Julia Best of Band 267

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TRAUMMÄNNER SIND SELTEN ALLEIN
Seit fast zwei Jahren versucht Reilly McCall, die hübsche Reporterin Mandy zu erobern. Als sie eine Wette verliert und mit ihm ausgehen muss, scheint er eine Chance zu haben. An diesem Abend spürt Mandy, warum alle Frauen diesen erotischen Mann haben wollen ..

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  • Erscheinungstag 07.07.2023
  • Bandnummer 267
  • ISBN / Artikelnummer 0812230267
  • Seitenanzahl 400

Leseprobe

Ginna Gray

JULIA BEST OF BAND 267

1. KAPITEL

Amanda Sutherland entdeckte den Brief in dem Augenblick, als sie das Nachrichtenbüro betrat.

Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte sie weiterzugehen. Dann nahm sie ihren gewohnten Gang durch das Labyrinth der Schreibtische wieder auf. Nur der leicht flatternde Pulsschlag verriet ihre Unruhe.

Überall im Nachrichtenbüro des Fernsehsenders 5 KLUX-TV herrschte rege Tätigkeit. Dutzende Computerkeyboards klapperten wie im Rhythmus von Kastagnetten gegen das Brummen der Monitore, das Knistern von Papier und das Läuten der Telefone an. Im ganzen Raum waren hier und da Gesprächsfetzen zu hören, die von einem Ruf oder einem lauten Lacher übertönt wurden. Über allem aber lag das beständige Flackern und Brummen der Studiomonitore.

Einige von Amandas Kollegen eilten umher. Andere standen in kleinen Gruppen und unterhielten sich oder saßen an den Schreibtischen und telefonierten.

Amanda legte das Notizbuch auf ihren Schreibtisch, verstaute die Handtasche in der Schublade, setzte sich und starrte auf den Briefumschlag.

Er lag auf dem Stapel der eingehenden Post obenauf und sah wie ein ganz gewöhnlicher Brief aus, aber die kleinen, peinlich genau geschriebenen Buchstaben kamen Amanda nur allzu bekannt vor.

Widerstrebend nahm sie den Brief vom Stapel. Wie gewöhnlich war der Umschlag in Houston abgestempelt worden und enthielt keinen Absender.

Nach einem kurzen Zögern öffnete sie den Umschlag und nahm das Stück Papier heraus.

„Liebste Amanda,

Donnerstagabend, als die Ölraffinerie explodierte, sahst Du wieder einmal großartig aus. Du bist wunderschön, und Du bist so mutig. Dich dort stehen zu sehen, wie Du in aller Ruhe über die Ereignisse berichtest, während die Flammen hoch emporschlagen und alles um Dich herum in Panik umherläuft, erfüllt mich mit Stolz. Keine andere Frau kann sich mit Dir vergleichen. Ich habe nur noch Augen für Dich. Du erfüllst meine Träume und bringst Licht in mein Leben. Ich würde alles für Dich tun, Amanda. Alles.“

Amanda betrachtete die Zeilen. Das unangenehme Kribbeln, das sie kurz zuvor schon verspürt hatte, war in der Zwischenzeit zu einem quälenden Knoten in der Brustgegend angewachsen.

Wie immer trug der Brief keine Unterschrift. Die Handschrift war so winzig und penibel genau geführt, dass der Eindruck entstand, als sei der Brief maschinell geschrieben worden. Das ganze Schreiben füllte nur einen Bruchteil des Briefpapiers aus.

Die Briefe kamen immer regelmäßiger. Erst vor vier Tagen hatte sie den letzten dieser Art erhalten. Doch was Amanda viel mehr Sorge bereitete, war der ständig wechselnde Tonfall.

Der erste Brief hatte sich fast wie das Schreiben eines Fans gelesen, ein bisschen schwärmerisch vielleicht, aber harmlos. Da sie als Berichterstatterin beim Fernsehen nicht allzu viel Fanpost erhielt, hatte sie sich zunächst sehr darüber gefreut.

Aber die Freude hatte nicht lange angehalten. Mit jedem weiteren Brief hatte der Ausdruck der Ergebenheit zugenommen. Es steckte etwas Besitzergreifendes in diesen Schreiben, und das verwirrte sie.

Wie in aller Welt kam ein Mann auf die Idee, von einer Frau, die er gar nicht kannte, nie zuvor getroffen hatte, Besitz ergreifen zu wollen? Das ganze hatte etwas Gespenstisches.

Amanda faltete das Papier und steckte es in den Umschlag zurück. Sie warf einen Blick auf die Glastür am anderen Ende des Raumes, die zum Büro des Chefredakteurs führte. Sollte sie ihm die Briefe zeigen? Zur Zeit hatte er die Jalousien heruntergelassen, und die Tür war geschlossen. Vielleicht hielt Harry Kowalski sein Mittagsschläfchen. Eine Störung käme ihm kaum gelegen.

Amanda entschied sich schnell gegen die Idee, die Geschichte ihrem Boss zu unterbreiten. Schließlich hatten die Briefe nichts Bedrohliches an sich. Was sollte sie ihm sagen? Dass ihr die Sache unter die Haut ging? Harrys Antwort konnte sie sich lebhaft vorstellen. Er würde wie immer behaupten, dass Frauen den kleinsten Anlass aufgriffen, um sich über sexuelle Belästigungen aufzuregen. Sie kannte ihn. Wahrscheinlich würde er die Sache als Ausrede benutzen, um sie aus dem Außendienst zu entfernen. Wenn das geschah, konnte sie ihre Hoffnungen auf eine Karriere beim Sender begraben.

Der alte Haudegen Harry hatte früher bei einigen führenden Zeitungen gearbeitet und war ein Chauvinist, wie er im Buche steht. Seiner Meinung nach hatten Reporterinnen nur über Liebeskummer, Kochrezepte und andere leichte Kost zu berichten. Hin und wieder gönnte er ihnen auch eine Theater- oder Filmkritik. Den Außendienst betrachtete er als Domäne der Männer.

Amanda legte den Brief in die mittlere Schublade zu den anderen fünf und wandte sich der restlichen Post zu. Sie entschied sich, diesen Schreiben einfach keine Beachtung zu schenken. Vielleicht gab der unbekannte Briefeschreiber die ganze Sache auf und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf andere Ziele.

Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als sie plötzlich zwei Hände auf ihren Schultern spürte. Sie sprang wie von der Tarantel gestochen auf und drehte sich abrupt um. Dann ließ sie sich wieder in den Stuhl sinken, schloss die Augen und hielt die Hand auf ihr heftig klopfendes Herz.

„Eric! Um Himmels willen. Schleich dich nicht so hinterhältig an. Du hast mich zu Tode erschreckt.“

„Nimm’s leicht.“ Eric Paterson trat einen Schritt zurück und hob die Hände. „Was ist los mit dir, Sutherland?“ Er sah sie erstaunt an. „Du reagierst, als hätte dich Jack The Ripper in irgendeiner dunklen Gasse überfallen.“

Amanda zuckte zusammen. Natürlich hatte Eric recht. Warum ließ sie es zu, dass diese dummen Briefe und ihre eigene allzu lebhafte Fantasie an ihren Nerven zerrten?

„Entschuldige, ich war mit meinen Gedanken weit weg. Wolltest du etwas Bestimmtes?“

„In der Tat. Es ist gar nicht so leicht, dich ausfindig zu machen. Ich habe den ganzen Tag nach dir gesucht.“

„Crusher, Norman und ich waren in Beaumont, um über die Gerichtsverhandlung in dieser Schwarzmarktsache mit den Babys zu berichten. Harry hätte dir sagen können wo ich bin.“

„Ja, ich habe es schließlich auch von ihm erfahren. Aber deinen Namen in Harrys Gegenwart erwähnen zu müssen, ist wirklich der letzte Ausweg. Heute ist er dabei förmlich explodiert.“ Eric setzte sich auf den Rand des Schreibtisches und zeigte mit dem Finger auf Amanda. „Ihr zwei seid wieder einmal aneinandergeraten, stimmt’s, Sutherland?“

Amanda legte die Hand aufs Herz und zwinkerte unschuldig mit den Augenlidern. „Ich? Wie kommst du denn darauf?“

„Ich weiß nicht. Aber als ich Harry fragte, wo ich dich finden könne, hielt er mir einen zehnminütigen Vortrag über anmaßende Frauen. Vielleicht bin ich aber auch darauf gekommen, weil er den ganzen Tag Magentabletten schluckt, als wären es Bonbons. Also, du Prachtexemplar, erzähl, was ist diesmal vorgefallen?“

„Nun … vielleicht hatten wir eine winzige Auseinandersetzung zu der Frage, wer über den Prozess berichten soll. Harry wollte einen Mann schicken. Da ich den Babyhandel aufgedeckt habe und die Geschichte in die Schlagzeilen brachte, hatte ich das Gefühl, auch über die Gerichtsverhandlungen berichten zu müssen. Schließlich sah Harry die Sache so wie ich.“

Eric rollte mit den Augen. „Mir schaudert bei dem Gedanken, welche Methode der Überredungskunst du angewandt haben könntest.“

„Harry war sehr verständnisvoll.“ Das war er in der Tat, nachdem sie angedeutet hatte, dass Bob Donaldson, der Direktor der Sendeanstalt, seine Weigerung zum Anlass nehmen würde, ihr höchstpersönlich grünes Licht für den Bericht zu geben.

