Falsches Spiel, echtes Verlangen

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Endlich ist ihr Traum zum Greifen nah! Für ein Jahr Scheinehe bekommt Willa von Rancher Garrett Hardwell eine ordentliche Geldsumme, und sie kann in ihrer Heimatstadt in Texas ein Gasthaus eröffnen. Garrett ist reich, charismatisch, stark und sexy. Da fällt es Willa nicht schwer, die verliebte Verlobte zu spielen. Familie, Freunde und die ganze Kleinstadt sind bald überzeugt. Doch die Anziehung zwischen ihnen und das Verlangen nach Garrett fühlen sich plötzlich elektrisierend echt an …


  • Erscheinungstag 25.04.2023
  • Bandnummer 2286
  • ISBN / Artikelnummer 0803232286
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

In High Heels, die ein wenig zu hoch waren und an den Zehen drückten, bahnte Willa Statler sich einen Weg durch die dichtgedrängte Partymenge. Sie versuchte, Gästen auszuweichen, die wild mit Händen und vollen Gläsern gestikulierten. Niemand kümmerte sich um sie. Sie hatte dieses Event organisiert und blieb am besten unsichtbar, solange es nicht zu irgendwelchen Notfällen kam.

Ihr Blick fiel auf ein vergessenes, halb volles Rotweinglas, das gefährlich dicht an einer Tischkante stand. Ohne ihre Schritte zu verlangsamen, nahm Willa das Glas. Dann bemerkte sie, dass links von ihr auf einem Sims eine der Stumpenkerzen verloschen war. Mit der freien Hand griff sie in ihre kleine Schultertasche. Darin befand sich alles, was sie bei einem Notfall brauchte – ihr Handy, ein Stift, Haarnadeln, Fleckentferner und, für genau diesen Fall, ein Streichholzbriefchen. Sie machte sich unter den Gästen so unsichtbar wie möglich und schlängelte sich durch bis zum Sims, wo sie die Kerze wieder anzündete.

Willa glitt mühelos an den Gästen vorbei bis an den Rand des Gedränges, wo sie schnell das störende Weinglas auf der Bar abstellte und den Blick auf der Suche nach anderen Kleinigkeiten oder möglichen Katastrophen schweifen ließ, um die sie sich kümmern musste.

Sie suchte nach Elias Hardwell und Cathy – der zukünftigen Mrs. Hardwell –, um sich zu versichern, dass es ihnen auf ihrer Verlobungsfeier an nichts fehlte. Zu ihrer Freude hielten die beiden dicht neben den geöffneten Fenstertüren Hof, die hinaus auf die Terrasse führten. Sie wirkten zufrieden, aber nicht nur das – sie waren glücklich.

Wenn Willa sich hätte auf die Schulter klopfen wollen, hätte sie sich gesagt, dass es eine tolle Party für ein fabelhaftes Paar war. Die meisten Gäste unterhielten sich und lachten. Die Getränke flossen, das Essen und der Service waren wunderbar, die Dekoration dem Anlass entsprechend. Sie hatte sich bei diesem Job selbst übertroffen.

Willa hätte zufrieden sein können, doch sie war es nicht. In den zwei Jahren, die sie jetzt als Eventplanerin arbeitete, war sie eine der besten und gefragtesten Hochzeitsspezialistinnen in High Pine, Texas, geworden. High Pine war die nächstgelegene größere Stadt in der Nähe des ländlichen Applewood, das zwar von bescheidener Größe war, aber dennoch zu den reichsten Städten in ganz Texas gehörte.

Dort war Willa aufgewachsen, und trotz allem, was vor zwei Jahren bei ihrer eigenen Hochzeit vorgefallen war, und ihres selbstauferlegten Exils von ihrer Heimatstadt, war sie inzwischen in den gesellschaftlichen Kreisen von Applewood gefragt.

So gut sie auch darin war, die perfekte Hochzeit für ein glückliches Paar zu organisieren, das war nicht ihre Leidenschaft. Es war nur ihr Job. Sie hatte es sich nicht ausgesucht, dass ihre Chefin sie bei jeder Hochzeit einsetzte, die bei der Eventagentur gebucht wurde, in der sie arbeitete.

