Beccas Traum

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Beccas Herz klopft zum Zerspringen: Sie liegt das erste Mal in Colts Armen - ihr größter Traum scheint sich endlich zu erfüllen. Vor Jahren wies er sie ab, doch jetzt ist der attraktive Rodeoreiter zurückgekehrt - und will für immer in Aloma bleiben. Heimlich plant Becca schon ihre gemeinsame Zukunft, aber will Colt sich wirklich fest an sie binden?


  • Erscheinungstag 19.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733757168
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Schon lange nicht mehr hatte Becca so einen attraktiven Mann gesehen wie Colt Bonner. Er trug ausgeblichene Jeans und ein weißes T-Shirt, unter dem sich seine Rückenmuskeln deutlich abzeichneten.

Während er mit kräftigen Hammerschlägen die lose Verandadiele befestigte, über die sie bei ihrem letzten Besuch bei seinem Vater beinahe gestolpert war, betrachtete Becca ihn eingehend. Sein schwarzes Haar war zerzaust, und bei jedem Hammerschlag trat sein Bizeps deutlich hervor. Vor vielen, vielen Jahren hatte sie davon geträumt, dass er sie mit diesen starken Armen zu sich auf den Rücken eines Pferdes hob und mit ihr in den Sonnenuntergang ritt. Wie albern.

Damals war sie ein schüchternes Mauerblümchen gewesen, für das sich kein Mann interessierte.

Aber sie hatte sich verändert. An diesen Gedanken klammerte sie sich zumindest, als sie aus dem Wagen stieg und auf das Haus der Bonners zuging. Ihr langes rotes Haar fiel ihr jetzt in weichen Locken über die Schultern, und statt der sackartigen Kleider, die ihre Mutter ihr früher gekauft hatte, trug sie ein eng anliegendes, türkisfarbenes Kostüm.

Und nicht nur das. In den letzten Jahren hatte sie mehr Selbstbewusstsein gewonnen und ihre Schüchternheit abgelegt. Dass sie jetzt hierher kam, war wohl der beste Beweis dafür.

Schließlich war Colt Bonner der Mann, dem sie vor zwölf Jahren angeboten hatte, mit ihr zu schlafen. Was er ablehnte.

Der Gedanke daran machte sie nun doch nervös. Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Noch hatte er sie nicht gesehen, sie konnte umkehren und sich davonschleichen.

„Alles okay mit dir?“

Becca zuckte zusammen und machte die Augen auf. Colt blickte sie über die Schulter an.

„Mir geht’s gut“, sagte sie mit einem Lächeln, dass ihr selbst zu strahlend vorkam. Sie nahm sich zusammen und ging auf ihn zu. „Ich bin Becca Danvers. Wir sind zusammen zur Schule gegangen.“ Ach ja. Hatte sie ihn nicht raten lassen wollen, wer sie war?

Colt grinste breit. „Das weiß ich noch, Becca. So oft bin ich nun auch nicht auf den Kopf gefallen.“

„Natürlich nicht“, stotterte sie. „Ich dachte nur, weil … Na ja, die Leute sagen, dass ich mich sehr verändert habe. Ich wusste nicht, ob du mich wieder erkennst.“

„Mir kommst du nicht verändert vor“, sagte er und wandte sich wieder dem Brett zu.

Ihr Lächeln erlosch. „Oh. Na dann.“

Das lief ja wunderbar. Offensichtlich machte sie großen Eindruck auf ihn. Ganze drei Sekunden hatte er sie angesehen.

Denk dran, sein Vater ist gerade erst gestorben, ermahnte sie sich. Zwar lag das schon zwei Monate zurück, aber immerhin war Colt daraufhin in seine Heimatstadt zurückgekehrt, die er vorher zwölf Jahre lang gemieden hatte. Es musste hart für ihn sein.

