Heiligabend in seinen Armen

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

HEILIGABEND IN SEINEN ARMEN von RACHEL LEE

Nie wieder ein Mann!, hat Abby sich geschworen. Nicht einmal, wenn er so gut aussieht wie ihr neuer Boss Rory McLane. Nur so lange will sie als Haushälterin des umschwärmten Countrysängers arbeiten, bis sie sich von ihrem Ex erholt hat – und dann wird sie gehen. Doch sie hat nicht mit Rorys maskulinem Charme gerechnet, damit, dass er ihr in kostbaren Augenblicken das Gefühl gibt, der wichtigste Mensch auf der Welt für ihn zu sein. Außerdem geht es auf Weihnachten zu, und ein guter Geist scheint für Abby verführerische Pläne für das Fest der Liebe zu haben …


  • Erscheinungstag 19.11.2024
  • Bandnummer 24
  • ISBN / Artikelnummer 8206240024
  • Seitenanzahl 192

Leseprobe

1. KAPITEL

Von außen wirkte das Haus der Ranch ganz normal. Es war sehr geräumig, da es noch in Zeiten gebaut worden war, als die Familien groß gewesen waren. Frisch gestrichene weiße Holzschindeln bedeckten das Dach, und das Haus hatte eine lang gezogene Veranda. Im Inneren war es alles andere als gewöhnlich. Es sah nämlich so aus, als sei es gerade einem Hochglanzmagazin für Innenarchitektur entsprungen.

Da es noch zehn Wochen bis Weihnachten waren, musste Abby sich wenigstens nicht um den Zimmerschmuck kümmern. Und um die Weihnachtszeit hoffte Abby, bessere Pläne entwickelt zu haben, wie sie ihre Zukunft gestalten sollte, als an diesem Ort hier zu leben.

Abby hatte mehr als eine Woche gebraucht, um das Haus der Ranch von oben bis unten zu putzen, die letzten Spuren des Umbaus zu beseitigen und sicherzustellen, dass das polierte Holz, alle Spiegel und Glasflächen glänzten.

Es war sehr viel Arbeit gewesen; sie hatte alle Hände voll zu tun gehabt. Es schmerzten sie Muskeln, die sie vorher gar nicht wahrgenommen hatte. Dafür stand das Haus jetzt für seinen neuen Bewohner bereit.

Was sie von sich nicht behaupten konnte.

Sie hatte ihren Arbeitgeber nie persönlich getroffen, sondern war von seinem Manager eingestellt worden. Das war ungewöhnlich für sie, aber wahrscheinlich nicht für Rory McLane. Schließlich war er ein großer Star in der Countrymusik und konnte es sich offensichtlich leisten, dass das Servicepersonal alles für ihn tat. Wahrscheinlich ließ er sich sogar ankleiden.

Bei diesem Gedanken musste sie lachen. Zumindest nahm ihr das etwas von der Spannung, während sie auf ihren neuen Chef wartete. Und in der letzten Zeit hatte sie nur wenig zu lachen gehabt.

Die harte Arbeit machte ihr nichts aus. Im Gegenteil, sie hatte sie sogar genossen. Nicht viele Jobs schenkten solch ein Gefühl der Genugtuung wie diese Tätigkeit hier, wenn sie sich jetzt umsah und betrachtete, was sie geschafft hatte. Was ihr etwas ausmachte, waren die Umstände, die sie hierhergebracht hatten.

Und sie befiel ein Unbehagen, wenn sie an Rory McLane dachte. Mit all seinem Ruhm und Geld war er wahrscheinlich arrogant und fordernd. Selbstbezogen noch dazu. Sie ballte für einen Moment die Fäuste und erinnerte sich daran, dass es keine Rolle spielte, wie ihr Chef so drauf war. Sie würde mit ihm zurechtkommen müssen, weil sie im Moment keine andere Alternative hatte. Ihr Mann war mit ihrer gemeinsamen früheren Chefin durchgebrannt und hatte sie ohne Job zurückgelassen und, nachdem er sein Familienanwesen verkauft hatte, auch noch ohne ein Dach über dem Kopf. Wie immer dieser Rory McLane auch sein mochte, sie würde seine Gesellschaft eben ertragen müssen.

