Bianca Extra Band 133

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EIN BOSS, EIN KUSS – EIN HAPPY END? von MELISSA SENATE

Zeke Dawson ist genauso unwiderstehlich wie damals auf der Highschool. Und genauso unerreichbar für Molly, die den Job als seine Assistentin ergattert hat! Manchmal ist sie kurz vorm Verzweifeln – bis sie Hilfe von ungeahnter Seite bekommt. Von ihrer süßen einjährigen Tochter …

FÜR IMMER UND EINEN TAG MIT DIR von WENDY WARREN

„Nicht weinen, Nikki.“ Als ihr bester Freund Evan sie liebevoll tröstet, fühlt es sich für Nikki nicht mehr so schlimm an, dass sie sitzengelassen wurde. Doch woher kommt plötzlich die Sehnsucht, Evan möge ihre Tränen nicht einfach trocknen – sondern zärtlich fortküssen?

ZWEITE CHANCE MIT DEM TRAUMMANN? von MONA SHROFF

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NEUANFANG IN MOONLIGHT RIDGE von CATHERINE MANN

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  • Erscheinungstag 09.03.2024
  • Bandnummer 133
  • ISBN / Artikelnummer 0802240133
  • Seitenanzahl 432

Leseprobe

Melissa Senate, Wendy Warren, Mona Shroff, Catherine Mann

BIANCA EXTRA BAND 133

1. KAPITEL

Da stand sie.

Danica Dunbar. Zeke Dawsons Traumfrau. Sie stand vor Bear Ridge Realty, der Maklerfirma in der Main Street, und unterhielt sich mit einer anderen Frau. Zeke hatte Danica seit seinem Highschool-Abschluss vor dreizehn Jahren nicht mehr gesehen. Aber er hatte sie nie vergessen.

In der Schule hatte er Danica immer beobachtet, wenn er mal einen schlechten Tag hatte – und davon hatte er damals jede Menge. Wenn er Danica angesehen hatte, wie ihr das gewellte hellblonde Haar über den Rücken fiel, hatte er nicht mehr an den letzten Streit mit seinem Vater gedacht. Oder daran, dass er seinen Vater mal wieder volltrunken auf der Veranda gefunden hatte. Danicas Anblick, wie sie vor ihrem Spind stand und Lippenbalsam auftrug, wirkte wie ein Zauber auf ihn. Doch sie hatte eigentlich immer einen festen Freund, und wenn sie ausnahmsweise mal Single war, ging Zeke gerade mit einem anderen Mädchen aus. Also hatte er nie eine Chance gehabt. Damals hatte er nur ein paarmal mit ihr gesprochen.

Danica sah noch genauso aus wie früher. Sie war wunderschön in ihrem langen roten Wollmantel und den glänzenden schwarzen Schuhen mit den hohen Absätzen. Zeke stand an der Kreuzung und wartete darauf, dass die Ampel grün wurde. Er war beinahe überrascht, dass es keinen Donnerschlag gab und er nicht vom Blitz getroffen wurde. Nach all den Jahren sah er Danica wieder, die Frau, von der er so lange geträumt hatte.

Vielleicht war er einfach zu alt für so einen Blödsinn. Mit seinen einunddreißig Jahren war Zeke ein Workaholic, der gerade hier in Bear Ridge seine eigene Unternehmensberatung eröffnet hatte. Er hatte Monate gebraucht, um zu dieser Entscheidung zu gelangen. Aber als er letzte Weihnachten zu Besuch bei seinen Geschwistern auf der Familienranch gewesen war, hatte er gehört, dass Danica sich gerade scheiden ließ. Diese Information hatte er zu den Argumenten hinzugefügt, die dafürsprachen, von Cheyenne wieder nach Bear Ridge zu ziehen. Natürlich freute es ihn nicht, dass sie so etwas durchmachen musste. Aber nun waren sie endlich beide gleichzeitig ungebunden – und jetzt würde Zeke es wagen.

Danica betrat das Maklerbüro. Interessant. War sie Maklerin? Er war auf der Suche nach einem Haus. Der perfekte Anlass, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Frau, mit der sie sich unterhalten hatte, blieb ein paar Häuser weiter vor seinem eigenen Büro – Dawson Solutions, Inc. – stehen und schien kurz ihr Spiegelbild im Schaufenster zu mustern.

Aha. Das musste Molly Orton sein, sein Termin für zwei Uhr. Sie war zehn Minuten zu früh – ein gutes Zeichen. Die letzten paar Tage hatte er praktisch durchgehend Bewerbungsgespräche geführt, aber kein Bewerber hatte so richtig zu der Stelle gepasst.

Endlich wurde die Ampel grün, und er überquerte die Main Street. Seine potenzielle Assistentin betrachtete stirnrunzelnd ihr Spiegelbild, während sie versuchte, eine lange braune Korkenzieherlocke in den Knoten an ihrem Nacken zu stecken. Der Knoten löste sich. Wilde dunkle Locken explodierten in alle Richtungen. Er lächelte und verlangsamte die Schritte, um ihr eine Chance zu geben, ihre Frisur in Ordnung zu bringen. Schließlich nickte sie und verschwand in seinem Büro.

Zeke ging weiter. Der Anblick der matt silbernen Buchstaben, die den Firmennamen „Dawson Solutions, Inc.“ formten, bereitete ihm tiefe Befriedigung. Er hätte nie damit gerechnet, wieder in seine Heimatstadt zu ziehen und hier ein eigenes Unternehmen zu gründen. Aber die Umstände – die Sehnsucht nach seiner Familie und eine grauenvolle Trennung von einer Kollegin – hatten seinen Widerstand gebrochen.

Als er die Tür öffnete, sprang die Bewerberin auf und streckte die Hand aus. Er schüttelte ihre Hand – ihr Griff war warm und stark, ihre Haut glatt. Molly hatte ihren langen Daunenmantel ausgezogen. Darunter trug sie einen hellen beigefarbenen Hosenanzug mit einem Halstuch. Eine silberne Anstecknadel in Form einer Katze zierte das Revers.

„Ich bin Molly Orton. Ich bin hier wegen des Bewerbungsgesprächs für die Position als Assistentin“, sagte sie. Die lange Korkenzieherlocke löste sich wieder aus dem Knoten. Sie strich sich die Haarsträhne hinters Ohr zurück, und ein Grübchen zeigte sich in ihrer rechten Wange, als sie hinzufügte: „Äh, aber ich bin sicher, das wissen Sie schon. Ich meine, wir sind ja zusammen auf die Highschool gegangen. Und die Middle School. Und die Grundschule auch. In der ersten Klasse hatten wir Mrs. Piedmont mit dieser glitzernden roten Katzenaugenbrille. Himmel, die hatte ich gern.“

Sie waren zusammen zur Schule gegangen? Ihr Name war ihm nicht bekannt vorgekommen, als er ihre Bewerbung überflogen hatte.

„An Mrs. Piedmont erinnere ich mich gar nicht“, sagte er, zog seinen Mantel aus und hängte ihn neben ihren an die Garderobe. „Aber der Name kommt mir bekannt vor. Ich war lange nicht mehr in Bear Ridge.“ Zeke hatte sich auch immer bemüht, seine Erinnerungen an seine Heimatstadt auf seine Lichtfigur zu beschränken – auf Danica Dunbar. „Ich bin aber froh, wieder hier zu sein“, ergänzte er mit einem Lächeln. Das stimmte sogar.

Molly wollte etwas sagen, presste dann aber die Lippen zusammen. Als sie aus dem Fenster schaute, weiteten sich ihre braunen Augen. Er drehte sich um, weil er sehen wollte, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Aber da gab es nichts Ungewöhnliches. Ein paar Leute überquerten gerade die Main Street, darunter eine ältere Frau, die einen Kinderwagen vor sich herschob, während sie auf den Griffen einen weißen Karton balancierte.

„Also, dann gehen wir mal in mein Büro. Kaffee?“, fragte er. „Meine Schwester hat mir eine großartige Mischung mit Macadamia zur Einweihung geschenkt.“ Er ging voraus. Dabei freute er sich über die Ergebnisse der Renovierungsarbeiten: die grau getünchten Räume, den Teppichboden mit dem abstrakten Muster, die schicken Möbel aus Metall und Leder sowie die Gemälde und Grafiken an den Wänden. Er blieb vor der Kaffeetheke stehen.

Molly Orton schaute schon wieder zum Fenster hinaus. Hmm. Hatte sie ein Aufmerksamkeitsdefizit?

Sie wandte sich ihm wieder zu. „Ich hätte sehr gerne eine Tasse. Ihre Schwester ist Daisy Dawson, richtig? Ich kenne sie ehrlich gesagt nicht persönlich, aber Bear Ridge ist eine Kleinstadt. Also kennt natürlich jeder die Dawson Family Guest Ranch. Sie gehören zu den sechs Geschwistern.“ Wieder wanderte ihr Blick zum Fenster.

Er stellte die Kaffeemaschine an. Dabei verspürte er Enttäuschung, weil er wahrscheinlich weiter Bewerbungsgespräche führen musste. Er war von Mollys Lebenslauf so beeindruckt gewesen. Einschlägige Berufserfahrung. Kein einziger Tippfehler. Aber sie konnte nicht mal ein beiläufiges Gespräch führen, ohne abgelenkt zu werden?