Bob Donaldson, und nicht Harry, hatte Amanda im vergangenen Sommer mit Zustimmung der Besitzer von Channel 5 den Auftrag erteilt, über das Pulverfass Naher Osten zu berichten. Sie hatte den Auftrag außergewöhnlich gut erledigt und gehofft, dadurch beruflich weiterkommen zu können. Aber bisher war nichts dergleichen geschehen. In ihren düstersten Augenblicken fragte sie sich, ob Harry ihre Chancen beim Sender absichtlich sabotierte.

Doch auch ein Harry Kowalski konnte auf Dauer nicht verhindern, dass sie Karriere machte. Schon vor Jahren hatte sie beschlossen, mit allen Mitteln die Karriereleiter hinaufzusteigen. Manchmal aber ließ sie das Gefühl nicht los, dass Harry sie entmutigen wollte, denn die wirklich wichtigen Berichte, mit denen sie Karriere machen konnte, versuchte er immer den männlichen Kollegen zu geben.

„Harry? Vernünftig?“, wiederholte Eric. „Wen möchtest du hier an der Nase herumführen? Was ist wirklich vorgefallen, Amanda? Du kannst es mir ruhig sagen.“

Amanda lächelte schwach.

Eric war in Ordnung. Aber als Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit saß er oft mit Harry zusammen. Außerdem waren die beiden miteinander befreundet. Amanda fiel auf die Masche ‚Du kannst dich ruhig bei mir ausweinen‘ nicht herein.

Wie alle Männer, die mit ihr zusammenarbeiteten, wusste auch Eric, dass es besser war, in Deckung zu gehen, wenn sie so lächelte wie jetzt. Dann war allen klar, dass sie sich über irgendetwas maßlos ärgerte.

Doch Eric war auch nicht auf den Kopf gefallen und machte sofort einen Rückzieher. „Okay, okay, vergiss meine Frage.“

Amanda zog eine Augenbraue hoch. „Wolltest du mir nicht ursprünglich etwas mitteilen?“

„Ach, ja. Ich wollte eigentlich nur wissen, wann ich dich zu unserer morgigen Verabredung abholen soll.“

Amanda fuhr erschrocken zusammen. Sie hatte ganz vergessen, dass sie ihn eingeladen hatte, mit ihr zu Tess’ und Ryans Einzugsparty zu gehen. Sie konnte kaum glauben, dass sie sich tatsächlich dazu durchgerungen hatte, ihre Freizeit in Erics Begleitung zu verbringen, denn bisher hatte sie seine Angebote stets zurückgewiesen. Aber er war der Einzige aus ihrer Bekanntschaft, der am morgigen Tag Zeit hatte, und sie konnte sich vorstellen, was geschah, wenn sie allein auf die Party ging.

„Die Party fängt um drei an. Hol mich doch eine Viertelstunde vorher ab.“ Amanda seufzte.

Eric schien ihre Reaktion nicht zu beachten. Er lehnte sich über den Schreibtisch und hob ihr Kinn mit dem Zeigefinger. „Vielleicht sollte ich früher kommen. Dann könnten wir eine eigene Feier veranstalten. Ja?“

„Nur wenn es sich um dein Begräbnis handelt, Paterson.“, erwiderte sie lächelnd.

Sein verliebter Blick schwand augenblicklich. „Okay, ich habe verstanden. Bis morgen Nachmittag also.“

Amanda sah ihm nach und verdrehte die Augen. Sie hatte Lust, die Verabredung einfach abzublasen und zu Hause zu bleiben.

Sie seufzte. Natürlich konnte sie das nicht tun. Tess McCall war ihre beste Freundin. Sie war die Liebenswürdigkeit in Person und hatte in ihrem Leben einige bittere Erfahrungen sammeln müssen. Sie verdiente es wirklich, dass sie in Ryan einen Mann gefunden hatte, mit dem sie glücklich war, und der für sie beide ein Zuhause geschaffen hatte. Amanda blieb also nichts anderes übrig, als zu diesem Einzugsfest zu gehen.

Sie nahm einen Aktenordner aus der Schublade und warf ihn mit einem heftigen Schlag auf den Tisch. Sie ignorierte die neugierigen Blicke einiger Kollegen, schlug den Ordner auf und begann, die Notizen zu studieren.

An dieser Situation war nur Reilly McCall Schuld, nur seinetwegen ging sie nicht allein auf diese verdammte Party.

Er nahm sicherlich auch an der Feier teil. Immerhin waren Ryan und Reilly Zwillinge. Schon der bloße Gedanke an Tess’ Schwager verursachte ihr ein kribbelndes Gefühl in der Magengegend. Verdammt, warum konnte dieser Reilly McCall sie nicht in Ruhe lassen?

Seit mehr als einem Jahr war er hinter ihr her. Er rief mindestens einmal in der Woche an, um sie einzuladen, flirtete bei jeder Gelegenheit wie ein Weltmeister mit ihr und ließ sich durch nichts entmutigen.

Sie war gern in Gesellschaft von Männern. Sie genoss es, mit ihnen zu flirten, ihre Aufmerksamkeit zu erregen und dennoch einen sicheren Abstand zu wahren … auf Reilly reagierte sie irgendwie anders, und das beunruhigte sie.

„Der Mann ist gepanzert wie ein Nashorn.“, flüsterte sie. Er machte sie wahnsinnig. Sonst hätte sie Eric niemals gebeten, sie zu der Party zu begleiten. Vielleicht verstand Reilly den Wink und sah endlich ein, dass sie nicht an ihm interessiert war.

Also schön, überlegte sie, vielleicht entspricht das nicht ganz der Wahrheit. Irgendwie interessierte sie sich schon für ihn. Er hatte etwas, das sie reizte. Aber das hieß noch lange nicht, dass sie so dumm war, sich auf einen solchen Charmeur und Frauenheld wie Reilly McCall einzulassen. Ihre Entscheidungen pflegte sie mit dem Verstand zu treffen und überließ diese Aufgabe keineswegs ihren Sexualhormonen. Reilly McCall war nicht der richtige Mann für sie, und damit basta.

Als Eric am nächsten Nachmittag in das Wohngebiet von Wildwood nordwestlich von Houston einbog, pfiff er anerkennend durch die Zähne. „Tolle Wohngegend.“

Amanda warf einen Blick auf die vornehmen Häuser. „Ja, Tess’ Ehemann und dessen Bruder haben dieses Wohngebiet entworfen und gebaut.“

„Donnerwetter, eine dollarschwere Gegend. Das muss eine wahre Goldgrube für deine Freunde sein.“

Amanda rollte mit den Augen. Eric hatte wieder einmal nur die Dollarscheine vor Augen, statt darauf zu achten, wie großartig es den McCall Brüdern gelungen war, diese erstklassige Wohngegend so in die Landschaft einzufügen, dass die Schönheit der Natur erhalten geblieben war.

Tess’ und Ryans Haus lag direkt am See. Als sie die Auffahrt über die kurvige Straße erreichten, waren bereits zahlreiche Autos vor dem Haus geparkt. Amanda läutete an der Tür. Wenige Sekunden später öffnete eine attraktive junge Frau. Ihre wundervollen, hellblauen Augen strahlten, als sie die Besucherin sah.

„Amanda! Ich freue mich ja so, dich wiederzusehen!“

„Abbey!“

Die beiden Frauen umarmten sich herzlich. Amanda hielt sie auf Armlänge entfernt und betrachtete die Rundung, die sich unter dem Kleid ihrer Freundin abzeichnete. „Abbey Blaine, jetzt sieh sich das einer an. Wann ist es soweit?“

„Noch vier Monate. Anfang Juli.“

„David … wird Vater?“ Amanda lächelte gezwungen. „Kaum zu glauben.“

David Blaine, Ryans und Reillys Cousin, ein ehemaliger FBI-Agent, war als eingefleischter Junggeselle bekannt. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass er jemals heiraten würde, aber offensichtlich hatte ihm Abbey total den Kopf verdreht.

Abbey kicherte. „Stimmt. Aber das ist noch nicht alles. Was würdest du sagen, wenn ich Zwillinge erwarte?“

„Du willst mich nur aufziehen!“

Abbey schüttelte den Kopf und lachte. „Er wünscht sich sehnlichst zwei Jungen.“

Eric räusperte sich lautstark im Hintergrund. Amanda entschuldigte sich und stellte die beiden einander vor. Schließlich ging sie auf die Suche nach ihren Gastgebern.

Sie fand Tess und Ryan inmitten ihrer Gäste im Wohnzimmer. Amanda stellte befriedigt fest, wie glücklich die beiden aussahen, und umarmte ihre Freundin.

