Julia Royal Band 33

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PRINZESSIN VALENTINAS SÜSSES GEHEIMNIS von LEANNE BANKS

Monate nach seiner unvergessenen Nacht mit der süßen Tina sieht Zach in einem Magazin ein „Babybauch“-Foto der Prinzessin Valentina von Chantaine. Seine Tina! Erwartet sie sein Kind? Wird sie für ein Leben an seiner Seite dem Palast am Mittelmeer entsagen?

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  • Erscheinungstag 16.11.2024
  • Bandnummer 33
  • ISBN / Artikelnummer 8026240033
  • Seitenanzahl 400

Leseprobe

Leanne Banks

1. KAPITEL

Tina rückte die Maske zurecht, die ihr Gesicht bedeckte, und sah sich gut gelaunt in dem festlich geschmückten Saal um. Das Kostümfest war in vollem Gang, die Gäste tanzten zur mitreißenden Musik der Band. In den nächsten Stunden durfte sie vergessen, wer sie war – die älteste Prinzessin des winzigen Königreichs Chantaine.

Die Einladung ihrer ehemaligen Schulfreundin Keely nach Dallas zur Taufe von deren Tochter war ihr gerade recht gekommen. Länger hätte sie die mitleidigen Blicke nicht ertragen, die die Leute ihr zuwarfen, sobald die Rede auf die Heirat ihrer schönen jüngeren Schwester mit dem berühmten Pariser Regisseur kam. Natürlich freute sie sich für Fredericka, aber die ständigen Fragen, wann sie selbst zu heiraten gedachte, trieben sie fast zur Verzweiflung. Selbst ihr Bruder hatte das bevorstehende Ereignis zum Anlass genommen, ihr eine für das Land günstige Verbindung vorzuschlagen.

All das wollte sie an diesem Abend vergessen. Niemand kannte ihre Identität, außer ihrer Freundin und deren Ehemann, die am anderen Ende des Saals miteinander tanzten und ihr gerade zuwinkten.

Tina erwiderte den Gruß, als ein Fremder sie ansprach.

„Wollen Sie tanzen?“

Überrascht blickte sie auf. „Nein danke. Ich sehe lieber zu.“

„Kann ich Sie mit einem Drink auflockern?“

Verärgert über seine Hartnäckigkeit, betrachtete sie ihn. Der Mann mit dem nach hinten gekämmten Haar war gut zehn Zentimeter kleiner und sprach extrem nasal. Tina, die eine Vorliebe für volltönende tiefe Stimmen hegte, schüttelte den Kopf. „Wirklich nicht. Entschuldigen Sie, ich habe gerade Bekannte entdeckt.“

Sie ging davon und ließ ihn stehen. Unterwegs nahm sie sich vom Tablett eines vorbeieilenden Kellners ein Krabbenküchlein, von einem anderen ein Glas Sekt. Gleich darauf gesellte sich Keely zu ihr. „Wie gefällt es dir? Möchtest du wirklich nicht, dass ich dir ein paar Leute vorstelle?“

„Untersteh dich. Ich finde es herrlich, dass niemand weiß, wer ich bin.“

„Vermutlich ist es schön, einmal nicht die Prinzessin spielen zu müssen.“

„Es ist ja nur vorübergehend“, meinte Tina schuldbewusst. Sie war sich der Annehmlichkeiten durchaus bewusst, die ihre Position mit sich brachte, doch in letzter Zeit drohten ihre Pflichten sie zu erdrücken. „Morgen Nachmittag kehre ich nach Chantaine zurück. Die kurze Zeit mit dir hat mir unendlich viel bedeutet.“

„Kannst du nicht länger bleiben?“

„Leider nein. Die Hochzeit findet bereits in zwei Monaten statt.“

„Wie üblich stellst du deine Wünsche zurück. Warte nur, irgendwann rebellierst auch du.“

Tina lachte. „Bestimmt nicht. Irgendwer muss in Chantaine ja schließlich die Stellung halten.“ Sie wies auf die Tanzfläche. „Verschwende keine Zeit mit mir. Du solltest den Abend mit deinem Mann genießen.“

„Jawohl, Königliche Hoheit.“ Keely verneigte sich zum Scherz. „Aber wenn ein toller Mann dich um einen Tanz bittet, musst du ihn erhören.“

„Mal sehen“, wich Tina aus, die an die Begegnung vor wenigen Augenblicken dachte.

„Versprich es mir!“

„Schon gut. Aber er muss es wert sein“, lenkte sie ein. Die Wahrscheinlichkeit, dass es so war, erschien ihr gering.

„Abgemacht.“

Keely schnappte sich ihren Mann und zog ihn erneut aufs Parkett, während Tina vergnügt das bunte Treiben beobachtete. Es gefiel ihr, einmal nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Amüsiert belauschte sie eine Gruppe, die über Viehzucht diskutierte, und beobachtete ein Paar, das sich gegenseitig liebevoll mit Appetithäppchen fütterte.

Wann hat mich je ein Mann um meiner selbst willen begehrt und nicht, weil ich Prinzessin bin? schoss es ihr beim Anblick der beiden durch den Kopf. Noch nie.

„Kommen Sie tanzen.“ Der Mann von vorhin stand wieder vor ihr.

Seufzend wehrte sie ihn ab. „Wirklich nicht, vielen Dank.“

„Wieso so schüchtern? Wir könnten viel Spaß haben.“ Unvermittelt griff er nach ihrem Arm.

„Nein danke.“ Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, aber er ließ nicht locker. Normalerweise wären ihr längst ihre Bodyguards zu Hilfe geeilt, aber die hatte sie an diesem Abend abgeschüttelt – zum ersten Mal seit ihrer Zeit am College. „Ich möchte wirklich nicht …“

„Verzeihung“, ertönte eine Stimme hinter ihr, tief und ausgesprochen sexy.

Als sie sich umwandte, stand ein hochgewachsener breitschultriger Mann im Smoking vor ihr, einen Cowboyhut auf dem rabenschwarzen Haar. Tiefblaue Augen blitzten unter der schwarzen Maske auf.

„Wenn ich mich nicht irre, hatten Sie diesen Tanz mir versprochen“, behauptete er.

Ihre Blicke kreuzten sich. Zu ihrer großen Überraschung vertraute Tina ihm augenblicklich. „Das ist richtig“, stimmte sie ihm nach kaum merklichem Zögern zu und ergriff die Hand, die er ihr reichte.

„Hoppla, nicht so schnell …“, wandte der Typ mit der seltsamen Stimme ein, doch der Mann in Schwarz führte Tina bereits davon.

„Ich hatte den Eindruck, er belästigt sie“, meinte er, als er die Arme um sie legte und sie zu tanzen begannen. „Oder hätte ich lieber nicht einschreiten sollen?“

„Nein … ich meine, ja.“ Seine Nähe verwirrte sie, die breite Brust, der männliche Duft nach Leder und Seife.

Er schmunzelte. „Ja oder nein?“

„Beides. Er hat mich belästigt, aber ich wäre selbst mit ihm fertig geworden.“

„Das ist jetzt nicht mehr nötig.“

Schweigend tanzten sie, bis die Band eine Pause einlegte.

„Vielleicht bis später.“ Der geheimnisvolle Fremde zog ihre Hand kurz an seine Lippen, dann tauchte er in der Menge unter.

An seiner Stelle gesellte sich Keely zu Tina. „Der Babysitter hat angerufen. Caitlyn hört nicht auf zu weinen. Brent und ich müssen nach Hause.“

„Ich komme mit.“

„Oh nein, amüsier dich noch ein wenig. So rasch bekommst du keine Gelegenheit mehr dazu. Einer unserer Freunde wird sich um dich kümmern.“

„Das muss nicht sein“, wehrte Tina peinlich berührt ab.

„Entweder er, oder wir schicken dir deine Leibwache.“

„Also gut. Vermutlich komme ich ohnehin in einer knappen Stunde nach.“

„Nimm dir Zeit, so viel du willst. Frederickas Hochzeit naht mit Riesenschritten.“

„Du hast mich überzeugt. Geh heim und tröste dein Baby.“ Sie umarmte die Freundin. Gleich darauf war Tina zum ersten Mal in ihrem Leben allein auf einem Ball – von Keelys geheimnisvollem Freund abgesehen.