„Ich bin vorbeigekommen, um zu fragen, ob du etwas brauchst. Gestern hieß es, du seiest wieder da …“

Natürlich hatte sie selbst seinen Truck in der Einfahrt entdeckt, doch das würde sie ihm nicht auf die Nase binden. Er sollte nicht glauben, dass sie den ganzen Tag nur sein Haus beobachtete.

„Aha, die Gerüchteküche in Aloma funktioniert also noch immer.“ Er blickte nicht einmal auf. „Bestimmt fragen sich schon alle, was der missratene Bonner-Sohn jetzt wieder vorhat.“

Sie schüttelte nur den Kopf, betrat die Veranda und lehnte sich an das Geländer. Natürlich war er ärgerlich. Seine Wut war schon immer die beste Verteidigung für ihn gewesen. Es schüchterte sie jetzt genauso wenig ein wie damals.

„Klar, die ganze Stadt hat dich beobachtet, und heute Morgen haben wir gleich eine Sitzung abgehalten, um zu beschließen, wie wir dich am besten wieder loswerden. Jemand schlug vor, die Nationalgarde zu benachrichtigen, aber ich stimmte dagegen. Mir gefallen Steinigungen einfach besser.“

Colt ließ nun endlich von seiner Arbeit ab, setzte sich auf den Boden und umschlang seine Knie mit den Armen. Als er aufblickte und sie zerknirscht anlächelte, bekam sie Herzklopfen.

„Schon verstanden. Aber es macht mich eben nicht gerade überglücklich, wieder in Aloma zu sein.“

„Das ist ja auch kein Wunder, bei allem, was passiert ist, bevor du gingst.“ So gleichgültig wie möglich verschränkte sie die Arme vor der Brust. Er sollte nicht merken, wie heftig ihr Herz schlug. „Außerdem ist der Anlass ja auch nicht erfreulich. Es tut mir leid wegen deines Vaters.“

Colt schüttelte den Kopf. „Das braucht es nicht. Er war ja selbst schuld.“

Als Colt aufstand und auf sie zukam, hielt sie den Atem an. Nur zu gut erinnerte sie sich an ihre letzte Nacht. Ihre Küsse, die leidenschaftliche Umarmung. Wie sie auf seinem Schoß gesessen und seine harte Männlichkeit gespürt hatte. Niemals seitdem hatte sie sich jemandem wieder so nahe gefühlt.

Er blickte sie aus seinen dunklen Augen unverwandt an und ging zielstrebig auf sie zu. Bestimmt wollte er sie wieder küssen.

Direkt vor ihr blieb er stehen, ohne den Blickkontakt abzubrechen. Becca atmete tief seinen männlichen Duft ein und schloss die Augen.

Einen Augenblick herrschte Stille, dann räusperte er sich.

„Entschuldige, Becca. Du sitzt auf meinem Hemd.“

Überrascht machte sie die Augen auf. Er betrachtete sie mit unverhohlener Belustigung. Am liebsten wäre sie im Boden versunken. Seufzend rückte sie ein Stück zur Seite.

Nun hatte sie sich zum zweiten Mal vor Colt Bonner zum Narren gemacht.

Er streifte sich das Hemd über, knöpfte es aber nicht zu. Dann setzte er sich auf das gegenüberliegende Geländer und steckte die Daumen in die Hosentaschen.

„Was brauche ich denn deiner Meinung nach?“

Sie blinzelte verwirrt. „Wie bitte?“

Er drehte den Kopf weg, doch sie sah, dass er grinste. Auch gut. Offensichtlich war er von ihr nicht beeindruckt, aber wenigstens unterhielt er sich gut.

