Baccara Exklusiv Band 253

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EIN SINNLICHER WEIHNACHTSTRAUM von JULES BENNETT

Über die Weihnachtstage lebt Scarlett auf der Luxusranch von Hollywood-Star Beau Elliott – als Nanny seiner kleinen Tochter. Auch wenn Beau mit seinem sexy Lächeln Millionen Frauen verzaubert, wird sie noch lange nicht schwach! Doch am prasselnden Kaminfeuer weckt er plötzlich ein prickelndes Begehren in ihr …


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  • Erscheinungstag 14.12.2024
  • Bandnummer 253
  • ISBN / Artikelnummer 0858240253
  • Seitenanzahl 448

Leseprobe

Jules Bennett

1. KAPITEL

Scarlett Patterson umfasste den Griff ihres kleinen Koffers fester und wartete.

Und wartete.

Zweimal hatte sie schon geklopft, aber nichts rührte sich. Die Adresse war richtig, daran konnte es keinen Zweifel geben. Es war ein kleines Haus am Rand der großen, malerischen Pebblebrook Ranch in Stone River. Sie wusste, für wen sie arbeiten würde. Allein der Gedanke an Beau Elliott ließ ihren Puls schneller gehen. Beau Elliott – der Bad Boy von Hollywood, der Cowboy-Casanova. Die Zahl der Titel, die man ihm gegeben hatte, war endlos.

Allen Berichten der Presse nach war vor ihm keine Frau sicher. Scarlett wusste nicht, ob sie ihn auf Fotos schon zweimal mit derselben gesehen hatte.

So war es zumindest bis zu dem Zeitpunkt gewesen, als eine von ihm schwanger geworden war. Man sah die beiden häufiger zusammen, aber bald fingen die Gerüchte an zu brodeln – Gerüchte von Drogen, die man in der Tasche seiner Geliebten gefunden hatte. Gerüchte von Affären, die wieder aufgenommen wurden – oder die vielleicht nie beendet worden waren.

Wieso er jetzt nach Texas auf die Ranch seiner Familie zurückgekehrt war, wusste sie nicht, und es ging sie auch nichts an.

Scarlett ließ den Blick umherwandern, wobei sie die Augen vor der Wintersonne abschirmte. Weit und breit war niemand zu sehen. Bis zum Horizont nur grüne Hügel mit Rindern. Eine reine Postkartenidylle.

Die Ranch der Elliotts war riesig – nach allem, was Scarlett gehört hatte, umfasste sie zweitausend Hektar. Es gab mehrere Häuser für die Familie, und ein Teil sollte demnächst zu einer Ferienranch ausgebaut werden. Wenn sie es richtig verstanden hatte, würde dieses Haus dann eine der Gästeunterkünfte sein.

Wieso wohnte Beau Elliott hier statt in einem der Haupthäuser, so wie seine Brüder? Hatte er überhaupt vor zu bleiben?

Fragen über Fragen.

Aber sie war nicht hier, um sich für das Privatleben dieses Mannes zu interessieren. Ihre Aufgabe bestand einzig und allein darin, sich um sein Baby zu kümmern.

Das Klicken des Schlosses riss sie aus ihren Gedanken.

Und dann stand er vor ihr: Beau Elliott. Sexiest Man Alive. Ohne Hemd, nur mit einer tief sitzenden Shorts bekleidet. Ein Tattoo zierte seine muskulöse Brust und verschwand über der Schulter.

Sieh nicht hin! befahl sie sich. Starr nicht auf das Tattoo! Fass es nicht an!

„Wer sind Sie?“

Die tiefe Stimme holte sie abrupt zurück in die Wirklichkeit. Erst jetzt wurde Scarlett bewusst, dass sie den Mann wie hypnotisiert angestarrt hatte.

Sein stoppeliges Kinn und das zerzauste Haar verrieten, dass Beau Elliott eine unruhige Nacht hinter sich hatte. Soweit sie wusste, hatte ihre Vorgängerin ihn am vergangenen Abend wegen eines familiären Notfalls verlassen müssen.

Auch Scarlett hatte nicht ihren besten Tag, sie waren also auf Augenhöhe – wenn man einmal von dem kleinen Unterschied im Kontostand absah: Milliardär und Nanny.

Das zusätzliche Geld, das sie mit diesem Job verdienen würde, konnte sie gut gebrauchen. Da sie eine erfahrene Nanny war, sollte es kein Problem für sie sein, sich um ein süßes, fünf Monate altes Baby zu kümmern. Oder?

Scarlett unterdrückte den Schmerz, der sie bei diesem Gedanken erfasste, und zwang sich, ihren neuen Arbeitgeber anzulächeln. „Ich bin Scarlett Patterson. Ihre neue Nanny.“

Eingehend musterte Beau sie. „Sie sind weder alt noch schrullig“, bemerkte er schließlich.

Super. Ein Mann mit Vorurteilen! Er hatte also bereits ein Bild von ihr im Kopf gehabt. Maggie, ihre Vorgängerin, war eine total nette Frau, aber man hätte sie tatsächlich als alt und schrullig bezeichnen können. Offenbar hatte er etwas Ähnliches erwartet.

Beau Elliott war auf einer Ranch aufgewachsen und dann quasi über Nacht zum Hollywoodstar aufgestiegen. Der Umgang mit ihm würde kein Zuckerschlecken werden, das wurde ihr immer klarer.

Aber wieso sollte sie auch etwas anderes von jemandem erwarten, dem Prominenz und Macht wichtig zu sein schienen?

Leider kannte sie diesen Typ Mann nur zu gut. Sie kannte ihn und tat alles, um ihm aus dem Weg zu gehen.

Ihr Stiefvater war besessen von der Jagd nach Geld und davon, stets zu bekommen, was er wollte. Nichts war ihr so zuwider wie diese Gier nach Macht. Gerade als sie glaubte, ihn aus ihrem Leben gestrichen zu haben, wurde er Gouverneur und erwartete – genau wie ihre Mutter –, dass sie ihrer Rolle als Familienmitglied gerecht wurde. Doch sie hatte ihre eigenen Vorstellungen davon, wie ihr Leben aussehen sollte – Vorstellungen, die ihren Eltern nicht gefielen. Als ihnen klar wurde, dass sie sie nicht beeinflussen konnten, begannen sie, sie zu meiden. Das war ihr nur recht. Lieber streckte sie sich nach der Decke, als sich von irgendjemandem Vorschriften machen zu lassen.

Weder alt noch schrullig – ist das ein Kompliment oder eine Feststellung?“ Sie machte eine abwehrende Handbewegung, bevor er etwas sagen konnte. „Vergessen Sie ’s. Mein Aussehen und Alter spielen hier keine Rolle. Ich übernehme für die kommenden drei Wochen die Stelle von Maggie.“

„Ich wollte jemanden wie Maggie.“

Nach wie vor machte er keinerlei Anstalten, sie ins Haus zu bitten. Auch wenn sie hier im warmen Texas waren, fröstelte es sie in der Morgensonne.

Scarlett war nicht in der Stimmung, sich mit den Erwartungen zu befassen, die dieser Mann an eine Nanny hatte. Schließlich war es schwer genug, sich nach einem Jahr ohne Nanny-Verpflichtungen wieder in die Rolle einzufinden. Wäre es nach ihr gegangen, hätte jemand anderes diese Stelle übernommen, aber die Agentur war im Moment unterbesetzt.

Es war nur ein dreiwöchiger Job. Das hieß, sie würde Weihnachten hier verbringen und gleich anschließend nach Dallas fahren.

Dort sollte im Januar ihr neues Leben beginnen.

Endlich!

Aber wenn alles gut war, wieso verspürte sie dann schon jetzt die ersten Anzeichen von Kopfschmerzen?

Natürlich. Weil dieser Mann es gewohnt war, seinen Willen zu bekommen.

In ihr schien sich alles zu verkrampfen. Okay, er mochte sexy sein, aber das hieß nicht, dass sie sich von ihm alles bieten lassen musste. Vielleicht sollte sie ihn daran erinnern, dass er keine Wahl hatte. Er hatte eine Nanny angefordert, und diese Nanny war sie, Scarlett.

Nanny Poppins hat für den Zeitraum, den Sie angegeben haben, sonst niemanden verfügbar.“

Scarlett bemühte sich, ihr professionelles Lächeln beizubehalten – sie brauchte das Geld und würde kein Kind im Stich lassen. Außerdem würde sie den Ruf der Agentur, für die sie seit ein paar Jahren arbeitete, niemals gefährden.