„Hast du schon die Familienmitglieder getroffen?“, fragte Tess, nachdem sie Amanda den Gästen vorgestellt hatte.

„Nur Abbey. Stell dir vor, sie erwartet Zwillinge!“

„Ich weiß. Ist es nicht wunderbar? Dorothy und Joe sind überglücklich. Immerhin werden sie jetzt Großeltern.“ Tess stupste Amanda am Arm. „Zeig doch Eric das Haus und stell ihn den Gästen vor. Es sind alle da, sogar Erin, Max, Elise und Sam. Vor einer Minute habe ich Travis und Rebecca gesehen. Sie haben mit Reilly und seiner Begleiterin gesprochen.“

„Begleiterin? Heißt das … du willst sagen, dass Reilly nicht allein gekommen ist?“ Merkwürdigerweise hatte Amanda das Gefühl, als schnürte es ihr die Kehle zu.

„Ja. Sie sind alle dort drüben.“

Amanda drehte den Kopf zur Seite und sah auf den großen, dunkelhaarigen Mann, der am Kamin stand … direkt neben einer bezaubernden Brünetten.

Hilflos starrte Amanda auf die große, schlanke Frau, deren glänzendschwarze Haare wie ein Seidenkragen über die Schultern hingen.

„Also, wollen wir?“, drängte Eric und stieß leicht gegen Amandas Ellbogen.

„Bitte?“ Amanda warf einen Blick auf ihren Begleiter. „Aber sicher, warum auch nicht.“

Sie führte Eric zunächst in die entgegengesetzte Richtung, weg von Reilly und der Brünetten und stellte ihn den anderen Gästen vor. Schließlich wandte sie sich Reilly und seiner Begleiterin zu.

„Hallo, Reilly“, begrüßte sie ihn und hob herausfordernd den Kopf.

Er sah fabelhaft aus. Normalerweise sah sie ihn nur in Jeans oder in seiner Arbeitskleidung, aber heute trug er eine dunkle Hose, einen blauen Rollkragenpullover und schwarze Cowboystiefel. Er war tadellos rasiert und hatte die schwarzen, lockigen Haare nach hinten gekämmt.

Er betrachtete sie lächelnd. „Hallo, Mandy. Ich hatte mich schon gefragt, ob du überhaupt zu mir herüberkommst“, scherzte er.

„Ich musste meinen Begleiter vorstellen. Er kennt hier niemanden. Und nenne mich nicht Mandy.“ Sie fasste demonstrativ Erics Arm, schmiegte sich an ihn und sah Reilly herausfordernd an.

Eric war zunächst völlig verblüfft. Aber er nutzte schnell die Gelegenheit und presste den Arm gegen ihren Oberkörper.

„Ich möchte dir Eric Paterson vorstellen. Er arbeitet bei Channel 5“, erklärte sie und drückte die Fingernägel in Erics Arm. Er zuckte zusammen und stoppte augenblicklich seinen Annäherungsversuch. Amanda sah ihn kühl lächelnd an. „Eric, das ist Reilly McCall. Er und Ryan sind Zwillinge.“

„Ah, ja, nicht zu übersehen“, erwiderte er höflich und wich einen Schritt zur Seite, um Abstand von Amanda zu gewinnen.

Reilly schüttelte Eric die Hand. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts Außergewöhnliches. Wenn er eifersüchtig war, so ließ er sich das nicht anmerken. Aber warum sollte er auch eifersüchtig sein, überlegte Amanda missmutig, wenn dieses Prachtexemplar von Frau wie eine Klette an ihm hing.

„Geradezu unheimlich, wie ähnlich sie einander sind.“ Eric starrte Reilly fasziniert an. „Im ersten Moment dachte ich, unser Gastgeber habe sich nur schnell umgezogen.“ Er sah Amanda an. „Wie kannst du die beiden überhaupt auseinanderhalten?“

„Das ist nicht so schwierig, wenn du sie näher kennst. Sie sind wirklich sehr verschieden.“

Wie ihre Cousinen Erin und Elise waren Reilly und Ryan fast wie ihre eigenen Spiegelbilder. Sie waren beide groß und breitschultrig, mit einem muskulösen Körperbau, der verriet, dass sie körperlich arbeiteten. Sie hatten das gleiche dichte, schwarze Haar, lebhafte blaue Augen und von der Arbeit im Freien eine dunkle Hautfarbe.

„Nun, ich bin der nettere von uns beiden“, scherzte Reilly und grinste Amanda schelmisch an. Er legte den Arm um die Hüfte der Brünetten und schob sie in den Vordergrund. „Ich möchte euch eine Freundin vorstellen. Dies ist Brandy Alexander.“

Amanda hätte beinahe laut gelacht. Was für ein lächerlicher Name, dachte sie. Wie konnten Eltern auf die Idee kommen, ihr Kind nach einem alkoholischen Getränk zu benennen? Sie rümpfte die Nase. Diese Frau war entweder eine Striptease-Tänzerin oder Porno-Königin. Was hätte sie von Reilly auch anderes erwarten können. Diesem wollüstigen Tölpel.

„Ich bin sehr erfreut, sie beide kennenzulernen“, säuselte sie mit kehliger Stimme, die Amandas Nerven reizte, als kratzte jemand mit den Fingernägeln auf einer Kreidetafel. Aber die Männer schienen davon entzückt zu sein. „Besonders sie, Amanda. Ich sehe mir mit Genuss alle ihre Sendungen im Fernsehen an. Sie verstehen ihren Job wirklich sehr gut.“

Amanda lächelte ihr zu. „Danke sehr.“ Und ich wette, du versiehst deinen Job ebenso gut, dachte sie herablassend.

„Was ist ihre Aufgabe bei Channel 5, Eric“, fragte Brandy mit ihrer Vernasch-mich-Stimme. Amanda biss die Zähne zusammen. Sie konnte sehen, wie Erics sich in die Brust warf.

Und prompt ließ er sich zu einem minutenlangen Vortrag über seine Pflichten beim Sender hinreißen.

Amanda warf einen Seitenblick auf Reilly und seine Begleiterin. Die beiden mussten sich schon längere Zeit kennen. Die Art, wie sie einander ansahen oder sich berührten, sprach Bände. Der Gedanke daran machte Amanda wütend. Die ganze Zeit, in der er hinter ihr her war, musste er bereits mit dieser Frau zusammen gewesen sein.

Also hatte sie in von Anfang an richtig eingeschätzt. Reilly McCall war ein belangloser Playboy, zu tiefen Gefühlen oder Beziehungen unfähig. Sie hatte richtig gehandelt, als sie ihm eine Abfuhr erteilte.

„Wollen wir nicht etwas trinken?“, unterbrach Eric seinen Redeschwall.

Es dauerte einige Sekunden, bis Amanda begriff, dass die Frage an sie gerichtet war. „Ah, ja, danke. Ich nehme gerne einen Ginger Ale.“

„Eine gute Idee. Ich könnte noch einen Drink vertragen“, bemerkte Brandy und klapperte mit den Eiswürfeln in ihrem leeren Glas. „Ich werde mit ihnen gehen, Eric. Das heißt, wenn es ihnen nichts ausmacht.“

Warum sollte es Eric etwas ausmachen? Was für eine dumme Frage, dachte Amanda. Eric war in den vergangenen zehn Minuten mit seinem Blick nicht einen Moment von Brandys mächtigem Busen gewichen. Er war sicher erfreut, diese Frau für kurze Zeit ganz für sich zu haben.

Amanda war erleichtert, von den beiden erlöst zu sein. Erics Gegenwart war genauso nervtötend, wie die der Kurven-Brandy, die gerade hüfteschwingend mit ihm davonzog. Ich hasse exotische Brünette, dachte Amanda gereizt.

„Brandy ist ein tolles Mädchen“, bemerkte Reilly wie beiläufig, um Amandas Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Sie warf ihm einen Blick zu und erkannte, dass er seinerseits dem Pärchen nachsah. War er eifersüchtig auf Eric? Und wenn, dann war es gut so. Er hatte es verdient.

„Kennst du sie schon lange?“

„Brandy und ich sind alte Freunde.“

„Und womit verdient deine Freundin ihren Lebensunterhalt?“, fragte Amanda mit besonderem Nachdruck auf dem Wort ‚Freundin‘.

„Sie ist Orthopädin.“

„Ach ja! Dann bin ich die Tochter der Königin von England.“

„Aber Liebes, warum sollte ich dich anlügen? Mandy, du bist entzückend. Habe ich dir übrigens schon gesagt, wie schön du heute aussiehst? Geradezu großartig in diesem sexy Outfit.“

„Sexy? Dies hier?“ Amanda traute ihren Ohren nicht. Für diese Party hatte sie sich extra eine altmodische, cremefarbene Seidenbluse und ein kaffeebraunes Kostüm ausgesucht, da sie wusste, dass Reilly an der Party teilnahm. Um noch unauffälliger zu wirken, hatte sie zusätzlich die langen, blonden Haare zu einem Knoten zusammengebunden. „Du bist verrückt. An mir ist absolut nichts sexy.“

„Ah, Süße, das ist genau das, was ich an dir so liebe. Für eine so kluge und gewandte Frau verstehst du verdammt wenig von Männern. Merkst du denn nicht, dass deine kleine Ich-ziere-mich-Nummer die Männer erst recht reizt herauszufinden, was unter dieser Schale steckt? Das verführt einen Mann, dich abzuschleppen und zu vernaschen.“

Er sah sich um, als wolle er sichergehen, dass ihn niemand hörte, und beugte sich grinsend vor. „Sag nur dies eine Wort, Liebes, und ich werde es wagen.“

Amanda spürte, wie ihr Puls raste. „Hast du dabei nicht etwas vergessen?“, entgegnete sie kühl.

