Baccara Weekend Band 48

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LIEBE ODER KARRIERE? von KATHIE DENOSKY

Wild und ungezähmt! Der heißblütige Russ geht Abigail nach einem Rodeo nicht mehr aus dem Kopf. Warum ist er ihr auf dem elterlichen Weingut zuvor nie aufgefallen? Nach sinnlichen Nächten muss sich die junge Tierärztin entscheiden: Passt der sexy Cowboy in ihre Zukunftspläne?

KOMM ZU MIR, KOMM IN MEIN BETT! von DEBBIE RAWLINS

Hilfe kann Annie wirklich dringend gebrauchen! Und als der gutaussehende Cowboy Luke McCall ihr anbietet, sie auf der Ranch zu unterstützen, sagt sie sofort Ja. Denn sie spürt: Sie will diesen Mann – auf dem Feld, im Haus und ... im Bett!

ICH LIEBE DICH, COWBOY von SUZANNAH DAVIS

Ihre heimliche Jugendliebe Travis ist zurück: Dass sich der Rodeo-Star auch nach Mercy verzehrt, zeigt er ihr bald mit feurigen Küssen. Aber je explosiver ihre Nächte sind, umso quälender wird ihre Angst um ihn. Denn er spielt auch leidenschaftlich gern mit der Gefahr!


  • Erscheinungstag 12.04.2025
  • Bandnummer 48
  • ISBN / Artikelnummer 8095250048
  • Seitenanzahl 400

Leseprobe

Kathie DeNosky

PROLOG

1963

Spencer Ashton warf einen Blick auf seine Frau Sally und die zwei schreienden Babys auf ihrem Schoß, als er langsam über das Friedhofsgelände von Crawley fuhr. Verdammt, er freute sich unglaublich darauf, schon bald nicht mehr Sallys grenzenlose Liebe und Bewunderung und das unaufhörliche Geheule der Zwillinge ertragen zu müssen. Grant war nicht so schlimm. Der Junge hielt wenigstens gelegentlich den Mund. Aber Grace’ pausenloses Geschrei machte ihm das Leben zur Hölle. Und dieser Hölle wollte Spencer endlich entfliehen.

Im Rückspiegel sah er die Friedhofsarbeiter, die das frische Grab mit Erde auffüllten. Es war das Grab seines alles und jeden beherrschenden Vaters, der an einem Herzanfall gestorben war. Der Tod seines Vaters gab Spencer die lang ersehnte Freiheit. Jetzt konnte er Sally und die Zwillinge loswerden und Crawley, Nebraska, so weit hinter sich lassen, wie sein alter Ford und die hundert Dollar in seiner Tasche ihn brachten. Endlich konnte er seine eigenen Träume verwirklichen.

„Kannst du nicht dafür sorgen, dass das Gör endlich aufhört zu schreien?“, knurrte er, als das Geschrei des kleinen Mädchens an Lautstärke zunahm.

„Sie zahnt“, entgegnete Sally mit ihrer Singsangstimme, die ihm immer eine Gänsehaut verursachte. Sie gab dem Kind einen zärtlichen Kuss auf den kleinen Kopf und versuchte, es zu beruhigen. „Pst, nicht weinen, meine kleine Gracie. Daddy hört gar nicht gern, dass du Schmerzen hast.“

Spencer stieg jedes Mal die Galle hoch, wenn Sally von ihm als „Daddy“ sprach. Er hatte vielleicht die wehleidige Brut gezeugt, aber er war nie ihr Daddy gewesen und würde es auch niemals sein.

Er bog mit dem Truck in den staubigen Weg ein, der zur Barnett Farm führte. Glücklicherweise hatte Sallys Familie beschlossen, nach der Beerdigung noch in die Stadt zu fahren. Das erleichterte ihm sein Vorhaben und ersparte ihm die traurigen Blicke ihrer Eltern, mit denen sie ihn nervten, seit er gezwungen worden war, ihre Tochter zu heiraten und bei ihnen einzuziehen.

Spencer parkte den Truck, stieg aus und ging mit zielgerichteten Schritten auf das zweigeschossige Haus zu, das er als sein Gefängnis betrachtete. Er half Sally nicht mit den Zwillingen und blickte auch nicht zurück, um zu sehen, ob sie ihm folgte, als er die Treppe zur Veranda hinaufstieg und die Haustür öffnete. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend stürmte er in das Schlafzimmer, das Sally und er seit ihrer Hochzeit teilten, und zog einen abgenutzten ledernden Matchbeutel aus dem Schrank.

„Spencer, was machst du?“, fragte Sally. Sie war völlig außer Atem. Wahrscheinlich, weil sie die beiden Babys ohne Hilfe die Treppe heraufgeschleppt hatte.

Was soll’s, dachte er und stopfte einige Kleidungsstücke in den Sack. Sie würde sich daran gewöhnen müssen, alles ohne Hilfe zu erledigen.

„Ich gehe.“

Ein unglaubliches Hochgefühl breitete sich in ihm aus, nachdem er seine Absicht laut ausgesprochen hatte. Auf diesen Tag hatte er von dem Moment an gewartet, als sein Vater ihn gezwungen hatte, Sally zu heiraten, nur weil er sie geschwängert hatte.

„Wohin gehst du?“ Beim Klang ihrer weinerlichen Stimme lief es ihm kalt über den Rücken. Als hätte jemand mit den Fingernägeln über eine Tafel gekratzt.

„So weit weg wie möglich von dir und deinen heulenden Blagen.“

Er wusste, dass seine Worte sie tief verletzten. Aber es war ihm egal. Sie und ihre Brut waren der Grund dafür, dass er seine Pläne für ein besseres Leben in den letzten fünfzehn Monaten hatte auf Eis legen müssen.

Ihre Schluchzer töteten ihm den letzten Nerv. Unbeherrscht riss er an dem Reißverschluss des Matchbeutels. Zum Teufel mit seinen restlichen Sachen. Er würde sich sowieso neue kaufen, sobald er in Kalifornien war.

Bestrebt, Sally und die wimmernden Zwillinge endlich zu verlassen, schnappte er sich den Sack und stürmte aus dem Zimmer. Er hörte ihre Schritte hinter sich, doch er drehte sich nicht um. Von jetzt an würde er nur noch nach vorn blicken.

Allerdings wollte er versuchen, mit seinem jüngeren Bruder in Kontakt zu bleiben. Spencer mochte ihn irgendwie.

Aber David hatte schon immer etwas von einem sentimentalen Deppen an sich gehabt. Obwohl die Farm der Ashtons kurz vor der Zwangsversteigerung stand und ihr Vater deshalb einen Herzanfall erlitten hatte und gestorben war, hatte der dumme Kerl Spencers Angebot abgelehnt, mit ihm zu gehen. David hatte gesagt, dass er sich nicht vorstellen konnte, irgendwo anders als in Nebraska zu leben. Er wollte einen Neuanfang in einer anderen Stadt starten – wieder an so einem gottverlassenen Ort wie Crawley.

Er war schon an der Tür, da rissen ihn Sallys Worte aus seinen Gedanken. „Aber dies … sind deine Kinder … Spencer. Bedeuten sie dir … gar nichts?“

Langsam drehte er sich um. Als er sah, wie sie sich krampfhaft an dem Treppenpfosten festklammerte, lächelte er sie verächtlich an. „Sie sind mir völlig schnuppe. Du und deine beiden schreienden Gören, ihr habt für mich nie existiert.“

Spencer sah, wie sie schluchzend auf dem Treppenabsatz zusammenbrach. Angewidert schüttelte er den Kopf, dann verließ er das Haus und schlug die Tür hinter sich zu.

Pfeifend marschierte er zu seinem Truck, warf den Matchsack auf den Sitz und setzte sich hinters Steuer. Er war jetzt ein freier Mann, und nichts konnte ihn mehr davon abhalten, endlich das Leben zu führen, das er nicht nur wollte, sondern seiner Meinung auch verdiente.

1. KAPITEL

Februar 2005

Abigail Ashton trat aus dem Kutscherhaus, warf den Kopf in den Nacken und genoss die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht. Der Februar in Kalifornien war nicht zu vergleichen mit dem Winter in West-Nebraska. Als sie gestern Morgen von Scottsbluff abgeflogen war, hatte das Thermometer unter null Grad angezeigt, und es lagen fast dreißig Zentimeter Schnee. Hier im Napa Valley herrschten im Vergleich dazu fast milde Temperaturen.

Kein Wunder, dass ihr Onkel seinen Aufenthalt in Kalifornien verlängert hatte. Nicht nur, dass er sich bislang vergeblich darum bemüht hatte, mit seinem Vater zusammenzutreffen, das Wetter allein war schon Grund genug zu bleiben.