„Sie brauchen Hilfe, richtig?“ Fragend sah sie ihn an.

Maggie hatte Scarlett erzählt, dass Beau ein grüblerischer Typ war, der gern für sich blieb und nur bei seiner kleinen Tochter aus sich herauskam. Das war alles schön und gut. Scarlett war nicht hier, um Freundschaft zu schließen oder den Superstar anzuhimmeln, ganz gleich, wie verführerisch er früh am Morgen auch aussehen mochte.

Das angespannte Schweigen wurde jäh vom Weinen eines Babys unterbrochen. Beau fluchte unterdrückt und verschwand. Langsam trat Scarlett durch die offene Tür und schloss sie hinter sich.

Eine Einladung war wohl nicht zu erwarten.

„Danke für das herzliche Willkommen“, murmelte sie vor sich hin.

Sie stellte ihren Koffer ab und legte die Handtasche darauf. Aus dem Zimmer zu ihrer Rechten waren das Weinen des Babys und Beaus tiefe beruhigende Stimme zu hören.

Langsam ließ sie den Blick durch das offen gestaltete Haus gleiten. Entweder war Beau ausgesprochen ordentlich, oder aber er hatte nicht viele Sachen. Neben der Tür stand ein Paar glänzender neuer Cowboystiefel. Darüber hing ein schwarzer Stetson am Haken. In der kleinen Küche fiel nur ein Trockengestell für Babyfläschchen auf. Auf dem winzigen Tisch lag ein rosa-weiß gepunktetes Lätzchen.

Zur Linken bemerkte sie ein weiteres Schlafzimmer. Sie nahm an, dass es ihres sein sollte. Gegenüber führten zwei Glastüren auf eine Veranda. Der Wohnbereich war gemütlich und perfekt für die zukünftigen Gäste der Ferienranch.

Das Einzige, was sie irritierte, war das Fehlen jeglicher Weihnachtsdekoration. Keine Tanne, keine Strümpfe über dem kleinen Kamin. Nicht einmal ein Kranz an der Tür. Wer wollte nicht Weihnachten feiern? War es nicht die schönste Zeit des Jahres?

Im Laufe der Zeit hatte sie das Fest mit verschiedenen Familien geteilt – alle waren liebevoller und erfüllender gewesen als die ihrer kalten kontrollierten Kindheit.

Scarlett blieb im Eingangsbereich stehen und ließ den Blick durch das Reich dieses offenkundigen Weihnachtshassers gleiten. Da er sie nicht hereingebeten hatte, wollte sie sich nicht zu weit von der Haustür entfernen. Es war offensichtlich, dass sie nicht seinen Erwartungen entsprach – nicht auszuschließen also, dass er sie wieder fortschickte.

Sie konnte nur hoffen, dass es dazu nicht kam. Immerhin brauchte sie das zusätzliche Geld, das für die drei Wochen vereinbart war. Damit wollte sie die Anfangszeit in Dallas überbrücken.

Die nächsten einundzwanzig Tage konnten gar nicht schnell genug vergehen!

In diesem Moment kam Beau zurück.

Scarlett wusste nicht, was ihr mehr zusetzte: der Anblick des muskulösen Mannes mit dem nackten Oberkörper oder der des Babys, das er auf dem Arm trug.

Sie hatte geahnt, dass es schwer sein würde, wieder als Nanny zu arbeiten, aber nicht, wie tief der Schmerz tatsächlich gehen würde.

Vor einem Jahr hatte sie sich bewusst dazu entschieden, nicht mehr bei Familien zu arbeiten. Acht Jahre lang war sie die begehrteste Nanny der Agentur gewesen, aber dann hatte das Schicksal zugeschlagen und ihr die Chance genommen, eigene Kinder zu haben. Sie wusste nicht, ob sie es ertragen konnte, andere Menschen zu erleben, die hatten, was sie sich immer gewünscht hatte. Ihr Boss hatte Verständnis dafür, dass sie sich von Babys und Familien zurückziehen wollte. Also ließ sie sich ins Büro versetzen, auch wenn dort weniger gezahlt wurde als für den vierundzwanzigstündigen Nanny-Service.

Natürlich hätte sie diesen Job ablehnen können, aber die Agentur war in einer Notlage. Und da Scarlett sich dort immer wohlgefühlt hatte, konnte sie nicht einfach Nein sagen.

Es würde – gelinde gesagt – schwierig sein, für Beau Elliott zu arbeiten, aber sie musste es schaffen. Nur diesen einen Job noch! Sie konnte es schaffen. Zumindest hoffte sie das.

Das Baby weinte weiter. Rieb sich die Augen und schniefte. Zweifellos war die Kleine müde. Allem Anschein nach hatten Vater und Tochter beide eine schlaflose Nacht hinter sich.

Unwillkürlich streckte Scarlett die Hände nach dem Baby aus und nahm es, wobei sie tunlichst darauf achtete, Beau nicht zu berühren.

Als ihr der typische Babyduft in die Nase stieg, hatte sie Mühe, an sich zu halten. Ihr brannten die Augen, und ihre Kehle war wie zugeschnürt. Aber die Bedürfnisse des Babys waren wichtiger. Nur deswegen war sie ja hier.

„Oh, Sweetheart, es ist alles gut.“ Sie strich dem kleinen Mädchen über den Rücken und wiegte es leicht hin und her. Maggie hatte ihr gesagt, dass die Kleine ein wahrer Sonnenschein war.

„Madelyn.“

Verblüfft sah Scarlett auf. „Wie bitte?“

„Sie heißt Madelyn.“

Immerhin. Das war wohl ein Schritt in die richtige Richtung. Beau schien nicht die Absicht zu haben, sie vor die Tür zu setzen. Natürlich kannte Scarlett den Namen des kleinen Mädchens bereits und hatte alle notwendigen Unterlagen studiert, die zum Job gehörten. Dennoch war es nett, dass er nicht mehr ganz so abweisend war.

Sie wünschte nur, er würde sich endlich ein Hemd überziehen, denn ihr Blick wurde noch immer wie magisch von seinem Körper angezogen. Der verdammte Kerl dachte wahrscheinlich, dass er sie beeindrucken konnte, indem er all seine Muskeln präsentierte.

Energisch verdrängte Scarlett ihre erotischen Fantasien, ehe sie noch zu sehr ausuferten. Zumindest hatte sie nun noch an etwas anderes zu denken als an ihre Sehnsucht nach einem Kind. Da sollte ihr dieser optische Leckerbissen doch nur recht sein.

Mit dem Baby ging sie in den Wohnbereich, der wegen der großen Glastüren geräumiger wirkte, als er eigentlich war. Wieso lebt ein Filmstar so beengt? fragte sie sich und entschied im selben Moment, dass sie das nichts anginge. Außerdem wäre dieser Job ja nur für drei Wochen – für die Adventszeit in der am wenigsten weihnachtlichen Umgebung, die sie je erlebt hatte.

Vielleicht konnte sie selbst die eine oder andere festliche Deko anbringen. Jedes Kind hatte ein paar strahlende Kerzen oder einen Strumpf über dem Kamin verdient. Und auf jeden Fall einen Tannenbaum. Wohin sollte der Weihnachtsmann sonst die Geschenke legen?

„Sie weint schon die ganze Nacht“, sagte Beau hinter ihr. „Ich habe alles versucht, aber ich kann sie nicht beruhigen. Das habe ich noch nie erlebt.“

Der Frust, der in seinem Ton mitschwang, stimmte Scarlett etwas milder. Beau mochte ein Frauenheld sein, aber ganz eindeutig liebte er seine Tochter.

Unwillkürlich fragte sie sich, was mit der Mutter war. Natürlich konnte sie das Thema nicht ansprechen. Sie hatte genügend Klatschgeschichten gelesen, um zu ahnen, dass die Frau vielleicht gerade eine Entziehungskur machte – oder sie zumindest nötig hatte.

Das Weinen des Babys wurde zu lautem Schreien, begleitet von dicken Tränen. Madelyn fühlte sich elend. Damit waren sie nun schon zu dritt.

Nur einundzwanzig Tage!

Wie, zum Teufel, hat sich meine Nanny-Situation derart verändern können? fragte sich Beau. Zuerst eine schrullige Mrs. Doubtfire und nun eine sexy Miss Dezember wie aus dem Playboy.

Die sinnliche Frau mit den dunkelbraunen Augen und dem seidigen schwarzen Haar war unglaublich attraktiv, aber es waren diese Kurven an genau den richtigen Stellen, die ihn wirklich wachgerüttelt hatten. Sein ganzer Körper war in Habt-Acht-Stellung gegangen – deswegen war er vielleicht etwas mürrisch herübergekommen.

