Julia Extra Band 561

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AUF DER GRIECHISCHEN INSEL DER TRÄUME von MILLIE ADAMS

Ein Schloss in der Ägäis! Maren sollte sich freuen über ihren überraschenden Gewinn. Aber die Sache hat einen Haken: Die andere Hälfte gehört dem griechischen Tycoon Acastus Diakos. Und der ist nicht nur berüchtigt für seine Skrupellosigkeit, sondern auch unverschämt sexy …

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  • Erscheinungstag 03.12.2024
  • Bandnummer 561
  • ISBN / Artikelnummer 0820240561
  • Seitenanzahl 432

Leseprobe

Millie Adams

1. KAPITEL

„Und sie lebte glücklich bis an ihr Ende.“

Beschwingt erklomm Maren die Treppe zu dem herrlichen Palast, der jetzt ihr neues Zuhause war. Vor Freude war sie ganz aus dem Häuschen! Auf dem Weg durch ihre Wohnräume spähte sie kurz in jedes Zimmer. Perfekt! Alles war nach ihren Wünschen hergerichtet worden. Doch als sie die Tür zu ihrem Schlafzimmer aufstieß, fielen Maren sofort zwei Dinge ins Auge. Zum einen war das Bett sehr groß und sehr pink und sah genauso aus, wie sie es sich immer erträumt hatte. Ein Prinzessinnenbett für ein Prinzessinnenschloss.

Zum anderen lag auf dem Prinzessinnenbett ein Mann.

Er wirkte sehr groß, trug einen schwarzen Anzug und hatte sein schwarzes Haar auf umwerfende Art aus der Stirn gestrichen. Seine Augen waren schwarz und viel zu scharfsichtig. Maren wusste auf Anhieb, dass sie sich für immer an jede Einzelheit dieses Augenblicks erinnern würde. Der Unbekannte strahlte etwas Intensives aus, das in ihr widerhallte, obwohl sie es nicht benennen konnte. Sie erstarrte, als würde sie ein Raubtier erblicken. Eine leise Stimme wisperte ihr zu, dass sie wegrennen solle. Doch eine andere Stimme, ebenso überzeugend, riet ihr zu bleiben.

Reglos blieb sie stehen. Als sie heute Morgen mit dem Hubschrauber hergeflogen war, hatte sie alles Mögliche erwartet, aber so etwas nicht.

„Hallo, Prinzessin!“, sagte der Fremde mit seidiger Stimme, in der jedoch ganz eindeutig etwas Bedrohliches mitschwang.

„Hallo. Ähm … Hallo?“ Schlagartig wurde Maren bewusst, wie isoliert sie hier war, regelrecht abgeschnitten vom Rest der Welt. Es gab zwar Bedienstete im Palast wie die Haushälterin Iliana, und Maren wusste, dass man ihr zu Hilfe kommen würde, falls sie schrie. Trotzdem hörte sie in diesem Moment nichts als ihren Herzschlag. Rund um den Palast gab es kaum Land. Er befand sich auf einem zerklüfteten Felsen in der Ägäis und seine goldenen Türme glitzerten märchenhaft schön im Sonnenlicht. Es war das Prinzessinnenschloss ihrer Träume. Es glich sowohl dem Spielzeugschloss, das ihre Mutter ihr als Kind geschenkt hatte, als auch dem Ort in ihrem Kopf, in dem sie alle Erinnerungen aufbewahrte. Ihrem Gedächtnispalast.

Ihre Schwester Jessie, die ebenfalls ein fotografisches Gedächtnis besaß, hielt die Idee eines Gedächtnispalasts für überspannt. Maren war anderer Ansicht. Hatten ihre detailgetreuen Erinnerungsbilder nicht einen ganz besonderen Aufbewahrungsort verdient? Jessie legte ihre Erinnerungen in Aktenschränken ab. Maren fand das schade. Wenn man seine Erinnerungen an jedem erdenklichen Ort aufbewahren konnte – einem Einhornstall, einem Feenhaus, einem verzauberten Koffer, der den Weg in eine magische Welt eröffnete –, warum sollte man dann ein nüchternes Büro wählen?

Maren hatte schon immer von Schlössern geträumt. Stets hatte sie geglaubt, gehofft, geträumt, dass sie für mehr bestimmt war. Für etwas Besseres. Ihre Mutter, die genauso rotes Haar hatte wie sie, hatte sie als kleines Kind ihr Make-up probieren und mit ihren Haarspangen, Kämmen und Bürsten spielen lassen. Und sie hatte ihr vorgesungen. Ihr gesagt, dass sie eine Prinzessin sei, etwas Besonderes. Als ihre Mutter fortging, war all das verschwunden.

Maren hatte eine privilegierte Kindheit gehabt. In gewisser Weise. Sie hatten zumindest genug Geld gehabt. Jedenfalls ihr Vater, der ein Gangsterboss gewesen war. Sie und ihre Schwester hatten ein Dach über dem Kopf und genug zu essen gehabt. Um ihr seelisches Wohlbefinden hatte sich Marcus Hargreave aber nie gekümmert. Er war ein abscheulicher Mensch gewesen. Inzwischen war er tot. Gestorben bei einer Schießerei, als die Polizei ihn verhaften wollte. Und es gab wohl niemanden auf der Welt, der seinen Tod bedauerte …

Ihre Schwester Jessie war mittlerweile verheiratet und erwartete ein Baby. Ein Mädchen, Marens kleine Nichte. Der Gedanke, das Baby könnte durch Marcus Hargreaves kriminelle Machenschaften in Gefahr geraten, war für Maren kaum auszuhalten. Deshalb war sie geradezu erleichtert, dass ihr Vater tot war und nie wieder jemanden verletzen konnte. Ihr Vater war ein schrecklicher Mensch gewesen, der seine Töchter gezwungen hatte, ihm bei seinen kriminellen Machenschaften zu helfen. Ihr Verstand war ein wertvolles Werkzeug für ihn gewesen. Maren und Jessie erinnerten sich an alles, was sie sahen. Jessie war besonders gut mit Zahlen und Fakten. Marens besondere Begabung waren Gefühle. Was Menschen zeigten – und was sie zu verbergen suchten. Sie würde sich selbst als Empathin bezeichnen. Es war, als strömten die Gefühle anderer in sie hinein.

Jetzt gerade durchströmten die Gefühle des unbekannten Mannes sie wie eine samtene Welle. Dunkel. Triumphierend. Sinnlich. Der Fremde brachte sie ziemlich aus der Fassung – wie auch nicht? Sie hatte aber keine Angst vor ihm. Maren spürte zwar, dass er gefährlich sein könnte, denn in ihm gab es zersplitterte, komplizierte Emotionen, die sie praktisch schmecken konnte. Doch er war nicht grausam. Grausamkeit hinterließ einen sauren Geschmack auf ihrer Zunge. Grausamkeit hatte sie stets gespürt, wenn sie in der Nähe ihres Vaters oder seiner Konsorten gewesen war. Sie kannte grausame Männer. Dieser Fremde gehörte nicht dazu. Nicht Stärke, Wut oder eine gewisse Dunkelheit machten einen Mann gefährlich. Entscheidend war, ob er den Schmerz anderer genoss. Sie wusste instinktiv, dass dieser Mann es nicht tat, und das beruhigte sie. In ihrem Leben beruhte der Unterschied zwischen Sicherheit und Gefahr auf ihrer Fähigkeit, Menschen zu lesen.

Er stand auf. Sie hatte recht gehabt. Er war sehr groß. Breitschultrig und muskulös. Seine Bewegungen waren geschmeidig wie die eines Panthers. Dieser Eindruck verstärkte ihre innere Unruhe, und Maren fühlte sich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, wegzurennen, und dem Wunsch, zu bleiben.

„Ich hoffe, dass alles im Palast zu deiner Zufriedenheit ist?“

„Also, ja. Bis jetzt. Aber …“

„Gut. Hast du bereits eine Führung bekommen?“

„Ich …“ Das hatte sie. Als sich der Hubschrauber dem Palast genähert hatte, war sie überwältigt gewesen. Doch aus der Nähe war alles noch viel eindrucksvoller. Der Palast hatte märchenhaft schöne Verzierungen aus Bergkristall, deshalb glitzerte er so hell in der Sonne. Die Turmspitzen waren vergoldet, und Maren hatte sich sofort gefragt, ob es echtes Gold war. Die Fenster sahen aus wie Bonbons, leuchtend und bunt. Es war schlichtweg das Schönste, was sie je gesehen hatte. Auf den Fotos war nicht ansatzweise zu erkennen gewesen, welche Schönheit sie hier erwartete. Dazu kam noch die Freude, dass Jessie und sie es geschafft hatten. Es war überwältigend, dass sie mit jenem letzten Pokerspiel, diesem allerletzten Betrug, dem Vermächtnis ihres Vaters entkommen waren und sich selbst etwas geschaffen hatten. Auch wenn Maren sich gerade reichlich verunsichert fühlte, weil Jessie so schnell eine eigene Familie gegründet hatte …

Sie beide hatte der Verlust ihrer Mutter schwer getroffen. Ihre teure, dahingegangene Mutter, wie sie sie manchmal nannten. Nur war sie nicht tot. Sie war nur gegangen. Danach hatten Jessie und Maren lange Zeit das Gefühl gehabt, allein gegen den Rest der Welt zu stehen. Aber jetzt hatte Jessie ihren geliebten Ewan – und bald schon ihr Baby. Maren kam sich vor wie dieser Palast mitten im Meer. Allein. Isoliert. Aber eine Prinzessin.