Abby lächelte, als sie ihren Blick über das gepflegte Anwesen, The Vines, von Lucas und Caroline Sheppard schweifen ließ. Es war ausgesprochen großzügig von Caroline gewesen, sie und ihren Onkel Grant einzuladen, auf dem Weingut zu wohnen, solange sie im Napa Valley bleiben wollten.

In Anbetracht der Umstände hatte die Frau eigentlich keinen Grund, freundlich zu ihnen zu sein, geschweige denn, sie sogar zu mögen. Schließlich erinnerten sie Caroline schmerzlich an ihre erste Ehe – mit Abbys Großvater Spencer Ashton. Sie schüttelte empört den Kopf. Als der Mann Caroline geheiratet hatte, war ihm im Traum nicht eingefallen zu erwähnen, dass er bereits eine Familie in Nebraska hatte und von seiner ersten Frau Sally überhaupt nicht geschieden worden war.

Als Abby ihren Blick gedankenverloren über die ausgedehnten Weingärten hinter dem Anwesen schweifen ließ, empfand sie großes Mitleid mit Caroline. Die Frau hatte keine Ahnung davon gehabt, dass ihre Ehe mit Spencer gar nicht rechtsgültig war, bis Uncle Grant vergangenen Monat in Kalifornien aufgetaucht war, in der Hoffnung, seinen Vater das erste Mal nach über vierzig Jahren zu treffen.

Natürlich hatte die Neuigkeit sie geschockt, doch sie hatte Klasse bewiesen. Caroline war in Abbys Augen der Inbegriff einer großzügigen Frau. Nachdem sich erwiesen hatte, dass Uncle Grant tatsächlich Spencers Sohn war, hatte sie darauf bestanden, dass er ihre Kinder – seine Halbgeschwister – kennenlernen sollte. Familie war Familie.

Abby biss sich auf die Unterlippe. Sie machte sich Sorgen um Uncle Grant. Er wollte unbedingt seinem Vater gegenübertreten und die Gründe erfahren, warum er seine erste Familie im Stich gelassen hatte. Doch der alte Mann weigerte sich hartnäckig, mit seinem Sohn zu sprechen. Genauso wie er sich weigerte, Kontakt zu den Kindern zu halten, die er mit Caroline gezeugt hatte.

Abby schlenderte zu dem kleinen See hinter dem Kutscherhaus. Ihr war es egal, ob sie jemals ihren verlogenen Großvater kennenlernte oder nicht. Ein Mann, der seine junge Frau und die acht Monate alten Zwillinge in Nebraska allein ließ, dann eine andere Frau in Kalifornien heiratete, ohne überhaupt von der ersten Frau geschieden zu sein, und diese Frau dann wegen seiner Sekretärin verließ, mit der er seine dritte Familie gründete, war es nicht wert, dass man überhaupt einen Gedanken an ihn verschwendete, geschweige denn, ihn kennenlernte.

Abby sollte lieber an die schönen Dinge des Lebens denken. Sie hatte ihre Ausbildung mit großem Erfolg abgeschlossen und wollte jetzt jede Minute in diesem ersten Urlaub seit Jahren genießen. Anschließend würde sie sich entspannt und ausgeruht auf ihre berufliche Karriere in Crawley stürzen.

Tiefe Befriedigung, aber auch eine gewisse Spannung erfüllten sie. Bis Ende des Frühjahrs hatte sie endlich ihren Traum verwirklicht, den sie seit ihrem zwölften Lebensjahr träumte – sie würde als Tierärztin in ihrer eigenen Großtierpraxis arbeiten.

Ein verträumtes Lächeln erhellte Abbys Gesicht, als sie nicht weit entfernt von dem kleinen See die Ställe entdeckte. Sie marschierte direkt darauf zu. Das weiß gestrichene Gebäude mit den grünen Toren sah aus wie das Paradies eines Pferdeliebhabers, und sie konnte es kaum abwarten, in den Stall zu gelangen.

Die doppelten Stalltüren auf beiden Seiten standen offen, sodass frische Luft in den Stall wehte. Ohne zu überlegen trat Abby ein. Sie musste ihre Augen einen Moment lang an das Halbdunkel gewöhnen, dann aber hielt sie gebannt den Atem an. Der Stall war genauso, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Und noch schöner.

Die Pferdeboxen bestanden aus Massivholz mit Nut und Feder im unteren Teil und einem geschwungenen schwarzen Sprosseneinsatz im oberen Bereich, der heruntergeklappt werden konnte, damit die Pferde neugierig die Köpfe hinausstrecken konnten. Um eine optimale Belüftung der Boxen zu gewährleisten, war das Holz mit Lüftungsschlitzen versehen. Große, verstellbare Drehtüren erleichterten den Zutritt.

Ein wunderschöner Wallach, in der seltenen Farbe Blue Roan, steckte den Kopf über die Boxentür, als Abby herantrat. Sie blieb stehen und strich dem Pferd über die Nüstern. Dabei entdeckte sie, dass die Innenwände der Box aus feuerverzinktem und gegen Rost geschütztem Stahl bestanden und leicht abgespritzt und desinfiziert werden konnten. Als Tierärztin und Pferdeliebhaberin war sie sehr beeindruckt. Alles, was die Sheppards in diesem Stall zum Wohl der Tiere taten, fand bei ihr höchste Anerkennung.

Als sie so dastand und wünschte, sie hätte dieselben Bedingungen auf der Farm in Nebraska, erregte eine plötzliche Bewegung am anderen Ende des Stalls ihre Aufmerksamkeit.

Ein Mann mit breitkrempigem Cowboyhut, Baumwollhemd und Jeans öffnete eine der Boxentüren. Ihr erster Gedanke war, dass er besser in eine Scheune in Nebraska passen würde als in einen Stall auf einem kalifornischen Weingut, und sie musste unwillkürlich lächeln.

Doch ihr Lächeln verblasste schnell, und sie vergaß, wie deplatziert er wirkte, als er einen wunderschönen Apfelschimmel aus der Box führte. Das Pferd lahmte, offensichtlich stimmte etwas mit dem linken Hinterhuf nicht.

„Was ist passiert?“, fragte Abby und eilte zu ihnen.

Der Mann beugte sich vor, um die Stute zu untersuchen. Ohne einen Blick in Abbys Richtung zu werfen, sagte er: „Ich weiß nicht, wie sie es angestellt hat, aber Marsanne hat einen Schnitt am Fesselgelenk.“

„Ich sehe es mir an. Vielleicht kann ich ihr helfen.“

Er schüttelte den Kopf und richtete sich zu voller Größe auf. „Ich denke, wir überlassen es besser dem Tierarzt, sich darum zu kümmern.“

Abby hielt den Atem an, und ihr Pulsschlag stieg sprunghaft an, als er sich zu ihr drehte. Der Mann, der auf der anderen Seite der Stute stand, sah nicht nur gut aus, er war absolut umwerfend. Mit den glatten, dunkelblonden Haaren, die ihm unter dem schwarzen Cowboyhut tief in die Stirn fielen, dem sexy Dreitagebart und tollen blauen Augen war er ohne Zweifel der bestaussehende Cowboy, den sie je gesehen hatte. Ohne Einschränkung.

Als sie merkte, dass sie ihn wie ein Schulmädchen anstarrte, das zum ersten Mal verliebt war, riss sie sich zusammen und ging um das Pferd herum, um sich die Verletzung anzusehen. „Holen Sie den Sanitätskasten.“ Sie ging neben dem Pferd in die Hocke und untersuchte schnell die Wunde. „Der Schnitt ist nicht so tief, wie es zuerst den Anschein hatte. Sehnen und Bänder sind nicht verletzt, und die Wunde muss nicht genäht werden.“ Sie richtete sich wieder auf. Die Stallgasse verfügte über ein gutes Wasserablaufsystem, deshalb war es nicht notwendig, das Pferd zur Behandlung nach draußen zu bringen. „Könnten Sie den Wasserschlauch hierherbringen? Wir müssen die Wunde kalt abspülen, damit die Schwellung etwas abklingen kann, bevor ich einen Verband anlege.“

„Jetzt aber mal langsam, Lady. Sie machen an dem Pferd überhaupt nichts.“ Sichtlich verärgert legte er die Hand auf Abbys Schulter und zog sie kopfschüttelnd von der Stute weg. „Ich rufe den Tierarzt an, und Sie gehen zurück ins Haus, oder woher auch immer Sie gekommen sind.“

Ein erregendes Prickeln ging bei seiner Berührung durch ihren Körper, doch sie ließ sich nichts anmerken. Er war vielleicht der attraktivste Mann, der ihr in ihren vierundzwanzig Jahren begegnet war, aber sie gehörte nicht zu den Frauen, die sich von gutem Aussehen blenden ließen.

