Baccara Collection Band 478

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DIESES VERRÄTERISCHE VERLANGEN von NIOBIA BRYANT

Schon als er vor ihrer Tür steht, wird Alisha fast schwach! Privatdetektiv Tremaine Knowles ist einfach verboten sexy. Doch egal, wie erregend sie ihn findet – er hat sie im Auftrag der Del Rios aufgesucht. Und die sind seit Ewigkeiten mit ihrer Familie verfeindet!


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  • Erscheinungstag 30.11.2024
  • Bandnummer 478
  • ISBN / Artikelnummer 0855240478
  • Seitenanzahl 384

Leseprobe

Niobia Bryant

1. KAPITEL

Es klingelte an der Tür.

Alisha Winters, die gerade durchs Foyer ihres geräumigen Hauses lief, blieb stehen und blickte auf die zweiflügelige Eingangstür. Sie erwartete niemanden, aber da sie aus einer großen Familie mit vier Geschwistern stammte, war ein spontaner Besuch nicht auszuschließen. Sie überprüfte nicht die App auf ihrem Handy, die mit dem neuen Sicherheitssystem verbunden war. Sie hatte es vor Kurzem im ursprünglichen Winters-Anwesen installiert, das sie von ihrer Großmutter Gloria geerbt hatte. Als sie zu den Fenstern neben der Haustür ging, klirrten die vier herzförmigen Medaillons ihres antiken Bettelarmbandes.

Ein großer, kräftig gebauter Mann mit schokoladenbraunem Teint, kurz geschnittenem schwarzen Haar und der Andeutung eines Barts stand auf der Veranda unter dem Metallvordach. „Meine Güte“, flüsterte sie und ihr Herz schlug ein wenig schneller, als sie sein markantes Profil betrachtete und die Art, wie seine dunklen Jeans und die Lederjacke seinen schlanken, muskulösen Körper betonten.

Er war ein Fremder. Ein sexy Fremder.

Als er sich in ihre Richtung drehte und sie erblickte, weiteten sich seine Augen vor Überraschung.

Alisha schnappte nach Luft.

Sein Profil hatte nur ahnen lassen, wie gut er aussah. Er hatte markante Gesichtszüge mit ausgeprägten, hohen Wangenknochen, einem energischen Kinn und einer schmalen Nase. Seine dunklen Augen waren von dichten Wimpern umgeben, der Blick intensiv. Und sein Mund war …

Zum Knutschen.

Sie leckte sich die Lippen.

Der Mann – der etwas von einem Krieger hatte – winkte ihr kurz zu und lächelte.

Sie seufzte.

Es war seit Jahren das erste Mal, dass ein Mann so schnell solch eine Wirkung auf sie hatte.

Alisha trat vom Fenster zurück und griff nach einem der schmiedeeisernen antiken Türgriffe. Bevor sie die Tür öffnete, strich sie sich mit der freien Hand das schwarze, lockige Haar zurück. Der Herbstwind wehte hinein und trug einen Hauch seines warmen, würzigen Duftes mit sich.

Er wird immer besser.

„Hallo, Alisha“, sagte er, die Stimme tief und wohlklingend, als er die Hand ausstreckte.

Sie wollte sie ergreifen und spüren, ob er sich so gut anfühlte, wie er aussah, hielt aber im letzten Moment inne. „Kennen wir uns?“

Ihr wurde bewusst, dass sie fast einen Fremden in ihr Haus gelassen hätte. Sie straffte ihren Rücken, umklammerte die Türklinke und fragte sich, ob sie sein perfektes Gesicht mit einem blauen Auge und eine aufgeplatzte Lippe verunstalten sollte. Sie wäre dazu in der Lage.

Seine Augen weiteten sich, als hätte er ihre Gedanken gelesen oder eine Regung in ihrem Gesicht gesehen. Er hielt beide Hände hoch. „Ich bin Tremaine Knowles von Knowles Threat Solutions“, sagte er und schenkte ihr ein weiteres Lächeln – diesmal, um sie zu beruhigen.

Es misslang.

„Nun, Tremaine Knowles von Knowles Threat Solutions“, sagte sie und zog eine Augenbraue hoch, als sie ihm in die Augen sah. Sie merkte, dass ihr der Blickkontakt einen Schauer über den Rücken jagte. „Was machen Sie auf meiner Veranda, und woher kennen Sie meinen Namen?“

„Ich bin Privatdetektiv und Sicherheitsexperte und wurde beauftragt, den Fund des Schmucks auf diesem Grundstück zu untersuchen.“

Alishas Magen zog sich zusammen, und sie sah an ihm vorbei zu dem knallroten GMC Sierra Pick-up, der neben ihrem sil-berfarbenen 1955er Porsche 356 Speedster parkte. Vermutlich sein Wagen.

Das Erbstück der Familie Del Rio.

Sie zuckte zusammen. Ihr jüngster Bruder Marcus und Jessica Drummond, seine Verlobte, waren auf ein schockierendes Familiengeheimnis gestoßen – das unbezahlbare Collier aus Diamanten, Rubinen und Smaragden. Sie hatten es in einem verborgenen Kellerraum des Familienanwesens aus den 1920er Jahren gefunden. Aber Marcus, Jessica und Alisha hatten bezüglich des Fundorts wegen eines Briefs gelogen, den sie dort auch noch gefunden hatten.

Alle Familien hatten Geheimnisse. Der Brief war ihr Geheimnis.

Alisha atmete schwer aus.

„Darf ich ein paar Fragen stellen? Gibt es zum Beispiel etwas, was Sie uns über die Kette erzählen möchten, Alisha?“, fragte Tremaine.

Ihr Körper versteifte sich. Vor Empörung. Vor Verärgerung. Und einem leichten Anflug von Schuldgefühlen. „Wer hat Sie engagiert?“, fragte sie und richtete den Blick wieder auf ihn.

„Die Del Rios“, sagte er.

Ein Feind also. Verdammt sexy. Aber ein Feind.

„Gibt es einen Grund, warum Sie glauben, dass ich Ihnen Informationen geben muss?“ Ihr war bewusst, wie kalt sie klang. „Und für Sie immer noch Miss Winters.“

Er lächelte. Es wirkte gezwungen, aber trotzdem betörend. „Ich gehe davon aus, dass Sie Ihren Namen im ‚Diamond Gate‘ reinwaschen wollen, Miss Winters“, erwiderte er.

Alisha hasste den Namen, den die Presse dem ganzen Fiasko gegeben hatte. Sie richtete sich ein wenig auf. „Meinen Namen reinwaschen?“, fragte sie und kämpfte gegen den Drang an, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen.

Tremaine nickte und blickte demonstrativ auf den Briefschlitz in der Doppeltür. „Die Kette soll hier durchgeschoben worden sein“, sagte er. „Darf ich reinkommen?“

Alisha schüttelte den Kopf.

Er nickte verständnisvoll. „Ihr Bruder Marcus hat den Umschlag gefunden, nachdem er durch den Briefschlitz geworfen wurde. Richtig?“

Ja. Das war jetzt die offizielle Version, an die auch sie sich halten musste.

Alles wegen eines Briefes, in dem ihre Urgroßmutter Eliza Winters, geborene Boudreaux, reumütig gestand, das Collier der Familie Del Rio, das sich als Leihgabe in einem Pariser Museum befand, heimlich gestohlen zu haben. Das war, bevor sie Teddy Winters geheiratet hatte, nachdem sie seinen Rivalen Fernando Del Rio vor dem Altar hatte stehen lassen. Die geplatzte Hochzeit hatte die bittere Fehde zwischen den Familien Del Rio und Winters ausgelöst.

Alishas schlechtes Gewissen meldete sich und drängte sie, ihm den Brief zu zeigen, doch sie biss sich stattdessen auf die Unterlippe. Die Enthüllung, dass Eliza eine international gesuchte Juwelendiebin gewesen war, wäre für die Familie Winters mehr als peinlich.

Und deshalb ist Elizas Geheimnis unser Geheimnis, eins, das nur Marcus, Jessica und ich kennen.

Sie wünschte sich von ganzem Herzen, dass Marcus und Jessica das geheime Zimmer nicht gefunden hätten. Manche Dinge blieben besser ein Geheimnis.