„Du bist gekommen, um zu sehen, ob ich etwas brauche. An was dachtest du denn da?“

„Abendessen?“, schlug sie vor. „Ich wusste nicht, ob du schon Strom hast und nahm an, dass du nicht gerade in der Kneipe essen wolltest an deinem ersten Abend hier.“

„Danke, aber das E-Werk hat sich gleich heute Morgen drum gekümmert.“

„Oh. Na fein.“ Ziellos ging sie über die Veranda. Noch schlimmer hätte es kaum kommen können. Trost wegen seines Vaters brauchte er ganz offensichtlich nicht, und anstatt ihm zu zeigen, dass sie nicht mehr das graue Mäuschen von früher war, hatte sie sich wie ein Trottel benommen. Nicht einmal zu Abend essen wollte er mit ihr.

„Tja, dann gehe ich wohl besser wieder. Ich muss noch einige Arbeiten korrigieren und …“

Sein Warnruf kam zu spät. Nun versank sie doch noch im Boden, wenn auch nur bis zum linken Knie.

Scharfe Holzsplitter kratzten über ihre Haut, und sie versuchte sich mit einer Hand an der Wand abzustützen. Sie war mit einem Fuß durch ein morsches Verandabrett gebrochen.

Colt war mit einem Satz bei ihr und fing sie auf, bevor sie fiel. Er stützte sie an den Ellbogen, und sie lehnte sich an ihn, wobei sie versuchte freizukommen.

„Hör auf, Becca, du machst es nur schlimmer“, sagte er bestimmt.

Sie gehorchte. Colt beugte sich hinunter und legte eine Hand auf ihren Schenkel. Becca biss sich auf die Lippe und blickte auf seinen dunklen Haarschopf hinunter. Nach dem ersten Schreck begann ihr Bein nun zu schmerzen, ganz zu schweigen von ihrem verletzten Stolz.

Colt stieß einen Fluch aus und blickte sie entschuldigend an. „Das ganze Haus ist in einem miserablen Zustand. Ich sollte es einfach abreißen lassen und das Land verkaufen. Es zu reparieren wird Monate dauern.“ Er stand auf. „Beweg dich nicht. Ich hole den Hammer und löse das Brett.“

Sie betrachtete das Spiel seiner Muskeln, als er den Hammer vorsichtig in dem Loch neben ihrem Bein verkantete. „Ich hoffe, dass ich dir nicht wehtue.“

Dann begann er kräftig zu ziehen. Mit einem hässlichen Knirschen löste sich das ganze Brett. Es war nicht angenehm, doch es hätte schlimmer sein können. Sie biss die Zähne zusammen und fragte: „Du willst das Haus also renovieren?“

Er legte eine Hand auf ihren Unterschenkel und half ihr aus dem Loch. „Ich will’s versuchen. Wie fühlst du dich? Es ist eine ziemliche Schramme.“

Ihre sündhaft teure Seidenstrumpfhose, die sie am Morgen noch vor Unterrichtsbeginn gekauft hatte, war natürlich ruiniert. Sie strich mit der Hand über den Kratzer, der sich bereits rot verfärbte.

„Es geht schon, danke.“ Sie zog das Bein unter seiner Hand weg. „Dann willst du also bleiben?“

„Nein, nur das Haus so weit herrichten, dass ich es verkaufen kann. Im Moment ist es mehr eine Bruchbude.“ Er schüttelte den Kopf und fluchte. „Dieser verdammte Saufkopf. Ein Wunder, dass er sich nicht den Hals gebrochen hat.“ Noch immer kniete er vor ihr und blickte zu ihr auf. „Soll ich dich zum Arzt bringen?“

Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Quatsch. Es ist nur eine Kleinigkeit.“ Mittlerweile brannte der Kratzer jedoch wie Feuer, und ihr Schienbein schmerzte. „Ein bisschen Wasser und Seife, dann ist alles wieder okay.“

Colt stand auf, nahm ihre Hand und führte Becca zurück zum Geländer. „Er war ein fauler alter Trunkenbold. Ich kann einfach nicht fassen, dass er das Haus so verkommen ließ.“ Er ließ den Blick über die Haufen von Abfall und Schrott im Hof, das mannshohe Unkraut im Garten und das ausgeblichene Holz schweifen, das einst weiß gestrichen gewesen war.