„Entschuldigen Sie, ich habe Ihren Namen nicht verstanden“, sagte sie, darauf bedacht, ihre Verärgerung nicht zu zeigen.

Er nahm die Hand von ihrer Schulter. „Russ Gannon.“

Er wollte sich umdrehen, doch Abby hinderte ihn daran, indem sie die Hand auf seinen Arm legte. Sie atmete etwas schneller, als sie die harten Muskeln unter dem blauen Hemd spürte. Dann konzentrierte sie sich auf die Stute, die behandelt werden musste. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Russ. Mein Name ist Abigail Ashton, Dr. Abigail Ashton. Tierärztin. Bitte nennen Sie mich Abby.“

„Sie sind Tierärztin?“ Sein skeptischer Blick sagte ihr, dass er immer noch Zweifel hatte, ob er sie an eines der wertvollen Tiere der Sheppards heranlassen durfte.

„Für Großtiere“, fügte sie hinzu. „Und jetzt holen Sie den Sanitätskasten und einen Schlauch. Das Pferd muss medizinisch versorgt werden.“

Russ starrte die rothaarige Schönheit an, die ihm Befehle erteilte. Eine Tierärztin wie sie hatte er noch nicht kennengelernt. Überhaupt wurde der Beruf meist von Männern ausgeübt, und die hatten keine Augen, deren Farbe an taufrisches Gras erinnerte, oder sanfte, ebenmäßige Gesichtszüge, die genauso gut das Titelblatt eines Modemagazins zieren könnten.

Als sie sich hinunterbeugte, um die Wunde an Marsannes Fessel zu betrachten, bekam er bei dem Anblick ihres süßen Pos fast einen Herzinfarkt. Auch hatte keiner der ihm bekannten Tierärzte eine Figur, die den Verkehr zum Erliegen bringen könnte und die ihn daran erinnerte, wie lange er nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen war.

„Stehen Sie nicht einfach hier herum“, sagte sie ungeduldig. „Die Fessel der Stute muss behandelt werden. Und wenn Sie den Schlauch holen, bringen Sie gleich Vaseline mit und reiben Sie die Ferse damit ein, damit sie nicht wund wird.“

Russ drehte sich um, um das Gewünschte zu holen, obwohl er es nicht fassen konnte, dass er sich von dieser Frau so herumkommandieren ließ. Er war daran gewöhnt, Befehle zu erteilen, nicht, sie entgegenzunehmen.

Offensichtlich befand er sich in einer Art Schockzustand. Anders konnte er sich seine Reaktion nicht erklären.

Woher zum Teufel kommt sie überhaupt? fragte er sich. Er kannte alle Ashtons hier auf The Vines, und er hatte auch von den meisten Verwandten schon gehört. Ihr Name jedoch war ihm nicht geläufig.

Kopfschüttelnd holte er die gewünschten Dinge. Eines war sicher – wenn er sie früher schon kennengelernt hätte, würde er sich daran erinnern. Er hatte eine Schwäche für rothaarige Frauen. Und Dr. Abigail Ashton hatte nicht nur eine unglaubliche Haarfarbe und eine traumhafte Figur, sie war insgesamt einfach umwerfend.

„Wo bleiben Sie denn so lange?“, fragte sie, als er zurückkehrte.

„Hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass Sie ganz schön bestimmend sind?“, knurrte er.

„Mein Bruder Ford hält mir das ständig vor.“ Sie zog ihre Jeansjacke aus, schob die Ärmel ihres blauen Pullovers bis zu den Ellenbogen hoch und steckte dann eine Haarsträhne, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte, hinter das Ohr. „Und hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass Sie langsamer als eine Schnecke sind?“

Russ starrte sie einen Moment lang an, dann brach er in schallendes Gelächter aus. Die Frau war nicht auf den Mund gefallen.

„Was halten Sie davon, wenn wir Waffenstillstand schließen, bis wir diese Stute behandelt haben?“, schlug sie lächelnd vor.

Ihm stockte das Herz. Wenn Abigail Ashton lächelte, war sie atemberaubend schön. Er holte tief Luft.

„Was ist los?“, fragte sie. „Sie sehen aus, als seien Sie völlig durch den Wind.“

Verdammt! Sah man ihm so deutlich an, dass seine Hormone plötzlich verrückt spielten? Vielleicht sollte er mal nach Napa fahren und sich eine Frau für eine heiße Nacht suchen.

„Alles okay“, log er.

„Gut.“ Sie reichte ihm den Topf mit der Vaseline. „Reiben Sie damit die Ferse der Stute ein, und dann spülen Sie kaltes Wasser über die Wunde.“ Sie machte ein nachdenkliches Gesicht. „Haben Sie zufällig auch Grüne Mineralerde?“

„Natürlich“, sagte er. „Zum Auflösen oder als Paste?“

„Die Paste, bitte. Ich möchte eine heiße Kompresse auflegen, um die Bakterien aus der Wunde zu ziehen. Gibt es hier heißes Wasser?“

Er nickte, stand auf und reichte ihr das Gefäß mit der Vaseline. „Ich hole welches, während Sie das Bein der Stute kühlen.“

„Das ist nicht nötig“, sagte sie lächelnd. „Sagen Sie mir einfach …“

„Ich kümmere mich darum“, unterbrach Russ sie höflich, aber bestimmt.

Er war vielleicht nicht so gebildet wie die Ashtons, aber er besaß Manieren. Und er würde nicht dastehen und tatenlos zusehen, wie eine Frau sich mit einem schweren Eimer Wasser abschleppte.

Außerdem brauchte er etwas Abstand zu ihr. Jedes Mal, wenn sie ihn so strahlend anlächelte, spielten seine Hormone verrückt, und sein Blutdruck schnellte in die Höhe.

Er holte tief Luft und rang um Fassung. Wenn er sich nicht endlich in den Griff bekam, dann duschte er sich am besten selbst mit dem Schlauch kalt ab, um sich zu beruhigen.

Russ beobachtete, wie Abby die Paste für die Wundheilung auflegte und mit einer Bandage fixierte. Glücklicherweise war Marsanne ein sehr gut dressiertes Pferd. Die Stute tolerierte die Behandlung, ohne sich selbst, Abby oder ihn zu verletzen.

„So, fürs Erste ist sie versorgt“, sagte Abby und stand auf. „Ich sehe morgen früh wieder nach ihr und lege einen neuen Verband an.“

Russ schluckte, als sie mit der Hand über das Hinterteil des Pferdes strich. Wie würde sich ihre zierliche Hand auf seiner Haut anfühlen?

Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Was zum Teufel war nur mit ihm los? Er hatte Abby vor gerade einer Stunde kennengelernt und malte sich in seiner Fantasie jetzt schon aus, wie es wäre, von ihr berührt zu werden.

Oh, er musste unbedingt in die Stadt, ein kaltes Bier trinken und sich eine Frau für eine Nacht suchen – nicht unbedingt in der Reihenfolge.

Nachdem sie die Ärmel ihres Pullovers wieder hinuntergezogen und in ihre Jeansjacke geschlüpft war, drehte sie sich zu ihm und streckte die Hand aus. „Ich habe mich gefreut, Sie kennengelernt zu haben, Russ.“

Unwillkürlich nahm er ihre Hand, doch in dem Moment, als sich ihre Handflächen berührten, wusste er, dass er einen großen Fehler gemacht hatte. Der kurze Körperkontakt war wie ein elektrischer Schlag, durchzuckte seinen Arm, lief weiter durch seinen Oberkörper und schoss geradewegs in seine Lenden.

„Wir sehen uns“, stieß er hervor.

„Alles in Ordnung?“, fragte sie und ließ seine Hand schon wieder los. Ihre leichte Atemlosigkeit und die dezente Röte, die sich über ihre zarten Wangen zog, zeigten ihm, dass auch sie den Funken gespürt hatte, der übergesprungen war.

Gut. Zumindest war er nicht der Einzige, der dieses erregende Knistern wahrnahm.

„Ja, alles in Ordnung“, erwiderte er und unterdrückte ein Grinsen. „Und bei Ihnen?“

Sie hob den Kopf und straffte die Schultern, als sie an ihm und dem Pferd vorbeiging. „Es könnte nicht besser sein.“

Russ unterdrückte einen Seufzer, als er Abby nachsah, wie sie mit schwingenden Hüften die kurze Distanz zur Stalltür zurücklegte. Die Frau hatte Beine, die selbst einen Eunuchen in Versuchung führen könnten. Und er war alles andere als ein Eunuch. Sein Körper erinnerte ihn fast schmerzhaft daran.