Sie hatte recht, was die Ranch anging; jeder kannte die Ranch hier – früher war sie bekannt dafür gewesen, wie sein Vater den ursprünglichen Betrieb ruiniert hatte. Und jetzt, weil die renovierte Ranch in weniger als einem Jahr zu so einem geliebten und beliebten Anziehungspunkt geworden war. Er nickte und griff nach zwei silbernen „Dawsons Solutions“-Tassen. „Ja, jetzt sind wir alle wieder hier. Vier von uns verheiratet mit Kindern. Mein ältester Bruder Ford – er arbeitet hier in der Stadt als Polizist – und ich sind jetzt die einzigen Junggesellen. Aber …“

Das ohrenbetäubende Geheul eines Babys unterbrach ihn.

Molly runzelte die Stirn und schaute erneut aus dem Fenster. Er folgte ihrem Blick. Das vielleicht einjährige Baby im Kinderwagen schrie wie am Spieß. Als die Frau, die den Buggy schob, sich dem Bürgersteig näherte und sich auf die Griffe stützte, um die vorderen Räder über die Bordsteinkante zu heben, fiel die Schachtel von den Griffen auf die Straße.

Ein neuerlicher, markerschütternder Schrei ertönte.

Molly schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. „Entschuldigen Sie mich bitte einen Augenblick“, sagte sie und rannte zur Tür hinaus. Er folgte ihr auf dem Fuß. Sie eilte zu dem Kind, löste den Sicherheitsgurt und hob das kleine Mädchen hoch, um es an sich zu schmiegen. „Alles okay, Süße. Mommy ist ja da.“ Sie tätschelte den Rücken der Kleinen, und das Baby gähnte heftig.

Aha. Auf einmal ergab alles einen Sinn.

„Mom, ist alles okay?“, fragte Molly die ältere Frau, die den Tränen nahe zu sein schien.

„Mir ist nichts passiert“, sagte ihre Mutter. „Aber ich bezweifle, dass das auch für die Torte gilt.“ Sie deutete auf die weiße Schachtel, die auf der Straße lag.

Zeke versuchte, den Karton aufzuheben. Doch bei dem Versuch fiel der Karton auseinander, und eine Substanz mit einer entfernten Ähnlichkeit zu einer Torte – jede Menge Rosa und Weiß – rutschte heraus und landete auf seinen sehr teuren italienischen Lederschuhen.

„Ach herrje“, sagte Mollys Mutter.

Molly verzog das Gesicht. „Das mit Ihren Schuhen tut mir leid. Ich bezahle natürlich ein neues Paar.“

„Mit deinem ersten Gehalt?“, fragte ihre Mutter mit einem listigen Lächeln.

Zeke grinste. Die Mutter gefiel ihm. Er mochte beide Frauen.

„Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte er und schüttelte den rechten Fuß, um ein Stück Torte mit ganz viel rosa Glasur loszuwerden. „Mir tut vielmehr leid, dass die Torte futsch ist. Ist das Erdbeer? Das ist auch meine Lieblingssorte.“

Die beiden Frauen sahen sich an. Erleichterung zeichnete sich auf ihren Mienen ab. Die Familienähnlichkeit war deutlich. Die Mutter hatte ebenfalls eine wilde Lockenmähne, auch wenn ihre nur kinnlang war. Und sie hatten beide große braune Augen. „Ich hätte mit Lucy während des Bewerbungsgesprächs nicht in deine Nähe kommen sollen“, sagte die Mutter. „Ich schätze, sie hat dich durchs Fenster gesehen und wollte dann unbedingt zu ihrer Mama.“ Sie wandte sich Zeke zu und streckte ihre Hand aus. „Abby Orton, Mollys Mom. Und dieser kleine Liebling ist Lucy. Sie ist heute ein Jahr alt geworden.“ Sie ging auf Molly zu, zog eine lustige Grimasse für ihr Enkelkind und streckte dann die Arme aus.

„Lucy, komm zu Nana, okay, Süße? Mommy kommt bald nach Hause für deine Geburtstagsparty.“

Das Kleinkind fing wieder an zu brüllen und klammerte sich an seine Mutter.

Molly seufzte. „Oder ich kann auch gleich gehen, nachdem ich mein Bewerbungsgespräch komplett versaut habe“, sagte sie leise. „Ich möchte mich dafür entschuldigen, Ihre Zeit verschwendet zu haben, Mr. Dawson.“

„Zeke. Und du hast weder das Bewerbungsgespräch versaut noch irgendwas verschwendet. Ich würde sagen, wenn du wegen eines familiären Notfalls losrennst, ist das nur ein Zeichen dafür, dass du deine Prioritäten kennst.“

Molly riss die Augen auf.

Ihre Mutter strahlte. „Oh ja, das tut sie. Molly ist die beste Mutter der Welt. Und ich sage Ihnen, es ist nicht einfach, eine alleinstehende Mutter zu sein. Aber Molly schafft das. Sie ist so gut organisiert und effizient!“

„Mom“, flüsterte Molly. Ihre Wangen glühten.

Lucy gähnte heftig. Jetzt ließ sie sich von ihrer Nana auf den Arm nehmen.

„Dann bringe ich mal mein Enkelkind nach Hause“, sagte Abby. „Bis später, Liebes. Viel Glück!“, fügte sie noch hinzu, bevor sie Zeke einen hoffnungsvollen Blick zuwarf.

Er sah Mollys Mutter nach, bis sie mit Lucy um eine Ecke herum verschwand. „Also, lass mich mal so viel Torte wie möglich abkratzen“, sagte er. „Dann gehen wir wieder rein.“

„Ich helfe dir“, sagte sie.

Sie schaufelten die zerstörte Erdbeertorte auf ein Stück Schachtel und warfen sie in den Mülleimer an der Ecke. Neben dem süßen Geruch der Torte sog Zeke einen schwachen, würzigen Duft ein. Mollys Parfüm.

„Ich verstehe vollkommen, wenn du mit dem Bewerbungsgespräch nicht weitermachen willst“, sagte sie und schob sich noch eine widerspenstige Locke hinters Ohr. Am Ärmel ihres Blazers klebte etwas Glasur.

„Soll das ein Witz sein? Bei dem Lebenslauf? Keine Chance. Und ich habe das erst gemeint vorhin. Wenn mein Kind vor der Tür gebrüllt hätte, wäre ich auch losgerannt. Das hat dir Pluspunkte eingebracht.“

Ihre braunen Augen strahlten. „Dann können wir noch mal von vorn anfangen?“

„Ich sag dir was. Du fährst nach Hause und feierst mit deinem Geburtstagskind. Ich seh dich dann Montag früh.“

Molly neigte den Kopf. „Und dann setzen wir das Bewerbungsgespräch fort?“

„Der Job gehört dir, Molly. Herzlich willkommen bei Dawson Solutions.“ Er ging rasch die exzellenten Arbeitsbedingungen durch.

In den zehn Minuten ihrer Gesellschaft hatte er so einiges über Molly Orton in Erfahrung gebracht. Er wusste, dass sie die Kandidatin war, nach der er gesucht hatte. Die Fragen, die er sich notiert hatte, musste er gar nicht stellen. Sie hatte die letzten drei Jahre bei einer Buchhaltungsfirma gearbeitet. Ihr ehemaliger Boss war offensichtlich ein Idiot (für diese Erkenntnis hatte ein Blick auf ihren Lebenslauf gereicht). Das wiederum sagte ihm, dass sie mit schwierigen Menschen umgehen konnte. Und so, wie sie gerade reagiert hatte, wusste er, dass sie auch mit schwierigen Situationen fertigwerden konnte. Das war eine Schlüsselqualifikation in einer Unternehmensberatung, von der nervöse Kunden erwarteten, dass alle ihre Probleme gelöst wurden. Zeke Dawson war ein Problemlöser. Und er brauchte eine Assistentin, die das auch war.

„Wahnsinn. Danke, Zeke!“

Er lächelte. „Dann sehe ich dich Montag um neun Uhr. Ich würde dich dann gerne zum Lunch einladen, um dich willkommen zu heißen und dir alle Einzelheiten über die Firma zu erzählen.“

„Großartig“, sagte sie. Sie eilte ins Büro und zog ihren Mantel an. Dann kam sie wieder heraus. „Noch mal vielen Dank“, sagte sie. Dann rannte sie praktisch die Straße hinunter und verschwand um die Ecke.

Er hatte ein gutes Gefühl, was Molly anging. Sie hatte einfach das gewisse Etwas.

Als er wieder hineinging, wurde ihm klar, dass er vergessen hatte, Danica Dunbar zu erwähnen; dabei hätte er wahrscheinlich von Molly erfahren können, ob Danica zurzeit mit jemandem ausging. Aber ausnahmsweise hatte er seine alte Flamme völlig vergessen. Nun ja, dann würde er Molly eben am Montag nach Danica fragen.

Seine To-do-Liste war lang, obwohl das Wochenende bevorstand. Aber jetzt konnte er einen wichtigen Punkt von der Liste streichen – er hatte eine Assistentin gefunden.

Und wenn alles so lief, wie er sich das vorstellte, würde er bald seine Traumfrau für sich gewinnen.