Willa schaute noch einmal zu Cathy und Elias hinüber, sah ihre liebevollen Blicke und die Art und Weise, wie sie einander berührten. Von den Gesprächen mit dem Paar wusste sie, dass die zwei sich über alles liebten. Es war für beide die zweite Ehe – Cathy war geschieden und Elias verwitwet. Sie hoffte, dass sie immer so glücklich bleiben würden wie heute Abend. Aber realistisch betrachtet und statistisch gesehen endeten vierzig bis fünfzig Prozent aller Ehen mit einer Scheidung.

Seit sie als Eventplanerin arbeitete, hatte sich das in Bezug auf die Paare, für die sie gearbeitet hatte, bestätigt. Sie hatte beobachtet, wie die Freude eines Hochzeitstages umschlug und sich zu Hässlichkeit verhärtete. Manchmal dauerte es ein Jahr, manchmal länger, manchmal …

Sie blinzelte, um die Erinnerung an den vor Wut rot angelaufenen Thomas und das entsetzte Gemurmel der Hochzeitsgesellschaft abzuschütteln, das einsetzte, als sie damals vom Altar zurücktrat, ihre lange Schleppe raffte und zum Ausgang rannte, als müsse sie einen Bus erwischen. Manchmal dauerte es nur fünf Minuten, nachdem die Orgel verklungen war, bis man begriff, dass der Mensch, den man heiraten wollte, nicht der Richtige für einen war. Willa schüttelte den Kopf, um sich zurück in die Wirklichkeit zu holen. Ihr Job war es, sich um Elias und Cathy zu kümmern und dafür zu sorgen, dass deren Verlobungsfeier ein unvergessliches Erlebnis wurde.

Tiefes Lachen erfüllte den Saal und übertönte alle anderen Stimmen. Als sie sich nach der Quelle des Gelächters umsah, entdeckte sie Garrett Hardwell, der sich mit einigen Gästen unterhielt und lachte.

Elias’ Enkelsohn sah gut aus und zog überall die Aufmerksamkeit auf sich. Das hellbraune Haar hatte er zurückgekämmt, und er verzichtete auf sein Markenzeichen, den Stetson – schließlich war dies ein offizieller Anlass, und der fand in geschlossenen Räumen statt. Er trug einen grauen, extrem gut geschnittenen Anzug, keine Krawatte, sein weißes Hemd war aufgeknöpft, sodass man seinen gebräunten Hals sah.

Selbstverständlich starrte Willa ihn nicht an. Es gehörte zu ihrer Aufgabe, dass ihr kein Detail entging. Details wie das belustigte Funkeln in seinen Augen, die im spärlich erleuchteten Saal zu strahlen schienen, wie sich seine vollen, weichen Lippen zu einem charismatischen Lächeln verzogen, wie sich die Sehnen an seinem Hals spannten, als er etwas sagte, das den Rest der Gruppe in Gelächter ausbrechen ließ …

Einen Augenblick lang stellte sie sich vor, wie ihre Lippen über seinen Körper strichen … Nur noch ein einziges Mal.

„Wenn das nicht die weltbeste Hochzeitsplanerin ist“, hörte Willa ihren Bruder Dylan hinter sich sagen. „Tolle Party, Willa.“

Sie drehte sich schnell um, damit Dylan nicht merkte, dass sie seinen besten Freund angestarrt hatte, und versuchte, den Nebel der Lust zu verscheuchen, in den Garretts Anblick ihren Kopf getaucht hatte. „Danke. Scheint alles gut zu laufen.“ Sie musste sich auf das Event konzentrieren – eine Verlobungsparty, ein freudiges Ereignis. Eins, bei dem gefeiert wurde, dass zwei Menschen einander in einer chaotischen Welt gefunden hatten und die Verpflichtung eingehen wollten, zueinanderzustehen. Egal, wie unmöglich dieser Gedanke einem manchmal auch vorkommen mochte.