Becca entzog ihm ihre Hand, streifte ihren Schuh ab und schüttelte Steinchen und Erde heraus.

„Er war in den letzten Jahren schwer beschäftigt. Es ist nicht leicht, ständig betrunken zu sein.“

„Wie immer also. Hast du ihm die Broschüren der Anonymen Alkoholiker gebracht?“

Sie nickte.

Colt schüttelte den Kopf. „Du hast ein Herz für hoffnungslose Fälle, was? Wusstest du, dass er sie als Untersetzer benutzt hat?“

„Ja. Für mich gibt es keine hoffnungslosen Fälle.“

„Na, jetzt ist er einer“, bemerkte Colt trocken.

Becca schwieg. Auch sein Zynismus war eine Form der Trauer. Aber vielleicht bildete sie sich das ja auch nur ein. „Wir haben versucht, dich zu erreichen, als er starb. Dass du in Wyoming warst, hatte ich im Fernsehen gesehen, das Rodeo wurde übertragen. Aber dann warst du plötzlich verschwunden.“

Ihr war klar, dass sie beide nicht über diesen Tag reden wollten. Am Morgen hatte sie Doff tot in seinem Lehnstuhl gefunden, und am Abend im Fernsehen mit ansehen müssen, wie Colt beim Bullen-Rodeo im hohen Bogen abgeworfen worden und hart gegen eine Wand geknallt war. Der Bulle hatte ihn angegriffen und ihm ein Horn in den Rücken gerammt. Becca war überzeugt gewesen, dass er tot sei, doch als man ihn hinaustrug, sagte der Reporter, er wäre nur ohnmächtig.

Natürlich waren die Umstände nicht ideal, dennoch freute sich Becca damals auf seine Heimkehr. Allerdings war er nicht gekommen.

Sie hatte zusammen mit Toby Haskell und Luke Tanner, Colts besten Freunden, seinen Vater beerdigt, und erst jetzt, nach zwei Monaten, ließ er sich endlich blicken.

„Ich habe eure Nachricht erhalten, aber ich konnte nicht weg“, sagte Colt kurz angebunden.

Becca nickte. „Warst du schon auf dem Friedhof? Ich hoffe, der Grabstein gefällt dir, wir …“

„Es ist bestimmt alles in bester Ordnung. Wie geht es deinem Bein?“

Sie strich ihren Rock glatt und betrachtete die traurigen Reste ihrer Strumpfhose. „Viel besser. Mach dir keine Sorgen.“

Wenn sie jetzt ging, ließen sich vielleicht weitere Peinlichkeiten vermeiden. Warum nur fühlte sie sich immer noch so zu Colt Bonner hingezogen?

„Ich muss los“, sagte sie entschlossen. „Ruf mich an, wenn du etwas brauchst.“ Vorsichtig humpelte sie die Stufen zum Hof hinunter.

„Becca …“

Sie drehte den Kopf, und Colt war direkt vor ihr. Bevor sie reagieren konnte, küsste er sie.

Es war ein warmer, zärtlicher, aber entschlossener Kuss, der ihre Knie weich werden ließ. Bevor sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte und ihn erwidern konnte, löste sich Colt bereits wieder von ihr.

Sie legte einen Finger auf ihre Lippen. „Warum hast du das getan?“

Er schwieg lange, und sein Gesichtsausdruck verriet ihr nichts. Schließlich sagte er: „Weil ich ein Idiot bin, nehme ich an.“

„Oh.“ Es war keine schlagfertige Antwort, aber nach allem, was passiert war, kam es darauf auch nicht mehr an. Sie strich sich eine Locke aus dem Gesicht. „Tja dann …“

„Becca, hör mir zu.“ Er stützte sich mit einer Hand am Vordach ab, sodass sein T-Shirt weit genug nach oben rutschte, um einen Blick auf seinen muskulösen Bauch freizugeben. Becca fiel es schwer, den Blick abzuwenden.