Molly bog um die Ecke, blieb stehen und schloss die Augen. So heftig, wie ihr Herz klopfte, war sie überrascht, dass es nicht explodierte.

Als ob es nicht reichte, Zeke Dawson nach all den Jahren wiederzusehen – noch dazu wegen eines Bewerbungsgesprächs! Dazu noch ihre brüllende Tochter und ihre Mom und die Torte, die genau auf Zekes teuren Schuhen gelandet war.

Aber sie hatte den Job bekommen! Sie konnte es kaum glauben. Die Stelle war perfekt für sie. Und als Bonus würde sie jeden Wochentag von neun bis fünf die Gesellschaft von Zeke Dawson – groß, unglaublich gut aussehend, sexy, mit dunklem Haar und meerblauen Augen – genießen dürfen. Wer konnte wissen, was in einer Zwei-Leute-Firma passieren würde, wenn man abends länger arbeitete, sich Take-out holte. Da könnte ein unverhoffter Kuss doch dazu führen, dass sie endlich Zekes Lippen auf ihrem Mund spüren würde, seine Hände auf ihrem Körper. Sie lächelte.

Aber die Realität holte sie schnell wieder ein. Sie hatte sich noch nie von Tagträumen den Kopf verdrehen lassen. Molly war seit der Middle School insgeheim in Zeke Dawson verliebt, und er hatte sie nie bemerkt. Jetzt würde er in ihr nie etwas anderes sehen als seine zuverlässige Assistentin.

In ihrem Abschlussjahr auf der Bear Ridge Highschool waren zweiundsechzig Schüler gewesen. Jeder „kannte“ jeden. Aber manche Leute blieben einem einfach nicht in Erinnerung, und Molly hatte schon immer zu dieser Sorte Mensch gehört.

Aber sie war nicht mehr das stille Mädchen ohne Selbstvertrauen, das Mauerblümchen, das niemand je bemerkte. Äußerlich hatte sich Molly vielleicht nicht sehr verändert – auch wenn sie jetzt Kontaktlinsen statt Brille trug, weil Lucy gerne nach Brillen grabschte. Doch davon abgesehen schon. Durch ihre Scheidung und ihre Mutterschaft hatte Molly zu sich selbst gefunden.

Sie könnte es jetzt endlich versuchen, was Zeke Dawson anging. Doch da gab es zwei Probleme. Erstens: Er war jetzt ihr Chef. Und selbst wenn sie die Gelegenheit beim Schopfe ergreifen sollte und ihm ihre Gefühle offenbarte … Zeke war einfach viel zu gut aussehend und sexy für eine so wenig extravagante Frau wie sie, in Hosenanzug und bequemen Schuhen. Sie runzelte die Stirn – hatte sie nicht gerade festgestellt, dass sie nicht mehr das junge Mädchen ohne jedes Selbstvertrauen war?

Zweitens: Die Tatsache, dass ihr Name und ihr Gesicht Zeke kein bisschen bekannt vorkamen, irritierte Molly. Er hatte sich nicht einmal daran erinnert, dass sie existierte. Bei einem Abschlussjahrgang von zweiundsechzig Leuten? Also bitte. Die neue Molly Orton ließ es nicht zu, sich in jemanden zu verlieben, der so oberflächlich war. Sie hatte daran gedacht, sich für das Bewerbungsgespräch aufzubrezeln; sie besaß sogar ein paar Push-up-BHs, die sie zu ihrer Brautparty bekommen hatte. Aber sie war nicht der Typ dafür. Sie trug nur einen Hauch Make-up – ein bisschen Puder, ein wenig Mascara, etwas Rouge – für einen professionellen Look. Ein dezenter Stil. Abgesehen von ihrem Haar, das sich einfach nicht kontrollieren ließ. Sie war eben so, wie sie nun mal war. Und Zeke auch: Was das Aussehen anging, spielte er in einer ganz anderen Liga als sie.

Aber er war nie der Liebling der Stadt gewesen. Ganz im Gegenteil. Während ihrer Kindheit und Jugend hatten alle die Geschichten über seinen Dad gekannt, einen Säufer und Frauenheld. Nachdem er die Touristenranch seiner Eltern ruiniert hatte, war Bo Dawson vor etwas mehr als einem Jahr an den Folgen seiner Alkoholsucht gestorben. Das Leben als eines seiner sechs Kinder konnte für Zeke nicht einfach gewesen sein.

Und Molly war nicht nur wegen seines guten Aussehens ihr halbes Leben lang verliebt in ihn gewesen. Während ihrer Schulzeit hatte er den Ruf gehabt, ein anständiger Kerl zu sein, der sich für Schwächere einsetzte. In Anbetracht der Tatsache, wie er gerade reagiert hatte, war er immer noch derselbe wunderbare Mensch.

Der sie niemals bemerkt hatte. Stattdessen hatte er den Blick nicht von ihrer besten Freundin Danica abwenden können, während Molly direkt neben ihr gestanden war. Molly war unsichtbar für ihn gewesen.

Und jetzt? In ihrer neuen Rolle würde sie wohl kaum unsichtbar sein. Molly würde einfach abwarten müssen. Sie waren beide Single. Das bedeutete, dass sich zwischen ihnen etwas entwickeln könnte. Falls er sich nicht zu ihr hingezogen fühlte, na schön. Sie würde darüber hinwegkommen. Irgendwie.

Sie wollte schon weiterlaufen. Aber plötzlich erstarrte sie. Denn noch jemand war gerade wieder Single. Zum ersten Mal seit der Highschool. Danica Dunbar. Mollys beste Freundin war frisch geschieden und auf der Suche nach einem neuen Partner. Sie war groß und so schlank wie ein Model. Sie hatte üppige Brüste, langes blondes Haar und engelsgleiche blaue Augen. Außerdem war sie warmherzig und humorvoll. Und die Männer lechzten nach ihr.

Andererseits, obwohl ihre Freundin einer der liebenswürdigsten Menschen war, die Molly kannte, hatte Danica eine Schwäche für Männer, die sie nicht verdient hatten. Sie mochte harte Jungs. Danica hatte Molly erst heute beim Lunch um Rat gefragt, wie sie es anfangen sollte, wieder Verabredungen zu kriegen. Molly hatte Danica geraten, mal zu versuchen, sich für einen anderen Typ Mann zu interessieren – für nette Männer. Molly wünschte sich wirklich, dass ihre Freundin sich diesen Rat zu Herzen nehmen würde – solange sie sich nicht an Zeke Dawson heranmachte, der ein netter Mann war, aber wie ein harter Typ aussah.

Hmm, dachte sie, als sie in die Oak Lane einbog. Vielleicht sollte Molly ihren Schwur brechen, niemals jemanden von ihren Gefühlen für Zeke zu erzählen. Dass sie sich in Zeke verliebt hatte, war das Einzige, was Molly Danica nie anvertraut hatte. Wenn Danica wüsste, was Molly für Zeke empfand, hätte ihre liebe, loyale Freundin keinen zweiten Blick für ihn übrig. Daran hatte Molly keinen Zweifel. Aber sie kam sich albern vor, das auch nur zu erwähnen.

Sie würde ihr Geheimnis für sich behalten. Und improvisieren. Schließlich würde Zeke sie jetzt wirklich kennenlernen. Und sagte ihre Mutter nicht immer, wenn man Molly kannte, dann musste man sie einfach lieben?

Sie lächelte und ging weiter. Nur eines wusste sie mit Sicherheit: Montag würde ein sehr interessanter Tag werden.

2. KAPITEL

Zeke nahm den Tortenkarton in die andere Hand und klingelte in der Oak Lane Nummer 102. Der winzige Vorgarten des gelben Häuschens war noch vom Schnee des letzten Wintersturms bedeckt. Nachdem Molly aufgebrochen war, war er wieder ins Büro gegangen, um ein paar Meetings vorzubereiten. Aber er konnte nicht aufhören, an die Torte zu denken. Die Geburtstagstorte eines Kleinkinds. Die musste er einfach ersetzen.

Die Tür ging auf, und Molly stand vor ihm, in Yogahosen und Football-Sweatshirt. Ihre wunderschönen wilden Locken fielen ihr offen über die Schultern. Sie hatte ein paar mit Helium gefüllte Luftballons in der Hand – und runzelte bei seinem Anblick die Stirn. „Zeke? Du bist doch nicht etwa hier, um alles wieder zurückzunehmen, oder? Habe ich den Job doch nicht?“

Er lächelte. „Doch, den hast du. Ich habe nur gedacht, ich bringe das hier vorbei.“ Er hielt die Tortenschachtel hoch. „Eine neue Erdbeertorte. Ich habe ‚Alles Gute zum ersten Geburtstag, Lucy‘ in Pink draufschreiben lassen.“

Sie schnappte nach Luft und presste die freie Hand aufs Herz. Einen Augenblick lang starrte sie die Tortenschachtel einfach nur an. „Wie unglaublich aufmerksam von dir, Zeke. Wahnsinn. Danke.“

„Also, wie gesagt, Erdbeer ist meine Lieblingssorte. Da konnte ich den Gedanken nicht ertragen, dass Lucy ihr allererstes Stück Torte nicht probieren würde. Ich meine, schließlich hat sie ja Geburtstag.“

Molly strahlte. „Sie ist …“

„Wäääh!“ Ein durchdringendes Geheul ertönte. „Wäääh!“

„Oh je“, sagte Molly. „Ich hab sie gerade zum Mittagsschlaf hingelegt. In zwei Stunden fängt ihre Party an, und ich muss noch jede Menge erledigen.“

Da klingelte das Telefon. Dann ertönte noch ein Klingelton. „Oh, Himmel. Festnetz und Handy gleichzeitig!“

Sie hob die Hände und die Luftballons flogen an die Zimmerdecke. Sie schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.

