Historical Exklusiv Band 105

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SÜSS SINGT FÜR UNS DIE NACHTIGALL von PAULA MARSHALL
Aus Furcht um ihr Fürstentum stellt sich Duchesse Cecilia unter den Schutz von Heerführer Marco Rinaldi. Seine Truppen sollen die Grenzen ihres Stadtstaates sichern – doch bald braucht Celias Herz Schutz vor Marcos unwiderstehlichem Charme!

VERLIEBT IN DEN GÜNSTLING DER KRONE von JUNE FRANCIS
England, 1526. Nie hat Rebecca den attraktiven Nachbarsjungen Phillip Hurst vergessen, den es zur Bühne zog. Als eine Intrige sie Jahre später zwingt, mit Phillips Schauspieltruppe zu reisen, lodern die Flammen der Leidenschaft zwischen ihnen hoch. Aber sind seine Gefühle tief genug, um für Rebecca auf das unstete Künstlerleben zu verzichten?


  • Erscheinungstag 20.06.2023
  • Bandnummer 105
  • ISBN / Artikelnummer 0859230105
  • Seitenanzahl 512

Leseprobe

Paula Marshall, June Francis

HISTORICAL EXKLUSIV BAND 105

1. KAPITEL

Nein, ich habe nicht das geringste Bedürfnis, irgendjemanden zu ehelichen, wie mächtig er auch sein mag, und Ihr könntet mir einen großen Gefallen tun, Messer Beltraffio, wenn Ihr nie wieder mit mir über eine Heirat sprechen würdet. Ihr seid zwar der Kanzler meines Herzogtums, und ich schätze Eure Meinung hoch. Das jedoch ist eine Angelegenheit, bei welcher ich Eure Argumente jederzeit verwerfen werde.“

Cecilia de’ Carisendi, Duchessa von Reggiano, die Letzte ihrer Familie, hatte den Kanzler, mit dem sie sich auch freundschaftlich verbunden fühlte, rufen lassen, um mit ihm über einen am Morgen eingetroffenen Brief des Conte von Burano, Giovanni degli Uberti, zu sprechen. Der Conte unterbreitete darin den Vorschlag – nein, er forderte, die Herzogin möge die Ehe mit ihm schließen, und begründete dieses Ansinnen mit dem Schutz, den er dem kleinen Staat Reggiano inmitten der politischen Wirrnisse in diesen Zeiten zu gewähren in der Lage sei. Das erscheine umso wichtiger, als die mächtigen Stadtstaaten Florenz und Mailand schon lange einen begehrlichen Blick auf Reggiano geworfen und zweifellos bereits geplant hätten, sich das Herzogtum einzuverleiben.

„Die Geschichte lehrt uns“, hatte er am Schluss seines Schreibens noch einmal hervorgehoben, „dass ein Staat, der von einer Frau regiert wird, leider eine nur zu leichte Beute skrupelloser Machtgier wird. Deshalb biete ich Euch im Austausch für Eure Hand meinen Schutz vor all jenen, die Reggiano zu erobern trachten. Solltet Ihr jedoch auf mein Anerbieten nicht eingehen, kann ich für die weitere Unabhängigkeit Eures Herzogtums keinerlei Garantie übernehmen.“

„In diesen letzten Sätzen liegt der Kardinalpunkt seines Anliegens“, sagte Cecilia mit einem spöttischen Lächeln, während sie den Bogen achtlos zur Seite legte. „Es ist nicht zu übersehen, dass der Conte sich Reggiano selbst einverleiben möchte anstelle von Lorenzo de’ Medici, il Magnifico, wie sie ihn auch außerhalb von Florenz nennen. Und er gönnt es auch Francesco Sforza nicht, dem ehemaligen Condottiere, der das Erbe der Visconti in Mailand angetreten hat. Nein, er will Reggiano ohne einen einzigen Schwertstreich erobern, indem er mir mit vagen Drohungen ein Eheversprechen abzupressen versucht. Ich jedoch habe keineswegs die Absicht, mich von irgendjemandem einverleiben zu lassen, und schon gar nicht von einem Mann, der alt genug ist, um mein Vater zu sein. Aus diesem Grunde bin ich fest entschlossen, allen kriegerischen Bedrohungen die Stirn zu bieten, ganz gleich aus welcher Richtung sie auch kommen mögen.“

Der Kanzler zuckte die Schultern. „Wenn Ihr es so wünscht, Euer Gnaden. Ich muss euch jedoch darauf aufmerksam machen, dass der Kommandeur Eurer Garde in einem Alter ist, in welchem ein Mann besser in seinem Bette stirbt, denn auf dem Schlachtfeld. Seine Soldaten sind alle noch zu Zeiten Eures hochverehrten Vaters – möge er in Frieden ruhen“, er bekreuzigte sich flüchtig, „ausgebildet worden und aufgrund ihrer Jahre kaum mehr in der Lage, einen Haufen aufgebrachter Marktweiber zu bändigen, ganz zu schweigen von den kraftstrotzenden Söldnern, die Eure Gegner anwerben werden.

Wenn es Euch ernst ist mit der Absicht, dem Conte von Burano eine Absage zu erteilen, werdet Ihr nicht umhinkönnen, gleichermaßen einen Trupp erfahrener Soldaten mit einem angesehenen Condottiere an der Spitze zu dingen, der bereit ist, unser Land gegen jeden Feind zu verteidigen. Andernfalls bliebe Euch nichts anderes übrig, als das Angebot des Conte wohlwollend in Betracht zu ziehen.“

Beltraffio verneigte sich nach seinen letzten Worten und zog sich dann in eine Fensternische zurück, wie es der Anstand gebot, um nicht den Anschein zu erwecken, dass er die Herzogin zu einer Entscheidung überreden wolle – wenngleich er es nur zu gern getan hätte. Bedauerlicherweise war Cecilia nun einmal weiblichen Geschlechts, wenn auch die Erziehung, die der Vater ihr hatte zuteilwerden lassen, sie mit dem Verstand und der Entschlusskraft eines Mannes ausgestattet hatte.

Aus den Augenwinkeln warf er einen Blick auf seine Herrin und seufzte unhörbar. Hübsch, wohlproportioniert und überdurchschnittlich groß, war sie unübersehbar eine ansehnliche junge Frau. Ihr Obergewand aus schwerem meergrünem Brokat, das über ein Untergewand aus hellgrünem Samt fiel, war einer regierenden Duchessa von Reggiano angemessen. Das üppige goldblonde Haar wurde von einem Netz aus Silberfäden zusammengehalten. Ihre Augen waren so blau wie der Mantel der Muttergottes, und ihr Gesicht glich dem eines Engels, sofern es ein solches Geschöpf irgendwo im Himmel oder auf Erden geben sollte. Die würdevolle Ruhe ihres Auftretens beeindruckte jeden, der ihr gegenüberstehen durfte. Aber trotz ihrer Willensstärke und ihrer Entschlossenheit wäre sie nie in der Lage, ein Heer in die Schlacht zu führen. Und so galt es denn, mit Gottes Hilfe einen erfahrenen Soldaten zu finden, der es an ihrer Stelle tun würde.

„Nun gut“, sagte Cecilia nach einer Weile des Nachdenkens, „dann seht zu, dass Ihr etwas Passendes findet.“

Der Kanzler kam näher und verneigte sich. „Ich fürchte, ich hatte damit gerechnet, dass Ihr Euren gesunden Verstand in dieser Angelegenheit zurate ziehen und meinem Vorschlag beipflichten würdet, Euer Gnaden“, erwiderte er ehrerbietig. „Deshalb habe ich bereits einen berühmten Condottiere eingeladen, unsere Stadt zu besuchen. Er ist bereit, vor Euer Gnaden zu erscheinen, sobald Ihr ihn rufen lasst.“

Einen Herzschlag lang sah Cecilia ihn verblüfft an. Dann lachte sie. „Ihr fürchtet, Messer Beltraffio? Seit wann fürchtet Ihr Euch und insbesondere vor mir? So geht denn also und schafft mir dieses Musterbild so schnell wie möglich herbei. Aber hütet Euch, wenn seine Bedeutung nicht Euern Ankündigungen entspricht!“

„Es gehört zu meinen Aufgaben, Eure Wünsche vorherzusehen, Euer Gnaden. Der Mann und sein stellvertretender Kommandant warten im Vorzimmer. Ich habe ihnen versichert, dass Ihr keine Verzögerung zulassen würdet, so Ihr denn Eure Entscheidung getroffen hättet.“

Wieder musste die Herzogin lachen. „Ihr seid ein schlauer alter Fuchs, mein Lieber. Holt die beiden her. Ich bin begierig zu sehen, wen Ihr da ausfindig gemacht habt.“

Sie beobachtete, wie der alte Mann zur Tür ging, um den Haushofmeister rufen zu lassen. Wie schon ihr Vater, so pflegte auch sie sich mit ihrem Kanzler unter vier Augen zu beraten. Nur bei bedeutenden Staatsangelegenheiten wurde eine Gruppe der Stadtältesten, Rat der Sechs genannt, hinzugezogen. Bis heute aber hatte der Rat der Sechs noch alle ihre gemeinsam mit Beltraffio getroffenen Entscheidungen bestätigt.

„Wollt Ihr mir nicht verraten, wer der Auserwählte ist?“, erkundigte sie sich, während sie auf das Erscheinen des Haushofmeisters warteten.