„Ich danke dir, dass du gekommen bist. Aber ich habe keine Zeit, um … Ich bin nur hier, um diese Bruchbude für den Verkauf herzurichten, dann verschwinde ich wieder. Und am liebsten bin ich dabei allein.“

Becca hörte ein Motorengeräusch und erkannte den Jeep des Sheriffs, der sich dem Haus näherte.

„Tja, das tut mir leid für dich. Hier kommt Toby Haskell. Es gibt nun mal Menschen, denen du etwas bedeutest, ob dir das nun recht ist oder nicht.“ Sie lächelte ihn traurig an. „Ich gehe jetzt, dann könnt ihr euch in Ruhe unterhalten.“

Colt ließ den Jeep nicht aus den Augen und seufzte. „Ja. Wir sehen uns später.“

Kurz darauf beobachtete Becca im Rückspiegel, wie die beiden Männer sich zur Begrüßung auf die Schultern klopften. Offensichtlich war es eine angenehme Begegnung. Aber warum hatte Colt dann so nervös gewirkt?

„Alter Junge!“ Toby griff nach Colts Hand, umarmte ihn dann und klopfte ihm auf den Rücken. „Wurde aber auch Zeit, dass du dich wieder mal hier sehen lässt.“

Colt löste sich vorsichtig aus dem Griff seines Freundes. „Du bist jetzt also der Sheriff, was? Wie hast du das nur hingekriegt?“

Toby hob die Schultern und grinste. „Charme und Beziehungen. Becca hat mir Bescheid gesagt, dass du hier bist.“

„War ja klar, kaum bin ich fünf Minuten in der Stadt, ruft jemand die Polizei.“

„Becca ist kein Klatschmaul. Sie hat sich einfach ein bisschen um deinen Vater gekümmert. Für ihn eingekauft, aufgepasst, dass er das Haus nicht versehentlich anzündet. Ohne sie …“

„… hätte er sich zu Tode getrunken“, murmelte Colt. „Wie wär’s mit etwas zu trinken? Es ist heiß hier draußen.“

Die Männer gingen in die Küche, und Colt blickte sich um. „Leider hatte Doff nur Kaffee im Haus. Und Whiskey.“ Er hob die Kaffeekanne hoch und blickte Toby fragend an.

Der Sheriff nickte, nahm eine Tasse von der Spüle, betrachtete sie und wusch sie dann unter dem Wasserhahn aus. Dann ließ er sich von Colt einschenken.

„Becca war also schon hier? Sie hat sich verändert, was? Eine richtige Schönheit.“

„Sie war immer schon hübsch.“

„Woran hast du das gemerkt? Sie trug immer diese dicke Brille und lief mit eingezogenem Kopf herum, sodass man ihr Gesicht gar nicht sehen konnte. Aber in den letzten Jahren …“ Er schüttelte den Kopf. „Wenn ich nicht glücklich verheiratet wäre …“

„Angeber“, lachte Colt. „Du warst doch schon mit sieben in Corinne verliebt. Jetzt hast du’s also endlich geschafft. Herzlichen Glückwunsch.“

„Danke. Hat zehn Jahre gedauert. Und du? Bist du immer noch als einsamer Cowboy auf Rodeos unterwegs?“

Colt goss sich Kaffee nach. „Kann man so sagen. Wie geht’s Luke? Ist er noch in der Gegend?“

„Klar, als mein Hilfssheriff.“

„Ehrlich? Ihr zwei als Hüter von Recht und Ordnung?“ Colt lachte. „Sag bloß, er ist auch schon verheiratet.“

„Keine Chance, er läuft allem hinterher, was Röcke trägt.“ Toby blickte Colt offen an. „Mann, es ist gut, dich wieder zu sehen.“

