Heiß wie die Sonne über der Savanne

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Eine Safari? Überrascht nimmt Modedesignerin Sierra die Einladung nach Afrika von ihrem Jugendfreund Prinz Dante an. Natürlich nur, um an seiner Seite für den Schutz der Natur zu werben. Doch schon bald brennt ungeahnte Leidenschaft zwischen ihnen – so sengend heiß wie die Sonne über der Savanne. Aber auch, wenn Sierra sich immer mehr nach Dantes sinnlichen Zärtlichkeiten verzehrt, fürchtet sie: Ihre Liebe hat keine Zukunft! Als Thronfolger braucht er eine standesgemäße Ehefrau, die ihm einen Erben schenkt. Trotzdem kann sie ihm nicht widerstehen …


  • Erscheinungstag 11.06.2024
  • Bandnummer 122024
  • ISBN / Artikelnummer 0800240012
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

Prinz Dante Angilera schritt den weitläufigen Korridor im Nordflügel des Hauptschlosses entlang. Maman hatte ihn noch vor dem Morgengrauen wissen lassen, er möge in aller Früh zu ihr kommen, wenn sie auf der Terrasse des nördlichen Gartens frühstücke. Von der Terrasse aus hatte man einen wunderbaren Blick auf die majestätischen Berge von Nocera, dem Inselreich, das Dante einmal erben würde.

Er wusste, warum sie ihn sprechen wollte, und die Angst legte sich ihm schwer auf die Brust. Sein Vater, der König, klagte schon seit einer Woche über Herzbeschwerden. Die Ärzte waren besorgt gewesen, aber nicht alarmiert.

Noch nicht.

Dante fand Maman auf der Terrasse vor. Sie trank Tee aus einer Tasse aus feinstem Porzellan, scrollte hastig durch ihr Tablet und machte sich Notizen in ihrem in Leder gebundenem Notizbuch.

Als sie den Kopf hob und Dante kommen sah, schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln. Mit ihrer Teetasse deutete sie auf den Stuhl neben sich und gab Vito, ihrem vertrauten Butler, die Anweisung, ihrem Sohn einen Espresso zu bringen.

„Wie geht es Papa heute Morgen?“, fragte Dante.

„Unverändert. Aber jetzt fängt er auch noch an, sich zu langweilen.“

Dante zuckte mit den Schultern. „Bevor die Ärzte seinen Zustand nicht unter Kontrolle haben, darf er sich auf keinen Fall anstrengen.“

„Und damit komme ich zu dem Grund, warum ich dich zu mir gerufen habe.“

Dante musste nicht lange raten. „Deine und Papas Reise, auf der ihr für eure Stiftung zum Schutz der Natur werben wollt. Die wird man jetzt wohl absagen müssen.“

„Ich will sie aber nicht absagen, mein lieber Sohn.“

Dante musste sie gar nicht erst fragen, ob sie allein fahren wolle. Er kannte seine Mutter. Nie würde sie seinen Vater in solch einer Situation allein lassen. Dantes Eltern waren die seltene Ausnahme, was arrangierte Ehen betraf. Die beiden liebten sich von ganzem Herzen. Dantes eigene Ehe war von Anfang an eine Fehlentscheidung gewesen. Eine Fehlentscheidung, die in einer Katastrophe geendet hatte.

„Und was …?“ Langsam dämmerte es ihm. „Du möchtest, dass ich an deiner Stelle auf die Safari gehe?“

Sie nickte. „Es ist das Einzige, was Sinn macht. Wir mussten diese Reise schon einmal verschieben.“ Seine Mutter spielte auf den Unfall von vor zwei Jahren an, bei dem seine Frau ums Leben gekommen war. Sie wäre die künftige Königin gewesen.

In den Zeitungen des Königreichs waren seine Ehe und der Unfall immer noch ein nicht enden wollendes Thema. Irgendwann hatten sie in ihm den immerfort trauernden Witwer gesehen. Alle glaubten, er hätte nicht nur aus Pflicht, sondern auch aus Liebe geheiratet.

Wenn sie wüssten!

Die Wahrheit war, dass Dante als Ehemann versagt hatte. Seine Frau war unglücklich gewesen. Vielleicht hatte sie erraten, dass er bei dieser Verbindung nicht mit dem Herzen dabei war.