Hinter dem Haus der Ranch befand sich eine Scheune, die zu einem Aufnahmestudio umgebaut worden war. Dort hatte sie nur einen Blick hineinwerfen können. Ein Spezialteam hatte dort nach dem Umbau alles gereinigt und das Tonstudio eingerichtet. Dort waren Experten gefragt gewesen und keine Haushälterin mit Staubwedel und Mopp.

Es machte sie fertig, wenn sie nur daran dachte.

Sie streckte den Arm aus und strich über die kostbaren Hölzer, die sich sonst niemand in dieser Gegend leisten konnte. Als sie die umgebaute Scheune einmal betreten hatte, stellte sie fest, dass sich dort nicht nur ein Studio befand, das den höchsten Ansprüchen genügte, sondern auch eine Einbauküche und ein komfortabler Wohnbereich noch dazu. Abby fragte sich, ob McLane vielleicht dort die meiste Zeit verbringen würde.

Sie hoffte es fast, denn sie ging nicht davon aus, dass sie ihn gut leiden könnte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass so viel Geld, Ruhm und Bewunderung einem Menschen nicht zu Kopf steigen würden.

Sie bemerkte aufgewirbelten Staub in der Einfahrt, und ihr wurde klar, dass er jetzt kommen musste. Sie hatte gehört, dass er ein kleines Flugzeug besaß, aber eigentlich erwartete sie, jeden Moment eine Luxuslimousine in der Einfahrt auftauchen zu sehen, doch stattdessen fuhr nur ein neuer beiger Pick-up vor das Haus.

Vielleicht einer der Nachbarn?

Sie ging näher zum Fenster und schaute hinaus. Der Pick-up hielt jetzt vor der Veranda, und ein Mann stieg aus.

Abby machte sich nichts aus Stars, aber aus Neugierde hatte sie an einem der Computer, die sich im Haus befanden, nach Bildern von Rory McLane gegoogelt, und es war ohne Zweifel der Hausherr selbst, der jetzt aus dem Pick-up stieg.

Er war dunkelhaarig, groß und schlank, trug verwaschene Jeans, ein blaues Shirt und Cowboystiefel. Er griff jetzt zum Nebensitz hinüber und holte einen Cowboyhut hervor, der schon einiges mitgemacht zu haben schien, und setzte ihn auf.

Aufgrund der Fotos, die sie im Internet gesehen hatte, erwartete sie etwas anderes. Rory McLane wirkte so gar nicht wie ein Star, sondern wie ein ganz normaler Rancher, der nach Hause kam.

Keine Gefolgschaft, keine Groupies, keine Fans oder neugierigen Menschen. Nur er, der aussah wie jeder normale Bewohner in diesem County.

Dann ging er um den Pick-up herum und zog zwei schwere Koffer heraus. Abby bekam einen trockenen Mund, als sie zuschaute, wie er die Koffer auf die Veranda trug. Dann ging er noch einmal zum Pick-up zurück und holte einen Gitarrenkoffer heraus.

Nichts, absolut nichts hatte sie auf die Wirkung vorbereitet, die dieser Mann auf sie hatte, jetzt, wo sie ihn aus Fleisch und Blut sah. Er hatte breite Schultern und schmale Hüften. Sein gut geschnittenes Gesicht wirkte etwas verhärmt, so, als ob er eine lange Krankheit oder viel Kummer überstanden hätte, aber sein Kinn zeugte von Willensstärke, und als er zum Fenster hinüberschaute, sah sie, dass seine Augen so blau wie der Himmel von Wyoming waren.

Sie hätte ihn ewig so anstarren können – seltsam, denn er war keinesfalls perfekt. Seine Attraktivität hatte nicht nur etwas mit seinem Äußeren zu tun.

Der Gitarrenkoffer gab einen dumpfen Laut von sich, als McLane ihn auf die Veranda stellte, und Abby wurde aus ihren Gedanken gerissen. Er ging zurück, um den Kofferraum zu schließen, und ihr wurde klar, dass es an der Zeit war, ihren Job zu machen. Als Erstes sollte sie ihm wohl die Tür öffnen?

