Königliche Küsse in der Stadt der Liebe

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„Sie können mich jetzt loslassen.“ Himmel, warum klingt sie so atemlos? Es muss an dem sexy Mann liegen, der Madeline festhält. Weil er irrtümlich glaubte, dass sie vom Dach des Hotels springen will! Dabei hat die junge Architektin nur von hier aus fasziniert beobachtet, wie der Eiffelturm langsam erleuchtet wird. Und nun küsst ihr vermeintlicher Retter sie auch noch heiß! Erst am nächsten Tag erfährt Madeline schockiert: Er ist der Auftraggeber für das wichtigste Bauprojekt ihrer Karriere, Prinz Nicholai aus dem Königreich Kelna.


  • Erscheinungstag 24.12.2024
  • Bandnummer 262024
  • ISBN / Artikelnummer 0800240026
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

Prinz Nicholai Adamović lehnte am Rahmen der Terrassentür, als an der Eisenkonstruktion des Eiffelturms Tausende glitzernde Lichter aufleuchteten. Ein Spektakel, das die Scharen von Touristen gewiss blendete, die sich trotz der späten Stunde auf dem Pont d’léna und in den umliegenden Straßen drängten, um das perfekte Foto zu schießen.

Er hatte es schon oft gesehen und ebenso oft als billigen Trick abgetan, um Besucher und Romantiker anzulocken. Doch in dieser Nacht genoss auch er das Schauspiel. Denn wann würde er das nächste Mal die Freiheit haben, in seiner Hotelsuite allein zu sein? Ohne Sicherheitsdienst und die ständig im Hintergrund lauernde Presse?

Die Lichter vollführten einen letzten wilden Tanz, bevor sie in einem gleichmäßig goldenen Glanz erstrahlten. Es war ein Leuchtfeuer, an dem sich ganz Paris orientieren konnte. Ein Leuchtfeuer der Hoffnung und der Liebe.

Er schnaufte. Die Liebe war etwas für Romane, Filme und seltene Glückspilze, die zufällig über ihre Seelenverwandten stolperten. Für Menschen wie ihn war die Liebe nicht immer eine Option. Besonders, wo ein Gesetz seines Landes verlangte, dass er verheiratet sein musste, bevor er König werden konnte.

Eine kalte Faust schien sein Herz zu umklammern. Nicht genug damit, dass er bald seinen Vater verlieren würde und ein Land regieren musste, das weit schneller wuchs als erwartet. Nein, er würde sich auch noch an eine Frau binden müssen, die er nicht liebte. Und das nur wegen eines altertümlichen Erlasses.

Seinen Ärger unterdrückend, wandte er sich vom Fenster ab und ging durch die luxuriöse Penthousesuite zur Minibar. Wenigstens konnte er sich in dieser Nacht ein Glas Bourbon gönnen, ohne dass irgendwer missbilligend die Stirn runzelte. Obwohl er nicht einmal annähernd so prominent wie der Präsident der Vereinigten Staaten oder der englische König war.

Doch das sollte sich mit dem Bau des ersten großen Hafens von Kelna ändern. Milliardenschwere Unternehmen umwarben sein Land, steckten Geld in den Ausbau von Straßen und Brücken und weiterer Infrastruktur, die dem ganzen Land zugutekommen würde. Inzwischen waren auch die Medienvertreter aufmerksam geworden und baten immer wieder um Interviews, die durch Fotos von ihm, seinem Vater oder Eviana ergänzt wurden.

König Ivan Adamović von Kelna war ein gütiger Monarch, der von seinen Kindern geliebt, von seinen Bediensteten respektiert und von seinem Volk verehrt wurde. Er war ein Herrscher, von dem man sich wünschte, er möge ewig regieren.

Nicholai starrte in die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas. Wie würde die Boulevardpresse reagieren, wenn sie die Wahrheit erfuhr, dass der Prinz von Kelna aller Wahrscheinlichkeit nach noch vor Jahresende König sein würde? Er trank einen Schluck und genoss das Brennen in der Kehle. Er hatte seine Bestimmung, irgendwann die Nachfolge seines Vaters anzutreten, stets akzeptiert. Er hatte nur nicht damit gerechnet, dass es schon so bald sein würde. Aber es war, wie es war.