Verärgert über sich selbst führte er Marsanne zurück in die Box. Dann steuerte er das andere Ende des Stalls an, wo seine eigenen Pferde Blue und Dancer standen. Selbst wenn die Frau zu einem heißen Urlaubsflirt bereit war, er war es nicht.

Erstens war sie eine Ashton, und seine Loyalität verbot es ihm, etwas zu tun, womit er Caroline oder Lucas irgendwie enttäuschen könnte. Er schnaubte verächtlich. Und zweitens, was zum Teufel konnte eine kultivierte Schönheit wie Abby an einem Mann wie ihm interessant finden? Er hatte nichts weiter vorzuweisen als ein sicheres Gespür für den Anbau von Trauben und die Fähigkeit, beim Bullenreiten sitzen zu bleiben, bis nach acht Sekunden das Horn ertönte.

2. KAPITEL

„Vielen Dank, dass du mich herumgeführt hast, Mercedes“, sagte Abby, als sie und Carolines älteste Tochter den Verkostungsraum von Louret Vineyards betraten.

Mercedes Ashton, die auf dem Weingut für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich war, lächelte. „Wir sind noch nicht fertig. Das Beste kommt erst.“ Sie deutete auf einen kleinen Tisch vor dem vom Fußboden bis zur Decke reichenden Fenster. „Setz dich, ich bin gleich zurück.“

Abby setzte sich und sah sich bewundernd in dem Raum um. Ein wundervolles Ambiente für eine Weinverkostung. Durch das viele Holz und die gedämpfte Beleuchtung strahlte er eine romantische Atmosphäre aus, und der Blick durch das schmale Fenster auf die Weingärten war einfach atemberaubend. Genauso gut könnte sie irgendwo in Südfrankreich sitzen und hinaus in die Landschaft schauen.

Mercedes kehrte zurück. In der Hand balancierte sie ein Silbertablett mit einer Käseauswahl und Proben von Lourets preisgekrönten Weinen.

Abby lächelte. „Das Beste an einer Führung durch ein Weingut ist die anschließende Weinprobe.“

Nachdem ihre neue Freundin sie einige Minuten darin unterwiesen hatte, wie sie ihre Sinne einsetzte, um die Reinheit, das Bouquet und die Beschaffenheit des Weins zu bewerten, schüttelte Abby den Kopf und nahm sich ein Stück Käse. „Ich wusste weder, dass die Verkostung von Wein eine Kunst ist, noch, dass die Herstellung so arbeitsaufwendig ist.“

Mercedes lachte. „Ja, es gehört mehr dazu, als nur die Beeren zu lesen und sie zu pressen.“ Sie schwenkte den Chardonnay in ihrem Glas. „Im Winter ist es hier ziemlich ruhig. Der Wein reift, und wir haben nicht viel zu tun, außer den Rebschnitt vorzunehmen, die Geräte zu warten und abzuschätzen, welche Rebstöcke im Frühjahr ersetzt werden müssen. Die arbeitsreichste Zeit beginnt im Spätsommer und Anfang Herbst mit der Lese. Dann wird von Eli und Russ viel gefordert.“

„Russ Gannon?“, fragte Abby spontan.

Mercedes nickte und sah sie neugierig an. „Hast du ihn schon kennengelernt?“

„Ja, kurz.“ Abby zuckte mit den Schultern und versuchte, nicht zu interessiert zu wirken. „Heute Morgen im Pferdestall. Ich dachte, er arbeitet dort.“

„Du kannst darauf wetten, dass du ihn dort findest, wenn er nicht gerade in den Weinbergen arbeitet oder an irgendeinem Rodeo teilnimmt“, sagte Mercedes. „Aber eigentlich ist er hier der Vorarbeiter. Russ ist ein absolutes Genie in Sachen Weinanbau. Bei ihm wächst und gedeiht alles. Eli verlässt sich in dieser Hinsicht total auf ihn.“

„Und seine Disziplin beim Rodeo?“ Abby liebte den Sport und hatte während ihrer Zeit an der Highschool einige Male beim barrel racing teilgenommen, eine Disziplin, die den Frauen vorbehalten war.

Mercedes machte ein nachdenkliches Gesicht. „Russ spricht nicht darüber, aber ich glaube, Eli hat erzählt, dass er Bullen reitet.“ Sie hielt inne. „Aber das ist typisch Russ. Er spricht ganz allgemein nicht viel über das, was er macht.“

Abby grinste. „Der geheimnisvolle Typ.“

„Eigentlich nicht.“ Mercedes seufzte. „Armer Russ. Das Leben war nicht immer leicht für ihn. Seine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als er gerade fünfzehn war.“

„Oh, wie schrecklich.“

Auch wenn die Umstände bei ihr etwas anders waren, so wusste Abby dennoch, was es hieß, ohne Eltern aufzuwachsen. Grace Ashton war nie, auch nicht bevor sie ihre Kinder endgültig verließ, eine wirkliche Mutter gewesen. Sie hatte sich nicht um ihre Kinder gekümmert. Und obwohl ihr Uncle Grant sie und ihren Bruder geliebt und wie eigene Kinder behandelt hatte, war es dennoch etwas anderes, Vater und Mutter zu haben.

„Das tut mir sehr leid für ihn“, sagte Abby und meinte es auch so.

Mercedes nickte. „Damals kam er zu uns. Lucas und Mr. Gannon waren seit ihrer Kindheit befreundet gewesen, und als Lucas erfuhr, dass Russ keine weitere Familie hatte, nahmen er und meine Mutter ihn spontan bei sich auf.“

„Das war sehr freundlich von ihnen.“ Je mehr Abby über Caroline und Lucas Sheppard erfuhr, desto bewusster wurde ihr, dass die zwei ganz besondere Menschen waren. „Trotzdem muss es schrecklich für ihn gewesen sein, beide Elternteile gleichzeitig zu verlieren. Und das auf so tragische Weise.“

„Sicher“, stimmte Mercedes zu und stand auf, um die leeren Gläser auf das Tablett zu stellen. „Da ich älter bin, war ich nie so viel mit ihm zusammen wie mein jüngster Bruder Mason. Russ ist nur ein Jahr jünger als Mason, und die beiden sind beste Freunde.“

„Ich glaube, Mason habe ich noch nicht kennengelernt“, sagte Abby und stand ebenfalls auf, um zu helfen, den Tisch abzuräumen.

„Er ist in Frankreich und erlernt die neuesten Techniken der Weinherstellung“, sagte Mercedes lachend. Sie verließen den Verkostungsraum durch eine Seitentür und liefen über einen schmalen Pfad zurück zum Haupthaus.

„Habe ich irgendetwas verpasst?“, fragte Abby. „Was ist daran so lustig, dass Mason in Frankreich studiert?“

Mercedes zog die Mundwinkel nach oben. „Er behauptet, sein Ziel sei es, mithilfe der neuen Techniken einen noch besseren Wein herzustellen. Ich aber glaube, dass es nur eine Ausrede ist, um durch Frankreich zu reisen und etwas zu erleben, bevor er sich hier auf dem Weingut seinen Platz neben Eli und Russ erobern muss.“ Mercedes lächelte, und Abby merkte, dass die Freundin ihren jüngsten Bruder bewunderte.

„Für Russ wird es dann sicher leichter, Rodeos zu besuchen“, sagte Abby. Kaum waren die Worte heraus, hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Warum musste sie Russ immer wieder erwähnen?

„Der Mann scheint großen Eindruck auf dich gemacht zu haben.“ Mercedes sah sie fragend an. „Du interessierst dich nicht zufällig näher für ihn, oder?“

„Großer Gott, nein!“ Abby schüttelte den Kopf. „Ich habe überhaupt keine Zeit für ihn oder irgendeinen anderen Mann.“

„So? Er ist ein toller Kerl und ausgesprochen gut aussehend. Und, nur damit du es weißt, er ist Single.“ Sie zwinkerte Abby zu, und Abby wusste, dass Mercedes nicht an ihr Desinteresse glaubte.

„Ich habe zu lange und zu hart dafür gearbeitet, Tierärztin zu werden, um mich jetzt von meiner weiteren Karriere ablenken zu lassen.“ Sie betraten die überdachte Veranda. „Außerdem lebt Russ tausend Meilen von mir entfernt. Und neben der Arbeit in meiner Tierarztpraxis habe ich keine Zeit für eine Beziehung über diese Distanz hinweg.“

„Wenn du meinst“, sagte Mercedes und lächelte wieder vielsagend.