Sie ging widerstrebend in den großen Flur hinaus, drückte die Messingklinke hinunter und öffnete die Haustür in dem Moment, als er erneut die Verandatreppen hinaufkam.

„Mr. McLane?“, fragte sie, als ob sie es nicht gewusst hätte, wer er war. Sie würde ihm nicht die Genugtuung geben, dass sie ihn sofort erkannt hatte.

Ein leichtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Sie müssen Abby Jason sein.“

„Ja, Sir.“

Statt einen der Koffer zu ergreifen, wie er es vorgehabt hatte, stemmte er eine Hand gegen die Hüfte und betrachtete Abby. Sie konnte sich vorstellen, was er sah – eine einfache junge Frau vom Land, kein Make-up, in Arbeitskleidung und mit ein paar Pfunden zu viel, um als Model durchzugehen.

„Tu mir einen Gefallen“, sagte er mit einer Baritonstimme, die verriet, dass er eine gute Singstimme haben musste. „Hier gibt es kein Sie und auch keinen Sir. Ich bin Rory. Und ich freue mich, dich kennenzulernen, Abby. Ist dein Apartment in Ordnung?“

„Ja, es ist sehr hübsch“, gab sie zu. Sie hatte nicht erwartet, ein eigenes und noch dazu geschmackvoll eingerichtetes Apartment mit zwei Zimmern, Küche und Bad im hinteren Teil des Hauses bewohnen zu dürfen.

„Gut. Wenn es nicht zu viele Umstände macht, würde ich jetzt gern einen Kaffee trinken. Ich bringe nur schnell die Koffer hinein. Da ich den Grundriss kenne, dürfte es nicht allzu schwer sein, mein Zimmer zu finden.“

Der Witz in seiner Stimme überraschte sie. Sie brachte ein Nicken zustande. „Der Kaffee kommt gleich.“

„Danke“, sagte er und wollte mit beiden schweren Koffern in je einer Hand an ihr vorbeigehen.

Sie zögerte. „Soll ich die Gitarre in den Flur stellen?“

Er überlegte. „Danke. Das ist mein Schätzchen.“

„Schätzchen?“

„Ja, das ist meine allererste Gitarre. Nichts könnte sie ersetzen. Trag sie bitte rein.“

Sie ergriff die Gitarrentasche, stellte sie in den Flur, schloss dann die Haustür und ging in die modernste Küche, die sie je gesehen hatte. Alles glänzte in rostfreiem Stahl. Es war die Art von Küche, die jeder Küchenchef sich gewünscht hätte. Abby war keine gelernte Köchin, aber in der letzten Woche hatte sie diese Küche wegen der Leichtigkeit, mit der man sie reinigen konnte, sehr zu schätzen gelernt.

Sie hatte die Gebrauchsanleitung der Kaffeemaschine gelesen, weil sie überrascht von den vielen Möglichkeiten gewesen war, die sie bot. Glücklicherweise konnte sie jetzt mit ihr umgehen.

Dann kam ihr ein Gedanke und sie lief schnell zur Treppe hinüber. „Normaler Kaffee, Espresso, Cappuccino oder …“

„Ganz normaler Kaffee. Schwarz und stark.“

Die Maschine mahlte die Bohnen und zapfte das Wasser für die angegebene Anzahl von Tassen. Da sie keine Ahnung hatte, wie viel Kaffee er wollte, hatte sie auf die Tasten für die stärkste Brühung und für acht Tassen gedrückt. Nach einer Weile begann der Kaffee durchzulaufen.

Nun, dachte sie mit einem Anflug von seltenem Humor, zumindest kann ich mit dem Kaffee nichts falsch machen.

Rory kehrte einige Minuten später wieder zurück. Abby lehnte sich gegen die Theke und wusste nicht genau, wie sie sich jetzt verhalten sollte. Wäre er verärgert, wenn sie bei seinem Eintritt in die Küche am Tisch sitzen würde? Woher sollte sie das auch wissen? Sie war vorher nie mit reichen und berühmten Leuten zusammen gewesen.