Monatelang hatte sie darauf gewartet, ihren Pokergewinn in Besitz zu nehmen. Der Zeitpunkt war günstig. Denn Jessie und Ewan sollten etwas Zeit für sich haben, ohne eine einsame Verwandte, die um sie herumgeisterte. Hier war sie nun. Bereit, sich das zu nehmen, was ihr gehörte. Doch sie hatte nicht bloß den Palast gewonnen. Ihr gehörte auch der Thron des zugehörigen Königreichs hier mitten im Wasser.

Sie hatte immer gewusst, dass sie dazu bestimmt war, eine Prinzessin zu sein.

„Natürlich bist du eine Prinzessin, Maren. Die Erinnerung an die Stimme ihrer Mutter wärmte Maren. „Die schönste Prinzessin überhaupt. Und eine Prinzessin sollte Juwelen haben. Ihre Mutter hatte Maren auch ihre Juwelen anprobieren lassen. Ihre Mutter war die schönste Frau der Welt gewesen, doch sie hatte ein Ungeheuer geheiratet. Deshalb hatte sie irgendwann fortgehen müssen. Maren verstand das. Irgendwie. Das hieß nicht, dass sie ihre Mutter nicht schrecklich vermisste. Jeden Tag.

Sie konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart. Es war Fluch und Segen zugleich, dass sie sich mit nie verblassender Klarheit an die Zeit mit ihrer Mutter erinnern konnte. Wenn sie in den Palast in ihrem Kopf ging, war es, als würde sie ihre Mutter besuchen. Natürlich konnte nichts Neues passieren. Aber es war schön, sich zu erinnern. Maren hatte schon so lange von ihrem eigenen Palast in der echten Welt geträumt! Und von einem Kind, mit dem sie ihn teilen konnte …

Sie konnte ihre Mutter nicht zurückhaben, aber sie konnte eine eigene Familie gründen. All die Liebe geben, die sie in sich trug. Sie könnte die beste Mutter sein. Jessie war schwanger geworden und hatte nicht einmal gewusst, ob sie ein Baby wollte. Deswegen fühlte sich Maren irgendwie … Es tat eben weh. Sie wollte ein Baby, schon lange. Ihre Schwester war unbeabsichtigt schwanger geworden, was ein ziemliches Drama für sie gewesen war. Jessie war eben anders als Maren.

Jetzt war Maren dem Leben näher, das sie wollte. Das sie brauchte. Sie hatte das alles durch Glücksspiel erreicht. Dem stand sie zwar in moralischer Hinsicht ablehnend gegenüber, doch wegen ihrer Fähigkeiten war sie sehr, sehr gut darin. Zudem waren die Schwestern gezwungen gewesen, sich mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen, eine Zukunft zu erkämpfen. Und ein Narr und sein Geld gingen schnell getrennte Wege. Es war nicht ihre Schuld, dass die Männer, die sich mit ihr an einen Pokertisch setzten, Narren waren. Der alte Mann, von dem sie das Schloss gewonnen hatte, war ein besonders großer Narr gewesen. Er hatte die ganze Zeit davon geschwafelt, dass er sich, sollte er tatsächlich verlieren, zumindest nicht mehr mit diesem Irren herumschlagen müsse …

Plötzlich überlief es sie eiskalt. „Wer … Wer sind Sie?“ Doch sie hatte das Gefühl, dass sie es schon wusste. Dass der Mann vor ihr genau jener Irre war. Die Art, wie er den Mund verzog, verstärkte ihre Vorahnung noch.

„Mein Name ist Acastus Diakos. Ich bin dein Ehemann.“

2. KAPITEL

Sie war entzückend. Acastus konnte sein Glück kaum fassen. Nicht, dass es darauf ankam, ob die Prinzessin des Palastes auf dem Felsen schön war oder nicht. Die Frau konnte aussehen wie durchgekautes Leder, und er wäre trotzdem verpflichtet, einen Erben mit ihr zu zeugen. Das Versprechen, das seiner Familie gegeben worden war, musste erfüllt werden. Davon würde er nicht abrücken. Sein Leben lang hatten Acastus und seine Eltern darauf gewartet, dass die Familie Argos ihnen das gab, was ihnen rechtmäßig zustand. Doch dann hatte Stavros Argos den Palast verspielt – und damit auch sein Versprechen weitergereicht. Doch es war eine nette Überraschung, dass die neue Schlossbesitzerin so hübsch war …

Schockiert sah sie ihn an. „Ich … Das verstehe ich nicht ganz.“

„Erzähl mir nicht, dass du das Kleingedruckte in dem Vertrag nicht gelesen hast, den du unterzeichnet hast.“

„Nein.“ Sie runzelte die Stirn. „Da stand nichts Kleingedrucktes im Vertrag!“

„Prinzessin, du solltest einen Almanach mit diesen Informationen bekommen haben. Er war den Dokumenten beigefügt.“

„Das habe ich aber nicht!“

Das wusste er. Er hatte den Almanach abgefangen. Acastus hatte nicht zulassen können, dass sie aus dem Vertrag ausstieg. Es war zu wichtig, dass die Bedingungen erfüllt wurden. Stavros war so strikt dagegen gewesen, dass Acastus seine Tochter heiratete, dass er den Palast lieber verspielt hatte, als seine Versprechen einzulösen und zu erleben, dass ihre Familien verbunden wurden. Er hatte versucht, den Schwur zu brechen, den beide Familien einst abgelegt hatten. Er wollte Acastus’ Familie die Ehre verwehren, die ihr versprochen worden war. Die Ehre, die ihnen zustand.

Als Junge hatte Acastus in diesem Palast gearbeitet. Er hatte Böden geschrubbt, während Stavros ihm dabei grinsend zugesehen hatte. Er tat es, weil sein Vater es ihm befohlen hatte. Weil er gesagt hatte, sie würden sich dadurch das Recht verdienen, zum Adel zu gehören. Der alte Stavros hatte wahrscheinlich gedacht, er würde gewinnen, indem er den Palast aus den Händen gab, doch in Wirklichkeit war es ein Sieg für den Diakos-Clan. Der Palast der Mythen und Legenden würde endlich Acastus’ Familie gehören. Sie wären Könige und Königinnen. Seine Kinder würden den Titel tragen und keine Böden mehr putzen. Sie müssten sich nicht vor einem Mann erniedrigen, der zu einer langen Reihe von Männern gehörte, die Versprechen gemacht und gebrochen hatten. Acastus hatte sich geschworen, dieses Ziel zu erreichen. Und er hielt sein Wort. Immer.

„Wir sind verheiratet“, erklärte er. „Indem du den Thron angenommen hast, hast du auch einen Ehemann angenommen.“

„Aber ich dachte, das mit dem Thron hätte einfach nur bedeutet, dass ich eine Prinzessin werde. Ich habe einen Titel bekommen, aber ich habe doch kein Ehegelübde abgelegt.“

„Das war in den Vertrag eingeschlossen.“

„Das kann nicht legal sein.“

„Der Felsen, auf dem wir uns befinden, ist ein eigenständiges Land. Es ist nicht nur legal, es ist bindend.“

Sie blinzelte. „Wenn ich den Felsen verlasse, sind wir nicht verheiratet?“

„Nein.“

Sie sah sich um.