„Und das wäre?“

„Deine kleine Freundin. Brusti.“

„Brandy“, verbesserte er sie lächelnd.

„Wie auch immer. Du hast sie schließlich zu dieser Party mitgenommen, oder?“

„Aber Mandy, das klingt ja, als wärst du eifersüchtig.“

Das war zu viel für Amanda. Ihre Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen. „Träum weiter, McCall“, erwiderte sie giftig.

Wie es vorherzusehen war, lachte Reilly. Amanda drehte sich abrupt um und ging.

„Wo willst du hin, Süße?“

„In die Küche, um Tess zu helfen. Und ich habe es dir schon einmal gesagt, nenn mich nicht Mandy! Und schon gar nicht Süße!“, fügte sie mit einem Blick über die Schulter hinzu.

2. KAPITEL

Reilly nahm ein Pfefferminzbonbon aus der Jackentasche, wickelte das Papier ab und steckte das Bonbon in den Mund. Er ließ den Blick nicht von Amanda, die hinaus in die Küche eilte.

Er war fasziniert von der Art, wie diese Frau sich bewegte. Sie nur zu beobachten, war eine Augenweide. Selbst wenn sie wie jetzt zornig davonlief, waren ihre Bewegungen geschmeidig wie die einer Wildkatze.

Was für eine Frau, dachte Reilly. Amanda Sutherland entflammte seine Leidenschaft mehr als alle Frauen, die er bisher kennengelernt hatte. Sie war schön, intelligent, frech und aufregend. Und sie war die einzige ihm bekannte Frau, die gleichzeitig feurig und kühl sein konnte.

Feurig. Ja, das war das passende Wort, um sie zu beschreiben. Die meisten Blondinen wirkten kühl und zurückhaltend, nicht so Amanda. Sie war heißblütig und verführerisch.

In Wahrheit bewunderte er alles an dieser Frau, ihren scharfen Verstand, ihre spitze Zunge, das wunderschöne Gesicht und ihre vollendeten Körperformen.

Ihre langen, kraftvollen Beine hatten schon einige Male seine erotischen Fantasien angeregt. Die Art, wie sie ging, machte ihn fast wahnsinnig und verursachte schlaflose Nächte.

Aber Reilly ließ sich nicht von diesen Äußerlichkeiten täuschen. Er hatte das unbedingte Gefühl, dass sich hinter dieser selbstsicheren, erotischen Ausstrahlung ein ängstliches Kind verbarg.

Als er beobachtete, wie sie in der Küche verschwand, spürte er, dass er sich nach ihr sehnte. Er hatte noch nie zuvor eine Frau so sehr begehrt wie Amanda. Und es war mehr als nur der körperliche Reiz, der ihn zu ihr hinzog. Und das Verlangen steigerte sich von Tag zu Tag.

In den vergangenen eineinhalb Jahren hatte er herausgefunden, dass Amanda nur zum Schein verführerisch auftrat, um die Männer aus dem Gleichgewicht zu bringen. Tess hatte ihm anvertraut, dass Amanda ernsthaften Beziehungen tunlichst aus dem Weg ging. Und in der Tat, sie hatte es in dieser langen Zeit glänzend verstanden, ihn auf Abstand zu halten.

Reilly lächelte nachdenklich. Er war ein geduldiger Mann. Ganz gleich wie lange es dauerte, schließlich würde er sie für sich gewinnen können.

Amanda Reaktion auf Brandy ermutigte ihn. Er war in der Hoffnung auf diese Party gekommen, in der Beziehung zu Amanda einen Fortschritt zu erzielen. Glücklicherweise hatte sie ihm einen Wink mit dem Zaunpfahl gegeben, indem sie einen Begleiter mitbrachte.

Reilly war überzeugt, dass sie diesen Burschen nur als Schutzschild benutzte. Aber er musste auch zugeben, dass es ihm gar nicht behagte, als er sie mit diesem Paterson hatte ankommen sehen.

Er warf einen Blick auf Eric und Brandy, die gerade die Bar verließen. Brandy war eine alte Freundin, genauso schön, intelligent und interessant wie Amanda. Aber nicht einmal während der kurzen Affäre, die sie vor Jahren miteinander hatten, gab sie ihm dieses schwindelerregende Gefühl oder bescherte ihm beim ihrem bloßen Anblick weiche Knie, so wie es bei Amanda der Fall war.

„Wo ist Amanda?“ Mit einem Drink in beiden Händen blieb Eric neben Reilly stehen und sah sich verwirrt um.

„Sie hilft Tess in der Küche. Sie hat ihr Ginger Ale wohl vergessen?“ Und dich auch, fügte er schweigend hinzu.

„Wie schade.“ Brandy hakte sich bei Eric unter. „Soll ich dir den Garten zeigen? Vom Innenhof haben wir einen wundervollen Blick auf den See. Du hast doch nichts dagegen, Reilly, Liebling, oder?“

„Nein, ganz und gar nicht. Ich muss eh zu Ryan und etwas Geschäftliches besprechen.“

„Nun … wenn Amanda beschäftigt ist …“

„Komm schon. Du musst es dir ansehen. Tess und Ryan haben den Garten wundervoll gestaltet.“

Reilly sah den beiden nach. „Viel Spaß“, rief er ihnen nach.

Brandy sah lächelnd über die Schulter zurück und blinzelte Reilly zu.

„So ein egoistischer, unsensibler, widerwärtiger Lüstling“, flüsterte Amanda. „Mich abschleppen und vernaschen. Das hättest du wohl gerne, McCall.“

Sie ging hinüber zu Tess, die gerade einen Salat vorbereitete. Die Mikrowelle läutete. Amanda nahm die Platte mit den fertigen Käserollen heraus und stellte sie lautstark auf die Theke neben der Spüle.

„Mehr passt nicht drauf. Es sind auch keine Platten mehr da.“, erklärte Tess. „Was ist los mit dir?“

Amanda wollte gerade etwas erwidern, als Tess die Hand hob und ein Zeichen gab zu schweigen. „Lass mich raten. Du bist wieder einmal mit Reilly zusammengestoßen, stimmt’s?“

„Der Mann macht mich wahnsinnig“, entgegnete Amanda überschäumend vor Wut. „Er ist ein nichtssagender, arroganter Macho, ohne Manieren!“

„Was hat er denn jetzt schon wieder angestellt?“

„Stell dir vor, er hatte den Nerv, mich anzumachen.“

„Dieses Scheusal. Du hast recht, er hat Prügel verdient.“

„Sehr komisch! Ich meine es ernst, Tess. Es ist kaum zu glauben, dass er das getan hat, nachdem ich ihm in den vergangenen zwanzig Monaten immer wieder einen Korb gegeben habe. Und seine Begleiterin war nur wenige Meter entfernt von uns. Kannst du die Unverfrorenheit dieses Mannes verstehen?“

„Es ist doch erstaunlich, dass du dich so genau daran erinnern kannst, wann du ihn kennengelernt hast.“ Tess lächelte sie an.

Amanda rümpfte die Nase. „Ich erinnere mich nur deshalb so genau, weil ich dir an diesem Tag geholfen habe, in das Apartment neben Ryan zu ziehen. Das weißt du sehr wohl. Und hör auf, so zu kichern. Ich finde das gar nicht komisch.“

„Okay, okay. Ich wollte dich nicht aufziehen. Aber ich verstehe nicht, warum es dir etwas ausmacht, dass Ryan sich für dich interessiert. Die Jungs sind dir schon hinterhergelaufen als wir noch Mädchen waren. Daran müsstest du dich doch gewöhnt haben. Du hast genügend Erfahrung, dir die Männer vom Hals zu schaffen.“

„Ich habe es bei ihm versucht. Jeder andere Mann hätte den Wink längst verstanden. Reilly nicht. Der Dickschädel hat nicht genug Grips, um zu erkennen, wann Schluss ist.“

„Da hast du unrecht. Und das weißt du auch. Reilly ist sehr intelligent und ein sensibler Mann. Aber wenn er etwas haben will, dann ist er so lange hinterher, bis er es hat.“

„Oh, vielen Dank, ausgerechnet das wollte ich von dir hören.“

„Amanda, Reilly ist wirklich ein sehr netter Mann. Gib ihm eine Chance, und ich garantiere dir, du wirst ihn mögen.“