Er musste regieren. Ihm blieb keine Wahl. Auch wenn der Gedanke schmerzte, dass sein Vater bald nicht mehr da sein würde und er nie mehr sein dröhnendes Lachen hören, nie mehr den Duft der Zigarren riechen würde, die man am königlichen Leibarzt vorbei geschmuggelt hatte. Um diesen Verlust zu kompensieren, werden mir längst nicht mehr so viele Möglichkeiten offenstehen wie derzeit noch, überlegte er finster, während er zur Terrassentür zurückkehrte. Nächte wie jetzt würde er schmerzlich vermissen.

Er umfasste sein Glas fester. Vor zwei Monaten war bei der Presse durchgesickert, dass der Prinz von Kelna angeblich auf Brautschau war. Das war eine Schlagzeile auf der Titelseite einer großen italienischen Boulevardzeitung gewesen, und der dadurch entstandene Wirbel sowie die Anzahl der Frauen, die seitdem um seine Aufmerksamkeit buhlten, irritierte ihn zunehmend.

Eviana amüsierte es. Anders als ihn, besonders nachdem er entdeckt hatte, dass Franjo, ein bis dahin absolut vertrauenswürdiger enger Mitarbeiter, für die Indiskretion fünftausend Euro kassiert hatte. Dieser Vertrauensbruch machte ihm heute noch zu schaffen, gleichzeitig war es aber auch eine wertvolle Lektion gewesen.

Glücklicherweise drohte bei dem Termin mit dem Architekturbüro morgen, der durch Vermittlung seines Vaters zustande gekommen war, kein solches Fiasko. Es sollte um einen neuen Ballsaal gehen, eins der wenigen Projekte, die der königlichen Familie zugutekamen. Die Tatsache, dass der Inhaber des Architekturbüros ein ehemaliger Kommilitone Ivans war, auf dessen Diskretion man sich verlassen konnte, hatte dazu beigetragen, Nicholai und seine Schwester von dem Vorhaben zu überzeugen.

Das und ein wasserdichtes Schweigeabkommen. Weiteren Klatsch und Tratsch konnte das Königshaus besonders jetzt wirklich nicht brauchen.

Kurz nachdem sein Vater die schlimme Diagnose erhalten hatte, war Dario Horvat, der Premierminister, an ihn herangetreten. Er war seit vielen Jahren im Amt, und Ivan und Nicholai wussten beide, dass sie sich felsenfest auf ihn verlassen konnten, obwohl er noch konservativere Ansichten als der König vertrat. Als Dario Nicholai auf das Ehegesetz hingewiesen hatte, einen archaischen Erlass, der seit über zweihundert Jahren keine Anwendung mehr gefunden hatte, war Nicholais Schock in Wut umgeschlagen. In so einem Moment erfahren zu müssen, dass er innerhalb eines Jahres heiraten musste, um nicht die Anwartschaft auf die Krone zu verlieren, war wirklich das Allerletzte, was er jetzt brauchte. Doch Dario hatte nicht mit sich handeln lassen.

Natürlich hatte Nicholai immer gewusst, dass er irgendwann heiraten würde. Aber er hatte gehofft, dass Zuneigung, vielleicht sogar Liebe eine Rolle dabei spielte. Für die Suche nach einer passenden Frau brauchte er allerdings Zeit.

Die ihm fehlte.

Deshalb hatten Dario und eine handverlesene Truppe vertrauenswürdiger Berater inzwischen eine Liste potenzieller Heiratskandidatinnen zusammengestellt, die er nach seiner Rückkehr prüfen sollte. Es war ein strategischer Prozess, um die Frau zu finden, die sowohl zum Prinzen wie auch zum Land passte.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es zehn nach elf war. Das Meeting am nächsten Morgen war für neun Uhr angesetzt. Seit ihm der Arzt Ivans Prognose mitgeteilt hatte, schlief Nicholai schlecht. Wenn er mit etwas Glück schnell einschlief, wachte er meistens ein oder zwei Stunden später wieder auf, und seine Gedanken begannen sich im Kreis zu drehen.

