Im Garten der sinnlichen Freuden

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Warum verlangt die Gesellschaft, dass sie um einen Ehemann trauert, der sie jahrelang ignoriert und das gemeinsame Vermögen verspielt hat? Kurzerhand beschließt Lady Alexandra, stattdessen ihre neu gewonnene Freiheit zu genießen. Und wo könnte sie das besser als im Garten der Hedone? Dieses diskrete Etablissement bietet den Mitgliedern des ton die Möglichkeit, ihre geheimsten Wünsche und Sehnsüchte auszuleben. Hier begegnet Alexandra einem Gentleman, der ihr endlich die Stunden der Sinnlichkeit schenkt, nach denen sie sich verzehrt hat. Alles könnte perfekt sein – bis sie mit Schrecken feststellt, wem sie sich im Rausch der Lust hingegeben hat!


  • Erscheinungstag 15.02.2025
  • Bandnummer 412
  • ISBN / Artikelnummer 9783751532044
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Megan Frampton

Diesen Dingen kann Megan Frampton einfach nicht widerstehen: der Farbe Schwarz, gutem Gin, dunkelhaarigen Briten und großen Ohrringen. Neben historischen Romanen schreibt sie unter dem Namen Megan Caldwell auch gefühlvolle Liebesromane. Die Autorin lebt mit Ehemann und Kind in Brooklyn, New York.

Für alle, die es gewagt haben.

1. KAPITEL

Zwei Jahre und ein Tag.

Zwei Jahre und einen Tag länger, als sie eigentlich um ihren Ehemann trauern wollte. Doch die Gesellschaft bestand darauf, dass sich die Witwe eines Duke genau so viel Zeit für betrübtes Nachsinnen über ihren Verlust nahm.

Mehr als einmal hätte Alexandra die Gesellschaft am liebsten gefragt, wie man betrübt nachsinnen sollte. Wahrscheinlich hätte dazugehört, dass man viele Stunden lang in Berge aus schwarzem Stoff gehüllt dasaß und den Platz anstarrte, auf dem er immer gesessen hatte. Vielleicht konnte man ein paarmal erstickt schluchzen, wenn die Köchin sein Lieblingsessen, gekochten Schinken mit Kartoffeln, auftrug.

Das alles hatte sie nicht getan. Und sie verabscheute gekochten Schinken mit Kartoffeln.

Stattdessen hatte Alexandra sich ein paar schwarze Kleider machen lassen und angefangen, alles zu tun, worüber ihr Ehemann zu Lebzeiten die Nase gerümpft hatte. Dinge wie im Garten zu arbeiten, Romane zu lesen, nachmittags ein Nickerchen zu machen und sich zum Tee ein zweites Brötchen zu nehmen. Sie hatte mit ihrer Tochter Harriet über Belanglosigkeiten geredet, anstatt ihr Vorträge über korrektes Benehmen zu halten. Dinge, die einer Duchess – nach Ansicht ihres verstorbenen Ehemannes – nicht anstanden, ganz gleich, was die fragliche Duchess davon hielt.

Derweil hatte sie auf den Tag gewartet, an dem sie kein Schwarz mehr zu tragen brauchte und niemandem mehr Gefühle vorspielen musste, die sie nicht hatte. Sie hatte sich dabei geschworen, dass sie keinen Augenblick mehr verschwenden würde, sobald sie über die Zeit hinaus war, in der sie die vornehme Gesellschaft mit schamlosem Unkrautjäten schockieren konnte.

Deswegen stand sie heute, genau zwei Jahre und einen Tag nach dem Tod ihres Ehemannes, auf einem kleinen Podest in der Mitte des Anproberaums einer Londoner Schneiderei und war drauf und dran, ihre Trauerkleider zu zerschneiden.

Sie war bereit, sich eine vollkommen neue Garderobe machen zu lassen, damit sie ihre Tochter bei deren verspätetem Debüt begleiten konnte.

„Geben Sie mir bitte mal die Schere?“, sagte Alexandra an eine der beiden Näherinnen gewandt, die mit ihnen im Anproberaum waren.

„Du willst wirklich …“, sagte ihre Stieftochter Edith in bewunderndem Tonfall. Einem Tonfall, den Alexandra zu schätzen wusste, weil Edith bei Weitem der abenteuerlustigste Mensch war, den Alexandra kannte – so abenteuerlustig sogar, dass Ediths Vater, Alexandras Ehemann, jedes Mal ein sehr sonderbares Gesicht gemacht hatte, wenn ihr Name gefallen war.

Deswegen verbrachte Edith wahrscheinlich auch die meiste Zeit auf Reisen, weit weg vom Urteil ihres Vaters.

„Allerdings“, sagte Alexandra mit fester Stimme.

Sie waren in Madame Lucilles Feine Modewaren gekommen, ein Geschäft direkt hinter der Bond Street, von dem Alexandra von ihrem verstorbenen Ehemann erfahren hatte. Bevor er gestorben war, natürlich.

Der Duke war absolut gegen den Erlass von Gesetzen gewesen, mit denen die Arbeitsbedingungen von Näherinnen verbessert wurden. Er hatte behauptet, damit würde man Arbeiterinnen nur anstacheln. Dabei hatte er gerade dieses Geschäft voller Verachtung erwähnt, weil Madame Lucille für zehn Stunden Arbeit am Tag ein Gehalt zahlte, von dem die Näherinnen ihren Lebensunterhalt fast allein bestreiten konnten, und nicht weit weniger für weit mehr Arbeitsstunden.

Madame Lucille war Alexandra und ihrer Stieftochter Edith zuerst mit Furcht begegnet, als rechne sie damit, dass die verwitwete Duchess gekommen war, um das Werk zu vollenden, das ihr Mann begonnen hatte. Die Furcht verwandelte sich jedoch in diebische Freude, als Alexandra ihr, untermalt von Ediths ermunternden Ausrufen, erklärte, was sie sich wünschte.

Das Geschäft war klein, aber makellos sauber, und Madame Lucille hatte den beiden Ladys alles gezeigt. Alexandra hatte erleichtert gesehen, wie fröhlich die Näherinnen in der Werkstatt im hinteren Teil des Ladens bei der Arbeit waren und sich unterhielten, während sie ihre Nadeln vor und zurück führten.

Anschließend hatte Madame Lucille sie in den Anproberaum geführt, der weit kleiner war als in den Geschäften, in denen Alexandra auf Drängen ihres Ehemannes Kundin gewesen war. Dann hatte Madame Lucille sich entschuldigt und war auf die Suche nach den Stoffballen gegangen, die sie für Alexandras neue Garderobe nach der Trauerzeit benutzen wollte.

Die Garderobe, die sie tragen würde, während sie darauf hoffte, dass Harriet einen Mann fand – irgendwann –, in den sie sich verliebte. Sie wünschte sich keine strategische Heirat zum Wohle der Familien für ihre Tochter. Wenn Harriet von ihrer Saison sprach, dann davon, dass sie Menschen kennenlernen und so viel wie möglich von London sehen wollte. Sie schien sich nicht sofort verheiraten zu wollen.

Alexandra spürte eine prickelnde Vorfreude auf ihre Zukunft, etwas, das sie seit ihrer Heirat nicht mehr empfunden hatte. Sie wollte so viele Farben wie möglich tragen, unbekümmert – oder bekümmert, wenn ihr danach war – Champagner trinken und überhaupt tun und lassen, was sie wollte, nicht, was andere Menschen von ihr verlangten. Vielleicht nahm sie sich sogar ein drittes Teebrötchen, wenn die Brötchen besonders köstlich waren und sie großen Appetit hatte.

Nachdem ihre Tochter sicher versorgt war, natürlich. Bis dahin musste sie die Fassade der Duchess aufrechterhalten. Aber das wollte sie in Farben und Stoffen tun, die sie sich ausgesucht hatte.