Zachary Logan, von allen kurz Zach genannt, beobachtete die dunkelhaarige Schönheit, die gerade von einem Kellner ein Glas Sekt entgegennahm. Seine Freunde Keely und Brent McCorkle hatten ihn gebeten, sich um Tina Devereaux zu kümmern. Obwohl er die Minuten zählte, bis er die Party verlassen konnte, hatte er eingewilligt. Er schuldete seinem Freund einen Gefallen.

Allein der sanfte Druck von Freunden und Verwandten hatte ihn zum Besuch des Kostümfests veranlasst. Aus freien Stücken hätte er seine Ranch in der Nähe von Fort Worth nicht verlassen, auf die er sich seit dem Tod seiner Frau Jenny und ihres gemeinsamen Babys vor zwei Jahren zurückgezogen hatte. Der Verlust schmerzte immer noch, dennoch hob die fröhliche Stimmung seine Laune, und Tinas Anblick entlockte ihm tatsächlich ein Lächeln. Mit ihrer fantastischen Figur, den ausgezeichnete Manieren und dem sexy Akzent, den er nicht einzuordnen wusste, zog sie ihn irgendwie an.

Gerade nippte sie an ihrem Glas und leckte sich die Lippen. Ihm wurde ganz heiß. Die Maske verdeckte ihr Gesicht halb und lenkte seinen Blick auf den verführerisch vollen Mund. Unwillkürlich strich er sich mit dem Daumen über seine Lippen. Als sie mit einem Fuß den Takt der Musik mitschlug, fasste er das als Einladung auf. Gemächlich schlenderte er zu ihr hinüber.

„Wie wäre es mit noch einem Tanz?“

„Gerne.“ Rasch stellte sie ihr Glas auf einem Tisch ab und ließ sich aufs Parkett führen.

Sie tanzte mit Begeisterung und lächelte spitzbübisch, als wäre ihr ein Streich gelungen. Ihre gute Laune wirkte ansteckend, und ihre treffenden Bemerkungen über den Ball und die anderen Gäste waren herrlich amüsant. Zach lachte so viel, wie seit Monaten nicht mehr. Nach einer Reihe flotter Tänze stimmte die Band eine langsame Ballade an. Er zog sie in seine Arme.

„Wie heißen Sie eigentlich? Ich bin Tina.“

„Zach Logan.“

„So gut wie heute habe ich mich ewig nicht amüsiert … noch nie“, gestand sie.

Er schmunzelte. „Mir geht es ähnlich. Vielleicht sollten Sie öfter ausgehen?“

„Eigentlich bin ich ziemlich viel unterwegs … Leider muss ich mich gleich von Ihnen verabschieden, ehe um Mitternacht die Masken abgenommen werden.“

„Wieso das? Wollen Sie Ihre Identität geheim halten?“

Sie warf ihm einen vorsichtigen Blick zu. „Etwas in der Art.“ Die Musik endete, und sie trat einen Schritt zurück. „Ich muss gehen. Vielen Dank für den Tanz.“

„Ich bringe Sie nach Hause“, bot er an. Er hatte seinen Freunden versprochen, für ihre Sicherheit zu sorgen. „Eine schöne Frau wie Sie sollte nicht allein unterwegs sein. Bei der Gelegenheit könnte ich Ihnen zeigen, wo es das beste Eis in der Stadt gibt.“

Tina zögerte. „Das geht leider nicht.“

„Wieso? Was ist schon dabei?“

Ein skeptischer Blick traf ihn. „Sie haben mich zwar vor dem seltsamen Typen gerettet, aber ich kenne Sie nicht. Wie könnte ich da zu Ihnen ins Auto steigen?“

„Schade. Dann besorge ich Ihnen wenigstens ein Taxi.“

„Danke.“ Enttäuscht ließ Tina sich von ihm nach draußen begleiten.

Zach wartet, bis das Taxi da war, und hielt ihr den Wagenschlag auf.

Im Einsteigen wandte sie sich zu ihm um. „Ich könnte Sie im Eiscafé treffen, wenn Sie mir die Adresse verraten.“

„Calahan’s Diner an der 54. Straße, Ecke Poplar.“ Er lächelte. „Bis gleich.“

Fünfundvierzig Minuten später saß Tina ohne Maske dem Mann mit den faszinierenden blauen Augen gegenüber. „Ich weiß nicht, wann ich das letzte Eis gegessen habe“, sagte er und vertilgte den letzten Happen.

Aus einem unerfindlichen Grund fand Tina es unglaublich spannend, ihm beim Essen zuzusehen. Sie vermochte den Blick kaum von dem markanten Gesicht und den breiten Schultern zu lösen. Die Fältchen um seine Augenwinkel verliehen ihm ein freundliches Aussehen, und der Eisbecher vor ihm ließ ihn weniger gefährlich erscheinen, als ein Whiskyglas es getan hätte. Wenn ich auf ein Abenteuer aus wäre, wäre er genau der Richtige, ging es ihr unvermittelt durch den Kopf.

„Sie haben mir noch immer nicht verraten, woher Sie kommen“, stellte er gerade fest.

„Ich lebe im Ausland, war aber auf dem College in Rice.“

„Haben Sie Keely dort kennengelernt?“

„Dann war sie es, die Sie gebeten hat, auf mich aufzupassen?“, begriff Tina.

„Ein überaus angenehmer Auftrag.“

„Es ist mir schrecklich peinlich“, entschuldigte sie sich. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich Sie niemals so lange aufgehalten …“

„Nein“, unterbrach er sie. „Es ist mir ernst. Ich freue mich über Ihre Gesellschaft. Ich war selbst lange nicht mehr aus und genieße den Abend ungemein.“ Sein Blick verschleierte sich, augenblicklich spürte sie ein Flattern im Magen. „Ich möchte nicht, dass der Abend schon endet“, fügte er hinzu.

Überrascht schnappte sie nach Luft. Konnte er etwa Gedanken lesen? Leider war es ihr unmöglich, ihrem Verlangen nachzugeben. Sie hatte Verantwortung, Pflichten … „Ich auch nicht. Aber wir sind beide erwachsen und müssen uns dementsprechend verhalten.“ Sie lächelte, um ihren Worten den Stachel zu nehmen.

„Zu schade!“

„Das stimmt.“ Wieso nur konnte sie nicht weniger pflichtbewusst sein und der Stimme ihres Herzens folgen … oder ihrer Hormone?

„Dann rufe ich Ihnen jetzt ein Taxi.“

Kurz darauf saß Tina im Fond des Taxis, unterwegs zu Keelys Haus. Musst du so ritterlich sein? schimpfte sie in Gedanken mit Zach. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, sie mit seinem texanischen Charme einzuwickeln. Stattdessen hatte er ihr die Wahl gelassen. Prompt hatte sie sich dafür entschieden, das moralisch Richtige zu tun. Dabei wäre sie viel lieber wenigstens einmal in ihrem Leben ein „böses Mädchen“ gewesen.

Das Taxi hielt vor einer roten Ampel. Als sie auf Grün umsprang, stotterte der Motor und ging aus. Draußen regnete es in Strömen. Na toll! dachte Tina. Sie hoffte inständig, dass das Problem rasch zu beheben war.

Wieder und wieder versuchte ihr Chauffeur, die Maschine zu starten – vergeblich.

Tina seufzte. Sie hatte keinen Schirm dabei – um solche Kleinigkeiten kümmerte sich für gewöhnlich ihr Personal. Sollte sie ihre Leibwache herbeibeordern? Ihr graute bei dem Gedanke an den bevorstehenden Wirbel. Das Handy schon in der Hand, entschloss sie sich, noch eine Weile abzuwarten.

Ein Geländewagen hielt neben dem Taxi, einen Moment später klopfte es an der beschlagenen Fensterscheibe. Tina erschrak.

„Ich bin es“, hörte sie eine bekannte Stimme.

„Zach!“ Sie öffnete die Tür.

„Brauchen Sie eine Mitfahrgelegenheit?“ Er hielt ihr einen Regenschirm hin.

„Wohin?“

In seinen Augen blitzte es auf. „Das entscheiden Sie. Ich kann Sie zu Keely bringen oder in mein Apartment hier in der Stadt.“

Tina sah ihn aus großen Augen an. Ihr war, als stünde sie am Rand eines Abgrundes. Sollte sie vernünftig und vorsichtig sein wie immer oder dieses eine Mal impulsiv handeln? Beim Blick in seine Augen fühlte sie sich unwiderstehlich zu ihm hingezogen. Man hatte sie gelehrt, ihre Gefühle zu ignorieren, doch Zach faszinierte sie wie kein Mann zuvor.