Er genehmigte sich noch einen großzügigen Schluck Bourbon. In dem Moment, in dem er sich abwenden wollte, erhaschte er auf dem Dach eine Bewegung.

Da. Dort auf dem Dachvorsprung des Ostflügels saß, gebadet in Mondlicht, mit dem Rücken zu ihm, eine Frau. Er konnte ihr langes dunkelblondes Haar erkennen, das ihr über die Schultern bis zur Mitte des Rückens fiel. Fasziniert beobachtete er, wie sie den Kopf zurückbeugte und etwas hob, das wie eine Weinflasche aussah, als wollte sie dem Eiffelturm zuprosten, bevor sie einen Schluck trank.

Seine Belustigung verflog schlagartig, als sie die Flasche abstellte und näher an den Rand des Dachs rutschte.

Himmel, nein. Sie wollte springen.

Er packte den Griff der Terrassentür und rüttelte fluchend daran, bis ihm einfiel, dass die Tür mit den extra für ihn neu eingebauten Schlössern verschlossen war. Als er aufschaute, sah er, dass sich die Frau wieder bewegte. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Was jetzt? Um Hilfe zu rufen, war keine Zeit mehr. Er raste zum Schreibtisch, schnappte sich den Schlüssel aus der Schreibtischschublade und schloss die Tür auf. Er schaffte es gerade noch rechtzeitig auf die Terrasse, um zu sehen, wie sich die Frau mit den Händen an der Dachkante abstützte.

„Halt!“

Sein Schrei ging jedoch im Verkehrslärm unter. Nach einem kurzen Blick auf das ein paar Meter unter ihm liegende Dach stemmte er sich an der Balkonbrüstung hoch, schickte ein Stoßgebet zum Himmel und sprang. Für einen atemlosen Moment war da nichts außer Luft, die an ihm vorbeirauschte, dann landete er mit einem dumpfen Aufprall.

Er rollte sich herum und sprintete übers Dach.

„Halt!“ Ne saute pas!

Die Frau hob unvermittelt den Kopf und schaute ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Gleich darauf sprang sie auf und schwenkte die Weinflasche über dem Kopf.

„Stehen bleiben! Ich bin bewaffnet!“

Er tat, was sie sagte, hob langsam die Hände und schaute zwischen ihr und der Dachkante hin und her. Die Frau war schlank und mehr als einen Kopf kleiner als er. Irgendwie musste er es schaffen, sich ihr so weit zu nähern, um sie wegzuziehen. Dann würde es ihm vielleicht gelingen, sie zu beruhigen und Hilfe zu holen.

„Ich tue Ihnen nichts …“

„Ich sehe aber, dass Sie sich immer noch bewegen. So beschwipst bin ich auch wieder nicht.“

„Ich will Ihnen nur helfen.“

„Helfen?“ Die Frau blickte ihn finster an. Die Grimmigkeit, die von der zierlichen Gestalt ausging, hätte ihn unter anderen Umständen wahrscheinlich zum Lächeln gebracht. „Helfen? Wie denn? Indem Sie mich vom Dach stoßen?“

„Indem ich Sie abhalte zu springen.“

„Indem Sie mich abhalten zu …“ Sie verstummte unvermittelt und blickte ihn an, als wären ihm Hörner gewachsen. Und dann tat sie etwas völlig Unerwartetes.

Sie warf den Kopf zurück und lachte.

Sich mit einem verrückten Mann anzulegen hatte Madeline Delvine nicht vorgehabt, als sie sich in dieser Nacht auf das Hoteldach geschlichen hatte.

Und zwar mit einem erstaunlich gut aussehenden, höchst irritiert dreinschauenden Typen, wie sie zugeben musste. Immer noch die Weinflasche umklammernd, wich sie langsam zurück, um mehr Abstand zwischen sich und dem Unbekannten zu bringen.

„Stopp!“

Ehe sie auch nur blinzeln konnte, hechtete er auf sie zu, legte ihr seine starken Arme um die Taille und zog sie an sich. Dabei verhedderten sich ihre Beine, sodass er stolperte und mit ihr zu Boden ging. Die Flasche entglitt ihr, schlug polternd auf dem Dach auf und rollte weg und Madeline landete auf dem Mann.