Und sie würde nie wieder jemandem erlauben, Entscheidungen für sie zu treffen. Ihre Freiheit noch einmal zu verlieren, selbst wenn ihr das Undenkbare geschah und sie sich in jemanden verliebte, war unhaltbar.

Zwei der jungen Näherinnen blieben bei ihnen, falls sie in irgendeiner Weise Hilfe brauchten. Beide schienen überwältigt davon zu sein, dass eine echte Duchess anwesend war, auch wenn Alexandra jetzt nur noch eine Witwe war.

Alexandra nahm die Schere, die ihr die kleinere der beiden Arbeiterinnen reichte, und konzentrierte sich dann darauf, mit den Fingern ihre Haut abzuschirmen, während sie die Spitze der Schere in den Halsausschnitt ihres Kleides schob. Eine der Arbeiterinnen quietschte erschrocken auf. Der Halsausschnitt war unangenehm eng und der schwarze Kammgarn war steif und unnachgiebig.

Fast wie mein verstorbener Mann, dachte Alexandra. Sie hätte den Scherz beinahe Edith erzählt, aber sie wollte die Näherinnen nicht schockieren.

Das Metall der Schere fühlte sich kühl auf ihrer Haut an und sie seufzte unwillkürlich, ehe sie sich so verrenkte, dass sie den Schnitt machen konnte.

Beim ersten Schließen der Schere stellte sich nicht der große Triumph ein, auf den Alexandra gehofft hatte; der Stoff ihres Kleides war offenbar fest entschlossen, sich dem Angriff der Schere zu widersetzen.

Aber dann biss sie die Zähne zusammen und passte ihren Griff an, sodass die Schere sich durch das feindselige Material arbeiten konnte und die beiden Hälften vorne aufklappten, während Alexandra weiter nach unten vordrang.

Sie war stark genug, um den Widerstand von etwas zu überwinden, das steif und unnachgiebig war.

Außer dem Klappern der Schere und dem leisen Rascheln des Stoffs war im Raum kein Laut zu hören.

Bis sie endlich den Saum erreicht hatte, die Rüschen durchschnitt und befriedigt seufzte, als die beiden Hälften des Kleides aufklappten, sodass darunter ihr Unterkleid zum Vorschein kam, ein leuchtendes Weiß im Vergleich mit dem dumpfen Schwarz ihres Kleides. Sie hatte die Schere immer noch in einer Hand und richtete sich wieder auf, um die beiden Hälften des Kleides auseinanderzuschlagen, bis sie nur noch an ihr hielten, weil sie die Ärmel noch anhatte. Sie drehte sich um und gab der Arbeiterin die Schere zurück, dann machte sie sich daran, die Ärmel abzustreifen, und biss sich dabei vor Aufregung auf die Lippen.

Nie wieder schwarz. Nie wieder trauern.

„Bravo!“, jubelte Edith. Alexandra sah ihrer Stieftochter in die Augen und lächelte ihr zu. „Das muss gefeiert werden“, fügte sie hinzu und machte dabei ein spitzbübisches Gesicht. „Du hast noch einen Abend Zeit, bevor der Rest der Familie kommt und die Saison beginnt. Wir sollten uns amüsieren.“

Theodore Osborne nahm das letzte Blatt Papier von der linken Seite seines Schreibtisches, legte es direkt vor sich und überflog es, dann nahm er seine Schreibfeder in die Hand und unterschrieb mit einem großen Schnörkel. Er hob das Blatt auf und legte es auf den riesengroßen Stapel zu seiner Rechten. Dabei seufzte er zufrieden.

Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.

Es war geschafft. Zumindest für heute.

Und wenn er die Schwester des Duke of Chelmswich heiratete, hatte er alles erreicht, was sich sein verstorbener Vater für ihn gewünscht hatte.

Der Duke hatte ihn vormittags besucht und ein Arrangement vorgeschlagen, das für beide Parteien vorteilhaft war. Theo würde Lady Harriet heiraten und im Tausch gegen die makellose Abstammungslinie der Familie würde Theo mehrere strategische Investitionen machen, die dem Duke aus seinen finanziellen Schwierigkeiten heraushelfen würden. Es war keine Kleinigkeit für einen Mann wie Theo, der im Sinne des Wortes ein Bastard war, in eine Familie von so guter Herkunft einzuheiraten wie die des Duke. Es war der Innbegriff von allem, was Theos Vater gewollt hatte.

Möglicherweise war auch die Rede davon gewesen, dass der Duke ein paar rechtliche Hebel so in Bewegung setzen konnte, dass es Vorteile für Theo hatte.

Es war die Art von eiskalt kalkuliertem Geschäft, wie es nur die höchsten Adelskreise abschlossen. Theo war bereit, die Chance auf eine Liebesheirat aufzugeben, wenn es bedeutete, dass er sowohl seine Geschäfte fördern als auch den Traum seines verstorbenen Vaters verwirklichen konnte.

Unter Theos Leitung war Osborne & Son gewachsen und besaß inzwischen eine Reederei, mehrere Großhandelsbetriebe, eine Eisenbahngesellschaft, mehrere Geschäfte in London und einen Lustgarten.

Jetzt gerade dachte er an Letzteren; er hatte ihn vor ein paar Jahren gekauft, nachdem er festgestellt hatte, dass er im Laufe eines Monats immer wieder, nun ja, Lust gehabt hatte, dort vorbeizuschauen.

Im Gegensatz zu den Vauxhall Gardens, die während der Kindheit seines Vaters unglaublich beliebt gewesen waren und noch immer eine ganze Reihe Attraktionen für Familien boten, war der diskrete Garten der Hedone Erwachsenen vorbehalten, die sich ihren Sehnsüchten hingeben wollten. Dort war alles und jedes erlaubt, solange alle, die es betraf, damit einverstanden waren.

Und Theo war sehr oft völlig einverstanden. Der Park war ein Ort, an dem er wenigstens für ein paar Stunden vergessen konnte, dass auf seinen Schultern die Verantwortung für Hunderte von Menschen und ihren Lebensunterhalt lastete. Er konnte vergessen, dass die meisten Gentlemen, denen er bei seiner Geschäftstätigkeit begegnete, mit der gleichen Selbstverständlichkeit wegen seiner bescheidenen Herkunft auf ihn herabsahen, wie sie sein Geld nahmen.

Sich ins Vergessen zu vögeln war sein zweitliebstes Hobby. Sein erstes waren die monatlichen Treffen mit seinen Freunden, vier anderen Waisenjungen, die er in Devenaughs Heim für mittellose Knaben kennengelernt hatte.

Jeder der fünf war in einer guten Familie untergebracht worden. In seinem Fall war das ein Gentleman gewesen, der nie geheiratet hatte, sich aber nach einer eigenen Familie sehnte. Theo und Mr. Osborne hatten einander so nahegestanden, als wären sie tatsächlich Vater und Sohn gewesen, und Mr. Osborne hatte Theo alles beigebracht, was er über sein Geschäft gewusst hatte.

Theo war über die Jahre ständig in Kontakt mit den anderen Waisenjungen gewesen und sie hatten ihn getröstet, als Mr. Osborne schließlich einer schweren Grippe zum Opfer gefallen war. Die monatlichen Treffen mit diesen Freunden waren die einzigen Termine, die er außerhalb seiner Arbeit hatte.

Aber da ihr nächstes Treffen erst in ein paar Tagen stattfinden würde – er hatte das Buch noch nicht einmal gekauft, das sie besprechen wollten, Charlotte Lennox’ Don Quixote im Reifrock –, würde er sich in den Lustgarten begeben, wo er darauf hoffen konnte, eine gleichgesinnte Dame zu treffen, mit der er sich unbekümmert vergnügen konnte.