Aber, verdammt, er hatte auch allen Grund dazu.

Man hatte ihm zugesagt, dass am Morgen eine Ersatz-Nanny vor der Tür stünde. Irgendwie hatte er automatisch angenommen, dass die Agentur wieder so einen großmütterlichen Typ schicken würde.

Rundlich, mit weiter Hose. Mit Gesundheitstretern und grauem Haar, das zu einem Knoten gebunden war. Vielleicht noch mit einer Warze. Oder sogar mit falschen Zähnen.

Beau sah zu, wie Scarlett seine Tochter tröstete.

Scarlett. Natürlich hatte sie auch noch einen sinnlichen Namen!

Vor gar nicht allzu langer Zeit wäre sie genau sein Typ gewesen, und er hätte alles darangesetzt, sie zu verführen. Aber mittlerweile hatte sich sein Leben komplett verändert, und das einzige weibliche Wesen, das ihn interessierte, war das süße, fünf Monate alte Baby, das er aus den Klauen seiner partysüchtigen, überspannten Mutter gerettet hatte.

Geld war ihm nicht wichtig – wahrscheinlich weil er es immer gehabt hatte –, aber in diesem Fall war es sehr hilfreich gewesen. Er hatte seiner Ex eine große Summe geboten, damit sie ihm das Kind überließ, und sein Plan ging auf: Jennifer nahm an, verzichtete auf alle Rechte als Mutter und verschwand, um sich den nächsten Star zu suchen, der ihrer Karriere vielleicht förderlich sein konnte.

Die Tatsache, dass sie ihn nur benutzt hatte, spielte keine Rolle für Beau. Die Frau war ihm einerlei, es ging ihm nur um das Kind, das niemals zu einem Pfand in der Hand seiner Mutter werden sollte.

Beau konnte Madelyn gar nicht schnell genug aus Hollywood fortbekommen. Seine Tochter sollte nichts mit diesem oberflächlichen, vergnügungssüchtigen Lebensstil zu tun haben, an den sich hier so viele gewöhnt hatten – er selbst eingeschlossen.

Mit achtzehn hatte er seine Vergangenheit abgestreift und hart dafür gearbeitet, in der Filmmetropole Fuß zu fassen. Er war stolz auf das, was er erreicht hatte: erfolgreiche Filme, viele Preise und Auszeichnungen. Aber durch die Geburt seiner Tochter hatten sich seine Prioritäten verschoben. Einiges musste jetzt grundlegend verändert werden. Was und wie – das wusste er noch nicht.

Nach Hause zurückzukehren war sicher nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen, aber er brauchte seine Familie, auch wenn er wusste, welches Willkommen ihn erwartete. Seine Brüder Colt, Hayes und Nolan würden ihn spüren lassen, was sie davon hielten, dass er sich jahrelang nicht gemeldet hatte. Und nun brachte er auch noch ein Kind mit!

Glücklicherweise hatte Madelyn seine Brüder und ihre Frauen sofort für sich eingenommen. Das war alles, was zählte. Ganz gleich, wie die anderen ihn behandelten oder ob sie ihn ignorierten – Beau wollte, dass seine Tochter von Liebe umgeben war.

Sein Leben war ein Chaos, seine Zukunft ungewiss. Im Moment konnte er nicht über den Tag hinausdenken. Zwei Tage vor Weihnachten musste er zu einer Filmpremiere erscheinen, aber davon einmal abgesehen war alles offen.

Wichtig war nur Madelyn. Er musste dafür sorgen, dass sie eine gute Grundlage für ihr Leben bekam und eine Familie hatte, die sie liebte. Die Anrufe seines neuen Agenten interessierten ihn ebenso wenig wie die Filmpremiere oder was sonst auch immer von ihm erwartet wurde, um den Film zu promoten. Kurz: Er litt an einem klassischen Burn-out.

Beau brauchte Ruhe, um nachzudenken, und genau das konnte Pebblebrook ihm bieten.

Allerdings würde er sich nur schwer konzentrieren können, wenn er zusammen mit einer solchen Frau unter einem Dach leben musste, besonders wenn das Haus so klein war. In einigen Monaten sollte es eines der Gästehäuser der Ferienranch sein. Der Traum seines Vaters wurde endlich Wirklichkeit.

Wie hatte es dazu kommen können, dass er so dringend auf Hilfe angewiesen war? Er war immer stolz darauf gewesen, niemanden zu brauchen. Er hatte Wohnungen überall auf der Welt, besaß Autos, um die so mancher Mann ihn beneidete, und hatte sogar eine eigene Insel. Aber der einzige Ort, den er im Moment brauchte, war Pebblebrook – hier bei seiner Familie, ob sie ihn nun wollte oder nicht.

Schon vor Jahren hatte Beau seinem Erbe und seiner Familie den Rücken gekehrt. Das war an sich überhaupt nicht seine Absicht gewesen, aber das Leben als Star hatte ihn einfach mit sich fortgerissen. Aus Tagen wurden Monate, aus Monaten Jahre. Die Zeit war so schnell vergangen.

Aber nun war er wieder zu Hause. So böse seine Brüder auch mit ihm sein mochten – sie gaben ihm doch ein Dach über dem Kopf. Vorübergehend nur, aber das war doch wenigstens etwas. Er wusste, dass er es nur Madelyn und ihrem einnehmenden Charme zu verdanken hatte.

„Sie bekommt Zähne.“

Die Bemerkung der Nanny riss Beau aus seinen Gedanken. „Zähne? Sie ist doch gerade mal fünf Monate alt!“

Scarlett fuhr fort, das Baby in den Armen zu wiegen. Madelyn sog an ihrer Faust und schwankte zwischen Weinen und Greinen. Wenigstens war das Weinen nicht mehr so durchdringend wie in der vergangenen Nacht. Es hatte ihm schwer zugesetzt, dass seine Tochter so litt und er nicht wusste, wie er ihr helfen konnte. Was war er nur für ein Vater?

Mit großen Augen sah Madelyn zu der neuen Nanny auf, als versuche sie, herauszufinden, woher diese fremde Frau plötzlich kam.

Er hatte selbst Mühe, Scarlett nicht anzustarren. Dabei wusste er sehr wohl, woher sie kam: aus jeder einzelnen seiner erotischen Fantasien.

„Ihr Zahnfleisch ist geschwollen, und sie sondert viel Speichel ab“, erklärte die Frau seiner Träume. „Das ist alles ganz normal. Manche Babys zahnen früher, manche später. Haben Sie kalte Beißringe im Kühlschrank?“

Kalte Beißringe? Was, zum Teufel, sollte das sein? Er hatte Vorräte an Milchpulver, jede Menge Fläschchen und Windeln, aber kalte Beißringe? Bestimmt nicht.

Er hatte eine App, die ihm sagte, was Babys wann taten und was sie in den verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung brauchten, aber Beißringe waren bisher nicht erwähnt worden.

„Ihrem Ausdruck nach zu urteilen, tippe ich mal auf Nein“, bemerkte Scarlett trocken, ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. „Können Sie mir eine Serviette oder ein Handtuch geben?“

Beau war es nicht gewohnt, Befehle auszuführen, aber er würde alles tun, damit es seiner Tochter besser ging. Also reichte er Scarlett ein frisches Geschirrtuch. Sie schlug Eiswürfel darin ein und rieb es leicht über den Gaumen seiner Tochter. Nach ein paar Minuten wurde das Weinen weniger und hörte schließlich ganz auf.

„Ich besorge nachher ein paar Beißringe“, erklärte Scarlett. „Sie verschaffen dem Kind sofort Erleichterung. Falls Sie Schmerzmittel für Kinder haben, kann ich ihr die auch einreiben, aber an sich ziehe ich natürliche Mittel der Chemie vor.“

Okay, Miss Dezember schien wirklich zu wissen, was sie tat. Dass sie nicht gleich zur Chemiekeule griff, gefiel ihm. Und es gefiel ihm noch mehr, dass sie von seinem Starruhm absolut unbeeindruckt schien.

Vorsicht! Du hast schon genug Probleme durch eine andere sexy Frau gehabt! Sie ist die Nanny, nicht das nächste Betthäschen!

Er hätte die warnende innere Stimme nicht gebraucht. Scarlett Patterson war nur bis zum sechsundzwanzigsten Dezember hier. Er musste sich um seine Tochter kümmern und dafür sorgen, dass wieder Frieden in der Familie einkehrte. Wie sollte er in der kurzen Zeit noch eine Frau verführen?