„Was?“

„Ich suche nach einer versteckten Kamera“, erwiderte sie. „Allmählich frage ich mich, ob mir jemand einen Streich spielt.“

Sogar in ihrer Verwirrung war sie unglaublich schön! Doch Acastus durfte sich nicht von ihrer Schönheit ablenken lassen. „Leider nein. Der Familie Diakos – meiner Familie – wurde ihr Platz in der königlichen Linie seit Generationen verwehrt. Wir haben dem Palast fünfhundert Jahre lang gedient. Einst rettete ein Argos einen Diakos auf dem Schlachtfeld, und wir schworen den Argos Treue. Für unsere treuen Dienste wurde uns von der Familie Argos aber schon bald darauf die Aufnahme in die königliche Familie versprochen. Jetzt ist endlich der Zeitpunkt dafür gekommen.“

„Das erscheint mir recht willkürlich.“

„Das ist es nicht. So ist das Gesetz. Ich habe eine Vereinbarung, die genauso bindend ist wie dein Vertrag. Eine Vereinbarung, die mit dem Blut von Generationen geschmiedet wurde.“

Maren Hargreave zog die Nase kraus. „Hätten sie keine Tinte nehmen können?“

Sie hatte keine Angst vor ihm, das war gut. Wenn sie ein Kind zeugen wollten, durfte sie sich nicht vor ihm fürchten.

Acastus war nie besonders gutmütig oder freundlich gewesen. Er war ein rücksichtsloser Geschäftsmann, brillant in allem, was er tat. Er besaß einen messerscharfen Verstand und nicht einmal einen Hauch von Bescheidenheit. Er hatte Macht und Einfluss und brauchte kein einnehmendes Wesen. Frauen fanden ihn attraktiv, weil er unnahbar war.

Er musterte Maren. Sie wirkte eher wütend als von ihm angetan, aber sie brauchte Zeit. Er hatte sie mit der Ehe überrascht. Es war ein riskantes Spiel. Doch sie hatte gespielt, um den Palast zu gewinnen, und er würde ebenfalls auf Risiko gehen.

Die schöne Rothaarige runzelte die Stirn. „Was heißt das alles? Weiß Iliana, dass Sie hier sind?“

„Natürlich“, antwortete er. „Sie weiß über die Ehevereinbarung Bescheid.“

„Ich nicht.“

„Wie schade. Es wäre nett gewesen, wenn du vorbereitet gewesen wärst.“

„Jetzt tun Sie nicht so, als würde ich mich vor meinen Pflichten drücken. Ich habe den Almanach nicht bekommen, in dem meine ‚Pflichten‘ offenbar erläutert wurden.“

„Du hast aber die Dokumente unterzeichnet.“

„Das ist doch alles Unsinn. Ich habe das Schloss von einem sehr alten Griechen gewonnen …“

„Ja, Stavros Argos. Er wollte nicht, dass ich seine Tochter heirate. Tatsächlich war er so dagegen, dass er den Palast, das Vermächtnis meiner Familie, lieber verspielte, damit ich ihn nicht bekomme. Er wollte die Verpflichtung seiner Familie gegenüber meiner beenden und dafür sorgen, dass meine Familie nicht gewinnt. Aber er hat nicht mit mir gerechnet.“

„Und das bedeutet …?“

„Dass ich herkomme und die Bedingungen des Eheversprechens erfülle. Er dachte, ich wolle unbedingt eine Argos heiraten. Aber worauf es mir ankommt, ist mein Erbe, die Titel, das, was mir zusteht.“

Sie runzelte die Stirn. „Warum hat Stavros eine Vereinbarung getroffen, die er nicht wollte?“

„Die Vereinbarung ist viel älter als wir.“

„Wieso …“ Sie räusperte sich. „Sie wirken wie ein netter Mann.“ Sie zog die Nase kraus.

„Nett?“ Empört sah er sie an.

„Jedenfalls sind Sie ein Mann. Ein sehr großer noch dazu. Wieso will er nicht, dass Sie seine Tochter heiraten? Ich nehme an, mit den Wünschen seiner Tochter hat das nichts zu tun. Dieser Stavros Argos wirkte nicht wie jemand, der darauf Rücksicht nehmen würde.“

„Nein. Er will mich bestrafen.“ Er lächelte. „Er ist ein Narr. Er dachte, ich wollte seine Tochter, aber das will ich nicht.“

„Jetzt ist sie wohl sicher vor Ihnen, oder?“

Er lachte. Es war witzig, zumindest kam es ihm so vor. Er fand selten etwas lustig, sodass es schwer zu sagen war. „Ja. Zweifellos.“

„Pech für mich.“

„Das ist Ansichtssache.“ Er musterte sie. Sie schien beunruhigt. Fast hätte er sie bedauert, wenn er zu solchen Gefühlen fähig gewesen wäre. Doch er war kalt. Durch und durch. Das Leben hatte Acastus dazu gemacht. Wenn er seinen Anspruch jetzt nicht durchsetzte, hätten ganze Generationen umsonst gelitten. Sein eigenes Leid und das seiner Mutter wären sinnlos gewesen. Deshalb musste er es zu Ende führen.

„Dann hat er das Schloss mir, einer Fremden, gegeben, um Sie auszustechen?“

„Ja. Er hat alles aufgegeben, um mir eins auszuwischen. Aber er hat es nicht zu Ende gedacht.“

„Stimmt. Er hat verloren, aber vielleicht nicht mit Absicht.“ Maren schüttelte ihr kupferrotes Haar. „Meiner Erfahrung nach glauben Männer, vor allem Männer eines bestimmten Alters, nicht, dass ich sie besiegen kann. Sie irren sich.“

Er zuckte die Achseln. „Er hat verloren, absichtlich oder nicht. In seiner kleinlichen Boshaftigkeit hat er das Erbe seiner Tochter verspielt. Nicht, dass Elena Argos diesen Ort hier besonders mag. Ich glaube auch nicht, dass sie ihr glamouröses Leben im Ausland aufgeben will, um hier mitten im Meer zu wohnen.“

„Ich würde ein glamouröses Leben in Paris wohl auch nicht aufgeben.“

„Stavros ist ein Narr! Jetzt wird der Titel mir gehören, meinen Kindern. Meine Familie wird zur königlichen Linie gehören, einfach durch Heirat.“

Sie wich zurück. „Das ist ziemlich archaisch. Mein Titel bedeutet doch nichts.“

Er zog eine Braue hoch. „Dann gib ihn auf.“

„Auf keinen Fall!“, erwiderte sie und schlug die Hände vor der Brust zusammen, als würde sie etwas umklammern. „Er gehört mir.“

Sie war wie er. Sie wollte das hier. Darauf hatte er gehofft. „Ja. So funktioniert es auch nicht. Durch das Unterzeichnen der Papiere hast du mich geheiratet, das lässt sich nicht rückgängig machen. Außerdem müssen wir ein Kind bekommen.“ Sie lief knallrot an wie ein unschuldiges junges Ding, und sein Körper reagierte prompt.

„Ich kenne Sie nicht einmal“, gab sie zurück.

„Du lernst mich bald sehr genau kennen.“

Ihre Reaktion war unerwartet. Sie warf die Hände in die Luft, stieß einen Schrei aus und stampfte mit dem Fuß auf. Dann lief sie auf und ab. „Das ist unzumutbar! Ich bin eine Prinzessin! Wieso habe ich jetzt weniger zu sagen als vorher?“

„So ist das beim Adel, fürchte ich“, sagte er trocken.

„Das gefällt mir nicht!“ Sie stampfte noch einmal auf. Es erinnerte ihn an eine Geschichte, die er als Kind gelesen hatte: Der Schmetterling, der mit dem Fuß stampfte. Diese Frau war extrem emotional. Die Welt würde sie nicht gut behandeln. Sofern sie nicht hierblieb, von allem abgeschirmt, wo sie tun konnte, was ihr gefiel. Und warum sollte sie nicht bleiben? Er forderte nur wenig von ihr. Plötzlich richtete sie den Blick auf ihn. „Sie waren es, oder?“

„Was?“

„Sie haben dafür gesorgt, dass ich den Almanach nicht bekomme. Damit ich alles unterzeichne und herkomme.“

„Wirklich?“, fragte er unschuldig.

„Oh, Acastus Diakos. Versuchen Sie nicht, eine Betrügerin hereinzulegen. Sie blamieren sich bloß. Ich bin Expertin in Sachen Manipulation. Sie wirken wie ein Anfänger.“

„Und doch bist du hier, verheiratet mit mir.“

Sie schnaubte. „Das ist kein sehr eleganter Betrug.“

„Ich lasse mich gern als tollpatschig beschimpfen, solange ich gewinne.“

„Oh!“, stieß sie empört hervor. „Sie sind unmöglich.“

„Trotzdem bist du noch hier.“

„Das ist mein Schloss.“

„Fantastisch. Dann bist du meine Frau.“

Sie sah so sanft aus. Sie trug ein blassrosa Kleid, und ihr seidiges rotes Haar umrahmte weich ihr Gesicht. Rund um ihre Nase hatte sie ein paar Sommersprossen, was einen interessanten Kontrast zu ihren bemerkenswert grünen Augen bildete. Ihre hellrosa Lippen waren wunderbar, die Oberlippe etwas voller als die untere. Diese Frau war absolut faszinierend!

