vielleicht langweilte ihn das inzwischen ein wenig.

„Es gibt ein italienisches Restaurant in der Nähe, das Pronto. Es befindet sich in der Sutton Street“, sagte sie. „Dort gibt es einfaches, aber gutes Essen. Für gewöhnlich bekommt man ohne Probleme einen Tisch.“

Er war angenehm überrascht, da er erwartet hatte, dass sie ein teures Szenelokal aussuchen würde. „Dann lassen Sie uns aufbrechen“, murmelte er.

Auf dem Weg zum Auto sah Khalim wie hypnotisiert auf ihre Schultern und das geflochtene Haar, dessen heller Goldton ihn im ersten Augenblick, als er sie gesehen hatte, für sie eingenommen hatte.

Der Wagen war beeindruckend luxuriös. Die große, schwarz glänzende Limousine verbarg die Insassen hinter getönten Scheiben und wurde von einem Chauffeur in Livree gesteuert. Dieser sprang bei ihrer Ankunft heraus, um den Wagenschlag zu öffnen.

„Bring uns zum Pronto“, sagte Khalim. „In der Sutton Street.“ Der Chauffeur senkte respektvoll den Kopf.

Rose stieg ein, Philip nahm vorn neben dem Chauffeur Platz. Neben ihm saß ein stämmiger Mann in dunklem Anzug. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Bodyguard.

Der Wagen schob sich langsam durch die verkehrsreichen Straßen, bis er vor einem Restaurant mit riesiger italienischer Flagge zum Halten kam.

„Lebhaft“, bemerkte Khalim leise, als der Chauffeur ihnen die Tür öffnete.

„Wird uns Philip nicht begleiten?“, fragte Rose.

Khalim musste einen Anflug von Eifersucht unterdrücken. Er konnte nicht glauben, dass sein attraktiver Abgesandter für sie anziehender war als er.

„Nein, er wird nicht mitkommen.“

Erschrocken bemerkte Rose, wie erleichtert sie über diese Antwort war. Sie schüttelte ihre Besorgnis jedoch für den Augenblick ab. „Das ist für mich in Ordnung“, sagte sie leichthin.

Im Restaurant herrschte eine ausgelassene Stimmung. Es ertönte italienische Musik im Hintergrund.

Die Kellnerin warf Khalim einen bewundernden Blick zu. „Haben Sie reserviert?“, fragte sie.

Khalim schüttelte den Kopf. „Können Sie einen Platz für uns finden?“

„Sicher!“ Die Kellnerin lächelte und blinzelte ihm zu.

Rose sah nervös zu Khalim hinüber. Hoffentlich würde er über die Vertraulichkeit der Frau nicht wütend sein.

Doch Khalim schien es zu genießen, dass hier niemand ahnte, wer er war. Auch Rose schien entspannt zu sein, obwohl sie in dem Leinenkostüm wie eine eisige Lady wirkte.

„Danke“, murmelte er.

Etwas in der Art, wie er sprach, ließ die Kellnerin aufhorchen. Sie führte die beiden an den besten Tisch des Lokals.

Es war der einzige Tisch, der etwas abseits der anderen stand.

Erst als sich beide gesetzt hatten, sprach er wieder.

„War dies eine Art Test, süße Rose?“, fragte er.

Sie sog wieder den berückenden Duft von Sandelholz ein. „Wieso Test?“

„Haben Sie gedacht, dass ich vor so einem spartanischen Ort zurückschrecken würde?“

Sie sah ihn erstaunt an. „Sie sind zwar ein Prinz, aber muss ich Sie deshalb gleich für einen Snob halten, Khalim?“

Eine solche Widerrede war unerhört. Er hätte sie von niemandem geduldet. Doch Roses spöttischer Ton war etwas anderes. So akzeptierte Khalim zu seinem Erstaunen die Bemerkung als berechtigten Einwand.

„Das beantwortet aber nicht meine Frage“, sagte er leise.