Colt trat einen Schritt zurück. „Du willst mich doch nicht etwa schon wieder umarmen?“

„Nein, ich kann mich beherrschen. Aber wir sind alle mächtig stolz auf dich. Noch ein Sieg, dann hast du Doffs Rekord gebrochen. Die ganze Stadt hat deine Rodeos im Fernsehen gesehen und dir die Daumen gedrückt. Tut mir leid, dass du unter solchen Umständen zurückkommst.“

„Ja“, sagte Colt. „Und schneller ging es eben nicht. Willst du noch Kaffee?“

„Nein, der schmeckt scheußlich. Also, wie lange bleibst du?“

Colt hob die Schultern. „Ein paar Wochen. Bis ich das Haus einigermaßen hergerichtet habe.“ Er ließ den Blick über das wellige Linoleum, die windschiefen Schranktüren und die fleckige Decke schweifen. „Na ja, eher einige Monate.“

„Prima. Je länger, desto besser. Ich muss ins Büro zurück, bevor mir Luke den ganzen Kuchen aufisst, den Corinne gebacken hat.“

„Grüß sie von mir“, sagte Colt, als er Toby zum Wagen begleitete.

„Das kannst du selbst machen. Komm doch mal zum Essen vorbei.“

„Warum nicht“, sagte Colt. Er blickte die Straße hinunter.

„Wenn du nicht kommst, führe ich dich in Handschellen ab.“

„Gib mir nur ein paar Tage, um hier etwas Ordnung zu schaffen.“

„Beeil dich. Luke und ich haben dich schon fest zum Pokern eingeplant.“

Colt grinste. „Gut. Ich kann ein paar Dollar gebrauchen.“

Toby tat entrüstet. „Was denkst du von uns? Seit wir die Hüter des Gesetzes sind, spielen wir nicht mehr um Geld. Sondern um Bonbons.“

Colt lachte und schüttelte den Kopf. Zum ersten Mal freute er sich tatsächlich, wieder in Aloma zu sein. Beinahe hatte er vergessen, wie gut es sich anfühlte, Freunde zu haben. „Der Einsatz ist egal, ich gewinne trotzdem.“

Toby öffnete die Wagentür und stieg ein. „Wahrscheinlich. Du bist der Einzige von uns, der ein echtes Pokerface hat. Hör zu, lass dich mal bei Becca blicken, ja?“

„Sie hat mich schon zum Essen eingeladen, aber ich habe abgelehnt.“

„Dann überleg es dir noch mal.“

„Warum?“

Toby ließ den Wagen an. „Zum Beispiel, weil sie sich um deinen Vater gekümmert hat und du ihr etwas schuldig bist. Sie hat ihn sogar gemocht, obwohl er sich immer unmöglich aufgeführt hat.“

„Ich kann nicht glauben, dass jemand freiwillig länger als fünf Minuten mit Doff verbringt.“

„So ist sie eben. Mach ihr eben die Freude und lass dich ein bisschen von ihr verwöhnen.“

„Ich weiß nicht …“

„Denk dran, ich habe Handschellen. Also nimm ihre Einladung an. Es ist deine Pflicht. Ein liebevoll zubereitetes Abendessen mit einer schönen Frau. Könnte schlimmer kommen, oder?“

Colt machte sich schließlich auf den Weg zu Beccas Haus. Seit zwanzig Jahren war er wütend auf seinen Vater, und die Bruchbude, die er ihm hinterlassen hatte, machte die Sache nicht besser.

Normalerweise kam ihm sein Ärger zugute, wenn er Rodeos ritt. Er dachte an seinen Vater, bevor er auf einen Bullen stieg, und wenn er schließlich gewonnen hatte, war auch die Wut verschwunden. Doch hier draußen gab es nichts, was ihn ablenkte. Seine Nerven lagen blank. Als dann plötzlich Becca vor ihm stand, hatte er unwillkürlich daran gedacht, sich von ihr ablenken zu lassen.