Abby merkte, dass sie mit ihrem Protest eigentlich eher versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, dass sie kein Interesse an Russ hatte. „Ich bin ziemlich müde.“ Sie brauchte unbedingt etwas Zeit für sich allein. „Ich denke, ich lege mich vor dem Essen noch kurz hin.“ Sie umarmte ihre neue Freundin. „Danke für den Rundgang und die Weinprobe. Es hat mir viel Spaß gemacht.“

„Freut mich.“ Mercedes erwiderte die Umarmung. „Wir werden uns heute Abend beim Essen wahrscheinlich nicht sehen. Ich treffe mich mit einem Freund.“

„Viel Spaß.“

Abby machte sich auf den kurzen Weg zu dem Kutscherhaus, in dem sie und ihr Onkel untergebracht waren, und fragte sich, was eigentlich mit ihr los war. Über Russ zu sprechen hatte sie ziemlich aus der Spur gebracht, und sie brauchte Zeit, wieder auf den richtigen Weg zu gelangen.

Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich auf ihr Ziel konzentriert, Tierärztin für Großtiere zu werden. Und auf dem Weg dorthin hatte sie es absichtlich vermieden, sich mit einem Mann einzulassen. Es hätte sie nur von ihrem Vorhaben abgelenkt. Ein Risiko, das sie nicht eingehen wollte. Ihre größte Angst aber war gewesen, dass sie genauso wie ihre Mutter war – ein mannstolles Geschöpf, das sich für nichts und niemanden interessierte als für ihr eigenes Vergnügen.

Am meisten beunruhigte sie jedoch, dass sie bei dem Gespräch mit Mercedes über Russ Gannon weder ihren beschleunigten Pulsschlag in den Griff bekam noch die kleinen Schmetterlinge vertreiben konnte, die in ihrem Bauch flatterten. Die Jungen, für die sie während der Schulzeit geschwärmt hatte, hatten niemals auch nur annähernd diese Empfindungen in ihr geweckt, die sie verspürte, wenn sie bloß an Russ dachte. Und das machte ihr zu schaffen. Sogar sehr.

Seufzend betrat sie das Kutscherhaus und lief die Treppe hinauf. „Du hast echte Probleme, Abigail Ashton“, murmelte sie. „Und das größte ist im Moment ein Wein anbauender Rodeocowboy namens Russ Gannon.“

Als Russ ein paar Tage später schon in der Morgendämmerung in den Stall kam, um die Pferde zu füttern und die Boxen auszumisten, wunderte er sich nicht im Geringsten, dass Abby bereits dort war und mit aufgekrempelten Ärmeln Marsannes Bandage wechselte. An drei der letzten vier Tage war sie vor ihm hier gewesen. Und ob es ihm gefiel oder nicht, er begann, sich auf diese morgendlichen Treffen zu freuen.

„Sie sind noch früher auf als üblich“, sagte er und schlenderte zu ihr.

Sie richtete sich auf, schenkte ihm ein Lächeln, und sein Puls ging ab wie ein Rassepferd beim Start eines Rennens. Er schluckte. Sie hatte nicht nur rote Haare, sondern noch etwas, wofür er eine absolute Schwäche hatte – Grübchen. Warum war ihm das bisher nicht aufgefallen?

„Zu Hause stehe ich noch viel früher auf als hier.“

Sie strich sich die Hände am Boden ihrer Jeans ab, und ihm wurde ganz flau. Wie gern würde er ihren süßen kleinen Po streicheln.

Abby merkte sein Unbehagen nicht. Sie lachte und fuhr fort: „Wenn man bei uns auf einer Farm lebt, gibt es nur zwei Gründe für langes Schlafen – entweder man ist zu krank, um aufzustehen, oder es schneit so stark, dass man die Scheune nicht findet. Und meistens hält uns selbst das nicht davon ab, früh aufzustehen.“

„Wie oft gibt es bei Ihnen einen Schneesturm?“, fragte er.

Der Gedanke, dass sie sich bei solchem Wetter draußen herumtrieb, gefiel ihm überhaupt nicht. Doch, verdammt, er würde sich keine Gedanken darüber machen, warum das so war. Sie war nicht seine Partnerin und würde es auch niemals sein.

„Wir haben ein- oder zweimal im Jahr einen Schneesturm“, sagte sie und zuckte mit den Schultern. „Die restliche Zeit stehe ich lange vor Sonnenaufgang auf, um meine Pferde zu versorgen, und dann Uncle Grant, Ford und unserem Landarbeiter Buck beim Vieh zu helfen.“

„Rinder?“

Sie nickte und beugte sich hinunter, um den frischen Verband um das Bein des Pferdes zu wickeln. „Wir haben eine Herde mit etwa zweihundert Angusrindern.“

„Das klingt eher nach einer Ranch.“

„Egal, ob Sie es Ranch oder Farm nennen.“ Sie befestigte den Verband, stand auf und sah Russ an. „Als meine Urgroßeltern die Farm bewirtschafteten, war sie nur wenige hundert Morgen groß. Uncle Grant hat später ein paar Farmen übernommen, die vom Untergang bedroht waren, und jetzt haben wir einige tausend Morgen. Wir bauen hauptsächlich Mais an und betreiben Pferde- und Rinderzucht.“

Russ konnte es nicht verhindern, er empfand ein leichtes Neidgefühl. Er liebte die Arbeit auf dem Land und würde alles dafür geben, selbst eine Farm zu besitzen.

Er band Marsanne los, um sie hinaus in die Einfriedung zu führen, und fragte: „Wie viele Pferde besitzen Sie?“

„Acht.“ Sie rollte die Ärmel ihrer Jeansjacke hinunter. „Aber nur drei davon sind wirklich meine. Die restlichen gehören Uncle Grant und Ford.“

Während Abby den Verbandskasten packte, führte Russ die Stute nach draußen, um ihre Box auszumisten. Als er zurückkehrte, hatte Abby schon damit angefangen.

„He, das müssen Sie nicht tun“, sagte er und wollte ihr die Forke aus der Hand nehmen.

Sie schüttelte den Kopf und lud den Mist weiter auf die Schubkarre. „Das macht mir nichts aus. Ich bin froh, wenn ich etwas zu tun habe.“ Sie schenkte ihm wieder dieses Lächeln, das ihn schwach werden ließ, und fügte hinzu: „Urlaub ist ja ganz schön, aber nach einiger Zeit wird es langweilig.“

Russ konnte ihr Bedürfnis nach Aktivität verstehen. Er selbst hasste es, untätig herumzusitzen. Auch er musste immer etwas zu tun haben. „Okay, wenn Sie meinen.“

„Ich meine es“, erwiderte sie ohne zu zögern. „Übrigens, wollen wir nicht endlich das förmliche Sie lassen?“

„Gern. Ich bin Russ.“

„Abby.“

„Okay, während du die Box ausmistest, bringe ich die anderen Pferde und das Pony auf die Weide, und dann hole ich frisches Heu.“

Als er zurückkehrte, waren drei Boxen bereits fertig, und Abby wollte gerade mit der vierten anfangen. „Du arbeitest schnell“, sagte er fest und nahm ihr die Mistgabel aus der Hand. „Aber jetzt bin ich an der Reihe. Ruh dich einen Moment aus.“

„Ich mache gern weiter“, widersprach sie.

Er mochte es, wenn eine Frau zupacken konnte, aber er würde nicht herumstehen und ihr beim Arbeiten zusehen. „Ich mache dir einen Vorschlag. Du gehst jetzt zum Frühstück ins Haupthaus, und wenn du fertig bist, kommst du zurück, und wir reiten aus.“

Ihre schönen grünen Augen begannen zu strahlen, und sie lächelte ihn an. Sofort schlug Russ’ Herz wieder schneller. „Gute Idee, Cowboy. Um wie viel Uhr?“

„Um wie viel Uhr?“ Wie sollte er klar denken, wenn sie ihn so ansah? Er konnte froh sein, dass er sich überhaupt noch an seinen eigenen Namen erinnerte.

„Wann soll ich wieder hier sein?“, fragte sie geduldig.

„Sobald du mit dem Frühstück fertig bist.“ Er musste aufpassen, dass er einen klaren Kopf behielt, wenn Abby in seiner Nähe war. Sonst würde sie ihn noch für einen totalen Idioten halten.

„Ich bin gleich zurück“, sagte sie und rannte durch die breite Stallgasse.

Russ sah ihr nach, bis ihr hübscher Po durch die Stalltür verschwunden war. Dann atmete er tief aus. Er hatte das Gefühl, den Atem angehalten zu haben, seit er den Stall betreten und sie bei der Stute gefunden hatte. Verdammt, diese Frau brauchte ihn nur anzulächeln, und er wurde willenlos. Das machte sie gefährlich.

Resigniert stach er die Mistgabel ins Heu und blickte ins Leere. Er wollte keine Beziehung. Vor allem nicht mit einer Frau, die tausend Meilen entfernt wohnte. Sein Leben spielte sich hier ab, bei Lucas und Caroline Sheppard. Und obwohl sie nie etwas von ihm gefordert hatten und ihm das Gefühl gaben, zur Familie zu gehören, fühlte er sich ihnen gegenüber trotzdem verpflichtet, weil sie ihn nach dem Tod seiner Eltern aufgenommen hatten.