Zeke unterdrückte ein Lächeln. „Ich sag dir was. Du gehst ans Telefon, und ich kümmer mich um Lucy. Meine Bruder Noah nennt mich den Babyflüsterer. Wenn ich einen seiner Zwillinge auf den Arm nehme, hört der sofort auf zu kreischen.“

Ihre Miene hellte sich auf. „Erste Tür den Gang runter!“, rief sie ihm zu und rannte zu ihrem Handy, das auf dem Sofatisch lag. Das Festnetztelefon klingelte immer noch.

„Wäääh! Wäääh!“

„Komme schon, Lucy“, rief er. Er sah sich um und ging den Flur hinunter. Das Haus war klein, aber gemütlich, schön dekoriert in dem Stil, den seine Schwester „Strandhaus-Look“ genannt hätte, mit weißen Wänden, hellblauen Sofas, Zierkissen mit gestickten Seesternen, handgeknüpften Teppichen und Möbelstücken aus Treibholz. Er erreichte das Kinderzimmer. „Lucy“ war in rosa und lila Buchstaben auf die Tür gemalt. Er ging hinein. Das kleine Mädchen brüllte wie am Spieß. Sie stand am Gitter ihres Bettchens und klammerte sich fest. „Hallihallo“, sagte er. „Wen haben wir denn da?“ Seine Stimme sorgte dafür, dass sie verstummte. Sie richtete die großen braunen Augen auf ihn. Dann streckte sie die Arme aus.

Er hob die Kleine hoch und schmiegte sie an sich. „Wie kann so ein kleiner Mensch so viel Krach machen?“

Lucy antwortete nicht. Sie war zu sehr damit beschäftigt, gegen den Schlaf anzukämpfen. Mit einer kleinen Faust hielt sie einen seiner Hemdknöpfe fest. Er rieb ihr den Rücken und sang ihr das Lied von der kleinen Spinne vor. Dann zuckten ihre Lippen. Und schließlich fielen dem Baby die Augen zu.

„Erfolg“, flüsterte er und tätschelte ihr noch ein letztes Mal den Rücken. „Wieso ich der Babyflüsterer von Bear Ridge bin, wenn ich nicht mal eigene Kinder haben will, ist mir ein Rätsel.“

„Also, das ist eine Schande. Du bist wirklich ein Babyflüsterer.“

Überrumpelt drehte er sich um. Molly stand in der Tür. Sie hatte die Luftballons wieder in der Hand.

„Normalerweise“, sagte sie, „ist es absolut unmöglich, Lucy wieder zum Einschlafen zu bewegen. Ich bin dir was schuldig – schon wieder.“

„Dann leg ich sie mal wieder ins Bettchen“, sagte er. Er erwartete, dass sie jede Sekunde wieder anfangen würde zu brüllen. Aber sie ließ sich ohne einen Laut ins Bett legen. Die Zwillinge, seine Nichte Annabel und sein Neffe Chance, waren echte Schlafmützen. Bei Tony, dem Baby seiner Schwester Daisy, musste man Tricks anwenden.

Aber Onkel zu sein, war einfach; nach ein oder zwei Stunden konnte er wieder gehen. Wie seine Geschwister es schafften, gute Eltern zu sein, war ihm ein Rätsel. Sie hatten alle die gleiche miese Kindheit gehabt wie er. Trotzdem schienen sie Naturtalente zu sein. War hier in Bear Ridge irgendwas im Wasser? Oder in der Luft? In der Erde auf der Ranch? Würde er sich hier auch plötzlich in einen Familienmenschen verwandeln? Das konnte er sich einfach nicht vorstellen. Er würde seinen Bruder Ford fragen müssen – den anderen standhaften Junggesellen der Familie.

„Wie viele Nichten und Neffen hast du denn?“, fragte Molly, als sie das Kinderzimmer verließen.

„Also, da wären zunächst mal die Zwillinge – die Kinder meines Bruders Noah. Und Tony, der Sohn meiner Schwester Daisy. Dann Axels Sohn. Danny ist zwei und bekommt bald ein Geschwisterchen. Und Rex hat Chloe. Sie wird bald ein Jahr alt. Denke ich.“ Er warf ihr ein schuldbewusstes Lächeln zu. „Vielleicht liege ich da auch falsch. Ich hab die Geburtstage in meinem Kalender gespeichert.“

Sie grinste. „Also, als deine neue Assistentin kann ich mich ja jetzt darum kümmern.“

„Nie im Leben“, sagte er. „Persönlicher Kram gehört nicht zu deinem Job.“

Da strahlte sie über das ganze Gesicht. Urplötzlich überkam ihn das Verlangen, sie zu küssen.

Hoppla. Wie bitte? Sie war seine neue Angestellte! Die ein Football-Sweatshirt der „Wyoming Cowboys“ in Übergröße trug und marineblaue Yogahosen. Wieso fühlte er sich plötzlich zu ihr hingezogen? Molly war überhaupt nicht sein Typ. Danica Dunbar war immer sein Ideal gewesen. All die Jahre hatte nur dieser Frauentyp ihn angezogen – große Blondinen mit üppigem Busen, einem Sinn für Humor und langen Fingernägeln.

Jada, seine Ex, war so eine Frau. Und sie hatte ihn fertiggemacht und betrogen. Also vielleicht bedeutete das Bedürfnis, Molly zu küssen – eine Frau in Jogginghosen, die nicht groß war, keine besonders große Oberweite hatte, sich nicht schminkte, kurze Fingernägel hatte, keinen Nagellack benutzte und keinen Schmuck trug –, dass er mal eine Pause von seinem üblichen Typ Frau brauchte.

Nur war Danica genau sein Typ. Allerdings war sie auch das Original.

Er warf Molly einen Blick zu. Auf einmal war er völlig verwirrt.

„Ich will ja nicht schlecht über meinen letzten Boss reden“, sagte sie, während sie ihn in die Küche führte, wo sie die Tortenschachtel abstellte. „Aber das war ein Mistkerl! Ich musste den Frauen, mit denen er ausgegangen ist, immer Blumen schicken. Und dann hat er mich gebeten, sexy Dessous für seine Freundin auszusuchen. Als er auch noch …“ Sie biss die Zähne zusammen und wandte sich ab. „Egal. Kann ich dir was zu trinken anbieten? Einen Kaffee?“

Er runzelte die Stirn. Der Gedanke, dass jemand sie belästigte, gefiel ihm nicht. „Also, ich kann dir versichern, dass ich meine Firma sehr professionell führe.“

Aber er hatte gerade daran gedacht, sie zu küssen. Sie hatte ein wunderhübsches Gesicht, so warmherzig und offen. Ihre Lippen waren voll und rosig, und ihre großen braunen Augen waren so intelligent und neugierig.

Er mochte Molly einfach. Sie gefiel ihm als Mensch. Bald würde sie in seinem Leben eine große Rolle spielen. Natürlich hatte er sich nicht wirklich gewünscht, sie zu küssen – er genoss einfach nur ihre Gesellschaft, das war alles.

„Ich hab keinen mit Macadamia“, sagte sie. „Aber Haselnuss hab ich da. Und Jamaican Me Crazy. Meine Lieblingssorte.“

Ehrlich gesagt würde er liebend gerne eine Tasse von ihrem Lieblingskaffee mit ihr trinken. Aber er konnte nicht bleiben. Bedauerlicherweise.

„Das geht leider nicht“, sagte er. „Ich bin heute der Babysitter für Axels Sohn. Sag Lucy ‚Happy Birthday‘ von mir, okay?“

Sie neigte den Kopf, und ihre wilden Locken fielen zur Seite. „Auf jeden Fall. Und noch mal vielen Dank. Für die Torte. Und den Einsatz als Babyflüsterer.“ Wieder klingelte ein Telefon. „Das hört nie auf“, sagte sie. „Ich habe eine riesengroße Familie. Und alle wollen wissen, was sie Lucy schenken sollen. Ich sag immer wieder, es reicht völlig, wenn sie uns besuchen. Aber ich habe so das Gefühl, dass mein winziges Haus am Ende voll riesiger Plüschtiere und lautem Spielzeug sein wird.“

Er lächelte. „Tja, da solltest du mal die Häuser meiner Geschwister sehen. Abgesehen von Fords.“

„Ach ja, du hast ja gesagt, ihr zwei seid die letzten ohne Frau und Kinder.“

„Und er will heiraten. Also wird es wohl nicht lange dauern, bis ich der einzige Junggeselle bin.“

Es sei denn, es klappte mit Danica Dunbar. Wenn ihn jemand dazu bringen könnte, vor den Altar zu treten und über Kinder nachzudenken, dann sie.