Es würde sein allerletzter Besuch dort werden. Zumindest als Gast; er sollte seine Zukünftige bei ihrem Debüt kennenlernen und er würde nicht so weiterleben können wie bisher, wenn das erst einmal geschehen war. Seine Loyalität war wahrscheinlich etwas, worüber Aristokraten die Nase rümpften, aber Theo hatte vor, seiner Ehefrau treu zu sein, ganz gleich, wie es zu dieser Heirat kam.

Also würde es heute ein ganz besonderer Abend werden.

„Guten Abend, Mr. Osborne“, sagte der Wächter, als Theo aus der Droschke stieg.

Theo beugte sich vor und sagte leise: „Denken Sie bitte daran: keine Namen. Wir sind stolz auf unsere Diskretion.“

Der Wächter riss die Augen auf und dann richtete er sich auf. „Selbstverständlich, Mr. Os– ich wollte sagen Mr. Geheimnisvoller Gentleman.“

Theo musste sich ein Grinsen über diesen Versuch einer List verkneifen, dann schlenderte er durch das Tor, sah sich um und musterte die mittelgroße Schar der Gäste, die bereits anwesend waren.

„Theo!“, rief jemand. So viel dazu, seine Identität geheim zu halten.

Er drehte sich um und sah, wie seine Freundin Lucy auf ihn zukam. Lucy besaß eine Schneiderei und sie hatte ihre Geschäftsräume von ihm gemietet. Erst viel später, vor ein paar Monaten, waren sie einander hier im Park begegnet und hatten ein paar Stunden miteinander verbracht. Sie waren sich einig gewesen, dass es amüsant gewesen war, aber dass sie lieber Freunde bleiben als es noch einmal versuchen wollten.

Theo war damit völlig zufrieden, da er sich niemandem gegenüber verpflichtet fühlen wollte. Nicht einmal jemandem, mit dem er bis zur völligen Erschöpfung gevögelt hatte. Seine Geschäfte waren ohnehin schon zeitraubend genug; er hatte keine Zeit für andere Beziehungen, ganz gleich, wie vorteilhaft sie für beide Seiten sein mochten.

Was allerdings die Frage aufwarf, was passieren würde, wenn eine Ehefrau ins Spiel kam. Aber genau darum ging es doch, oder nicht? Zu heiraten und die Verbindungen des Duke zu nutzen, um dafür zu sorgen, dass er sich nicht mehr um seine Geschäfte zu kümmern brauchte und das Leben eines Gentleman führen konnte. Es würde einige Mühe kosten, aber er fürchtete sich nicht vor harter Arbeit.

Morgen, schwor er sich selbst, da wollte er alles planen. Nicht heute Abend.

„Wie geht es dir?“, fragte er und küsste Lucy auf die Wange.

Sie war wie immer formvollendet gekleidet, eine wandelnde Werbeanzeige für ihr Geschäft.

„Mir geht es wunderbar. Ich kleide gerade eine Duchess ein, ist das nicht unglaublich? Zwar eine verwitwete Duchess, aber trotzdem eine Duchess.“

„Ausgezeichnet! Heißt das, dass ich dir die Miete erhöhen muss?“, fragte er, zwinkerte ihr dabei aber zu.

Sie stupste ihn in die Brust. „Nein, sie hat ihre Rechnung noch nicht bezahlt.“ Sie musterte ihn. „Und du, du bist hier, weil du zu viel gearbeitet hast?“

„Woher weißt du das?“, fragte er.

Sie verdrehte die Augen. „Weil du immer zu viel arbeitest.“ Sie schob ihn sanft weiter in den Park hinein. „Los doch, viel Spaß. Du hast es dir Gott weiß verdient.“

„Danke, Lucy.“

„Und sag der Lady auf jeden Fall, dass sie sich glücklich schätzen kann, dich zu bekommen“, rief sie über die Schulter hinweg, während sie ihm zum Abschied winkte.

„Das sollte ich ihr nicht sagen müssen“, murmelte Theo. „Das werde ich ihr schon zeigen. Wenn es geht, gleich ein paarmal hintereinander.“

Er musterte die Menge. Die meisten Gäste sahen einer Schlangenfrau dabei zu, wie sie sich auf der Bühne zu einer Brezel zusammenrollte. Der Park war zwar ein Ort für anonyme Begegnungen, aber es wurde auch andere Unterhaltung geboten, die zum allergrößten Teil nichts Anstößiges hatte.

Es war das Prinzip des Parks, dass jeder Mensch Spaß haben sollte, ganz gleich was er tun wollte. Ob es erotische Abenteuer waren oder eine muntere Partie Schach, war gleichgültig.

Theo glaubte fest daran, dass man viel Spaß haben sollte, wenn man hart arbeitete. Dieser Park hier war ein Ort für die hart arbeitende Bevölkerung von London, Menschen, die ein paar Pence übrig hatten, um das Eintrittsgeld zu bezahlen. Einige der Gäste – die aus den besten Familien – waren zunächst überrascht gewesen, dass sie hier in direkten Kontakt mit Menschen kamen, von denen sie sonst Keramik kauften, oder mit Bankangestellten, mit denen sie Geschäfte machten. Theo hatte dann immer dazu geraten, dass Gäste mit solchen Beschwerden den Park verließen und nie mehr wiederkamen.

„Was wollen wir denn hier?“, hörte er eine Frauenstimme irgendwo hinter sich fragen.

„Wir sind hier“, erwiderte eine zweite Frau, „damit du sehen kannst, wie es ist, wenn man Spaß hat.“ Die zweite Frau hatte es mit sehr fester Stimme gesagt.

„Ich weiß, wie es ist, wenn man …“, fing die erste Frau an, unterbrach sich dann aber. „Wie dem auch sei. Du hast vollkommen recht. Es gibt Spaß und es gibt Spaß. Von welcher Art von Spaß reden wir hier? Oh, dort hinten wird Schach gespielt! Und sieh mal, ein paar Leute reiten auf Eseln! Ich bin noch nie auf einem Esel geritten! Das macht sicher Spaß!“

Theo verkniff sich ein Lächeln über die Begeisterung in der Stimme der Frau. Es war eine Seltenheit, wenn nicht gar ganz und gar einzigartig, dass ein Mensch in dieser Stadt erwachsen geworden war, sich aber trotzdem noch so an kleinen Dingen freuen konnte. Wenn er ganz ehrlich war, beneidete er sie darum.

„Um Himmels willen, wir sind doch nicht hergekommen, damit du auf einem Esel reiten kannst“, sagte die zweite Frau entrüstet. „Guck mal, da vor uns geht ein Gentleman. Den könntest du doch fragen, womit er sich hier die Zeit vertreibt.“

„Du meinst, ich soll zu einem Fremden hingehen und ihn einfach ansprechen?“, fragte die Frau. Die Art und Weise, wie sie das sagte, klang, als hätte man ihr vorgeschlagen, sich auf den Kopf zu stellen und Gedichte aufzusagen oder etwas ähnlich Absurdes.

„Warum denn nicht?“

Sie schwiegen, während die erste Frau über den Vorschlag nachzudenken schien. „Na schön. Aber wenn ich keinen Spaß habe, ist es deine Schuld.“ Sie sagte das liebevoll neckend.

„Los“, sagte die zweite Frau. „Wir treffen uns in zwei Stunden wieder hier. Ich mache mich auf die Suche nach etwas, das mir Spaß macht.“

Theo drehte sich um, um die beiden Frauen anzusehen, dabei wäre er beinahe in eine von ihnen hineingestolpert, die direkt auf ihn zukam.

Das musste die erste Frau sein, die noch nie Spaß gehabt hatte.