Er begann, die nächsten Boxen auszumisten.

Außerdem würde Abby in einer Woche nach Nebraska zurückkehren, um ihre Tierarztpraxis zu eröffnen und ihr Leben auf der Farm weiterzuleben. Und so sollte es auch sein.

Aber das bedeutete nicht, dass sie nicht Spaß haben und die Zeit miteinander genießen konnten, solange Abby sich im Napa Valley aufhielt, oder? Er konnte ihr mehr von dieser malerischen Gegend zeigen, und sie konnte ihm von ihrem Leben in Nebraska und auf der Ranch erzählen.

Zufrieden, eine Lösung gefunden zu haben, mit der sie beide leben könnten, beendete er fröhlich pfeifend seine Arbeit. Nichts konnte passieren, wenn sie die Gefühle aus dem Spiel ließen.

Er musste lächeln. Solange er das im Sinn behielt, war es für beide okay.

Russ schoss das Blut in die Lenden, als er beobachtete, wie Abby den Fuß in den Steigbügel setzte und sich in den Sattel auf Dancers Rücken schwang. Beim Anblick der engen Jeans über ihrem knackigen Po und den langen schlanken Beinen fragte er sich, ob es eine gute Idee gewesen war, sie zu einem Ausritt einzuladen. Er konnte nur daran denken, wie es wäre, wenn sie die Beine um ihn schlingen würde, während er tief in sie …

„Wie alt sind deine Pferde?“, fragte sie und unterbrach seine erotischen Fantasien.

„Dancer ist fünf“, sagte Russ und schwang sich auf seinen Wallach. Er rutschte auf dem Sattel hin und her, um sein bestes Stück nicht einzuquetschen. „Mit ihm bin ich manchmal als zweiter Reiter beim steer wrestling dabei, um den Stier in Richtung zu halten.“ Er tätschelte sein Pferd. „Und Blue ist sechs. Mit ihm habe ich beim team roping mitgemacht. Dabei werden Kälber gleichzeitig von zwei Reitern eingefangen.“

Abby lächelte, als sie sich von den Ställen entfernten. „Mercedes hat mir erzählt, dass du Bullen reitest, aber sie hat nicht erwähnt, dass du auch beim roping mitmachst. Wie oft nimmst du an Wettbewerben teil?“

Abby hatte sich bei den Ashtons nach ihm erkundigt? Der Gedanke gefiel ihm.

„Sooft es meine Arbeit auf dem Weingut erlaubt.“ Er lachte. „Die restliche Zeit muss ich mich damit begnügen, Blue und Dancer hier zu reiten.“

„Sind beide Pferde bei der Quarter Horse Association registriert?“

„Ja.“ Es überraschte ihn nicht, dass Abby wusste, um welche Rasse es sich bei seinen Pferden handelte. Bei ihren Tierkenntnissen war es klar, dass sie die klassischen Merkmale von Quarterhorses kannte. „Dancers vollständiger Name ist Stormy Jack Dancer, und Blue heißt Diablo’s Blue Lightning.“

„Schöne Namen für wunderschöne Pferde“, murmelte sie.

Sie ritten einen Moment lang schweigend weiter. Russ bewunderte, wie anmutig, entspannt und selbstbewusst Abby im Sattel saß. Man sah, dass sie schon viele Stunden auf Pferden verbracht hatte.

„Erzähl mir von deinen Pferden. Welche Rasse sind sie?“

„Magic ist eine Mischung aus einem Quarterhorse und einem Araber. Ihn reite ich meistens. Und dann habe ich noch meine Stute Angel. Sie ist größtenteils ein Quarterhorse, was der Rest ist, wissen wir nicht.“ Abby lachte. „Sie ist das Ergebnis eines einladenden Blickes, den Uncle Grants Stute dem Zuchthengst unseres Nachbarn über den Zaun hinweg zugeworfen hat.“

Russ war wie elektrisiert beim Klang ihrer sanften Stimme und dem fröhlichen Lachen. Er musste sich räuspern, bevor er etwas sagen konnte. „Hast du nicht gesagt, du hättest drei Pferde?“

Sie nickte. „Das dritte ist ein Mustang, den ich vom Bureau of Land Management ‚adoptiert‘ habe. Er heißt Crazy Horse.“

„Ich habe von diesem Adoptionsprogramm des BLM gehört. Hast du ihn nach dem berühmten Anführer der Oglala-Indianer benannt?“

„Nein, er ist ein verrücktes Pferd.“ Lachend schüttelte sie den Kopf. „Ford hat ihm den Namen gegeben, weil Crazy dem Wort wild eine völlig neue Bedeutung gibt. Wie alle Mustangs ist er rebellisch und misstrauisch. Ich bin die Einzige, die er an sich heranlässt. Ich liebe ihn, obwohl ich genau weiß, dass er niemals zahm genug sein wird, um ihn zu reiten.“

„Das klingt, als würdest du das Leben auf der Farm wirklich genießen“, sagte Russ und brachte Blue zum Stehen.

„Das tue ich auch.“ Sie hielt Dancer neben ihm an. „Draußen in der Prärie zu leben hat seine Nachteile, wenn die Temperaturen fallen und der Wind so kalt ist, dass man meint, in der Arktis zu leben, oder wenn es im Sommer so heiß und schwül ist, dass man glaubt, in einer Sauna zu sitzen. Aber ich könnte mir trotzdem nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben.“

Sie waren um das gesamte Anwesen herumgeritten und zurück zu dem kleinen See etwa eine halbe Meile hinter den Ställen. „Wollen wir uns etwas setzen und reden?“, fragte er.

„Gern.“

Sie stiegen ab, banden die zwei Pferde an und setzten sich unter eine dicke Eiche am Rande des Sees.

„Was ist mit dir, Russ? Hast du schon immer hier gelebt?“

„Nein. Bis zu meinem fünfzehnten Lebensjahr habe ich hundertfünfzig Meilen nördlich von hier auf einer Ranch außerhalb von Red Bluff gewohnt.“

„Tut mir leid mit deinen Eltern“, sagte Abby und legte die Hand an seinen Arm. „Mercedes hat mir erzählt, dass du sie durch einen Autounfall verloren hast.“

Die Wärme ihrer Hand drang durch seinen Ärmel, und die Ernsthaftigkeit in ihrer Stimme ging ihm durch und durch. „Das war vor elf Jahren“, sagte er und nickte. „Lucas hat mich direkt nach der Beerdigung mit hierhergenommen. Und seitdem lebe ich hier.“ Sie saßen einen Moment lang schweigend da, dann fragte er: „Was ist mit deinen Eltern, Abby? Du sprichst immer von deinem Bruder und deinem Onkel, aber du erwähnst nie deine Eltern.“

„Weil es nichts über sie zu sagen gibt.“ Er merkte, dass ihr das Thema nicht passte.

„Tut mir leid“, sagte er und wünschte, er hätte den Mund gehalten. „Ich wollte nicht neugierig sein.“

Er beobachtete, wie sie Grashalme ausriss, wieder wegwarf und die nächsten ausrupfte. „Eigentlich macht es mir nichts aus, über sie zu sprechen“, sagte sie schließlich. „Es ist nur ziemlich peinlich, jemandem zu erzählen, dass deine Mutter ein Flittchen war und du keine Ahnung hast, wer dein Vater ist.“

Russ wusste nicht, was er erwartet hatte, aber das ganz bestimmt nicht. „So etwas über die Frau zu sagen, die dir das Leben geschenkt hat, ist ziemlich hart.“

„Aber es ist die Wahrheit.“ Sie sah ihn nicht an, als sie weitersprach, doch dass es ihr peinlich war, konnte er an ihren geröteten Wangen erkennen. „Grace war sechzehn, als sie mit meinem Bruder schwanger wurde, und mit achtzehn bekam sie mich. Aber sie hat unseren Großeltern oder Uncle Grant nie gesagt, wer der Vater ist – oder die Väter.“ Sie seufzte. „Das allein ist noch nicht weiter schlimm, aber Grace hat uns ständig gezeigt, dass sie uns nicht haben wollte. Immer wieder hat sie gesagt, dass sie längst verschwunden wäre, wenn unsere Urgroßeltern sie nicht gezwungen hätten, zu bleiben und die Verantwortung für uns zu übernehmen.“

„Deine Mutter und dein Onkel wurden von den Großeltern aufgezogen?“ Russ hatte bei seinen eigenen Eltern bedingungslose Liebe erfahren, und es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, dass eine Frau so herzlos zu ihren Kindern sein konnte.