„Hast du nicht vor zu heiraten?“, fragte sie. „Niemals?“

Das Handy klingelte wieder und unterbrach ein Gespräch, das er wirklich nicht führen wollte, obwohl er das Thema ja selbst angesprochen hatte. „Da lass ich dich besser mal rangehen“, sagte er. „Viel Spaß bei der Party.“

Sie begleitete ihn zur Tür. „Dann seh ich dich am Montag. Und noch mal vielen Dank, Zeke.“

Sobald er vor der Tür von ihrem kleinen gelben Cottage stand, wünschte er sich, wieder im Haus zu sein und diesen „Jamaican Me Crazy“-Kaffee zu trinken. Wann hatte er sich das letzte Mal so entspannt mit einer Frau unterhalten? Das hatte er nicht mal mit Jada getan. Dabei war es ihm mit ihr sogar ernst gewesen. Obwohl die Chemie zwischen ihnen nie gestimmt hatte. Aber das hatte er ignoriert, weil sie wunderschön war. Bis er entdeckt hatte, dass sie ihn mit einem Konkurrenten betrogen hatte und wahrscheinlich dabei Firmengeheimnisse verraten hatte.

Sein Dad war dreimal verheiratet gewesen. Das letzte Mal war er Witwer geworden. Seine Mom hatte wieder geheiratet und war glücklich. Aber jedes Mal, wenn Zeke über Ehe und Kinder nachdachte, schnürte sich ihm die Kehle zu, und er bekam ein ganz merkwürdiges Gefühl im Magen.

Er warf einen Blick auf Mollys Haustür. Vielleicht war es an der Zeit, den emotionalen Ballast loszuwerden, den er immer noch mit sich herumschleppte. Er war vielleicht ein erfolgreicher Geschäftsmann, aber was sein Privatleben anging, schrieb er rote Zahlen. Wenn er mit Danica ausging, sollte es ihm ernst sein. Wieder kam ihm ihr schönes Gesicht in den Sinn. Doch dann sah er Molly in Gedanken vor sich. Und die kleine Lucy in ihrem Hochstuhl mit einem großen Stück Erdbeertorte.

Er lächelte bei der Vorstellung.

„Bis Montag“, flüsterte er. Dabei war ihm nur vage bewusst, dass er sich ehrlich darauf freute.

Sonntagabend legte Molly zwei mögliche Outfits für ihren ersten Arbeitstag aufs Bett und wünschte sich, sie hätte mehr Sinn für Mode. Marineblau oder winterweiß. Langweilig. Molly hatte sich schon immer konservativ gekleidet. Aber jetzt, wo sie eine Chance bei Zeke Dawson haben wollte, würde sie gerne ein bisschen auffallen.

„Was denkst du, Süße?“, fragte sie Lucy, die in ihrer Laufhilfe durch Mollys Schlafzimmer düste. Alleine laufen schaffte Lucy noch nicht ganz.

„La pa!“, erklärte Lucy.

Sie lächelte und hob Lucy hoch. Molly gab ihr ein Küsschen. „Bringen wir dich mal ins Bett. Dann probier ich die Outfits an und kümmere mich um die Accessoires.“

Als sie Lucy in ihr Bettchen gelegt hatte, ertönte der Signalton ihres iPads. Danica meldete sich mit einem Videoanruf.

„Ich wollte dir nur viel Glück für den ersten Arbeitstag wünschen!“, sagte Danica. Ihre Lieblingsgesichtsmaske mit grünen Gurken bedeckte ihr Gesicht. Überraschenderweise war Danica Dunbar sogar mit grünem Gesicht wunderschön. „Nicht, dass du Glück brauchst“, fuhr sie fort. „Du schaffst das!“

Auf Lucys Geburtstagsparty hatte Molly Danica alles erzählt, und Danica war von Zekes Großzügigkeit beeindruckt gewesen. Sie hatte mit den Augenbrauen gewackelt und erklärt: „Vielleicht verliebt ihr euch ja Hals über Kopf unsterblich ineinander.“

Da hatte sich Molly beinahe an der Erdbeertorte verschluckt. Aber statt zu sagen „Lieber Gott, das hoffe ich“, hatte sie nur entgegnet: „Oh, nein, niemals. Er ist mein Boss. Da muss man professionell bleiben. Und ich bin sicher, das ist auch seine Grundregel.“

Warum sie das gesagt hatte, wusste sie nicht. Wollte sie insgeheim, dass Danica es bei Zeke versuchte? Sie wusste, warum sie Angst hatte, es laut auszusprechen, dass sie verrückt nach Zeke Dawson war. Aber trotzdem.

„Also, was meinst du? Winterweiß oder marineblau?“, fragte Molly und zeigte mit der Kamera auf die Hosenanzüge.

„Bei deinem dunklen Haar wird das Weiß richtig strahlen“, sagte Danica. „Obwohl ich denke, dass das Halstuch mit dem rot-blauen Blumenmuster besser wäre. Ohh, und du solltest deine Glücksbringerohrringe mit den Perlen tragen.“

„Was würde ich ohne dich anfangen?“, fragte Molly und drehte die Kamera wieder um.

„Was würde ich ohne dich anfangen?“, sagte Danica und berührte behutsam ihr grünes Gesicht, um zu testen, ob die Maske trocken war. „Denn ich werde mich an deinen Ratschlag halten. Von jetzt an gehe ich nur noch mit netten Männern aus.“

Molly lächelte. Danica mochte attraktive Männer, die sie um ihre Herzen kämpfen ließen. Und alle ihre Partner – ihr Ex-Mann eingeschlossen – hatten eines gemeinsam gehabt: Sie waren keine Typen, die Molly als nett bezeichnet hätte.

„Wenn er nur über sich redet und mir keine einzige Frage über mich stellt, dann ist er raus“, sagte Danica. „Wenn er der Bedienung in den Ausschnitt guckt oder unhöflich zu ihr ist, dann ist er raus. Wenn er irgendwas sagt, bei dem ich mich schäme, dann war’s das.“ Sie nickte nachdrücklich. „Keine einzige meiner Beziehungen war schön. Das ist schrecklich. Warum ist mir das bisher nie aufgefallen?“

„Ach, geh nicht so hart mit dir ins Gericht. Wir sind jetzt einunddreißig. Geschieden. Wir sind älter und weiser und werden nicht noch mal die gleichen Fehler machen. Wir wissen jetzt, was wir wollen!“

„Du bist ein Schatz, Molly Orton. Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne dich machen würde. Und das gilt jetzt schon fast fünfundzwanzig Jahre. Morgen Abend ruf ich dich nach meiner Verabredung mit dem Rodeoreiter an.“

Rodeostars konnten nett sein, oder? Molly war bereit, ihm eine Chance zu geben. „Ein Anzeichen, dass er doch kein netter Kerl ist, und es gibt keinen letzten Drink, keinen Kaffee und keine Einladung, noch mit ins Haus zu kommen.“

Danica riss die Augen auf. „Oh je. Unter der Maske kann ich nicht mal lächeln. Die wasche ich jetzt wohl besser ab. Ich wünsch dir einen tollen ersten Arbeitstag morgen!“

Nachdem Molly ihren iPad weggelegt hatte, probierte sie den winterweißen Hosenanzug an. Der sah wirklich gut aus mit dem geblümten Schal, den Danica empfohlen hatte. Obwohl sie nicht so viel Aufhebens machen sollte.

Oder vielleicht doch. Wenn man etwas wirklich wollte, dann musste man sich darum bemühen. Jetzt hatte sie endlich eine Chance bei Zeke Dawson – auch wenn sie noch so klein war. Und diese Chance würde sie nutzen. Bei der Arbeit würde sie ein Gefühl für die Dynamik zwischen ihnen bekommen. Vielleicht stimmte am Ende die Chemie zwischen ihnen einfach nicht. Vielleicht würde sie keine romantischen Gefühle entwickeln, wenn sie ihn richtig kennenlernte.

Na klar. Wem wollte sie da jetzt was vormachen?

3. KAPITEL

Als Molly am Montagmorgen in die Firma gekommen war, hatte Zeke sie mit einem Usambaraveilchen in einem hübschen Übertopf willkommen geheißen. Er hatte sie ermuntert, sich einzurichten und dann zu ihm ins Büro zu kommen. Oh, und er hatte ihren Lieblingskaffee besorgt und schon eine Kanne gekocht, da sollte sie sich einfach bedienen. Himmlisch.

Mit köstlichem Kaffee in ihrer silbernen „Dawsons Solutions, Inc.“-Tasse hatte sie sich in ihrem Büro umgesehen und versucht, ein Gefühl für ihr neues Reich zu bekommen. Dann hatte sie an Zekes Tür geklopft. Er war seine Geschäftsstrategie und seine Grundregeln und seine Visionen für Dawsons Solutions mit ihr durchgegangen. Sie hatte sich zwingen müssen, sich auf das zu konzentrieren, was er sagte, statt sich im Anblick seines Gesichts und dem melodischen Klang seiner tiefen Stimme zu verlieren. Große und kleine Firmen heuerten Dawsons Solutions an, um ihnen wieder zu Erfolg zu verhelfen. Entweder, um aus den roten Zahlen herauszukommen oder um weiterzuwachsen.