Anmutig kletterte sie aus dem Taxi und ergriff die Hand, die er ihr reichte. „Zu Ihnen“, hauchte sie kaum hörbar.

Aufgeregt wie noch nie in ihrem Leben, trat Tina in Zachs Apartment. Was tue ich hier nur? fragte sie sich nervös.

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“ Zach warf seinen Stetson auf ein Tischchen im Flur und ging ihr voraus in die Küche. „Die Auswahl ist leider nicht groß. Wenn ich in Dallas bin, arbeite ich fast ausschließlich, ansonsten lebe ich auf meiner Ranch.“

Sie warf einen Blick in den fast leeren Kühlschrank.

„Saft, Wasser, Bier, Chardonnay“, zählte er auf.

„Ein Glas Wein wäre schön. Was machen Sie beruflich, wenn Sie sich nicht als Rancher betätigen?“

Zach holte den Wein und ein Bier für sich aus dem Kühlschrank, öffnete beide Flaschen und schenkte ihr ein. „Mein Bruder und ich besitzen mehrere Firmen, die sich mit Datenverwaltung für mittelständische Unternehmen befassen. Zudem bieten wir Beratung in Sachen Termingeschäfte an. Und was machen Sie?“ Er reichte ihr das Glas.

„Ich bin in Öffentlichkeitsarbeit und internationalen Beziehungen tätig“, erklärte sie vage, in der Hoffnung, er würde keine weiteren Fragen stellen. Sie nippte an ihrem Glas. Als sich ihre Blicke kreuzten, wurde ihr ganz seltsam zumute.

Nachdenklich trank Zach einen großen Schluck Bier. „Hören Sie, wenn ich Sie zu Keely bringen soll …“

„Nein“, wehrte sie hastig ab. „Es sei denn, Sie wollen, dass ich gehe.“

„Nein.“ Seine Stimme klang rau und sinnlich, sie jagte ihr ein Schauer über den Rücken.

Ihren ganzen Mut zusammenraffend, trat sie auf ihn zu. „Ich bin es nicht gewöhnt, den ersten Schritt zu tun“, flüsterte sie.

„Dem lässt sich abhelfen.“ Mit einem Satz war er bei ihr. Sein männlicher Duft nach Seife, Leder und einem Hauch Moschus verwirrte ihr die Sinne.

Zach ergriff ihre Hände und zog sie an die Arbeitsplatte, auf der er sein Bier abstellte, nahm ihr das Weinglas ab, trank einen Schluck daraus und stellte es ebenfalls ab. Er tauchte einen Finger in den Wein und streichelte damit über ihre Lippen. „Lass mich noch einmal davon kosten“, raunte er und senkte den Mund auf ihren. Seine Lippen waren fest und warm. Er begann, mit der Zunge ihren Mund zu erforschen, und sie erschauerte vor Verlangen. Dann zog er sie fest an sich, und als sie den straffen, durchtrainierten Körper spürte, erwachte in ihr heißes Begehren. Er war ein ganzer Mann, kein Junge mehr.

Unwillkürlich erinnerte sie sich an ihre ersten Küsse, die erste ungeschickte Fummelei, den kurzen Schmerz und die Frage, die sie sich hinterher gestellt hatte: Wozu das alles?

Diesmal würde es anders werden, das stand zweifelsfrei fest. Zach wusste genau, was er tat, und sie sehnte sich danach. Von Geburt an hatte man sie zu Verantwortung und Pflichterfüllung erzogen und dazu, ihre Wünsche und persönlichen Bedürfnisse hintanzustellen. Nun ließ sie zum ersten Mal seit Langem, wenn nicht überhaupt zum ersten Mal, ihren Schutzschild sinken. Instinktiv erkannte sie, dass sie Zach vertrauen konnte. Er würde ihr geben, was sie brauchte.

Sie erwiderte seinen Kuss leidenschaftlich, und sofort zog er sie fester an sich. Seine Erregung zu spüren, jagte ihr heiße Schauer über den Rücken. Sie presste sich enger an ihn.

„Bist du dir sicher…?“, stöhnte er.

„Ja.“

In Rekordzeit zog er ihr den Mantel aus und öffnete den Reißverschluss an ihrem Kleid. Es glitt zu Boden. Tina erschauerte, als die kühle Luft ihren Rücken streifte, doch Zach umfasste sie sogleich mit seinen warmen Händen. Begierig streifte sie ihm das Jackett ab, löste die Krawatte und knöpfte ihm das Hemd auf, bis sie endlich seine warme Haut auf ihrer spürte. Sie rieb ihre Brüste gegen seinen Brustkorb. Augenblicklich versteiften sich die zarten Spitzen. Nie zuvor hatte sie einen Mann begehrt wie ihn, niemals hatte sie sich dieses brennende Verlangen gestattet.

Als er den Kopf neigte und eine ihrer Brustwarzen mit den Lippen umfing, stockte ihr der Atem.

„Du bist so sexy. Ich fürchte, lange kann ich nicht mehr warten“, stöhnte er.

„Das musst du nicht.“ Sie fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar.

In einer fließenden Bewegung hob er sie auf seine Arme und trug sie aus der Küche über den Flur in sein Schlafzimmer. Dort legte er sie auf dem Bett ab und zog sich für einen Moment zurück, der ihr wie eine Ewigkeit erschien.

„Ich vertraue mir selbst nicht länger.“ Geschickt öffnete er ein Päckchen und streifte sich ein Kondom über. Dann kehrte er zu ihr zurück, legte sich neben sie, streichelte ihr durchs Haar und umfasste ihr Gesicht. „Ich hätte nie geglaubt, jemals wieder so zu empfinden …“ Kopfschüttelnd verstummte er und ließ ehrfürchtig die Hände über ihren Körper gleiten, über ihre vollen Brüste, den straffen Bauch, bis zu ihren Beinen. „Du bist perfekt – eine Frau durch und durch“, murmelte er mit rauer Stimme.

Wieder küsste er sie, doch das genügte Tina nicht länger. Sie wollte ihn in sich spüren. Mutig schob sie die Hand nach unten und umfasste ihn.

Das war zu viel für ihn. Er drängte sich zwischen ihre Schenkel und drang behutsam in sie ein.

„Du fühlst dich wunderbar an“, stöhnte er, während er sich im Gleichtakt mit ihr bewegte. Seine Leidenschaft brachte Tina dem Höhepunkt so nah wie nie zuvor. Doch im nächsten Moment rief er ihren Namen und ließ sich gleich darauf behutsam auf sie niedersinken.

Sein Gewicht lastete süß auf ihr. Als er allmählich wieder zu Atem kam, empfand sie eine tiefe Befriedigung, obwohl sie selbst nicht den Gipfel der Lust erklommen hatte.

Zach stützte sich auf die Unterarme und sah ihr tief in die Augen. „Du bist nicht gekommen.“

„Das macht nichts. Es ist …“

„Dagegen lässt sich etwas unternehmen.“ Erneut küsste er sie.

Als Tina aufwachte, war es stockdunkel. Der Wecker auf dem Nachttisch zeigte vier Uhr an. Was sie geweckt hatte, wusste sie nicht. War es das ungewohnte Gefühl, neben einem Mann zu schlafen, oder waren es ihre Schuldgefühle?

Was habe ich nur getan? schoss es ihr durch den Kopf. Gewiss suchte ihre Leibwache nach ihr. Sie würde jeden Moment hier auftauchen.

Als die Verlässliche unter den Geschwistern hatte sie niemals einen Skandal verursacht. Kronprinz Stefan war bekannt für gelegentliche Wutanfälle, Fredericka galt als die schöne Wilde, und die jüngeren Geschwister beschäftigten sich ausschließlich mit ihren persönlichen Dramen. Königlichen Verpflichtungen gingen sie geschickt aus dem Weg. Tina dagegen galt als die Vorzeigeprinzessin von Chantaine – wer sonst?

Sie musste Zach verlassen, ehe sie ihn in ihr aufreibendes Leben mit hineinzog. Traurig betrachtete sie ein letztes Mal sein markantes Gesicht, die dunklen Wimpern, das von ihren Händen zerzauste schwarze Haar. In seinen Armen hatte sie sich ganz als Frau gefühlt, zum ersten und womöglich letzten Mal in ihrem Leben.