Acastus war allerdings schon länger nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen. Jede Nacht seines Zölibats machte sich jetzt bemerkbar. Er hatte zu viel gearbeitet, damit der Betrieb seiner Luxushotels weiterlief, während er sich hier um seine Angelegenheiten kümmerte. Er hatte nicht vor, auf der Insel zu bleiben. Eine Ehe mit Maren würde kaum etwas ändern. Ein Kind würde kaum etwas ändern. Alles war nur symbolisch. Doch da sein Leben von Leid geprägt gewesen war, das symbolischer war, als ihm lieb war, waren ihm Symbole extrem wichtig.

„Ich sehe es so“, erklärte sie und kam mit ausgestrecktem Finger auf ihn zu. „Sie sind verrückt. Niemand heiratet aus derartigen Gründen.“

„Falsch. Adlige heiraten ständig aus derartigen Gründen. Meine Familiengeschichte geht weit zurück. Unser Name ist von großem Stolz geprägt. Mein Vater verbrachte sein Leben auf dem Land. Er brachte uns mit dem Boot zum Palast, wo wir als Dienstboten arbeiteten. Er lebte in Armut, unter der Knute der Familie Argos, aber erfüllt von Stolz. Er hat zeit seines Lebens darauf gewartet, dass das Versprechen erfüllt würde. Er hat auf die Königswürde gewartet.“

Maren zuckte die Achseln. „Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll. Der Palast kam mit etwas Geld, aber das war keine astronomische Summe. Der eigentliche Wert steckt im Anwesen. Im Titel. Mir gefällt es, eine Prinzessin zu sein. Aber ich bringe mein eigenes Vermögen mit, und ich gebe es bestimmt nicht …“

Er lachte. Zum zweiten Mal. Es überraschte ihn beinahe. Dieses Geräusch aus seinem Mund klang so ungewohnt. Düster und humorlos.

„Ich brauche dein Geld nicht. Mein Vater lebte in Armut, ich nicht. Ich bin Multimilliardär. Ich brauche kein Geld.“

„Warum sind Sie dann hier?“

Sein Leben war eine Ödnis aus gebrochenen Versprechen und dem Schmerz, den sie verursacht hatten. Den Versäumnissen seines Vaters. Das hier war der Wunsch seiner Mutter, dafür hatte Acastus so hart gearbeitet. Er hatte das alles für sie getan. Sie hatte den Titel gewollt. Sie wollte, dass die nächste Generation gesichert war, sie wollte ein Enkelkind. Und dafür würde er sorgen. Acastus wollte ein Vermächtnis hinterlassen. Nach all der Arbeit, all dem Leid, wollte er, dass endlich die Familie Diakos über diesen Palast herrschte, seine Kinder und Kindeskinder. Das Leben war vergänglich. Es zählte nur das Vermächtnis. Sein Vater hatte nichts als Enttäuschung hinterlassen. Dagegen wäre das Vermächtnis von Acastus ein glorreicher Sieg.

„Ich will einen königlichen Erben. Ich will einen Titel. Wir wollen, dass die Versprechen eingehalten werden. Als Ausgleich für das Opfer, das erbracht wurde. Mein Großonkel starb, als er im Krieg auf Seiten der Herrscherfamilie kämpfte. Wie andere vor ihm. Verlorene Kinder. Tote Ehemänner. Sie wurden in jeden bewaffneten Konflikt geschickt, wenn die Familie aus dem Palast es für angemessen hielt.“

„Ich glaube nicht, dass wir Kriege führen werden“, erklärte Maren stirnrunzelnd. „Das mag ich nicht.“

„Ich werde Vergeltung bekommen“, erklärte er so eindringlich, dass es ihm die Kehle zuschnürte. „Wir bekommen unsere Wiedergutmachung.“

Sie trat einen Schritt zurück. „Ich finde nur … Das scheint doch ein wenig … unorthodox.“

„Stimmt. Aber es ist nicht verhandelbar. Mit deiner Unterschrift hast du zugestimmt.“

Sie legte den Kopf auf die Seite. „Tatsächlich?“

„Ja. Der Almanach liegt unter deinem Kissen, Prinzessin. Schau dir an, was du unterschrieben hast. Die Geschichte des Landes ist für alle Welt sichtbar. Sieh dir das Eheversprechen zwischen den Familien Argos und Diakos an.“ Er richtete seine Krawatte und ging zur Tür. „Meine Gemächer sind am anderen Ende des Ganges. Ich sehe dich dann beim Abendessen.“

„Was, wenn ich keinen Gast beim Essen haben will?“

„So kannst du doch deinen Ehemann nicht behandeln.“

„Ich habe noch nicht entschieden, ob Sie mein Ehemann sind.“

„Das bin ich bereits. Ich sehe dich beim Essen.“ Damit drehte Acastus sich um und ließ sie stehen.

Voller Triumphgefühl ging er den Flur entlang. Endlich würde der Palast ihm gehören. Endlich würde es eine Entschädigung für alles geben. Er würde das Versprechen wahrmachen, das seinen Vorfahren gegeben wurde. Das Versprechen, das er seiner Mutter gegeben hatte. Seine Mutter hatte seinen Vater in der Annahme geheiratet, dass sie eines Tages einen königlichen Ehrentitel erhalten würde. Als sie Acastus zur Welt brachte, hoffte sie darauf, dass er die Prinzessin des Palastes auf dem Felsen heiratete. Dass sie wohlhabend sein würden. Dass sie bald keine schwere Arbeit mehr verrichten müssten, sondern Dienstpersonal hätten.

Der größte Fehler seines Vaters hatte darin bestanden, dass er sich Stavros gegenüber zu unterwürfig gezeigt und seine eigene Frau nicht unterstützt hatte. Sie hatten von der Hand in den Mund gelebt. Im Palast gearbeitet und in einer Kaschemme gehaust. Warum hatte sein Vater nie versucht, ihr Los zu verbessern? Warum hatte er alles auf dieses zukünftige Versprechen gesetzt? Diese zukünftige Ehe? Acastus hatte das nicht getan. Er hatte sich darum gekümmert, dass seine Mutter mit allem versorgt war, was sie sich wünschte, ohne dabei den Anspruch auf Palast und Titel aufzugeben.

Endlich war der Sieg in greifbarer Nähe.

3. KAPITEL

Maren verbrachte die nächste Stunde damit, den Almanach zu lesen. Acastus, dieser Mistkerl, hatte ihr das Dokument absichtlich vorenthalten! Doch Jessie und sie hatten andere jahrelang hinters Licht geführt. Es wäre … unaufrichtig gewesen, wenn sie nun schockiert oder verletzt reagierte. Das musste Karma sein. Inklusive Schloss und Ehemann.

Den Thron zu besteigen war ihr anfangs wie ein Scherz vorgekommen. Dieses kleine Land war ziemlich … unbedeutend. Die Königswürde war Maren als bloße Formalität erschienen. Dass daran ein geheimes Ehegesetz geknüpft sein könnte, wäre ihr nie in den Sinn gekommen. Doch das war es. Nach der Lektüre des Almanachs war sie Expertin, was die Geschichte der beiden Familien anging. Vor Jahrhunderten schwor die Familie Diakos der Herrscherfamilie Argos die Treue. Im Gegenzug versprach diese, sie nach Ablauf einer angemessenen Zeit der Knechtschaft durch Heirat in die Familie aufzunehmen.

Aber wieso hatte die Familie Diakos den Argos’ so lange Zeit auf diese Weise gedient? Vor allem, nachdem die Familie Argos ihre Versprechen über Generationen nicht eingehalten hatte. Es gab viele Argos-Töchter, die Söhne der Diakos hätten heiraten können oder umgekehrt. Doch es war nie dazu gekommen. Maren war zwar keine Argos, doch mit dem Palast war auch die Würde der „königlichen Familie des Palastes auf dem Felsen“ auf sie übergegangen. Sie war nun die königliche Familie in einer Person. Warum überließ sie den Titel nicht einfach diesem geheimnisvollen Acastus Diakos?

Grübelnd betrat Maren ihr Ankleidezimmer – und wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen. Was für ein Anblick! Überall hingen Kleider wie in einer Boutique. An Schaufensterpuppen, auf beleuchteten Podesten … Auf Regalen standen Taschen und Hüte. Glamour, wohin sie blickte. Ihre Mutter wäre begeistert gewesen! Bei dem Gedanken zog sich ihr Magen zusammen.