Der Kanzler gestattete sich ein Lächeln. „Ihr werdet seinen Namen früh genug erfahren, wenn der Haushofmeister den Besucher ankündigt.“ Sein Ton hatte jetzt den Anklang von Neckerei, eine Freiheit, die er sich hin und wieder herausnahm. Schließlich kannte er Cecilia seit ihrer Geburt und hatte in gewisser Weise Vaterstelle an ihr vertreten, nachdem der alte Herzog das Zeitliche gesegnet hatte, als seine Tochter gerade sechzehn Jahre alt geworden war. Jetzt war sie zwanzig und mit einer Überfülle an gesundem Menschenverstand ausgestattet. Auf eine nahezu partnerschaftliche Art teilten sie sich die Regierungsgeschäfte und redeten dabei offen und ungeschminkt miteinander.

Cecilia schüttelte den Kopf. „Eines Tages werdet Ihr selbst für einen treuen Vertrauten zu weit gehen, Messer Beltraffio!“, sagte sie missbilligend. Doch das Lächeln, das um ihre Mundwinkel spielte, verriet, dass der Tadel nicht ernst gemeint war.

„Aber nicht heute, Euer Gnaden“, erwiderte der Kanzler versöhnlich. „Ich glaube, Ihr seid an diesem Gespräch genauso interessiert wie ich.“

Die Herzogin nahm auf dem prächtigen Sessel Platz, der auf einem mit dicken Teppichen belegten Podest stand. Das Ratszimmer spiegelte mit seinen kostbaren Möbeln und den schweren flämischen Wandbehängen den Reichtum des Herzogtums Reggiano, der im umgekehrten Verhältnis zu seiner Größe stand, wider. Dieser Reichtum war es auch, der die Begierde der Nachbarn weckte, von denen der Conte von Burano als bisher Letzter seine räuberischen Absichten enthüllt hatte.

Cecilias Vorfahren hatten schon vor mehr als hundert Jahren dem damaligen Zug der Zeit folgend ein Geschäft mit dem Einwechseln der zahlreichen unterschiedlichen Münzsorten und dem Verleihen von Geld begonnen, denn der Geldhandel brachte noch mehr ein als der aufblühende Handel mit Waren aller Art. Der steigende Bedarf der Fürstenhöfe und bischöflichen Residenzen an Krediten für ihre üppige Hofhaltung veranlassten sie dann später zur Gründung einer der ersten Banken in Oberitalien, das inzwischen zum Zentrum der Finanzgeschäfte geworden war. Auf diese Weise hatte die Familie Carisendi ihr Vermögen und ihren Einfluss gewonnen, die dem berühmten Unternehmen der Medici in Florenz nahezu gleichkamen. In ganz Italien wetteiferten die gekreuzten Dolche des Hauses Carisendi mit den drei Kugeln, dem Kennzeichen der Medici.

Noch während die Herzogin ihre Gedanken in die Vergangenheit schweifen ließ, wurde die Flügeltür von zwei Pagen geöffnet. Der Haushofmeister betrat den Raum und verkündete mit monotoner Stimme: „Der ehrenwerte und berühmte Condottiere Marco Rinaldi und sein Hauptmann Luca de’ Grimaldi ersuchen Euer Gnaden um eine Audienz.“ Dann trat er zur Seite, um den Blick auf die beiden Männer freizugeben, die unmittelbar an der Schwelle stehen geblieben waren, ihre mit reichem Federschmuck verzierten Barette abnahmen und sich ehrfürchtig verneigten.

Neugierig blickte Cecilia auf die beiden Fremden. Einer von ihnen – wahrscheinlich der Hauptmann – verharrte einen halben Schritt hinter dem Größeren, dessen Anblick sie nun zu ihrer Überraschung äußerst verwirrte.

Dieser … dieser hochgewachsene Mann also war der Fuchs von Aquila, wie er allgemein genannt wurde – ein Beiname, der in ganz Italien als ein Synonym für Wagemut und Schlauheit galt? Sie hatte schon des Öfteren von ihm gehört und dieses Namens wegen angenommen, Marco der Fuchs müsse ein kleiner, wendiger Mann sein, vielleicht sogar mit rotem Haar, ähnlich dem Tier, dessen Name ihm gegeben worden war.

Nichts dergleichen! Vor ihr stand das imposanteste männliche Wesen, das ihr je vor Augen gekommen war – größer selbst als der Waffenschmied des Hofes. Sein Haar war alles andere als rot, sondern fast blauschwarz, und die silbergrauen Augen taten ein Übriges, um ihn einem Fuchs so unähnlich wie nur möglich zu machen. Auch sein Gesicht wies keine fuchshaft verschlagene Weichheit auf, sondern hatte harte und kantige Züge. Sein Kinn wirkte wie aus Stein gemeißelt, ebenso seine Nase, und alles zusammen verlieh ihm eine beeindruckende Aura von strotzender Kraft und Befehlsgewalt. Und als ob das noch nicht genug wäre, drückte seine Haltung einen majestätischen Stolz aus, so als sei er ein König oder wenigstens fürstlichen Geblütes, obwohl Gerüchte umgingen, die besagten, dass er, wie der berühmte Sir John Hawkwood, ein Kind englischer Bauern sein sollte.

Nun, wenn er das wirklich ist, dann ähneln die italienischen Bauern den englischen ganz und gar nicht, dachte Cecilia belustigt. Unsere contadini sind weder für eine ungewöhnliche Körpergröße noch für eine königliche Haltung bekannt!

Auch die Kleidung des Capitano war äußerst bemerkenswert, denn sie dokumentierte nun in der Tat durch Farbe und Verzierung die Verbindung zu einem Fuchs. Das schrittlange Wams, das die Männer über zumeist grellfarbigen Beinlingen zu tragen pflegten, war ein wenig länger als gewöhnlich und wies auf goldenem Untergrund eine Fülle rostroter Blüten auf. Die kurzen Stiefel bestanden aus feinem rostrotem Kalbsleder und waren mit Goldfäden verziert, ebenso wie der breite Gurt um seine schmalen Hüften. Der Hauptmann war auf gleiche Weise, wenn auch nicht ganz so kostbar, in den Farben Gold und Rostrot gekleidet, die zugleich die Farben von Rinaldis Truppe waren, wie die Herzogin später erfahren sollte.

Zu Cecilias Verdruss hatte der unerwartete Anblick ihr fürs Erste die Sprache verschlagen, sodass sich eine etwas betretene Stille im Raum ausbreitete. Der Heerführer schien jedoch die Wirkung seines Auftritts gewöhnt zu sein und nahm nun seinerseits ungeniert das Wort. „Euer Kanzler, Eccellenza, hat mir mitgeteilt, dass Ihr daran interessiert seid, mich in Dienst zu nehmen, da Ihr einen Überfall durch Eure mächtigen Nachbarn fürchtet. Wenn ich ihn also richtig verstanden habe, dann bin ich gern bereit, die Bedingungen dafür mit einem Eurer Räte auszuhandeln.“

Für einen Bauern und noch dazu einen englischen ist sein Italienisch ausgezeichnet, dachte Cecilia verwundert, bevor sie erwiderte: „Ihr habt völlig richtig verstanden, Capitano. Der hochedle Carlo di Beltraffio hat Euch zweifellos zutreffend über unsere Situation informiert. Deshalb möchte ich nur noch einmal betonen, dass wir zwar im Augenblick keinen unmittelbaren Angriff zu erwarten haben, jedoch in Anbetracht der schwierigen politischen Verhältnisse jederzeit mit einem Überfall rechnen müssen. Ich bin indessen überzeugt, dass die Nachricht von Eurer Anstellung und die Eurer Männer als meine Privatarmee alle Möchtegern-Invasoren von vornherein abschrecken wird.“

Voller Stolz über ihre staatsmännische Rede, die ihr trotz ihrer Verwirrung ruhig und scheinbar unbeeindruckt über die Lippen gekommen war, warf die Herzogin einen prüfenden Blick auf Beltraffio. Der alte Mann nickte anerkennend.

„Ich verstehe Euern Standpunkt vollkommen, Eccellenza, und hoffe nur, Ihr und Eure Ratgeber habt dabei in Betracht gezogen, dass Euch meine Dienste nicht billig kommen werden“, entgegnete der Fuchs von Aqulia, ohne mit der Wimper zu zucken.

Die Miene, welche er bei diesen Worten aufgesetzt hatte, ärgerte Cecilia fast noch mehr als seine Antwort. Sie konnte sich nicht erklären, warum, aber sie spürte eine gewisse Gereiztheit, die bisher noch kein Mann bei ihr ausgelöst hatte. Vielleicht lag es an der gönnerhaften Herablassung, die in seinem Ton angeklungen war – eine Herablassung, die wohl aus der Tatsache herrührte, dass er selbst ein erfahrener Soldat und sie, obwohl eine Herzogin, eben nur eine Frau war, die seiner Meinung nach davon absehen sollte, ein so reiches Fürstentum wie Reggiano zu regieren.

„Nun, Reggiano ist nicht arm, aber seine Herrscher hatten dennoch nie die Gewohnheit, diejenigen, die in ihre Dienste treten wollten, zu reichlich zu entlohnen“, versetzte sie bissig.