„Weil sie die beste Hochzeitsplanerin in Applewood beauftragt haben.“

Willa lächelte ihrem Bruder zu. Ganz gleich, was sie tat, ganz gleich, was die Leute sagten, Dylan war immer auf ihrer Seite. „Ja, von all den vielen Hochzeitsplanerinnen in Applewood.“ Sie arbeitete allerdings von High Pine aus. „Aber es ist nett, dass du das sagst.“

„Es ist die Wahrheit. Elias und Cathy hätten dich nicht angeheuert, wenn du nicht die Beste wärst.“ Er drückte ihre Schulter. „Ich bin gerade gekommen. Hast du Garrett gesehen?“

Willa blinzelte nervös. Natürlich hatte sie ihn gesehen. Jedes Mal, wenn sie mit Garrett im selben Raum war – was in den letzten zehn Jahren nicht oft passiert war – wurde ihr Blick unweigerlich von ihm angezogen. Sie zeigte so unbeteiligt wie möglich in Garretts Richtung. „Ja, da hinten steht er.“

Als ob er wüsste, dass sie über ihn redeten, sah Garrett zu ihnen herüber und winkte. Dylan winkte zurück, bekam jedoch keine Gelegenheit, sich zu seinem Freund zu gesellen, weil der Raum im selben Augenblick vom Klirren von Metall auf feinstem Kristallglas erfüllt wurde. Auch nach so vielen Hochzeiten noch schreckte der Klang sie auf, aber Willa lächelte und drehte sich in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Sie war völlig unvorbereitet. Elias hatte ihr gesagt, dass er sich am Ende des Abends mit einer kleinen Rede an seine Gäste wenden würde. Wollten er und Cathy früher gehen?

Der Partylärm verstummte, als Elias seine Verlobte Cathy an sich zog. „Wir möchten uns bei euch allen bedanken, dass ihr gekommen seid. Aber ich – wir – müssen noch eine Ankündigung machen, bevor es zu spät wird heute Abend.“

Erstauntes Gemurmel setzte ein. Was für eine zusätzliche Ankündigung musste der ältere Hardwell denn auf seiner eigenen Verlobungsparty machen?

„Da ihr alle hier seid, möchte ich die Gelegenheit ergreifen, offiziell meinen Ruhestand anzukündigen.“

Die Leute schnappten nach Luft, und Willa drehte sich zu Garrett um. Garrett war Elias’ Enkelsohn und dessen rechte Hand, aber er schien genauso erstaunt zu sein wie alle anderen.

„Ich habe mein ganzes Erwachsenenleben damit verbracht, der Hardwell-Ranch zu ihrem jetzigen Erfolg zu verhelfen. Inzwischen bin ich ein alter Mann“, sagte Elias, woraufhin sich wohlgemeinter Widerspruch erhob. „Ihr seid alle zu nett zu mir, doch es wird Zeit, die Arbeit an die nächste Generation weiterzugeben. Cathy und ich ziehen nach Arizona, und ich verabschiede mich von der Ranch und unseren Geschäften. Ich bin mir sicher, dass sie in guten Händen sind.“

Willa sah, dass Garrett grinste. Sie fragte sich, was wohl in seinem Kopf vorging. Als Elias’ Stellvertreter auf der Hardwell-Ranch stand es ihm zweifellos zu, die Führung zu übernehmen. Aber ihre sorgfältig geplante Party war nach dieser Überraschung in Gefahr, eine Katastrophe zu werden. Sie wusste aus Erfahrung, dass Familienfeiern oft voller unterschwelliger Spannungen waren, und manchmal verursachten wichtige Ankündigungen wie die eines Ruhestands – vor allem, wenn es dabei um ein Vermögen ging – einen Aufruhr.

Sie überlegte, ob sie die Musik wieder einschalten sollte, um die Party am Laufen zu halten, aber ihr war klar, dass ein Mann wie Elias Hardwell es übelnehmen würde, wenn man ihm das Wort abschnitt. Also betete sie, dass seine Rede bald zu Ende war und keine Dramen nach sich zog.

Ruhestand. Dieses Wort ließ Garrett aufhorchen. Das hätte er von seinem Großvater niemals erwartet. Elias war zwar nicht mehr der Jüngste, doch er hatte hart für den Erfolg der Ranch gearbeitet, daher hatte er sich immer vorgestellt, dass der alte Mann bis zu seinem Tode dabeibleiben würde. Dass er Cathy kennengelernt hatte, hatte alles geändert. Der Verlust seiner ersten Ehefrau, Garretts Großmutter, hatte sie alle schwer getroffen. Niemand hatte die Matriarchin vergessen, aber heute Abend war die Familie zusammengekommen, um Elias und Cathy Glück zu ihrer Verlobung zu wünschen.