„Ha.“

„Doch, wirklich. Geh mit ihm aus, lerne ihn richtig kennen, und du wirst überrascht sein. Und erzähl mir nicht, dass du nicht die Spur an ihm interessiert wärst.“

„Er ist nicht mein Typ.“

„Reilly ist reizend und lustig. Außerdem sieht er gut aus und ist alles in allem sexy.“

„Das sagst du nur, weil er genauso aussieht wie Ryan.“

„Es ist die Wahrheit. Was hast du nur gegen Reilly?“

Amanda wich ihrem Blick aus und rückte ein paar Karotten und Sellerie auf dem Tablett zurecht. „Ich mag ihn nicht, das ist alles.“

„Warum? War er grob zu dir?“

„Nein.“

„Hat er deine Gefühle verletzt?“

„Nein.“

„Hat er dich angelogen, dich bedrängt, oder war er aggressiv?“

„Nein, dafür ist er gar nicht der Typ.“

„Also, wo liegt dann das Problem?“

„Wenn du es unbedingt wissen willst, er erinnert mich an meinen Vater.“

„Bitte?“ Tess hätte fast das Olivenglas fallengelassen. „Ich höre wohl nicht recht. Dein Vater? Reilly ist mit Kyle Sutherland überhaupt nicht zu vergleichen. Reilly arbeitet sehr hart. Denk daran, dass er zusammen mit Ryan die R&R Constructions praktisch aus dem Nichts aufgebaut hat. Heute ist es eine einträgliche Firma. Hat das etwas mit der Unfähigkeit deines Vaters zu tun?“

„Also schön. Reilly ist kein Faulenzer“, räumte Amanda ein. „Aber du musst zugeben, dass er ziellos durchs Leben geht. Er ist nur daran interessiert, sich zu amüsieren.“

„Weil er gerne Spaß hat. Das heißt aber nicht …“

„Spaß? Tess, der Mann hat nicht die Spur von Ernsthaftigkeit an sich. Für ihn ist die Welt nur eine riesige Spielwiese. Es würde mich nicht überraschen, wenn Ryan die treibende Kraft hinter der Firma ist. Wenn der Betrieb morgen Pleite ginge, so zweifle ich daran, dass es Reilly bekümmerte.“

„Nun, es stimmt, dass Reilly alles so nimmt, wie es kommt und das Leben einfach nur genießt. Aber es gibt auch Leute, die das durchaus als positive Einstellung zum Leben betrachten.“

„Um Himmels willen.“ Amanda stöhnte. „Der Mann hat keinen Ehrgeiz. Es gibt niemanden, der weniger zu mir passt als Reilly McCall.“

„Wir reden hier nicht über Heiratspläne. Es geht nur um eine schlichte Verabredung.“

„Heiraten passt auch nicht in meine Lebensplanung.“

„Sag das nicht.“ Tess sah sie besorgt an. „Nur weil dein Vater …“

„Seine Eskapaden sind nur teilweise der Grund für meine Einstellung. Ich denke zu allererst an meine Karriere. Bevor das Ziel, das ich mir gesteckt habe, nicht in greifbare Nähe gerückt ist, denke ich nicht daran, mich an einen Mann zu binden. Und an einen Frauenheld wie Reilly schon gar nicht. Außerdem ist er kein Mann zum Heiraten“, fügte sie schnell hinzu, als Tess sie befremdet ansah.

„Ich glaube, wenn er sich dazu entschließt, häuslich zu werden, wird er einen wundervollen Ehemann abgeben.“

„Glaub mir, Tess, in diesem Punkt habe ich recht. Reilly ist kein Mann zum Heiraten.“

Tess seufzte und hob die Hände. „Ich gebe es auf. Lass uns das Thema wechseln, ja?“

Amanda lehnte sich gegen die Theke und biss in eine Karotte. „Wo sind Molly und Mike? Ich habe sie beide noch nicht gesehen.“

„Molly schläft. Mike bringt die Kleine nach unten, sobald sie wieder wach wird.“

Amanda mochte Ryans Sohn aus erster Ehe. Der Fünfzehnjährige war sehr gewitzt und lebhaft. Er verehrte seine Stiefmutter und kümmerte sich liebevoll um seine kleine Schwester.

Tess nahm eine Schachtel mit farbigen Zahnstochern und legte sie auf das Tablett, während Amanda eine Tüte Chips in eine Schale leerte.

„Reillys Begleiterin sieht ziemlich gut aus“, bemerkte Amanda wie beiläufig.

„Hm.“

„Sie scheint auch nett zu sein.“

„Das ist sie.“ Tess nahm ein Tablett und ging in Richtung Wohnzimmer.

Amanda kümmerte sich um das andere Tablett und folgte ihr. „Weißt du zufällig, was sie von Beruf ist?“

Tess öffnete die Tür und warf einen Blick über die Schulter. „Brandy ist Orthopädin.“

Amanda stolperte und ließ beinahe das Tablett fallen. „Das soll ein Scherz sein, nicht wahr?“

„Überhaupt nicht. Soweit ich weiß, ist sie eine großartige Chirurgin und in Fachkreisen anerkannt.“

Tess schlüpfte durch die Türöffnung. Amanda folgte ihr langsam, den Mund vor Staunen weit geöffnet.

Gegen acht Uhr verließen die meisten Gäste das Haus. Auch für Amanda wurde es Zeit zu gehen. Sie machte sich auf die Suche nach Eric.

Sie hatte nur wenig von ihm zu sehen bekommen, da er während der ganzen Zeit mit Brandy zusammen war. Nachdem sie jeden Raum im unteren Stockwerk durchsucht hatte, stieß sie zufällig auf Reilly.

„Hallo, Süße.“ Er fasste sie bei den Schultern. „Wohin so eilig?“

„Hast du Eric irgendwo gesehen?“

„Nein, aber ich könnte mir vorstellen, wo er zu finden ist.“

„Und wo?“

„Willst du das wirklich wissen?“

Irgendetwas an seinem Tonfall alarmierte sie sofort. „Wo ist er? McCall, solltest du ihn rausgeekelt haben, so erwürge ich dich mit bloßen Händen.“

„Mich? Keine Vorwürfe, bitte. Ich habe seit vorhin kein Wort mit ihm gewechselt.“

Amanda traute ihm nicht die Spur. „Also, wo ist er?“

„Vielleicht ist dir nicht aufgefallen, dass er die meiste Zeit mit Brandy verbracht hat. Ich könnte mir vorstellen, dass sie unten am See sind.“

„Am See? Es ist ziemlich kühl am Wasser. Was sollten sie dort denn unternehmen?“

Reilly grinste vielsagend. „Wahrscheinlich wollen sie sich näher kennenlernen.“

„Bitte? Mach dich nicht lächerlich. Es wird dich vielleicht schockieren, McCall, aber nicht alle Männer haben nur das eine im Sinn, so wie du. Natürlich kann ich nicht für deine Freundin sprechen, aber Eric hat zu viel Niveau, um sich auf so etwas einzulassen.“

„Sicher?“

Ganz sicher war sie ihrer Sache nicht, aber sie hätte sich lieber auf die Zunge gebissen, als im Recht zu geben. „Eric ist ein Gentleman. Er würde niemals etwas mit einer Frau anfangen, während er mit einer anderen verabredet ist.“

„Gehen wir hinunter zum See. Falls ich unrecht habe, lasse ich dich in Ruhe.“

„Und wenn ich unrecht habe?“

Reilly lächelte sie herausfordernd an. „Dann musst du mit mir ausgehen. Nur wir beide allein.“

„Also schön, die Wette gilt, McCall.“

Sie verließen das Haus und gingen schweigend den gewundenen Pfad hinunter zum See. Als sie das Ufer erreichten, blieb Amanda abrupt stehen und hielt den Atem an.

Kaum sieben Meter von ihnen entfernt standen Eric und Brandy eng umschlungen, tauschten verliebte Blicke und küssten sich leidenschaftlich.

Amanda wandte sich ab und warf einen kurzen Blick auf Reilly. Er sah sie amüsiert an. „Wann soll ich dich morgen Abend abholen?“, fragte er triumphierend.

„Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber für heute könnte ich glatt Feierabend machen“, erklärte Amanda vom Rücksitz des Kleintransporters von Channel 5.

„Meinetwegen könnten wir eine ganze Woche Urlaub machen“, erwiderte ihr Kameramann Crusher Williams. Er arbeitete seit sieben Jahren mit Amanda zusammen und hatte sie von Anfang an unter seine Fittiche genommen. „Warum musst du auch immer die riskantesten Reportagen übernehmen?“, murrte er missmutig und hielt das Lenkrad fester. „Wenn du die Chance erhieltest, in die Hölle zu fahren, würdest du auch den Teufel interviewen.“

„Ich gehe niemals unnötige Risiken ein. Ich mache nur meine Arbeit, das ist alles.“

„Möglich. Aber du solltest wissen, dass unter den Aufnahmeteams der Spruch kursiert: Bist du mit Amanda bei einer Reportage, lebst du gefährlich und forderst mehr Gage.“

„Miss Sutherland beweist eine Menge Schneid, wenn sie über so gefährliche Geschichten berichtet“, bemerkte Norman Krupps, der gerade eine Ausbildung zum Kameramann begonnen hatte, vorsichtig.