„Meine Urgroßeltern haben sich um Grace und Uncle Grant gekümmert, nachdem ihre Mutter Sally an Krebs gestorben war. Sie waren damals zwölf Jahre alt.“

„Es ist schwer, die Eltern zu verlieren“, sagte Russ sanft. „Da kann ein Mensch schon rebellisch werden.“

„Ich glaube, Grace ist nie anders gewesen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Uncle Grant hat uns gesagt, dass sie genauso wie ihr Vater Spencer ist. Nur in sich selbst verliebt. Wir haben ihr nicht das Geringste bedeutet.“

„Du sprichst von ihr, als wäre sie nicht mehr da“, stellte Russ fest. Er nahm Abbys Hand.

„Ist sie auch nicht.“ Sie schaute über den See. „Grace hat Ford und mich verlassen, als er acht und ich sechs Jahre alt waren. Aber wir hatten Glück – Uncle Grant liebte uns und hat uns aufgezogen.“ Ihr warmes Lächeln zeigte, wie sehr sie den Mann liebte. „Er war für mich immer mehr ein Vater als ein Onkel.“

Je mehr Russ über Grace Ashton hörte, desto besser verstand er, dass Abby nicht über sie sprechen wollte. „Wohin ist deine Mutter gegangen?“

Abby lachte trocken. „Wer weiß? Sie ist eines Tages vom Einkaufen nicht mehr zurückgekehrt. Wir sind ziemlich sicher, dass sie mit einem Vertreter abgehauen ist, der häufig in den Supermarkt von Crawley kam.“

„Weißt du, wie er heißt? Wenn du herausfindest, wo er ist, findest du vielleicht auch sie?“

„Sein Name ist Wayne Cunningham, aber das ist auch schon alles, was wir wissen.“ Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem ebenmäßigen Gesicht, dann drehte sie sich zu ihm. „Uncle Grant hat sich bei der Firma erkundigt, für die Wayne arbeitete, aber das war eine Sackgasse. Sie suchten ihn auch. Wie sich herausstellte, ist er ganz zufällig zur gleichen Zeit wie Grace verschwunden. Und das Geld von den letzten Verkäufen fehlte auch.“

„Feiner Kerl“, sagte Russ sarkastisch. „Deine Mutter war offensichtlich sehr instinktlos in der Wahl ihrer Männer, wenn sie sich mit Typen wie Wayne einließ.“

Abby nickte. „Uncle Grant sagt nichts dazu, aber Ford und ich sind der Meinung, dass sie es auch nicht anders verdient hat.“

„Das tut mir alles sehr leid für dich, Süße“, sagte Russ und zog Abby in seine Arme.

Die Umarmung war eigentlich als Geste des Trosts gedacht, doch als er Abbys weichen weiblichen Körper an seinem spürte, vergaß er seine guten Absichten. Und küsste sie.

3. KAPITEL

Russ blickte in Abbys schöne grüne Augen und senkte langsam den Kopf. Sein Herzschlag beschleunigte sich, als er ihre weichen, sinnlichen Lippen spürte, und entwickelte sich zu einem wilden Trommelfeuer, als sie die Arme um seinen Hals schlang und mit den Fingern in seinen Haaren wühlte.

Zärtlich fuhr er mit der Zunge die Konturen ihres Mundes nach und glitt hinein, als sie die Lippen seufzend öffnete. Er erforschte das Innere ihres Mundes, genoss ihren süßen Geschmack und die schüchterne Antwort auf seine Leidenschaft. Der innige Kuss ließ seine vernachlässigten Hormone Kapriolen schlagen.

Ohne den Kuss zu unterbrechen, drückte er sie sanft ins Gras und legte sich auf sie. Sie fühlte sich so verdammt gut unter ihm an. Noch nie hatte er eine Frau so sehr begehrt wie Abby. Er wollte sie haben. Sofort.

Mit dem Knie drückte er ihre Beine auseinander und zwängte sich zwischen ihre Schenkel, während er mit der Hand unter ihre Jacke glitt und sie auf ihre Brust legte. Ihr lustvolles Stöhnen animierte ihn weiterzumachen, und so rieb er die Brustknospe, die sich durch ihre Kleidung drückte.

Wie vorherzusehen war, wurde er sofort hart. Er hatte kein Problem damit, ihr zu zeigen, wie heftig er auf sie reagierte, wie sehr er sie begehrte, doch sie reagierte anders als erwartet.

Plötzlich verhielt sie sich ganz still, dann stemmte sie die Hände gegen seine Brust. „Hör bitte auf“, beschwor sie ihn. Ihr Tonfall grenzte an Panik.

Russ zog sofort die Hand weg und half ihr, sich aufzusetzen. „Was ist los?“ Er glaubte nicht, dass er es übertrieben und ihr wehgetan hatte. Er war sogar sicher, dass sie den Moment genauso genossen hatte wie er und ebenso erregt war.

„Ich … muss gehen.“ Sie rappelte sich auf, und bevor er sie aufhalten konnte, war sie schon zu Dancer gelaufen, der nicht weit von ihnen graste.

Verwirrt beobachtete Russ, wie sie sich in den Sattel schwang und zurück zum Stall galoppierte. Da er unbedingt herausfinden wollte, was sie zu dieser unerwarteten Reaktion veranlasst hatte, folgte er ihr umgehend.

„Abby, was war eben mit dir los?“, fragte er, als er etwas später als sie in den Stall kam.

„Bitte, nicht jetzt.“ Sie sah ihn nicht an, als sie den Sattel von Dancers Rücken hob.

Ihre Hand zitterte leicht, als sie die Bürste nahm, um den Braunen zu striegeln.

Russ wollte sie ihr aus der Hand nehmen. „Ich kümmere mich um die Pferde“, sagte er mit sanfter Stimme. Als sie zurückwich, ließ er die Hand sinken. „Abby, Süße, sprich mit mir. Was ist los?“

„Ich bin ihn geritten, also bürste ich ihn auch trocken.“ Sie ignorierte seine Frage und drehte sich wieder zu Dancer.

Die nächsten Minuten arbeiteten sie in beklommenem Schweigen. Russ vermutete, dass Abbys panische Reaktion etwas mit dem zu tun hatte, was sie ihm zuvor von ihrer Mutter erzählt hatte. Aber wenn sie nicht mit ihm sprach, konnte er nicht herausfinden, ob es wirklich daran lag, oder ob es noch etwas anderes gab.

Als Abby mit Dancer fertig war, führte sie ihn zurück in die Box. „Danke, dass ich dein Pferd reiten durfte“, sagte sie und ging an Russ vorbei in Richtung Tor.

„Abby, wir müssen miteinander reden.“ Er legte die Hand auf ihre Schulter.

Sie sah ihn nicht an, doch er spürte, dass sie sich verkrampfte. Im nächsten Moment wich sie seiner Berührung schon aus und ging weiter. „Es gibt nichts zu sagen.“

Russ wartete, bis sie durch die Doppeltür verschwunden war, bevor er ein paar heftige Flüche ausstieß. Abby mochte glauben, dass es nichts zu sagen gab, er aber war anderer Meinung. Morgen, wenn sie kam, um Marsannes Fessel zu versorgen, würde er bereits da sein und auf sie warten.

So wie in den vergangenen drei Tagen wartete Abby auch heute, bis sie sicher sein konnte, dass Russ die Pferde versorgt hatte und in der Kellerei bei Eli war, bevor sie sich den Ställen näherte, um sich die graue Stute anzusehen. Sie wusste, dass es feige war, einem Gespräch über die Gründe für ihre Angstreaktion an jenem Tag, als sie sich geküsst hatten, aus dem Weg zu gehen, aber sie wusste nicht, wie sie sonst mit der Situation umgehen sollte.

Sie wollte Russ nicht erklären, warum sie in Panik geraten war. Es war ihr peinlich zuzugeben, dass der schlechte Ruf ihrer Mutter sie gezwungen hatte, immer wieder zu beweisen, dass sie nicht genauso war. Auch wollte sie ihm nicht unbedingt sagen, dass sie Probleme mit Männern hatte, seit sie mit fünfzehn fast ihre Jungfräulichkeit verloren hatte, nur weil ihr Date beim Schulball nicht geglaubt hatte, dass Grace Ashtons Tochter Nein meinte, wenn sie Nein sagte.

Abby stieß ein Kieselsteinchen weg. Ob es nun fair war oder nicht, sie musste die Sünden ihrer Mutter durch tadellosen Lebenswandel wiedergutmachen, seit sie in das Alter gekommen war, dass die Jungen sich nach ihr umdrehten. Deshalb hatte sie sich irgendwann auch mit niemandem mehr verabredet und sich stattdessen auf Schule und Ausbildung konzentriert.