Der Fund des Del-Rio-Colliers auf dem früheren Familiensitz der Winters hatte die Nachrichten und die sozialen Medien in den USA und im Ausland beherrscht. Ihr Plan schien einfach. Den Schmuck zurückgeben, aber die Umstände des Funds sowie den Brief verheimlichen, um den Ruf der verstorbenen Matriarchin der Familie Winters zu wahren.

Alisha hatte darauf bestanden.

„Mehr gibt es nicht zu sagen, Mr. Knowles“, sagte sie, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich mit mehr Ruhe gegen den Türrahmen, als sie empfand. „Das Collier wurde den zuständigen Behörden übergeben, bis die Sache geklärt ist.“

Er musterte sie mit einem Blick, von dem ihr ganz heiß wurde.

Wenn nur

Feind hin oder her – dieser Mann war die pure Versuchung. Trotz seiner Verbindung zu den Del Rios. Trotz seiner Andeutung, dass sie mehr wusste, als sie zugab.

So verdammt sexy

„Miss Winters“, unterbrach er ihre Gedanken, während er sich mit seiner großen Hand über Mund und Bart strich.

Diese Finger. Wie dafür geschaffen, zu beglücken.

Ihr Puls raste und pochte. Überall.

Er bedeutet Ärger. So viel verdammten Ärger.

Alisha räusperte sich und wünschte, sie könnte ihre Begierde einfach abschütteln. „Ich freue mich für die Del Rios, dass eins ihrer Erbstücke gefunden wurde. Das ist meine offizielle Stellungnahme. Mehr habe ich nicht zu sagen.“ Sie trat zurück, um die Tür zu schließen.

Er drückte seine Hand dagegen, verhinderte ihren Rückzug.

Wow. Er ist stark.

Sie konnte sich vorstellen, wie sich die Muskeln seines Arms bei der Bewegung anspannten … so, also würde er ihren Körper an seinen ziehen. Um sie ganz festzuhalten. Und sie dabei mit seinem wunderbaren Mund küssen würde, während sie …

„Wenn Sie nichts zu verbergen haben, warum dann so schroff?“, fragte Tremaine.

Sie riss die Tür auf, und er stolperte hinein, wobei er und sein Duft ihr gefährlich nah kamen.

Zu nah.

Tremaine Knowles setzte jeden Muskel seines Körpers ein, um nicht gegen Alisha zu fallen. Sie wich aus, als wollte auch sie genau das verhindern. „Entschuldigen Sie“, sagte er, obwohl sich ihre Körper nicht berührten.

Trotzdem war er ihr nah genug gekommen, um ihren wundervollen Duft wahrzunehmen und ihrer einzigartigen Ausstrahlung zu verfallen. Sie war elektrisierend. Schon beim ersten Anblick der Schönheit, als sie durch das Fenster an der Tür einen verstohlenen Blick auf ihn geworfen hatte, hatte er pure Anziehung verspürt. Er war gekommen, um Antworten zu dem Fund des gestohlenen Colliers zu bekommen, aber er hatte etwas viel Schöneres gefunden.

Dummerweise hatte er nicht damit gerechnet, dass eine Antiquitätenhändlerin so … so heiß sein konnte. Nicht ein einziges Mal hatte er sich diese zierliche Schönheit mit den großen rehbraunen Augen vorgestellt, die ihn jetzt vorwurfsvoll anstarrte. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt, wodurch sie ihre wunderbaren Kurven ungewollt betonte. Er überragte sie um einen Kopf und verspürte den Drang, sie zu beschützen, auch wenn sie ihn ansah, als wäre er derjenige, vor dem sie Schutz brauchte.

„Hören Sie“, begann er, nachdem er sich geräuspert hatte. „Dies könnte eine Gelegenheit sein, die Kluft zwischen den Del Rios und Winters zu überbrücken … und den Schatten des Verdachts von Ihnen zu nehmen.“

„Von mir?“, fragte Alisha. „Den jüngsten Gerüchten zufolge ist dies doch ein PR-Gag, um den Waffenstillstand zwischen den Familien anlässlich des bevorstehenden hundertsten Jahrestages des Diebstahls zu Geld zu machen.“

„Sie verstehen sicher, dass der Hauptverdacht auf Ihnen lasten könnte.“

„Unsinn.“

Tremaine unterdrückte ein Lächeln. Diese Frau hatte so viel Mumm. Ihr Temperament war verführerisch.

Wäre da nicht sein bester Freund Preston, der seinem Vater Fernando Del Rio III empfohlen hatte, ihn damit zu beauftragen, den verdächtig plötzlichen Fund des Colliers zu untersuchen, dann hätte er Alisha um ein Date gebeten. Hätte darum gebettelt, von ihrem Feuer gewärmt zu werden.

Doch so schön diese Frau auch war, Tremaine war als ehemaliger Polizist des Austin Police Department zu erfahren, um sein Bauchgefühl zu ignorieren. Alisha Winters hatte etwas zu verbergen.

Er blickte die Kathedralendecke im Foyer hinauf. „Dies ist wirklich ein wunderschönes Haus, Miss Winters“, sagte er und richtete seinen Blick gerade noch rechtzeitig wieder auf sie, um zu merken, dass sein Kompliment sie überrumpelte.

„D-danke“, erwiderte sie leicht stotternd. „Meine Großmutter Gloria hat es mir vererbt. Wir haben beide die Architektur und die damit verbundene Geschichte geliebt. Es macht mir Spaß, es zu restaurieren – so wie es ihr gefallen würde.“

Sie schaute sich um. Mit den Fingerspitzen berührte sie ihren Hals.

Er beobachtete, wie sie leicht über ihre zarte Haut strich. Der karamellfarbene Ton ihrer Haut war verlockend. „Mein Vater hat viele Jahre Häuser gebaut“, gestand er ihr.

Ihre Blicke trafen sich wieder.

Sein Herz klopfte und ihm wurde warm.

Verdammt.

Über Alishas Gesicht huschte etwas, das wie ein Gefühl des Entdeckens schien. Nur für einen kurzen Moment, aber er sah es und fragte sich, was es war. Die starke Wirkung, die diese Frau auf ihn hatte, erfüllte ihn mit Unbehagen. Tremaine sah weg. Hatte er sein Interesse gezeigt? Hatte sie sein Verlangen bemerkt?

Konzentrier dich drauf, warum du hier bist.

Aber das fiel ihm schwer. Es gab in seinem Leben keinen Mangel an schönen Frauen, aber diese hier – diese Mischung aus Intelligenz und Schönheit – hatte eine innere Ausstrahlung, die ihn magisch anzog.

„Sie sollten jetzt gehen, Mr. Knowles“, sagte sie.

„Tremaine“, bot er an.

Sie schüttelte leicht den Kopf, wollte die Vertrautheit nicht. „Sie kennen mich nicht, aber ich spiele keine Spielchen und ich stehle auch nicht“, fuhr sie fort und griff erneut nach der Türklinke. „Ich würde mich nicht an einem Werbegag beteiligen.“

Während sie sprach, öffnete sie langsam eine der Doppeltüren. Die unausgesprochene Bitte an ihn zu gehen.

Leise lachend trat er auf die Veranda. Er blieb stehen und drehte sich um. „Ich habe weitere Fragen, Miss Winters. Können wir einen Termin ausmachen?“

„Machen Sie besser einen Termin mit Special Agent Whitlock vom Texas Department of Public Safety aus“, schlug sie vor. „Sheriff Battle hat ihm den Fall übertragen.“

Tremaine erlaubte sich, sie anzusehen – nicht einmal der kalte Wind, der sie umwehte, konnte das Licht und die Wärme trüben, die sie auszustrahlen schien. Er betrachtete ihr Gesicht und bemerkte, wie sie ihr Kinn ein wenig höher hob. So klug. So wissend.

Und aufschlussreich.

In der Tiefe ihrer braunen Augen lag dasselbe, was er fühlte. Es funkte zwischen ihnen.

Er hatte das Gefühl, als schlösse sich eine Faust um sein Herz. Aufregung machte sich in ihm breit.

„Einen schönen Tag noch, Mr. Knowles“, sagte sie leise, trat zurück und schloss die Tür.