Vereinzelte Sonnenstrahlen stahlen sich durch die Spalten in den Fensterläden in Zachs Schlafzimmer. Mit geschlossenen Augen genoss er einen Moment lang das köstliche Gefühl tiefer Entspannung, Befriedigung und absoluter Ruhe, ehe die Erinnerung an die vergangene Nacht zurückkehrte: die Frau mit den vollen Lippen, den grünen Augen, dem verheißungsvollen Körper. Von brennendem Verlangen ergriffen, schlug er die Augen auf und sah sich nach ihr um. Ihr Duft schwebte noch in der Luft.

„Tina?“ Er stützte sich auf die Ellbogen. Als keine Antwort kam, fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. Ich hätte sie nicht hierherbringen dürfen, warf er sich vor. Hatte er nicht versprochen, sie heil bei Keely und Brent abzuliefern? Doch sie war unwiderstehlich gewesen und die Nacht mit ihr unvergesslich und wild. Selbst mit seiner Frau hatte er nichts Vergleichbares erlebt.

Jenny, das Baby. Für eine kleine Weile hatte Tina ihn von seiner Trauer abgelenkt.

In diesem Moment spürte er etwas unter seinem Ellbogen: ein Stück Metall. Er griff danach und zog das silberne Armband hervor, das sie am Handgelenk getragen hatte. Der Verschluss war defekt.

Traurig schloss er die Augen. Das herrliche Gefühl von eben verflog bereits wieder und wurde ersetzt durch altbekannten Schmerz und Schuldgefühle.

Zwölf Stunden später wartete Tina im Vorzimmer ihres Bruders darauf zu erfahren, welche Aufgaben sie in den nächsten Tagen übernehmen sollte. Üblicherweise erhielt sie die Information per E-Mail, diesmal hatte er sie zu sich einberufen.

„Seine Königliche Hoheit möchte Sie jetzt sehen.“ Stefans Assistent öffnete ihr die Tür.

Ihr Bruder kam ihr um den großen antiken Schreibtisch herum entgegen und umarmte sie. „Willkommen zu Hause Wieso werden wir jedes Mal mit Pflichten überhäuft, sobald du das Land verlässt?“

„Es sind nicht mehr als sonst, nur springt niemand für mich ein“, erklärte sie schmunzelnd.

„Bridget und Phillipa haben mittlerweile ihre Ausbildung abgeschlossen. Sie sollten einen Teil der Aufgaben übernehmen“, meinte er mit gerunzelter Stirn.

„Viel Glück damit! Die beiden erfinden mehr Ausreden, als es Sandkörner am Senesia-Beach gibt.“ Das war der beliebteste Strand des Inselkönigreichs. „Hast du versucht, sie einzuspannen?“

„Sie ignorieren mich“, stellte er aufgebracht fest. „Sie schalten ihre Handys aus, verlieren E-Mails. Wären sie Angestellte, hätte ich sie längst gefeuert.“

Tina lachte. „Schade, dass du deine Schwestern nicht entlassen kannst.“

„Ich lasse mir etwas einfallen. Du sagst, deine Freunde in Amerika betrachten es als selbstverständlich, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Vielleicht sollte ich einen Verfügungsrahmen für ihre Kreditkarten festlegen.“

„Sprich zuerst mit ihnen darüber, sonst bekommst du nur Ärger.“

„Du solltest sie in ihre Pflichten einweisen. Sie brauchen Training.“

Energisch schüttelte Tina den Kopf. „Kommt nicht infrage. Hol doch meine ehemalige Lehrerin aus dem Ruhestand zurück. Mutter hat mich auch nicht selbst angelernt.“

Wieder runzelte Stefan die Stirn. „So geht es jedenfalls nicht weiter. Du hast alle Hände voll mit Frederickas Hochzeit zu tun, ich bin mit der wirtschaftlichen Entwicklung befasst.“

„Was sagen deine Ratgeber?“

„Sie empfehlen mir zu heiraten, aber mir fehlt die Zeit, mir eine Braut zu suchen.“

„Das können andere für dich erledigen, wie du es mir vorgeschlagen hast“, konnte sie sich einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen. Stefan hatte sie gedrängt, einer arrangierten Ehe mit einem doppelt so alten italienischen Grafen zuzustimmen.

„Du hättest es schlimmer treffen können“, meinte er gelassen. „Aber deswegen wollte ich dich nicht sprechen. Verrat mir lieber, wohin du vergangene Nacht verschwunden bist, für geschlagene acht Stunden. Rolphe sagt, er konnte dich nicht übers Handy erreichen, und deine Gastgeberin hat sich geweigert, ihm deinen Aufenthaltsort zu verraten.“

„Rolphe ist eine Petze.“

„Er macht nur seinen Job. Du weißt, dass du Schutz brauchst und allzeit per Handy erreichbar sein musst.“

„Wie oft war ich das nicht?“

„Es ist zum ersten Mal passiert.“

„Und Fredericka?“

„Willst du dich mit einer Frau vergleichen, die zwei Entziehungskuren hinter sich hat? Wer hätte gedacht, dass sie einmal einen französischen Regisseur heiraten würde?“, wunderte er sich. „Von dir erwarte ich Verlässlichkeit und reifes Betragen. Du weißt um deine Pflichten.“

„Nur zu gut“, murmelte sie leise vor sich hin. Sie fühlte sich mehr denn je wie ein Tier in der Falle. Nervös befühlte sie ihr rechtes Handgelenk. Wo war nur ihr Armband geblieben? Sie würde ihr Gepäck gleich noch einmal danach durchsuchen.

„Wo warst du?“, fragte Stefan erneut.

Zu ihrer eigenen Überraschung schüchterte sein Ton sie weder ein, noch empfand sie Schuldbewusstsein. „Unterwegs.“

Um seine Mundwinkel zuckte es ungeduldig. „Wegen der Hochzeit blickt die ganze Welt auf unser Land und auf Fredericka. Sie steht unter enormem Druck. Ich verlasse mich darauf, dass du sie nach Kräften unterstützt und deine Pflichten aufs Beste erfüllst.“

„Wunder kann ich nicht vollbringen.“

„Du hast sie damals zu den beiden Entziehungskuren überredet. Sie vertraut dir. Sieh zu, dass sie durchhält.“

2. KAPITEL

Ungeduldig lief Zach im Wartezimmer auf und ab. Er hatte seine Haushälterin zu einem dringend erforderlichen Zahnarztbesuch gebracht. Hildie war kein Feigling, mit einer Bratpfanne hatte sie einmal zwei Einbrecher in die Flucht geschlagen. Sogar einen Braunbären, der dem Haus zu nahe kam, hatte sie allein verscheucht. Wehleidigkeit kannte sie nicht. Wenn sie krank war, fuhr sie selbst zum Arzt. Aber wenn es ihre Zähne betraf, sah die Sache anders aus. Sie hatte panische Angst vor dem Zahnarzt. Daher hatte sie den Besuch hinausgezögert, bis es nicht länger ging – und Zach die Zeit erübrigen konnte, sie zu chauffieren.

Er setzte sich und griff gelangweilt nach einer der Illustrierten, die für die Wartenden bereitlagen, hätte sie aber fast wieder beiseitegelegt: Thema der Woche waren Babys. In seinem Magen verkrampfte sich etwas, dennoch riss er sich zusammen und blätterte tapfer durch das Magazin. Es gab eine Story über das illegitime Kind eines Senators, das in einem Iglu in Alaska aufwuchs, über einen Filmstar, der drei Kinder adoptiert hatte, und über eine schwangere ledige Prinzessin.

Bereits im Begriff, das Heft zurückzulegen, fiel sein Blick zufällig auf das Gesicht einer schönen jungen Frau mit grünen Augen und braunem Haar. Es war unverkennbar Tina. Auf dem Foto trug sie einen Hut und ein weites Kleid, daneben war eine Vergrößerung ihres Bauchs abgedruckt.

Mit gerunzelter Stirn las er die Bildunterschrift:

Während der in alle Welt übertragenen Hochzeit ihrer Schwester Fredericka stand Valentina von Chantaine unermüdlich an der Seite der Braut. Doch ist sie wirklich die perfekte Prinzessin, als die wir sie kennen? Hat sie nicht etwas zugenommen – und zwar nur am Bauch? Insider berichten, während der Feierlichkeiten hätte sie unter Übelkeit gelitten. Ist sie schwanger? Wenn ja, wo ist der Vater des Babys – oder hat sie die Dienste einer Samenbank in Anspruch genommen? Warten wir es ab.

Eine Prinzessin? wunderte sich Zach. Ihm fiel ein, dass sie behauptet hatte, in internationalen Beziehungen tätig zu sein. Andererseits, woher sollte Keely eine Prinzessin kennen?