Vor Dantes innerem Auge tauchte ein lächelndes Gesicht mit strahlend braunen Augen und goldbrauner Haut auf. Er verdrängte es. Es hatte keinen Sinn, jetzt über all das nachzugrübeln, auch wenn seine Schuldgefühle ihn für den Rest seines Lebens verfolgen würden.

Die Reise würde seinen Terminkalender ganz schön durcheinanderbringen. Einiges konnte er sicher auch von einem fernen Winkel Afrikas aus erledigen, aber es würde nicht einfach werden. Er seufzte resigniert.

„Also gut. Ich werde alles regeln. Sag Vito bitte, er möchte mir meinen Espresso in mein Büro bringen.“

Dante wollte aufstehen, als er den Gesichtsausdruck seiner Mutter sah. „Wieso habe ich den Eindruck, dass da noch etwas ist?“ Etwas, das ihm mit Sicherheit nicht gefallen würde.

„Dein Vater und ich haben beschlossen, dass nicht nur der Kronprinz Nocera auf einer solchen Reise repräsentieren sollte.“

„Ich werde nicht allein fahren?“

Sie schüttelte den Kopf. „Denk darüber nach, Lieber. Viele dieser Besuche beinhalten Zeremonien, Meetings und formelle Empfänge. Du wirst eine hervorragende weibliche Begleitung benötigen, um die Delegation zu vervollständigen. Jemanden, der in der Vergangenheit im Palast gearbeitet hat und den Namen Angilera mit Würde repräsentiert.“

Bei den Worten seiner Mutter schrillten bei Dante alle Alarmglocken.

Maman sprach von ihrem Patenkind, einer Frau, die er seit seiner Kindheit kannte.

Nein, das konnte nicht sein. Sie meinte doch nicht wohl nicht …

Der Name, den seine Mutter aussprach, war der letzte, den er hören wollte. Wieder tauchte das lächelnde Gesicht vor seinen Augen auf. Und dieses Mal konnte er es nicht verdrängen.

„Mit dem hier hast du dich selbst übertroffen.“ Die Stimme erklang über Sierras Kopf, die gerade noch etwas am Saum des Cocktailkleides richtete.

Camille gehörte zu den Models, mit denen Sierra am liebsten zusammenarbeitete. Die beiden Frauen hatten sich angefreundet, nachdem Sierra als Zeichnerin angestellt und vor Kurzem zur stellvertretenden Bekleidungsdesignerin avanciert war.

„Danke“, antwortete sie, erhob sich und dehnte ihren schmerzenden Rücken. Fast die ganze Nacht hatte sie über den Tisch gebeugt gearbeitet. Jetzt protestierten ihre Muskeln.

„Fertig“, erwiderte sie. Etliche andere Entwürfe warteten noch darauf, ausgeführt zu werden. Nur wusste sie nicht, wann ihr dazu etwas einfallen würde. Länger als sie sich eingestehen wollte, hatte sie schon eine kreative Blockade. Ihr fiel nichts ein, was ihr einen Entwurf auf dem Papier wert schien, geschweige denn interessant genug, um Stoffe dafür zuzuschneiden.

Obendrein war da noch etwas, das sie beschäftigte. Was sollte sie ihrer Patin, Ihrer Majestät Naila Angilera, der Königin von Nocera, antworten?

Die Königin wünschte, sie zu sehen. Sierra hatte nicht die leiseste Ahnung warum. Sie musste aber eine neue Kollektion vorbereiten, und es fiel ihr nichts ein. Dabei wollte sie dem renommiertesten Modehaus New Yorks unbedingt zeigen, dass sie liefern konnte.

Außerdem kam Nocera ihr vor wie ein Ort aus einer anderen Welt, einem anderen Leben. Abgesehen von sporadischen Anrufen ihrer viel beschäftigten Eltern dachte sie kaum noch an ihr früheres Leben in dem winzigen Inselkönigreich.

Genau, stichelte eine quälende innere Stimme. Als ob ihr Zögern, wieder einmal in ihre alte Heimat zu reisen, nichts damit zu tun hätte, dass sie dann riskierte, ihn wiederzusehen. Kronprinz Dante Angilera, der verwitwete Ehemann ihrer einstmals besten Freundin.