Sprachlos stand er da und starrte auf das Holz.

Verdammt.

Sich einzugestehen, dass er sich zu jemandem hingezogen fühlte, war eine Sache, aber zu wissen, dass sie die gleiche Anziehungskraft verspürte, war eine andere.

Er hob die Hand, um noch einmal zu klopfen. Um sie um ein Date zu bitten. Um sie mit dem Tremaine-Charme zu umgarnen, der ihn noch nie im Stich gelassen und ihm am College den Spitznamen „Lady-Killer“ eingebracht hatte. Um wieder in ihre Wärme und Energie einzutauchen.

Stattdessen stützte er die Faust leicht gegen das Holz und senkte bedauernd den Kopf.

Die Fehde zwischen den Del Rios und den Winters war bekannt. Preston, sein bester Freund, hatte ihn in den Konflikt zwischen den beiden reichsten Familien in Royal, Texas, eingeweiht – mehr als ihm manchmal lieb war. Durch das ganze Fiasko mit der Dating-App k!smet, die Prestons Schwester Maggie und Alishas Bruder Jericho auf einer großen Technikmesse im August zusammengebracht hatte, waren die Del Rio Männer zunächst in Aufregung gestürzt worden. So sehr, dass sich die beiden Familien am nächsten Tag mit ihren jeweiligen Anwälten im Texas Cattleman’s Club trafen, wo Jack Chowdhry eine Einigung erzielte, um die Fehde zugunsten der gemeinsamen Multimilliarden-Dollar-Vorhaben auf Eis zu legen. Mit der Zeit akzeptierten alle, dass aus einer technischen Panne eine echte Liebesbeziehung geworden war, und die arktische Kälte zwischen den beiden Familien taute auf.

Bis das berühmte Del Rio Collier wieder auftauchte.

Tremaine trat von der Tür zurück und lief die halbkreisförmige Treppe hinunter. Auf dem Weg zu seinem Pick-up blieb er stehen und betrachtete die Rasenflächen, die die lange, gewundene Auffahrt säumten. Das Grundstück war schön und gepflegt. Und das Haus? Das ehemalige, hundert Jahre alte Anwesen der Familie Winters war reparaturbedürftig, aber seine einstige Schönheit war unverkennbar. Das dreigeschossige Gebäude im europäischen Stil mit seinen Holzvertäfelungen, Steinverkleidungen, Metallvordächern und schmiedeeisernen Details war eine Seltenheit in Texas, besonders zu der Zeit, als es gebaut wurde.

Tremaine atmete tief aus.

Die Mauern des Herrenhauses bargen das Geheimnis, was zwischen dem Diebstahl des Colliers aus einem Pariser Museum und seiner Rückkehr in den einst glanzvollen Familienbesitz der Winters fast ein Jahrhundert später geschehen war. Und er wollte – und musste – derjenige sein, der die Antworten lieferte. Ein so hochkarätiger Fall würde den Erfolg von Knowles Threat Solutions sichern.

Ein Scheitern kam für Tremaine Knowles nicht infrage.

Er hatte das College mit Auszeichnung abgeschlossen und einen Abschluss in Informatik mit Nebenfach Strafrecht. Mit einem Plan im Kopf trat er in die Polizeiakademie ein und arbeitete sich innerhalb von neun Jahren zum Lieutenant der Abteilung für Cyberkriminalität hoch. In seiner Freizeit entwickelte er eine Rückwärtsverschlüsselungstechnologie, die er vor zwei Jahren an ein führendes Kryptografie Unternehmen verkaufte. Im Gegenzug für die Millionen, die man ihm dafür bot, unterzeichnete er eine Wettbewerbsklausel. Überraschenderweise zeigte ihm die Pause vom Programmieren, dass er kurz vor einem totalen Burnout gewesen war. Er verließ den Polizeidienst.

Das bedeutete aber, dass er eine neue Herausforderung brauchte. Eine neue Aufgabe.

Der Erwerb einer Lizenz für private Ermittlungen und die Gründung von Knowles Threat Solutions bot eine Rückkehr zu seinen Wurzeln als hochdekorierter Polizeibeamter. Im vergangenen Jahr hatte er Cybersicherheit, Personenschutz und private Ermittlungen angeboten. Es lief gut, aber dieser Fall sollte ihm zu exponentiellem Wachstum verhelfen. Mehr Fälle. Mehr Mitarbeiter. Mehr Erfolg.

Das war sein Treibstoff.

Er warf einen letzten Blick auf das weitläufige Anwesen und entdeckte Alisha, die wieder in der nun offenen Tür stand. Sie überraschte ihn. Er neigte den Kopf ein wenig, schob die Hände in die Taschen seiner Lederjacke, lehnte sich an die Seite seines Pick-ups und beobachtete sie weiter. Ein wenig Sonnenlicht brach durch die Bäume und fiel direkt auf ihr Gesicht.

Einfach strahlend.

Mit einem Kopfschütteln, als würde sie an sich selbst zweifeln, trat sie zurück und lud ihn mit einer Handbewegung ein, in ihr Haus zu kommen. Und dann schenkte sie ihm den Hauch eines Lächelns, das genügte, ihn zu betören.

Tremaine nickte und bedeutete ihr damit, dass er ihre Einladung annahm. Er stieß sich vom Wagen ab und ging zurück zum Haus, stieg die Treppe hinauf, betrat das Foyer und warf ihr einen kurzen Blick zu.

Er hatte zwei Wochen Zeit, dem Fall auf den Grund zu gehen, und nichts – nicht einmal eine schöne Ablenkung – würde ihn davon abhalten.

2. KAPITEL

Alisha saß auf der untersten Stufe einer der beiden Treppen in ihrem Foyer und beobachtete, wie Tremaine mit dem Finger über sein Handy wischte. Sie strich leicht über das Armband, das sie immer am linken Handgelenk trug – dem Herzen am nächsten. Das antike Schmuckstück mit den vier herzförmigen Medaillons war ein echter Fund auf einer ihrer vielen Ausflüge zu Vintage-Märkten, Flohmärkten, Trödelmärkten und Auktionen gewesen. Jedes Medaillon enthielt ein Bild von jemandem, der ihr sehr am Herzen lag: Ihre Mutter Camille, ihr Stiefvater Joseph, der sie in jungen Jahren adoptiert hatte und sie wie eine leibliche Tochter liebte, und ihr biologischer Vater Lionel Jeffries, den sie nie kennengelernt hatte, den sie aber dennoch verehrte. Das letzte Medaillon war leer. Sie bewahrte es für die Liebe ihres Lebens auf – den Mann, der all ihre Bedürfnisse befriedigen und sie von ganzem Herzen lieben würde. Der Mann, der ihre Loyalität, ihren Humor und ihre Energie in sich vereinte. Der, mit dem sie eine Familie gründen würde.

„Der Richtige“, flüsterte sie und strich mit dem Daumen über das leere goldene Herz.

„Alisha.“

Sie richtete den Blick von dem Medaillon auf den sexy Privatdetektiv, dessen Anwesenheit den großen Raum schrumpfen ließ. „Ja, Mr. Knowles“, sagte sie und ließ das Medaillon los. Sie fing an zu zittern, als er näherkam und auf sie hinabsah.

Ihre Blicke trafen sich.

„Auf dem Umschlag stand der Name Ihres Bruders“, sagte Tremaine. „Wohnt er auch hier? Bekommt er seine Post üblicherweise hierher?“

Sie bemühte sich um ein ausdrucksloses Gesicht.

Wir haben die Geschichte nicht richtig durchdacht.

„Meine Familie verbringt viel Zeit hier, vielleicht ging der Täter davon aus, dass er hier wohnt. Ich weiß es nicht, Mr.. Knowles.“ Sie hasste es, in dieser Grauzone zwischen Wahrheit und Lüge spielen zu müssen. Sie bevorzugte Ersteres.

Eliza, warum hast du die verdammte Kette dieser Leute nicht in Ruhe gelassen!

„Ist Ihnen klar, wie verdächtig das alles aussieht?“, fragte Tremaine.

„Ja“, gab Alisha zu. „Aber ich habe schon ein Dutzend Fragen beantwortet und meine Zeit ist kostbar.“

Er überprüfte etwas auf seinem Handy und nickte. „Das kann ich verstehen, denn Ihnen gehört das Antiquitätengeschäft Odds & Ends.“ Er schien die Information abzulesen.