„Ich dachte, dass Sie schicke Restaurants bereits zur Genüge kennen“, gab sie zu. „Auch Luxus kann etwas anstrengend werden, wenn man ihn dauernd genießt. Daher wollte ich Sie zu einem Ort bringen, an dem Sie mit großer Wahrscheinlichkeit nie gegessen hätten, wenn Sie die Wahl gehabt hätten“, schloss sie.

„Das war sehr einfühlsam, Rose“, sagte er.

Das Kompliment gefiel ihr besser, als gut für sie war. „So bin ich eben“, sagte sie wegwerfend. Dann nahm sie die Karte auf, um ihr Essen auszuwählen. „Sollen wir bestellen?“

Er blickte sie wütend an. Noch niemals hatte ihn eine Frau so behandelt. Sie hatte auf seine Entscheidungen zu warten. Dennoch erhitzte ihn ihr Widerstand merkwürdigerweise.

Sie wandten sich unaufmerksam den Speisekarten zu. Schließlich bestellten sie Salat und Fisch.

„Möchten Sie Wein?“, fragte Khalim. „Oder lieber Champagner?“

„Sie trinken doch nur selten Alkohol“, entgegnete Rose. „Bitte nur ein Mineralwasser für mich.“

„Wie wäre es mit einem Früchtepunsch?“, schlug die Kellnerin vor.

Rose setzte bereits zu einer Entgegnung an, als sie Khalims funkelnde Augen bemerkte. Gehorsam blieb sie stumm.

„Früchtepunsch“, orderte er. In Gedanken war er bereits dabei, Rose im Bett zu unterwerfen.

Als sie wieder allein waren, fühlte sich Rose unter seinem scharfen Blick unbehaglich.

„Müssen Sie mich so anschauen?“

„Wie denn?“, neckte er sie.

Als ob er sie langsam ausziehen und ihren ganzen Körper mit Küssen bedecken wollte. Rose bebte vor Erregung. „Ich brauche es Ihnen nicht zu sagen. Das ist unverschämt.“

„Eine hinreißende Frau zu bewundern? Rose, Rose, Rose …“ Er schüttelte nachsichtig den Kopf. „Welche Männer haben Sie vor mir gekannt, dass diese Ihre Schönheit nicht bewundert haben?“

„Höfliche Männer“, entgegnete sie.

„Da haben Sie aber großes Pech gehabt.“ Als er ihren Zorn bemerkte, wich er aus. „Werden wir während des gesamten Essens miteinander streiten?“

Rose spürte plötzlich Verzweiflung. Es war besser zu streiten, als seine bewundernden Blicke zu spüren. Aber auch der Streit ließ die Spannung zwischen ihnen wachsen. „Natürlich nicht“, sagte sie lächelnd. „Also, worüber möchten Sie sprechen?“

Das hört sich an, als ob sie mit mir ein Einstellungsgespräch führt, dachte Khalim fassungslos. Inzwischen hätte sie ihm längst aus der Hand fressen müssen. „Sind Sie immer so zurückhaltend mit Männern?“

„Zurückhaltend?“, fragte Rose nachdenklich. „Sie sind es wohl nur nicht gewohnt, dass eine Frau nicht wie ein Püppchen zu Ihren Füßen liegt.“

„Der Vergleich trifft die Sache nicht ganz, süße Rose“, murmelte er spöttisch.

Rose bemerkte erschrocken, dass sie wieder rot wurde.

Auch Khalim bemerkte es. „Sie sind wirklich empfindlich.“

Doch das war sie nur in seiner Gegenwart. „Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin erwachsen und blicke realistisch in die Welt. Ich habe einen anstrengenden Job. Wenn ich mit so einer kleinen Neckerei nicht fertig würde, wäre ich meiner Arbeit nicht mehr gewachsen.“ Doch im Moment hatte sie wirklich das Gefühl, die Sache würde ihr über den Kopf wachsen. „Vielleicht war ich so zurückhaltend, weil ich angenommen habe, dass die meisten Frauen Ihnen die Führung überlassen.“

„Sie sind wirklich sehr einfühlsam“, überlegte er. „Es ist sehr erfrischend, mit einer Frau zusammen zu sein, die …“

„Ihnen widerspricht?“

Er nickte, obwohl er etwas anderes hatte sagen wollen. Doch es hätte nicht gut geklungen, dass er in seinen früheren Beziehungen keine so guten Gespräche geführt hatte.