Sein Blick fiel auf den leicht gewölbten Bauch. Von mir ist sie jedenfalls nicht schwanger, dachte er. Er hatte Kondome verwendet, jedes der vielen Male, die sie sich geliebt hatten.

Unvermittelt wanderten seine Gedanken zurück zu jener Nacht voller Leidenschaft.

„Verdammt!“ Vielleicht stammte das Kind doch von ihm.

Das Herz schlug ihm fast bis zum Hals, Panik drohte ihn zu überwältigen. Er fluchte laut vor sich hin. Was hatte er sich nur dabei gedacht?

Nichts – er hatte lediglich gefühlt.

Nachdenklich betrachtete er das Foto, den Babybauch. Entschlossen ballte er die Fäuste. Er würde herausfinden, ob sie schwanger war und ob er als Vater infrage kam.

Diesmal waren die Rollen vertauscht. Fredericka unterstützte ihre ältere Schwester, indem sie Tina ihr neues Zuhause in Paris als Unterschlupf anbot für die Atempause, die diese dringend benötigte.

Tina war gerade noch rechtzeitig nach Paris geflohen, ehe ihr Bruder, aufgescheucht durch die Gerüchteküche, eine Untersuchung durch die königlichen Ärzte anordnen konnte. Vor einem Tag war sie angekommen, bereits jetzt quoll ihr Anrufbeantworter förmlich über. Die E-Mails las sie gar nicht erst.

Sie brauchte dringend Zeit für sich allein. Um ihren Bodyguards zu entkommen, schlich sie sich mit einem dunklen Schal um den Kopf durch den Personalausgang aus dem Haus. Unerkannt gelangte sie in ein kleines Museum nur wenige Straßen weiter, in dessen wunderschöner Gartenanlage sie sich auf eine Bank setzte. Hier wollte sie über ihre Zukunft und die ihres Babys nachdenken. Mit geschlossenen Augen rang sie um innere Ruhe und Gelassenheit. Panik half ihr in dieser Situation nicht weiter.

Im Geist sah sie bereits die Schlagzeilen vor sich: „Unverheiratete Prinzessin schwanger!“

In einem Anflug von Hysterie lachte sie auf. Wer hätte geahnt, dass ausgerechnet sie einen solchen Skandal provozieren würde?

Ich bin nicht bereit für ein Kind, ging es ihr durch den Kopf. Doch ihre Bedenken kamen zu spät. Sie wurde Mutter – obwohl sie ledig war. Nachdenklich strich sie sich mit der Hand über den Bauch.

Bisher hatten Pflichterfüllung und Loyalität ihrem Land gegenüber für sie an erster Stelle gestanden. Nun hatte das Baby Vorrang, auch wenn die Schwangerschaft nicht geplant war.

Nachdem sie sich darüber Klarheit verschafft hatte, fiel ein kleiner Teil der Anspannung von ihr ab. Sie atmete tief durch und begann von dem Leben zu träumen, das sie mit ihrem Kind führen würde:

Sie würden in Frankreich wohnen, in der Nähe ihrer Schwester. Neben der Erziehung ihres Kindes könnte sie sich weiterhin für wohltätige Zwecke einsetzen. Gelegentlich würden sie nach Chantaine reisen, wo ihr Bruder, inzwischen verheiratet, sich ganz auf seine junge Frau konzentrierte und ihre Schwestern ihre derzeitigen Pflichten übernommen hatten. Das ist reines Wunschdenken, machte sie sich bewusst.

In diesem Moment fiel etwas leise klimpernd neben sie auf die Bank. Sie schlug die Augen auf und sah das Armband, das sie verloren geglaubt hatte.

„Hast du das vermisst?“, hörte sie eine tiefe Stimme, die sie seit Monaten in ihren Träumen verfolgte.

Als sie sich umwandte, sah sie direkt in die blauen Augen von Zach Logan. Ihr stockte der Atem.

„Das Baby ist von mir, oder?“

Tina wurde kreidebleich. Zach reichte ihr rasch eine Flasche Mineralwasser. „Trink. Du siehst aus, als hättest du es nötig.“

Als sie ihn nur stumm ansah, legte er ihr die Hand auf die Schulter. „Trink einen Schluck.“

Endlich erwachte sie aus ihrer Erstarrung. „Wie hast du mich gefunden?“

„Mit Hilfe von Keely und einem Privatdetektiv. Außerdem habe ich das Haus deiner Schwester überwachen lassen. Wann hattest du vor, mir von dem Baby zu erzählen?“

Sie blinzelte. „Ich wollte dir nicht …“

„Was?“, rief er aufgebracht.

Erschrocken bat sie ihn: „Sei leise, wir dürfen keine Aufmerksamkeit erregen. Ich bin hier, um über alles nachzudenken.“

„Heißt das, du willst das Kind nicht behalten?“

Sie blickte verwirrt drein. „Meinst du, ob ich es zur Adoption freigebe?“

„Denkst du an einen Abbruch?“

Vor Schreck riss sie die Augen auf. „Kommt nicht infrage.“

Erleichtert atmete er auf. „Warum wolltest du mir dann nichts davon verraten?“

Frustriert seufzte sie. „Dich in die Angelegenheit mit hineinzuziehen, erschien mir unfair. Uns verbindet nicht mehr als ein flüchtiges Abenteuer.“

„Es ist auch mein Kind“, stellte er todernst klar.

„Hier geht es nicht nur um das Baby, sondern auch um mich, meine Familie und die Erwartungen, die an uns gestellt werden. Kaum ein Mann kommt damit zurecht. Du kennst mich nicht, wir sind nicht einmal ineinander verliebt. Wenn du dich auf mich und das Baby einlässt, wird dein Leben auf den Kopf gestellt.“

„Das ist bereits geschehen.“

„Verzeih mir. Vielleicht hätte ich nicht davon ausgehen sollen, dass das Kind für dich nur eine Belastung darstellt.“

„Zwischen Belastung und Verantwortung liegt ein himmelweiter Unterschied.“

„Leider wissen das nur die wenigsten Männer.“

„Dann kennst du die Falschen.“

Sie schmunzelte. „Möglich.“

„Was hast du jetzt vor? Willst du in deinem Land leben?“

„Mein Bruder wird ausrasten. Er hätte so etwas vielleicht von meiner jüngeren Schwester erwartet, aber nicht von mir. Ich wünschte, ich könnte für eine Weile fortgehen, um mir über alles klar zu werden. In Chantaine ist das schwierig, wenn nicht gar unmöglich.“

„Ich kenne den perfekten Ort zum Nachdenken: meine Ranch.“

Verblüfft sah sie ihn an.

„Mit einem Palast lässt sie sich nicht vergleichen“, fuhr er fort. „Aber dort könntest du in aller Ruhe Pläne schmieden. Obendrein hättest du Gelegenheit, den Vater deines Kindes besser kennenzulernen. Was meinst du?“

„Das kommt überraschend. So schnell kann ich das nicht entscheiden.“

„Was spricht dagegen? Du bist volljährig, besitzt einen Pass. Du kannst tun, was du für das Beste hältst.“

In diesem Moment drängten sich etliche Männer mit Kameras und Mikrofonen in den Garten. „Prinzessin Valentina, sind Sie wirklich schwanger?“

„Oh nein“, stöhnte sie.

Zach stellte sich schützend vor sie. „Lassen Sie sie in Ruhe“, befahl er den Journalisten.

„Wer sind Sie?“, fragte ein Reporter. „Ihr Liebhaber? Der Vater des Kindes?“ Die Kameras klickten, die Meute kam immer näher.

„Lassen Sie uns allein. Verschwinden Sie.“

„Sind Sie Amerikaner? Wie heißen Sie?“

„Das geht Sie nichts an. Fort mit Ihnen, Sie belästigen Tina.“

Der Mann drängte sich an Zach vorbei. „Wer ist er, Prinzessin? Werden Sie ihn heiraten?“

„Ich warne Sie zum letzten Mal. Hauen Sie ab“, knurrte Zach.

Als der Reporter ihn ignorierte, stieß er ihn beiseite, hob Tina auf die Arme und eilte mit ihr aus dem Garten.

„Wohin bringst du mich?“, fragte Tina, als Zach sie durch das kleine Museum zu einem Mietwagen trug, der vor dem Gebäude geparkt war.