Obwohl es kein förmliches Abendessen war, entschied sie sich für ein pinkfarbenes, fluffiges Abendkleid aus feinem Netzgewebe. Es war herrlich übertrieben und feminin, und solche Dinge verliehen ihr immer eine gewisse Macht. Wenn sie und Jessie Poker spielten, setzten sie immer auf ein hyperfeminines Äußeres, damit die Männer sie unterschätzten …

Gewissenhaft legte sie Make-up auf. Als Maren nach unten ging, bemühte sie sich, zu lächeln und gelassen auszusehen. Sie würde diesem Mann nicht gestatten, zu glauben, dass er sie erschüttert hatte. Auch wenn sie zutiefst erschüttert war. Doch sie hatte schon Schlimmeres erlebt. Unzählige Male hatte sie geflirtet und gelächelt und so diversen Männern Informationen entlockt. Mit einem Lockenkopf und einem kurzen Kleid sah sie süß und verletzlich aus. Dabei war sie sich zugleich immer jedes Objekts in ihrer Nähe bewusst, das sie, falls nötig, als Waffe benutzen konnte.

Ihr Vater war ein narzisstischer Soziopath gewesen. Sie hatte gelernt, sich zu schützen. Sie ging nicht ängstlich durchs Leben, weil sie stets vorbereitet war. Sie achtete auf Details. Sie war immer wachsam. Sie sah nur sanft aus. Ihre Mutter war sanft gewesen und so verliebt in ihren Vater. Dass er sie betrog, war so unerträglich gewesen, dass sie gehen musste. Maren verstand, warum eine Frau nicht bei einem narzisstischen Soziopathen bleiben konnte. Sie war aber nicht so naiv wie ihre Mutter. Und sie würde auch jetzt nicht naiv sein.

Als sie eintrat, saß Acastus bereits lässig zurückgelehnt, an der Stirnseite des Tisches. Tat der Mann nichts anderes, als lässig zu sein? „Ich habe eine Frage“, sagte sie.

„Ja?“

„Zunächst einmal, was machen Sie beruflich?“

Er zog eine Braue hoch, wodurch seine Miene noch arroganter wirkte. „Weißt du nicht, wer ich bin?“

Urplötzlich fielen ihr Bilder ein, die sie gesehen hatte. Sie riss die Augen auf. „Acastus Diakos? Der milliardenschwere Bauunternehmer, der zu den jüngsten Selfmade-Milliardären gehört?“

„Dann kennst du also die Berichte.“

„Ich habe sie wohl irgendwann einmal gesehen. Ich kann nichts vergessen. Es ist so eine Marotte von mir.“

Er runzelte die Stirn. „Eine Marotte?“

„Eher eine Tatsache als eine Marotte. Wenn ich sage, dass ich mich an alles erinnere, heißt das, dass ich den Almanach jetzt auswendig aufsagen könnte.“

„Komplett?“

Sie seufzte. „‚Hier in diesem Buch und in Übereinstimmung mit …‘“

„Das reicht“, sagte er und hob eine Hand.

„Also ja, ich weiß jetzt, wer Sie sind. Obwohl ich nicht weiß, ob Sie sich deshalb geschmeichelt fühlen sollten. Es ist nur ein kleiner Zaubertrick von mir.“

Acastus lachte wieder auf dieselbe düstere Art wie in ihrem Zimmer. Es klang seltsam humorlos und ihr lief es kalt den Rücken hinunter. Sie konnte Gefühle lesen, fühlen, schmecken. Ihre Temperatur messen. Seine steckten voller Kontraste, und sie fand sie merkwürdig. Sein Lachen war wie Eis. Es klang volltönend, doch es war flach und scharf und hatte einen sauren Geschmack.

„Das erscheint mir wie ein Kartenspielertrick“, erwiderte er. „Hast du so das Spiel gewonnen?“

„Ja“, sagte sie, ohne zu zögern. „Es wird nicht gern gesehen, aber ich kann nichts dafür, wie mein Gehirn arbeitet. Es ist kein absichtliches Betrügen, ich habe keine Asse im Ärmel.“

„Aber wenn die Männer, die gegen dich verloren haben, davon wüssten …“

Sie blinzelte. „Wie sollten sie es erfahren? Dann müssten sie zugeben, dass ich klüger bin als sie, und wir wissen beide, dass das nicht passieren wird.“

Er musterte sie. „Du meinst, wenn ich dich unterschätze, bin ich selbst schuld?“

Sie nickte. „Richtig. Aber wenn Sie mich unterschätzen wollen, werde ich Sie nicht daran hindern.“ Sie blickte sich in dem riesigen Raum um. Ihr Esszimmer, wohlgemerkt. Der Mann mochte sich hier eingerichtet haben, aber es gehörte ihm nicht. Sie fixierte Acastus mit starrem Blick. „Warum meinen Sie, dass Sie hiermit Ihre Rechnung mit der Familie Argos begleichen können? Ich bin keine Argos.“

„Stimmt, aber darum geht es nicht. Mir geht es um den Titel, das Vermächtnis. Die Familie Argos ist mir egal. Der alte Stavros war narzisstisch genug zu glauben, dass ich mit seiner ehrlosen Familie verbunden sein wollte. Das wollte er mir verwehren, aber ich lasse mir nichts verwehren.“

„Warum hasst er Sie so?“

„Es ist … kompliziert.“

Sie lachte. „Ach, jetzt kommen Sie. Menschen sind nie kompliziert. Macht, Geld oder Sex?“

„Was?“

„Geht es um Macht, Geld oder Sex? Meistens tut es das.“

„Du irrst dich. Ego.“ Er ging nicht weiter darauf ein.

„Erklären Sie mir das.“

„Dafür gibt es keinen Grund. Tatsache ist, es gibt nur diesen Weg. Mein Vater war unfähig. Er war nicht mutig genug, um seiner Familie ein gutes Leben zu verschaffen. Er gab sich damit zufrieden, abzuwarten. Ich werde das nicht tun.“

„Den Teil mit dem schwierigen Vater kann ich nachvollziehen.“

Acastus sah sie forschend an. „Erzähl mir von deinem Vater“, bat er.

„Nicht jetzt.“ Bei der Vorstellung, an ihren Vater und ihre Kindheit auf seinem Gangsteranwesen denken zu müssen, verspürte Maren heftigen Widerwillen. „Ich möchte mehr hierüber sprechen. Was versprechen Sie sich davon, in diese Ein-Personen-Königsfamilie einzuheiraten? Wie gesagt, ich bin keine Argos. Was hat das mit einem Vermächtnis zu tun?“

„Das ist unwichtig. Wichtig ist, was in den Geschichtsbüchern stehen wird.“

„Na toll. Wird auch etwas über Königreiche geschrieben, in denen niemand lebt?“

„Meine Familie hat über Generationen Opfer erbracht und gelitten. Das darf nicht umsonst geschehen sein.“

„Und dafür lohnt es sich, eine Fremde zu heiraten?“ Maren hatte nie groß über die Ehe nachgedacht. Sie hätte nie gedacht, dass sie heiraten würde – und jetzt war es einfach so geschehen. Jessies Hochzeit hatte ihr aber gefallen. Sie war so schön romantisch gewesen.

„Es wird keine typische Ehe“, erklärte er. „Ich will keine echte Ehefrau im eigentlichen Sinne. Wir werden weder im selben Zimmer schlafen noch morgens bei Orangensaft und Toast miteinander plaudern. Ich will in die königliche Familie einheiraten. Ich will alle Vorteile dieser Ehe. Und wir werden ein Kind haben.“

Maren lief rot an. „Wenn wir ein Baby bekommen sollen, würde das doch eine sehr echte …“ Sie blinzelte. „Oh. Wir könnten eine künstliche Befruchtung machen lassen.“

„Nein.“

„Wieso nicht?“

„Maren“, sagte er nachsichtig.

Sie runzelte die Stirn. „Reden Sie nicht mit mir, als wäre ich ein Kind. Ich bin kein Kind. Ich bin nur nicht mit diesem Maß an Eigentümlichkeit vertraut, mit dem ich gerade konfrontiert bin.“

„Du weißt aber sicher, dass nichts umsonst ist?“

„Ja.“

„Aber du dachtest, dass du ein ganzes Schloss umsonst bekämst?“

„Es war nicht umsonst. Ich habe es gewonnen. Offen und ehrlich.“ Das war etwas übertrieben. Sie hatte es gewonnen, weil sie Karten zählen und die Gesichter ihrer Mitspieler lesen konnte. Aber es war nicht ihre Schuld, dass sie das von Natur aus gut beherrschte. Es war ja nicht so, als hätte sie Karten im Ärmel versteckt. Das wäre Schummeln gewesen. Jessie und sie hatten auf gewisse Weise schon geschummelt. Nur eben mit natürlichen Mitteln.