Auch wenn diese Nanny ausgesprochen sexy war …

Doch davon einmal abgesehen, wäre es wirklich das kitschigste Klischee: der Filmstar und die Nanny. Wie viele solcher Geschichten hatte er in letzter Zeit in der Klatschpresse gelesen?

Nein, er würde die Finger von dieser Frau lassen. Sie war hier, um sich um sein Baby zu kümmern. Außerdem achtete er das weibliche Geschlecht. Schließlich hatte seine Mutter all ihre Söhne zu Gentlemen erzogen. Die Presse behauptete zwar gern, er hüpfe von einem Bett zum nächsten, aber ganz so viele waren es dann doch nicht. Außerdem hatten alle Frauen, mit denen er zusammen gewesen war, gewusst, dass er nicht an etwas Langfristigem interessiert war, und waren damit einverstanden gewesen.

Beau hatte das Gefühl, dass Scarlett anders war. Wahrscheinlich hatte sie eine eigene Familie. Andererseits: Wenn sie Vollzeit als Nanny arbeitete, hatte sie eigentlich keine Zeit dafür…

Was ging ihn ihr Privatleben an? Sie war seine Nanny, nichts weiter.

Aber, verdammt, musste sie in der pinkfarbenen Caprihose und der ärmellosen weißen Bluse so gut aussehen? Gab es denn keine Uniform für Nannys? Etwas, was sie vom Hals bis zu den Füßen bedeckte und auch noch Ärmel hatte? Doch auch wenn sie vollkommen bedeckt gewesen wäre, hätte er immer noch diese ausdrucksvollen braunen Augen gesehen, diese perfekt geformten Lippen und die süßen Grübchen.

Himmel! Das alles sollte er gar nicht wahrnehmen!

„Wieso legen Sie sich nicht hin?“, schlug Scarlett vor und unterbrach damit seinen Gedankengang. „Ich kann mich um die Kleine kümmern. Sie sehen wirklich schlecht aus.“

Beau brauchte einen Moment, bevor er seine Stimme wiederfand. Außer seinen Brüdern redete niemand so mit ihm – und sogar das war Jahre her.

„Sind Sie immer so offen mit Ihren Klienten?“

„Ich kann Ihnen keine große Hilfe sein, wenn ich nur Ihr Ego streicheln und Ihnen etwas vormachen soll. Ich bin nur ehrlich.“

Wow, das war selten! Falls sie denn die Wahrheit sagte. Bisher hatte Beau noch keine Frau kennengelernt, die offen und ehrlich war. Alle dachten nur an sich. Und an Geld.

Das war ein weiterer Grund, wieso er das einfache Leben auf Pebblebrook brauchte. Er wollte zurück zu seinen Wurzeln. Wollte herausfinden, wie es mit seinem Leben weitergehen sollte. Er wollte die Weite des Landes spüren, den blauen Himmel über sich sehen, ohne dass irgendwelche Gebäude ihm die Sicht nahmen. Und er wollte die Beziehungen zu seiner Familie wieder in Ordnung bringen. Welche Zeit war dazu besser geeignet als Weihnachten?

„Ich bin Beau.“ Als die Nanny die Brauen hob, fuhr er rasch fort: „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.“

„Ich weiß, wer Sie sind.“

Er wartete darauf, dass sie weitersprach, aber ganz offensichtlich hatte sie sich bereits eine Meinung über ihn gebildet, die sie lieber für sich behielt. Gut. Solange sie sich um seine Tochter kümmerte und ihm half, bis Maggie zurück war, so lange konnte es ihm einerlei sein, was sie von ihm dachte.

Mit ihren Vorurteilen befand sie sich in guter Gesellschaft. Seine Brüder sahen in ihm bereits den verlorenen Sohn und waren entschlossen, ihn an seinen Platz zu verweisen. Aber das hatte er wohl nicht besser verdient.

Genau wie diese sexy Nanny. Sie war die Strafe des Himmels für sein Verhalten in den vergangenen Jahren.

Er musste sich vor Augen halten, dass sie für seine Tochter da war, nicht zu seinem persönlichen Vergnügen. Sicher war es nicht klug, ihr die Hauptrolle in seinen erotischen Fantasien zuzuweisen …

2. KAPITEL

Madelyn hatte sich beruhigt und war eingenickt. In jedem der beiden Schlafzimmer stand eine Wiege. Scarlett hatte sich entschieden, die in dem Zimmer zu nehmen, das Maggie geräumt hatte und das jetzt ihr Reich sein sollte.

Beau hatte sie kurz durch das Haus geführt. Dadurch hatte sie einen flüchtigen Blick in sein Zimmer werfen können. Die Wiege stand dort direkt neben dem Kingsize-Bett. Scarlett versuchte, jeden Gedanken an die zerwühlten Laken zu vermeiden, aber immer wieder sah sie ihn dort vor ihrem geistigen Auge liegen – nur mit einer Unterhose bekleidet oder sogar ganz nackt.

Stöhnend schloss Scarlett leise die Tür. Sie wusste nicht, wie tief Madelyns Schlaf war. Bis sie die süße Kleine etwas genauer kennengelernt hatte, wollte sie vorsichtig sein.

Wirklich kennenlernen würde sie sie natürlich nicht, dazu war nicht genügend Zeit. Und in ihrem eigenen Interesse war es vielleicht auch besser, auf Distanz zu bleiben. Das zu wissen und dieses Wissen zu beherzigen waren natürlich zwei Paar Schuhe.

Vor ihrer Operation hatte sie sich immer ganz auf jeden neuen Job eingelassen. Sie hatte sich zugehörig gefühlt zu den Familien, für die sie arbeitete.

Vor ihrer Operation hatte sie noch Träume gehabt.

Die Anspannung in ihrer Brust wollte nicht nachlassen. Ganz gleich, ob sie daran dachte, was sie verloren hatte, oder ob sie einfach ihre Arbeit tat – der Schmerz blieb als ständige Erinnerung.

Scarlett kehrte in den Wohnbereich zurück. Beau stand an der Tür zur Veranda und hatte ihr den Rücken zugekehrt. Wenigstens trug er jetzt ein Shirt. Der Stoff spannte sich über den Muskeln, die sie zuvor gesehen hatte. Das Bild hatte sich ihr fest eingebrannt.

„Madelyn schläft“, sagte sie.

Kurz warf Beau ihr einen Blick über die Schulter zu, bevor er sich wieder umwandte.

Okay. Er war kein redseliger Mensch. Das sollte ihr recht sein. Wahrscheinlich war er ein einsamer, unglücklicher Mann. Schon immer hatte sie sich gefragt, ob Stars wirklich glücklich waren. Schließlich konnte man mit Geld nicht alles kaufen. Ihr Stiefvater war der beste Beweis. Jahrelang war er Abgeordneter gewesen, bevor er endlich zum Gouverneur gewählt wurde. Sein Wunsch war es gewesen, dass alle seine Kinder – auch sie als Stieftochter – in die Politik gingen, damit die Menschen sie als mächtige Familie wahrnahmen.

Doch sie zog ein einfacheres Leben vor. Oder zumindest ein Leben ohne falsches Lächeln und irreführende Wahlkampfslogans.

„Falls Sie etwas zu erledigen haben, können Sie das gern machen – ich bin ja hier“, sagte sie zu Beau. Der missbilligende Laut, den sie zu hören bekam, konnte eine Antwort sein oder auch irgendetwas anderes.

Scarlett begab sich in die Küche, um zu sehen, welches Milchpulver und welche anderen Dinge für Madelyn da waren. Da sie nur kurze Zeit hier sein würde, sollte die Kleine sich nicht groß umstellen müssen.

Sie wollte sich gerade umschauen, als es an der Tür klopfte.

Beau blickte hinüber und wirkte dabei, als hätte er am liebsten die Flucht ergriffen. Da sich das Haus auf dem Gelände der Ranch befand, war der Gast wahrscheinlich ein Familienmitglied – wo also war das Problem? War er nicht deswegen nach Hause gekommen? Um die Weihnachtstage mit seiner Familie zu verbringen?

„Soll ich gehen?“, fragte sie, als er keinerlei Anstalten machte zu öffnen.

Er nickte nur.

Als Scarlett die Tür aufzog, stieß sie einen kleinen Schrei aus. Vor ihr stand ein zweiter Beau. Dieser war jedoch glatt rasiert und blickte nicht so mürrisch drein wie das Original. Aber die breiten Schultern und die dunklen Augen waren die gleichen – und hatten dieselbe fatale Wirkung auf ihren Puls.