„Was ist los?“, fragte Camille und betrachtete sie mit kritischem Blick. „Du bekommst Falten, wenn du weiterhin so ein Gesicht machst.“

Sierra seufzte und rieb sich den Haaransatz, als könnte sie so die Falten ausbügeln.

„Ich habe nur den Kopf so voll.“

„Sag bitte, dass dabei ein großer, dunkler und attraktiver Jemand eine Rolle spielt, von dem du mir noch erzählen musst.“

Sierra kicherte. „Nicht ganz.“

Obwohl Camille mit ihrer Bemerkung mehr ins Schwarze getroffen hatte, als sie zugeben wollte. Die Wahrheit war, dass Sierra, obwohl ihre Kolleginnen immer wieder versuchten, Dates für sie zu arrangieren, nicht viele Dates hatte. Eigentlich gar keine.

Ihr Job forderte sie zu sehr, beanspruchte all ihre Energie und Zeit. Sie weigerte sich, vielleicht einen anderen Grund dafür in Betracht zu ziehen.

„Der Freund meines Cousins hat gerade mit seiner Freundin …“

„Danke, nein“, unterbrach Sierra sie.

Camilla begann, vorsichtig das Kleid wieder auszuziehen. „Na gut, falls du deine Meinung ändern solltest …“

„Natürlich“, antwortete Sierra lächelnd.

Camille zog sich das knapp geschnittene Tank Top über, schlüpfte in ihre engen Jeans-Leggins und ging, nicht ohne Sierra zuvor noch eine Kusshand zuzuwerfen.

Sierra hatte einfach kein Interesse an einer romantischen Geschichte. Ihre Freundin hatte sich verliebt und einen echten Prinzen geheiratet, aber was hatte es ihr am Ende gebracht?

Sierras Augen brannten. Aber verdammt, es gab nichts, weswegen sie sich hätte schuldig fühlen müssen. Gefühle und Gedanken, die sie nie gezeigt hatte, konnten einem doch nicht vorgeworfen werden.

Warum war ihr dann aber das Herz so schwer?

Jemand hinter ihr räusperte sich. Sie holte tief Luft und bemühte sich, ihre Stimme fest klingen zu lassen.

„Du bist wieder da. Möchtest du das Kleid noch einmal anprobieren?“

Es dauerte etwas, dann erhielt sie eine Antwort. „Ich glaube, das ist nicht so meine Farbe. Ein wenig zu pastellig.“ Eine tiefe, männliche Stimme hatte hinter ihr gesprochen.

Sierra stockte der Atem. Das konnte nicht sein.

Aber dann stieg ihr der Duft nach Minze und Sandelholz in die Nase, und Sierra wusste, dass die Fantasie ihr keinen Streich spielte.

Diese Stimme und diesen Duft würde sie überall wiedererkennen.

„Hey, Sisi.“

Bei diesen zwei Worten verflog auch noch der letzte Rest von Zweifel. Nur ein einziger Mensch hatte sie je so genannt.

Dante bekam fast ein schlechtes Gewissen, als Sierra herumfuhr und ihn mit großen Augen erschrocken anstarrte.

„Dante! Was machst du denn hier?“

Noch bevor er antworten konnte, unterbrach sie ihn mit einer Handbewegung.

„Ich denke, weil ich der Königin nicht sofort geantwortet habe, schickt sie mir jetzt ihren Sohn“, beantwortete sie selbst ihre Frage.

Sierra schien noch dieselbe zu sein, und kam ihm doch auch verändert vor. Sie sah reifer aus, aber immer noch so schön, wie er sie in Erinnerung hatte. Sie trug ihr Haar glatt. Die seidigen kastanienbraunen Strähnen fielen ihr bis auf die Schultern, und ihre haselnussfarbenen Augen strahlten noch genauso wie früher.