Sie war atemberaubend, wenn auch vielleicht keine klassische Schönheit; sie hatte weit auseinanderliegende dunkle Augen; nicht braun, aber vielleicht dunkelgrün, die von dichten Augenbrauen gerahmt wurden. Ihre Nase war energisch, sie verlieh ihr ein beinahe hochmütiges Aussehen. Ihr breiter Mund war zu einem Lächeln verzogen und ihre Lippen waren voll und rosig und überaus zum Anbeißen. Ihr Haar war mittelblond, zumindest hier in diesem flackernden Licht, und sah aus, als wäre es schwer zu bändigen. Sie hatte es zu einem praktischen Dutt aufgesteckt, aus dem ein paar Strähnen herausgerutscht waren.

Er hätte sie für jünger gehalten, aber diese Frau sah aus, als wäre sie älter als er. Sie schien außerdem unendlich neugierig zu sein und sich an kleinen Dingen freuen zu können.

„Guten Abend“, sagte er, als sie den Mund öffnete und etwas sagen wollte. „Sind Sie auf der Suche nach Unterhaltung?“, fragte er und zeigte mit einer vagen Geste auf das Zentrum des Parks.

„Ich weiß nicht genau, wonach ich suche“, murmelte sie, aber Theo hatte sie gehört.

Er bot ihr seinen Arm an. „Gestatten Sie mir, Ihnen alles zu zeigen“, sagte er, als sie seinen Arm nahm. „Dann können Sie mir verraten, was Sie sich wünschen.“

Aus irgendeinem Grund, den er nicht einmal sich selbst erklären konnte, war es ihm wichtig, ihr eine Freude zu machen.

2. KAPITEL

Sie können mir verraten, was Sie sich wünschen.

Hatte ein Gentleman sie je zuvor danach gefragt? Wissen wollen, was sie sich wünschte, nicht was er wünschte, dass sie sich wünschte?

Es war ein wunderbares Gefühl. Und es war eine vollkommen neue Erfahrung. Das alles nur, weil sie fest entschlossen war, sich ihr Leben zurückzuerobern – die schwarzen Kleider zu vernichten, an einen Ort wie diesen zu kommen, sich für Erfahrungen zu öffnen, die vielleicht gefährlich waren. Oder aufregend. Oder beides.

Das durfte sie nicht vergessen. Es wäre viel zu einfach für sie gewesen, sich wieder in ihr Schicksal zu fügen, aber so war sie nicht. Sie musste anders leben.

Und sie würde ihre eigene Entscheidung treffen, niemand anderes für sich entscheiden lassen. Es war ein herrliches Gefühl.

Alexandra ging mit dem Gentleman einen Weg entlang, der weiter in den Park hineinführte. In dessen Mitte standen Gebäude von unterschiedlicher Größe, zwischen denen sich wiederum ein reich geschmückter Garten mit hohen Hecken zu befinden schien, als wäre es ein Irrgarten.

Flackernder Fackelschein ergoss sich auf ihren Weg und sie konnte entferntes Stimmengemurmel hören. Es fühlte sich an wie der Augenblick, bevor man seine Zehen in ein heißes Bad hält – voller Vorfreude, in dem Wissen, dass einen gleich der reine Genuss erwartete.

Auch wenn sie das nicht mit Sicherheit wusste. Aber wahrscheinlich war es so. Immerhin war das hier der Garten der Hedone, ein Name, dessen Bedeutung Edith ihr erst hatte erklären müssen, was Alexandra hatte rot werden lassen, nachdem sie es begriffen hatte.

Dass eine vierzigjährige Witwe noch immer zum Erröten neigte, bewies, was sie bis jetzt für ein behütetes Leben geführt hatte.

Zumindest hatte Edith an ihr ihren Spaß; ihre Stieftochter hatte fast drei Minuten lang darüber gelacht, wie rot Alexandra geworden war.

„Also …?“, fragte der Gentleman noch einmal.

„Also …?“, wiederholte Alexandra ratlos.

Er legte seine Hand auf ihre, die, mit der sie sich an seinem Arm festhielt, und drückte ihr die Finger. „Sagen Sie mir, was Sie sich wünschen.“

Sie holte tief Luft. „Ich weiß nicht genau“, erwiderte sie schlicht. „Ich möchte wohl einfach tun und lassen können, was ich will, was sich gleichzeitig überflüssig und unglaublich wenig hilfreich anhört.“

Er lachte leise und schnaubend.

„Zumindest sind Sie ehrlich“, erwiderte er. „Die meisten Menschen sagen, was sie glauben, dass der andere möchte, was sogar noch weniger hilfreich ist, weil die meisten Menschen in Wirklichkeit keine echten Gedanken miteinander austauschen.“

„Vielleicht fangen wir damit an, dass Sie mir verraten, was Sie sich wünschen“, warf Alexandra ein.

Er zog sie an sich und sie spürte, wie ihr der Atem stockte. „Ich bin auf der Suche nach etwas Lustvollem“, erwiderte er schlicht. Ruhig. „Das hier ist schließlich ein Lustgarten.“

War es so einfach? Man sagte, was man wollte, und dann – bekam man es einfach?

„Möchten Sie Schach mit mir spielen?“, platzte sie heraus, als sie an einer Reihe von Tischen vorbeikamen, an denen die Leute verschiedene Spiele spielten.

Er antwortete nicht, sondern rückte einen Stuhl von einem der freien Tische ab und ließ sie dort Platz nehmen, ehe er sich ihr gegenüber setzte.

Auf dem Brett – denn der Tisch war mit einem Schachbrett bemalt – waren bereits die Figuren aufgebaut. Zumindest nahm Alexandra es an; sie hatte selbst noch nie gespielt und hatte keine Ahnung, wie sie anfangen sollte.

„Schach ist ein interessantes Spiel“, ergriff er das Wort und rückte eine kleine Figur ganz vorn zwei Felder vor. „Ich glaube, es ist in Indien erfunden worden, vor etwa fünfzehnhundert Jahren.“ Er neigte ihr den Kopf zu, als würde er ihr ein Geheimnis anvertrauen. „Das weiß ich nur, weil ich einen Freund habe, der eine Quelle von solchem Wissen ist und sich nicht davon abbringen lässt, dieses Wissen mit allen zu teilen.“ Sein Ton war freundlich und nachsichtig, als ob der Freund ihm gleichzeitig Spaß machte und ihm auf die Nerven ging.

Sie faltete die Hände im Schoß und musterte ihn, während er sprach.

Du liebe Güte. Sie hatte ihn vorher nicht genau angesehen und das flackernde Licht der Fackeln hatte ein Übriges getan, doch jetzt, da sie es tat, konnte sie sich nicht vorstellen, warum er ganz alleine gewesen war.

Er sah bemerkenswert und strahlend gut aus. Er hatte dunkles Haar, ein paar vorwitzige Strähnen hingen ihm tief in die Stirn. Seine Nase bildete eine energische, gerade Linie über seinem vollen, sinnlichen Mund. Sein Blick war aufmerksam und direkt, seine Augen ebenfalls dunkel und in seiner rechten Wange bildete sich ein Grübchen, wenn er lächelte.

Was er jetzt gerade tat.

Du lieber Himmel, es fühlte sich an, als ob sein Lächeln das heiße Bad wäre – als tauche sie ihre Zehen in sein Wesen, als atme sie seinen Duft durch ihre Haut ein.

„Woran denken Sie?“, fragte er und sie bebte, weil seine Worte sich so dunkel und energisch anhörten.

„Ich denke daran, dass ich in Wirklichkeit gar nicht Schach spielen kann“, gestand sie ihm, woraufhin er in schallendes Gelächter ausbrach.

Er … lachte. Er machte sich nicht über sie lustig oder verspottete sie, weil sie ihr Unvermögen zugegeben hatte. Er schien es charmant zu finden.

Sie amüsierte sich jetzt schon weit mehr, als sie es seit langer Zeit getan hatte.

Er stellte die kleine Figur zurück an ihren Platz, dann erhob er sich und hielt ihr seine Hand hin. Sie nahm sie und erlaubte ihm, ihr beim Aufstehen zu helfen.