Mit einem leichten Lächeln blickte Rinaldi auf sie hinab. „Das ist eine sehr weise Einstellung von Euch. Ich für meinen Teil bin jedoch immer bestrebt, für meine Dienste den höchstmöglichen Lohn zu erhalten. Damit haben wir also unsere beiderseitigen Positionen geklärt, bevor das Feilschen beginnt. Darf ich vorschlagen, dass wir für den morgigen Tag eine Stunde festlegen, zu welcher ich mit Euern Räten zusammentreffen werde, um mit ihnen zu klären, was beide Partner zufriedenstellt – oder auch nicht. Zu Eurer Kenntnis sei noch gesagt, dass meine Truppe etwa zweitausend Mann zählt und dass ich hoffe, weitere Verstärkung aus Reggiano selbst auszuheben, sofern wir eine Übereinkunft erzielen werden. Außerdem gehe ich davon aus, dass Ihr jemanden ernennen werdet, der mich als Euer Vertreter in die Schlacht begleiten wird, falls es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommen sollte.“

Das klang alles sehr geschäftsmäßig, aber Cecilia wusste, dass eine solche Verhandlung bei der Einstellung von Söldnern und ihrem Anführer üblich war. Von romantischer Ritterlichkeit konnte dabei keine Rede sein. Es war ein einfacher Handel in derselben Art, wie er auch in ihrem Bankhaus oder auf dem Marktplatz der Stadt vonstattenging. Marco der Fuchs schien allein wegen der Existenz des Bankunternehmens mit seinem ansehnlichen Vermögen ein hohes Entgelt für seine Dienste zu erwarten angesichts der Tatsache, dass ihm der Ruf vorauseilte, er sei jederzeit in der Lage, die Erwartungen seiner Dienstherren vollauf zu erfüllen.

Ob es diese Überlegung war oder die Tatsache, dass der Capitano sich so gänzlich unbeeindruckt von ihrer herzoglichen Würde zeigte, konnte Cecilia später nicht mehr sagen, nachdem sie mit beißender Ironie geantwortet hatte: „Und warum habt Ihr dann, Messer Rinaldi, Euch nicht um einen Dienst in Venedig, Florenz oder Mailand beworben? Dort wäre man zweifellos in der Lage, Euch weitaus mehr zu zahlen, als Reggiano es könnte.“

Sie vernahm ein unterdrücktes Aufseufzen ihres Kanzlers über diese herausfordernde Rede und war selbst am meisten davon überrascht. Warum, um alles in der Welt, behandelte sie ihren künftigen Untergebenen in einer so groben Art, die ihn veranlassen konnte, ihr und ihrem Lande sogleich wieder den Rücken zu kehren? Sie hatte doch nichts zu gewinnen, wenn sie ihn auf diese Weise vertrieb. Schließlich wusste sie genauso wie Beltraffio und der Capitano, dass beileibe nicht so viele hervorragende Condottieri beschäftigungslos in Italien umherwanderten, um es sich leisten zu können, einem der Besten den Dienst bei ihr zu verleiden.

Nun, es schien zumindest so, als hätten ihre Worte nicht diese gefürchtete Wirkung gehabt – ganz im Gegenteil. Das Lächeln auf den Lippen des Heerführers vertiefte sich sogar, und es war erstaunlich, welche Veränderung dabei auf seinem herben Gesicht vorging. „Ich bewundere Eure Offenheit, Eccellenza“, sagte er freundlich. „Wenn Ihr diese Gepflogenheit beibehaltet, werden wir gut miteinander auskommen. Im Übrigen haben all die Staaten, die Ihr soeben erwähntet, bereits eine eigene Truppe mit einem namhaften Capitano an der Spitze. Nur Reggiano hat noch keine. Das stimmt doch, nicht wahr, Luca?“, wandte er sich an seinen Begleiter.

Bei dieser Frage verwandelte sich sein Lächeln in ein aufmunterndes Grinsen, das der so Angeredete unerschrocken erwiderte, während er in sachlichem Ton bestätigte: „Es ist in der Tat so, wie Ihr sagt, hochedler Herr.“

Luca de’ Grimaldi, blond und elegant, besaß offensichtlich all jenen leichtblütigen Charme, der seinem Vorgesetzten so gänzlich abging.

„Hochedler Herr?“, wiederholte die Herzogin kopfschüttelnd. Marco der Fuchs schien ihr ständig neue Rätsel aufgeben zu wollen.

„Allerdings, Eccellenza“, erwiderte der Capitano. „Ich besitze im Süden der Toskana eine kleine Stadt, was mir das Recht verleiht, den Titel eines Barons zu tragen. Wenn man die Sache recht betrachtet, bin ich jedoch nur der Herr von kaum mehr als gar nichts.“

Diese Bescheidenheit war angesichts seines vorherigen stolzen und herrischen Auftretens etwas überraschend. Sie verursachte bei dem Kanzler jenes winzige Lächeln, das er Cecilia meist bei seinen kleinen Neckereien schenkte. Offenkundig war er überzeugt, dass Marco der Fuchs seinen Beinamen mit voller Berechtigung trug, und schien darüber hinaus gespannt die Wirkung zu beobachten, die der Capitano auf die sonst so selbstbewusste Herzogin ausübte.

Noch nie zuvor hatte er Cecilia derartig unsicher erlebt, obwohl sie überhaupt keinen Grund dafür hatte. Schon mehrfach war sie mit Fürsten und Herzögen zusammengetroffen und hatte sich dabei bewundernswert behauptet. Und nun kam so ein vom Bauern zum Söldner aufgestiegener Capitano, beraubte sie schon nach wenigen Sätzen ihres sicheren Auftretens und machte sie wieder zu dem scheuen Mädchen, das sie gewesen war, bis ihres Vaters plötzlicher Tod sie von einem Tag zum anderen auf den Thron von Reggiano gehoben hatte. Wenn er einen derartigen Einfluss auf die Herzogin ausübte, dann war der Fuchs von Aquila wahrhaftig eine schlaue Kreatur!

So sah sich der Kanzler denn veranlasst, den weiteren Ablauf der Dinge selbst in die Hand zu nehmen. „Ich schlage vor, Messer Rinaldi, dass wir uns morgen früh wieder treffen“, sagte er würdevoll, „zusammen mit unserem Schatzmeister und dem Commissarius, um die weiteren Einzelheiten festzulegen. Außerdem halte ich es für angebracht, dass Ihr und Eure Truppe, die sich derzeit, soviel mir bekannt ist, im Hof des herzoglichen Palastes aufhält, in dem Castello selbst und in seinen Nebengebäuden Quartier nehmt. Ein Aufenthalt in den Gasthöfen der Stadt würde zu unnötigem Gerede unter den Bürgern führen.“

„Bene.“ Der Capitano verneigte sich zustimmend. „Wir sind außerordentlich erfreut, der Duchessa als Gäste willkommen zu sein, nicht wahr, Luca? Und Gemunkel in der Stadt wäre tatsächlich in diesem Stadium unserer Verhandlungen nicht gut – insbesondere wenn wir nicht zu einer Übereinkunft gelangen sollten. Haben wir diese jedoch erreicht, kann die Umwelt nicht früh genug erfahren, dass ich Euer getreuer Diener bin, Eccellenza.“

„So ist es“, erwiderte Cecilia, und ihre Stimme klang nun wieder etwas fester. Anscheinend hatte sie sich mittlerweile an den Anblick des hochgewachsenen Heerführers gewöhnt. „Mein Haushofmeister wird sich um Eure Unterbringung im Kastell kümmern. Ihr selbst und Euer Hauptmann seid heute Abend an meinen Tisch geladen, wo wir zwanglos weitere Gedanken austauschen können. Eure Männer werden im Wachhaus verpflegt. Die Dienerschaft wird das übernehmen.“

Der Capitano schien diese Worte als eine Art mündlicher Unterschrift unter ein Protokoll zu nehmen, die besagte, die Angelegenheit sei fürs Erste erledigt. Er machte eine höfliche Verbeugung, murmelte: „Immer Euer ergebener Diener“, und folgte in Begleitung seines Hauptmannes dem inzwischen eingetretenen Haushofmeister in den anderen Flügel des Schlosses.

Zurück blieben die beiden wichtigsten Repräsentanten des Herzogtums Reggiano in einem Zustand, der gemischt war aus Überraschung und Besorgnis.

Cecilia nahm als Erste das Wort. „Können wir es wagen, ihm zu vertrauen?“, erkundigte sie sich nachdenklich bei ihrem Kanzler.

„Wahrscheinlich nicht.“ Beltraffio hob bedauernd die Schultern. „Wir wissen ja beide, dass die Anstellung von Söldnern eine heikle Sache ist und dass sie jederzeit bereit sind, ihren derzeitigen Herrn zu verraten, wenn ihnen ein anderer eine bessere Bezahlung bietet. Andererseits gibt es auch Männer unter ihnen wie Hawkwood, auf deren Wort man sich immer verlassen konnte.“

„Hawkwood war Engländer, und dieser Bursche ist es auch“, erwiderte Cecilia. Sie nannte den Capitano absichtlich einen Burschen, um damit den Eindruck zu vermindern, den er auf sie gemacht hatte und der ihr immer noch Unbehagen bereitete.

„Das beweist gar nichts“, war die kurze Antwort Beltraffios.

Für eine Weile herrschte Schweigen. Dann wandte sich der Kanzler mit freundlicher Besorgnis an seine Herrin. „Was ist der Grund, Euer Gnaden, dass Ihr so ungewöhnlich beunruhigt seid?“

„War das derart deutlich erkennbar?“ Die Herzogin stand auf so vertrautem Fuß mit ihm, dass sie nicht nur eine solche Frage stellen, sondern auch eine ehrliche Antwort darauf erwarten konnte.