Der Gedanke war natürlich absurd. Das eine Mal, als sie ihm tatsächlich angeboten hatte, mit ihr zu schlafen, war sie stockbetrunken gewesen. Sicherlich erinnerte sie sich nicht einmal mehr daran.

Doch Tobys Bemerkung, dass sein Vater sich ihr gegenüber schlecht benommen hatte, ging Colt nicht aus dem Kopf. Sie hatte sich davon nicht abschrecken lassen, und nun hatte er sich selbst nicht viel besser verhalten. Dabei war es immer sein Lebensziel gewesen, anders als sein Vater zu werden. Leider ließ sich das Erbe nicht immer verleugnen. Zum Beispiel, wenn er seinen Ärger an Schwächeren ausließ.

Es war also sein schlechtes Gewissen und der Wunsch, ihr zu beweisen, dass er besser als sein Vater war, der ihn schließlich bewog, nach einem Stück Seife zu suchen. Die Badewanne sah jedoch so furchtbar aus, dass er beschloss, sich im Garten mit dem Schlauch zu waschen.

Eine halbe Stunde später hatte ihn die unfreiwillig kalte Dusche so weit beruhigt, dass er saubere Jeans und ein frisches Hemd anziehen und seine Pflicht erfüllen konnte.

2. KAPITEL

Becca drehte den Zeichenstift zwischen den Fingern, mit den Gedanken weit entfernt von der Skizze vor ihr, an der sie arbeitete. Wohl zum hundertsten Mal an diesem Nachmittag hörte sie im Geiste seine Stimme: Mir kommst du nicht verändert vor.

Sie schloss die Augen und blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Am schlimmsten war, dass er recht hatte. Rein vom Äußerlichen her hatten sich die Stunden beim Friseur und der Typberatung schon ausgezahlt. Und nach all der Zeit fiel es ihr auch nicht mehr schwer, Menschen direkt anzusehen oder klar und deutlich zu sprechen.

Nur ließ sich Colt eben nicht täuschen. Unter dieser neuen Fassade erkannte er sofort die alte Becca Danvers. Sie hatte sich etwas vorgemacht, als sie heute Morgen zum ersten Mal das sündhaft teure Kostüm aus dem Schrank genommen hatte, das dort seit Jahren auf eine besondere Gelegenheit wartete. Oder als sie, zum zweiten Mal in ihrem Leben, zur Maniküre gegangen war. Und vor allem, als sie sich einredete, sie würde einfach mal spontan bei Colt Bonner vorbeifahren, um zu sehen, ob er etwas brauchte. Dabei hatte sie seit dem Moment, wo sie seinen Wagen vor dem Haus sah, an nichts anderes gedacht.

Kein Wunder, dass sie sofort die Quittung präsentiert bekam. Ihr Kostüm hing wieder im Schrank, die ruinierte Strumpfhose lag im Abfalleimer.

Jetzt trug sie, wie oft, wenn sie zu Hause arbeitete, eine bequeme Jogginghose und ein weißes Top mit Spaghettiträgern. Ihre roten Locken hatte sie zu einem losen Knoten geschlungen, den sie mit einem Bleistift feststeckte.

Schon lange nicht mehr hatte sie eine so peinliche und demütigende Situation erlebt. Aber das kam davon, wenn sie versuchte, sich in etwas zu verwandeln, was sie einfach nicht war: eine Frau, in die sich ein Mann wie Colt auf den ersten Blick unsterblich verliebte.

Sie zuckte die Schultern und ging zum Kühlschrank, um sich einen Eistee einzugießen. Immerhin konnte sie sich jetzt diese albernen Tagträume sparen. Colt hatte sie gesehen – und war nicht im Mindesten beeindruckt. Hatte sie wirklich auch nur einen Augenblick lang geglaubt, Colt würde sich umdrehen, ihr tief in die Augen blicken und gestehen, dass er nur zurückgekommen war, weil er sie nicht vergessen konnte? Weil er noch immer an den einen kostbaren Moment dachte, in dem sie sich geküsst hatten?