Als er die Küche betrat, griff sie sofort zu einem Becher, doch er unterbrach sie. „Nimm Platz. Ob du es glaubst oder nicht, ich kann mir selbst Kaffee eingießen. Möchtest du auch einen?“

„Ja, bitte“, erwiderte sie leise, denn jede andere Antwort hätte unhöflich klingen können. Dann setzte sie sich an den modernen Designerholztisch.

Zu ihrer Überraschung brachte er zwei Becher an den Tisch und nahm ihr gegenüber Platz.

„Hör doch auf, so nervös zu sein“, erklärte er. „Ich habe bisher noch nie Angestellte gebissen.“

Sie lächelte unsicher. Soweit schien er in Ordnung zu sein, aber noch war ihr die Sache nicht geheuer.

„Ich weiß nicht, was mein Manager dir erzählt hat, als er dich eingestellt hat.“

„Wenig. Nur, dass ich sauber machen und kochen soll, und dass ich einen Tag freihabe.“

Er nickte. „Du wirst mehr als nur einen Tag freibekommen. Ich kann ganz gut allein zurechtkommen. Okay, hier die Grundregeln.“

Sie spannte sich an.

„Ich bin hierhergekommen, um allein zu sein. Dieses Haus soll ein Rückzugsort für mich sein. Und ich will wirklich allein sein. Ich brauche Zeit für meine Arbeit und Zeit, um meine Kreativität neu fließen zu lassen. Erwarte also nicht, dass ich hier viele Gäste haben werde. Ich habe sogar vor, genau das so gut es geht zu vermeiden, obwohl mein Agent und mein Manager mich sicher nicht in Ruhe lassen werden.“

Abby blinzelte. „Warum sollten sie das tun?“

„Wenn ich auf Tour bin, machen sie Geld. Wenn ich hier bin, dann nicht. Sie sorgen sich auch darum, dass meine Karriere den Bach hinuntergehen könnte, wenn ich mich zu lange zurückziehe.“

„Oh.“ Sie senkte den Blick. „Sie sind wohl sehr auf Geld aus.“

„Im Interesse aller. Ich will nicht meckern, ich will dich nur warnen. Mein Manager, mein Agent könnten hier auftauchen, selbst wenn ich ihnen sage, dass sie es nicht tun sollen. Außer ihnen erwarte ich niemanden. Aber das bedeutet nicht, dass ich dich von allem abschneiden will. Es steht dir natürlich frei, Freunde einzuladen, wann immer du willst. Schließlich hast du ja deine eigene Wohnung.“

Da er selbst die Einsamkeit suchte, fand sie das sehr großzügig von ihm. „Danke.“

Er nickte und trank einen Schluck Kaffee. „Es ist nicht leicht, mit mir umzugehen.“

Sie spannte sich unwillkürlich an. Jetzt würde sicher die Arroganz zum Vorschein kommen, die sie erwartet hatte.

„Wenn ich komponiere, brauche ich Ruhe und Zeit. Du kannst mich nicht für Mahlzeiten einplanen. Es könnte vorkommen, dass ich tagelang im Studio bleibe und du mich gar nicht siehst. Ich könnte mir vorstellen, dass das nicht so einfach für dich ist, aber wenn du mir immer etwas in den Kühlschrank stellst, was ich in der Mikrowelle oder im Backofen aufwärmen kann, dann wäre das für uns beide gut. Hin und wieder möchte ich vielleicht einmal mit dir wie ein normaler Mensch hier im Haus essen, aber ich würde dir natürlich vorher Bescheid geben. Was die Lebensmittel betrifft …“ Er zuckte die Schultern. „Ich bin kein wählerischer Esser. Falls ich einmal etwas Besonderes möchte, werde ich es auf die Liste setzen. Du hast ein Haushaltskonto, nicht wahr?“

„Ja, dein Manager hat es mir eingerichtet.“

„Falls das Geld nicht reicht, lass es mich wissen. Geld ist etwas, worüber wir uns hier keine Sorgen machen brauchen. Falls etwas defekt ist, ruf einen Handwerker an.“