„Offen und ehrlich“, sagte er. „Dann ist es ja gut. Glaubst du, etwas so Großes bekommt man einfach so? Dass dir ein so altes Gebäude einfach geschenkt wird, ohne dass dich die Schatten seiner Vergangenheit treffen? Das ist dumm.“

„Es war dumm, nicht zu ahnen, dass in meinem Schlafzimmer ein Ehemann auf mich warten würde. Doch was spricht gegen künstliche Befruchtung?“

„Du scheinst nicht abgeneigt zu sein, ein Baby zu bekommen.“

„Das bin ich nicht“, antwortete sie. Objektiv betrachtet, war der Mann vor ihr der Inbegriff von Maskulinität. Er war deutlich über eins achtzig, breitschultrig, mit eindrucksvoller Statur und wohl der schönste Mann, denn sie je gesehen hatte. Als Genspender für ein Kind könnte sie eine schlechtere Wahl treffen. Seine Persönlichkeit stand auf einem anderen Blatt. Er wollte keine echte Ehe. In Ordnung, sie wollte auch keinen Orangensaft und Toast mit ihm. Und es gab keinen Grund, warum sie nicht …

„Im Ehevertrag ist ausdrücklich festgelegt, dass das Kind natürlich gezeugt werden muss, um erbberechtigt zu sein.“

„Was?“

„Natürlich.“

Maren verschluckte sich fast. „Wie bitte?“

„Das ist eine alte Vorkehrung, damit kein Kind eingebracht werden konnte, das nicht blutsverwandt war.“

„Das ist hochgradig beleidigend.“

Er zog eine dunkle Braue hoch. „Es mag dich schockieren, aber damals haben die Leute keine Rücksicht auf moderne Befindlichkeiten genommen.“

„Es ist extrem beleidigend für adoptierte …“

Er hielt die Hand hoch. „Das interessiert niemanden. So sind die Vorschriften. Jede unnatürliche Art der Empfängnis würde demnach nicht unter diese Vorgaben fallen.“

„Das erscheint mir sehr mittelalterlich.“

Acastus winkte ab. „Es ist ein Schloss. Natürlich ist es mittelalterlich.“

Allmählich hatte Maren genug. Er war so herablassend. Und was er vorschlug … „Ich kenne Sie nicht einmal.“

„Was hat das damit zu tun?“

Sie sah ihn lange an. Dabei stiegen zwei Gefühle in ihr auf, ein vertrautes und ein verstörend unbekanntes. Acastus war schön. Seine Wirkung war immens, und dieser Schönheit war es auch geschuldet, dass sie sich trotz der ungewöhnlichen Umstände nicht von der Stelle rührte. Das andere Gefühl war von erschreckender Vertrautheit. Es war der Eindruck, einen Mann anzusehen, dessen Empfindungen so tief vergraben lagen, dass sie sie nicht lesen konnte. Ihr Vater war so gewesen. Ein Mann von undurchschaubarer Brutalität, der Entscheidungen ohne jedes Zögern zu treffen schien. Er tat einfach, was ihm recht und billig erschien, ohne eine emotionale Richtschnur zugrunde zu legen.

Genau dieses Gefühl vermittelte Acastus. Unnahbar und weit entfernt. Diese Mischung, zusammen mit seinem hellen Leuchten ängstigte sie. Das und die Tatsache, dass er ihr ungerührt vorschlug, ein Baby zu zeugen. Dabei war Maren noch nicht einmal geküsst worden!

Sie versuchte sich vorzustellen, wie dieses wilde, unlesbare Wesen auf sie zukam, seinen Kopf senkte und ihren Mund eroberte. Sie mochte romantische Geschichten. Sie mochte Romantik. Theoretisch. Lange hatte sie geglaubt, ihre eigenen romantischen Sehnsüchte stillen zu können, indem sie Medien konsumierte, in denen Liebe und Sex dargestellt wurden. Sie hatte eine sehr lebhafte Fantasie. Viele Nächte hatte sie wachgelegen und sich vorgestellt, wie ein Mann mit seinen Händen über ihren Körper strich. Sie küsste. Sie in Besitz nahm. Und, noch wichtiger, sie in den Armen hielt. Sie behandelte, als wäre sie etwas Besonderes. Etwas Wertvolles.

Acastus würde sie nicht auf diese Weise halten. Doch er würde sie berühren. Seine Hände … Sie fragte sich, ob sie erfahren waren. Umwerfend, wie er aussah, waren sie das vermutlich. Er könnte ihr einiges über ihren Körper beibringen, über Lust. Doch wollte sie das? Das Problem mit ihrem Gedächtnis war, dass Bilder und Gefühle nicht verblassten. Alles war stets beunruhigend gegenwärtig. Jene wunderschönen Momente mit ihrer Mutter waren Fluch und Segen zugleich. Deshalb hatte Maren eine strenge Regel festgelegt, nachdem sie und Jessie weggelaufen waren. Vor allem wegen Jessie war sie besorgt gewesen, die eine Wildheit und Schärfe besaß, die Maren nicht in sich hatte. Maren war immer sanft gewesen, zerbrechlicher als ihre Schwester. Es würde sie zerstören, jemanden zu lieben, der ihre Liebe nicht erwiderte. Sie würde stets mehr wollen. Sie würde sich sorgen, dass es nicht genug war. Dass sie nie genug sein konnte.

Aber falls sie mit einem Mann schlief und er ihr größte Lust verschaffte, würde die Erinnerung daran nie verschwinden …

„Wie kann ich sicher sein, dass ich mich nicht in Sie verliebe?“, fragte sie. Er starrte sie an. Vermutlich sollte ihr die Frage peinlich sein, aber das war sie nicht. „Das ist ein ernsthaftes Problem“, erklärte sie. „Wie ich gehört habe, verwechseln vor allem sexuell unerfahrene Menschen oft Sex mit Liebe.“

„Du bist noch Jungfrau?“

„Ja“, erwiderte sie. „Ich hatte ein ungewöhnliches Leben. Ich habe ein sehr ungewöhnliches Gehirn. Ich muss mir Gedanken um Dinge machen, die für andere unproblematisch sind. Eindrücke, die ich einmal gesammelt habe, verschwinden nie wieder aus meinem Gedächtnis. Sie sind immer da, so lebhaft wie im ersten Moment. Warum sollte ich mir einen endlosen Strom sexueller Bilder aufbürden, denen ich nicht entrinnen kann? Manche fänden das vielleicht gut, ich nicht. Ich war immer sehr vorsichtig. Und plötzlich steht ein äußerst gut aussehender Mann vor mir, der glaubt, er könnte einfach auftauchen und Zugang zu meinem Körper verlangen.“

„Verzeih mir. Ich dachte nicht, dass du noch nie …“

„Sie sind von falschen Annahmen ausgegangen.“

„Du hast den Almanach nicht gelesen“, gab er zurück.

Heißer Zorn kochte in Maren hoch. Sie stützte die Hände auf den Tisch und stand abrupt auf. „Ich habe ihn nie bekommen!“, brüllte sie. „Und dass Sie so tun, als wäre ich verantwortungslos, ist unfassbar. Ich habe diese Situation nicht herbeigeführt. Sie wollen den Titel um jeden Preis. Fein, Sie haben ihn. Warum brauchen Sie jetzt überhaupt noch ein Baby?“ Es ärgerte sie, dass sie so wütend geworden war. Es erinnerte sie an schlimme Zeiten im Haus ihres Vaters, an die Streitereien zwischen ihren Eltern, die letztendlich dazu geführt hatten, dass ihre Mutter weggegangen war.

„Es geht um Tradition und Erbfolge. Ich will, dass die Zukunft meiner Familie besser ist als ihre Vergangenheit.“

„Eine philosophische Frage für Sie, eine persönliche für mich. Ich hätte nämlich gern ein Baby. Nur deshalb habe ich Ihnen noch keinen silbernen Kerzenleuchter über den Kopf gezogen!“

„Kerzenleuchter?“

„Haben Sie nicht zugehört? Ich hatte ein sehr ungewöhnliches Leben. Meine Schwester und ich …“ Jetzt musste sie wohl doch von ihrem Vater erzählen. „Mein Vater ist ein Wahnsinniger. Oder war es. Er ist tot. Aber die Erinnerungen sind noch da. Ich sehe alles vor mir, was er je getan hat. Er war eine Art krimineller Warlord. Als meine Schwester und ich wegliefen, weil wir nicht länger seine Werkzeuge sein wollten, mussten wir in ständiger Angst leben. Wir haben versucht, uns um jeden Preis zu schützen. Also ja, wenn ich Sie niederschlagen müsste, täte ich es. Ich höre mir das Ganze hier nur an, weil ich es satthabe, allein zu sein.“

Die Enthüllungen über ihren Vater schienen ihn nicht zu schockieren oder zu verunsichern. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte.