„Ma’am.“ Beaus Doppelgänger tippte sich an den Rand des schwarzen Stetsons. „Ich bin Colt Elliott, Beaus Zwillingsbruder. Sie müssen die Ersatz-Nanny sein.“

Ein weiterer Elliott und ein Zwilling! Himmel, dieser Job war ja das reinste Verwöhnprogramm, wenn sie jeden Tag von solchen Männern umgeben war!

Sie wusste, dass es vier Elliott-Brüder gab, aber wow! Niemand hatte sie gewarnt, dass sie sich ähnelten wie ein Ei dem anderen. Unwillkürlich fragte sie sich, ob auch die beiden anderen bald vorbeikommen würden …

„Ja“, sagte sie, als ihr bewusst wurde, dass er auf ihre Antwort wartete. „Ich bin Scarlett.“

Langsam ließ Colt den Blick von ihr zu Beau wandern. „Störe ich?“

Scarlett trat zurück. „Überhaupt nicht. Ich habe das Baby gerade schlafen gelegt und kann nach draußen gehen, während Sie beide sich unterhalten. Es ist ein schöner Tag.“

Sie fing einen seltsamen Blick von Beau auf. Hörte er je auf zu schauspielern, oder war er von Natur aus so?

„Wenn Sie mich dann entschuldigen würden.“ Sie wandte sich an Colt. „Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.“

„Ganz meinerseits, Ma’am.“

Irgendwie gelang es Scarlett, nach draußen zu kommen, ohne über die eigenen Füße zu stolpern. Beim Anblick dieser sexy Elliotts konnten einer Frau die Knie weich werden, das ließ sich nicht leugnen.

Auf der Veranda setzte sie sich auf die Schaukel, die direkt vor dem Fenster ihres Schlafzimmers stand, und genoss den leichten Windhauch. Der Dezember in Texas war weder zu warm noch zu kalt – eigentlich perfekt. Nur abends und nachts konnte es kühl werden.

Nur gut, dass das Haus mit Kaminen ausgestattet war. Bei dem Gedanken an ein knisterndes Feuer musste sie unweigerlich an romantische Gespräche denken und sah sich im Geiste in den Armen eines starken Mannes.

Sie schloss die Augen, während sie mit den Füßen die Bewegungen der Schaukel stoppte. Es würde keine Romantik und keine Kaminfeuer geben – zumindest keine der leidenschaftlichen Art.

Plötzlich wurden die Stimmen im Haus lauter. Die Zwillinge schienen ein Problem miteinander zu haben. Zwei sexy Alphatiere, die aufeinander losgingen – der Traum einer jeden Frau –, aber sie konnte wohl schlecht hineingehen und die beiden stoppen.

Dann hörte sie es. Das leise Weinen kam aus ihrem Schlafzimmer, direkt von der anderen Seite des Fensters.

Scarlett sprang von der Schaukel und riss die Haustür auf. Sie konnte nicht dulden, dass jemand ein schlafendes Baby störte.

Auf dem Weg zu ihrem Zimmer warf sie den beiden Männern einen warnenden Blick zu. Sie hatte keine Zeit, sich Gedanken wegen ihrer Probleme zu machen. Nicht wenn Madelyn gerade einmal zwanzig Minuten geschlafen hatte.

Scarlett trat an die Wiege und nahm das kleine Mädchen auf den Arm. Behutsam schlug sie es in die gelbe Decke und setzte sich mit ihm in den Schaukelstuhl in der Ecke. Dabei strich sie dem Kind beruhigend über den Rücken.

Nach kurzer Zeit war die Kleine wieder eingeschlafen. Scarletts Herz zog sich zusammen. Sie wollte sie noch eine kleine Weile länger halten. Schließlich war es lange her, dass sie ein so süßes Würmchen auf dem Arm gehalten hatte.

Sie hatte keine Ahnung, was wirklich zwischen Beau und der Mutter des Babys vorgefallen war. Die Presse hatte in den vergangenen Wochen die unterschiedlichsten Gerüchte verbreitet.

Seit über einem Jahr hatte das Paar im Fokus der Aufmerksamkeit gestanden. Damals hatte man sie halb nackt an einem Strand in Belize entdeckt. Die Schwangerschaft löste wahre Schockwellen in den Medien aus. Nach der Geburt des Babys gab es diverse Spekulationen über den Zustand der Mutter, weil sie immer seltener gesehen wurde.

Eine Entziehungskur geisterte durch die Presse. Es gab Gerüchte von einer neuen Beziehung. Dann folgte die Bestätigung der Trennung.

Natürlich gab es auch Gerüchte über Beau. Es hieß, man habe ihn bei der Besetzung eines Blockbusters übergangen – und er habe sich mit seinem neuen Agenten zerstritten. Er und seine Ex waren streitend auf einer Party gesehen worden. Einer von ihnen oder auch beide waren betrunken gewesen.

Bei Lichte betrachtet war Beau Elliott kein Mann, mit dem sie sich einlassen würde. Was auch immer ihn hierher nach Hause getrieben hatte, war sein Problem. Das hieß natürlich nicht, dass ein Kind für die Sünden der Eltern büßen sollte.

Sobald Madelyn wieder tief und fest schlief, legte Scarlett sie zurück in die Wiege. Jemand klopfte leise.

Beau stand in der Tür.

„Schläft sie wieder?“, flüsterte er.

Scarlett nickte. „Wenn Sie sich das nächste Mal streiten wollen, machen Sie das bitte draußen.“

Sein Blick verdunkelte sich. „Dies ist nicht Ihr Haus.“

Scarlett verschränkte die Arme vor der Brust. „Ihrs aber auch nicht“, erwiderte sie. „Aber ich bin jetzt für Madelyn verantwortlich, und ich möchte nicht, dass sie gestört wird, wenn sie ihren Schlaf so dringend braucht. Wenn Sie zuerst an sie denken würden …“

Ehe sie sichs versah, war Beau bei ihr und beugte sich drohend über sie. „Alles, was ich tue, tue ich nur für sie“, herrschte er sie an, ohne dabei die Stimme zu heben. „Sie sind noch nicht mal zwei Stunden hier, also tun Sie nicht so, als wüssten Sie, was Sache ist.“

Scarlett drückte ihm die Hand gegen die Brust, um ihn von sich zu schieben. Die Wärme seines Körpers löste jäh Gefühle in ihr aus, über die sie nicht weiter nachdenken mochte.

Schnell ließ sie die Hand sinken und wandte sich ab. Dabei fiel ihr Blick auf einen Stapel Spitzenhöschen, den sie auf das Bett geworfen hatte, als sie damit begonnen hatte, ihren Koffer auszupacken.

Ihr wurde heiß. Hatte sie Glück, und Beau hatte sie nicht gesehen?

Sie riskierte einen Blick. Nein. Kein Zweifel: Er starrte auf ihre Dessous.

Beau räusperte sich und fuhr sich mit der Hand über den Nacken, bevor er zur Wiege hinübersah, in der seine Tochter friedlich schlief.

„Wir müssen reden.“ Damit verließ er das Zimmer und schien zu erwarten, dass sie ihm folgte.

Scarlett schloss die Augen und zählte stumm von zehn herunter. Dies war nur der erste Tag. Sie wusste, dass es das eine oder andere Problem geben konnte. Oder?

Sie hatte nur nicht erwartet, dass es sich dabei um heiße Schauer handeln könnte, die ihr bei einer Konfrontation mit ihrem Arbeitgeber über den Körper liefen …

Beau biss die Zähne zusammen und ballte die Hände zu Fäusten. Es war eine Weile her, dass er mit einer Frau zusammen gewesen war, und die, die im Moment mit ihm unter einem Dach lebte, brachte ihn fast um den Verstand. Dabei war noch nicht einmal der Vormittag ihres ersten Arbeitstages vergangen!

Diese verdammten Höschen! All diese Spitzen … Er bekam das Bild gar nicht mehr aus dem Kopf. Nie im Leben hätte er es für möglich gehalten, dass die Dessous seiner Nanny ihn aus dem Gleichgewicht bringen könnten, aber genau das war der Fall. Sie schien überhaupt nicht zu ahnen, was sie mit seinen Hormonen anstellte!

Offensichtlich ging es Scarlett in erster Linie um Madelyn. Sie war nicht glücklich gewesen über seinen Streit mit Colt, und er selbst fand die Situation ja auch nicht berauschend. Sein Zwillingsbruder schien es ihm von allen am übelsten zu nehmen, dass er sich so lange nicht hatte zu Hause blicken lassen. Dabei hatte er insgeheim gehofft, dass wenigstens Colt etwas Verständnis für seine Situation aufbringen würde.