„Also, möchten Sie es denn lernen? Oder gibt es sonst noch irgendetwas, das Sie interessiert?“

Alexandra war zwar naiv, aber nicht einmal sie konnte ihn jetzt missverstehen. Nicht, wenn er es so leise und vertraulich sagte. Nicht, wenn er ihr direkt in die Augen sah, als ob er ihre Antwort unbedingt hören wollte.

Und sie musste feststellen, dass es allerdings Dinge gab, die sie interessierten. Wie es sich anfühlte, wenn er seine vollen Lippen auf ihre presste. Was er mit seinen Fingern machen konnte, wenn sie es zuließ. Wie sie sich in ihm als heißem Bad verlieren konnte, an diesem Ort, an dem sie das Gefühl hatte, durch einen Traum zu wandeln, außerhalb einer Welt, in der sie eine verwitwete Duchess war, die demnächst ihre Tochter in die Gesellschaft einführen wollte.

An diesem Ort, an dem sie einfach nur sie selbst sein konnte, mit Wünschen und Bedürfnissen, ja, Bedürfnissen, die es geben durfte. Sie hatte nur diesen einen Abend; sie musste das Beste daraus machen. Und das Verdorbenste. Und alles tun, das sie sich vorher noch nie zugestanden hatte.

Mit ihm.

„Sollen wir irgendwo hingehen, wo wir unter uns sind?“, fragte er. „Nur wenn Sie das möchten, natürlich.“ Sein Tonfall war sanft. Zärtlich sogar. „Wenn Sie sich lieber wieder setzen und lernen möchten, wie man Schach spielt, bin ich gerne auch dazu bereit. Dieser Abend ist dazu da, dass Sie sich amüsieren. Hat Ihre Freundin das nicht vorhin gesagt?“

Alexandra holte tief Luft und wägte dabei die Optionen ab. Ihre erste Option war, sein Angebot anzunehmen, zu lernen, wie man Schach spielte, und wahrscheinlich etwas Zeit zu haben, sein schönes Gesicht zu bewundern.

Die andere Option – die, bei der ihr Herz raste und andere Körperteile kribbelten – war, mit ihm an einen ruhigen Ort zu verschwinden, damit er ihr zeigen konnte, um was es in einem Lustgarten wirklich ging.

In ihn einzutauchen.

Sie wägte ihre Optionen in Wirklichkeit gar nicht gegeneinander ab, oder? Sie wusste schon, was sie tun würde, hatte es vorhin schon gewusst, als Edith ihr erklärt hatte, wohin die Mietdroschke sie bringen würde. Obwohl sie sich mit dem Gedanken an Schach und Esel abgelenkt hatte.

„Ich würde gerne irgendwo hingehen“, sagte sie sanft und leise. „Irgendwo, wo wir unter uns sind.“

Er verzog den Mund zu einem so wissenden, so verdorbenen Lächeln, dass ihr der Atem stockte.

„Ausgezeichnet“, erwiderte er. „Und Sie sagen mir auch ganz sicher, was Sie möchten, ja? Immer wieder und mit Nachdruck, wenn es sein muss? Ich möchte, dass Sie so viel Lust erleben, wie Sie erwartet haben, als Sie sich entschieden haben, herzukommen.“

„Ich habe eigentlich nichts …“, fing sie an, aber dann unterbrach sie sich. Was machte es schon, dass Edith diejenige gewesen war, die sie dazu gedrängt hatte, herzukommen?

Gar nichts. Worauf es ankam, war, dass sie hier war, Sir Heißes Bad dort war und sie einen ganzen Abend Zeit hatte, sich auszuprobieren, ehe sie sich wieder ihren Pflichten widmen musste.

„Gehen Sie mit mir irgendwo hin“, sagte sie einfach.

Theo spürte, wie sich die vertraute Vorfreude in ihm ausbreitete, als er sie weiter in den Lustgarten hinein führte. Die Momente, bevor alles andere geschah, machten ihm oft am meisten Spaß; der zarte Tanz möglicher Partner, die Blicke und die Gespräche.

Er fand sie außerordentlich anziehend und das nicht nur wegen ihres Äußeren. Es lag etwas in ihrer Haltung, als wäre sie sich ihrer eigenen Macht nicht bewusst, hätte aber vor, sich selbst vor Herausforderungen zu stellen, um zu ergründen, wer sie sein konnte.

Vielleicht maß er ihren Worten von vorhin zu viel Bedeutung bei, aber das glaubte er nicht. Das hier war eine Frau, die gleichzeitig sicher und furchtlos zu sein schien, die mutig genug war, sich dem zu stellen, was sie noch nicht kannte.

Sie war ganz anders als die Menschen, mit denen er bislang Zeit verbracht hatte – sowohl im Bett als auch außerhalb. Es war berauschend.

Wenn sie ihre Zeit letzten Endes damit verbrachten, Champagner zu trinken und zu flirten, sich vielleicht ein paarmal küssten, war das völlig in Ordnung für ihn. Denn dazu hatte sie sich dann entschlossen.

Er wusste schon jetzt, dass er ihr geben wollte, was sie wollte – er hatte sie gebeten, ihm genau das zu sagen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass es wichtiger war, dass sie den Raum bekam, zu sein, wer sie war.

Auch wenn heute sein letzter Abend als Gast hier war. Vielleicht genau deswegen.

Er war stolz darauf, ein selbstloser Liebhaber zu sein, der dafür sorgte, dass seine Partnerin genauso, wenn nicht noch mehr, befriedigt war, wie er, aber das hier war etwas anderes. Etwas, das ihm noch nie zuvor begegnet war. Es war eine Erweiterung seines Bedürfnisses, allen zu helfen, alles so zu regeln, dass alle zufrieden waren.

„Wer war die junge Frau, mit der Sie hergekommen sind?“, fragte er, während sie den Weg entlanggingen. Der Weg selbst wurde nicht schmaler, aber die Fackeln waren hier in größeren Abständen aufgestellt, sodass man das Gefühl hatte, unter sich zu sein.

„Meine Stieftochter“, erwiderte sie in liebevollem Tonfall. „Sie ist sogar ein paar Jahre älter als ich und sie ist auch meine beste Freundin. Ich habe ein solches Glück gehabt, dass ich ihr begegnet bin.“

„Sie sind verheiratet?“, fragte er und blieb mitten auf dem Weg stehen. Er fing nichts mit verheirateten Frauen an – das war nicht richtig, nicht, wenn es darum ging, dass man frei war, zu tun, was man wollte, ohne sich zu irgendetwas zu verpflichten.

„Nein, ich bin verwitwet“, sagte sie leise. „Er ist vor ein paar Jahren gestorben.“

„Ach.“ Sie verharrte, als gäbe es Dinge, die sie für sich behalten und nicht sagen wollte oder konnte. Er beschloss, ihr zu überlassen, ob sie noch mehr zu diesem Thema sagen wollte, stattdessen konzentrierte er sich auf das, was ihr offensichtlich am Herzen lag.

„Ihre Stieftochter – was mögen Sie an ihr? Dass Sie sie hergebracht hat?“, fuhr er mit amüsierter Stimme fort.

Sie lachte. „Ja, das zum einen. Sie ist – sie ist furchtlos. Sie tut, was sie will, wann sie es will. Sie hat sich nicht gut mit ihrem Vater, meinem Ehemann, verstanden. Aber das schien ihr nichts auszumachen. Sie hat sich lieber um sich selbst gekümmert. Das bewundere ich an ihr.“

„Deswegen sind Sie mit mir hier.“

Sie nickte. „Es gibt … Dinge, die ich von morgen an tun muss. Aber heute Abend hat Edith mich ermutigt, herzukommen, um die Freiheit zu spüren, die sie hat. Nur für einen Abend.“

Er lachte verhalten. „Sie scheinen Ihrer Edith sehr am Herzen zu liegen.“

„Das stimmt“, war ihre Antwort. Sie hatte es mit fester Stimme gesagt und voller Liebe. „Sie sorgt immer wieder dafür, dass ich etwas wage, und ich bewundere sie so sehr.“

Sie sprach von ihrer Stieftochter, wie Theo über seine Freunde gesprochen hätte.