„Ich bin auch Assistenzprofessorin für Geschichte an der Rice University“, sagte sie ihm süffisant.

Er schien überrascht.

„Nicht richtig recherchiert?“, fragte sie mit deutlichem Sarkasmus.

Er tippte mit den Daumen auf seinem Handy herum.

„Keine Sorge. Manchmal denke ich, meine Familie vergisst das auch“, verriet sie.

Tremaine sah sie an. „Beide Arbeitsplätze würden Sie zur idealen Kandidatin für den Ankauf oder Verkauf des Colliers machen.“

Alisha versteifte sich. „Warum hätte ich es dann den Behörden übergeben sollen?“

„Sagen Sie es mir.“

Sie lachte, doch es klang bitter. „Lesen Sie noch einmal Ihre Notizen. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich keine Diebin bin. Sonst noch etwas?“

Tremaine biss sich auf die Unterlippe, als wollte er sich ein Lächeln verkneifen. „Ich suche nur nach der Wahrheit“, erklärte er.

Alisha hörte einen Hauch von Verärgerung in seiner Stimme. „Das hat das Texas Department of Public Safety auch getan, als sie uns alle befragt haben. Und die Wahrheit, die Sie akzeptieren müssen, ist, dass die Behörte zu dem Schluss kam, dass es eine Angelegenheit zwischen den Winters und Del Rios ist, weil der Diebstahlt fast hundert Jahre zurückliegt.“

„Und die Familie Winters …“

Meine Familie“, warf sie mit hochgezogener Augenbraue ein und warnte ihn, etwas anderes zu sagen.

Es war klar, dass sie und ihre Mutter Schwarze waren, während der Rest der Winters eine weiße Hautfarbe vorwies. Sie war noch sehr jung gewesen, als ihre Mutter ihren späteren Stiefvater und dessen vier Kinder kennengelernt hatte. Es war eine tolle Familie, in der Liebe und Loyalität vorherrschten. Obwohl sie neugierig auf ihren leiblichen Vater war, würde sie die Familie, in der sie aufgewachsen war, nie verleugnen. Sie würde alles für sie tun.

„Ich habe Ihre Legitimität nie hinterfragt“, sagte er.

„Nur meine Beteiligung an einem Diebstahl“, entgegnete sie.

Tremaine zog die Schultern hoch, als hätte er keine andere Wahl, als so zu denken.

„Sie irren sich“, sagte sie und ärgerte sich, dass sie immer wieder an den Brief denken musste.

Wieder sah er sie mit seinen dunklen Augen an. „Das hoffe ich sehr“, sagte er ernst.

Alisha holte tief Luft. Noch einen Schritt, und er stände zwischen ihren geöffneten Beinen.

Nur einen.

Der Drang, ihn an der Taille zu packen und nach vorn zu ziehen, überraschte sie.

„Die Leute könnten auch denken, eine Kunsthistorikerin und Antiquitätenhändlerin hätte Zugang zu gestohlenem Schmuck.“

Der Drang, ihn zu ohrfeigen, überraschte sie nicht.

Alisha stand auf. „Das ist in jeder Hinsicht beleidigend“, fauchte sie. „Verschwinden Sie.“

„Ich sagte, die Leute könnten es so sehen.“

Sie lehnte sich gegen das Geländer und sah ihn an. „Und was denken Sie?“

Er runzelte ein wenig die Stirn, als er ihr Gesicht musterte. Sein Blick verweilte bei ihren Augen, dann wanderte er zu ihrem Mund. Diese Bewegung lenkte sie für einen Moment von ihrer Wurt auf ihn ab.

Was denkt er von mir?

„Ich hoffe, Sie beweisen ihnen das Gegenteil“, antwortete er schließlich.

Seine Worte waren genau die Erinnerung, die sie brauchte. Die Grenze zwischen ihnen war klar gezogen. Ihre Loyalität galt ihrer Familie, seine den Del Rios, die ihn engagiert hatten. Mit einem kurzen Nicken ging Alisha an ihm vorbei durch das Foyer.

Die jahrhundertealte Fehde tobte weiter und forderte als Kollateralschaden immer wieder Opfer.

„Kann ich etwas zu trinken haben?“, fragte er hinter ihr.

Sie atmete tief aus, bevor sie sich zu ihm drehte. „Mittagessen und ein Nickerchen auch noch?“, fuhr sie ihn an.

Er unterdrückte ein Lachen, seine Augen funkelten amüsiert.

Alisha ärgerte sich, dass sie die kleinen Lachfältchen bemerkte, die ihn noch anziehender machten. Ihr Herz pochte, als sie ihn durch das Foyer in die neu renovierte Küche führte – eines der ersten Projekte, die sie abgeschlossen hatte. Sie drehte sich um und sah, wie Tremaine sich gegen die aufgearbeitete Arbeitsinsel lehnte, die mit einer glatten Quarzplatte und viel Stauraum ausgestattet war.

Verdammt.

Sein attraktives Gesicht wurde vom Sonnenlicht umrahmt, das durch die deckenhohen Fenster über dem Spülbecken fiel. Seine braune Haut schimmerte verlockend. Dieser Körper schrie förmlich danach von den Lippen einer Frau liebkost und geküsst zu werden.

Von mir.

Wenn es nur so wäre.

Sie wandte sich ab, um ihr Bedauern zu verbergen.

„Die Küche ist fantastisch.“ Er klang wirklich beeindruckt. „Modernisiert, ohne den Charakter zu verlieren.“

Sie war nervös, als sie dem doppeltürigen Kühlschrank eine Flasche Wasser entnahm und sich in der hellen, weißen Küche mit der hohen Decke und blauen Farbtupfern umsah. „Meiner Großmutter würde es gefallen. Ich habe als Kind viele Wochenenden hier verbracht, und sie hat mir viel über die Geschichte des Hauses erzählt. Ich glaube, das hat meine Liebe zu Geschichte und zu Antiquitäten geweckt“, sagte sie mit einem leichten Lächeln. „Ich glaube, sie wusste, dass ich das Haus lieben würde wie keines meiner Geschwister. Und das tue ich.“

Das Haus war riesig, mit zwei Flügeln und einem wunderschön beleuchteten Foyer in der Mitte. Über sechshundert Quadratmeter. Fünf Schlafzimmer. Sechs Badezimmer, zwei Gästetoiletten. Keller. Dachboden. Arbeitszimmer. Esszimmer. Spielzimmer. Wohnzimmer an das sich ein achteckiger, verglaster Wintergarten anschloss.

Es war Alishas Lieblingsraum, um zu lesen, zu faulenzen oder Arbeiten zu korrigieren – und ihr nächstes Renovierungsprojekt, wenn die Arbeiten im Gästeflügel abgeschlossen waren.

„Ein Werk der Liebe.“

Der Klang seiner Stimme, die Wärme und das Verständnis darin, ließen sie erschauern.

„Ja.“ Sie ging zu ihm und reichte ihm das Wasser. „Reine Liebe.“

Er sah ihr in die Augen. „Es ist schwer vorstellbar, dass jemand, der so reine Liebe ausdrücken kann, keine Integrität hat.“

Sein Atem streifte ihr Gesicht. Er war frisch. Und kühl. Sie konnte sich vorstellen, wie er die Lippen schürzte und gegen ihre Haut blies, während er sie von den Grübchen direkt über ihrem Po aufwärts über ihre Wirbelsäule bis zum Nacken leckte.

„Sagen Sie mir die Wahrheit“, drängte er.

Sie versteifte sich.

Stell mir keine Fragen. Ich werde dich nicht anlügen.

Dieser Satz ging ihr durch den Kopf. Die Erinnerung an Elizas Brief, den sie verheimlichen wollten, verfolgte sie.

„Wenn Sie dann mit dem Schnüffeln fertig sind“, sagte sie.

Er lächelte sie an. „Ich ermittle“, korrigierte er.

„Egal, wie Sie es nennen, es kommt aufs Gleiche raus“, sagte sie über die Schulter, als sie sich umdrehte, um ihn aus der Küche hinaus ins Foyer zu führen.