Crusher rollte mit den Augen und stöhnte.

Amanda beugte sich vor und klopfte dem jungen Mann freundlich auf die Schulter. „Das ist lieb von dir, Norman. Ich danke dir.“

„Hüte deine Zunge, Kleiner“, nörgelte Crusher. „Du musst diesen Wildfang nicht auch noch ermutigen.“

Norman zog den Kopf ein und rutschte tiefer in den Sitz. Crusher war für ihn ein Held. Der junge Mann hatte nur ein Ziel, er wollte ein so großartiger Kameramann werden wie sein Nebensitzer. Die kleinste Kritik von Crusher traf Norman hart.

Amanda hatte Mitleid mit ihm. Sie wechselte das Thema. „Da es Freitagabend ist, könnten wir doch die Aufnahmen wegbringen und anschließend im Sendehaus eine Pizza essen.“

Crusher bog auf den Parkplatz von Channel 5 ein und hielt auf dem reservierten Platz. „Klingt gut.“ Er stieg aus, öffnete die Seitentür und half Amanda beim Aussteigen.

„Und was ist mit dir, Norman? Kommst du mit uns?“, fragte sie.

„Ich denke schon“, entgegnete er und kümmerte sich um die Ausrüstung.

„Wunderbar. Ich will nur noch …“ Sie war gerade zwei Schritte in Richtung Sendehaus gegangen, als sie abrupt stehen blieb.

Nur wenige Meter von ihr entfernt stand Reilly neben der Motorhaube ihres Wagens.

„Was machst du denn hier?“, fragte sie mit klopfendem Herzen.

„Ich wollte dich sehen“, erwiderte er freundlich. „Drinnen sagten sie mir, dass du zu einem Auftrag unterwegs bist, also beschloss ich, hier auf dich zu warten.“

„Du hättest nicht herkommen sollen. Ich… ich kann jetzt nicht mir dir reden. Ich muss mich um meine Reportage kümmern.“

„Macht nichts. Ich warte.“

Amanda hätte am liebsten laut aufgeschrien. Würde er denn niemals aufgeben? Sie hatte so gehofft, dass er es endlich müde war, ihr hinterherzulaufen. Sie hätte es besser wissen müssen.

„Nein, das kannst du nicht. Es ist, weil …“

„Macht der Bursche dir Probleme, Amanda?“, mischte sich Crusher ein und ging einen Schritt auf Reilly zu.

Reilly lächelte gelassen und reichte Crusher die Hand. „Der Bursche heißt Reilly McCall“, betonte er lässig. „Ich bin mit Amanda verabredet.“

„Wie bitte!“, erwiderte Amanda lautstark.

Crusher betrachtete ihren erstaunten Gesichtsausdruck, dann wandte er sich skeptisch an Reilly. „Verabredet? Ach ja? Wenn das wahr ist, dann wäre das eine frohe Botschaft. Dieser Dickschädel hat nämlich wenig übrig für Verabredungen. Allerdings macht sie auf mich nicht gerade den Eindruck, als sei sie begeistert über ihre Gegenwart.“

Reilly blinzelte ihm zu und grinste schelmisch. „Nun, dafür gibt es auch einen Grund. Ehrlich gesagt, möchte sie mit mir überhaupt nicht ausgehen“, erklärte er vertrauensvoll von Mann zu Mann, auf eine Art, die Crusher entwaffnete und Amanda auf die Palme brachte. „Aber wir haben gewettet, und sie hat die Wette verloren. Sie muss also. Und jetzt versucht sie, mich um den Gewinn zu betrügen.“

„Das ist überhaupt nicht wahr!“, log Amanda eingeschnappt.

„Nein? Na großartig. Also, wo wollen wir hingehen?“

„Ich… ich kann heute nicht.“

„Und warum nicht?“

„Nun …“ Sie warf einen verzweifelten Blick auf ihre beiden Mitarbeiter. Die beiden betrachteten sie wie Zuschauer, die mit Spannung einem Tennismatch zusahen. Sie drehten die Köpfe zwischen Amanda und Reilly hin und her. „Ich… ich habe schon etwas vor. Ich habe Crusher und Norman versprochen, mit ihnen eine Pizza zu essen, bevor ich nach Hause gehe.“

„Kein Problem“, warf Crusher ein. „Schnitt! Das können wir jederzeit tun.“ „Ich und Norman möchten auf keinen Fall in deinem Privatleben herumpfuschen. Stimmt’s, Kleiner?“

Norman zuckte mit den Schultern und kickte betreten einen Kieselstein mit der Schuhspitze weg.

„Nein, nein, versprochen ist versprochen. Ich halte mein Wort. Reilly und ich müssen ein andermal ausgehen.“ Amanda war alles andere als glücklich über die Situation.

„Verdammt, die Sache gefällt mir ganz und gar nicht.“ Crusher sah Reilly eindringlich an. „Es ist zwar nicht dasselbe, aber warum begleiten sie uns nicht einfach?“

Amanda sah ihn erschreckt an. „Aber… aber.“

„Danke, mit Vergnügen“, erwiderte Reilly grinsend, bevor Amanda ihren Satz beenden konnte.

„Fein. Amanda versorgt die Videobänder, und wir unsere Ausrüstung. Dann kann es losgehen.“

Amanda sah frustriert von einem zum anderen, dann drehte sie sich um und ging zum Sendehaus.

Sie marschierte schnurstracks in Harry Kowalskis Büro, ohne sich umzusehen, ob Reilly ihr folgte. Crusher hatte ihn eingeladen. Sollte er sich doch um diese Nervensäge kümmern.

Der Nachrichtendirektor war ein eingefleischter Frauenfeind, kahlköpfig, dick und litt an Magengeschwüren. Er hatte Ähnlichkeit mit einer Bulldogge und war sehr streitbar. Aber im Moment zog Amanda seine Gegenwart vor. Sie war geradezu versessen auf einen Streit und konnte Gift darauf nehmen, dass Harry etwas Widerwärtiges sagte. Auf diese Weise erhielt sie eine Gelegenheit, ihrem Zorn freien Lauf zu lassen.

Amanda war eine der wenigen Reporter, die sich nicht vor Harry fürchteten, und das hatte ihr seinen Respekt, wenn nicht sogar seine Bewunderung eingebracht.

Sie klopfte zweimal kurz gegen die Glastür, trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten, und schlug die Tür lautstark hinter sich zu. „Hier ist der Bericht.“ Sie warf das Videoband auf das Durcheinander von Harrys Schreibtisch. „Es war eine faszinierende Erfahrung“, scherzte sie.

„Ach ja?“ Harry winkte abwehrend mit der Hand. „Bring es in den Schneideraum. Vielleicht kann es Stuart für die Zehn-Uhr-Nachrichten brauchen.“

„Wie lange soll ich denn noch diese dämlichen Aufträge übernehmen? Stuart wird nicht einen Meter von diesem Band verwenden. Es ist pure Zeitverschwendung und rausgeworfenes Geld, mich mit belanglosen Berichten wie diesem zu beauftragen.“

Harry sah sie über den Rand seiner Hornbrille an. „Wenn ihnen die Arbeit nicht passt, können sie jederzeit einen anderen Job annehmen, Fräuleinchen.“

„Das wäre nach ihrem Geschmack, nicht wahr?“

„Ich würde ihnen keine Träne nachweinen“, gab er zu.

„Kann ich mir lebhaft vorstellen. Aber ich werde nirgendwo hingehen, ganz gleich, wie heftig sie auch versuchen, mich zu entnerven oder mich zu blöden Aufträgen zu schicken.“

„Ja, ja, das sagen alle.“ Er lachte kurz auf und deutete auf die Tür. „Und jetzt raus hier, ich habe zu arbeiten.“

Amanda biss die Zähne zusammen. Warum musste Harry ausgerechnet heute relativ gut gelaunt sein? Gerade jetzt käme ihr ein richtiger Nahkampf ganz gelegen. Sie warf einen kurzen Blick auf seine schweißbedeckte Glatze, drehte auf dem Absatz um und stürmte aus dem Büro.

Sie durchquerte das Nachrichtenstudio, setzte sich auf ihren Stuhl und trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch herum. Es dauerte gut eine Minute, bis sie sich soweit beruhigt hatte, dass sie den beigefarbenen Briefumschlag inmitten der Eingangspost in ihrem Postkorb entdeckte.

Sofort wich ihr Ärger einem unangenehmen Gefühl in der Magengegend. Sie starrte gebannt auf das kleine Dreieck des hellen Papiers, das aus dem Stapel herausragte.

Am liebsten hätte sie ihn unbeachtet gelassen oder ungeöffnet in den Papierkorb geworfen, aber das kribbelnde Gefühl in der Magengegend hielt sie davon ab. Sie nahm den Umschlag mit zwei Fingern und zog ihn aus dem Stapel.