„Ich bin auch nur für einen Abend hier“, sagte er und spürte, wie sich ihm dabei die Brust zusammenzog. „Es gibt Dinge, die ich morgen tun werde, die mir keine weiteren Besuche gestatten.“ Aber er wollte nicht an seine zukünftige Braut denken, nicht, wenn diese Frau hier seine Zukunft war. Zumindest für ein paar Stunden.

„Also sind wir heute Abend beide frei. Nur heute Abend. Was bedeutet, dass wir das Beste daraus machen sollten, nicht wahr?“ Als sie das sagte, hörte sie sich gleichzeitig zögerlich und unerschrocken an.

„Und diese Freiheit bedeutet, hier mit mir zusammen zu sein? Allein?“

„Ja“, sagte sie schlicht.

Das besänftigte das Gefühl in seiner Brust und er schenkte ihr ein freundliches Lächeln.

Sie blieben vor einem der kleinen Häuser stehen, das leuchtend weiß gestrichen und dessen Front mit hübschen Grünpflanzen geschmückt war. Auf beiden Seiten des Gebäudes waren Fackeln aufgestellt worden, die ein einladendes Licht auf den Boden vor ihm warfen. Er wusste, dass genau dieses frei war, weil er es vorhin für sich reserviert hatte.

„Wir sind da“, sagte er.

„Gehen wir … einfach hinein?“, fragte sie.

„Wenn es das ist, was Sie tun möchten. Es gibt drinnen Erfrischungen. Wir können tun, was immer Sie möchten.“

„Oh“, sagte sie voller Verwunderung. „Ich hätte mir niemals …“

„Lassen Sie mich raten“, sagte er, als sie sich unterbrach. „Sie haben noch nie genau das getan, was Sie tun wollten.“

„Noch nie.“

Er zeigte auf die Tür. „Dann gehen Sie nur, Mylady, gehen Sie hinein. Wir finden gemeinsam heraus, was Sie möchten. Am heutigen Abend.“ Er musste dafür sorgen, dass sie bekam, was sie wollte. Dafür sorgen, dass sie ihren Spaß hatte.

Sie drehte sich um und sah ihn an, sie hob den Kopf, sodass sie ihm in die Augen sehen konnte.

Sie war groß, beinahe so groß wie er, was sie zu einer Ehrfurcht gebietenden Erscheinung machte. Ihre Figur war üppig, ihre Brüste rund und voll, ihre Hüften ebenfalls breit. Genau die Art von Weichheit, in der er versinken wollte, mit der er sich umgeben und der er sich hingeben wollte.

Er wurde jetzt schon hart und er hatte sie, abgesehen von ihrem Arm, noch nicht einmal berührt.

Er verspürte ein beinahe animalisches Verlangen, sie zu befriedigen, dafür zu sorgen, dass die eine Nacht, in der sie sie selbst sein konnte, die berauschendste und wunderbarste Nacht wurde, die sie je erlebt hatte.

Ja, er wollte sie ins Vergessen vögeln, aber er wollte auch, dass es für sie ein lustvolles Erlebnis war, was weit schwieriger für ihn war, als einfach nur in sie einzudringen. Zum Ersten kam es vielleicht nicht einmal dazu; es würde genau das passieren, was sie wollte.

Er hoffte allerdings, dass es irgendwann im Verlauf des Abends dazu kam. Er war nicht vollkommen selbstlos.

Er war sich sicher, dass dieser letzte Abend bedeutsam und unvergesslich werden würde.

„Vielen Dank“, sagte sie und reckte sich, um ihn auf den Mundwinkel zu küssen. Er überließ ihr die Führung, ließ zu, dass sie mit ihrem weichen Mund für einen Moment auf seinem verweilte, ehe sie sich zurückzog und vor ihm das Häuschen betrat. Sie wandte den Kopf, um ihm einen dunklen, verführerischen Blick zuzuwerfen, ehe sie hineinging.

Er folgte ihr hastig. Sein ganzer Körper schien vor Begehren in Flammen zu stehen.

Ihm war jetzt schon klar, dass nichts, was er bis jetzt erlebt hatte oder noch erleben würde, mit der Nacht mithalten konnte, die vor ihm lag.

3. KAPITEL

Alexandra sah sich im Inneren des kleinen Häuschens um. Sie freute sich darüber, wie einladend hier alles war. Das Haus war klein, aber makellos sauber, auf fast allen zur Verfügung stehenden Flächen standen Kerzen. Auf dem Boden lagen dunkle Holzbretter und hier und da ein Teppich. Der Blick fiel als erstes auf das Sofa, das unter einem Sprossenfenster stand. Auf ihm hatten zwei oder drei Personen Platz, wenn die drei schlank waren und nichts dagegen hatten, ein wenig aneinandergedrängt zu werden. Es schien mit dunkelrotem Samt bezogen zu sein, einem prunkvollen Stoff, der sie an hemmungslose Sinnlichkeit denken ließ. Zu beiden Seiten des Sofas standen Flaschen mit nicht genau identifizierbaren Flüssigkeiten, auf einem niedrigen Tisch befand sich ein Tablett mit einer Karaffe und mehreren Gläsern.

„Haben die gedacht, dass eine ganze Gesellschaft herkommen würde?“, fragte Alexandra und wollte eins der Gläser in die Hand nehmen.

„Der Garten der Hedone ist stets auf alles vorbereitet“, erwiderte er. „Wenn sich ein Gast hier etwas gönnen möchte, wollen wir nicht, dass er sich erst auf die Suche nach einem Glas machen muss.“

„Wir?“, fragte sie und drehte sich nach ihm um. In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass sie, um Himmels willen, nicht einmal seinen Namen kannte. Und er auch nicht ihren.

Er zuckte mit den Schultern. „Ich besitze möglicherweise Anteile hier. Ich sorge gerne dafür, dass alle, die ihr Eintrittsgeld bezahlen, auch etwas für ihr Geld bekommen.“

Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Also geht es hier“, sagte sie und zeigte auf ihn und dann auf sich, „nur darum, Ihre Kundin zufriedenzustellen?“ Sie runzelte die Stirn. „Und Sie haben doch gesagt, es wäre Ihr letzter Abend. Bedeutet das, dass Sie verkaufen wollen?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, so einfach ist es nicht. Ich versichere Ihnen, dass ich allein zu meinem Vergnügen hier bin.“ Er runzelte die Stirn, als müsse er darüber nachdenken, was er als Nächstes sagen wollte. „Zu Ihrem Vergnügen, ehrlich gesagt. Ich habe da so ein Gefühl“, sagte er und zeigte dabei auf seine Brust.

Sie wusste, was er meinte. Sie hatte das gleiche Gefühl. Es machte ihr, aufrichtig gesagt, sogar Angst. Aber sie durfte nicht zulassen, dass es ihr Angst machte; sie musste sich darauf einlassen. Darum ging es doch, oder nicht?