„Für ihn wahrscheinlich nicht. Aber ich kenne meine Duchessa besser als jeder andere. Also warum?“

Cecilia erhob sich wortlos, ging zum Fenster und blickte in den Hof hinunter, wo der Capitano seine Söldner einwies. „Ich fand ihn einfach erdrückend“, sagte sie schließlich. „Seine Erscheinung ist kaum zu ertragen. Er muss ja mehr als sechs Fuß messen, und er macht den Eindruck, als sei der ganze Mann nur aus Leder, Stahl und Eisen.“

„Nun, Ihr seid doch auch früher schon solchen Männern begegnet – wenn sie vielleicht auch nicht ganz so groß waren.“

„Das schon, aber ich hatte das merkwürdige Gefühl, als ob er mich am liebsten weggeschickt hätte … so, als ob … als ob er gehofft hätte, einen Herzog vorzufinden und nicht eine Herzogin. Obwohl das natürlich Unsinn ist, denn er muss ja gewusst haben, dass Herzog Federigo nicht mehr am Leben ist.“

Beltraffio schwieg, denn er glaubte im Gegensatz zu der Herzogin, den Grund für ihre merkwürdige Reaktion auf den Capitano zu wissen. Cecilia hatte einen festen Charakter und nun zum ersten Male einen Mann getroffen, der genauso stark war wie sie. Das jedoch entzündete, wie der Dichter Giovanni Boccaccio in seinem „Decamerone“ so schön beschrieben hatte, einen Funken zwischen diesen beiden Menschen, der letztlich nur zu einem einzigen Ziel führen musste. Die Herzogin indes konnte das nicht erkennen, denn sie war aufgrund ihrer behüteten Erziehung noch völlig ahnungslos hinsichtlich der Beziehungen zwischen Mann und Frau.

Sie hatte sehr einsam und abgeschlossen gelebt, ohne den geflüsterten Austausch von Erlebnissen zwischen gleichaltrigen Freundinnen, ohne unter verlegenem Kichern abgegebenen Geständnissen. Nie war ihr Blick einem der jungen Männer am Hofe gefolgt. Und so war es nicht verwunderlich, dass eine solch kraftstrotzende Männlichkeit, wie sie der Capitano verkörperte, eine derartige Wirkung auf sie ausgeübt hatte. Es blieb zu hoffen, dass Marco dem Fuchs der Grund für das Verhalten der Herzogin nicht offenkundig geworden war, wenngleich die Aussicht darauf dem Kanzler nicht besonders groß zu sein schien.

Er bekreuzigte sich wie allabendlich und murmelte: „Möge der Allmächtige dem Herzogtum und seiner Herrscherin Segen schenken und sie vor allem Übel bewahren, heute und immerdar.“ Morgen würde er in der Domkirche der Stadt eine Kerze entzünden und das Gebet wiederholen.

„Nun, Capitano, was haltet Ihr von der hochedlen Duchessa Cecilia von Reggiano?“

Marco und sein Hauptmann befanden sich allein in dem großen Raum, den der Haushofmeister ihnen angewiesen hatte, nachdem die Leibgarde des Capitano in den Nebengebäuden an der Rückfront des Palastes zu dessen Zufriedenheit untergebracht worden war. Sie waren damit beschäftigt, ihre abgewetzten ledernen Satteltaschen auszupacken und die darin befindlichen Habseligkeiten in die bemalten Truhen zu legen, die am Fuße der beiden Betten standen. Das Zimmer war zwar nicht üppig, aber umso kostbarer möbliert. Die breiten, mit Intarsien geschmückten Betten trugen auf gedrechselten Säulen Baldachine aus Samt. Die Wände waren mit Gobelins geschmückt. Auf dem Marmorboden lagen dicke Teppiche, und die glühende Kohle in mehreren Becken aus Kupfer würde an kühlen Abenden für ausreichende Wärme sorgen.

„Sie war genau so, wie ich erwartet hatte“, erwiderte Marco mürrisch, während er sich die Stiefel auszog.

„Ist das alles, was du zu sagen hast? Nichts über ihre Schönheit? Oder über ihren Verstand? Das sieht dir gar nicht ähnlich.“ Luca kannte seinen Kommandanten gut genug, um zu wissen, wie weit er mit seinen Neckereien gehen durfte.

„Na ja, sie ist ganz ansehnlich. Aber wieso sprichst du über ihren Verstand? Sicherlich hat sie inzwischen einige Vorstellungen davon, wie ein Herzogtum zu regieren ist, obwohl ich sicher bin, dass sie dabei weitgehend von dem alten Kerl abhängig ist, der neben ihr stand.“

„Ganz ansehnlich! Wenn du sie nur ganz ansehnlich findest, wie bezeichnest du dann all die anderen Frauen in den Straßen von Reggiano oder irgendwo sonst auf der Welt?“

Marco runzelte die Stirn. „Ich bin nicht in Stimmung für ein Schwätzchen. Und der wirkliche Zweck unseres Hierseins ist dir doch hinreichend bekannt. Ob die Herzogin hübsch ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Alles, worum ich dich ersuche, ist, dass du dich heute Abend und auch morgen noch diskret zurückhältst. Ich habe das ungute Gefühl, als wolle die Herzogin uns einen ungünstigen Handel aufnötigen. Im Übrigen hast du vergessen zu erwähnen, dass sie eine hochmütige Person ist. Ich habe das an der Art gemerkt, wie sie mich vom ersten Augenblick an angestarrt hat.“

„Wirklich? Ich habe aus ihrem Benehmen allerdings eine andere Schlussfolgerung gezogen. Aber da dir deine eigene zu behagen scheint, will ich dich nicht davon abbringen.“ Vergnügt pfeifend wühlte Luca in seiner Truhe, um das notwendige Zubehör zu seinem besten Wams zusammenzusuchen, das er an der Abendtafel der Herzogin zu tragen beabsichtigte.

Auch Marco war damit beschäftigt, sich dem gesellschaftlichen Anlass entsprechend anzukleiden. Doch seine Gedanken waren nach wie vor bei dem Gespräch, das er vor kaum einer Stunde mit der Herzogin von Reggiano geführt hatte.

Im Gegensatz zu dem, was er Luca gegenüber geäußert hatte, war der Eindruck, den sie auf ihn gemacht hatte, sehr unerwartet gewesen. Oh, ja, er hatte gewusst, dass sie eine feine Dame sein würde, eine wahre Dame von Adel, die ihn wie einen Emporkömmling, für den sie ihn hielt, behandeln würde, obwohl sie eifrig darauf bedacht war, seine Dienste zu erkaufen. Insoweit war sie genau die Art von Frau, die ihn immer ärgerte – oder beeindruckte. Er war sich nicht sicher, wofür er sich in diesem Falle entscheiden sollte.

Natürlich war ihre Schönheit bemerkenswert, selbst in einem Land wie Italien, das für den Reiz seiner Frauen bekannt war. Und auch ihre kühle Beherrschtheit hatte ihm imponiert. Sie war nicht wie viele Frauen darauf bedacht gewesen, das Wort zu nehmen, sondern hatte mit ihrem Schweigen zum Ausdruck gebracht, dass es ihr gleichgültig war, ob sie selbst oder er zuerst sprechen würde. Dass er mit dieser Deutung ihres Verhaltens gänzlich auf der falschen Fährte war, kam ihm nicht in den Sinn – trotz Lucas entsprechender Andeutung.

Nun gut, er hatte sie zufriedengestellt, indem er als Erster das Wort ergriff, und danach hatte sie ihre herzogliche Würde und seine niedrigere Stellung als ihr möglicher Dienstmann für seinen Geschmack über Gebühr betont. Ja, sie hatte sogar die Stirn besessen, ihn zu verspotten, weil er anscheinend nicht gewillt sei, seine Dienste mächtigeren und reicheren Landesfürsten anzubieten, als sie selbst es war.

Sie war, weiß der Teufel, das hochmütigste Weibsbild, das er je kennengelernt hatte – so wahr er Marco Rinaldi hieß! Allerdings war die Berufung auf die Richtigkeit seines Namens ein Fehlgriff. Doch das änderte nichts an seiner Meinung über die Herzogin. Und es hatte auch keinen Einfluss auf die Ausführung seiner eigentlichen Pläne, wie die hohe Dame bald merken würde.

Aber jetzt noch nicht – und auch nicht heute Abend.

2. KAPITEL

Cecilia liebte offizielle Mahlzeiten überhaupt nicht. Ihrer Meinung nach nahm man Essen am angenehmsten im kleinen privaten Kreis zu sich, vielleicht mit ein paar guten Freunden, während irgendwo im Hintergrund ein Spielmann leise und gefühlvoll die Laute schlug. Außerdem sollten die Speisen so einfach wie möglich sein. Ein gefüllter Pfau zum Beispiel gehörte nur auf eine Tafel, an welcher selbst die auserlesensten Gerichte von geringerer Bedeutung waren als der Anlass dafür, sei er nun diplomatischer oder finanzieller Art.