„Was wäre dir am liebsten?“ Er setzte sie auf dem Beifahrersitz ab, nahm hinter dem Steuer Platz und fuhr los. „Zum Haus deiner Schwester?“

„Bloß nicht. Mein Leibwächter wird mich bei meinem Bruder anschwärzen. Dann müsste ich nach Chantaine zurückkehren.“

„Sollen wir in mein Hotel fahren?“

„Dort werden mich die Paparazzi schnell aufspüren.“

Er zuckte mit den Schultern. „Wie wäre es mit meiner Ranch?“

„Wir müssten erst Flüge buchen.“

„Ich kann innerhalb einer Stunde einen Jet organisieren.“

Überrascht sah sie ihn an. „Das ist doch wahnsinnig teuer.“

„Er steht mir ohnehin zur Verfügung. Wenn du dir sicher bist …?“

Ein Schauer jagte ihr über den Rücken. Ihr Bruder würde durchdrehen, ihre Schwestern würden sie verfluchen, weil sie von nun an allein mit Stefan zurechtkommen mussten. Sie biss sich auf die Lippen und traf ihre Entscheidung. „Lass uns fliegen.“

Tina erwachte, als das Flugzeug auf der Landebahn aufsetzte. Neugierig blickte sie aus dem Fenster, ehe ihr Blick auf Zach fiel, der ebenfalls aus dem Fenster sah, die Beine lang von sich gestreckt, das Haar zerrauft.

Beklommen fragte sie sich, wieso sie eingewilligt hatte, ihn auf seine Ranch zu begleiten. Sie kannte ihn kaum. Andererseits hatte sie keine Alternative gesehen.

„Wir sind da.“ Er wandte sich zu ihr um. „Die Fahrt zur Ranch dauert eineinhalb Stunden. Soll ich lieber einen Hubschrauberflug organisieren?“

„Das ist nicht nötig.“

„Bist du sicher?“ Unter seinem besorgten Blick beschleunigte sich ihr Pulsschlag. Rasch raffte sie ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und verließ hinter ihm den Jet.

Zwei bewaffnete Polizeibeamte traten ihnen entgegen. „Mr. Logan, Ihnen wird die Entführung von Valentina Devereaux zur Last gelegt.“

„Wie bitte?“

Tina beschloss, die Prinzessin herauszukehren. „Hier liegt offensichtlich ein Missverständnis vor, Officer. Mr. Logan hat mir freundlicherweise einen Platz in seinem Jet angeboten.“

Die Uniformierten tauschten nervöse Blicke. „Seine Königliche Hoheit Stefan Devereaux behauptet, Sie wären gegen Ihren Willen an Bord.“

„Er irrt sich.“

„Einen Augenblick, bitte.“ Die Männer tuschelten miteinander, ehe sie sich ihr wieder zuwandten. Der eine von beiden reichte ihr sein Handy. „Würden Sie das bitte Seiner Königlichen Hoheit persönlich erklären? Wir möchten diplomatische Verwicklungen vermeiden.“

„Das ist nicht nötig. Ich bin volljährig …“

„Ruf ihn an, sonst halten sie uns die ganze Nacht fest“, unterbrach Zach sie.

Seufzend gab sie nach, nahm das Handy und wählte die Nummer ihres Bruders.

Schon nach dem zweiten Klingeln nahm er ab. „Was, zum Teufel, hast du getan?“, schimpfte er sofort los.

„Ich habe dir und Rolphe doch per SMS mitgeteilt, dass ich nach Texas fliege.“

„Die Paparazzi behaupten, ein Verrückter hätte dich aus dem Museum geschleppt.“

„Er hat mich lediglich beschützt.“

„Wer ist dieser Zachary Logan überhaupt?“

Sie zögerte. „Der Vater meines Babys.“

Für einen Moment herrschte Totenstille. „Dann ist es also wahr! Wie konntest du nur?“ Abgrundtiefe Enttäuschung schwang in seiner Stimme mit.

Sie presste die Lippen aufeinander. „Auf die übliche Art und Weise.“

Stefan fluchte ausgiebig, bis sie es nicht länger ertrug. „Ich stelle auf laut, damit du den Polizeibeamten erklären kannst, dass sie Zach freilassen können.“

Abrupt verstummte er.

„Du stimmst mir also zu, dass alles nur ein Missverständnis war. Ich bin nicht gekidnappt worden.“

„Ja.“

„Würdest du der guten Ordnung halber den Herren deinen vollen Namen nennen?“

„Stefan Edward Henri Jacques der Fünfte.“

„Vielen Dank.“ Sie legte auf, um gleich darauf mit Zach das Flughafengebäude zu verlassen.

„Dein Bruder scheint eine schreckliche Glucke zu sein“, meinte er.

„Er hat Angst mich zu verlieren – aus reinem Eigennutz. Meine Schwestern unterstützen ihn in keiner Weise. Bitte entschuldige die Beinaheverhaftung.“

„Vermutlich stehen mir mit dir weitere Überraschung bevor.“

Sie lächelte gequält. „Ich habe dich gewarnt.“

„Das hast du.“

Er führte sie zu demselben Geländewagen, in dem er sie einst zu seinem Apartment gefahren hatte. Beim Einsteigen kehrten die Erinnerungen wieder, gleichzeitig fühlte Tina sich so sicher wie seit Monaten nicht. Erleichtert schloss sie die Augen.

„Ich habe ja gar nichts zum Anziehen dabei …“, fiel es ihr siedend heiß ein.

„Kein Problem. Diese Nacht leihe ich dir eins meiner T-Shirts, morgen kannst du einkaufen gehen.“

„Dein T-Shirt?“ Das klang ungemein verlockend.

„Wenn Ihre Königliche Hoheit nicht auf Seide bestehen …“

„Für eine Nacht kann ich darauf verzichten.“

Zach lachte. „Stimmt: Eine Nacht lang hattest du keinen Fetzen Stoff am Leib.“

„Dass du dich daran erinnerst“, staunte Tina. „Es war nur eine Nacht …“

Er sah sie an. „Ich kann mich an alles erinnern, an jedes winzige Detail.“

Wie angekündigt bog Zach neunzig Minuten später in eine lange, von struppigem Gebüsch gesäumte Auffahrt ein.

„Sind wir da?“ Tina hielt Ausschau nach seinem Zuhause. Sie rechnete mit einem Blockhaus oder Ähnlichem. Allmählich wichen die Sträucher gepflegtem Rasen und Bäumen. „Hast du die Ranch gekauft, oder befindet sie sich schon länger in Familienbesitz?“

„Sie gehört uns seit Generationen. Ein Teil des Personals lebt im alten Wohnhaus, ich habe vor sechs Jahren ein neues gebaut.“

Gleich darauf tauchte zwischen hohen Bäumen und Blumenbeeten eine große weiße Villa mit umlaufender Veranda auf. „Wie schön!“, rief Tina entzückt.

„Was hattest du erwartet?“

„Ich weiß nicht. Unter einer Ranch stellt jeder sich etwas anderes vor.“

„Hast du dir eine schlichte Hütte gewünscht? Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht“, scherzte er.

„Überhaupt nicht.“ Insgeheim freute sie sich auf eine heiße Dusche.

„Wie ich Hildie kenne, steht schon eine leckere Mahlzeit auf dem Tisch.“

„Wer ist sie?“

„Meine Köchin und Haushälterin. Sie hat schon für meine Eltern gearbeitet.“

„In Chantaine gibt es auch etliche langjährige Angestellte.“

„Ich fürchte, hier ist vieles ziemlich anders, als du es kennst.“

Zach parkte den Wagen vor dem Haus, stieg aus und half Tina heraus, dann führte er sie nach drinnen. Die in warmen Terrakottatönen gehaltene Halle erstreckte sich über zwei Etagen und lief in einer großzügigen Flügeltreppe aus. Von der Decke hing ein riesiger Leuchter aus Kupfer und Kristall. Alles wirkte freundlich und einladend. Unvermittelt entspannte sich Tina. Sie atmete tief durch – und roch köstlichen Essensduft.

„Bist du das, Zach?“, hörte sie eine Stimme. Eine kräftige Frau mit grauem Haar und strenger Miene eilte ins Foyer. „Das Telefon läuft heiß. Ein gewisser Rolphe behauptet, du hättest jemanden entführt. Als er frech wurde, habe ich aufgehängt.“

Tina wand sich innerlich.