„He, was soll das?“ In dem Versuch, sich aufzurichten, stützte sie sich mit den Händen auf seinen Schultern ab. Doch in dem Moment, als sein verwirrender Duft sie einhüllte, stockte ihr der Atem. Als sie aufschaute, sah sie, dass der Mann sie eingehend musterte.

Wow.

Als sie jetzt den Blick über sein Gesicht gleiten ließ, erstaunte es sie, dass ein höchstwahrscheinlich Betrunkener so anziehend sein konnte. Sein dunkles gewelltes Haar war zurückgekämmt, und die Farbe seiner Augen unter den dichten, fragend zusammengezogenen Brauen konnte sie nur erraten … grün vielleicht? Seine wohlgeformte Nase erinnerte an die einer griechischen Statue, die markante Kinnpartie wurde durch ein winziges Grübchen am Kinn noch betont.

Der Mann war nicht einfach nur anziehend. Er war bildschön.

„Sie können mich jetzt loslassen.“

Ihre Stimme klang heiser und atemlos. Das Stirnrunzeln des Mannes vertiefte sich, während er sie fester packte.

„Das werde ich nicht. Ich rufe jetzt die 112 an, damit man den Notdienst schickt …“

„Hey!“, fuhr sie ihn an.

Der Mann sah sie an, als wäre er es nicht gewohnt, unterbrochen zu werden.

„Hören Sie, Ma’am, Sie …“

„Ich wollte gerade einen guten Cabernet Sauvignon genießen, da hechteten Sie wie wild geworden über die Dächer, als würden Sie den Doppelmord in der Rue Morgue nachspielen. Wenn Sie schon unbedingt den Notdienst rufen wollen, dann tun Sie es bitte für sich selbst.“

Der Griff des Fremden lockerte sich. Das nutzte sie, um aufzuspringen und zurückzuweichen. Dann blickte sie sich suchend um, bis sie die im Mondlicht glänzende Weinflasche entdeckte. Ohne den Mann aus den Augen zu lassen, ging sie hinüber und holte sie.

Nicholai setzte sich langsam auf, hob beide Hände. „Es scheint sich hier um ein Missverständnis zu handeln.“

„Wie konnte es dazu kommen?“

Seine Mundwinkel zuckten. „Ich sah Sie auf der Dachkante sitzen, und als Sie noch weiter nach vorn rutschten, befürchtete ich das Schlimmste.“

Sie warf einen Blick über die Schulter und schnitt ein Gesicht. Aus der Perspektive, so wurde ihr jetzt bewusst, sah der Vorsprung, auf dem sie gesessen hatte, wie eine Kante aus.

„Das Dach dort ist ein paar Meter breiter. Ich habe einfach nur die Aussicht genossen.“ Sie sah sich um. „Sind Sie auch über die Feuerleiter aufs Dach gelangt?“

„Nein.“

Verblüfft ließ sie ihren Blick übers Dach schweifen. Als sie dann bei einer der Penthousesuites im Westflügel die offene Terrassentür sah, blickte sie ihn verblüfft an.

„Sie sind doch nicht etwa …?“ Das musste ein Sprung aus mindestens dreieinhalb Metern gewesen sein. Und dann war da noch der Spalt zwischen dem Balkon und dem Dach des Ostflügels. „Sind Sie …?“

Er stand auf und grinste. „Spätestens morgen werde ich es bereuen.“

„Darauf können Sie Gift nehmen“, erwiderte sie. „Ich fasse es nicht! Weil Sie dachten, ich könnte mich vom Dach stürzen, sind Sie von Ihrer Terrasse gesprungen und wären dabei fast selbst zu Tode gekommen!“ Sie lief zu ihm und ging einmal um ihn herum.

„Was machen Sie denn da?“

„Nachschauen, ob Sie sich verletzt haben.“

„Sind Sie Ärztin?“

„Nein, ich habe aber vier Geschwister, und wir haben uns immer gegenseitig verarztet.“

Sie konnte an ihm jedoch nichts Ungewöhnliches entdecken, keine Abschürfungen und auch kein Blut. Nachdem sie ihre Begutachtung beendet hatte, blieb sie vor ihm stehen.