Die Kellnerin brachte die Gläser mit Früchtepunsch. Beide nippten kurz an den Getränken, bevor sie sie ungeduldig wieder auf den Tisch stellten.

Rose beugte sich vor. „Wo waren wir?“

Khalim fühlte sich unter dem Blick ihrer klaren blauen Augen ganz benommen. Er war sich nicht sicher, doch mit etwas Mühe nahm er seine Gedanken zusammen. „Es ist an der Zeit, uns besser kennenzulernen. Einer von uns stellt die Fragen, der andere antwortet.“

„Okay.“ Rose nickte. „Wer beginnt?“

Dem Gesetz nach war das sein Vorrecht. Er fing immer an. Doch nun wünschte er, ihr den Vortritt zu lassen. „Sie fangen an.“

Rose lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Sie verbrachte die meiste Zeit ihres Lebens damit, Menschen zu befragen. Daher wusste sie, dass er wahrscheinlich häufig gefragt wurde, wie es war, ein Prinz zu sein. Stattdessen stellte sie eine andere Frage. „Erzählen Sie mir von Maraban.“

Khalim zuckte zusammen. Sie hätte ihm keine intimere Frage stellen können. Denn das Land, in dem er geboren war und das er erben würde, bedeutete Khalim mehr als alles andere auf der Welt.

„Maraban“, sagte er gerührt. „Würden Sie mir glauben, Rose, wenn ich Ihnen sagte, dass es das schönste Land der Welt ist?“

Als er sie lächelnd anblickte, hätte sie ihm alles geglaubt. „Ich würde es glauben“, sagte sie nachdenklich. „Erzählen Sie mir davon.“

„Es liegt im Herzen des Mittleren Ostens“, begann er zögernd, doch ein Blick auf ihre weich geschwungenen Lippen ließ die Worte flüssiger hervorströmen.

Rose hörte gebannt zu. Er beschrieb ihr einen fernen, magischen Ort. In diesem Land gab es Feigen und wilde Walnussbäume. An den Berghängen erhoben sich Wacholder und Pistazienbäume. Dichtes Gebüsch wucherte entlang der Flussläufe. Er erzählte von Schakalen, Wildschweinen und seltenem Rotwild. Die Winter waren eisig, die Sommer heiß. In diesem Land, das reich an wilder Schönheit war, gab es starke Kontraste.

Rose erschrak, als er zu reden aufhörte. Das Essen war serviert und kalt geworden, ohne dass sie darauf geachtet hatten. Sie sah ihn an.

„Es scheint ein wunderschönes Land zu sein“, sagte sie ergriffen.

Khalim fiel auf, dass sie wirklich beeindruckt schien. Hatte er tatsächlich vor dieser Frau, die er noch kaum kannte, so offen gesprochen? Er wies auf die noch unberührten Teller vor ihnen.

„Wir sollten zumindest ein wenig essen“, sagte er. „Sonst wird der Koch beleidigt sein.“

Rose griff nach ihrer Gabel. Sie hatte noch nie in ihrem Leben weniger Appetit gehabt. Sie konnte sich nicht auf das Essen konzentrieren, solange dieser schöne Mann einen viel elementareren Hunger in ihr weckte.

„Ja, wir sollten etwas essen“, pflichtete sie ihm halbherzig bei.

Sie stocherten abwesend in dem delikaten Essen herum.

„Erzählen Sie mir etwas von sich, Rose“, wies er sie leise an.

„Essex wirkt nach Maraban wahrscheinlich langweilig“, wandte sie ein. Doch er schüttelte den Kopf.

„Erzählen Sie mir davon.“

Sie berichtete, wie sie in einem kleinen Dorf aufgewachsen war. Wie sie damals Kaulquappen in Marmeladegläsern gefangen hatte, in Baumhäusern herumgeklettert war und in der Hängematte zwischen zwei Apfelbäumen im hinteren Teil des Gartens gelegen hatte. Ihr Vater hatte ihr zum achten Geburtstag ein lebensgroßes Puppenhaus neben dem Apfelbaum gebaut. „Ein ganz gewöhnliches Leben“, schloss sie.