„Im Gegenteil“, erwiderte er. „Keiner schickt mich. Ich bin aus eigenem Willen hier.“

Er machte einen Schritt auf sie zu. Ihr vertrauter Duft nach Vanille und Rosen kitzelte seine Nase. „Hättest du mich denn empfangen, wenn ich meinen Besuch angekündigt hätte?“

Ihre Antwort kam prompt. „Nein.“

„Das habe ich mir gedacht.“

„Ich hätte die E-Mails Ihrer Hoheit schon noch rechtzeitig beantwortet. Du hättest deswegen nicht um die halbe Welt fliegen müssen.“

Dante zuckte mit den Schultern. „Mag sein. Aber dich persönlich zu treffen war das Mindeste, das ich tun konnte. Schließlich sind wir es, die dich um einen Gefallen bitten.“

Sie musste sichtlich schlucken. „Gefallen? Welchen Gefallen?“

Dante sah sich im Raum um. Mehrere Frauen waren dabei, sich auszuziehen, Kleiderständer wurden von einem Ende des Raums zum anderen gerollt, ein Techno-Song dröhnte im Hintergrund.

„Könnten wir das vielleicht unter vier Augen besprechen?“

Sierra reckte herausfordernd das Kinn. „Was du zu sagen hast, kannst du auch hier sagen.“

Er hätte es wissen müssen. Sierra war … na ja, sie war eben Sierra. Unwillkürlich verglich er sie mit seiner früheren Frau. Wo Rula immer sanft und leise gewesen war, war Sierra direkt und geradeheraus. Sie nahm kein Blatt vor den Mund, wenn sie ihren Standpunkt deutlich machen wollte. Und sie war oft so eigensinnig. So furchtbar eigensinnig.

„Es ist kurz nach zwölf. Du kannst jetzt doch sicher in die Mittagspause gehen.“

„Ich habe eine Menge zu tun, Dante.“

Er konnte auch eigensinnig sein. „Es wird nicht lange dauern. Glaub mir, wir müssen reden.“

Sie presste die Lippen aufeinander. „Also gut.“

Er ließ erleichtert die Schultern sinken. „Prima. Ich habe eine Suite im Ritz gebucht. Wir können dort essen. Draußen wartet ein Wagen.“

„Also gut“, wiederholte sie. „Aber vergiss nicht, ich bin nur bereit, dich anzuhören, weil es eigentlich die Königin ist, die etwas von mir will.“

Daran zweifelte er keine Sekunde. Die Königin hatte schon immer großen Einfluss auf Sierra gehabt. Dante konnte nur hoffen, dass das sich nicht geändert hatte.

Minuten später kamen sie im Hotel an und nahmen den privaten Aufzug ins oberste Stockwerk.

Dante konnte sich nicht erinnern, wann er und Sierra das letzte Mal miteinander allein gewesen waren. Ihr vertrauter Duft ließ seine Sinne völlig verrücktspielen.

Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er in diesem Duft Trost gefunden. Das war, bevor die Umstände und das Schicksal ihn die Freundschaft der einzigen Frau gekostet hatten, die ihn wirklich als den Menschen kannte, der er war.

Als sie den obersten Stock erreichten, führte er sie zu einer Essecke, wo bereits ein Tisch mit glänzendem Silberbesteck und feinem Porzellan für sie gedeckt war. Sofort erschien ein Kellner mit einem Servierwagen voller Platten mit dampfendem Essen.

Dante zog einen Stuhl für Sierra heran und setzte sich dann neben sie, während der Kellner ihnen das Essen servierte.

„Worum geht es hier eigentlich?“, fragte Sierra, kaum dass der Mann verschwunden war. Dem gefüllten Hummer auf ihrem Teller hatte sie kaum einen Blick geschenkt.

Dante holte tief Luft. „Vor einiger Zeit wurde der Plan gefasst, dass der König und die Königin verschiedene Orte besuchen, um auf die Stiftung meiner Mutter aufmerksam zu machen.“

Sierra nickte und biss in ihr Baguettebrötchen. „Schutz der Umwelt und der Tiere.“

Dante nickte. „Richtig. Die Tour sollte dazu dienen, die vielen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Menschen umweltbewusst …“

„Das weiß ich doch alles, Dante“, meinte Sierra ungeduldig.