„Ich nehme an“, hatte sie zu dem Kanzler gesagt, während sie sich in ihre Privatgemächer zurückzogen, „dass es vergebliche Liebesmühe wäre, Messer Rinaldi und seinen Hauptmann mit seltenen Delikatessen zu bewirten. Ich denke nur an jenen Tolentino, der für meinen Vater die Stadt Sidonia zurückerobern sollte und der entsetzt die mit ihren bunten Schwanzfedern geschmückten gebratenen Fasane zurückwies.“

„Tolentino war ein ungebildeter Flegel“, erwiderte Beltraffio. „Ich bin überzeugt, dass der Fuchs aus einem anderen Holz geschnitzt ist. Und sein Hauptmann stammt, wenn ich mich nicht irre, aus einer edlen florentinischen Familie, allerdings aus einem verarmten Zweig.“

Während Cecilia nun im Vorzimmer auf den Capitano und seinen Begleiter wartete, musste sie wieder an diese Unterhaltung denken und fragte sich, wie sich ihr Gast wohl bei diesem Festbankett benehmen würde, das ihre Küche in kürzester Frist zubereitet hatte. Beltraffio war sicher gewesen, dass er ganz anders als Tolentino auftreten würde. Indes …

Ach, was machte sie sich Gedanken um diesen lumpigen Kerl! Er war doch nur einer ihrer vielen Bediensteten, wenn auch ein wichtigerer als die meisten. Um sich abzulenken, wandte sie sich an den Musikanten. „Sing mir ein Lied, Raffaelo, damit die Zeit vergeht, bis Messer Rinaldi geruht zu erscheinen.“

Diese letzte Bemerkung war ungerecht, das wusste sie. Schließlich war der Capitano angewiesen worden zu warten, bis der Haushofmeister ihn holen ließ, und es war deshalb ausschließlich dessen Schuld, wenn es zu einer Verspätung kam. Doch der Sänger hatte kaum die ersten Töne von sich gegeben, als die Flügeltür geöffnet wurde und der Haushofmeister mit den Gästen und dem Kanzler eintrat, gefolgt von den Höflingen, die ebenfalls an die Tafel geladen waren.

Beltraffio hatte sein bestes dunkelblaues Wams in toskanischem Schnitt angelegt. Kragen, Ärmel und Saum waren mit kostbarem Hermelin besetzt. Um seinen Hals lag die schwere goldene Amtskette mit dem Wappen von Reggiano. Aber auch der Capitano und sein Hauptmann hatten sich festlich gekleidet. Jeder trug ein Wams aus feinem Tuch, das von Rinaldi war mit Zobelpelz verbrämt. Edelsteinverzierte Dolche steckten in ihren breiten Gürteln. Die leichten Schuhe waren aus feinem Saffianleder, und die Samtbarette, die sie beim Betreten des Raumes abgenommen hatten, zierten Perlen und goldene Schnallen.

Zu Cecilias Überraschung unterschieden sich die beiden in ihrer Kleidung überhaupt nicht von den Höflingen. Es fehlte ihnen lediglich deren elegante Leichtigkeit, die der Fuchs jedoch durch seine imposante Erscheinung mehr als wettmachte. Wieder verschlug es ihr bei seinem Anblick den Atem. Ärgerlich biss sie die Zähne aufeinander, bis die beiden Männer vor ihren Sitz getreten waren und sich höflich verneigten. Nun musste sie jedoch das Wort ergreifen, und so sagte sie das Erste, was ihr in ihrer Verwirrung einfiel, aber gleichwohl durchaus passend war.

„Da Ihr die Anwesenden nicht kennt, werde ich meinen Haushofmeister bitten, Euch mit den edlen Herren aus dem Rat der Sechs und ihren Gemahlinnen bekannt zu machen. Ihre Kenntnisse und Lebenserfahrungen sind mir bei allen wichtigen Entscheidungen unverzichtbar.“ Mit einem Heben der Hand winkte sie den Haushofmeister herbei.

„Überaus gnädig, Eccellenza“, murmelte der Capitano und ließ sich dann in seiner üblichen gleichmütigen Art von einem der Männer zum anderen führen. Sie alle waren gezwungen, zu ihm emporzusehen, und einer von ihnen mit der Statur eines Fasses sagte: „Ah, Ihr also seid der Fuchs von Aquila! Ich muss schon sagen, dass Ihr der größte Fuchs seid, der mir je vor Augen gekommen ist.“

„Für Reggiano dürfte es besser sein, dass ich nicht der kleinste bin, falls man mich in Dienst nehmen will“, erwiderte Rinaldi.

Seine Antwort löste ein gedämpftes Gelächter aus. Alle ahnten nun, dass seine Anstellung als Heerführer bereits eine beschlossene Sache war, und so bemerkte ein Hagerer mit dem Blick eines Raubvogels: „Habt Ihr vielleicht auch Kenntnisse im Bankgeschäft, Messer Rinaldi? Oder ist das keine Sache für Soldaten?“

„Nun, nicht viel, aber ausreichend, um mit dem Schatzmeister und dem Commissarius zu verhandeln.“ Das Lächeln, das bei diesen Worten um Marcos Lippen spielte, war der Beutegier eines Fuchses durchaus angemessen.

Ja, er ist wahrhaftig ein gewitzter Kerl, dachte Cecilia trotz seiner athletischen Gestalt. Luca de’ Grimaldi wirkte neben ihm so liebenswürdig und gewinnend wie nur immer ein Mann neben seinem Herrn, der daran gewöhnt ist, seine Meinung in jedermanns Gegenwart offen auszusprechen.

Sie wünschte, er möge auch ihr gegenüber damit nicht zurückhalten, und winkte ihn herbei. Der Sänger hatte sein Lied beendet, die Höflinge hatten sich in den Hintergrund zurückgezogen, Luca plauderte mit der reizendsten Hofdame, und nur der Capitano zeigte wie immer eine kühle und unbeteiligte Miene.

„Ich habe gehört, Ihr stammt aus England, Messer Rinaldi“, begann die Herzogin. „Wenn das stimmt, dann sind Eure Kenntnisse über Italien sehr bemerkenswert.“

„Sehr gütig von Euch, Eccellenza“, erwiderte Marco mit einer Verneigung. „Aber ich bin gebürtiger Italiener, wenngleich ich eine Reihe von Jahren in England gelebt habe. Ich habe auch das Kriegshandwerk dort erlernt. Die Engländer sind ausgezeichnete Soldaten, wie ihr zweifellos wisst.“

„Aber auch grausam“, warf Cecilia ein.

„Oh, alle Soldaten sind grausam, wenn auch auf eine unterschiedliche Art, die von ihrer Herkunft abhängig ist.“

„Und Eure Grausamkeit, Capitano, zu der Ihr Euch ja eben bekannt habt – stammt sie nun aus England oder aus Italien?“

„Nun, Eccellenza, wenn Ihr mich anstellt, werdet Ihr Gelegenheit haben, das selbst zu beurteilen.“ Der Capitano begleitete seine Worte mit einem verwirrenden Lächeln, das seine wunderbaren weißen Zähne aufblitzen ließ. Irgendetwas war an diesem Lächeln, das Cecilia außerordentlich störte.

Vergebens fragte sie sich, was die Eigenart dieses Mannes ausmachte, und wünschte sich zum ersten Male wieder eine Mutter oder eine vertraute ältere Freundin an der Seite zu haben, mit der sie über diese Frage reden könnte. Ihre alte Kinderfrau, die vor Kurzem heimgegangen war, hätte ihr sicher sagen können, warum sie in Gegenwart des Capitano immer von solch merkwürdigen Gefühlen heimgesucht wurde.

Resigniert unterdrückte sie ein Seufzen und nahm die nichtssagende Unterhaltung wieder auf.

„Und wie ist England, Messer Rinaldi?“

„Feucht“, war die einsilbige Antwort.

„Feucht?“, wiederholte Cecilia und fragte sich sogleich ärgerlich, warum dieser Mann sie wohl so einfältig machte, dass ihr nichts Besseres einfiel, als immer alles zu wiederholen, was er sagte.

„Ja.“ Marco nickte. „Sehr feucht. Es regnet dort die meiste Zeit. Als ich aber einen Kriegszug in Wales anführte, regnete es dort noch mehr als in England.“

„Oh, wirklich?“ Die Herzogin war nicht gewöhnt, sich über das Wetter zu unterhalten. Wetter existierte einfach, so wie das Land um Reggiano. Man nahm es, wie es kam, und sprach nicht weiter darüber. Deshalb lieferte es auch nie den Stoff für eine Konversation – sei es mit Männern oder mit Frauen.

„Ich habe dann auch noch eine kurze Zeit einem Laird in Schottland gedient“, ertönte die Stimme des Capitano in die Stille, die wie ein Abgrund zwischen den beiden lag.

„Ja? Und wie ist Schottland?“, erkundigte sich Cecilia anstelle einer etwas geistvolleren Frage.

Ein Lächeln huschte über Messer Rinaldis Lippen. „Nass. Noch nasser als England und Wales. Ich hätte das nicht für möglich gehalten.“

Die humorvolle Art, in welcher er über das Wetter sprach, hatte eine unerwartete Wirkung auf die Herzogin. Ihre höfische Steifheit lockerte sich, und sie begann zu lachen. Das wiederum vertiefte das Lächeln des Capitano und ließ sein kantiges Gesicht weicher erscheinen. Nun glich er nicht mehr einem der steinernen Kriegerdenkmäler, die die Marktplätze vieler italienischer Städte zierten.

„Ihr wollt mich necken“, sagte sie schließlich kopfschüttelnd, als sie wieder zu Atem gekommen war.