„Sie sollten das nie schlecht machen“, sagte er trocken.

„Nein.“ Auf einen Schlag wurde ihr klar, dass ihm dieses gewöhnliche Leben immer vorenthalten worden war.

„Haben Sie Geschwister?“, fragte Khalim plötzlich.

Sie legte die Gabel nieder. Er schien wirklich aus Interesse zu fragen. „Nur einen älteren Bruder“, sagte sie. „Und Sie?“

„Ich habe zwei Schwestern“, erwiderte er lächelnd. „Beide sind jünger als ich.“

„Dann werden Sie eines Tages Maraban erben?“, fragte Rose.

„Ich hoffe, dass dieser Tag noch fern ist“, sagte er abweisend. Sie hatte mit dieser Frage einen wunden Punkt berührt. Sie hatte ihn an Dinge erinnert, die er am liebsten vergessen hätte. Die Gesundheit seines Vaters war angeschlagen. Die Ärzte hatten ihm gesagt, dass er wahrscheinlich dieses Jahr nicht überleben würde. Daher musste schnell eine Frau für Khalim gefunden werden.

Sein Gesicht verfinsterte sich, als er sein blondes Gegenüber musterte. Wenn er einmal verheiratet war, würden sexuelle Spielereien mit Frauen wie Rose Thomas unterbleiben müssen.

Khalim hielt den Atem an, als Rose sich zurücklehnte. Die weiche Rundung ihrer Brüste zeichnete sich unter dem steifen Leinen ihres Kostüms ab. Sie hätte ihren Körper nicht besser verbergen können als mit diesem Kostüm, dachte Khalim frustriert. Dennoch hatte es die gegenteilige Wirkung auf ihn.

In Maraban kleideten sich die Frauen bescheiden. Das war schon immer so gewesen. Khalim war daran gewöhnt, dass sich westliche Frauen in kurzen Röcken oder Jeans zeigten, die eng am Leib lagen.

Doch Rose hatte die Mitte perfekt getroffen. Sie wirkte ordentlich angezogen, dennoch keineswegs wie eine Vogelscheuche. Sie war zeitgemäß schick und überaus sexy.

Erneut ergriff ihn das Verlangen. Er musste sein Bedürfnis stillen, bevor es ihn verrückt machte. Je eher er sie haben konnte, umso früher würde er sie sich aus dem Kopf schlagen können. „Sollen wir gehen?“, fragte er mit rauer Stimme.

Rose sah ihn an. Die schwarzen Augen schienen noch dunkler als sonst. Sie wusste, warum. Sie spürte sein Verlangen. Plötzlich wurde ihr Mund trocken. Sie ahnte, was als Nächstes auf der Tagesordnung stand. Sie musste ihm widerstehen. Er war zu mächtig und bei weitem zu attraktiv. Sie wollte nicht eine in der Reihe der Frauen sein, die in Khalims Bett gelandet waren.

„Aber sicher“, sagte sie mit einem Lächeln. „Ich habe in meiner Wohnung noch einiges zu erledigen.“

Er überhörte es geflissentlich, obwohl ihn die Bemerkung ebenso erregte wie wütend machte. In wenigen Augenblicken würde sie sich zugänglicher zeigen. Er hatte die Zeichen richtig gedeutet.

Rose Thomas begehrte ihn so sehr, wie er sie begehrte.

Er erhob sich. Philip erschien fast augenblicklich in der Tür des Restaurants.

„Kommen Sie“, sagte Khalim.

„Wollen Sie die Rechnung nicht begleichen?“

„Philip wird sich darum kümmern.“

Rose ging zum Wagen. Der Chauffeur hielt bereits die Tür auf. „Ich nehme an, dass Ihnen alles von irgendjemandem abgenommen wird, Khalim“, sagte sie amüsiert. Doch statt einer Antwort versperrte er ihr den Weg. Sie sah in seinen Augen sexuelles Verlangen glimmen.