Besser, ich spucke es gleich aus, dachte Dante. „Nur können sie jetzt nicht reisen. Stattdessen werde ich an ihrer Stelle fahren.“

„Verstehe. Und was hat das alles mit mir zu tun?“

„Die Königin sähe es lieber, wenn ich nicht allein fahre. Sie glaubt, dass ich jemanden brauche, der mich begleitet. Vorzugsweise eine weibliche Person, jemand, der Nocera repräsentieren kann. Eine echte Tochter des Königreichs.“

Wieder machte Sierra große Augen bei seinen Worten. Sie sah aus, als wüsste sie nicht, ob sie das Stück Brot in ihrem Mund hinunterschlucken oder ausspucken sollte. Zum Glück entschied sie sich für Ersteres.

„Du willst mir jetzt aber nicht vorschlagen, was ich glaube, das du mir vorschlagen willst.“

Es blieb ihm nichts anderes übrig, als zu sagen, weswegen er den ganzen Weg nach New York auf sich genommen hatte. „Die Königin denkt, dass du diese Person sein solltest, Sisi. Wir bitten dich, mich zu begleiten.“

Sierra bekam einen trockenen Mund und ließ ihr halb aufgegessenes Brötchen auf den Tisch fallen. Sie musste Dante falsch verstanden haben. „Sorry, aber ich könnte schwören, du hast gerade gesagt, ich soll dich im Auftrag des königlichen Paares auf einer Art offiziellen Reise begleiten.“

Dante presste nur die Lippen zusammen und starrte sie weiter an. Sierra musste ihren ganzen Willen aufbieten, um bei dieser Unverfrorenheit ruhig zu bleiben.

So gelassen wie möglich schob sie ihren Stuhl zurück und stand auf. „Es scheint, Sie haben Ihre Zeit verschwendet, Prinz Dante. Vielleicht können Sie das ja durch eine Sightseeing-Tour wettmachen.“

Dante seufzte tief. „Ich nehme an, das heißt nein.“

„Und dabei bleibt es auch, fürchte ich. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest.“ Sie hatte kaum ein paar Schritte gemacht, da war er auch schon an ihrer Seite. Lange Finger umfassten sanft ihren Ellbogen.

„Lass mich aussprechen, Sierra. Das ist alles, was ich will.“

„Warum?“

Er legte den Kopf schief und trat einen Schritt näher. Sein vertrautes Eau de Cologne führte sie zurück in eine Vergangenheit, an die sie lieber nicht denken wollte. So viel war seitdem geschehen. Und sie konnte es sich nicht erlauben, es zu vergessen.

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, antwortete Dante: „Um der alten Zeiten willen?“

Sierra fühlte, wie sich bei seinen Worten alles in ihr sträubte. „Was soll das heißen?“

„Wäre es denn so schlimm, mit mir zu verreisen?“

„Glaub mir, du willst nicht wirklich, dass ich dir diese Frage beantworte.“ Sie auch nicht. Weil sie noch nicht einmal darüber nachdenken wollte. Mit ihm um die halbe Welt fliegen … ihn jeden Tag sehen. Das Problem war einfach, dass es wahrscheinlich gar nicht schlecht sein würde. Nicht im Geringsten. Und sie es deswegen nicht tun konnte.

Er ließ sie los, kniff sich in die Nasenwurzel. „Wir waren einmal Freunde, Sierra. Enge Freunde.“

Sie lachte leise. „Stimmt. Deshalb höre ich jetzt von dir. Nach all diesen Monaten. Weil du mich brauchst. Weil ich etwas für dich tun soll.“ Das letzte Mal, dass sie miteinander gesprochen hatten, war bei Rulas Beerdigung gewesen.

Er zog die Augenbrauen hoch. „Hättest du gerne von mir gehört?“

Verdammt noch mal, die Antwort auf diese Frage tat nichts zur Sache. Es ging doch darum, dass er in dieser Hinsicht nicht das Geringste unternommen hatte.