„Nun, vielleicht wollte ich das tatsächlich“, entgegnete er, wieder ernst werdend. „Ich habe mich nämlich gefragt, ob Ihr jemals lächelt – ja, ob Ihr es überhaupt könnt. In England lächelte man viel“, fügte er hinzu. „Vor allem die Damen.“

„Soso, die Damen“, wiederholte Cecilia aufs Neue. „Oh, bitte, erzählt mir von den englischen Damen, wenn ich Euch darum bitten darf.“

„Es ist mir ein Vergnügen, Eccellenza. Sie sind im Allgemeinen größer als die Italienerinnen und lachen gern. Es ist überhaupt ein lustiges Volk dort in Britannien, vorausgesetzt die Leute sind nicht gerade damit beschäftigt, sich gegenseitig umzubringen.“

Die Augen des Capitano wirkten sanft bei diesen Worten, sofern die silberkalten Augen überhaupt in der Lage waren, irgendein Gefühl auszudrücken. Gleichzeitig aber schien er ihr zuzublinzeln. Diese Mischung war so komisch, dass Cecilia in helles Gelächter ausbrach.

Sofort wandten sich alle Anwesenden zu ihr um und starrten sie überrascht an.

Duchessa Cecilia lachte!

Duchessa Cecilia pflegte nie zu lachen!

Was mochte der fremde Capitano gesagt haben, um sie zum Lachen zu bringen?

„Ihr neckt mich nicht nur, Messer Rinaldi“, sagte die Herzogin schließlich, „sondern Ihr scheint Euch sogar lustig über mich zu machen.“

„Keineswegs, Eccellenza. Ich würde auch nicht im Traum daran denken. Alles, was ich berichtet habe, ist die reine Wahrheit – insbesondere, was das Wetter in Britannien anbelangt. Oh, ich vergaß zu erwähnen, dass die Schotten sehr behaart sind. Und da sie meist rote Haare haben, verleiht ihnen das ein ziemlich wildes Aussehen. Aber sie sind gute Soldaten, wenn auch manchmal etwas undiszipliniert.“

„Und Ihr, Messer Rinaldi? Ich könnte schwören, dass Ihr nie undiszipliniert seid.“

Er verneigte sich zustimmend. „So ist es, Eccellenza. Es sei denn, ich halte die Duchessa von Reggiano von ihren Verpflichtungen gegenüber den anderen Gästen ab, indem ich sie ausschließlich für mich beanspruche.“

„Oh, macht Euch darüber keine Gedanken“, erwiderte Cecilia. „Ich bin die Herzogin, und als solche kann ich tun, was mir beliebt. Das trifft natürlich nicht immer zu. Im Augenblick aber beschäftige ich mich damit zu erkunden, was der Mann, der mein Heerführer werden möchte, für ein Mensch ist. Andererseits habt Ihr in gewisser Weise recht. Ich hätte auch mit den Herren meines Rates ein paar Worte wechseln sollen. Doch dazu ist es jetzt zu spät. Die Tür zum Speisesaal wird gerade geöffnet. Sobald wir an der Tafel Platz genommen haben, wollen wir unser Gespräch fortsetzen. Aber nicht nur über das Wetter in Britannien“, fügte sie ein wenig mutwillig hinzu.

Ob sie wohl eine Ahnung hat, wie das Lächeln sie verändert, fragte sich Marco, während er ihr im gebührenden Abstand in den anderen Raum folgte. Ihr Gesicht bekam dadurch eine anmutige Lieblichkeit und machte ihre Schönheit geradezu atemberaubend. Oh, nicht dass er Frauen mochte, die immerfort kicherten, zappelten oder süßlich mit den Wimpern fächelten und dabei nur das eine Ziel vor Augen hatten, nämlich einen Mann in die Falle zu locken. Nein, nein, ganz und gar nicht!

Die Duchessa Cecilia schien keine dieser Künste zu beherrschen. Sie war so besonnen und ernsthaft wie eine ältliche Matrone. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie bei ihrer Inthronisation als Herzogin von Reggiano noch ein blutjunges Ding gewesen und seitdem von einer Schar angegrauter Ratgeber umgeben war. Noch schlimmer aber dünkte ihn, dass – wie man ihm zugetragen hatte – der bejahrte Conte von Burano beabsichtigte, sie zu ehelichen, sodass sie dazu verdammt sein würde, nie die Freuden der Liebe in den Armen eines jungen Mannes kennenzulernen.

Nun, er wünschte aus ganz anderen Gründen – die niemand hier vermuten konnte und selbst Luca nicht – keinesfalls, dass die Duchessa von Reggiano dem Conte von Burano die Hand fürs Leben reichte. Dass stattdessen er selbst sie zum Traualtar führen könnte, wäre ihm dabei nie in den Sinn gekommen. Doch nun hatte sich dieser höchst unangebrachte Gedanke plötzlich in seinem Kopf festgesetzt und schien sich von dort nicht mehr so ohne Weiteres vertreiben zu lassen.

Es war aber auch kaum möglich, über die Wirkung, die die junge Herzogin auf ihn ausübte, hinwegzusehen, insbesondere seit er, an ihrer Seite sitzend, ihr köstliches Parfüm wahrnahm. Dieser wunderbare Duft erregte ihn noch mehr, zumal es ihm schien, als sei es kein künstliches Riechwasser, wie es ihre Hofdamen zu benutzen pflegten, sondern vielmehr die naturgegebene Ausstrahlung ihrer eigenen hochmütigen Person. Zum Teufel, die Duchessa von Reggiano hatte kein Recht, die begehrenswerteste Frau zu sein, die ihm je begegnet war!

Ärgerlich runzelte Marco Rinaldi die Stirn. Seit er erwachsen war, hatte er sich dazu erzogen, sich selbst – und auch seine Untergebenen – unter Kontrolle zu halten. Frauen waren für ihn Spielzeug gewesen, das man nahm und wieder weglegte, denn ihm war weder an der Zeitverschwendung noch den Unannehmlichkeiten gelegen, die unweigerlich auf einen Mann zukamen, der in einer Frau mehr sah als Kurzweil und Zerstreuung.

Aber Cecilia, Duchessa von Reggiano, war ganz anders als alle Frauen bisher. Sie schien direkt aus dem Olymp der griechischen Götter auf die Erde hinabgestiegen zu sein. Nachdenklich ließ Marco seine Augen über die Tafelrunde schweifen und begegnete dabei dem Blick seines Hauptmannes. Luca lächelte, blinzelte ihm zu und hob seinen mit goldenem Falerner gefüllten Kelch grüßend in seine Richtung.

Missmutig wandte sich Marco ab, denn er wollte überhaupt nicht wissen, was Luca mit diesem Toast auszudrücken beliebte. Um sich abzulenken, nahm er ein Gespräch mit dem neben ihm sitzenden Kanzler auf und versuchte, über dessen wohlgeformten Sätzen die lustvollen Gedanken zu vergessen, die seine Nachbarin zur Rechten bei ihm hervorgerufen hatte. Aber selbst wenn er in seinem Kopf rasch wieder Ordnung herstellen konnte, so war das mit anderen Stellen seines Körpers nicht so leicht möglich.

Dieser Umstand lenkte ihn trotz aller Bemühungen so ab, dass er den Worten Beltraffios nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkte und nur beiläufig wahrnahm, dass auch der Kanzler herauszubekommen versuchte, was es mit dem Abenteurer Marco Rinaldi eigentlich auf sich hatte. Und so tat er ihm den Gefallen, mit eben derselben leichtfertigen Art zu erwidern wie zuvor schon der Herzogin, was der alte Mann offensichtlich genauso verwirrend fand wie seine Herrin.

Beltraffios lange Jahre in diplomatischen Diensten versetzten ihn jedoch im Gegensatz zu Cecilia in die Lage, den Capitano besser zu durchschauen. Der Mann trug seinen Spitznamen offenkundig zu Recht, denn er war genauso schlau und schwer fassbar wie der Fuchs in der Fabel und keineswegs bereit, seine Absichten zu enthüllen. Nun, dieses Verhalten entsprach seinem Ruf. Dennoch wäre ein wenig mehr zu erwarten gewesen als die lächerlichen Ausflüchte, die er in der Unterhaltung anbot.

Marco waren die Bemühungen des Kanzlers nicht entgangen. Als dieser ihn schließlich geradeheraus fragte, welche Erfahrungen er denn in dem regnerischen Inselreich gemacht habe, in dem er lange Jahre gelebt hatte, hob er seinen Pokal, blickte, anstatt zu trinken, einen Augenblick gedankenvoll auf die Gold schimmernde Flüssigkeit und sagte dann: „Hier ist nicht der Ort, um auf eine solche Frage zu erwidern, hochedler Herr. Hier möchte ich mich an den vorzüglichen Speisen und dem guten Wein Eures reichen Herzogtums erfreuen. Morgen jedoch, im Ratssaal der Herzogin, werde ich Euch Rede und Antwort stehen. Bis dahin lasst uns über Dinge reden, die keine Beziehungen zu unseren Geschäften haben.

Wie lange, zum Beispiel, können Eurer Meinung nach die Heiden die eroberte Stadt Konstantinopel halten? Oder als ein leichteres Thema: Was haltet Ihr von Giovanni Boccaccios leicht geschürzten Erzählungen? Aber vielleicht zieht Ihr auch Dantes ‚Göttliche Komödie‘ vor? In beiden Dichtungen kommt meines Wissens kein Regen vor. Oder möchtet Ihr lieber über die Höhe der Zinsen sprechen, die Eure Bank von ihren Kreditnehmern fordert? Auch hier spielt Regenwetter keine Rolle.“

Nun konnte auch Beltraffio nicht mehr anders, als – genau wie seine Herrin – über eine solch unverschämte Verschlagenheit zu lachen, zumal Messer Rinaldi nicht den Eindruck erweckt hatte, sich derart spitzfindige Themen ausdenken zu können.