Schweigend folgte er ihr. Am Ende des Flurs blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um. Die Wände des Flurs schienen sich enger um sie zu schließen, als sie zu ihm aufblickte und er auf sie hinab. Das Bewusstsein – die Anziehungskraft – die sie spürte, verstärkte sich.

Und sie wurde erwidert.

Das Feuer in seinen Augen verriet es.

Alisha trat einen Schritt zurück und stieß mit ihrem drallen Po an die Wand, was bedeutete, dass sie nicht in der Lage war, Abstand zwischen ihnen zu schaffen. Ihr ganzer Körper fühlte sich lebendig und elektrisiert an. So etwas hatte sie noch nie empfunden.

Nie.

Alisha leckte sich über die trockenen Lippen, trat aus dem Flur ins Foyer und kämpfte gegen den Drang an, ihre Hand gegen ihr heftig pochendes Herz zu pressen. Schnell durchquerte sie den Raum und öffnete die Tür. Der kalte Wind, der ihr entgegenblies, war willkommen. Sie atmete tief ein, in der Hoffnung, das heiße Verlangen zu kühlen. Nach ihm. Diesem Fremden. Dem Mann, der mit dem Feind ihrer geliebten Familie unter einer Decke steckte. Dem Ermittler, der sie einer Lüge bezichtigte.

Verräterin.

Tremaine ging an ihr vorbei zur Haustür.

Alisha ballte eine Hand zur Faust und presste sie an ihre Brust, um nicht nach ihm zu greifen. Ihn zu berühren. Ihn am Gehen zu hindern. Ihn an sich zu ziehen.

Verräterin. Verräterin. Verräterin.

Wenn es um ihre Familie ging, war sie loyal.

Aber ich bin auch eine Frau und nicht blind.

Der Mann war umwerfend. Er hätte Model oder Schauspieler sein können.

Der Mann war fit. Er achtete auf seine Figur.

Der Mann war charmant. Er könnte mit einem Lächeln einer Nonne das Höschen ausziehen.

Der Mann bedeutete Ärger. Großen Ärger.

Er griff in seine Lederjacke und zog eine dunkelbraune Visitenkarte hervor. „Wenn Ihnen noch etwas einfällt, was hilfreich sein könnte, rufen Sie mich bitte an.“

Sie merkte schnell, dass sich die Karte wie Wildleder anfühlte, als sie mit dem Daumen darüberstrich. So weich, wie sie sich seine Haut vorstellte. Vorsichtig, Alisha. Ganz vorsichtig. „Ich bezweifle sehr, dass wir noch etwas zu besprechen haben.“ Sie wollte ihm die Karte zurückgeben.

Er hob die Hände. „Mein Bauchgefühl sagt mir etwas anderes, und ich vertraue immer meinem Bauch.“ Er drehte sich um und ging die Treppe hinunter zu seinem Pick-up.

Nachdem er eingestiegen und mit einem letzten Blick auf sie weggefahren war, strich Alisha über die Karte und hielt sie sich an die Nase, um seinen Duft einzuatmen, der ihr noch anhaftete.

Sie haben zwei Wochen Zeit, mir einen aus dieser mit uns verfeindeten Familie zu servieren, Knowles. Keinen Tag mehr.“

Tremaine stand an der Balkontür seiner Suite in dem Boutique-Hotel, in dem er während seines Aufenthalts in Royal, Texas, wohnte. Die Worte, die der Patriarch der Familie Del Rio vor ein paar Tagen zu ihm gesprochen hatte, waren unvergesslich. Fernando Del Rio III war ein respekteinflößender Mann, und Tremaine wusste, dass der Mann alle Verbindungen zu ihm abbrechen würde, wenn er sein Versprechen, herauszufinden, warum das Collier plötzlich wieder aufgetaucht war, nicht einhielt.

Er trank einen Schluck Kaffee und blickte hinaus in die Gärten, die immer noch wunderschön waren, obwohl viele Blumen schon verblüht waren. Die renovierte Villa bot mehr Komfort und Behaglichkeit als die großen Hotels in der Stadt, die er als zu protzig empfand. Dieses Haus war überschaubar, hatte nur fünf geschmackvoll eingerichtete Suiten und versprach eine gute Südstaatenküche, die er später am Abend probieren wollte.

Hier konnte er in Ruhe nachdenken. Eine Strategie entwickeln. Den Fall lösen.

Und herausfinden, was Alisha und der Rest der Familie Winters verbargen.

Vielleicht wissen sie länger von den gestohlenen Juwelen, als sie sagen?

Tremaine runzelte die Stirn.

Aber was hätte das gebracht? Sie hätten das Collier auch einfach behalten und nichts sagen können. Nie.

Er trank noch einen Schluck von dem schwarzen Gebräu.

Hatten sie das Schmuckstücks erworben und es aus Bosheit oder Rache den Del Rios vorenthalten? Aber auch dann hätten sie es einfach behalten und nichts sagen können.

Er trat von der Balkontür zurück und holte seinen Laptop. Darauf befanden sich die Dateien mit allen Informationen, die er über das Prachtstück hatte finden können. Die Geschichte seiner Herstellung. Artikel über seine Kostbarkeit. Fotos von in Auftrag gegebenen Porträts, auf denen die Vorfahren der Del Rios das Schmuckstück trugen. Zeitungsartikel über den Diebstahl. Und viele weitere über das plötzliche Auftauchen des Colliers.

Die plötzliche Aufregung um das Collier hatte es ihm erleichtert, bei der Pariser Polizei Einsicht in die Originalakten des Falles zu bekommen. Es brachte nicht viel. Er hätte nach Frankreich reisen können, aber seit dem Diebstahl war so viel Zeit vergangen, dass er nicht wusste, ob es sich lohnen würde. Er glaubte, dass ein Besuch im Museum ihm Aufschluss darüber geben würde, wie der Diebstahl überhaupt möglich gewesen war, deshalb kaufte er die Baupläne, aber vor vierzig Jahren war ein größerer Umbau vorgenommen worden.

Eine weitere Sackgasse.

Tremaine atmete schwer aus, als er zwei Fotos des mit Brillanten, Rubinen und Smaragden besetzten Colliers vergrößerte. Das erste war vor dem Raub entstanden, das zweite nach dem Auftauchen auf dem Anwesen der Winters. In den fast hundert Jahren, die dazwischen lagen, hatte sich an dem Stück nichts verändert. Kein Stein fehlte. Keine Beschädigung.

„Von Paris, Frankreich, nach Royal, Texas“, sagte er und starrte ins Leere.

Dachte nach. Analysierte. Stellte Hypothesen auf.

Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Warum?

Er hatte schon früh in seinem Leben und dann noch einmal in seiner Laufbahn als Polizist gelernt, dass diese Fragen für die Lösung viele Lebensprobleme und Kriminalfälle entscheidend waren. Wer hat es gestohlen? Wer hat geholfen? Was war der Gewinn? Wann war es in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt? Wo war es fast hundert Jahre versteckt worden? Wie war es auf das Anwesen der Winters gelangt? Steckte einer von ihnen hinter dem ursprünglichen Diebstahl?

Und warum? Die vielleicht wichtigste Frage, um die Wahrheit ans Licht zu bringen – warum wurde es gestohlen?

„Vor einem Jahrhundert“, sagte er und nahm den Laptop mit in die Sitzecke. Er ließ sich auf einen der zwei gegenüberstehenden Zweisitzer fallen. „Was war damals im Vergleich zu heute?“

Tremaine ging seine Akten noch einmal durch. Und noch einmal. Er überprüfte die Listen mit den Namen der Personen, die er befragen und überwachen wollte. Ihm fehlte nur noch eine Sache. Er nahm sein Diensthandy in die Hand.

Keine verpassten Anrufe.

Es kam ihm dumm vor, dass er darauf gehofft hatte, Alisha würde sich melden.

Er räusperte sich und rief die Nummer seiner Assistentin auf, die in Austin die Stellung hielt, während er verreist war.

„Knowles Threat Solutions.“

„Golden. Wie läuft’s?“ Er lehnte sich zurück.