Die Party, die Willa Statler organisiert hatte, gefiel ihm. Er amüsierte sich, nutzte die Gelegenheit, sich mit seiner Familie auszutauschen, mit seinen Brüdern und Cousins, die im ganzen Land verstreut lebten. Nach der Ankündigung seines Großvaters fingen seine Gedanken jedoch an zu rasen – er mochte keine Überraschungen.

Was bedeutete das für die Hardwell-Ranch? Sie hatten sich noch nie über Elias’ Nachfolge unterhalten. Sicher würde er die Ranch nicht verkaufen wollen, aber was sollte man aus seinen Worten schlussfolgern? Würde er als Nächstes verkünden, dass er ihm das Unternehmen überließ? Garrett lächelte. Er kam als Einziger wirklich infrage, denn er arbeitete unter dem wachsamen Blick seines Großvaters schon auf der Ranch, seit er ein Teenager war.

Garrett sah zu Elias hinüber, der eine Hand hob, woraufhin die Gästeschar erneut verstummte. „Außerdem“, fuhr sein Großvater fort, „brauche ich keinen Profit mehr aus der Ranch zu schlagen, auch wenn ich immer ein Teil von ihr sein werde. Ihr wisst alle, dass es mir an nichts fehlt. Das ist der Grund, weshalb ich die Hardwell-Ranch und alle mit ihr verbundenen Vermögenswerte in die fähigen Hände meiner Enkelkinder lege.“

Enkelkinder? Garrett hatte erwartet, nur seinen Namen zu hören. Er schaute sich um. Seine Brüder und Cousins sahen alle erschrocken aus. Sie waren zusammen mehr als ein Dutzend, doch er war der Einzige, der tatsächlich auf der Ranch arbeitete. Er war seit fast zwanzig Jahren Elias’ rechte Hand. Hatten sie nun alle das Recht auf einen Anteil an der Ranch, die er mit aufgebaut hatte?

Es ging ihm nicht ums Geld, aber er hatte keine Lust, für einen von ihnen arbeiten zu müssen. Er sah seinen Großvater an und hoffte, den Blick des alten Mannes einzufangen, sodass sie sich unter vier Augen unterhalten konnten, der genoss es jedoch, die Menge mit diesen explosiven Ankündigungen zu fesseln.

„Um in den Genuss ihres Anteils zu kommen“, fuhr Elias fort, „muss jedes meiner lieben Enkelkinder auf die Ranch zurückkehren und ein halbes Jahr dort leben. Auf dem Land arbeiten und zeigen, dass sie es verdient haben, vom Betrieb zu profitieren.“

Entsetzt ausgestoßene Ausrufe hallten durch den Saal. Garrett stand unbeweglich da und beobachtete, wie sein Großvater im Gedränge nach ihm suchte.

„Und du, Garrett, du bist jahrelang mein Partner und Stellvertreter gewesen, daher hast du den Mehrheitsanteil verdient“, sagte Elias. „Dir übertrage ich einundfünfzig Prozent der Ranch.“

„Und dann? Ich muss hier arbeiten wie die anderen auch? Kein Problem. Das mache ich schon, seit ich vierzehn bin.“

Elias lachte verhalten, als wolle er ihm einen Gefallen tun, doch Garrett war klar, dass ihn diese Unterbrechung teuer zu stehen kommen würde.

„Ich fürchte, das reicht nicht. Du bekommst die Mehrheit von einundfünfzig Prozent, aber nur wenn du dir eine Frau suchst.“

Garrett fühlte sich wie betäubt. Die Richtung, die die Sache nahm, gefiel ihm überhaupt nicht.

„Wenn du dich verliebst“, fuhr sein Großvater fort und machte dann eine Pause, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen, „und wenn du heiratest.“

Garrett verschluckte sich an seinem Champagner und hustete. „Was hast du gesagt?“, fragte er heiser.

Elias grinste. „Du hast mich schon verstanden, Garrett.“

Etliche Gäste musterten ihn amüsiert.

Garrett hatte seinen Großvater zwar verstanden, es fiel ihm jedoch schwer zu verarbeiten, was er gehört hatte. „Können wir uns unter vier Augen unterhalten?“, fragte er, ohne sich um die anderen Gäste zu kümmern.