„Nein, nein, weder Boccaccio noch Dante“, erwiderte er. „Der eine beschreibt die sorglosen Freuden des Lebens, und der andere tut des Guten zu viel, wenn er schildert, wie wir sie im Jenseits büßen müssen. Erzählt lieber, was Ihr, unser Gast aus England, von Italien haltet.“

„Dann werde ich wiederholen, was ich schon der Frau Herzogin gesagt habe, nämlich dass ich in Italien geboren wurde und erst in früher Jugend nach England kam. Ich liebe das Wetter und die Menschen hierzulande, obwohl ich auch in dem regnerischen Britannien sehr glücklich war und es nur mit Bedauern verlassen habe. Reicht Euch das aus, Messer Beltraffio?“

Der Kanzler nickte. „Völlig.“ Seine Miene war undurchdringlich. „Ich gehe davon aus, dass Ihr morgen bei unserem offiziellen Treffen etwas aufgeschlossener sein werdet.“

„So aufgeschlossen, wie es eine solche Gelegenheit erfordert.“ Der Capitano verband seine Worte mit einem liebenswürdigen Lächeln. „Aber ich glaube, die Frau Herzogin gibt gerade das Zeichen zum Aufheben der Tafel. Ich stelle mit Freuden fest, dass man am Hofe von Reggiano nicht dem Brauch eines übermäßigen Weingenusses huldigt.“

„Ihr hättet das nicht sagen können, wenn Ihr uns während der Regierungszeit des verewigten Herzogs besucht hättet“, entgegnete Beltraffio schmunzelnd. „Doch er war ein ausgezeichneter Herrscher und hat seine Tochter gut auf ihre Aufgaben vorbereitet.“

Dich wahrscheinlich auch, dachte Marco, während er der Herzogin in die Große Halle folgte, wo Musikanten und Harlekine darauf warteten, die Gäste unterhalten zu dürfen. Zu seiner Zufriedenheit bedeutete das für heute ein Ende aller Fragerei. Morgen aber würde er auf der Hut und bereit sein, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die ihm der Rat der Sechs oder auch die Herzogin selbst möglicherweise in den Weg legen würden.

Als die Gäste sich entweder in ihre Häuser in der Stadt oder in ihr Quartier im herzoglichen Palast zurückgezogen hatten, bat Cecilia den Kanzler noch zu einem Gespräch in ihre Privatgemächer. Sie hatte sich von der aufwartenden Hofdame schon den kostbaren Schmuck abnehmen und ihn in den Schatullen verschließen lassen und saß nun entspannt in einem der Armstühle, über den ein weiches Fell gebreitet war.

Als der vertraute Berater, auf ihre Befehle wartend, vor ihr stand, bemerkte sie zum ersten Male, dass er begann, alt zu werden. Der Abend schien ihn angestrengt zu haben, und er wirkte müde, obwohl sie immer geglaubt hatte, er kenne keine Müdigkeit.

„Setzt Euch“, sagte sie freundlich und wies auf einen gegenüberstehenden Stuhl. „Es war ein aufreibender Tag, nicht wahr? Und nun möchte ich Euch auch noch fragen, was Ihr von unserem möglichen Heerführer haltet.“

Beltraffio nahm ihr Anerbieten dankend an, zumal sie allein und somit nicht den Zwängen höfischer Manieren unterworfen waren. „Mit Verlaub, Euer Gnaden“, erwiderte er ungezwungen, „warum sagt Ihr nicht zuerst Eure Meinung über ihn?“

„Welch impertinente Antwort!“, rief die Herzogin lachend. „Was würde mein Vater dazu sagen? Aber nichtsdestoweniger will ich Euch verraten, was ich über ihn denke. Messer Rinaldi ist wahrhaftig ein Fuchs, wie er im Buche steht: schlau, kalt und verschlossen. Er lässt uns von sich nur wissen, was ihm gefällt – und das muss nicht unbedingt auch uns gefallen.“

„Gut beobachtet.“ Der Kanzler nickte anerkennend. „Ihr habt meine Einschätzung vorweggenommen – und nicht zum ersten Mal in letzter Zeit. Euer Vater wäre sehr stolz auf Euch.“

„Danke, Messer Beltraffio.“ Cecilia neigte liebenswürdig den Kopf. „Doch nun ist die Reihe an Euch, mein getreuer Kanzler. Ich glaube nämlich, dass Ihr mir noch weit mehr über die augenblickliche Situation des Herzogtums Reggiano zu sagen habt, als Ihr bisher bereits getan habt.“

„In der Tat die wahre Tochter ihres Vaters“, murmelte der Alte. „Der Herzog – möge seiner Seele ewiger Friede beschert sein – hatte ebenfalls die Gabe, die Gedanken seiner Ratgeber mehr ihrem Verhalten denn ihren Worten zu entnehmen. Seit jener Capitano über unsere Schwelle getreten ist, habe ich lange und eingehend über den Conte von Burano und seinen Heiratsantrag nachgedacht. Und ich bin dabei zu der Erkenntnis gekommen, dass es falsch wäre, Euch zu einer Ehe mit ihm zu überreden. Es gehen zu viel Gerüchte über seine skrupellose Machtbesessenheit um, die Ihr unbedingt wissen solltet, und …“

„Was und?“ Cecilia neigte sich gespannt nach vorn. „Und? Ich bin sicher, dass erst jetzt der wichtigste Teil Eurer Rede kommt.“

„So ist es, Euer Gnaden. Da wäre denn Punkt Numero eins: der Tod seiner ersten jungen Frau, die keine Kinder gebären konnte.

Punkt Numero zwei: der plötzliche und unerwartete Tod seines Bruders während eines Banketts.

Weiter Punkt Numero drei: das mysteriöse Verschwinden des Conte Gian Maria, Sohn und Erbe des verstorbenen Grafen, und dessen jüngeren Bruders, zusammen mit ihrem Lehrer und dem Reitknecht, während sie zu Pferde die Wälder rund um Burano durchstreiften. Daraufhin wurde Giovanni degli Uberti der regierende Graf, nachdem er bis dato die Regentschaft für den minderjährigen Gian Maria geführt hatte.

Und schließlich Punkt Numero vier: Seine zweite Frau, ebenfalls unfruchtbaren Leibes, starb kürzlich ganz unvermutet – seit welchem Zeitpunkt er Euch aus der Ferne den Hof macht.

Ich habe mich oft gefragt, ob es wünschenswert für Euch wäre, einen Mann zu ehelichen, der von so viel passenden Todesfällen umgeben ist, die samt und sonders auch noch äußerst günstig für ihn waren.“

Die Herzogin starrte ihn entsetzt an. Von einigen dieser Vorfälle hatte sie gewusst, jedoch nicht alle gekannt. Insbesondere nicht das merkwürdige Verschwinden der beiden Neffen des jetzigen regierenden Grafen. Es musste sich ereignet haben, als ihr Vater noch lebte und sie ein kleines Kind war.

„Ihr wusstet das alles und habt trotzdem in Erwägung gezogen, dass ich den Conte von Burano heiraten sollte?“, sagte sie schließlich.

„Nur aus Staatsinteressen, Euer Gnaden.“ Der Kanzler hob abwehrend die Hand. „Aber ich habe eingesehen, dass selbst sie eine solche Ehe nicht rechtfertigen würden.“

„Aber wieso hat das Erscheinen von Messer Rinaldi nun eine Wandlung in Eurer Überzeugung hervorgerufen?“

„Ich hielt zuvor Eure Hochzeit mit Conte Giovanni für die einzige Möglichkeit, die Schwierigkeiten, in denen sich Reggiano befindet, zu überwinden. Doch als ich den Capitano kennenlernte, war ich überzeugt, dieser Mann könne das Herzogtum retten, zumal er genauso listig ist wie der Conte von Burano, aber von Grund auf ehrenhafter, wie ich glaube. Im Übrigen wird er in unseren Diensten stehen und uns seine Unterstützung gegen Bezahlung gewähren. Somit steht er mit Euch nicht auf einer Stufe.“

Cecilia stützte den Kopf in die Hand und warf ihrem altbewährten Ratgeber einen missmutigen Blick zu. „Ich frage mich, warum Ihr nicht gleich vorschlagt, dass ich den Capitano zum Manne nehmen soll“, sagte sie ärgerlich.

„Nun, das wäre auch ein Weg aus unserem Dilemma – ihn zum Herzog zu machen.“

„So, ich soll also keinen Mann heiraten, der mich möglicherweise umbringt, um dadurch die alleinige Herrschaft über Reggiano zu erlangen – so etwas Ähnliches habt Ihr ja wohl in Bezug auf Giovanni degli Umberti angedeutet –, sondern stattdessen einen Menschen, der andere tötet, um seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen?“

„Was den Capitano anbelangt, Euer Gnaden, so sind diese Überlegungen wohl ein wenig überspitzt. Im Übrigen habe ich Euch, neben den Tatsachen im Zusammenhang mit dem Conte von Burano, nur als Euer aufrichtiger Ratgeber meine Überlegungen mitgeteilt.“

Nachdenklich lehnte sich Cecilia in den Stuhl zurück. Bei dem Gedanken an die beiden verschwundenen Neffen des Conte lief ihr ein leichter Schauder über den Rücken. Beide tot und möglicherweise sogar auf Geheiß ihres Onkels!