„Du täuschst dich in mir“, sagte er. „Mich interessiert nur, ob wir uns in einer Sackgasse befinden oder nicht. Falls du nicht zustimmst, fechte ich deinen Anspruch auf das Schloss an. Es liegt also ganz bei dir. Was ist dir wichtiger, deine Jungfräulichkeit oder eine Prinzessin zu sein?“

„Eine Prinzessin zu sein, natürlich. Ich wollte nicht für immer Jungfrau bleiben. Ich war nur vorsichtig.“ Die Antwort ging ihr erstaunlich leicht über die Lippen, doch sie ließ ihr Herz schneller schlagen. Genau in diesem Augenblick trat ein Kellner mit der Vorspeise herein, stellte das Essen ab, und verließ das Zimmer wieder.

Acastus sah sie überrascht an. „Pizza?!“

„Ja“, erwiderte sie. „Das wollte ich gern als Vorspeise haben. Ich bin die Prinzessin, ich kann essen, was ich will.“

Als er sich ein Stück vom Teller nahm, wirkte sogar diese Bewegung raubtierhaft. Sie hatte gehofft, dass es ihn irgendwie nahbarer erscheinen lassen würde, wenn er sich auf ein Stück Pizza stürzte. Beinahe menschlich. Leider war das nicht der Fall.

„Du willst lieber ein Kind mit mir, als Jungfrau zu bleiben?“

Sie bemühte sich, nicht daran zu denken. Zwar wusste sie alles über Sex in der Theorie, aber da sie noch nie welchen hatte, waren die Bilder zum Glück nicht so klar wie echte Erlebnisse. „Ja, aber wir müssen ein paar sehr strikte Regeln festlegen.“

„Welche genau?“

Sie biss von ihrer Pizza ab und kaute genüsslich. Der missfällige Ausdruck auf seinem Gesicht amüsierte sie. „Sex nur für Empfängniszwecke.“

„Was heißt das?“

„Wir warten, bis ich am fruchtbarsten bin, und dann können Sie … Ihr Bestes geben.“

Er zog eine Braue hoch. „Mein Bestes.“

„Ja.“ Sie kaute nachdenklich auf ihrer Pizza. „Ich will Sie nicht unter Leistungsdruck setzen. Männer sollen in dieser Hinsicht sehr empfindlich sein.“

Seine Miene wurde ausdruckslos. „Ich werde mein Bestes tun.“

„Mehr kann ich nicht von Ihnen verlangen.“

Wortlos sah er sie an, und sie fragte sich, ob sie tatsächlich kurz davor war, zuzustimmen. Vermutlich hatte sie das bereits. Aber sie hatte sich ein neues Leben gewünscht, und was er ihr anbot, stand dem nicht entgegen. Außerdem bekam sie das, was sie sich verzweifelt wünschte: ein Kind.

„Welche Bedingungen stellst du?“

„Abgesehen von der Empfängnissache? Sie sagten, Sie wollten nicht viel mit dem Kind zu tun haben.“

„Das Kind soll aber wissen, dass es einen Vater hat. Einen Vater, der für es sorgt. Ich bin Milliardär. Wie du sagtest, ist kein besonders großes Vermögen mit dem Palast verknüpft. Doch über mich kannst du auf ein beträchtliches Vermögen zugreifen.“

„Oh“, ihr wurde ganz schwindlig. „Ich kann Ihr Vermögen nutzen?“

„Ja“, erwiderte er. „Du bist meine Frau, und ich sorge für dich.“

„Was noch?“

„Meine Mutter wird gelegentlich hier residieren. Davon hat sie immer geträumt. Dann werde ich auch hier sein. Und sie wird als Teil der königlichen Familie angesehen.“

„In Ordnung.“ Sie hatte nichts dagegen, dass Titel reihum verteilt wurden. Jeder sollte sich daran erfreuen können.

„Doch was das tägliche Beisammensein angeht, daran habe ich kein Interesse.“

Maren nickte. „Wie gesagt, ich will mich nicht in Sie verlieben. Sie wirken nämlich nicht wie ein Mann, der lieben könnte.“ Sie hatte keine Lust auf das Drama, das ein mögliches Zusammenleben mit sich bringen könnte. Allein bei dem Gedanken machte sich Anspannung in ihr breit. Es erinnerte sie zu sehr an ihre Eltern.

Sein Blick wurde hart. „Wie kommst du darauf?“

„Sie sind kalt. Ich kann es spüren. Das ist sehr widersprüchlich, denn in Ihnen gibt es etwas, das einen Funken hat. Es fühlt sich warm an, aber gleichzeitig … Nein. Sie sind nicht die Sorte Mann, an die ich irgendwelche Träume knüpfen möchte.“

„Kluge Entscheidung“, sagte er kühl. „Das solltest du nicht. Ich werde hauptsächlich in Griechenland leben, wo sich meine Firmenzentralen befinden. Ich reise viel. Natürlich werde ich Affären haben. In sexuellen Dingen bin ich recht unersättlich. Und wenn du diesen Hunger nicht stillen möchtest, musst du akzeptieren, dass ich dir zwar mein Geld, meinen Schutz und meine Unterstützung biete, aber nicht meine Treue. Umgekehrt erwarte ich auch keine von dir.“

Das könnte sehr schmerzhaft werden. Maren überlegte. In den nächsten Wochen würde sie ihn in ihr Bett lassen, um ein Baby zu zeugen. Dann wäre er fort. Doch es käme nicht unerwartet. Wenn sie wollte, konnte sie sich Liebhaber nehmen. Sie hatte den Palast und Geld. Sie wäre nicht in einer verzweifelten Lage. Sie wollte weder Verzweiflung noch ein gebrochenes Herz. Aber sie war nicht mehr verzweifelt, und sie liebte diesen Mann nicht. Vielleicht war das hier also der Schritt hin zu dem Leben, das sie wirklich wollte.

Maren wollte ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Wenn sie ein Kind hatte, würde sie … Sie würde das Kind nie verlassen. Acastus war ein Fremder. Und sie sah Kälte in ihm. Doch es war nicht wie bei ihrem Vater. Es steckte keine Grausamkeit dahinter. Er war ein anerkannter Geschäftsmann, kein Krimineller. Er war so sicher wie jeder andere.

„Ich möchte eine unterzeichnete Zusicherung, dass ich das Sorgerecht für unser Kind behalte, was auch passiert.“

„Unbedingt“, erwiderte er. „Das können wir machen. Wie gesagt, mir geht es um das Vermächtnis. Anders als mein Vater werde ich weder schwach noch erfolglos sein.“

„Sie mögen Ihren Vater wirklich nicht.“

„Mein Vater ist tot“, sagte Acastus. „Als er starb, beschloss ich, unser Los zu verbessern. Meine Mutter hat während ihrer gesamten Ehe darauf gewartet, dass er seine Versprechen einlöste. Während er darauf wartete, dass ein anderer Mann ihm Geld gab. Ihm königliche Würde gab. Ich will auch, dass das Versprechen erfüllt wird, aber ich habe nicht abgewartet, um meiner Mutter ein besseres Leben zu verschaffen. Und nun bekommt sie auch noch den Titel, der ihr zugesagt wurde. Sie wird keinen Grund mehr haben zu weinen. Mein Vater gab ihr viele Gründe, zu weinen. Von seiner lebenslangen Erniedrigung bis zu seinem frühen Tod, als das versprochene Glück mit ihm starb.“

„Ja, das kann ich verstehen“, sagte sie leise. „Mein Vater hat meiner Mutter auch viele Gründe gegeben, zu weinen. Vielleicht hatte ich deshalb immer Angst vor Männern. Davor, mich zu verlieben, wenigstens. Meine Mutter verliebte sich ja eindeutig in den falschen Mann.“

„Du bist vorgewarnt. Ich biete keine Liebe an, sondern etwas Besseres: Sicherheit. Alles an Geld, was zum Unterhalt des Schlosses nötig ist. Du kannst eine Prinzessin sein. Und du bekommst dein Kind.“

„Dabei scheint es fast keinen Haken zu geben.“

Er zog einen Mundwinkel hoch. „Überhaupt keinen.“

„Na dann …“

„Dann bleibt nur noch eines. Wir sollten unsere Ehe mit einem Kuss besiegeln.“

Bevor Maren protestieren konnte, war er aufgesprungen und stand vor ihr. Er riss sie auf die Füße und presste sie an das harte Inferno seines Körpers.

In diesem Moment wurde Maren klar, dass sie gar nicht protestieren wollte. Ihr Herz schlug wild. Sie hatte schon vieles erlebt, hatte Männer bei Pokerspielen betrogen. So manches Mal war sie dabei in Gefahr geraten. Schon früher hatten Männer versucht, sie zu küssen, und sie hatte sich immer zu wehren gewusst. Doch das war anders gewesen, ihr Körper hatte nicht zustimmend reagiert. Jetzt tat er es. Sie wollte es. Sie wollte, dass Acastus sie küsste.