Dann hatte sie den Rest des Vormittags damit verbracht zuzuhören, wie er Anrufe von potenziellen Klienten entgegennahm, damit sie ein Verständnis für seine Arbeitsweise bekam. Schließlich war er zu einem Meeting aufgebrochen und hatte sie mit der Aufgabe zurückgelassen, das alles erst mal zu verdauen.

Und mittags ging er dann mit ihr zum Grill 307, einer schicken Bar mit Bistro in der Nähe des Büros. Als er ihr den Stuhl zurechtrückte, hatte sie fast das Gefühl, als wäre sie mit Zeke auf einem Date. Er bestellte Steak mit Pommes und sie Tacos mit Schwertfisch, und dann unterhielten sie sich über Bear Ridge und gemeinsame Bekannte.

Zeke steckte sich gerade eine Cocktailtomate in den Mund, als er plötzlich zur Tür schaute und sich aufrechter hinsetzte. Molly folgte seinem Blick. Herrje. Danica war mit zwei Kolleginnen vom Maklerbüro hereingekommen. Zekes blaue Augen strahlten, als wäre Weihnachten. Oh nein.

„Hi, Molly!“, sagte Danica, als sie an ihrem Tisch vorbeikam.

Ihre beste Freundin trug ihren wunderschönen, roten Wollmantel und wie immer Stöckelschuhe. Das blonde Haar hatte sie zu einem schicken Pferdeschwanz zusammengebunden.

„Hi, Süße“, sagte Molly, während ihr das Herz schwer wurde. „Du erinnerst dich doch an Zeke Dawson aus unserem Jahrgang an der Highschool, oder? Zeke, Danica Dunbar.“

Als ob eine Vorstellung nötig war.

Danica musterte Zeke, lächelte und reichte ihm die Hand. „Aber klar. Der Kapitän des Baseballteams, richtig? Ich glaube, wir hatten ein paar Fächer zusammen. Geschichte, denke ich.“

„Und Umweltwissenschaften“, fügte Zeke hinzu und schüttelte ihre Hand. „Schön, dich wiederzusehen.“

So, das wars. Jetzt waren die beiden sich offiziell wiederbegegnet und würden gemeinsam in den Sonnenuntergang davonreiten. Und Molly hätte nicht mal eine Verabredung für ihre Hochzeit.

Da standen die beiden Männer am Nebentisch auf, um zu gehen. Die beiden waren auch um die dreißig, attraktiv, und trugen schicke Anzüge. Einer von ihnen sagte zu Danica: „An mich erinnerst du dich wahrscheinlich auch von der Schule. Aber ich war ein paar Klassen über dir. Kapitän des Hockeyteams. Und ich habe Geländelauf gemacht. Ich bin jetzt Arzt mit einer privaten Praxis. Orthopädie.“

Molly warf Zeke einen Blick zu. Der hatte die Augen zusammengekniffen, während er den Störenfried musterte.

Aber der Arzt hatte nur Augen für Danica. „Ich würde dich liebend gerne zum Essen einladen – Samstagabend?“, fuhr er fort. „Ins Arabella?“ Das war ein sehr teures, sehr romantisches Restaurant in Prairie City, einer größeren Stadt ungefähr eine halbe Stunde entfernt von Bear Ridge.

„Eigentlich sehr gerne“, sagte Danica. „Aber ich habe die nächsten zwei Wochen praktisch schon jeden Abend etwas vor. Trotzdem, vielen Dank.“

Sowohl der Störenfried als auch Zeke waren sichtlich enttäuscht.

Der Arzt reichte ihr seine Visitenkarte. „Für alle Fälle. Wenn du mal Zeit hast, würde ich mich freuen, von dir zu hören. Du bist absolut umwerfend.“

Die beiden Männer gingen, und Danica seufzte. „Nur ein Mal hätte ich es gerne, dass jemand mich um eine Verabredung bittet, weil wir so viel gemeinsam haben. Dass ein Mann sagt, lass uns dieses oder jenes tun, weil uns das beiden Spaß machen würde. Ich hasse es, dass es immer nur um mein Aussehen geht.“

Molly liebte Danica wirklich, aber das war Jammern auf hohem Niveau.

Andererseits wusste sie, was Danica meinte. Ihre Freundin wurde seit ihrer Kindheit nur aufgrund ihres Aussehens beurteilt. Molly war immer unsichtbar wegen ihres durchschnittlichen Aussehens, und Danica stand immer im Scheinwerferlicht, weil sie so schön war. Beides hatte seine Nachteile.

Danicas Kolleginnen winkten. „Hoppla, jetzt muss ich aber los. War schön, dich wiederzusehen, Zeke. Und wir telefonieren dann heute Abend, Mols.“

Die Bedienung wartete schon mit ihren Vorspeisen. Molly spürte, wie sie sich entspannte und ihr Appetit wiederkehrte. Danica war ausgebucht – wenigstens zwei Wochen lang. Und vielleicht würde sie in dieser Zeit den Richtigen finden. Vielleicht war Zeke in Sicherheit. Jedenfalls die nächsten zwei Wochen.

„Kaufst du das dem Typen ab?“, fragte Zeke mit einem unbehaglichen Lächeln, während er eine Fritte aufspießte. „Schon ein bisschen schleimig.“

Oh, großartig. Er war eifersüchtig.

„Das passiert ihr oft“, sagte Molly und nahm einen Bissen von ihrem Taco.

„Dann seid ihr eng befreundet?“, fragte er.

„Beste Freundinnen seit der zweiten Klasse.“

Er starrte sie einen Augenblick lang an, als ob er über etwas nachdachte. Dann beugte er sich vor. „Ich werde jetzt mal ehrlich sein. Ich bin seit der achten Klasse in Danica verschossen. Und ich verstehe vollkommen, was sie gesagt hat, dass ihr Aussehen immer im Vordergrund steht. Bei einer Beziehung geht es doch um die Chemie, um gemeinsame Interessen, Werte. Nichts so Oberflächliches. Ich meine, rein körperliche Anziehungskraft reicht vielleicht für ein paar Verabredungen, aber nicht für eine Beziehung.“

„Dann willst du doch eine Beziehung?“, fragte Molly. „Du hast doch gesagt, dass du kein Interesse an Ehe und Kindern hast.“

Er räusperte sich. Entweder brauchte er Zeit, um zu antworten. Oder sie hatte einen wunden Punkt getroffen. „Ich denke, es ist durchaus möglich, dass die richtige Frau meine Einstellung ändern könnte.“

„Freut mich, das zu hören. Dass du so aufgeschlossen bist.“ Sie spürte, wie sie rot wurde. „Ich meine, ich bin geschieden, und ich sollte total verbittert sein. Aber ich hoffe immer noch auf Liebe und Romantik und darauf, vielleicht eines Tages wieder zu heiraten. Auch wenn ich nicht unbedingt Erfolg mit der ‚Converse County Singles‘-App gehabt habe. Die Männer wollen eben die Danicas dieser Welt.“

Er starrte sie wieder an, und sie wünschte sich, sie könnte zurücknehmen, was sie gerade gesagt hatte.

„Ich denke, jeder will einfach den oder die Richtige“, sagte er, während er ein Stück von seinem Steak abschnitt. „Vielleicht ist das Danica für mich. Oder vielleicht auch nicht. Aber um das herauszufinden, muss ich sie erst mal kennenlernen, richtig? Und nachdem ihr Terminkalender die nächsten zwei Wochen schon voll ist, habe ich keine Chance. Es sei denn, ich sorge dafür, dass ich eine bekomme.“

Molly schluckte. „Und wie willst du das anstellen?“

„Indem ich dich um ein paar Tipps bitte?“, schlug er vor. „Falls dir das nicht unangenehm ist, meine ich. Sie hat gerade gesagt, dass sie sich einen Mann wünscht, der sie um eine Verabredung bittet, weil sie etwas gemeinsam haben. Also würde es helfen, wenn ich mehr über sie wüsste. Über ihre Hobbys, solche Dinge. Ich bin sicher, irgendetwas, wofür sie sich interessiert, passt zu meinen Interessen. Und wenn es was gibt, was sie nicht ausstehen kann, dann kann ich das vermeiden. Du weißt schon, diese Kleinigkeiten, die einen einfach wahnsinnig machen.“

„Also, so was hat definitiv jeder“, meinte sie. Aber das Herz wurde ihr schwer. Zeke würde sie nie bemerken, wenn er auf Danica fixiert war.

Sie nahm noch einen Bissen von ihrem Taco. Dabei hatte sie von Sekunde zu Sekunde weniger Appetit.

„Sag mir drei Dinge, die dich nerven“, bat er sie völlig überraschend. Sie hatte sich schon darauf eingestellt, dass es bei ihrem Gespräch nur noch um Danica gehen würde.

„Nur drei?“, scherzte sie. „Da gibt es jede Menge.“

Aber was mich am meisten nervt? Wenn der Mann, in den ich insgeheim verliebt bin, insgeheim in eine andere verliebt ist.