Leider steckte sehr viel mehr dahinter als nur die verstrichene Zeit. An Weihnachten nach Hause zu kommen und zu glauben, alles würde sich auf wundersame Weise wieder finden, war einfach naiv gewesen. Und trotzdem hatte er es gehofft. Sie waren einmal die besten Freunde gewesen. Das berühmte Band zwischen Zwillingen war stärker gewesen als alles, was er sonst je erfahren hatte.

Leise Schritte rissen ihn aus seinen Gedanken. Beau nahm seine ganze Kraft zusammen und drehte sich zu Scarlett um. Wieso nur musste sie aussehen wie ein wahr gewordener Männertraum? Diese Kurven … die dunklen Augen … die makellose Haut und dann das schwarze Haar, das ihr wie glänzende Seide über die Schultern fiel …

Zum Teufel mit diesen Dessous! Wenn er sie jetzt ansah, fragte er sich unwillkürlich, was sie darunter trug. Spitze? Satin? Rosa oder Gelb?

„Worüber möchten Sie reden?“ Sie machte keinerlei Anstalten, näher zu kommen.

Beau deutete auf das Sofa. „Bitte, nehmen Sie Platz.“

Sie musterte ihn einen Moment schweigend, bevor sie der Einladung folgte.

Beau blieb neben ihr stehen. „Entspannen Sie sich.“

„Das würde mir leichterfallen, wenn Sie nicht drohend wie ein Racheengel neben mir stünden.“

Fast hätte er laut aufgelacht. Die meisten Frauen wussten seine Nähe zu schätzen. Seine Nähe und mehr. Vielleicht fand er Scarlett deswegen so faszinierend. Es schien ihr vollkommen einerlei zu sein, dass er ein gefragter Hollywood-Schauspieler war und mehr Geld hatte, als er je ausgeben könnte.

Beau wollte kein Unbehagen bei ihr auslösen, und natürlich wollte er sich auch nicht aufdrängen. Zwar gab er es nur ungern zu, aber er brauchte sie. Er war erst seit ein paar Wochen allein mit Madelyn und durfte auf keinen Fall versagen. Es war bei Weitem die wichtigste Aufgabe, die er je gehabt hatte und je haben würde.

„Ich glaube, wir sollten ein paar Regeln festlegen“, begann er.

Zum Beispiel die Regel, dass Dessous zu jeder Zeit unsichtbar in Schubladen liegen sollten. Es könnte auch helfen, wenn sie sich ein paar lange Hosen besorgte und hochgeschlossene Shirts. Oder?

Scarlett setzte sich gerader hin. „Ich arbeite für Sie, Mr. Elliott. Sagen Sie mir einfach, welche Regeln Sie mit Maggie vereinbart haben.“

Beau seufzte stumm. Die Regeln für Maggie waren einfach gewesen: Sie sollte sich um Madelyn kümmern, während er auf der Ranch arbeitete und versuchte, sich über sein weiteres Leben klar zu werden. Die Regeln für Scarlett? Die gingen weit darüber hinaus, wo sie ihre Dessous aufzubewahren hatte. Im Geiste setzte er hinzu: Sie sollte augenblicklich aufhören, so verdammt unschuldig und sexy zugleich zu wirken. Und sie sollte das Kinn nicht so trotzig recken, weil ihn das dazu animierte, sie zu küssen.

Natürlich konnte er das nicht laut sagen. Er räusperte sich. Vielleicht war ein anderer Zugang besser als Regeln.

„Ich möchte mich als Vater aktiv einbringen.“ Das war ihm das Wichtigste. „Madelyn ist mein Leben. Ich werde nur kurze Zeit auf Pebblebrook bleiben, aber während ich hier bin, möchte ich zu meinen Wurzeln zurückkehren und helfen, die Ferienranch aufzubauen und zum Laufen zu bringen.“

Falls seine Brüder ihn überhaupt dabeihaben wollten, wenn sie sich daranmachten, den Traum ihres Vaters zu verwirklichen. Darüber wurde immer noch hitzig debattiert, zumal Beau sich bisher noch nicht dazu hatte durchringen können, Grant Elliott zu besuchen.

Sein Vater lebte seit einiger Zeit in einem Pflegeheim. Die Distanz zwischen ihnen konnte nicht einfach durch ein Versprechen überbrückt werden, das Beau einem anderen Mann auf dem Sterbebett gegeben hatte. Dieser andere Mann war in den letzten Jahren mehr wie ein Vater für ihn gewesen als sein leiblicher Vater.

Beau war Manns genug, zuzugeben, dass er Angst vor der Begegnung mit seinem Dad hatte. Was, wenn der ihn nicht erkannte? Grant litt an Demenz im fortgeschrittenen Stadium, und in letzter Zeit erkannte er seine Söhne nur noch selten. Auch die nicht, die die ganzen Jahre über in Stone River gewesen waren. Beau wusste nicht, ob er die Kraft hatte, sich dieser Situation zu stellen.

„Beau?“

Scarletts leise Frage riss ihn aus seinen Gedanken. Worum ging es? Richtig, die Regeln.

„Ach so, ja. Ich kann nachts aufstehen, falls was mit Madelyn ist. Ich habe keine Nanny eingestellt, um mich davor zu drücken. Ich wollte in erster Linie eine Vollzeit-Nanny haben, weil ich …“

„Weil Sie noch unsicher sind?“, beendete sie den Satz für ihn. „Das ist verständlich. Das Problem haben fast alle Eltern beim ersten Kind. Aber Babys sind eigentlich sehr einfach gestrickt. Sie sagen einem ziemlich genau, was sie wollen – wenn auch nicht mit Worten.“

Leider war ihm diese Sprache noch nicht geläufig. Er wusste nur eines: Wenn Madelyn weinte, wollte er, dass sie aufhörte. Sie sollte nicht unglücklich sein.

Beau hatte während der vergangenen Monate mit seiner Ex gestritten, weil sie Madelyn als Druckmittel benutzte, um Geld aus ihm herauszupressen. Schließlich hatte sein Anwalt die Daumenschrauben angezogen, und endlich hatte Jennifer James – Möchtegernschauspielerin und Mutter, die es nicht wert war, Mutter zu sein – auf ihre Rechte an dem Kind verzichtet.

Zwar hasste er die Vorstellung, dass Madelyn ohne Mutter aufwachsen sollte, aber letztendlich war es sicher besser so.

Beau musterte seine neue, erfrischend andere Nanny. „Ich nehme an, Sie haben keine Kinder, wenn Sie als Vollzeit-Nanny arbeiten können.“

Ein Schatten glitt über ihre Züge, und er hatte das Gefühl, als zöge sie eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen hoch. Sie presste die Lippen aufeinander, hob das Kinn ein wenig und zuckte nicht mit der Wimper.

„Keine Kinder“, sagte sie knapp.

Dahinter verbarg sich eine Geschichte, das spürte er.

„Und doch wissen Sie so viel über Kinder“, fuhr er fort. „Möchten Sie eines Tages eine eigene Familie mit Kindern haben?“

„Mein Privatleben geht Sie nichts an. Das ist meine Regel Nummer eins, die Sie mit auf Ihre Liste setzen dürfen.“

Warum, zum Teufel, hatte er sie das gefragt? Er musste nicht mehr von ihr wissen, aber jetzt, da sie ihn unmissverständlich in seine Schranken gewiesen hatte, drängte es ihn, all ihre Geheimnisse zu lüften. Er hatte Maggie nie etwas Persönliches gefragt, aber Maggie hatte auch nicht diese Gefühle in ihm geweckt …

Obwohl er sich gerade erst vorgenommen hatte, sich aus Scarletts Privatleben herauszuhalten, konnte er nicht anders – er musste weiter nachbohren. Hätte sie ihn einfach nur arrogant abblitzen lassen, wäre das in Ordnung gewesen, aber er meinte, Schmerz und Verletzlichkeit aus ihrem Ton herausgehört zu haben. Wenn eine Frau in Not war, musste er einfach helfen.

Scarlett schien keinerlei Interesse daran zu haben, das Gesprächsthema zu sein. Das verstand er nicht nur, er respektierte es auch. Besser wäre es, sich auf seine eigenen Probleme zu konzentrieren und sich keine Sorgen um das zu machen, was seine Nanny in ihrem Privatleben trieb.