Doch als Russ sie küsste, war ein Problem aufgetreten, das sie bisher nicht kannte – sie hatte den Kuss genossen und sich gewünscht, er würde nie enden. Und das beunruhigte Abby. Sie hatte Gefallen daran gefunden, in seinen Armen zu liegen und von ihm berührt und zärtlich gestreichelt zu werden. Und nur aus diesem Grund war sie in Panik geraten.

Warum war es mit Russ anders? War sie doch wie Grace?

Als sie den Stall betrat und die Stallgasse hinunter zur Sattelkammer ging, kam Abby zu dem Schluss, dass es auf diese Frage keine einfache Antwort gab. Sie hatte das Gefühl, dass sie, anders als Grace, nicht bei jedem Mann das empfinden würde, was sie bei Russ gespürt hatte. Leider konnte sie dem Geheimnis nicht auf den Grund gehen, warum sein Kuss sie mehr erregte, als sie sich jemals hätte vorstellen können. Das Risiko, dabei Dinge über sich zu lernen, die sie gar nicht wissen wollte, war zu groß.

„Ich habe mich schon gefragt, wann du endlich kommst.“

Abby war so in Gedanken versunken, dass sie ihn gar nicht bemerkt hatte und bei seinen Wort erschrocken zusammenzuckte. „Was machst du denn hier? Müsstest du nicht längst in der Kellerei arbeiten?“

Russ saß auf einer Bank in der Sattelkammer, direkt neben dem Schrank, in dem die Sanitätsartikel verstaut waren, die langen Beine ausgestreckt und an den Knöcheln übereinandergeschlagen. Er wirkte entspannt, selbstbewusst und unglaublich sexy. So viel Sex-Appeal müsste verboten sein.

Lächelnd schob er mit dem Daumen seinen Cowboyhut hoch, dann schüttelte er den Kopf. „Ich habe einen Tag freigenommen.“

„Warum?“ Sie fand es extrem irritierend, dass das Objekt ihrer Gedanken plötzlich, wie aus dem Nichts, vor ihr saß.

Er zuckte mit den Schultern. „Ich muss mich um eine unerledigte Sache kümmern.“

Sie stieg über seine Beine, um an den Schrank zu kommen. „Und warum tust du es dann nicht?“

Sein Lächeln ließ ihre Knie weich werden. „Ich habe nur auf dich gewartet.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, welchen Unterschied meine Anwesenheit macht“, log sie und griff in den Schrank.

„Du bist die unerledigte Sache, Süße.“

Sie lachte nervös. „Ich habe keine Ahnung, was du damit meinst.“

Sie hielt den Atem an, als er aufstand, die Hände auf ihre Schultern legte und sie zu sich drehte. „Spiel nicht die Naive, Abby. Wir wissen beide, dass du dafür viel zu intelligent bist.“

Abby wurde immer nervöser. Russ stand entschieden zu nah bei ihr. „Ich halte das für keine gute Idee.“

„Ich aber.“ Seine Ungezwungenheit wich der Entschlossenheit. „Ich möchte wissen, warum du plötzlich weggerannt bist, als ich dich geküsst habe.“

Sie starrte ein paar Sekunden lang in seine blauen Augen, dann schüttelte sie seine Hände ab und drehte sich wieder zum Schrank. „Du würdest es doch nicht verstehen.“ Als sie gefunden hatte, was sie suchte, stürmte sie an ihm vorbei.

Bevor sie die breite Stallgasse erreichte, hielt er sie am Arm fest. „Ich verstehe viel mehr, als du glaubst.“ Er legte die Hand an ihre Wange und zwang Abby, ihn anzusehen. Die Zärtlichkeit in seinem Blick machte sie nervös. „Willst du wissen, was ich glaube, warum du plötzlich in Panik geraten bist?“

„Nein.“

„Du hast Angst“, fuhr er fort, als hätte sie nichts gesagt.

Sie schüttelte den Kopf, lachte, doch es klang selbst in ihren Ohren unecht. „Du täuschst dich, Cowboy.“

„Wirklich?“ Sein Gesichtsausdruck zeigte ihr, dass er ihr beweisen wollte, dass sie log. „Dann lass dich von mir küssen, Abby.“

Eine Mischung aus Erregung und Panik durchströmte sie. „Das ist einfach lächerlich.“

„Du bist nicht wie deine Mutter“, sagte er und zog sie sanft in seine Arme.

Abby fühlte sich plötzlich geschlagen und brachte nicht die Kraft auf, Russ zu widerstehen. Sie wollte es nicht einmal. Nein, sie wollte, dass Russ sie in den Armen hielt, wollte, dass er sie küsste. „Was ist, wenn du dich täuschst?“

„Glaube mir, ich tue es nicht.“ Ein wohliger Schauer lief ihr über den Rücken, als er lächelnd den Kopf senkte. „In dieser Hinsicht nicht.“

Als seine Lippen ihren Mund berührten, versuchte Abby, passiv zu bleiben, um sich und ihm zu beweisen, dass der Kuss sie kalt ließ. Doch seine Zärtlichkeit ließ sie schnell vergessen, dass sie diese Situation um jeden Preis hatte vermeiden wollen.

Sie ließ das Verbandszeug fallen und klammerte sich an seinem Hemd fest. Unter dem weichen Stoff fühlte sie die harten Muskeln und seinen wilden Herzschlag. Ein Prickeln ging durch ihren Körper, und sie bekam weiche Knie. Sie war erregt, ihr wurde heiß, und tief in ihrem Bauch flatterten Hunderte von kleinen Schmetterlingen.

Es war nicht ihr erster Kuss, aber sicherlich der schönste. Noch nie war sie mit so unglaublicher Zärtlichkeit und Raffinesse geküsst worden.

Unbewusst stieß Abby einen glücklichen Seufzer aus, als Russ die Arme fester um sie schlang und sie an sich zog. Seinen harten männlichen Körper an ihrem weichen weiblichen zu spüren war unglaublich erotisch und weckte heftiges Verlangen in ihr. Ohne nachzudenken schmiegte sie sich enger an ihn.

Doch als sie ihn an ihrem Schoß spürte, wurde das Verlangen, mit ihm zu schlafen, so groß, dass sie plötzlich Angst bekam.

Sie wich zurück und schüttelte den Kopf. „R-Russ … ich kann nicht …“

„Schon okay, Süße.“ Er lockerte seine Umarmung, damit Abby auf Abstand gehen konnte, ließ sie jedoch nicht ganz los. „Ich werde dich nicht anlügen, Abby. Ich will dich. Aber ich habe noch nie eine Frau zu irgendetwas gezwungen. Und das werde ich auch niemals tun.“

Die Ernsthaftigkeit in seinen strahlend blauen Augen nahm ihr fast den Atem. Sie hatte keine Zweifel daran, dass er es ehrlich meinte. Aber was sie im Moment empfand, war nicht sein Problem, sondern ihres.

„Das weiß ich. Du heißt ja nicht Harold.“ Eigentlich hatte sie den Namen des Jungen, der sie zu jenem besagten Schulball geführt hatte, nicht nennen wollen. In der Hoffnung, dass es Russ entgangen war, fügte sie eilig hinzu: „Ich bin diejenige, die Angst hat, etwas Dummes zu tun.“

„Wow. Nicht so schnell. Wer ist Harold?“

Abby schloss die Augen und holte tief Luft. Sie hätte wissen müssen, dass Russ ihr Schnitzer nicht entgangen war. „Er war mein Date bei einem Schulball. Aber das ist jetzt nicht wichtig.“

„Ich glaube, doch.“ Er runzelte die Stirn. „Hat er versucht …“

„Ja, aber er hat sich dann anders entschieden.“

„Warum der Sinneswandel?“

Der Mann war unglaublich hartnäckig. „Bist du immer so neugierig?“

„Und weichst du immer so aus?“ Zärtlich blickte er sie an. „Erzähl mir, was passiert ist, Süße.“

Sie seufzte. Russ würde nicht aufgeben. „Harold wollte mein Nein nicht akzeptieren. Er hat versucht, mich zu mehr zu zwingen. Aber als er mein Knie an seiner empfindlichsten Stelle zu spüren bekam, entschied er sich and...

Autor

Debbi Rawlins
Endlich daheim – so fühlt Debbi Rawlins sich, seit sie mit ihrem Mann in Las Vegas, Nevada, lebt. Nach viel zu vielen Umzügen beabsichtigt sie nicht, noch ein einziges Mal den Wohnort zu wechseln. Debbie Rawlins stammt ursprünglich aus Hawaii, heiratete in Maui und lebte danach u.a. in Cincinnati, Chicago,...
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Suzannah Davis
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