Lächerlich, sicher. Aber war es wirklich zu viel verlangt, dass er sie ansah und ihr sagte, sie sei hübscher als früher?

Becca nahm einen großen Schluck Eistee und runzelte die Stirn. Bis auf diese heutige Ausnahme hatte sie ihre Lektion doch eigentlich ganz gut gelernt. Sie beugte sich über das verzerrte Spiegelbild, das die Chromfläche des Toasters ihr zeigte.

„Nimm dich so an, wie du bist. Akzeptiere, wer du bist.“

„Was wollte der Toaster denn sein? Ein Dosenöffner?“

Becca stieß einen Schrei aus und wirbelte herum. Der eiskalte Tee ergoss sich über ihr Top. Vor dem offenen Küchenfenster stand Colt.

Sie versuchte, etwas zu sagen, doch ihr war vor Schreck die Luft weggeblieben, sodass sie nur einen gepressten Laut von sich geben konnte.

„Entschuldige. Habe ich dich erschreckt?“

Sie nickte stumm.

„Ich wollte dich nur überraschen.“

Endlich bekam sie wieder Atem.

„Ja, das ist dir auch gelungen.“

„Kalt, was?“

Colt deutete auf ihr mit Eistee getränktes Top. Immerhin versuchte er, sein Grinsen zu unterdrücken.

Wieder nickte sie. „Weshalb bist du gekommen?“

„Du hast mich eingeladen, schon vergessen?“

„Nein, aber ich erinnere mich auch an deine Absage.“

„Ich habe es mir anders überlegt. Gilt das Angebot noch?“

„Natürlich.“

„Ach, Becca?“

Sie hob eine Augenbraue.

„Der Tee war wirklich kalt, oder?“

„Ja.“ Wieso fragte er sie das schon wieder? Sie blickte an sich herunter und wünschte sich zum zweiten Mal an diesem Tag, im Boden zu versinken. Ihr weißes Trägertop war nass so gut wie durchsichtig, und ihre von der Kälte harten Brustspitzen zeichneten sich überdeutlich darunter ab.

Mit beiden Händen versuchte sie, den Stoff von ihrem Körper zu lösen, wobei sie ihm vermutlich über den tiefen Ausschnitt einen recht deutlichen Ausblick auf ihre unbekleideten Brüste bot.

„Ich ziehe mich einfach schnell um“, stotterte sie und ging einige Schritte rückwärts, bis sie mit dem Rücken hart an den Türrahmen stieß.

„Ja, das halte ich für eine gute Idee“, sagte er.

„Die Haustür ist offen. Mach’s dir bequem, ich bin gleich wieder da.“

Während sie sich im Schlafzimmer auszog, überlegte sie, warum er wohl seine Meinung geändert hatte. Sicherlich nicht, weil ihr neues Aussehen und ihre Selbstsicherheit ihn so beeindruckten. Aber vielleicht war ja ihre Art, durch ein morsches Verandabrett zu brechen, einfach unwiderstehlich.

Oder warum sonst hatte er sie kurz darauf geküsst? Sie ging ins Badezimmer und warf einen Blick in den Spiegel. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen glänzten.

Warum tat sie sich das an? Es hatte sie lange Jahre gekostet, Selbstbewusstsein zu gewinnen, sich von der belächelten Außenseiterin in eine Frau zu verwandeln, die mit sich zufrieden war. Das würde sie sich durch einige Bemerkungen und einen gedankenlosen Kuss von Colt nicht nehmen lassen.

Natürlich war sie immer in ihn verliebt gewesen. Und stets hatte sie sich gefragt, ob er ihre Gefühle erwidern würde, wenn sie nur anders aussah, sich anders gab.

Autor

Kim Mckade
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