„Natürlich.“

Als sie im Arbeitszimmer seines Großvaters allein waren, verschränkte Garrett die Arme vor der Brust und baute sich vor dem alten Mann auf. „Was zur Hölle sollte das?“

Elias spitzte die Lippen und ging wortlos zur kleinen Bar in der Ecke hinüber, wo er ihnen einen Drink einschenkte. Garrett bemerkte, dass es sich bei der Flasche um einen der feinen, reifen Whiskys aus einer Destille in der Nähe handelte, die sie beide mochten. Der gute Stoff. Elias reichte ihm ein Glas und sie tranken gemeinsam wie so oft am Abend nach einer Vorstandssitzung. Sie musterten einander über den Rand ihres Glases hinweg. Garrett war wütend – aber vor allem war er neugierig. Er wollte erfahren, was sein Großvater sich bei seiner Ankündigung gedacht hatte.

Endlich ergriff Elias das Wort: „Also, was ist los? Bist du sauer, weil deine Brüder und Cousins ein Stück vom Kuchen abbekommen sollen?“

Garrett dachte einen Moment lang darüber nach. Natürlich ging er davon aus, dass keinem von ihnen so viel am Ranchleben lag wie ihm, aber es war ihm herzlich egal, wie groß der jeweilige Anteil war, vor allem, weil ihm einundfünfzig Prozent der Firmenanteile gehören sollten. Auf der Hardwell-Ranch wurde Vieh gezüchtet – Schafe und Rinder –, doch ihr Erfolg gründete sich auf der Zucht und der Abrichtung von Pferden, die auf der ganzen Welt gefragt waren. Geld war seine geringste Sorge. „Glaubst du wirklich, dass ich wütend bin, weil das Erbe geteilt werden soll?“

Elias grinste. „Ah, es geht um meine Bedingung, die Ehe.“

„Ja, das ist der Punkt. Warum muss ich heiraten, obwohl alle anderen nur sechs Monate arbeiten müssen, um ihren Anteil zu bekommen? Reichen dir mein Einsatz, mein Blut, mein Schweiß und meine Tränen von zwanzig Jahren immer noch nicht?“

„Garrett, du bist all die Jahre bei mir geblieben. Du hast körperlich hart gearbeitet, tagein, tagaus, und mit mir zusammen die Entscheidungen getroffen, die uns an der Spitze gehalten haben. Deswegen bekommst du ja die Anteilsmehrheit. Aber ich sehe, welchen Weg du gehst. Ständig nur Arbeit …“

„Dagegen ist doch nichts einzuwenden“, widersprach Garrett. „So hast du das auch gemacht.“

„Wie steht es denn um deine Freundschaften?“, konterte Elias.

„Was hat das denn damit zu tun?“ Er ging hin und wieder aus, traf sich mit Frauen, wenn er Lust dazu hatte, aber daraus war nie etwas Ernsthaftes geworden. Er hatte vor langer Zeit begriffen, dass Frauen es nicht mochten, nach Pferden und Rindern die zweite Geige zu spielen.

„Ich will nicht, dass du dich dein Leben lang nur ums Geschäft kümmerst“, erklärte sein Großvater. „Nutze die Gelegenheit und konzentriere dich dieses Jahr mal darauf, Liebe zu finden. Und wenn du damit Erfolg hast, bekommst du die Mehrheit der Anteile an der Ranch. Die Liebe einer guten Frau, die Unterstützung einer Partnerin, das ist die Belohnung für all deine harte Arbeit“, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu.

Garrett ließ die vergangenen Jahre Revue passieren. Sein Vater hatte sich nie für die Ranch interessiert, stattdessen hatte er Medizin studiert und eine Praxis in High Pine eröffnet. Als Kind hatte Garrett dem Leben in einer größeren Stadt nichts abgewinnen können. Er hatte fast jedes Wochenende auf der Ranch bei seinen Großeltern verbracht, wo er leichtere Arbeiten übernahm.

Nach der Highschool fing er als Hilfsarbeiter auf der Ranch an – nicht besonders glamourös. Er kümmerte sich Tag und Nacht um die Tiere, reparierte Zäune, mistete Ställe aus und reinigte Getreidesilos, ehe er die Chance bekam, aufzusteigen und Stellvertreter seines Großvaters zu werden. Der Erfolg – sein Traumhaus auf der Ranch, preisgekrönte Pferde und seine anderen Lieblingsspielzeuge – waren immer seine Belohnung gewesen.