Beau nickte zustimmend. „Also gut. Diese drei Wochen sollten kein Problem sein.“

Damit hatte er ihr eine faustdicke Lüge aufgetischt. Alles an ihr war ein Problem, aber das lag an ihm, nicht an ihr. Offensichtlich war es ihr entgangen, dass seine Hormone in ihrer Nähe Amok liefen. Und es schien ihr einerlei zu sein, wer er war. Für sie war er einfach nur ein weiterer Klient, und die Tatsache, dass er ein Filmstar war, interessierte sie nicht.

Einerseits war er dankbar dafür, dass sie sich ihm nicht an den Hals warf, aber andererseits hatte sein Ego daran doch sehr zu knapsen. Eine solche Reaktion war er nicht gewohnt.

„Ich ziehe mich jetzt um und gehe in den Stall.“ Er nahm das Handy aus der Tasche. „Geben Sie mir Ihre Nummer, dann schicke ich Ihnen eine SMS, damit Sie meine Nummer haben. Falls Sie irgendetwas brauchen, genügt eine SMS, und ich bin sofort da.“

Sobald sie die Nummern ausgetauscht hatten, verschwand Beau in seinem Zimmer, um sich eine bequeme alte Jeans anzuziehen. Die neuen Stiefel mussten erst noch eingelaufen werden. Er hatte sie gleich nach seiner Ankunft gekauft, weil er damals, als er Pebblebrook verlassen hatte, alles weggeworfen hatte, was ihn an die Ranch erinnerte.

Wie merkwürdig, dass er es jetzt gar nicht erwarten konnte, wieder hier zu arbeiten! In dem Moment, als er in die lange Auffahrt mit dem weißen Zaun eingebogen war, war mit einem Schlag die Vergangenheit wieder da gewesen, und er musste daran denken, wie er hier früher Seite an Seite mit seinen Brüdern und seinem Vater gearbeitet hatte.

Im Moment drängte es ihn, die Ställe auszumisten, weil er irgendetwas tun musste, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Er musste sich von der faszinierendsten Frau ablenken, die er seit Langem – wenn nicht überhaupt – kennengelernt hatte.

Beau zweifelte daran, dass die Arbeit ihm dabei wirklich helfen konnte. Schließlich würde er letztlich doch wieder hierherkommen, wo sie ihre Spitzendessous trug …

Und dann waren sie allein in dem kleinen Haus.

Allein mit einem Baby.

3. KAPITEL

„Du machst dir deine schönen neuen Stiefel schmutzig.“

Beau wandte sich dem offenen Ende des Stalls zu. Dort stand sein älterer Bruder Hayes und hatte die Arme vor der Brust verschränkt, sodass seine Tattoos zu sehen waren.

„Ich muss sie einlaufen“, erklärte Beau und betrachtete dabei die schimmernde Metallkappe vorn an der Spitze.

Wenn jemand wusste, wie es war, nach Hause zu kommen, dann Hayes. Er war Ex-Soldat und hatte in seiner aktiven Zeit an mehreren Einsätzen in Afghanistan teilgenommen. Was er dabei gesehen hatte, hatte ihn sehr verändert.

Hayes war härter geworden, aber jetzt war er wieder auf der Ranch, hatte die Liebe seines Lebens gefunden und zog gemeinsam mit ihr den kleinen Jungen auf, den sie mit in die Ehe gebracht und den er adoptiert hatte. Für ihn hatte es ein Happy End gegeben. Beau wusste nicht, ob das bei ihm je der Fall sein konnte – oder ob er es überhaupt wollte.

„Und? Willst du wieder auf der Ranch Fuß fassen?“ Hayes griff nach einer Forke, die an der Tür hing. „Oder sind wir nur ein Zwischenstopp, bis du zu neuen Ufern aufbrichst?“

Beau hatte keine Ahnung, was er machen sollte. Er wusste, dass er in weniger als drei Wochen zur Premierenfeier seines letzten Films erscheinen musste, aber davon einmal abgesehen hatte er alle Anrufe seines neuen Agenten ignoriert, weil er einfach noch nicht bereit war, sich ein neues Drehbuch anzusehen. Im Moment war ihm anderes wichtiger.

Zum Beispiel seine Tochter.

Oder seine Zukunft.

„Ich versuche mir darüber klar zu werden, wie es weitergehen soll.“ Beau nahm sich auch eine Forke und warf einen Blick in die Box, in der der Hengst Doc stand. „Kommt Nolan auch mal vorbei, um zu helfen?“

Hayes ging zum anderen Ende der Boxen. „Ja, wenn er kann. Er hat viel zu tun im Krankenhaus, aber er hat seine Stunden schon heruntergefahren, seit er geheiratet und ein Kind hat. Seine Prioritäten haben sich verschoben.“

Das galt nicht nur für Nolan, sondern auch für Colt und Hayes. Alle drei Brüder hatten die Liebe ihres Lebens gefunden und waren mittlerweile Familienväter.

Es war ein Schock gewesen für Beau, als er die Auffahrt heruntergekommen war und seine drei Brüder mit ihren Frauen und vier Kindern auf der Veranda von Colts Haus gesehen hatte. Während er fort gewesen war, hatte auf der Ranch die nächste Generation Fuß gefasst.

Beau reinigte die Box von Nolans Hengst und streute frisches Stroh ein, bevor er zur nächsten ging. Während der nächsten Stunde arbeiteten Hayes und er zusammen – so wie damals, als sie noch Kinder gewesen waren. Teamwork war immer ein Punkt gewesen, der ihrem Vater sehr wichtig gewesen war. Er hatte seinen Söhnen ethische Werte vermittelt, an die keine Schulbildung herankam.

Natürlich hatten sie Arbeiter auf der Ranch, aber Beau wusste, eine Rückkehr zu seinen Wurzeln würde ihm helfen, innerlich eine Art Reset-Taste zu drücken. Im Moment brauchte er jede Hilfe, die er bekommen konnte, um entscheiden zu können, wie es mit seinem Leben weitergehen sollte.

Körperliche Arbeit machte ihm sogar Spaß. Schon als Kind und später auch als Jugendlicher hatte er gern mit seinem Vater und seinen Brüdern zusammengearbeitet. Aber irgendwann war dann der Drang in ihm erwacht, die Welt kennenzulernen und Neues auszuprobieren. Die Vorstellung, später einmal die Ranch zu übernehmen, wenn sein Vater sich zur Ruhe setzte, hatte nichts Verlockendes für ihn. Er wusste, dass Colt immer davon geträumt hatte – wieso sollte er sich ihm in den Weg stellen?

„Ihr lebt also alle hier auf der Ranch?“, fragte Beau, als sie alle Boxen gereinigt hatten und sich in der Mitte des Gangs trafen.

Hayes stützte sich auf den Stil seiner Forke und wischte sich mit dem Arm den Schweiß von der Stirn. „Ja. Ich habe das alte Haus von Granddad unten am Fluss renoviert. Ich mochte das Haus schon immer, und daher schien es nur logisch, es zu nehmen, als ich zurückkam.“

Das älteste Haus der Ranch war das perfekte Zuhause für Hayes und seine Familie. Es gewährte ihm Abgeschiedenheit, gehörte aber dennoch dazu.

Als Jungen hatten sie das weite Land mit Pferden oder später auf Squads erkundet. Es war wie ein riesiger Abenteuerspielplatz für sie gewesen, auf dem sie Räuber und Gendarm oder Cowboys sein konnten.

Damals waren sich die Elliott-Brüder sehr nah gewesen, aber jetzt …

Beau machte quasi einen Neuanfang mit seiner kleinen Familie. Das Versprechen, das er seinem ehemaligen Agenten auf dem Sterbebett gegeben hatte, war wesentlich schwerer zu erfüllen als gedacht. Hector hatte Beau schwören lassen, dass er nach Hause fahren und sich mit seiner Familie aussöhnen würde. Das zu versprechen war leicht gewesen, aber schwer, es auch zu halten.

Stöhnend lehnte er sich gegen die Pferdebox und sah ins Leere.

„Hey.“ Hayes versetzte ihm einen Schlag auf die Schulter. „Es braucht seine Zeit. Nolan ist verletzt, aber er wird dich nicht umbringen. Und ich? Ich bin einfach nur froh, dass du wieder da bist, auch wenn ich mich frage, ob du bleiben wirst. Deswegen bin ich wohl etwas zurückhaltend. Der Einzige, der wirklich stinksauer ist, ist Colt. Bei ihm solltest du vorsichtig sein.“

Beau schüttelte den Kopf. „Ja, ich weiß. Wir sind schon aneinandergeraten.“

Nur das Einschreiten der neuen Nanny hatte größeren Schaden verhindert. Colt vertrat die Meinung, Beau sei immer noch ein Draufgänger und ein Spieler, wenn er eine solche Nanny engagiert hatte. Beau konnte nur hoffen, dass Scarlett Colts Vorwürfe nicht gehört hatte. Schließlich war sie ein Profi in ihrem Job, und er wollte nicht, dass jemand es ihr gegenüber an der gebührenden Achtung fehlen ließ. Nicht dass sein Bruder das getan hätte, aber er warf ihm, Beau, genau das vor.