Wie gewöhnlich war kein Absender angegeben, und der Brief trug den Poststempel von Houston. Ängstlich öffnete sie ihn mit dem Fingernagel und zog das Schreiben heraus.

„Liebste Amanda,

Das Wochenende naht, und ich fühle mich immer deprimierter. Ich hasse diese zwei Tage ohne Dich. Hasse sie, hasse sie! Ich warte unentwegt auf Montag, da ich weiß, dich dann wiederzusehen. Nichts ist mir so wichtig wie Du, liebste Amanda. Du bist mein Alles. Du gehörst zu mir. Ich weiß es. Ich kann es fühlen. Und Du auch, das weiß ich. Wir sind für einander bestimmt. Bald… bald, Amanda, werden wir vereint sein. Das ist unsere Bestimmung.“

Amanda spürte, wie es ihr kalt den Rücken hinunterlief. Sie ließ den Brief fallen und rieb sich die Unterarme.

Sie war daran gewöhnt, ihrer Karriere zuliebe Risiken einzugehen. Das gehörte zu ihrem Beruf, und es war ihre eigene Entscheidung. Aber dies… dies hier war etwas anderes. Dies betraf sie persönlich. Irgendwo da draußen lief ein verwirrter Mann herum, der sie begehrte, und sie hatte keinerlei Einfluss darauf.

„Fertig?“, flüsterte Reilly in ihr Ohr.

„Aah!“ Amanda sprang auf und hielt sich die Hand an die Kehle.

„He, was ist los?“ Er sah sie verwundert an. „Du bist ja kreidebleich. Was ist geschehen?“

„Nichts.“, erwiderte sie schnell und steckte den Brief mit zitternden Händen in den Umschlag. „Ich… ich dachte gerade über eine Sache nach, die mich etwas verwirrt hat. Das ist alles.“

Sie legte den Brief in die mittlere Schublade und verschloss sie, dann nahm sie die Handtasche und sah Reilly demonstrativ gelassen an. „Ich bin soweit.“

„Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist, Amanda?“

„Natürlich, das sagte ich doch gerade. Also, lass uns gehen.“

Sie ging voraus und tat so, als sei sie immer noch verärgert. Aber in diesem Augenblick erschien Amanda das Problem Reilly McCall eher wie eine unbedeutende Nebensache.

3. KAPITEL

Das ‚Sendehaus‘ war ein bescheidenes, kleines Lokal ganz in der Nähe der Channel 5 Studios. Es war ein beliebter Treffpunkt der Leute von der Nachrichtenredaktion. Der Besitzer Arnie Potello war ein ehemaliger Polizist aus Houston und für die Reporter eine wertvolle Quelle für Informationen aus der Szene.

Das Lokal war ein Familienbetrieb. Arnie stand hinter der Bar, während seine Ehefrau Teresa und seine Schwiegermutter, Angelina Gianno, in der Küche die delikaten Speisen zubereiteten, für die das ‚Sendehaus‘ so berühmt war. Arnies Tochter Anna und seine Söhne Tony und Frank bewirteten die Gäste.

„Darf ich dir noch etwas bringen, Amanda?“

Amanda lächelte Tony Potello zu. „Nein, danke, im Augenblick nicht.“

„Ruf einfach, wenn du etwas brauchst.“ Der junge Mann eilte mit einem beladenen Tablett davon.

Amanda spielte gedankenverloren mit ihrem Weinglas.

„Wo haben sie ihn kennengelernt?“, flüsterte Norman.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Amanda die Frage richtig registrierte. „Tony?“

„Nein, Reilly.“

„Vor etwa eineinhalb Jahren ist meine beste Freundin zu seinem Zwillingsbruder gezogen. Tess und Ryan werden vielleicht heiraten. Reilly gehört so gut wie zur Familie, und deshalb treffe ich ihn zwangsläufig, wenn ich Tess besuche.“

„Sie werden doch nicht mit ihm ausgehen, oder?“

„Um Himmels willen, nein.“

Amanda stützte das Kinn auf die Hand und sah zu Reilly. Er und Crusher standen etwa fünf Meter entfernt und warfen Dartpfeile auf eine Zielscheibe.

Crusher stöhnte, als sich der Pfeil in den Rand der Scheibe bohrte. „Du hast schon wieder gewonnen.“

Reilly lachte. „Ich habe schon als Kind Dart gespielt. Beim nächsten Spiel gebe ich dir zwanzig Punkte Vorsprung.“

„Ich brauche keine Vorteile, denn beim nächsten Mal werde ich gewinnen.“

„Hört, hört“, entgegnete Reilly und klopfte Crusher auf die Schulter.

Männer. Amanda verdrehte die Augen und verzog das Gesicht. Geschlagene drei Stunden hatte sie diesem Treiben zusehen müssen. Während sie ihre riesige Pizza verdrückt und Bier getrunken hatten, waren sich die beiden nähergekommen. Sie hatten geschwatzt und gescherzt und machten auf Außenstehende den Eindruck, als seien sie seit Langem dicke Freunde.

„Crusher scheint den Burschen zu mögen“, bemerkte Norman missmutig.

„Was? Oh.“ Amanda sah den jungen Mann mitleidig an. Er machte den Eindruck, als habe er soeben seinen besten Freund verloren. „Ich würde den beiden nicht so viel Aufmerksamkeit schenken. Sie versuchen sich nur in Szene zu setzen und einander zu übertrumpfen. Morgen werden sie sich nicht einmal an den Namen des anderen erinnern.“

Auch dieses Spiel ging an Reilly, und Crusher stöhnte erneut über seine Niederlage.

„Okay, Ire, du hast mich beim Dart geschlagen. Aber wie sieht es mit dir bei richtigen Sportarten aus?“, fragte er, während sie zum Tisch zurückgingen.

„Welche?“

„Basketball, zum Beispiel.“

„Kein Problem.“

„Wirklich? Beweis es. Ich habe in meiner Auffahrt einen Korb aufgehängt. Komm doch morgen früh zu mir, dann können wir gegeneinander spielen.“

„Abgemacht.“ Reilly setzte sich und steckte ein Pfefferminzbonbon in den Mund. Dann wandte er sich Amanda zu. „Also, wann soll ich dich morgen Abend aufgabeln?“

„Bitte? Was soll das heißen, aufgabeln?“

„Na, wegen unserer Verabredung.“

„Vergiss es, McCall. Dies ist unsere Verabredung. Ich werde zu keiner anderen Zeit mit dir ausgehen. Soweit es mich betrifft, sind wir quitt.“

Reilly seufzte und schüttelte den Kopf. „Mandy, Mandy, Mandy“, begann er vorwurfsvoll. „Du willst mich schon wieder hintergehen. Den heutigen Abend kann ich nicht als Einlösen der Wette betrachten. Ich bin hier auf Crushers Einladung. Wir hatten vereinbart, dass nur wir zwei ausgehen. Und darauf bestehe ich, meine süße Mandy. Du schuldest mir diese Verabredung.“

Amanda lächelte ihn bedeutungsvoll an. „Träum weiter, McCall.“

Er betrachtete sehnsüchtig ihren Mund. „Mandy, Süße, wenn du wüsstest, was ich von dir träume …“

Obwohl seine Worte bei Amanda nicht ohne Wirkung blieben, versuchte sie, ihre kühle Haltung zu bewahren. „Danke, ich bin nicht interessiert. Und nenn mich nicht Mandy. Oder Süße. Ich werde nicht mit dir ausgehen und damit basta.“

„Ich sage das nicht gerne, aber in dieser Sache muss ich Reilly doch recht geben.“

„Bitte?“ Amanda sah Crusher empört an. „Das kann nicht dein Ernst sein, Crusher!“

„Eine Wette ist und bleibt eine Wette. Wenn du vereinbart hast, mit ihm allein auszugehen, so solltest du nicht versuchen, dich jetzt zu drücken.“

„Aber …“

„Hast du den Bedingungen zugestimmt?“

„Nun … ja, aber …“

„Dann schuldest du ihm die vereinbarte Einladung, nicht mehr und nicht weniger.“

Amanda warf beiden Männern einen wütenden Blick zu und nahm ihre Handtasche. „Also schön. Morgen werde ich mit dir ausgehen. Du kannst mich um sieben abholen. Zufrieden?“

Reilly lächelte. „Darauf kannst du wetten.“

„Klingt gut“, stimmte Crusher zu.

Norman runzelte die Stirn.

„Und jetzt möchte ich gerne nach Hause gehen.“ Amanda stand auf.

„Ich werde dich nach Hause geleiten.“, schlug Reilly vor.

„Stell dir vor, ich bin schon groß genug, um allein nach Hause zu gehen, Reilly.“

Er fasste ihren Ellbogen, setzte den Stetson auf den Kopf und nickte den beiden Männern zu. „Wir sehen uns morgen, Crusher.“

„Ja, und bereite dich schon einmal auf eine bittere Niederlage vor“, rief ihnen Crusher nach.

„Ja, ja.“ Reilly winkte ihm zu, ohne sich noch einmal umzudrehen.