„Aber warum?“, fragte er. „Ich brauche nicht verheiratet zu sein, um den Laden hier zu führen. Das ergibt überhaupt keinen Sinn.“

„Garrett, du arbeitest hart, das sehe ich, doch du bist allein. Ich will, dass du glücklich wirst.“

„Mach dir meinetwegen keine Sorgen, ich bin glücklich“, widersprach er, hob sein Glas und trank seinen Whisky aus. „Du mischst dich in mein Leben ein, und das gefällt mir nicht.“

„Du brauchst jemanden, der deinen Erfolg mit dir teilt, damit du nicht alt und einsam endest, so wie es mir beinahe ergangen wäre.“

„Im Geschäft hast du auch nicht immer einen Partner gehabt. Nach Grandmas Tod hast du den Laden zwanzig Jahre lang allein geführt.“

„Und das war nicht leicht. Ich habe so hart gearbeitet, um die Leere zu füllen, die der Tod deiner Großmutter in meinem Leben hinterlassen hatte. Es hat nicht funktioniert.“ Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter auf das lebhafte Fest draußen. „Ich wollte etwas zu tun haben, weil das eine so dunkle Zeit in meinem Leben war. Warte nicht mit der Suche nach der Richtigen, bis du ein unglücklicher alter Mann geworden bist, der nichts außer Geld hat, das ihn wärmt.“

Garrett starrte seinen Großvater mit einer Mischung aus Ärger und Bewunderung an. „Du intriganter Bastard.“ Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

Elias lächelte liebevoll, doch sein Blick blieb ernst. „Du hast ein Jahr Zeit, Garrett“, sagte er und klopfte ihm auf die Schulter, als er an ihm vorbeiging. „Finde jemanden, den du lieben kannst, und du kannst die Ranch leiten und allen anderen sagen, was sie mit ihren Anteilen machen sollen.“

„Und wenn ich nicht heirate?“

„Dann bekommst du den gleichen Anteil wie alle meine Enkel, und ich übertrage jemand anderem die Leitung.“

Garrett horchte auf. „Wem?“

Elias zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Wes vielleicht?“

Garrett schnaubte. Er liebte seinen Bruder, aber Wes würde das Land am liebsten aufteilen, um Ölbohrtürme drauf zu bauen oder eine Krypto-Mining-Farm – oder was auch immer er eigentlich machte. „Nur über meine Leiche.“

Elias zwinkerte ihm zu und öffnete die Tür des Arbeitszimmers. Musik war zu hören. „Das dachte ich mir. Dann mach dich mal lieber auf die Suche nach der Glücklichen.“

Als er allein war, schenkte Garrett sich nach. Er musste eine Frau zum Heiraten finden? Was für eine lächerliche Bitte. Er schüttelte den Kopf. Es war keine Bitte. Elias Hardwell bat niemanden um etwas – es war ein Befehl. Die Tür hinter ihm wurde geöffnet, und er seufzte. Er hatte keine Lust, mit jemandem zu reden.

„Oh, sorry, ich wusste nicht, dass du noch hier bist.“

Garrett drehte sich nach der vertrauten Stimme um und lächelte, als er Willa Statler ansah. Sie war nicht nur die Hochzeitsplanerin seines Großvaters, sondern auch die kleine Schwester seines besten Freundes Dylan. Mit dieser Frau hatte er vor über zehn Jahren eine leidenschaftliche und geheime Nacht verbracht. Diese Nacht hätte es niemals geben dürfen, trotzdem konnte er nach all der Zeit noch immer ihre Lippen auf seinen spüren, ihre weiche Haut unter seinen Fingerspitzen.

Sie waren verschiedene Wege gegangen, und auch wenn sie über die Jahre mehrmals auf denselben Veranstaltungen gewesen waren, hatte er wegen seiner Abneigung gegen ihren ehemaligen Verlobten Thomas, den derzeitigen Bürgermeister von Applewood, kaum mit Willa gesprochen. Soweit er wusste, lebte und arbeitete sie inzwischen in High Pine und verbrachte die meiste Zeit dort.

„Schon okay“, sagte er. „Ich wollte nur kurz meine Ruhe haben.“

Sie nickte. „Tut mir leid, dass ich störe. Ich will nur etwas für Cathy holen“, erklärte sie und zog einen weißen Ordner aus einem Bücherregal neben ihm.