Er schüttelte den Kopf, als müsse er sich über seine Gedanken klar werden. „Ich habe mich in diesen Betrieb eingekauft, weil es mir hier so gut gefällt. Aber nach dem heutigen Abend …“ Er zuckte mit den Schultern und beließ es bei diesen Worten. „Vergessen wir das. Fürs Erste.“

Er kam auf sie zu wie ein Raubtier und sie konnte nichts dagegen tun, dass ihr der Atem stockte und ihr Herz raste. Er war ein selbstbewusster Mann, einer, der genau wusste, was er wollte und dass er es bekommen würde, da hatte sie keine Zweifel. „Und was die Frage betrifft, ob ich jemanden zufriedenstellen möchte – ich bin nur hier, um Sie zufriedenzustellen.“

„Oh“, sagte sie. Der Ausruf wurde von einem kleinen Stöhnen begleitet. „Verstehe.“

„Nein, noch nicht“, sagte er und schüttelte langsam den Kopf. Er kam immer noch auf sie zu, bis er seine Hände auf ihre Arme legen konnte, ihre nackten Arme. Seine Handflächen fühlten sich warm und zart auf ihrer Haut an. „Ich will dich befriedigen. Ich war mir nicht sicher, wonach ich gesucht habe, bis ich dich gesehen habe. Aber jetzt weiß ich es. Deine Lust ist genau das, was ich heute Nacht will.“ Er senkte den Kopf an ihren Hals und berührte dabei gerade eben ihre Haut mit den Lippen. Er fuhr mit dem Mund weiter nach oben, bis er bei ihrem Ohr angelangt war. „Wirst du sie mir schenken? Oder muss ich dich anflehen?“ Er lachte leise und dunkel, sodass sie es genau dort spüren konnte, wo sie schon jetzt pulsierte. „Ich würde es tun, wenn es das ist, was du willst.“ Er schwieg. „Bitte“, sagte er dann mit heiserer Stimme.

Sie bebte, ihre Hände legten sich wie von selbst um seinen Hals, wo sie seinen Puls schnell pochen fühlte. Und dann legte sie den Kopf in den Nacken, sah ihm in die Augen und holte tief Luft. „Ich werde es tun. Wenn ich für dich dasselbe tun darf. Immerhin ist es für dich auch der letzte Abend.“

Es war, als hätten ihre Worte ihn in Bewegung gesetzt. Er beugte sich vor und hob sie hoch, hielt sie an seiner Brust, als ob sie überhaupt nichts wiegen würde, dann setzte er sie längs auf das Sofa, ihr Kopf lag auf der Armlehne, ihre Beine waren zum anderen Ende hin ausgestreckt.

Anschließend kniete er sich vor ihr auf den Boden und hob die Hand, um ihr Kinn zu umfassen.

Sie schluckte, als sie die reine Lust in seinem Blick sah. Noch nie hatte jemand sie so angesehen. Noch nie hatte jemand sie ihren Körper so heftig spüren lassen. Es fühlte sich an, als ob jeder Zoll ihres Körpers kribbelte, darauf wartete, berührt zu werden, liebkost, gestreichelt.

Er senkten den Blick auf ihre Lippen und dann hielt er inne. Er sah kurz zu ihr auf. „Sag es mir“, forderte er.

„Küss mich“, erwiderte sie und daraufhin zog er einen Mundwinkel nach oben, wobei sein Grübchen zum Vorschein kam. Danach konnte sie an nichts anderes mehr denken als an seinen Mund auf ihrem, das Gefühl, dass alles zu viel war und gleichzeitig nicht genug.

Er war fordernd und zärtlich, als ob er wüsste, dass sie nicht viel Erfahrung hatte. Ihr Ehemann hatte sie nur selten geküsst, hatte sich vielleicht zehn Minuten Zeit gelassen, wenn er sie in ihrer Schlafkammer aufgesucht hatte, und dann die meiste Zeit damit verbracht, sich bereit zu machen, in sie einzudringen.

Das hier fühlte sich an, als ob er sie umwerben würde, sie mit seinen Lippen verführte und dann mit seiner Zunge, mit der er den Rand ihrer Lippen leckte, bis sie sie mit einem Seufzen öffnete.

Er stieß einen kehligen Laut aus und küsste sie noch heftiger als zuvor, er ließ seine Zunge in ihren Mund gleiten, leckte und sog, während er seine Hand an ihren Nacken wandern ließ, mit den Fingerspitzen über ihre Wirbel fuhr, hinab zu ihrer Brust, wo er mit dem Ausschnitt ihres Kleides spielte.

Es … es passierte wirklich. Sie war in einen Lustgarten gekommen, allein mit einem Fremden, erlaubte ihm, sie zu küssen, sagte ihm, was sie wollte.

Was sie wollte, war viel mehr.

„Fass mich an“, sagte sie, nahm seine Hand und legte sie auf ihre Brust. „Dort, bitte.“ Der Gegensatz zwischen dem höflichen Ausdruck und dem, worum sie in Wirklichkeit bat, war beinahe zum Lachen.

Wenn sie nicht vollauf mit diesem Kuss beschäftigt gewesen wäre.

Sie umschlang zuerst vorsichtig, dann immer unerschrockener seine Zunge mit ihrer, leckte genau wie er, spürte, wie sich ihr Körper auf neue und unerwartete und sehr angenehme Weise spannte.

Er umfasste mit einer Hand ihre Brust und fing an, sie zu bewegen, packte ihre Fülle, und sie spürte, wie ihre Brustspitze dabei hart wurde. Er sorgte dafür, dass sie sich danach sehnte, die Barriere aus Stoff loszuwerden, die ihre Haut von seiner trennte.

„Gefällt dir das?“, murmelte er. „Wenn du aufhören willst, sag es mir einfach.“

Er ließ ihr schon wieder die Wahl. Die Entscheidung. Wie hatte sie nur das bemerkenswerte Glück gehabt, einem Mann zu begegnen, der sie ihre eigenen Entscheidungen treffen ließ?

„Hör nicht auf“, sagte sie.

Sie streckte den Rücken durch, drängte ihren ganzen Körper ihm entgegen. Dabei bewegte sie rastlos ihre Beine, als könne sie keine bequeme Lage finden. Und das konnte sie auch nicht. Sie stand in Flammen. Sie sah nur noch ihn und seinen Mund und seine Finger und spürte, wie sich alles lebendig anfühlte. Sie wollte, dass es weiterging, damit sie fühlen konnte, was als Nächstes kam, aber gleichzeitig wollte sie, dass das hier niemals aufhörte – ungefähr so, wie wenn man ein sehr gutes Buch las, dessen Ende man kaum erwarten konnte, aber das man für immer weiterlesen wollte.

Und dann senkte er den Kopf und berührte mit den Lippen ihren Hals, mit einer Hand umfasste er immer noch ihre Brust. Er küsste ihre Haut, knabberte daran und fuhr dann mit seiner Zunge über dieselbe Stelle.

„Willst du mehr?“, fragte er und sie spürte seine Worte wie eine Berührung.

„Hm-hm“, sagte sie, noch immer rastlos. „Ja, bitte.“

Er richtete sich auf, zog sie ebenfalls auf die Füße und machte einen Schritt, sodass er hinter sie greifen konnte, um die Knöpfe ihres Kleides zu erreichen.

„Oh!“, rief sie und er hielt sofort inne.

„Ist das immer noch gut?“, fragte er.

„Sehr gut“, erwiderte sie.

Er öffnete ihr das Kleid und stellte sich dann vor sie, um sie anzusehen und ihr das Kleid von den Schultern zu streifen, von den Armen, bis es ihr auf die Taille fiel. Ihr Korsett folgte kurz darauf.

Ihr Unterkleid war dünn, aus feinstem Leinen, und sie wusste, dass es im Kerzenschein wahrscheinlich durchsichtig war. Er sog ihren Anblick auf und sie hatte das Gefühl, eine Blüte zu sein, die sich unter seinen Augen öffnete.

Sie reckte ihm ihr Kinn entgegen und hob die Augenbrauen. „Und du?“

Er verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln und hob die Hände an seine Krawatte, die er ohne viele Umschweife öffnete und neben ihnen auf den Boden fallen ließ. Als Nächstes streifte er sein Jackett ab, zog das Hemd aus der Hose und zog es sich über den Kopf.

Sodass seine Brust zum Vorschein kam.

Alexandra beugte sich vor, ihre Hand legte sich, ohne dass sie das gewollt hätte, auf seine Brust. Sie spreizte ihre Handfläche auf seiner warmen Haut. Er legte seine Hand auf ihre, hielt sie fest. „Fass mich an“, sagte er wie ein Echo ihrer Worte von eben.