„Alles genauso gut wie vor Ihrer Abreise.“

„Und trotzdem habe ich noch nicht die Hintergrundberichte bekommen, um die ich gebeten hatte.“

„Ups. Ich wurde durch TikTok abgelenkt“, gab sie kichernd zu. „Da war dieser super tolle Typ, der frischen Tee gemacht hat, und ich musste mir das einfach ansehen. Das Universum wollte nicht, dass ich das große Glücksgefühl verpasse, das mir der Anblick dieses Mannes beim Teekochen verschafft hat.“

Tremaine unterdrückte ein Lächeln, als er sich die junge Frau vorstellte, zierlich, aber voller Energie und Lebensfreude. Sie war die erste Bewerberin auf die Stelle seiner Assistentin gewesen, und obwohl sie kaum Büroerfahrung vorwies, hatte Tremaine sie eingestellt, weil ihre Fröhlichkeit – ihre Lebensfreude – ansteckend war. Das hatte ihm gefallen. Goldens Gerede über die Führung ihrer Engel, das Spielen von Musik in verschiedenen Solfeggio-Frequenzen, um die Chakren zu aktivieren, ihre regelmäßigen Arbeitspausen zum Meditieren und ihr völliges Eintauchen in jede Emotion – selbst in jene seltenen Anfälle von Traurigkeit – waren für ihn eine größere Herausforderung. Dennoch konnte er nicht leugnen, dass die Präsenz der Frau – sie nannte es ihre Aura – beruhigend wirkte. So sehr er auch vorgab, sich über Goldens Spiritualität lustig zu machen, so gab es viele Momente, in denen sie Dinge einfach wusste.

Ping.

Beim Benachrichtigungston einer eingehenden E-Mail richtete Tremaine sich auf und zog seinen Laptop näher zu sich heran. Er rief die Datei auf, die Golden ihm gerade geschickt hatte. Er sah sich die einzelnen Background-Checks der Familie Winters an. Als er zu den Informationen über Alisha Winters kam, hielt er inne und betrachtete das Führerscheinfoto.

Einfach wunderschön.

„Sie beide werden hübsche Babys haben, Mr.. Knowles“, sagte Golden.

„Häh?“ Er zwang sich, an dem Foto vorbei zu den Details über sie zu scrollen.

„Alisha Winters. Sie schauen doch gerade ihr Foto an, oder? Sie wissen, dass ich manches einfach weiß. Meine Intuition sagt mir, dass Sie beide füreinander bestimmt sind …“

„Auf Wiederhören, Golden.“ Er beendete das Telefonat und ließ das Handy auf den Sitz fallen.

Er konzentrierte sich darauf, jeden einzelnen Bericht zu lesen.

Die Eltern. Joseph und seine zweite Frau Camille. Dann die Kinder. Jericho Winters, der Architekt. Trey, der Rancher und Investor. Alisha, die Antiquitätenhändlerin und Kunsthistorikerin. Marcus, der Designer. Und Tiffany, die Chocolatière. Bei der Durchsicht von Fahrzeugpapieren, Strafregisterauszügen, Kreditauskünften und Grundbucheinträgen fiel ihm nichts Besonderes auf. Nicht, dass er geglaubt hatte, etwas zu finden. Es war ein Schuss ins Blaue, und manchmal, als Polizist und jetzt als Privatdetektiv, traf der Schuss auch ins Schwarze.

Tremaine blätterte weiter durch die Fotos der Familie Winters, bevor er begann, sie zu kopieren und in einen provisorischen Stammbaum einzufügen. „Manchmal muss man die Zielscheibe vergrößern“, sagte er zu sich selbst.

Niemand in der Familie Winters war über jeden Verdacht erhaben. Weder damals noch heute.

Tremaine nahm sein Handy, sah kurz auf die Uhr und wählte dann Prestons Nummer. Als angehender Geschäftsführer des florierenden Petrochemie-Unternehmens war Preston ein vielbeschäftigter Mann. Doch die Zeit drängte.

„Lady-Killer! Was gibt’s?“

Tremaine lachte. „Ich dachte, den Spitznamen hätten wir abgeschafft. Ich habe immer gesagt, dass ich mich häuslich niederlasse, sobald ich die richtige Frau gefunden habe.“

„Und die wäre?“

Tremaine hielt inne. „Eine, die mich vergessen lässt, dass es noch andere Frauen gibt“, antwortete er.

„Und eine, die man nie vergessen kann“, fügte Preston hinzu.

„Möchtest du mir etwas erzählen?“

Preston räusperte sich. „Wie läuft es mit dem Fall?“, fragte er und lenkte damit das Gespräch in eine andere Richtung.

Tremaine ließ es dabei bewenden. „Deswegen rufe ich an. Ich denke, es ist an der Zeit, das Feld zu erweitern.“ Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Stammbaum auf seinem Laptop.

„In welche Hinsicht?“

„Ich würde mir außer den Eltern und Kindern der Winters gern noch weitere Familienmitglieder vornehmen“, sagte er und zoomte mit Zeigefinger und Daumen das Bild von Alisha heran. „Es geht um ein jahrhundertealtes Verbrechen, und das Haus ist fast genauso lange im Besitz der Familie. Welchen Sinn macht es, dass jemand das Schmuckstück auf dem alten Anwesen der Winters abliefert? Warum nicht auf dem neuen? Warum nicht bei den Del Rios selbst?“

„Richtig“, stimmte Preston zu. „Du glaubst nicht an die Geschichte mit dem Briefschlitz?“

„Ich bin nicht sicher. Ich war bei dem Haus und habe die jetzige Besitzerin getroffen.“

„Alisha.“

„Ja.“ Schon bei der Erwähnung ihres Namens klopfte sein Herz schneller.

„Und wie ist es gelaufen?“ Preston klang leicht besorgt.

Ich will sie wiedersehen – und nicht wegen des Falles. Tatsächlich ärgert es mich, dass ich sie durch diese Geschichte kennengelernt habe.

Aber Tremaine wollte diese Information nicht preisgeben. Oder dass er hoffte, mit seiner Vermutung, dass sie etwas verheimlichte, falsch zu liegen. „Sie hat sich über mein Auftauchen geärgert, aber sie hat ein paar Fragen beantwortet. Nichts, was auffällig wäre. Aber ich möchte alle Möglichkeiten ausloten.“

„Moment mal“, sagte Preston. „Ich muss einen Anruf entgegennehmen. Bleib in der Leitung.“

Während es in der Leitung still war, starrte Tremaine auf Alishas Foto. Das laute Klopfen seines Herzens schien in der Stille widerzuhallen. Und das erregte und frustrierte ihn gleichermaßen. Das Verlangen nach ihr verstand und akzeptierte er. Doch sein Bedürfnis, sie zu beschützen, obwohl sein Gefühl ihm sagte, dass sie ihm etwas vorenthielt, beunruhigte ihn. Er war hin- und hergerissen.

„Da bin ich wieder“, sagte Preston nach einem Moment. „Wie kann ich dir helfen?“

Verzeih mir, dass ich versucht war, dein Vertrauen in mich zu missbrauchen.

Preston war sein guter Freund und de facto sein Klient.

Tremaine räusperte sich. „Schick mir die Namen der älteren Generationen der Winters, vor allem die Namen all derer, die in dem alten Haus gelebt haben“, sagte er und fand zu seiner Professionalität zurück.

„Ich schicke dir eine Liste, sobald ich aus diesem Meeting raus bin.“

„Passt.“ Tremaine klappte seinen Laptop zu. „Ich gehe in der Zwischenzeit in die Stadt, um mit dem Sheriff zu sprechen.“

„Nathan Battle. Guter Mann. Vielleicht kannst du aus ihm etwas herausbekommen.“

„Du weißt, ich folge meinem Bauchgefühl, und man weiß nie, wohin das führt. Und Preston?“

„Ja?“

„Die eine, die du nicht vergessen kannst, ist vielleicht die, ohne die du nicht leben kannst.“ Tremaines Blick ruhte auf dem Foto von Alisha, während er sich schmerzlich an den süßen Duft ihres Parfums erinnerte.

Preston verriet nichts. Stattdessen lachte er nur und beendete dann das Gespräch.