Ihr war, als stünde sie am Rand eines Abgrunds, unter dem sich schönes, klares Wasser befand. Ja, es war gefährlich. Doch sie musste nur zulassen, dass ihre Münder sich berührten, und sie würde etwas völlig Neues erleben.

Dann, zwischen zwei Herzschlägen, drückte er seinen Mund auf ihren.

Und Maren wurde in eine neue Welt entführt.

4. KAPITEL

Damit hatte er nicht gerechnet. Wie weich sie war! Ihr Geschmack war so berauschend, dass es ihn überwältigte. Er war Acastus Diakos, und er war es nicht gewohnt, sich überwältigt zu fühlen. Das war ihm nicht mehr passiert, seit er vor vielen, vielen Jahren von Stavros Argos’ Handlangern in den Palastkerker geschleppt worden war. Und sein eigener Vater hatte stumm danebengestanden und den Einschüchterungsversuch einfach geschehen lassen … Dieser Kuss war natürlich etwas völlig anderes, etwas Wundervolles. Aber die Einzigartigkeit dieses Kusses war doch auch erschreckend!

Acastus hatte zahllose Frauen geküsst. Dass Maren eine Fremde war, war nichts Neues für ihn. Ihm gefielen One-Night-Stands. Er kannte seine Gespielinnen oft nicht. Doch Maren war seine Ehefrau, mit der er ein Kind zeugen sollte. Er hatte auch noch nie ohne Kondom mit einer Frau geschlafen, vielleicht war es der Gedanke daran, der ihn so verwirrte. Doch er war kein Mann, der von seinem Verlangen getrieben wurde. Er strebte nach Größerem als kurzfristiger Befriedigung. Er investierte in die Zukunft. Hierbei sollte es um das Kind gehen, um seinen Triumph.

Doch nicht deshalb war er so hart, dass es ihn schmerzte. Nicht deshalb schoss Feuer durch seine Ader. Es hatte nichts mit einem Sieg zu tun, sondern nur mit ihr. Sie klang wie ein kleines Kätzchen, als er ihre Lippen auseinanderschob und seine Zunge über ihre gleiten ließ. Als er ihren weichen Po umfasste und seine Härte an ihr rieb. Es war einfach nur Begehren.

Nur war daran überhaupt nichts einfach. Es war wie ein endloser Quell der Sehnsucht. Des Verlangens. Sie war so weich. Er könnte sich in ihrer Weichheit verlieren …

Sein Leben war hart, schnell, voller scharfer Kanten. Diese Frau lockte ihn zu etwas anderem. Zu mehr. Er hatte sie einfangen wollen, um seinen Sieg zu sichern. Doch nun zog sie ihn in ihren Bann und löste schmerzliches Verlangen in ihm aus, drängte ihn zu mehr. Abrupt löste er sich von ihr. Doch selbst das ließ den Sturm, der in ihm toste, nicht abebben. Ihre Augen waren weit aufgerissen und ihre Wangen gerötet. Ihre Lippen waren rosig und geschwollen. Sie sah aus, als wäre sie reif für eine Verführung.

„Oh“, erklärte sie benommen und schwer atmend.

„Das war … akzeptabel“, sagte er rau.

Sie legte eine Hand in seinen Nacken und sah ihn erstaunt an. Dann fuhr sie mit den Fingern durch sein Haar. Zwischen ihren Brauen bildete sich eine Falte, als sie ihn musterte. Er hätte sich losreißen sollen, doch ihr Interesse faszinierte ihn.

„Weißt du, was das Problem hierbei ist?“, flüsterte sie unsicher. „Ich werde mich immer daran erinnern. Wie du mich in die Arme genommen hast. Wie meine Brüste an dich gedrückt wurden. Wie sich deine Zunge anfühlte. Was soll eine Frau damit anfangen? Zu wissen, dass dieser Moment für alle Zeit in mein Gedächtnis gebrannt sein wird?“

Er bezweifelte nicht, dass sich ihm der Moment ebenfalls eingebrannt hatte. Doch er verweigerte sich dem heftigen Gefühl, das ihn zu ihr hinzog. Dem Gefühl, sterben zu müssen, wenn er sie nicht berührte. „Wir passen zusammen“, sagte er. „Das ist gut.“

„Wirklich?“, fragte sie mit zitternder Stimme. „Aber wenn wir nicht zusammen sein werden, nachdem wir das Baby gezeugt haben … Ist das dann überhaupt wichtig?“

„Ja, weil wir die nächsten Tage im Bett verbringen werden. Oder?“

„Ich schätze ja. Auch wenn wir es auch woanders tun könnten, wenn wir wollen.“

Acastus schüttelte den Kopf. „Wenn es dir ins Gedächtnis gebrannt bleibt, sollte es dann nicht umwerfend sein?“

„Vermutlich“, sagte sie und biss sich auf ihre geschwollene Lippe.

„Möchtest du noch etwas Pizza?“

„Ja“, erwiderte sie rasch und setzte sich. „Ich muss nachsehen, aber ich glaube, ich bin erst in ein paar Tagen fruchtbar. Vielleicht können wir in zwei Tagen … die Ehe vollziehen.“ Sie lächelte. „Das klingt doch königlich. Vollziehen.“ Sie lachte.

Acastus musterte sie. Maren war seltsam. Teils wirkte sie überschwänglich, kindlich. Doch er konnte auch tiefen Schmerz erahnen. Vielleicht waren sie sich ähnlicher, als es zunächst den Anschein hatte.

„Bist du zur Schule gegangen?“, fragte er.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Unsere Ausbildung war sehr unkompliziert, weil wir uns ja alles merken, was wir sehen. Wir lernen schnell. Aber wir waren nie mit Gleichaltrigen zusammen und hatten nie die Chance, Freundschaften zu schließen. In vielerlei Hinsicht waren wir extrem isoliert.“

„Älter und jünger zugleich“, bemerkte er. Zum Teil erinnerte ihn das an seine Kindheit. Er hatte auch keine Freunde gehabt. Er hatte gearbeitet. Er hatte gelernt, auf eigene Wünsche und Bedürfnisse zu verzichten. Sein Vater war beklagenswert, seine Mutter traurig, weil ihr Ehemann sie zur Dienerin gemacht hatte, statt zu einer Prinzessin. Acastus hatte darunter zu leiden gehabt. Ja, er verstand Maren nur zu gut.

„Als wir entkamen“, fuhr sie fort, „waren wir wie Kinder. Wir haben uns mit Süßigkeiten vollgestopft und blieben so lange auf, wie wir wollten. Wir waren frei und haben es ausgenutzt.“

„Und dann habt ihr mit dem Glücksspiel angefangen?“

„So konnten wir am einfachsten mit unseren Talenten Geld verdienen. Als wir von meinem Vater wegliefen, hatten wir nichts. Wir wollten keine echten Betrügerinnen sein. Doch beim Poker ist es, als würden die Leute zustimmen, ausgenommen zu werden. Wenigstens haben wir uns das eingeredet. Jessie war der Kopf, ich das Gewissen. Ich wollte nicht, dass wir zu weit gehen. Ich habe mich immer gefragt, warum manche Männer glauben, dass normale Anstandsregeln nicht für sie gelten. Wieso glaubt jemand, er könne anderen wehtun, um sich selbst zu bereichern?“

„Das frage ich mich auch“, erwiderte er. „Ich schade niemandem. Ich hatte viel zu viel mit Männern zu tun, die anderen geschadet haben.“ Diese Ansicht vertrat er zwar nicht mit flammender Überzeugung, aber er hatte sich bewusst dafür entschieden. Denn er wollte anders sein als sein Vater, dessen Passivität zu viel Leid geführt hatte. Und er wollte anders sein als Stavros Argos, der es über die Maßen genossen hatte, Macht über andere auszuüben. So wollte Acastus niemals sein.

Er hatte immer gewusst, dass der Moment kommen würde, wenn er eine Frau heiraten würde, die er kaum kannte, um einen Erben mit ihr zu zeugen. Doch nun erschien es ihm seltsamer, als er gedacht hatte.

Vielleicht lag es daran, dass er sich zu Maren so stark hingezogen fühlte. So hatte er nie für Elena Argos empfunden. Er kannte sie, seit sie ein Mädchen war, doch sie hatte die gleiche herablassende Art wie ihr Vater, was ihn abstieß. Es gab nichts an der Familie Argos, das er mochte, und das größte Problem dabei, ein Kind mit jemandem aus dieser Familie zu haben, wäre, dass sich ihr Blut mit seinem vermischen würde. In vielerlei Hinsicht hatte Stavros ihm zu etwas Besserem verholfen, obwohl er Acastus sch...

Autor

Tara Pammi
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