„Ich habe noch nie mein Recht in Anspruch genommen, gebadet zu werden“, erwiderte er leise.

„Ihr Recht?“, lautete die ungläubige Gegenfrage.

„Natürlich. Alle Prinzen von Maraban haben einen Herrn oder eine Herrin der Badegemächer.“ Er zuckte mit den Achseln, als er ihr verständnisloses Gesicht sah. Ihr halb geöffneter Mund lud ihn zu einem Kuss geradezu ein.

„Wo sollen wir nun hinfahren, Rose?“, fragte er mit verführerischer Stimme. „Möchten Sie zurück zu Ihrer Arbeit? Oder zusammen mit mir im Granchester einen Kaffee einnehmen?“

Letzteres sagte er so zögerlich, dass an seinen Absichten kein Zweifel blieb. Rose spürte die Versuchung, dennoch entschied sie sich zum Selbstschutz. Es war auch ihr Stolz, der sie vor einer Affäre zurückhielt. Er hatte sie nur einmal zum Mittagessen eingeladen und erwartete bereits, dass sie bereitwillig mit ihm ins Bett ging.

„Bitte nach Hause“, sagte sie. Khalim sah sie für einen Moment verblüfft an. „Ich habe noch einen Berg Arbeit vor mir.“

4. KAPITEL

Die Sprechanlage auf ihrem Schreibtisch summte und riss Rose aus einem Tagtraum, in dem sie ein dunkelhaariger Mann in Seidengewändern auf ein Bett legte …

„Hallo?“, sagte sie leise.

„Rose?“, fragte die Stimme ihrer Chefin Kerry MacColl. „Ich bin es, Kerry.“

„Hallo, Kerry.“

„Es gibt aufregende Neuigkeiten, deshalb muss ich mit dir reden. Kannst du einen Augenblick herüberkommen, bitte?“

„Aber sicher.“ Rose schob das Formular zurück, das sie vor sich liegen hatte, und ging über den Flur zu Kerrys Zimmer hinüber.

„Headliners“ war eine der erfolgreichsten kleinen Agenturen für die Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft. Rose arbeitete schon seit zwei Jahren dort. Sie waren auf die Vermittlung von Leuten innerhalb der Werbebranche spezialisiert. Junges Personal, Dynamik und die individuelle Vorgehensweise begründeten den hervorragenden Ruf der Firma, die von ihren talentierten, aber oft eigenwilligen Kunden hoch geschätzt wurde.

Die Geschäftsräume lagen in Maida Vale in einem hübsch umgebauten ehemaligen Kutscherhaus und waren bewusst so gestaltet worden, dass das Ambiente eher einer Wohnung als einer Arbeitsstelle entsprach. Die Firmenphilosophie besagte, dass in einer entspannten Umgebung Menschen bessere Leistung erbringen konnten. Die Praxis schien diese Theorie bestens zu bestätigen.

Kerry saß am Schreibtisch, als Rose einfach wie üblich ohne anzuklopfen ins Zimmer trat. Obwohl Kerry ihre Chefin war, war sie nur ein paar Jahre älter als Rose. Sie hatte nie auf die Hierarchie gepocht, weil die acht Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Headliners ohnehin im Team arbeiteten.

Nun sah sie von ihren Papieren auf. „Hi!“

Rose erwiderte ihr Lächeln. „Du wolltest mit mir sprechen.“

Kerry nickte. „Wie geht es dir, Rose?“

Rose zwang sich zu einem freundlichen Lächeln. „Ausgezeichnet.“ Es ging ihr wirklich ganz gut, einmal davon abgesehen, dass sie die ganze Woche über an Khalim gedacht hatte.

Sie hatte bereits eine Verdrängungstherapie versucht, indem sie sich fieberhaft in Aktivitäten gestürzt hatte. Sie hatte einen Frühjahrsputz in ihrem Schlafzimmer veranstaltet, obwohl es schon auf den Herbst zuging. Sie war ins Kino und ins Theater gegangen. Sie war bei der Eröffnung einer Ausstellung avantgardistischer Kunst gewesen und hatte ihre Eltern in deren weitläufigen alten Bauernhaus besucht.