Hätte Beau die Wahl gehabt, hätte er sich mit Sicherheit nicht für eine Frau wie Scarlett entschieden, um vierundzwanzig Stunden am Tag mit ihr das kleine Haus zu teilen. Nicht einmal er war ein solcher Masochist.

Beau wusste nicht, wieso Colt eigentlich zu ihm gekommen war, aber er hatte das ungute Gefühl, dass ihre morgendliche Auseinandersetzung nicht die letzte gewesen war.

„Man hätte meinen sollen, dass mein Zwillingsbruder mich besser versteht“, stieß Beau zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Er war derjenige, der hier alles zusammengehalten hat, als Dad es nicht mehr konnte“, entgegnete Hayes. „Ich war im Einsatz, Nolan war mehr oder weniger mit dem Krankenhaus verheiratet, und du warst nicht da. Colt hat die Ranch immer gewollt. Sie zu führen war sein Traum. Deswegen hat es ihn wohl umso mehr verletzt, dass du nichts damit zu tun haben wolltest – zumal du dich nur selten gemeldet hast und kaum je zu Besuch gekommen bist.“

Beau hatte von Anfang an gewusst, dass ihm bei seiner Rückkehr das Herz bluten würde, aber nicht erwartet, dass sein Bruder auch noch fortlaufend Salz in die Wunde streuen würde. Letztlich war er selbst an allem schuld. Er musste es ertragen. Er musste die harten Zeiten durchstehen und irgendwann die Beziehung zu seiner Familie kitten. Wenn der Verlust von Hector ihn eins gelehrt hatte, dann, dass die Zeit ein flüchtiges Gut war.

„Ich kann die Vergangenheit nicht ändern“, sagte Beau. „Und ich kann nicht garantieren, dass ich für immer bleibe. Ich brauchte einen Ort für Madelyn, und da schien mir die Ranch das Richtige. Mir ist einerlei, wie ihr mich behandelt, solange ihr sie liebt. Ich kann mich nur bemühen, das Verhältnis zu Colt wieder geradezubiegen.“

„Vielleicht solltest du damit beginnen, dass du Dad besuchst.“

Beaus Beklemmung nahm zu. Sein älterer Bruder hatte vollkommen recht, aber die Angst hatte ihn bisher davon abgehalten, den Kontakt zu seinem Vater zu suchen.

„Wird er mich überhaupt erkennen?“

Hayes zuckte die Schultern. „Vielleicht nicht, aber was zählt, ist, dass du da bist.“

Beau schluckte. Im vergangenen Jahr war ihm immer wieder zu Ohren gekommen, dass sein Vater kaum noch jemanden erkannte. Die Alzheimerkrankheit war schon weit fortgeschritten. Er und Beau mochten in der Vergangenheit ihre Meinungsverschiedenheiten gehabt haben, aber Grant Elliott war immer noch sein Vater, und Beau respektierte ihn – auch wenn er das in den letzten Jahren nicht gezeigt hatte.

Sein Vater war Rancher aus Leidenschaft und stolz auf seine Arbeit. Immer schon hatte er sich gewünscht, dass seine Söhne in seine Fußstapfen traten. Beau war der Einzige von ihnen, der offen dagegen rebelliert hatte. Er wollte etwas von der Welt sehen. Pebblebrook konnte ihn nicht halten. Zum ersten Mal war er auf sich allein gestellt, und natürlich wollte er alles ausprobieren, was ihm zu Hause verwehrt gewesen war. Es kam, wie es kommen musste: Er geriet in Schwierigkeiten. Und dann nahm das Schicksal eine jähe Wendung, als er an einem albernen Werbespot mitwirkte und als Naturtalent entdeckt wurde.

Fortan konzentrierte sich Beau ganz auf die Schauspielerei, und seine Karriere schoss über Nacht steil nach oben.

Zuerst gescheitert, dann plötzlich ein Star. Während dieser ganzen Phase war es ihm nicht einmal in den Sinn gekommen, nach Hause zu fahren. Er war nur und ausschließlich mit sich selbst beschäftigt.

Eines Tages wurde ihm plötzlich klar, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Er fuhr nach Stone River, aber der kühle Empfang dort ließ ihn schon nach kürzester Zeit wieder nach L. A. zurückkehren.

Dieses Mal war es anders. Jetzt wollte er bleiben – zumindest über die Feiertage –, ganz gleich, wie schwierig es auch sein mochte.

„Ich werde ihn besuchen“, versprach Beau und sah seinem Bruder dabei in die Augen. „Ich bin bloß noch nicht so weit.“

„Ausreden! Immer nur Ausreden!“

Beau und Hayes wandten sich um, als sie Colt hörten. Genau das, was er brauchte: noch eine Runde mit seinem Bruder, der kein Hehl aus seiner Verachtung machte.

Colt warf einen Blick auf die Forke in Beaus Hand. „Übst du für eine Rolle, oder willst du tatsächlich helfen?“

„Colt …“

„Nein.“ Beau unterbrach Hayes mit einer Handbewegung. „Das ist eine Sache zwischen Colt und mir.“

Hayes nickte, nahm Beau die Forke ab und trug sie mit seiner an ihren Platz, um den Zwillingen die Gelegenheit zu geben, sich auszusprechen.

„Ich bin nach Hause gekommen, weil ich einen Ort für meine Tochter brauchte“, erklärte Beau. „Ich bin gekommen, weil es Zeit war und weil ich hoffte, wir könnten unsere Meinungsverschiedenheiten wenigstens über die Feiertage vergessen.“

Hatte er wirklich geglaubt, er könnte einfach so hereinschneien und alles wäre wieder gut? War er so lange fort gewesen, dass er kein Gespür mehr für die Spannungen und Verletzungen hatte, die er hier zurückgelassen hatte?

„Niemand rollt hier den roten Teppich für dich aus“, stieß Colt aufgebracht hervor. „Wir sind jahrelang sehr gut ohne dich ausgekommen. Falls du also vorhast, einfach so wieder zu verschwinden, kannst du dir diese ganze Show hier sparen. Annabelle hat viel zu tun mit ihrem Bed & Breakfast, und ich habe keine Zeit, herauszufinden, was, zum Teufel, du gerade tust oder nicht tust.“

Colt tat es weh, seinen Zwilling wieder hier zu sehen, wo sie so viele gemeinsame Erinnerungen teilten … Er hätte sich gewünscht, dass es eine herzliche Wiedervereinigung der Familie gegeben hätte, aber die Wirklichkeit sah eben anders aus.

Beau hatte sich gegen die Ranch entschieden und für den Filmzirkus in Hollywood. Ihm waren die Partys wichtig, die Frauen, das Geld und das Jetset-Leben.

Der Gedanke daran hatte Colt schon vor Jahren verbittern lassen, und diese Bitterkeit zeigte sich jetzt.

„Was wolltest du heute Morgen?“, fragte Beau. „Ich meine, außer mich zu beschimpfen?“

Rasch trug Hayes einen Sattel an ihnen vorbei zum Hof, sichtlich bemüht, sich aus der Schusslinie zu bringen.

Colt hakte die Daumen in die Gürtelschlaufen seiner Jeans. „Ich wollte dir eine Chance geben, alles zu erklären. Annabelle fand, ich sollte mir deine Sichtweise anhören, aber dann habe ich deine Ersatz-Nanny gesehen und begriffen, dass sich nichts geändert hat.“

Natürlich hatte Beau eine atemberaubende Frau unter seinem Dach und gab sie als die Nanny aus. Würde sein Bruder je erwachsen werden und sich seiner Verantwortung stellen?

„Ersatz-Nanny?“ Hayes hatte kehrtgemacht.

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Autor

Jennifer La Brecque
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Andrea Laurence
Bereits im Alter von zehn Jahren begann Andrea Laurence damit, Geschichten zu schreiben – damals noch in ihrem Kinderzimmer, wo sie an einer alten Schreibmaschine saß. Sie hat immer davon geträumt, ihre Romane eines Tages in der Hand halten zu können, und sie arbeitete jahrelang hart, bis sich ihr Traum...
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