Garrett las die Aufschrift auf dem Ordnerrücken: Beste Hochzeit aller Zeiten! Das erinnerte ihn wieder an sein eigenes Problem.

Willa schwieg und sah ihn mit leicht geneigtem Kopf an. „Ist alles okay? Das war ganz schön verrückt vorhin.“

„Alles gut.“ Er hob sein Glas. „Ich trinke, um zu vergessen, wie mein Großvater sich in mein Leben einmischt.“

Willa schauderte. „Ja, das verstehe ich. Willst du nicht trotzdem mitkommen und dir darüber morgen Gedanken machen?“

„Warum? Versaue ich dir die Party, für die du dir solche Mühe gegeben hast?“

Sie legte den Ordner auf eine Ecke von Elias’ Schreibtisch und trat ein paar Schritte näher. Trotz allem, worüber er hätte nachdenken sollen, kam er nicht umhin, festzustellen, wie wunderschön sie aussah. Ihr blondes Haar war zu einem festen, geschäftsmäßigen Knoten aufgesteckt und ihr knielanges marineblaues Kleid – das das Eisblau ihrer Augen strahlen ließ – war zurückhaltend, mit langen Ärmeln und hohem Ausschnitt. Der Stoff umschmeichelte ihren schlanken und trotzdem kurvigen Körper, sodass kaum etwas der Fantasie überlassen blieb.

„Vielleicht“, erwiderte sie. „Aber sag mal, bist du wirklich okay? Wenn nicht, bringe ich dich hinaus, ohne dass dich jemand sieht. Du könntest abhauen, ohne dass es jemand merkt.“

Er nickte. „Danke, dass du dir Sorgen machst, aber mir geht es gut“, betonte er noch einmal. „Das gerade hat mich nur ein bisschen aus der Bahn geworfen.“

„Ich nehme mal an, der begehrteste Junggeselle von Applewood wird wohl endlich heiraten“, stellte sie mit einem Lachen fest, das gezwungen klang.

Er zuckte mit den Schultern. „Die Ranch gehört rechtmäßig mir. Wenn ich mir eine Ehefrau suchen muss, um das zu beweisen, dann mache ich das.“

„Du könntest dir eine Dating-App herunterladen“, schlug sie vor. „Damit ist es sicher nicht schwer, eine zu finden. Wisch einfach nach rechts – oder ist es links?“

Garrett sah die Frau an, die vor ihm stand. Er kannte sie länger als die meisten anderen Menschen. Früher war sie eine lebenslustige, leichtherzige junge Frau gewesen, mit der er eine der schönsten Nächte seines Lebens verbracht hatte. Aber sie erinnerte sich ganz bestimmt nicht so lebhaft an diese Nacht wie er.

Heute war Willa eine selbstsichere, elegante, professionelle, absolut atemberaubende Frau. Seit der Nacht damals war so viel Zeit vergangen. Über zehn Jahre. Sie hatte eine anstrengende Beziehung hinter sich und war völlig zu Unrecht zum Opfer der Gerüchteküche von Applewood geworden. Sein Ruf hingegen war geprägt von seiner harten Arbeit – über die Nächte, die er als junger Mann in den Bars in der Gegend verbracht und in denen er als gefragtester Junggeselle der Stadt Frauen aufgerissen hatte, war seltsam wenig gesprochen worden.

Damals war er dumm, unreif und viel zu besorgt darüber gewesen, wie es sich auf seine Freundschaft mit Willas Bruder auswirken würde, wenn er mit ihr zusammen war. Er hatte leichtfertig etwas Gutes weggeworfen und sich ausgiebig die Hörner abgestoßen.

Willa räusperte sich und hob eine Augenbraue. Sie hatte etwas gesagt, und er hatte nicht reagiert, sodass das Schweigen zwischen ihnen zu lange gedauert hatte.

Er schüttelte den Kopf, um sich von allen ablenkenden Gedanken zu befreien. Was hatte sie gesagt? Irgendetwas von Apps. „Wahrscheinlich hast du recht.“ Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Es war vielleicht eine dumme Idee, aber er sagte trotzdem: „Willst du mich heiraten?“

Ihre Miene erstarrte für mehrere Augenblicke, ehe sie zu blinzeln begann. Und dann lachte sie erschrocken auf. „Ist das dein Ernst?“, fragte sie mit zitternder Stimme.