„Zum Beispiel, wenn Leute mit dem Fernseher reden“, fügte sie hinzu. „Mann, das hasse sich. Wie soll ich da bitte zuhören?“

Er lachte. „Das mache ich dauernd! Zum Beispiel: ‚Jetzt mach schon, du blinder …‘“

Sie grinste. „Ja, genau das. Oder bei Horrorfilmen: ‚Nicht da reingehen! Tu das nicht.‘ Lieber Himmel. Darf ich nicht in Ruhe fernsehen?“

Er lachte leise und trank seinen Eistee. „Was noch?“

Sie legte ihre Gabel hin. „Leute, die auf der linken Spur unter der Höchstgeschwindigkeit bleiben. Leute, die einem auf die Pelle rücken beim Reden. Leute, die einen dauernd unterbrechen. Oder deine Grammatik korrigieren. Oder sich asozial aufführen und dann zurückrudern nach dem Motto ‚Ich will ja niemandem zu nahe treten …‘. Doch, genau das willst du! Oh, und Leute, die meinen Namen vergessen. Hi, Milly, Mara, Moira!“

Inzwischen lachte Zeke aus vollem Hals, was ihr richtig guttat. Sie war vielleicht nicht seine Traumfrau, aber sie konnte ihn zum Lachen bringen. Allerdings, wer hatte auch einen wunderbaren Sinn für Humor? Danica. „Für mich ist es nur eine Kleinigkeit, die mich nervt“, sagte er.

Molly beugte sich vor. Das musste sie einfach erfahren!

„Wenn meine Geschwister peinliche Geschichten über mich erzählen“, sagte er. „Wie ‚Hey, Zeke, weißt du noch, wie du geheult hast, als Fluffers, das Huhn, gestorben ist? Hey, Zeke, weißt du noch, wie du dich auf der Ranch verlaufen hast und die Polizei dich auf einem Baum gefunden hat?‘“

„Dafür hat man doch Geschwister, oder etwa nicht? Wobei, ich bin ein Einzelkind. Aber ich habe Cousinen und Cousins dafür.“

Er nickte. „Ich kann mich definitiv immer auf meine Geschwister verlassen. Komme, was da wolle. Das ist der wahre Grund, warum ich wieder in Bear Ridge bin.“

„Was meinst du damit?“, fragte sie und aß den letzten Bissen von ihrem Taco.

Er schaute auf, als ob ihm gar nicht klar war, dass er das laut gesagt hatte. „Also, ich hatte eine Beziehung in Cheyenne, die furchtbar schiefgegangen ist. Ich hab mich gefühlt wie in der Hölle. Aber jedes Mal, wenn ich zu Besuch auf die Ranch gekommen bin, meine Familie gesehen habe, meine kleinen Nichten und Neffen im Arm gehalten habe, da habe ich diese Verbundenheit gespürt. Mir ist klar geworden, dass ich meine Familie nicht nur gerne um mich habe, sondern dass ich sie brauche.“

Wie herzergreifend war das denn! „Ich weiß genau, was du meinst. Während meiner Scheidung haben meine Eltern und Nana und meine Tanten und Onkel und Cousins und Cousinen immer auf mich aufgepasst. Ich war nie allein. Und wenn es drei Uhr nachts war, ich konnte meine Mom anrufen und ihr was vorheulen.“

Er lächelte. „Familie bedeutet mir einfach alles.“

So, Familie bedeutet dir alles. Also warum willst du keine eigene?

Er räusperte sich. Allmählich verstand sie, dass das seine Methode war, zu einem unverfänglicheren Thema überzuleiten. Jetzt fing er an, ihr von Hermione zu erzählen, der Ausbrecherziege auf der Ranch.

Ihr gefielen die amüsanten Geschichten. Aber sie wollte über Privates und Persönliches reden. Es gefiel ihr so sehr, dass sie das getan hatten – bevor er sich daran erinnert hatte, dass sie eigentlich seine Assistentin war.

Der Kellner kam, um abzuräumen und Dessertbestellungen aufzunehmen.

„Ich würde sagen, an deinem ersten Tag teilen wir uns was Dekadentes“, schlug er vor. „Such dir was aus.“

Als ob sie noch einen Beweis bräuchte, dass er genau ihr Typ war. „Dann auf jeden Fall Mokka-Karamell-Käsekuchen“, erklärte sie. „Also ob Schokoladenkuchen oder Apfelkuchen daran auch nur ansatzweise heranreichen.“

„Da stimme ich zu. Du bist eine Frau ganz nach meinem Geschmack, Molly Orton.“

Sie schnappte beinahe nach Luft. Gerade hatte sie genau das Gleiche von ihm gedacht.

Siehst du, wollte sie sagen. Wir beide haben so ziemlich alles gemeinsam. Sie hatte als Kind ein paar Sommerferien auf der Gästeranch seiner Familie verbracht, als seine Großeltern den Betrieb noch geführt hatten. Danica dagegen liebte Luxushotels. Sie mochte den Geruch von Pferden oder Hähnekrähen um halb fünf Uhr früh nicht. Dazu kam noch, dass Molly durch ihre Unterhaltung auf dem Weg zum Restaurant erfahren hatte, dass sie noch mehr mit Zeke gemeinsam hatte: Sie mochten beide die mexikanische und die indische Küche, alte Filme, Wandern, Schwimmen, die Wyoming Cowboys – das örtliche Baseballteam in der Minor League –, die Rockmusik der Siebziger Jahre und Familienfeiern.

Familie bedeutet mir alles …

Mit jeder Minute, die sie in Zekes Gesellschaft verbrachte, verliebte sie sich mehr in ihn.

„Also, dann gib mir bitte einen Tipp, wie ich Danica erobern kann“, sagte er, während er seine Brieftasche zückte, um die Rechnung zu begleichen.

Pah. Jetzt hatte sie so gehofft, dass ihre entspannte Unterhaltung und ihre gemeinsamen Interessen ihn dazu bringen würden, sich mehr auf sie zu konzentrieren. Aber mal wieder war Molly nur die fantastische unsichtbare Frau. Nur dafür da, Ratschläge zu geben und sich ums Geschäftliche zu kümmern.

„Oh“, sagte sie, so professionell sie konnte, während sie einen Blick auf die Uhr warf. „Zeke, wenn du es für dein Meeting bis um drei Uhr nach Prairie City schaffen willst, dann solltest du spätestens in fünfzehn Minuten unterwegs sein.“

Er schaute auch auf die Uhr. „Ich hab’s doch gewusst. Dich einzustellen, war das Beste, was ich je getan habe. Ich war jetzt wirklich in Gedanken ganz woanders.“

Ja, bei Danica.

Auf dem Rückweg ins Büro hatte Molly plötzlich eine Idee.

Sie konnte sich Zeke und Danica einfach nicht als Paar vorstellen. Und das nicht nur, weil sie sich selbst mit Zeke sah. Sie konnte nicht genau sagen, warum. Aber sie kannte Danica so gut, und jetzt hatte sie Zeke ein bisschen kennengelernt, und … nein. Sie würden sich vielleicht attraktiv finden, aber die Chemie würde einfach nicht stimmen. Und bei Molly und Zeke, da stimmte einfach alles.

Also konnte Molly sich als hilfsbereit erweisen, ohne ihren Traummann einer anderen Frau auf dem Silbertablett zu servieren. Er würde schnell erkennen, dass Danica und er nicht füreinander bestimmt waren. Und vielleicht würde Zeit, die er mit Molly außerhalb vom Büro verbrachte, ihn dazu bringen, sie in einem neuen Licht zu sehen. Das wäre doch möglich.

„Zeke, ich habe eine Idee. Du hast doch heute Nachmittag alle Hände voll zu tun. Warum kommst du nicht einfach heute Abend bei mir vorbei, und dann kann ich dir ein paar Tipps geben?“

Sein attraktives Gesicht hellte sich auf. „Klingt großartig. Um halb acht?“

„Perfekt.“

Also, das war es nicht. Aber es war ein Anfang.

Als Zeke bei Molly ankam und klingelte, läutete nicht nur die Türklingel – sondern auch wieder beide Telefone gleichzeitig.

„Du bist echt gefragt“, sagte er, als sie ihm die Tür aufhielt, bevor sie ins Wohnzimmer rannte, um sich das Handy vom Sofatisch zu schnappen. Sie nahm den Anruf im Flur entgegen, also ging er ins Wohnzimmer, um ihr Privatsphäre zu geben.

Lucy stand in ihrem Laufstall und wedelte mit einem Spielzeughasen. Sie starrte ihn an. Ihre großen, braunen Augen sagten: „Heb mich hoch, bitte!“

Er lächelte und nahm sie auf den Arm.

„Ba“, sagte sie und schüttelte den Hasen.

„Ehrlich wahr? Also, wie geht es dir, Lucy? War deine Geburtstagsfeier schön? Hast du Erdbeertorte probieren dürfen?“

Er hörte, wie Molly in die Küche rannte, um dort ans Festnetztelefon zu gehen. Von dem Teil des Gesprächs zu schließen, den er mithörte, fragte jemand, wie ihr erster Arbeitstag im neuen Job verlaufen war.