Ihre Erleichterung war so groß, dass sie unerwartet ein Lachen in sich aufsteigen fühlte. Es war lange her, dass sie Grund zum Lachen gehabt hatte. Es fühlte sich seltsam an. „Ich soll dich also in Watte packen?“

Er grinste. „Stell dir vor, ich bin ein Bär, der dort draußen in einem Käfig lebt. Wirf ihm einfach ab und zu etwas Fleisch hin, ja?“

Jetzt musste sie laut loslachen. „Ich denke, ich verstehe.“

„Es kann sein, dass ich etwas geselliger werde, wenn etwas Zeit vergangen ist, aber im Moment …“ Er verstummte und starrte ins Leere. „In Nashville Zeit für mich zu haben ist unmöglich. Du kannst mich also als den Einsiedler von Conard County betrachten.“

Sein Blick kehrte zu ihr zurück. „Du musst noch ein kleines Kind gewesen sein, als ich das County vor zwanzig Jahren verlassen habe.“

„Ich glaube, ich war fünf oder sechs.“

„Ich konnte es damals gar nicht erwarten, von hier wegzukommen“, gab er zu. „Und jetzt? Sieh mich an. Meine ehemalige Heimat ist jetzt meine Zuflucht.“

Sie atmete tief durch. „Warum?“, wagte sie zu fragen.

Er legte leicht den Kopf schief. „Manche Dinge ermüden die Seele, Abby, und rauben dir jede Energie. Nicht einmal meine Musik macht mir noch Freude. Das muss sich wieder ändern.“

„Und du denkst, hier wäre der richtige Ort dafür?“

„Hier bin ich aufgewachsen und zu dem geworden, der ich bin. Vielleicht kann ich hier wieder zu mir finden und mich erholen.“ Er seufzte. „Ich werde es versuchen müssen.“

Er erhob sich und schenkte sich Kaffee nach. „Keine Anrufe. Meine Telefonnummer ist geheim und nur drei Leute kennen sie. Sag auf jeden Fall, dass ich im Moment nicht erreichbar bin, und schreibe die Nachricht auf, okay?“

„Klar, das kann ich.“

„Ich bin sicher, dass du das kannst.“ Er zögerte einen Moment. „Ich nehme an, ich sollte dir für alle Fälle auch noch meine Handynummer geben. Falls du die Treppe hinunterfällst und dir ein Bein brichst, könntest du sonst lange auf mich warten müssen. Hast du ein Handy, das hier draußen funktioniert?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Kauf dir eines vom Haushaltsgeld, sobald du wieder in der Stadt bist. Unternimm in deiner freien Zeit, was immer du willst. Ich möchte nicht, dass du dich hier unsinnig beschäftigst, nur um deine Arbeitszeit totzuschlagen, und ich erwarte auch nicht, dass du ständig auf Abruf für mich bereit bist.“

Schließlich war die Neugierde stärker als ihre Vorsicht. „Wozu brauchst du denn eine Vollzeithaushälterin?“ Das war eine gefährliche Frage, wenn man bedachte, wie dringend sie den Job benötigte.

„Für all das Zeug, um das ich mich nicht kümmern kann, wenn ich komponiere, und das ist viel.“ Er winkte ab. „Du bist mein Puffer gegen die Welt da draußen. Ich hoffe, ich kann den größten Teil der Zeit mit meiner Muse verbringen. Sie ist eine sehr fordernde Geliebte.“

Er wusch seinen Kaffeebecher in der Spüle ab und stellte ihn dann in den brandneuen Geschirrspüler. „Das ist meine Einsiedelei und ich bin der Mönch“, erklärte er, als er sich ihr wieder zuwandte. „Sieh es einfach so. Und jetzt werde ich einen Spaziergang machen und hören, was der Wind mir zuflüstert.“

Unter seinen Stiefeln knirschte das trockene Gras des Spätsommers, der bereits langsam in den Frühherbst überging. Die Luft war trocken, und es blies ständig eine Brise. Nashville war grüner, hatte eine höhere Luftfeuchtigkeit und die Temperaturen waren höher als hier. Während er über die Wiesen mit den vertrockneten Gräsern lief und sah, wie der Wind die buschigen Kugeln der Steppenroller über das weite Land blies, schaute er hin zu den Bergen, und ihm wurde klar, wie sehr er Conard County vermisst hatte.