Dennoch gab es eine große Lücke in ihrem Leben.

Kerry sah sie fragend an. „Bist du sicher?“, fragte sie sanft. „Du hast diese Woche etwas blass gewirkt. Du scheinst auch abgenommen zu haben.“

Einen Moment überlegte Rose, ob sie sich ihrer Chefin anvertrauen sollte. Doch sie hielt Arbeit und Privatleben lieber streng getrennt. „Ach, komm. Nenn mir eine Frau, die nicht abzunehmen versucht“, scherzte sie.

„Das stimmt“, sagte Kerry und wies auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch.

„Danke.“ Rose wurde langsam neugierig. Kerry schien ganz aus dem Häuschen zu sein, also musste es sich um eine wirklich große Sache handeln.

„Ich habe eben mit einem Klienten zu Mittag gegessen …“

„Wie schön für dich. Ich musste mich mit einem langweiligen Sandwich am Schreibtisch begnügen.“ Das meiste davon war ohnehin in den Abfalleimer gewandert.

Kerry holte tief Luft. „Es war der überraschendste Klient, den du dir vorstellen kannst.“

„So?“

„Was würdest du sagen, wenn ich dir jetzt erzähle, dass wir von einem …“ Kerry zögerte, bevor sie ungläubig das Wort ausstieß. „… Prinzen engagiert worden sind?“ Kerry lehnte sich triumphierend in ihrem Sitz zurück und sah Rose neugierig an.

Rose kam sich wie in einem Theaterstück vor. Nur, dass sie den Fortgang der Handlung nicht kannte. Ihr Herz pochte heftig, obwohl sie noch auf einen Zufall hoffte. „Ein Prinz?“, fragte sie und musste nervös schlucken.

„Ich weiß“, sagte Kerry vertrauensvoll, weil sie die erstickten Worte falsch interpretierte. „Ich habe auch eine Weile gebraucht, bis ich es glauben konnte. Ich war wirklich einen Moment sprachlos.“

„Wohl zum ersten Mal“, kommentierte Rose trocken. „Und was hat er gewollt?“

„Etwas Seltsames.“ Kerry spielte mit einem Füller. „Er wollte dich.“

„Mich?“, kreischte Rose auf. „Was meinst du damit?“

Kerry runzelte die Stirn. „Beruhige dich, Rose. Ich meinte es nicht so, wie es sich angehört hat!“

Aber er hatte es fraglos so gemeint.

„Wie heißt er?“, fragte Rose schnell. Vielleicht war es doch ein seltsamer Zufall.

„Khalim“, sagte Kerry mit einem zärtlichen Gesichtsausdruck. „Prinz Khalim. Ist das nicht ein schöner Name?“

„Sehr schön“, wiederholte Rose schwach. „Und was wollte er?“

„Er wollte, dass unsere Agentur für ihn zur Tat schreitet. Genauer gesagt“, sagte Kerry, „er fragte ganz gezielt nach dir.“

„Weißt du, warum?“

„Oh ja“, sagte Kerry fröhlich. „Er hat mir gesagt, dass er gehört hätte, du seist der beste Headhunter in der ganzen Stadt, und er pflege nur die Besten zu nehmen.“

Rose schüttelte verwirrt den Kopf. „Heißt das, dass er in der Werbung arbeitet?“

Autor

Trish Morey
Im Alter von elf Jahren schrieb Trish ihre erste Story für einen Kinderbuch- Wettbewerb, in der sie die Geschichte eines Waisenmädchens erzählt, das auf einer Insel lebt. Dass ihr Roman nicht angenommen wurde, war ein schwerer Schlag für die junge Trish. Doch ihr Traum von einer Karriere als Schriftstellerin blieb....
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Sarah Morgan
<p>Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 21 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen.</p>
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Sharon Kendrick
Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr. Sharon träumte davon, Journalistin zu werden,...
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