Er stieß langsam die Luft aus. „Geh nicht. Iss wenigstens zu Ende.“

„Nein danke. Ich scheine den Appetit verloren zu haben.“

„Es war die Idee der Königin. Hast du erwartet, dass ich mich ihrem Wunsch verweigere?“

„Ich hätte erwartet, dass du versuchst, sie zur Einsicht zu bringen.“

„Sie hat schlagkräftige Argumente. Du bist eine Tochter von Nocera. Du hast für die Königin gearbeitet. Und ein Teil deiner Arbeit betraf genau die Stiftung, die wir mit dieser Reise unterstützen.“

„Trotzdem hättest du sie davon überzeugen sollen, dass es eine schlechte Idee war, Dante.“

Er lachte auf. „Du bist wirklich schon zu lange fort, wenn du glaubst, dass das bei Maman funktioniert hätte.“

Sie streckte den rechten Zeigefinger aus und stieß ihn Dante fast gegen die Brust. „Zu schade, dass meine liebe Freundin nicht mehr hier ist, um dich auf solchen Reisen zu begleiten.“

Als er sichtlich zusammenzuckte, stiegen Schuldgefühle in ihr auf. Es war ein Schlag unter die Gürtellinie. Dante war vielleicht nicht der Ehemann gewesen, den Rula gebraucht hätte, aber niemand konnte für den Autounfall verantwortlich gemacht werden, bei dem sie ums Leben gekommen war. Rula ganz allein hatte die Entscheidung getroffen, spät in der Nacht in einem fremden Land ohne Bodyguards mit dem Auto zu fahren. Niemand wusste, warum sie sich zu dieser Fahrt entschlossen hatte. Sierra nahm an, dass sie einfach einmal weggewollt hatte. Offenbar hatte sie etwas Zeit für sich gebraucht, weit ab von den Forderungen, die an sie als zukünftige Königin gestellt worden waren. Auf jeden Fall aber war es leichtsinnig von ihr gewesen. Und die spontane Fahrt hatte sie schließlich das Leben gekostet.

Dante wandte sich von ihr ab. „Denk einfach mal darüber nach, Sisi. Das ist alles, worum ich dich bitte. Ich werde bis morgen Nachmittag hier sein.“ Er ging zum Aufzug. „Stuart wird dich hinausbegleiten.“

Unten auf der Straße wartete der Wagen auf sie. Der Fahrer stand neben der geöffneten Beifahrertür.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein danke, ich gehe lieber zu Fuß und schnappe ein wenig frische Luft.“

Ohne auf die Richtung zu achten, eilte Sierra den Bürgersteig entlang. In ihrem Kopf herrschte ein Durcheinander von Gedanken, in ihrem Herzen ein Durcheinander von Gefühlen.

Der Mann hatte vielleicht Nerven! Sie durch sein bloßes Auftauchen im Studio so zu erschrecken und dann auch noch eine derartige Bitte an sie zu richten. Was dachte er sich dabei? Er hätte von vornherein wissen müssen, dass ihre Antwort ein klares Nein sein würde.

Warum war er also unangekündigt hier aufgetaucht? Dante war nicht spontan und impulsiv. Es musste etwas geben, das er ihr nicht gesagt hatte.

Sie dachte immer noch über diese Frage nach, als sie feststellte, dass sie gerade den Central Park betrat. Dieser Ort half ihr immer, einen klaren Kopf zu bekommen. Und es funktionierte auch dieses Mal. Die frische Luft und all das Grün um sie herum lenkten sie von dem Aufruhr ihrer Gefühle ab.

Eine Frage rumorte in ihrem Hinterkopf. Dante hatte nicht gesagt, warum das Königspaar die Reise nicht antreten konnte. Etwas musste passiert sein.

Sicher, sie könnte die Königin persönlich anrufen. Doch dann würde sie sich den Überredungskünsten Ihrer Majestät aussetzen, und sie glaubte nicht, dass sie dafür im Moment die nötige Geduld aufbrachte. Jemand anderes fiel ihr ein.

Eine Frau, die Sierra noch dazu als ihre Freundin betrachtete.

Sie zog ihr Handy hervor, und Perna antwortete bereits nach dem ersten Klingeln. Nach einigen Höflichkeitsfloskeln erhielt Sierra schließlich die Antwort auf ihre Frage, und das Herz wurde ihr schwer. Sie ging zur nächsten Bank.

„Wir versuchen, es geheim zu halten, bis die Ärzte Genaueres über seinen Zustand sagen können.“

„Danke, Perna“, sagte Sierra und beendete das Gespräch. Anschließend zog sie die Karte hervor, die Dantes Mitarbeiter ihr im Aufzug überreicht hatte. Einen Moment lang starrte sie sie einfach nur an.

Dann atmete sie noch einmal tief durch und tippte die Nummer ein.