Tremaine legte sein Handy wieder aufs Sofa, dann zog er sich aus. Nackt durchquerte er den Raum, um eine Jogginghose und ein langärmeliges Shirt anzuziehen. Er würde ins Zentrum von Royal laufen, mit Sheriff Battle sprechen und die Hauptstraße mit ihren Geschäften und Restaurants erkunden.

Nachdem Tremaine in seine Laufschuhe geschlüpft war und sein Handy eingesteckt hatte, verließ er die Suite. Das geschnitzte Honeymoon Suite Schild über der Tür ließ ihn innehalten und noch einen Blick in die Suite werfen. Das helle Dekor war wunderschön und intim. Einfach perfekt für ein Paar, das in romantische Glückseligkeit versunken war. Leidenschaft. Liebe.

Vor seinem inneren Auge entstand eine Vision, in der Alisha und er sich in der Mitte des Bettes unter der Bettdecke aneinanderschmiegten und sich zärtlich küssten. Arme und Beine ineinander verschlungen. Ihre Weichheit und seine Härte.

Er runzelte die Stirn.

Seit er ihr Haus vor ein paar Stunden verlassen hatte, schienen die Erinnerungen an sie beständig zu sein. Unkontrollierbar.

Und das war beunruhigend für einen Mann, der es liebte, die Kontrolle zu haben.

3. KAPITEL

Alisha nahm einen großen Schluck Rosentee mit Honig aus einer Glastasse, als sie aus ihrem Büro im hinteren Teil ihres Antiquitätengeschäfts Odds & Ends trat. Das einstöckige Backsteinlagerhaus lag am Rand von Royal und war zu einem Verkaufsraum umgewandelt worden, in dem sie viele der wertvollsten Antiquitäten anbot, die sie im Laufe der Jahre erworben hatte. Als sie das einzigartige Design mit den sichtbaren Ziegelsteinen, den schwarz gestrichenen Stahlfenstern, den Betonböden und der sechs Meter hohen Decke mit den rustikalen Holzsparren zum ersten Mal sah, hatte sie sich sofort verliebt. Das natürliche Licht, das durch die Oberlichter in das lange, schmale Gebäude fiel, verlieh ihm eine himmlische Atmosphäre, die sie glücklich machte. Der Ort hatte Charakter, der zusammen mit dem Hauch von Geschichte den perfekten Rahmen für die Präsentation ihrer Antiquitäten bot.

Und für ihr achtwöchiges Forschungsseminar. Als Assistenzprofessorin für Geschichte und Antiquitäten war die Forschung ihre Stärkte. Ihre Doktorarbeit hatte sie über die Rolle der Forschung in der antiken Kultur des vorkolonialen Afrikas geschrieben. Jetzt betreute sie ältere Doktoranden bei der Fertigstellung ihrer Dissertation und wusste, dass ihr Laden ein besserer Ort dafür war als ein Klassenzimmer oder Hörsaal. Nachdem sie die Genehmigung des Dekans erhalten hatte, genossen sie und ihre zwölf Studenten die wöchentlichen, fast einstündigen Treffen, von denen bis zum Ende des Semesters nur noch zwei stattfanden.

Alisha bewunderte den fast drei Meter hohen marokkanischen Perlmuttschrank, der am Morgen geliefert worden war. Es war teuer gewesen, aber allein wegen seiner Schönheit jeden Cent wert. Sie war zuversichtlich, dass er schnell verkauft werden würde. Sie hatte sogar schon einen Stammkunden im Kopf, den sie dafür kontaktieren würde.

„Hallo, Fremde.“

Sie lächelte in ihre Teetasse, als sie die Stimme ihrer Mutter hörte. Sie drehte sich um und ließ sich umarmen, wobei ihr der vertraute Duft, eine Mischung aus blumigen und fruchtigen Noten mit einem Hauch von Ambra, in die Nase stieg. Das Parfum war ein Geschenk von Joseph – ein Duft, den er nur für Camille kreiert hatte.

Das ist die Art von Liebe, die ich mir wünsche.

„Hallo, Mom“, sagte Alisha und drückte ihr einen Kuss auf die Wange, bevor sie sich trennten. „Zwischen Renovierungsarbeiten, dem Laden und dem Seminar …“

Camille lächelte. „Ich weiß. Ich weiß“, sagte sie, und ihre dunkelbraunen Augen funkelten humorvoll und voller Liebe. „Das habe ich alles schon mal gehört.“

Alisha betrachtete ihre Mutter, eine wunderschöne Frau, die mit ihrem durchtrainierten Körper und dem faltenfreien Gesicht jünger wirkte als sie mit ihren dreiundsechzig Jahren war. Von ihrer Mutter hatte Alisha das starke, wilde und offene Wesen geerbt.

„Ich vermisse meine beiden Töchter.“ Camille legte ihren Designerpelz über die Lehne eines handbemalten Louis-XVI-Stuhls. „Weißt du, was Tiffany in letzter Zeit so treibt?“

Alisha war sechs Jahre älter als Tiffany, und sie standen sich sehr nah. Als Nesthäkchen der Familie wurde sie von allen verhätschelt – vor allem von ihren überfürsorglichen Brüdern. Für eine schöne Frau Mitte zwanzig, die sich danach sehnte ernst genommen zu werden, konnte das hart sein.

„Sie ist auch sehr beschäftigt. Tagsüber mit ihrer Konditorei und abends mit den Kursen für ihren MBA-Abschluss.“ Alisha verteidigte ihre kleine Schwester immer. „Aber wir werden unseren Spa-Tag im Pure verbringen.“

Camille lächelte und strich ihr langes, lockiges Haar zurück. „Hoffentlich bald.“

„Versprochen.“

„Bei all der Aufregung um das Del Rio Collier könnte ich etwas Ablenkung gebrauchen. Und Urlaub.“

Alisha brachte ihre leere Teetasse in den hinteren Teil des Ladens, wo sich neben ihrem Büro eine kleine Küchenzeile befand. Ihr Armband klimperte leise, als sie sich bewegte. Sie dachte an Tremaine und seine Ermittlungen. Allein der Gedanke daran würde ihre Familie noch mehr beunruhigen, aber es war eine Tatsache, der man sich stellen musste. „Die Del Rios haben einen Privatdetektiv engagiert“, rief sie ihrer Mutter zu.

„Wie bitte?“

Die Del Rios haben einen sexy Privatdetektiv auf uns angesetzt, wollte Alisha sagen.

Allein der Gedanke an ihn ließ ihren Puls in die Höhe schnellen.

Und sie konnte sich gut vorstellen, dass Camille Winters sich mehr auf die Attraktivität des Mannes konzentrierte als auf seine Arbeit. Camille wünschte sich so sehr weitere Enkelkinder. Im Moment konnten sie und Joseph nur Dez, Treys klugen und kreativen achtjährigen Sohn, verwöhnen.

„Die Del Rios haben einen Privatdetektiv engagiert“, wiederholte Alisha, als sie wieder bei ihrer Mutter war.

Dieses Mal hatte ihre Mutter sie gehört. Camille blickte auf. Einen Moment lang wirkte sie nachdenklich, dann zwang sie sich zu einem Lächeln und schüttelte leicht den Kopf. „Gerade als ich gehofft habe, der Krieg sei vorbei“, sagte sie. „Joseph ist noch so aufgeregt wegen der ganzen Geschichte, und jetzt schnüffelt auch noch ein Privatdetektiv herum, als ob einer von uns, oder alle, etwas falsch gemacht hätte.“

Einer von uns hat es.

Liebe und Respekt konnten nichts daran ändern, dass ihre Urgroßmutter Eliza eine Juwelendiebin war.

Der Gedanke daran ließ Alisha erschauern.

„Was ist das für ein Blick?“, fragte Camille.

Schuldgefühle.

Alisha betrachtete sich nicht als Lügnerin, sie beherrschte nicht einmal die Kunst des Weglassens. Sie rang sich ein Lächeln ab und sah ihre Mutter an. „Er war gestern bei mir und ich habe ihn sich umsehen lassen“, sagte sie, um ihre Mutter nicht anzulügen.

Camille nickte verständnisvoll. „Wir haben nichts zu verbergen“, sagte sie.

Noch mehr Schuldgefühle.

„Sein Name ist Tremaine Knowles“, sagte sie und sah ihn nur allzu deutlich vor sich.