War es das? Je länger er darüber nachdachte, desto mehr wurde ihm klar, dass es nicht das Schlechteste wäre – oder? Sein Großvater hatte gesagt, dass er heiraten sollte, aber er hatte nicht gesagt, dass es keine Scheinehe sein durfte. Was der alte Mann nicht wusste, bereitete ihm auch kein Kopfzerbrechen. Garrett setzte sein charmantestes Lächeln auf, das, mit dem er normalerweise alles bekam, was er wollte. „Ja, warum denn nicht?“

Willa verschränkte die Arme, sog die Unterlippe zwischen die Zähne und kaute auf ihr. Diese Angewohnheit hatte sie in den letzten zehn Jahren offensichtlich nicht abgelegt. Er war inzwischen über dreißig, aber sie hatte noch immer dieselbe Wirkung auf ihn wie damals. Er hätte am liebsten selbst an dieser Lippe genagt.

Willa schwieg einen Moment und wandte den Blick ab. Dann schüttelte sie den Kopf. „Tut mir leid, Garrett“, sagte sie und tippte ihm dabei mit den sorgfältig manikürten Fingernägeln auf die Brust. „Dafür hast du dir die falsche Frau ausgesucht.“

„Warum? Wegen Dylan?“ Er kniff die Augen zusammen. „Oder wegen dem, was früher zwischen uns gewesen ist?“ Er konnte nichts dagegen tun, dass er sich eine immer tiefere Grube grub. Vielleicht hatte er bald die sprichwörtlichen sechs Fuß erreicht und konnte sich einfach tot hinlegen. Wieso ließ er die Sache nicht auf sich beruhen?

„Garrett, was ist denn zwischen uns gewesen, abgesehen von einer leidenschaftlichen Nacht? Wir waren damals ja noch nicht mal richtig erwachsen.“

Garrett hätte sich selbst ohrfeigen können. Er kam sich wie ein Idiot vor. Natürlich hatte die gemeinsame Nacht ihr nichts bedeutet. Er hingegen hatte jeden Tag an sie gedacht. Er machte den Mund auf, um ihr zu sagen, dass er sich versprochen hatte oder so ähnlich – doch sie ergriff zuerst das Wort.

„Aber ja, na sicher. Es ist wegen Dylan“, sagte sie, offensichtlich um das Thema, was früher zwischen ihnen gewesen sein mochte, zu umgehen. „Du weißt ja, was mein Bruder für einen Beschützerinstinkt hat. Erklär ihm ruhig, dass du mich heiraten willst, um deinen Großvater ruhigzustellen. Die Wahrheit ist allerdings, dass ich niemals heiraten werde. Ich werde das nicht noch mal durchmachen. Das ist nichts für mich.“

„Nein?“ Er zuckte mit den Schultern und schenkte sich erneut einen Schluck Whisky nach. Und dann einen für sie in ein zweites Glas. Wenn er nicht aufpasste, war er am Ende sturzbetrunken und schuldete seinem Großvater eine sehr teure Flasche. Und wie soll ich die bezahlen, wenn ich die Ranch verliere, überlegte er, während er sich noch ein bisschen mehr nachschenkte. Er hielt ihr das Glas hin, doch sie winkte ab, sie war eindeutig wütend auf ihn.

„Ich arbeite.“

„Ich will aber nicht alleine trinken.“

„Da hast du Glück. Hinter dieser Tür ist ein ganzer Saal voller Leute, die feiern und trinken.“

Er dachte an die Party nebenan. „Ich möchte eigentlich nicht wieder da raus.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich wäre lieber hier und würde meinem Großvater den teuren Whisky wegtrinken, zusammen mit meiner zukünftigen Frau.“ Er hob das Glas und schwenkte es einladend.

Sie lächelte und nahm ihm das Glas ab, trank aber immer noch nicht. „Darauf würde ich nicht wetten.“

Autor

J Margot Critch
<p>J. Margot Critch lebt mit ihrem Mann Brian und ihren kleinen vierbeinigen Freunden Simon und Chibs in St. John’s, Neufundland. Ihre Zeit verbringt sie damit, Romane zu schreiben, Musik von Jimmy Buffett zu hören und aufs Meer zu schauen. Und dabei überlegt sie, ob sie lieber einen Kaffee oder eine...
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