„Wie waren ihre Namen?“, fragte sie unvermittelt.

Ratlos blickte der Kanzler sie an. „Wessen Namen meinen Euer Gnaden?“

„Nun, die der beiden Neffen natürlich. Sie müssen doch einen Namen gehabt haben.“

„Ich glaube, Gian Maria und Marc Antonio. Es sind so viele Jahre seit ihrem Verschwinden verstrichen, dass ich schon fast vergessen hatte, dass sie einmal existiert haben.“

„Ich vermute, dass es allen anderen auch so geht. Aber um auf unser eigentliches Thema zurückzukommen, Messer Beltraffio: Nein, ich werde keinen von beiden heiraten. Der Conte soll in Burano bleiben, und der Capitano wird mein bezahlter Heerführer. Ich wiederhole zum letzten Male, dass ich nicht die Absicht habe, mich zu verehelichen. Und nun lasst uns noch kurz besprechen, wie hoch der Sold für Messer Rinaldi und seine Soldaten sein könnte.“

Nach kurzer Zeit waren sie sich einig, und der Kanzler zog sich, wenn auch nicht äußerlich sichtbar, niedergeschlagen zurück und hielt sich zum wiederholten Male dabei vor Augen, welches Glück es gewesen wäre, wenn die Duchessa als Junge zur Welt gekommen wäre. Die gegenwärtigen Sorgen hätte es dann nie gegeben.

Cecilia aber ging zum Fenster und blickte auf den nachtdunklen Himmel mit der Pracht seiner Sterne und der schimmernden Mondsichel und wünschte, der Allmächtige hätte sie als Stallmagd erschaffen. Dann wäre es ihr erspart geblieben, schwierige staatsmännische Entscheidungen zu treffen.

Nun, vielleicht nicht gerade als Stallmagd, aber wenigstens als eine ihrer Hofdamen. Dann brauchte sie nichts weiter zu tun als zu sticken, ihrer Herrin beim Ankleiden zu helfen und den hübschen Männern am Hof von Reggiano nachzuschauen.

Diese Vorstellung weckte erneut den Gedanken an Marco Rinaldi. Sie fragte sich, was er jetzt wohl tun mochte, nachdem er keinen offiziellen Verpflichtungen mehr nachgehen musste. Vergnügte er sich mit einer ihrer Hofdamen oder mit einer Kammerzofe? Für welche von ihnen hatte er sich wohl entschieden?

Seufzend wandte sie sich um und schlüpfte in ihr großes leeres Bett.

3. KAPITEL

Am nächsten Morgen beschloss Marco Rinaldi, bei dem bevorstehenden Treffen mit der Herzogin von Reggiano und dem Rat der Sechs seine Würde als ruhmreicher Capitano einer Söldnertruppe durch entsprechende soldatische Kleidung zu unterstreichen. Zu diesem Zweck wählte er den neuen, mit dünnen Silberplatten verzierten ledernen Harnisch aus, den er erst kürzlich von einem nordafrikanischen Händler erworben hatte, und darunter ein Wams mit weiten geschlitzten und farbig unterlegten Ärmeln, die am Handgelenk mit einem Bündchen zusammengefasst waren. Über die dunkelbraunen Beinlinge zog er kniehohe Stulpenstiefel, die er zu Pferde zu tragen pflegte. Der Dolch in der edelsteinbesetzten Scheide durfte selbstverständlich nicht fehlen.

Luca folgte seinem Beispiel, allerdings in etwas bescheidenerer Ausführung.

Auf der Treppe begegneten die beiden Männer dem Kanzler, der ihnen anerkennend zunickte. Der Ratssaal lag zu ebener Erde, und man konnte aus seinen Fenstern in den Hof des Castellos blicken. Der Palast der Herzöge von Reggiano war nach außen hin noch die wehrhafte Burg, die ein Ahnherr der Carisendis vor fast zweihundert Jahren hatte erbauen lassen. Im Innern jedoch wies er dieselbe Pracht auf, wie sie bei den Herrschern von Florenz und Venedig und in den Häusern der reichen Bürger Roms an der Tagesordnung war.

„Ausgezeichnet, ausgezeichnet“, murmelte Beltraffio, und Marco bedankte sich mit einer flüchtigen Verbeugung für dieses Kompliment.

„Die Honoratioren der Stadt lieben es“, fuhr der Kanzler erklärend fort, „wenn ein Soldat sich seinem Metier entsprechend ausstaffiert. Ein Capitano, der die Sitten seiner Vorgesetzten – und dafür halten sie sich – nachäfft, weckt ihr Misstrauen.“

Wieder verneigte sich Marco zustimmend und erwiderte lächelnd: „Ihr könnt gewiss sein, dass ich nicht die Absicht habe, mich für etwas anderes auszugeben, als ich bin.“

Bei seinen letzten Worten hörte er, wie Luca ein Lachen unterdrückte, und nahm sich vor, ihm später gehörig die Leviten zu lesen. Beltraffio schien zum Glück nichts davon bemerkt zu haben, oder aber er war ein Meister der Beherrschung, denn er schritt unbeeindruckt vor ihnen über die Schwelle des Ratssaales, wo die Eintretenden sofort von einem Pagen angemeldet wurden.

Die Herzogin saß bereits auf ihrem Thronsessel, umgeben von den sechs Räten, und sah heute noch schöner aus als am Tag zuvor. Auch sie hatte sich dem offiziellen Ereignis entsprechend gekleidet und trug zudem ein kronenartiges Diadem in ihrem zu einem kunstvollen Knoten aufgesteckten goldblonden Haar.

Die Herren des Rates hätten in ihrer schwarzen Amtskleidung wie aufgeplusterte Dohlen gewirkt, wären da nicht die schweren goldenen Ketten auf den samtenen Wämsern gewesen, die goldenen Schnallen an ihren Baretten und die blitzenden Ringe an den Fingern.

In diesem Raum ist genug Gold, um ein halbes Dutzend Söldnertruppen zur Verteidigung Reggianos zu bezahlen, dachte Marco spöttisch – geschweige denn eine einzige.

Ihm wurde ein Armstuhl der Herzogin und ihren Räten gegenüber angewiesen, während Luca in einigem Abstand stehen bleiben musste ebenso wie der Kanzler, der trotz seines Alters in unmittelbarer Nähe seiner Herrin stehend auf ihre Wünsche und Befehle zu warten hatte.

Nachdem Marco auf einen Wink der Herzogin Platz genommen hatte, erhob sich Colo Orsini, einer der Räte. Es war der untersetzte Mann, der am Abend zuvor den Capitano bereits in ein Gespräch verwickelt hatte. Er verneigte sich vor Cecilia und bat um das Wort, das ihm auch gewährt wurde.

Hochmütig musterte er den Capitano, denn er tat sich viel darauf zugute, der berühmten Familie Orsini anzugehören, obwohl er nur aus einer entfernten Seitenlinie stammte. „Messer Rinaldi scheint die Gepflogenheiten bei Hofe nicht zu kennen“, sagte er höhnisch. „Sonst wüsste er, dass man keine Waffen trägt, wenn man einen Ratssaal betritt.“

Marco runzelte ärgerlich die Stirn. Doch bevor er antworten konnte, hatte Cecilia bereits mit einer herrischen Geste Schweigen geboten. „Diese Bemerkung war unnötig, Messer Orsini“, sagte sie scharf. „Der Capitano ist Soldat, und eine Waffe gehört zu seiner Kleidung.“

Orsini setzte sich schweigend, während die Herzogin fortfuhr: „Ich eröffne hiermit unsere Beratung und gebe allen, die hier versammelt sind, zu wissen, dass ich beschlossen habe, den Heiratsantrag von Giovanni degli Umberti, des Conte von Burano, abzulehnen und damit gleichzeitig auch sein Angebot, Reggiano Schutz gegen seine Feinde zu gewähren, sofern ich ihm meine Hand zum Ehebund reichen würde. Stattdessen habe ich den hochgeschätzten Capitano Marco Rinaldi, auch bekannt als der Fuchs von Aquila, rufen lassen, damit er uns und unser Land beschützt. Wir sollten deshalb jetzt die Bedingungen besprechen, unter welchen wir ihn und seine Soldaten in Dienst stellen wollen.“

Sie legte eine kleine Pause ein, blickte aufmerksam in die Runde und wollte gerade weitersprechen, als sich ein junger Mann zur Rechten von Colo Orsini erhob und hämisch sagte: „Ich bin glücklich zu hören, Herzogliche Gnaden, dass Ihr Rinaldi zwar als hochgeschätzt, aber nicht als hochedel bezeichnet.“

In die betroffene Stille, die diesen Worten folgte, ertönte Beltraffios Stimme, kalt wie Eis: „Messer ...

Autor

Paula Marshall
Als Bibliothekarin hatte Paula Marshall ihr Leben lang mit Büchern zu tun. Doch sie kam erst relativ spät dazu, ihren ersten eigenen Roman zu verfassen, bei dem ihre ausgezeichneten Geschichtskenntnisse ihr sehr hilfreich waren. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie fast die ganze Welt bereist. Ihr großes Hobby ist das...
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June Francis
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