2. KAPITEL

Drei Wochen später

Sierra schloss ihren Koffer und verstaute ihn in dem riesigen Wandschrank ihres noch riesigeren Zimmers. Es fühlte sich seltsam an, wieder auf Schloss Angilera zu sein. Zahllose Tage hatte sie als Kind hier verbracht, hatte mit Dante in den königlichen Gärten Verstecken gespielt. Dieses Schloss war so etwas wie ihr zweites Zuhause gewesen. Aber warum fühlte sie sich hier jetzt wie eine Fremde?

Ein dreimaliges Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken.

Sie musste nicht lange raten, um zu wissen, dass es Dante war. Er klopfte immer dreimal, mit einer leichten Verzögerung vor dem dritten Mal. Komisch, wie solche Kleinigkeiten einem im Gedächtnis blieben. Andererseits besaß sie etliche Erinnerungen an Dante, von denen einige dazu neigten, zu den unpassendsten Zeiten in ihr aufzusteigen. Sierra seufzte. Angesichts der gemeinsamen Reise sah es so aus, als würde sie ihrer Sammlung noch einige Erinnerungen hinzufügen.

„Herein.“

Er trat ein. Bei seinem Anblick bekam Sierra fast weiche Knie. Wie es schien, kam er gerade von irgendeinem festlichen Event. Er trug eine taillierte Jacke mit dem Wappen des Hauses Angilera. Unterhalb des Wappens glänzten eine Menge Orden.

„Ich bin froh, dass du es hierher geschafft hast. Tut mir leid, dass ich nicht da war, um dich zu begrüßen. Ich musste zu der Vereidigung eines neuen Ministers.“

„Wie geht es deinem Vater?“, fragte sie.

„Keine Veränderung.“

„Du hättest mich gleich am ersten Tag über seinen Zustand informieren sollen.“

Er trat einen weiteren Schritt ins Zimmer und sah sie mit seinen stahlgrauen Augen unverwandt an. Augen, in denen eine Frau sich verlieren konnte. „Ich wollte dich nicht beeinflussen. Ich hoffte, ich könnte dich auch so überzeugen.“

„Dass ich meine Meinung geändert habe, hat mehr mit meiner Sorge um meinen Paten zu tun.“

Er nickte. „Wie auch immer, ich hätte wissen müssen, dass du die ganze Wahrheit herausfinden würdest.“

„Wir brechen also in zwei Tagen auf?“

„Richtig. Am Donnerstagnachmittag sollten wir Valhali erreichen. Es ist ein kleines unabhängiges Land im Süden Afrikas, an der Grenze zu Botswana. Der Premierminister und seine Frau werden uns dort empfangen und zur Melekhanna Lodge bringen.“

„Von wo aus wir am nächsten Tag zu einer Safari aufbrechen werden.“

„Wieder richtig.“

Eine Safari in Afrika, das klang so abenteuerlich und exotisch. Tatsächlich hatte Sierra nie daran gedacht, je diesen Teil der Welt zu besuchen. Jetzt, wo sie kurz davor war, es zu tun, konnte sie eine gewisse Aufgeregtheit nicht leugnen. Trotz des eventuell drohenden Desasters hinsichtlich der Begleitung, mit der sie sich auf diese Reise begab.

Am besten war es wohl, wenn sie für eine sichere Distanz zwischen ihr und Dante sorgte. Bestimmt würden sie auch die meiste Zeit von anderen Menschen umgeben sein. Es war ja nicht so, als marschierten sie auf eigene Faust durch die afrikanische Savanne.

„Zwei örtliche Journalisten werden uns von Anfang an begleiten“, teilte Dante ihr mit. „Ein paar Tage später wird sich eine Schar Journalisten aus der ganzen Welt anschließen, um über die Pressekonferenz und das Treffen mit den lokalen Umweltschützern zu berichten.“

Autor

Nina Singh
Nina Singh lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und einem sehr temperamentvollen Yorkshire am Rande Bostons, Massachusetts. Nach Jahren in der Unternehmenswelt hat sie sich schließlich entschieden, dem Rat von Freunden und Familie zu folgen, und „dieses Schreiben doch mal zu probieren“. Es war die beste Entscheidung ihres Lebens. Wenn...
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