„Oh ja, hat sie“, sagte Molly, als sie wieder ins Wohnzimmer kam. „Meine Mom hat meiner Nana erzählt, was mit der Torte passiert ist. Also ist Nana zur Bäckerei gerannt, um eine neue Torte zu holen. Unterwegs hat sie das noch meinen Tanten erzählt, die wiederum meinen Cousins und Cousinen Bescheid gesagt haben. Willst du wissen, wie viele Geburtstagstorten Lucy am Ende bekommen hat? Acht!“

Er lachte. „Ernsthaft?“

„Hättest du gerne ein Stück? Schokolade? Zitrone? Karotte mit der besten Glasur, die ich je gegessen habe? Ich möchte, dass du weißt, dass ich deine Torte zuerst serviert habe. Meine ganze Familie hält dich für einen Heiligen.“

Zeke grinste. „Besser als für das Gegenteil. Und ja, ich nehme ein Stück. Was auch immer du mir empfiehlst.“

„Ich mache auch noch Kaffee.“ Sie ging in die Küche, und er folgte ihr.

Er hob Lucy ein bisschen höher, und sie griff nach seinem Ohr. Er begegnete ihrem Blick, diesen großen, braunen Augen. „Kannst du Au sagen, Lucy? Aua-wehweh.“

Molly lachte und machte den Kühlschrank auf. „Ja, meine Ohren haben Tauziehen mit Lucy auch schon überstanden.“ Sie tippte der Kleinen auf die Nase. „Ich kann sie dir abnehmen … sie ist schwer.“

„Hab ich schon erwähnt, dass ich über hundert Kilo stemmen kann? Dieser kleine Liebling ist kein Problem. Und sie riecht nach Babyshampoo. Ich glaube, der Geruch ist tief in unseren Gehirnen verankert, um bei uns gute Erinnerungen an unsere Familien wachzurufen.“ Er erstarrte. Was in aller Welt hatte ihn dazu gebracht, so etwas Persönliches zu sagen?

„Absolut“, sagte sie und nahm eine weiße Dose aus dem Kühlschrank. „Ich liebe diesen Geruch. Als Lucy noch ein Säugling war und ich panische Angst davor hatte, als geschiedene Frau mit ihr ganz allein zu sein, da hab ich einfach diesen Geruch eingeatmet und sie an mich geschmiegt, und es ging mir besser.“

Er nickte Molly voller Mitgefühl zu und rieb Lucys Rücken. „Ich bin sicher, das war nicht einfach.“

„Oh ja. Sogar mit der Hilfe meiner ganzen Familie. Und Himmel, hab ich darum gekämpft, ein gutes Verhältnis mit meinem Ex zu haben. Ich musste mich jedes Mal zusammenreißen, wenn er mit seiner neuen Ehefrau – der Frau, mit der er mich betrogen hat – hergekommen ist, um Lucy abzuholen.“

Lucy zupfte wieder an seinem Ohr. „Inwiefern?“

Molly nahm ein Messer und zwei Teller und schnitt zwei Scheiben einer roten Torte ab. „Die Türglocke hat geklingelt, und ich hab mir innerlich vorgesagt: ‚Wenn du jetzt die Tür aufmachst, Molly, keine finsteren Blicke. Keine passiv-aggressiven oder einfach nur gemeinen Bemerkungen. Auch wenn dir echt danach ist. Einfach nur lächeln. Für Lucy und deine geistige Gesundheit.‘“

Er nickte. „Oh, das verstehe ich auch. Also, nicht aus persönlicher Erfahrung, weil ich nie verheiratet war. Aber die erste Frau meines Vaters, die Mutter meines Bruders Ford, hat meinen Vater verlassen. Und meine Mutter, seine zweite Frau, hat immer alles rausgelassen, wenn die beiden sich begegnet sind. Mit Zeter und Mordio. Auf der Main Street. Oder vor dem Haus, vor uns allen. Was noch schlimmer war, ich denke, mein Vater fand das lustig. Und wir standen alle zitternd und bebend daneben.“ Er warf einen Blick aus dem Fenster, um das Bild zu verscheuchen, das vor seinem geistigen Auge aufgetaucht war. „Also, Ehe? Nichts für mich.“

„Tut mir leid, dass du das durchmachen musstest“, sagte sie. „Aber ich kenne viele wunderbare Ehen. Die meiner Eltern, zum Beispiel. Sie sind jetzt dreiunddreißig Jahre verheiratet.“

Er lächelte. „Das ist echt schön. Für sie und für dich. Und einfach gut zu wissen. Dass es so stabile Ehen gibt.“

Sie stellte die Teller auf den Tisch, dann ging sie zu einem Küchenschrank und holte zwei große Tassen heraus. „Auf jeden Fall gibt es die. In meiner Verwandtschaft gibt’s da eine ganze Menge. Meine Großtante Daphne und mein Großonkel Dave knutschen immer noch in aller Öffentlichkeit. Nicht, dass ich das sehen will.“

Zeke lachte. „Verständlich. Mein Dad und seine dritte Frau waren dauernd am Küssen. Sie war die Mutter von Noah und Daisy, aber sie ist an Krebs gestorben, als die beiden noch klein waren. Ich weiß, dass er sie sehr geliebt hat. Trotzdem hat er nie aufgehört, anderen Frauen nachzuschauen.“ Er seufzte. „Es war aber immer schön zu sehen, wie die beiden sich umarmt haben. Leah hat ihm viel zu viel verziehen. Sie war so ein großzügiger, freundlicher Mensch. Warum hat sie sich von diesem Mistkerl nur so mies behandeln lassen?“

Molly ging zur Kaffeemaschine. „Hmm. Ich schätze, sie hat über das weggesehen, was nötig war, um mit dem Mann verheiratet zu bleiben, den sie liebte.“

„Vermutlich“, sagte er und wünschte sich, er hätte das Thema nicht zur Sprache gebracht.

„Meine Mom und mein Dad umarmen sich auch oft“, sagte sie hastig, als ob sie dem Gespräch wieder eine fröhlichere Note verleihen wollte. „Wenn ich das sehe, finde ich das so tröstlich. Ist das verrückt?“

„Nein. Gar nicht. Wer mag keine Umarmungen? Ich meine, ich werde ja gerade quasi umarmt.“ Er lächelte Lucy an, die sein Gesicht fixierte. Insbesondere seine Nase.

„Weißt du“, sagte Molly, „nachdem mein Ex und seine Frau Lucys Torte vorbeigebracht haben, da hab ich ihnen nachgesehen, wie sie zum Auto gegangen sind. Und ich habe gesehen, wie sie sich länger umarmt haben als sonst. Ich weiß, dass es schwierig für ihn ist – seine Tochter nur ein paarmal in der Woche zu sehen. Ja, klar, er hat unsere Familie zerstört. Aber das ist trotzdem schwer für ihn. Das konnte ich daran erkennen, wie sie sich umarmt haben. Das hilft mir, nett zu ihnen zu sein.“

„Es ist toll, dass ihr so ein freundschaftliches Verhältnis habt“, sagte Zeke. „Und dass du so mitfühlend bist.“

Molly schenkte zwei Tassen Kaffee ein und stellte sie auf den Tisch. „Danke. Ich gebe mir Mühe. Außerdem, auch wenn es mir schwerfällt, das zu sagen, aber Lila ist wirklich nett und geht sehr liebevoll mit Lucy um. Sie ist im fünften Monat schwanger. Also bekommt Lucy ein Geschwisterchen – das in ihrem Alter sein wird. Das ist gut. Himmel“, sagte sie. „Wie sind wir da jetzt draufgekommen?“

„Wir scheinen einfach gut miteinander reden zu können“, sagte er. Wieder fiel ihm auf, wie wenig seine Ex und er miteinander geredet hatten.

„Wie wäre es, wenn wir mit Kaffee und Kuchen ins Wohnzimmer gehen? Dann kannst du Lucy wieder in ihren Laufstall setzen, und wir können uns unterhalten.“

Er ging voran. Molly folgte ihm mit dem Tablett, das sie auf dem Sofatisch abstellte. Zeke setzte Lucy wieder in den Laufstall. Die Kleine legte ihren Hasen zur Seite und schnappte sich ein Bilderbuch mit einem Lama vorne drauf.

„Mag Lucy Lamas?“, fragte er und deutete auf Lucys Buch, bevor er sich an ein Ende des Sofas setzte. „Wir haben zwei im Streichelzoo auf der Ranch. Oh, warte – vielleicht sind das Alpakas.“

Sie lachte und setzte sich ans andere Ende des Sofas. „Sie ist verrückt nach allen Tieren. Genau wie ich, als ich klein war. Meine Eltern sind mit mir jeden Sommer auf die Ranch deiner Familie gefahren, als ich ein Kind war.“ Sie lächelte. „Ich hab den Streichelzoo so geliebt.“

Er lächelte. „Hast du die neue Version schon mal besucht?“

Sie nahm einen Bissen Torte und schüttelte den Kopf. „Kann ich mir nicht leisten. Aber vielleicht kann ich mit Lucy mal hinfahren, wenn sie älter ist. Sie würde es l...

Autor

Melissa Senate
<p>Melissa Senate schreibt auch unter dem Pseudonym Meg Maxwell, und ihre Romane wurden bereits in mehr als 25 Ländern veröffentlicht. Melissa lebt mit ihrem Teenager-Sohn, ihrem süßen Schäfermischling Flash und der spitzbübischen Schmusekatze Cleo an der Küste von Maine im Norden der USA. Besuchen Sie ihre Webseite MelissaSenate.com.</p>
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