„Wie Beyoncé?“, fragte Camille mit trockenem Humor.

„Ja“, erwiderte Alisha.

Camille zog eine Augenbraue hoch und schaute neugierig. „Ist Beyoncé nicht aus Houston, Texas?“, fragte sie. „Glaubst du, sie sind verwandt?“

„Ich glaube, er ist hier, um etwas über unsere Familie herauszufinden, und nur das zählt.“ Alisha sah auf ihre Uhr. „Meine Studenten müssten gleich hier sein, und die Universität verlangt, dass ich den Laden während der Seminare schließe.“

Camille stand auf und zog sich den Mantel an. „Tremaine Knowles?“, fragte sie.

„Von Knowles Threat Solutions“, fügte Alisha hinzu, als sie ihre Mutter zur Tür brachte.

„Ich sage Joseph besser Bescheid.“ Camille blieb in der Tür stehen. „Ähm, die original gestochenen Partituren …“

„Von Joseph de Bologne, Chevalier des Saint-Georges?“ Alisha wusste, dass ihre Mutter die antiken Notenblätter des Komponisten aus dem achtzehnten Jahrhundert bewunderte, die nun wunderschön in einem versiegelten Kasten aus Holz und Glas ausgestellt waren. Sie hatte sie vor ein paar Monaten erworben.

Camille lächelte. „Ja. Sie wären eine großartige Ergänzung für das Musikzimmer. Belaste mein Konto und lass sie noch diese Woche bringen.“

„Wird erledigt“, sagte Alisha und küsste ihre Mutter zum Dank und zum Abschied auf beide Wangen.

Sie sah ihrer Mutter nach, wie sie sich hinter das Steuer ihres weißen Range Rover setzte und mit einem kurzen Hupen davonfuhr. Dann griff sie in die Tasche ihrer Jacke und zog die braune Visitenkarte heraus. Sie strich mit dem Daumen darüber, bevor sie die Ecke an ihr Kinn tippte.

Die Anziehungskraft, die Tremaine auf sie ausübte, war ungebrochen.

Nach einem ziemlich erotischen Traum letzte Nacht mit leidenschaftlichen Küssen und noch leidenschaftlicherem Sex dachte sie jetzt noch mehr an ihn. Sie wollte ihn anrufen.

Um was zu sagen?

Ich bin fasziniert von dir.

Ich muss immerzu an dich denken.

Ich will dich.

Oder …

Ich kenne die Wahrheit über das Collier und habe dich angelogen.

Wenig später trafen ihre Studenten ein. Sie öffnete jedem mit einem einladenden Lächeln die Tür, erstarrte aber, als sie Tremaines roten Truck vorfahren sah. Obwohl die getönten Scheiben den Blick auf ihn verhinderten, blieb sein plötzliches Auftauchen nicht ohne Wirkung auf sie.

„Hallo, Frau Professor Winters“, sagte einer ihrer Studenten, Rafael. „Ich habe einen interessanten Zeitungsartikel über quantitative und qualitative Studien gefunden, den ich heute mit der Gruppe besprechen möchte.“

Widerstrebend wandte sie den Blick von Tremaine ab, der gerade aus seinem Wagen stieg, und sah Rafael an. „Großartig“, sagte sie und tat so, als klopfte ihr Herz nicht wie verrückt. „Gehen Sie schon mal rein. Ich bin gleich da.“

Alisha trat aus ihrem Laden und ließ die Tür zufallen. Der Wind blies in ihre Richtung, und sie fröstelte unwillkürlich. „Zwei Tage hintereinander?“, fragte sie und fuhr sich mit der Hand durch die vom Wind zerzausten Locken. „Ich muss Ihre Hauptverdächtige sein.“

Tremaine schob die Hände in die Taschen seiner dunklen Jeans, zu der er einen dick gerippten Rollkragenpullover und einen anthrazitfarbenen Mantel trug. „Tatsächlich musste ich gerade aus meinem Hotel wegen eines Gasaustritts auschecken“, sagte er. „Ich habe Ihren Wagen gesehen und angehalten.“

Ihre Augen füllten sich mit Sorge. „Wow.“ Instinktiv griff sie nach seinem Arm. „Geht es Ihnen gut? Geht es allen anderen gut?“

Er lächelte. „Mir geht es gut. Danke, dass Sie sich Sorgen machen“, neckte er sie.

Alisha zog ihre Hand zurück und wünschte, sein Lächeln wäre nicht so verführerisch. „Welches Hotel?“, fragte sie. „Vielleicht kenne ich die Besitzer.“

„Rose Hill“, sagte er.

Sie nickte. „Ja. Das ist das Haus der Holcombs. Wissen Sie, wann es repariert sein wird?“

„Soweit ich verstanden habe, wird das ganze System generalüberholt.“ Er gähnte.

„Was haben Sie vor? Verlassen Sie Royal?“, fragte sie und tat hoffnungsvoll, obwohl sie Tremaine Knowles eigentlich mochte … ob er nun mit Beyoncé verwandt war oder nicht.

„Ich bin hier noch nicht fertig“, sagte er mit tiefer Stimme. „Ich bin für zwei Wochen hier, aber ich habe keine Lust auf ein schickes Hotel – deshalb war ich in dem Gasthaus. Ich werde einfach in meinem Pick-up campen, bis meine Arbeit in Royal erledigt ist.“

Alishas Augen weiteten sich vor Entsetzen. „In Ihrem Pick-up?“

„Das ist schon in Ordnung. Um diese Jahreszeit sollte es nachts noch nicht zu kalt werden.“

War Geld – oder der Mangel daran – das Problem?

Ein Zimmer im Bellamy, einem exklusiven fünf-Sterne-Resort, das vor Luxus und modernster Technik nur so strotzte, konnte für einen zweiwöchigen Aufenthalt teuer werden.

Sie musterte ihn, während sie mit dem Daumen über eines ihrer Medaillons strich.

Dieser Mann war in der Stadt, verbündet mit den Del Rios und auf der Suche nach einer Wahrheit, die ihre Familie noch beschämen könnte. Ihre Liebe zur Geschichte hatte sie gelehrt, dass es manchmal besser war, einen Feind nicht aus den Augen zu lassen. Sie könnte seine Ermittlungen beeinflussen oder zumindest herausfinden, was er herausfand.

„Als Zeichen, dass wir keine Angst vor Ihren Ermittlungen haben, lade ich Sie im Namen meiner Familie ein, auf dem Anwesen zu wohnen – in dem separaten Flügel, der noch renoviert wird.“ Sie nickte, als wollte sie sich selbst von ihrer voreiligen Entscheidung überzeugen. „Es ist genug Platz für uns beide … für eine Weile.“

„Das ist ein sehr großzügiges Angebot, das ich gern annehme.“

Alishas Herz schlug so schnell, dass sie nur beten konnte, nicht in Ohnmacht zu fallen.

„PENG!“

Das Geräusch eines Schusses war selbst durch die geschlossenen Fenster von Tremaines Pick-up zu hören, als er zum Stehen kam. Er erblickte Alisha, die mit dem Gewehr an der Hüfte im Hof stand. Aus beiden Läufen, die in den Himmel ragten, stieg noch Rauch auf.

Lächelnd schaltete er die Zündung aus, schnappte sich seine Taschen und stieg aus. „Vorsichtig“, neckte er, als er zu ihr schlenderte.

Alisha zog eine Augenbraue hoch und spannte das Gewehr. „Ich kann damit umgehen. Das können Sie mir glauben. Mein Bruder Trey ist ein verdammt guter Schütze und hat dafür gesorgt, dass ich es auch bin“, sagte sie kühn und blickte ihm in die Augen. „Passen Sie auf, dass Sie nicht zur Zielscheibe werden.“

Tremaine lächelte breit, als er seine Hand auf die Brust presste. „Ich habe Ihre Einladung als...

Autor

Cynthia St Aubin
<p>Cynthia St. Aubin schrieb ihr erstes Theaterstück im Alter von acht Jahren und ließ es von ihren Brüdern für den Eintrittspreis von Kaugummipackungen aufführen. Ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass sie die Verpackungen im Voraus zur Verfügung stellte. Als sie groß genug war, um die oberste Schublade der elterlichen Kommode...
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Jana De Leon
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