„Reilly, würdest du das bitte lassen?“ Amanda ließ sich nur widerwillig zur Tür bringen. „Ich brauche keine Eskorte. Ich gehe jeden Abend allein nach Hause.“

„Ich bin erfreut, das zu hören, aber meine Mutter hat mir beigebracht, dass es sich gehört, eine Dame nach Hause zu begleiten.“

„Also gut“, erwiderte sie mürrisch und eilte zum Parkplatz. Als er die Hand ausstreckte, um den Autoschlüssel zu fordern, gab sie seufzend nach. Reilly schloss die Tür auf und half ihr lächelnd und mit einer charmanten Geste beim Einsteigen. Dann ging er zu seinem verbeulten, alten Lieferwagen, den er neben Amandas rotem Sportwagen geparkt hatte.

Amanda hatte gerade das Auto auf dem Parkplatz vor ihrer Wohnung zum Stehen gebracht, als Reilly neben der Fahrertür ihres Sportwagens auftauchte.

„Ich weiß nicht, ob es dir schon jemand gesagt hat, Süße, aber du legst ein höllisches Tempo vor. Du bist mit hundertachtzig Sachen über die Autobahn gedüst.“

„Ich bin eben eine ausgezeichnete Fahrerin.“

„Das bezweifle ich keine Minute. Du könntest Michael Schumacher Unterricht geben. Ich hatte regelrecht Herzklopfen.“

„Reilly, du musst mich wirklich nicht bis zur Tür bringen“, protestierte sie, als er neben ihr herging.

„Ich mache keine halben Sachen“, entgegnete er lächelnd, legte den Arm um ihre Schulter und führte sie zum Fahrstuhl.

Amanda starrte auf die Anzeigetafel der Stockwerke. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sie war überzeugt, dass er hören konnte, wie heftig ihr Herz schlug. Noch nie zuvor hatte sie die Gegenwart eines Mannes so tief empfunden.

Als sich die Fahrstuhltür öffnete, eilte sie über den Flur, ohne sich nach Reilly umzusehen. Ihre Hände zitterten so stark, dass sie es nicht schaffte, den Schlüssel in das Schlüsselloch zu stecken. Beim dritten Anlauf hielt er ihre Hand fest und führte den Schlüssel sicher ins Ziel.

Amanda erstarrte. Sie schloss die Augen und wartete. Seine Hand fühlte sich warm an. Sie spürte zwar nur die zarte Berührung seiner Handfläche, aber es war ihr, als umfasste er sie, als überwältigte er sie mit seiner erotischen Ausstrahlung.

Er drehte den Schlüssel im Schloss, und das Geräusch zerbrach lautstark die Stille.

Für einen Augenblick, der eine Ewigkeit zu dauern schien, bewegten sich beide nicht. Dann fasste sie Reilly bei den Schultern und drehte sie zu sich. Amanda presste sich gegen die Tür und sah ihn an.

Er wird dich jetzt küssen, dachte sie. Sie spürte ein kribbelndes Gefühl in der Magengegend, als er die Handflächen gegen die Tür lehnte und sich vorbeugte. Sie schloss die Augen, hob den Kopf und wartete darauf, dass sich ihre Lippen berührten.

Statt dessen spürte sie eine zärtliche Berührung auf ihrer Wange. Sie öffnete die Augen und sah in Reillys Gesicht. Er lächelte vielsagend und strich mit dem Zeigefinger über ihre Lippen.

„Gute Nacht, Mandy“, flüsterte er.

Bevor sie reagieren konnte, eilte er den Gang entlang und drückte den Fahrstuhlknopf. Die Tür öffnete sich, und während er einstieg rief er ihr zu: „Ich hole dich morgen Abend um sieben ab.“

Amanda verbrachte eine schlaflose Nacht. Immer wieder dachte sie an die mysteriösen Briefe und ihre dumme Reaktion auf Reilly am gestrigen Abend. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass es ein Fehler war, mit diesem Mann auszugehen.

Es gab nur ein Mittel, diese Situation in den Griff zu bekommen: Sie musste ihn auf Distanz halten, so gut es ging. Die vergangene Nacht war der letzte Beweis. Reilly musste ihr nur ein wenig zu nahekommen, und sie war Feuer und Flamme für ihn. Er hatte sie nicht einmal geküsst! Wie würde sie reagieren, wenn er es tatsächlich tat?

Reilly hatte ihren schwachen Punkt entdeckt. Dieser schlaue Fuchs. Er wusste, dass sie einer richtigen Herausforderung nicht standhalten konnte.

Als er zur verabredeten Zeit klingelte, war sie allerdings in der richtigen Stimmung, diese Herausforderung anzunehmen. Sie öffnete dir Tür und erwiderte sein Lächeln mit einem kühlen Blick.

Aber es war nicht einfach, ihm zu widerstehen. Er sah überwältigend gut aus. Groß, quicklebendig und sehr männlich stand er da, die eine Hand gegen den Türrahmen gelehnt, während er die andere in die Hüfte gestemmt hatte. Er trug unter seiner grauen Sportjacke ein blaues Seidenhemd und eine blausilber gestreifte Krawatte.

„Hallo“, begrüßte er sie freundlich. Er hatte sich rasiert und duftete angenehm nach Rasierwasser und Parfum.

Amanda warf einen Blick auf seine schwarzen Hosen und betrachtete seine Stiefel. „Hast du eigentlich schon einmal etwas anderes getragen als Cowboystiefel?“

Er schob den Stetson aus der Stirn und lächelte Amanda an. „Ungern“, erwiderte er und betrachtete sie von oben bis unten. „Mandy, du siehst umwerfend aus.“

„Danke“, entgegnete sie kühl und nahm die Handtasche. „Gehen wir.“ Amanda wusste, wie unhöflich es war, ihn nicht erst herein zu bitten, aber der Gedanke daran, dass Reilly sich in ihrem Apartment aufhielt, war nicht geeignet, ihre Unruhe zu mindern.

„Ich habe uns ein Restaurant ausgesucht, das dir sicher gefallen wird“, erklärte Reilly und lenkte den Laster auf die gebührenpflichtige Sam Houston Straße. „Es gehört zwei alten Freunden von mir.“

Amanda sah ihn herausfordernd an. „Du hast Freunde?“ Sie saß am äußersten Rand des Beifahrersitzes, so weit wie möglich von Reilly entfernt.

Er lachte. „Klar. Einige wenige.“ Er nahm ein Pfefferminz und steckte es in den Mund. „Entschuldige. Möchtest du auch eins?“

„Nein, danke. Bist du süchtig danach? Du isst ständig diese Dinger.“

„Ich esse das Zeug, seit ich mir das Rauchen abgewöhnt habe.“

„Dann hast du ein Laster gegen das andere ausgetauscht. Das Zeug macht dick, McCall.“

„Ich nehme nicht zu. Im Übrigen heißt es, die Dinger erhöhen den Genuss beim Küssen.“ Er blinzelte ihr zu. „Möchtest du es mal probieren?“

„Danke, kein Bedarf.“

Als sie das Restaurant erreichten, war Amanda überrascht. Sie hatte erwartet, dass er sie mit einem prunkvollen Restaurant beeindrucken wollte. Aber das Velvet Rose, inmitten des Geschäftsviertels von Houston, war ein vornehmes, kleines Lokal mit intimer Atmosphäre. Die diskreten, dunkel gekleideten Ober bewegten sich lautlos im Kerzenlicht zwischen den Tischen, und eine Combo spielte einfühlend zarte Musik, während sich die Paare auf der Tanzfläche bewegten. Der Ort war wie geschaffen, etwas zu essen, sich zu entspannen und intim zu unterhalten. Ein Paradies für Liebespaare.

Du musst wahnsinnig sein, dachte Amanda, als der Ober sie zu einem Tisch in einer etwas abseits gelegenen Nische führte. Wie konntest du so töricht sein, dich in eine solche Falle zu begeben? Es war gefährlich, mit dem Feuer zu spielen, und sie war drauf und dran genau, sich auf ein derartiges Spiel mit Reilly einzulassen.

Als sie sich gesetzt hatten, suchte sie nach einem Thema, das sie auf weniger nervenzermürbende Gedanken brachte.

„Dies ist sicherlich ein beliebtes Restaurant. Merkwürdig dass ich noch nie davon gehört habe.“

„Ich bin überrascht, dass Tess und Ryan es noch nie erwähnt haben. Sie gehen nämlich sehr gerne hierher.“

„Wirklich?“

„Ja, aber die Gäste, die hierherkommen, bevorzugen eine beschaulich ruhige Atmosphäre. Vermutlich dachten sie, die Ruhe wäre nichts für dich....

Autor

Ginna Gray
Ginna Gray wuchs in einer sehr fantasievollen und kreativen Familie in Texas auf. Erst mit zwölf Jahren erkannte sie, dass es nicht selbstverständlich war, wie leicht es ihr fiel, sich Geschichten auszudenken. Schon ihre Lehrer erkannten ihr Talent und Ginna war sich sehr früh sicher, dass sie Schriftstellerin werden wollte....
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