Erinnerungen an den Jugendlichen stiegen in ihm auf, der damals dachte, an diesem Ort müsste er eingehen. Nun, über die Jahre hinweg, hatte er vieles gefunden, was seine Seele kaputt machte, und zwar Schlimmeres als ein eintöniges Landleben, das ihm damals so zugesetzt hatte.

Lange Sommernachmittage erschienen vor seinem geistigen Auge, an denen er, wenn er seine Schulaufgaben erledigt hatte, zu einem ruhigen Platz lief, wo er sich mit dem Rücken gegen eine Schwarzpappel lehnte und sich mit seiner Gitarre Songs ausdachte. Oder dass er stundenlang auf dem Rücken lag und die wenigen Wolken am strahlend blauen Himmel betrachtete und dem Flüstern der Natur lauschte.

Eiskalte lange Winter fielen ihm wieder ein, in denen es draußen viel zu kalt war, sodass er sich in den Stall zu den Pferden setzte und spielte, bis seine Finger steif vor Kälte geworden waren.

Überraschenderweise freute er sich diesmal auf den Winter, der schon bald kommen würde. Er bezweifelte, dass sein Manager oder jemand anders dann versuchen würde, hier herauszufahren. Bis Weihnachten hatten sie dann vielleicht begriffen, dass er hier so lange bleiben würde, wie er fand, dass er es brauchte.

Die Brise frischte auf, und er musste seinen Hut festhalten, damit er ihm nicht wegflog. Den gleichen Hut hatte er getragen, als er das County verlassen hatte. Er war so eine Art Talisman für ihn geworden, und er fragte sich, ob er langsam abergläubisch wurde.

Über die Jahre war ihm klar geworden, wie wichtig es war, kreative Freunde zu haben. Sie hatten ihm Anregungen gegeben, ihn angefeuert und einen gemeinsamen Spirit geschaffen, von dem sie alle einen Nutzen hatten. Warum um alles in der Welt war er jetzt davon überzeugt, dass er sich unbedingt zurückziehen und allein sein musste?

Er konnte die Frische, die Lebensfreude und den Optimismus nicht mehr zurückholen, die er als Jugendlicher empfunden hatte. Zu viel war die Jahre über geschehen. Doch tief in seinem Inneren spürte er etwas, das Stille und Ruhe brauchte, um herauskommen zu können. Dem Wind zuzuhören schien ein guter Anfang zu sein.

Cowboystiefel, selbst gut eingelaufene, waren nicht zum Spazierengehen geeignet, also entschloss er sich, wieder zum Haus zurückzukehren. Wohin, das wusste er immer noch nicht genau.

Die Haushälterin, Abby, hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er fragte sich, wann er das letzte Mal eine Frau in ihrem Alter ohne einen Hauch von Make-up gesehen hatte. Nicht, dass sie es nötig gehabt hätte. Sie war auch ohne Schminke hübsch. Auch ihre Figur konnte sich sehen lassen, soweit er das unter dem weiten Arbeitsshirt, das sie trug, beurteilen konnte. Ganz sicher war sie nicht so dünn wie die Frauen, die es den Models nachmachen wollten, aber ihm gefiel das. Da gab es wenigstens etwas zum Anfassen. Er mochte auch ihr langes braunes Haar, das sie achtlos mit einer Klammer auf ihrem Kopf zusammengefasst hatte. Das Haar wirkte so seidig, dass er es am liebsten berührt hätte. Und ihre goldbraunen Augen erinnerten ihn an Bernstein.

Was ihm nicht gefiel, war die Traurigkeit, die Abby zu umgeben schien, dieser Schmerz, den er in ihren goldbraunen Augen und um ihre vollen Lippen sah. Ihr Lächeln und auch ihr Lachen waren nicht frei. Es schien so, als ob sie beide Zeit brauchten, um Wunden heilen zu lassen.