Und das tat sie. Sein Körper war fest und muskulös, und sie erkundete seinen Oberkörper und seinen Bauch, über dessen Mitte eine dunkle Haarlinie verlief, die in seinem Hosenbund verschwand.

Sie ließ die Hände über seine Brustwarzen gleiten und er stieß einen heiseren, zustimmenden Laut aus, der tief aus seiner Kehle zu kommen schien. Sie packte seine Schulter, drückte sie, spürte die harte Kraft unter ihrer Hand, dann legte sie die Hand an seine Seite, ließ sie über die Muskeln gleiten, die sich deutlich abzeichneten.

Er hatte seine Hand auf ihr Bein gelegt und schob ihren Rock nach oben über ihre Knöchel, ihre Schienbeine; die kühlere Luft, die dieser Berührung folgte, war wie eine zusätzliche Liebkosung. 

„Ist es das, was du willst?“, fragte er mit heiserer Stimme. Heiser vor Begehren, vor Lust und Leidenschaft, das war Alexandra klar, obwohl noch nie jemand mit solchen Gefühlen zu ihr gesprochen hatte.

„Ja“, erwiderte sie mit fester Stimme, um sicherzugehen, dass er verstand, dass es ihr ernst war.

„Steh auf“, befahl er und sie tat es. Dann ließ sie sich das Kleid von ihm ganz ausziehen, das er vorsichtig zusammenfaltete und auf einen Sessel legte, ehe er ihr wieder seine ganze Aufmerksamkeit widmete.

Seine Augen glühten, als er sie wieder auf das Sofa setzte, dieses Mal so, wie man sich normalerweise auf ein Sofa setzen würde, allerdings nur mit Unterkleid und Strümpfen bekleidet.

„Du würdest eine ausgezeichnete Zofe abgeben“, sagte sie zusammenhanglos. Aufgewühlt von dem, was gerade geschah. Er grinste und wackelte mit den Augenbrauen, bis sie lachen musste.

Er hatte gemerkt, dass sie verunsichert war, und dafür gesorgt, dass sie sich wieder wohler fühlte.

Du liebe Güte.

Er kniete sich wieder vor sie und sie runzelte verwirrt die Stirn. „Was hast du …?“, fing sie an, aber dann legte er die Hände auf ihre Knie, schob sie weit auseinander und senkte den Kopf, um ihn unter ihr Unterkleid zu schieben. Sie spürte seinen Atem auf ihrer Haut.

Er küsste beide Schenkel, sodass sie bebte. Sie hielt den Atem an und wartete darauf, was er als Nächstes tun würde.

Er hielt mit beiden Händen ihre Beine fest, sodass sie weit offen für ihn war, und sie errötete bei dem Gedanken, was er sah – etwas, das noch nie zuvor jemand gesehen hatte. Sogar der Arzt, der Harriet zur Welt gebracht hatte, hatte der Sittlichkeit zuliebe eine Decke über sie gebreitet.

Und jetzt küsste er weiter ihre Haut, fuhr mit seinen Lippen nach oben, bis er ihre Hüftbeuge erreicht hatte. Das Unterkleid hatte er hochgeschoben, sodass ihr Unterleib entblößt war.

„Du bist so wunderschön“, murmelte er und ihr wurde warm bei diesem Kompliment – es war aufrichtig. Er brauchte nichts zu sagen, um sie dazu zu bewegen, weiterzumachen. Es ging um nichts anderes, als weiterzumachen. Es gab nur noch Aufrichtigkeit und Gefühl und Empfinden und Begehren.

Jetzt gab es nur noch sie in diesem Märchenhäuschen, weit weg von allen Pflichten und von allem, was zu sittsamem Verhalten dazugehörte. Wenn irgendjemand sie sah, auch nur ahnte, was geschah, wäre sie vollkommen und für immer ruiniert. Von der Gesellschaft ausgestoßen, in eine Schattenwelt verbannt, in der entehrte Frauen ihr Dasein fristen durften.

Vielleicht war es gerade das, was es so verführerisch machte, so provokativ. Dass ein einziger Augenblick das Leben eines Menschen für immer verändern konnte, zum Guten oder zum Bösen.

Sie vergaß alles, was ihren guten Ruf betraf, was sie morgen tun musste, und vergaß sogar beinahe ihren eigenen Namen, als er sie mit dem Mund dort berührte und mit seiner Zunge eine Art Zauber auf sie ausübte.

Theo liebte die Frauen. Er liebte ihren Duft, ihre sanften Rundungen, wie sie versuchten, ihr leidenschaftliches Stöhnen zu unterdrücken, obwohl sie eigentlich laut schreien wollten.

Aber vor allem liebte er ihren Geschmack.

Und sie – sie schmeckte besser als alle anderen Frauen, mit denen er bisher zusammen gewesen war.

Ihr Moschusaroma kitzelte ihn in der Nase, während er sie leckte, mit der Zunge über ihren Kitzler fuhr, spürte, wie sie daraufhin bebte. Er ließ ihr Knie los, um seine Hand an die Stelle seiner Zunge zu bringen, streichelte und liebkoste sie, während er sie weiter küsste.

Er hörte ihren fieberhaften Atem, ihre kleinen Seufzer der Lust, und er lächelte an ihrer Haut, an ihrer köstlichen Mitte, während er auf ihre Reaktionen horchte, um herauszufinden, womit er sie dazu bringen konnte, vor Leidenschaft zu explodieren.

Erst mit einem, dann mit zwei Fingern drang er in sie ein und streichelte sie weiter, während er sie mit dem Mund liebkoste. Er war so hart unter seiner Hose, dass es richtiggehend schmerzte, aber es war eine köstliche Qual, eine, die seine Spannung auf das steigerte, was noch kommen würde.

Es fühlte sich an, als wäre er nie irgendwo anders gewesen als hier unten, unter ihrem Unterkleid, mit einer Hand an ihrem weichen Schenkel, um sie für sich zu öffnen, die andere fest an sie gepresst auf der Suche nach dem Punkt, der ihr Stöhnen lauter werden ließ.

Ihm war nicht klar, wann genau er begriffen hatte, dass das hier ein Erlebnis war, das ganz anders war als alles, was er zuvor erlebt hatte. Vielleicht sogar schon, als er gehört hatte, wie sie sich mit ihrer Stieftochter unterhielt? Noch bevor er sie gesehen hatte? Als er die freudige Erregung in ihrer Stimme gehört hatte?

Es machte ihm Angst, wenn er ganz ehrlich war. Aber er wusste auch, dass es etwas zu bedeuten hatte.

„Oh Gott“, sagte sie. Er hörte, dass sie ganz kurz davor stand, und verdoppelte seine Anstrengungen. Er saugte jetzt an ihrer kleinen Perle, dann leckte er langsam, aber fest darüber. Anschließend schob er seine Zunge in sie hinein, während sie sich um ihn schloss.

„Oh Gott“, sagte sie noch einmal und dieses Mal klang ihrer Stimme höher und gespannter. Er lächelte, weil er wusste, dass sie gleich zum Höhepunkt kommen würde. Er wollte ihr Gesicht sehen, wenn es so weit war, aber vor allem wollte er zusehen, wie sie bei ihrem Orgasmus zuckte, spüren, wie ihr Innerstes sich zusammenzog und ihn festhielt, sodass er nicht mehr loslassen konnte, selbst wenn er wollte.

Er wollte nicht. Er wollte nie wieder loslassen.

Laut stöhnte sie, und er hörte auf nachzudenken und leckte sie weiter, ohne innezuhalten, bis die letzten bebenden Zuckungen abgeebbt waren.

Dann streichelte er sie noch einmal und hob den Kopf zwischen ihren Schenkeln heraus, um sie anzusehen.

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