„Das ist bereits geklärt.“ Zach zwinkerte Tina zu. „Hildie, das ist Valentina Devereaux.“ Er räusperte sich. „Prinzessin Valentina Devereaux.“

Mit großen Augen sah Hildie sie an. „Prinzessin? Du hast eine Prinzessin gekidnappt?“ Neugierig sah sie Tina an. „Es ist ewig her, seit du eine Verabredung hattest …“

„Hildie“, unterbrach Zach sie rasch. „Tina erwartet mein Baby.“

Vor Überraschung blieb ihr der Mund offen stehen. „Wann ist das denn passiert?“

Tina errötete. „Es war nicht geplant, Miss …?“

„Nur Hildie. Wie darf ich Sie anreden? Eure Majestät? Hoheit?“

„Nennen Sie mich einfach Tina.“

Hildie warf Zach einen Blick zu, der Bände sprach. „Du hättest mir ankündigen müssen, dass dein Gast Prinzessin ist. Bestimmt mag sie keinen Schmorbraten.“

„Er schmeckt bestimmt köstlich“, warf Tina rasch ein. „Ich möchte Ihnen nicht zur Last fallen. Alles, was ich brauche, ist Ruhe.“

„Die gibt es hier reichlich. Folgen Sie mir bitte, das Essen ist fertig.“ Hildie ging ihnen voran in die Küche, wo der Tisch liebevoll gedeckt war.

Zach beobachtete zufrieden, wie Tina eine angemessene Portion Fleisch und Vollkornbrot verspeiste. Ihm dagegen hatte es den Appetit verschlagen. Die Ranch war sein Rückzugsort. Seit dem Tod seiner Frau hatte er keine Frau mehr hierhergebracht.

Hildie füllte die Wassergläser nach. „Wann findet die Hochzeit statt?“

„Oh nein.“ Tina verschluckte sich und hustete. „Zach und ich kennen uns kaum.“

„Offenbar gut genug, um …“

„Hildie“, unterbrach Zach sie. „Wir sind eben erst angekommen. Lass Tina Zeit, sich einzugewöhnen.“

„Ich versteh das nicht“, brummte sie leise.

Als sie kurz darauf den Raum verließ, fragte Tina: „Ist sie immer so starrsinnig?“

„Sie redet Klartext. Keine Sorge, sie gewöhnt sich schon noch an dich. Wenn sie zu aufdringlich wird, sag ihr, sie soll dich in Ruhe lassen.“

„Ich fürchte, das wage ich nicht.“

„Stell dir einfach vor, sie wäre dein Bruder.“

Als sie lächelte, spürte Zach zu seiner Überraschung ein seltsames Ziehen in seinem Magen. „Bist du fertig? Dann zeige ich dir jetzt das Haus.“

Stolz führte er sie durch das Gebäude, das er selbst entworfen hatte, durch die schönen Wohnräume und durch sein Büro. Tina blieb vor den Familienfotos im Treppenhaus stehen.

„Sind das deine Eltern?“, fragte sie. „Und diese Kinder? Ich glaube, du hast einmal einen Bruder erwähnt.“

„Ja, das sind mein Bruder und meine Schwester.“ Nach Jennys Tod hatte er die Beziehung zu seinen Geschwistern nahezu abgebrochen. Er hatte sie aus seinem Leben ausgeschlossen, wie alle anderen auch.

„Hier ist dein Zimmer.“ Seine verstorbene Frau hatte das größte Gästezimmer in freundlichen Grün- und Blautönen eingerichtet. Es wirkte wie ein sicherer Hafen, dennoch wurde ihm schwer ums Herz, wann immer er es betrat.

„Was für herrliche Farben“, lobte Tina.

„Im Bad nebenan findest du Handtücher. T-Shirts bringe ich dir gleich. Die Fernbedienung für den Fernsehapparat liegt auf dem Nachttisch. Brauchst du noch etwas?“

„Eine Zahnbürste und Zahnpasta.“

„Ich gebe Hildie Bescheid. Und sonst?“ Sie wirkte ängstlich und verloren, daher gab er einem Impuls nach und streichelte ihr tröstend über den Arm. „Du bist in Sicherheit, dafür sorge ich.“

Tina atmete durch. „Danke. Es tut mir leid, wenn ich dir zur Last falle.“

„Davon kann keine Rede sein. Du bist die Mutter meines Kindes. Bisher hast du dich um andere gekümmert. Es ist Zeit, dass sich jemand deiner annimmt.“

Erstaunt sah sie ihn an. „Ich habe jede Menge Assistenten und Ärzte. Auf mich allein gestellt war ich noch nie.“

„Deine Familie achtet nicht auf deine Bedürfnisse. Von jetzt an kümmere ich mich darum.“

„Und die Paparazzi?“

„Ich lasse sämtliche Tore schließen. Außerdem ist da noch Hildie. Sie hat bereits einen Braunbären in die Flucht geschlagen.“

Tina lachte. „Das kann ich mir vorstellen.“

„Ich übertreibe nicht. Sie hat vor nichts Angst, außer vorm Zahnarzt. Als ich sie kürzlich zur Behandlung dorthin gebracht habe, habe ich in einem Magazin im Wartezimmer dein Foto entdeckt.“

„Der Artikel, in dem sie über meinen Bauch berichtet haben. Ich habe einen Tipp erhalten, dass er erscheint, und konnte Chantaine gerade noch rechtzeitig verlassen. Bevor ich mich mit der Presse auseinandersetze, muss ich mir erst einmal über mein Vorgehen klar werden.“

„Frankreich war offenbar nicht weit genug.“

„Die Presse spürt mich überall auf. Du weißt nicht, worauf du dich eingelassen hast.“

„Ich habe schon Schlimmeres durchgemacht.“ Er dachte an seine eigene Tragödie.

„Mit den Medien?“

„Mit dem Leben. Mach dir keine Sorgen. Die Reporter sind unser geringstes Problem. Ruh dich jetzt aus und gib Hildie oder mir Bescheid, wenn du etwas brauchst. Morgen bringt sie dich in die Stadt, dort kannst du alles Nötige einkaufen.“

Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen, widerstand der Versuchung aber. Sie war nicht dieselbe wie vor wenigen Monaten. Damals hatten sie, zwei anonyme Fremde, eine Nacht miteinander verbracht. Jetzt war alles anders, doch in gewisser Weise waren sie sich fremder als zuvor.

„Vielen Dank, dass du mich hierher gebracht hast.“

Zach streichelte ihr übers Haar. „Du schuldest mir keinen Dank. Ich freue mich, dass du da bist. Gute Nacht.“

3. KAPITEL

Als Tina am nächsten Morgen erwachte, drang Sonnenlicht durch die geschlossenen Vorhänge, und sie hörte etwas vibrieren. Verwirrt sah sie sich in der ihr unvertrauten Umgebung um. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte halb elf.

Sie hatte zwölf Stunden geschlafen – und damit das Klischee der verwöhnten Prinzessin bestätigt. Wieder ertönte das Geräusch, es stammte von ihrem Handy. Wo war das dumme Ding nur?

Sie stand auf und entdeckte es unter den Kleidern vom Vortag. Rasch überprüfte sie die Liste der verpassten Anrufe: Ihr Bruder, ihre Schwester in Paris, ihre nächstjüngere Schwester, ihr Assistent, ihr Bruder, ihr Bruder, ihre Schwester in Paris.

Seufzend überlegte sie sich eine Strategie für jedes Gespräch und rief zuerst Stefan an.

„Wie lange wirst du fortbleiben?“, fragte er anstelle einer Begrüßung.

„Das weiß ich noch nicht. Ich muss mir über einiges klar werden.“

„Wie sollen wir ohne dich zurechtkommen? Dein Mangel an Rücksichtnahme schockiert mich.“

„Betrachte ihn als späte Rebellion. Ich melde mich, sobald ich Genaueres weiß.“

„Was soll ich den Medien sagen?“

„Lass das deine Presseabteilung regeln.“

„Und deine Termine?“

„Sag sie entweder ab oder bitte meine Schwestern, mich zu vertreten. Gib acht auf dich.“ Damit legte sie auf.

Anschließend versicherte sie Fredericka in Paris, dass sie nicht entführt worden war.

Ihre jüngere Schwester Bridget befürchtete, dass sie die Freiheiten einbüßen müsste, die sie bislang genossen hatte. Tina beruhigte sie: „Du kommst schon klar. Ich liebe dich.“

Sie schaltete das Handy aus, Tränen in den Augen. Vergeblich versuchte sie, sie zurückzuhalten, doch das Wissen, ihre Familie schwer enttäuscht zu haben, lastete schwer auf ihr.

Als es an der Tür klopfte, wischte sie sich hastig mit der Hand über die feuchten Wangen.