Sie hatte ihn neugierig gemacht, aber er würde diesen Gedanken nicht weiter nachgehen. Er war nicht hierhergekommen, um neue Freundschaften zu knüpfen, und auch nicht, um sich auf eine Affäre einzulassen. Nein, er war hier, um wieder zu sich selbst zu finden und seinen Kopf klarzubekommen.

Manchmal hatte er das Gefühl, als ob er nach irgendeiner verrückten Pfeife tanzen würde. Er brauchte eine Auszeit und einen Ausweg aus der Hektik seines Lebens, die nie nachzulassen schien. Oh, er hatte in der Vergangenheit manchmal Zeit für sich gefunden, aber es war nie genug gewesen. Es gab immer etwas zu tun, Freunde wollten sich mit ihm treffen … kurzum, er führte ein erfülltes Leben. Etwas zu erfüllt. Mit einem großen klaffenden Loch darin, für das seine Exfrau Stella verantwortlich war, die vor Gericht das Sorgerecht für ihre gemeinsame Tochter Regina gewonnen hatte.

Von Stella geschieden zu sein war letztendlich erleichternd, wenn auch ein bitterer Beigeschmack mitschwang. Er wünschte sich nur, das Gericht hätte sich nicht auf Stellas Seite gestellt, als sie darauf gepocht hatte, dass ein junges Mädchen seine Mutter brauchte und nicht den Vater. Das hatte er nicht erwartet, und der Schmerz und das Bedauern darüber brachten ihn fast um.

Vielleicht hatte Brian, sein Manager, sogar recht damit, als er meinte, Rory würde mit seinem Umzug nur davonlaufen wollen. Davonzulaufen hatte ihm allerdings schon einmal gute Dienste geleistet, und vielleicht half es ihm ja auch diesmal wieder. Falls nicht, konnte er in einigen Monaten wieder zurück nach Nashville gehen und sein altes Leben wieder aufnehmen.

Diese innere Leere empfand er schon seit einer Weile, und ständig unterwegs und auf Trab zu sein war nicht das Leben, das er sich wünschte. Er musste wieder zu seiner Musik finden – zu der Musik, die ihm Ziel und Sinn im Leben gegeben hatte. Falls er das nicht tat, käme er sich vor wie ein Schwindler.

Er hielt inne und lauschte dem Wind. Er hatte eine eigene Musik, und es hatte Zeiten gegeben, da hatte der Wind ihm kreative Impulse gegeben. Aber nach ein paar Minuten gab er auf. Er hörte nichts in seinem Seufzen. Noch nicht! 

Abby sah, wie Rory McLane zurückkehrte. Sie hatte am Morgen eine Lasagne zubereitet, weil sie dachte, sie könnte sie in den Backofen schieben, wann immer Rory McLane essen wollte, aber er hatte ihr vorhin gesagt, dass er dann essen würde, wann es ihm gefiel. Aber wann war dieser Zeitpunkt? Sie hatte keine Ahnung, was sie jetzt tun sollte.

Grundsätzlich hatte er ihr freie Hand gelassen, zu tun, was immer sie wollte. Vielleicht war ihm nicht klar, wie schwierig das für sie war. Sie war sich bewusst, wie großzügig sie bezahlt wurde, und hatte das Gefühl, sie müsste sich dieses Geld auch verdienen. Teil ihres Jobs war, für das leibliche Wohl dieses Mannes zu sorgen, was dieser aber offensichtlich nicht wollte, zumindest nicht in einer regelmäßigen Form.

Das rief Unbehagen in ihr hervor. Schließlich beschloss sie, dass sie selbst etwas essen musste, ob er es nun tat oder nicht, also schob sie die Lasagne in den Backofen. Sie würde ein kleines Stück für sich selbst nehmen und dann den Rest in einzelne Portionen schneiden, sodass er sie leicht aufwärmen konnte. Etwas anderes fiel ihr nicht ein.

Autor