„Ich bringe das Frühstück“, rief Hildie und öffnete im selben Moment die Tür. Tina blinzelte überrascht. Sie war es nicht gewöhnt, dass jemand ihre Räume ohne Aufforderung betrat.

„Sonst serviere ich das Frühstück nie am Bett. Zach steht immer im Morgengrauen auf.“ Schwungvoll stellte die Haushälterin das Tablett auf einem Tisch ab. „Aber Sie benötigen erst einmal Ruhe: Die Schwangerschaft, der Jetlag … Pro Zeitzone, die man überschreitet, dauert die Umstellung einen Tag, heißt es. Somit bleiben Ihnen noch einige Tage. Zach sagt, Sie hätten in letzter Zeit geschuftet wie ein Muli in der Erntesaison. Dabei braucht eine werdende Mutter viel Ruhe. Ich hoffe, dass das Frühstück Ihnen schmecken wird. Es gibt Rührei, Speck, Pfannkuchen, Müsli, Obst und Toast.“

Erst jetzt bemerkte sie das Handy und Tinas verweintes Gesicht. „Haben Sie Probleme?“

„Ich habe nur mit meinen Geschwistern telefoniert.“

„Die sollen Sie bloß nicht aufregen! Das lässt Zach nicht zu.“

„Wie bitte?“ Der Gedanke, Zach könnte ihre Familie beeinflussen oder gar kontrollieren, erschien Tina geradezu absurd. „Sie lassen sich von niemandem etwas sagen.“

„Dasselbe gilt für Zach. Aber das wissen Sie ohnehin. Immerhin hat er sie in null Komma nichts aus Frankreich hierher geschafft. Nun essen Sie erst einmal. Anschließend fahren wir in die Stadt.“

Eine halbe Stunde später saß Tina mit noch feuchtem Haar neben Hildie in einem schwarzen Pick-up und hielt sich krampfhaft am Sitz fest, während sie über die Straßen dahinschossen. „Haben wir es eilig?“, erkundigte sie sich nervös.

„Ich verschwende ungern meine Zeit.“

„Wie weit ist es noch?“

„Wir sind im Handumdrehen da“, versprach Hildie lächelnd, ehe sie begann, ihr die Umgebung zu erklären und von ihrer Nichte Eve zu erzählen, die ihr ganzer Stolz war.

Wenig später parkte sie das Auto vor einem Kaufhaus. „Hier gibt es auch eine Abteilung für Umstandsmoden“, erklärte sie.

Tina betrat eine für sie neue Welt. Kleidung war ihr zur Auswahl im Palast vorgelegt worden, sämtliche sonstigen Besorgungen hatte das Personal für sie erledigt.

„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll“, raunte sie ihrer Begleiterin überwältigt ins Ohr.

„Ich schlage vor, wir beginnen mit dem Wesentlichen: der Unterwäsche.“

Nachdem Tina einige Stücke ausgewählt hatte, meinte sie: „Jetzt würde ich mir gern Röcke und Oberteile ansehen.“

„Die Umstandsmodenabteilung liegt …“

„So weit bin ich noch nicht. Es genügt, wenn ich die Kleider eine Nummer größer als bisher kaufe.“

„Wie Sie meinen.“

„Ich bin noch nicht so rund“, erklärte Tina. „Es muss nicht jeder sofort wissen, dass …“

„Wenn sogar Zach Ihren Babybauch bemerkt, sieht ihn jeder“, stellte Hildie trocken fest.

„Trotzdem. Ich brauche noch etwas Luft.“

„Das verstehe ich. Kommen Sie, wir suchen Ihnen ein, zwei hübsche Röcke aus.“

Als sie das Geschäft wenig später verließen, hatten sie außerdem ein Kleid und alle nötigen Kosmetika erstanden.

„Lange werden Sie die Schwangerschaft nicht verbergen können“, meinte Hildie.

„Ich versuche, noch etwas Zeit herauszuschinden. Optimal ist meine Situation ja nicht gerade“, gab Tina zu.

„Schämen Sie sich wegen Zach?“

Erstaunt sah sie Hildie an. „Natürlich nicht. Mit ist peinlich, dass ich nicht verantwortungsbewusster gehandelt habe. Ich bin schließlich kein Teenager mehr.“

„Zach sagt, dass Sie schon in jungen Jahren die Lasten einer Erwachsenen zu tragen hatten. Die üblichen Dummheiten waren Ihnen nicht gestattet.“

„Das ist keine Entschuldigung …“

„Verzeihen Sie, Hoheit. Niemand ist perfekt, nicht einmal eine Prinzessin. Seien Sie froh, dass Sie an Zach geraten sind. Er ist ein guter Mann. Es ist ohnehin Zeit, dass er …“ Seufzend brach sie ab.

„Was?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Es steht mir nicht an, darüber zu sprechen.“

Dass Hildie, die sonst kein Blatt vor den Mund nahm, zu einem Thema schwieg, erstaunte Tina. Sie warf ihr einen neugierigen Blick zu. Was mochte sie wohl über Zach wissen? War es ein Fehler gewesen, ihn zu begleiten?

Zwei Tage lang sah sie nichts von Zach. Einerseits genoss sie die himmlische Ruhe, andererseits bedauerte sie, dass sie auf diese Weise den Vater ihres Kindes nicht besser kennenlernte – was einer der Gründe für ihren Aufenthalt auf der Ranch war.

Gut ausgeruht schlüpfte sie eines Morgens in Turnschuhe, eine weite Jeans und eine Bluse, die ihre Schwester ihr aus Paris nachgeschickt hatte, und verließ das Haus für einen Spaziergang. Um halb zehn morgens war die Luft bereits heiß und schwül. Gemächlich schlenderte Tina die Auffahrt entlang, bis zu einer Scheune kam, hinter der Pferde auf einer Koppel grasten. Als Kind hatte sie es geliebt zu reiten, später aber kaum Zeit dazu gefunden.

Sie betrat den Stall und spähte interessiert in die Boxen, in denen sich zwei Schecken, ein wunderschöner Falbe und ein rabenschwarzer Wallach befanden. Durch den Hinterausgang kam sie zu einer Koppel, auf der eine große schlanke Frau mit dunklem Haar beruhigend auf einen Junghengst einsprach.

Neugierig blieb sie stehen, um die beiden zu beobachten.

Die junge Frau drehte sich zu ihr herum. „Sie können leider nicht ausreiten, solange ich hier mit Samson arbeite.“

„Das wollte ich auch nicht. Entschuldigen Sie, wenn ich ungebeten hier eindringe.“

„Kein Problem. Sie können uns gern zusehen. Zachs Fohlen ist ein wenig störrisch. Ich versuche, ihm Manieren beizubringen.“

Fasziniert beobachtete Tina, wie die Frau das Pferd umherführte und zwischendurch immer wieder stehen blieb. Dann legte sie ihm unter gutem Zureden einen Sattel auf den Rücken. Der Hengst bockte zunächst ein wenig, ließ sich dann aber wieder lammfromm herumführen. Zum Lohn erhielt er einen Apfel und ein ausgiebiges Lob, ehe die Frau ihn zurück in den Stall brachte und ihn mit Hafer und Wasser versorgte. Als sie fertig war, ging sie auf Tina zu und schüttelte ihr die Hand. „Ich bin Eve, Hildies Nichte.“

„Tina. Hildie hat mir schon viel von Ihnen erzählt. Sie ist unglaublich stolz auf Sie.“

„Ich fürchte, manchmal übertreibt sie.“

„Sie spricht aus, was sie denkt.“

Eve lachte. „Das kann man wohl sagen! Woher kennen Sie Zac...

Autor

Scarlet Wilson
<p>Scarlet Wilson hat sich mit dem Schreiben einen Kindheitstraum erfüllt, ihre erste Geschichte schrieb sie, als sie acht Jahre alt war. Ihre Familie erinnert sich noch immer gerne an diese erste Erzählung, die sich um die Hauptfigur Shirley, ein magisches Portemonnaie und eine Mäusearmee drehte – der Name jeder Maus...
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Victoria Parkers erste Liebe war ein heldenhafter Fuchs namens Robin Hood aus dem gleichnamigen Disney Klassiker. Mit der Zeit wurde er durch den charmanten Mr Darcy, schließlich Lady Chatterley‘s rauen Liebhaber und letzten Endes eine ganze Reihe weiterer Romanhelden abgelöst. Obwohl sie wegen ihrer Untreue ein schlechtes Gewissen hatte, setzte...
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