„Sie sollten morgen auf jeden Fall zum Arzt gehen. Zur Sicherheit.“

Er musterte sie, offenbar unsicher, wie er sie einordnen sollte.

„Versprochen.“

„Puh!“ Sie atmete laut aus. „Das war wirklich heldenhaft von Ihnen, auch wenn ich nicht gerettet werden musste.“

„Ich bin kein Held.“

Sie zog eine Augenbraue hoch. „Haben Sie noch nie von Superman gehört? In meinen Augen macht Ihr Sprung Sie durchaus zu einem Helden.“

Sein amüsiertes Lachen beschleunigte ihren Puls.

„Danke, Miss …?“

„Delvine.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen. „Madeline Delvine.“

Er umfasste ihre Finger, und sie schluckte schwer, als Wärme sie durchflutete.

„Gut.“ Sie entzog ihm schnell die Hand und hoffte, dass er ihre Reaktion nicht bemerkt hatte. „Und noch mal vielen Dank für Ihren heldenhaften Einsatz.“

„Es tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe.“

Er bückte sich, um etwas vom Dach aufzuheben. „Gehört das Ihnen?“

„Ach ja, danke.“ Sie streckte die Hand nach ihrem Skizzenbuch aus und runzelte die Stirn, als sie sah, dass er ihre Zeichnung betrachtete.

„Das ist wirklich gut.“

„Vielen Dank“, erwiderte sie verlegen.

Den Eiffelturm hatte sie bei ihrem ersten Ausflug aufs Dach gezeichnet und später mit der Ansicht der ikonischen Brücke kombiniert, die sich über der Seine spannte. Obwohl die Zeichnung eher skurril als technisch war, hatte sie ihr gefallen.

Nicholai deutete auf das Paar, das eng umschlungen auf der Brücke stand und zum Eiffelturm schaute.

„Wer ist das?“

Madeline zuckte mit den Schultern. „Ein Liebespaar. Ich habe mir vorgestellt, dass der Eiffelturm in dem Moment aufleuchtet, in dem er ihr einen Heiratsantrag macht. Oder vielleicht sagt sie ihm auch, dass sie ein Baby erwarten.“

Sie liebte es, sich nicht nur die Gebäude vorzustellen, die sie entwarf, sondern auch die Menschen, die darin leben würden, egal, ob nur vorübergehend oder jahrzehntelang.

„Dann sind Sie also eine Romantikerin?“ In seinen Worten schwang etwas Rätselhaftes mit.

„Ja.“ Sie lächelte. „Ich habe mir an diesem Tag in einer Buchhandlung am linken Ufer der Seine sogar eine Ausgabe von Stolz und Vorurteil gekauft.“ Als sich sein Stirnrunzeln vertiefte, fragte sie leise: „Sie glauben nicht an ein Happy End?“

Sein Gesichtsausdruck wurde maskenhaft und hart. „Das Leben ist kein Märchen.“

Sie runzelte die Stirn. „Nein.“

Plötzlich meinte sie, das arrogante Grinsen ihres Ex-Verlobten vor sich zu sehen. Mit seinen frauenfeindlichen Vorstellungen, was ihre Rolle als seine zukünftige Frau betraf, und seiner übersteigerten Egozentrik war Alex eher Schurke als Held gewesen.

Sie verdrängte den Gedanken schnell. „Was aber nicht heißt, dass es keine märchenhaften Momente gibt.“

„Tatsächlich?“

Sie breitete die Arme aus. Wir stehen hier auf einem Dach mitten in Paris, über uns der Himmel voller Sterne … Sie verstummte unvermittelt, blickte nach oben und fuhr etwas leiser fort: „Na ja … so richtig gut sehen kann man sie zwar nicht, aber trotzdem sind sie da, mit einer Flasche Wein und dem Eiffelturm im Hintergrund.“ Sie schaute zu dem berühmten Bauwerk hinüber. Bevor ihr geheimnisvoller Pseudo-Retter auf den Plan getreten war, hatte sie es fast zwanzig Minuten lang bewundert.

Wenn ihr Stiefvater sie jetzt bei ihrer Arbeit auf dem Gebiet, für das er ihr Interesse geweckt hatte, gesehen hätte, wäre er bestimmt stolz auf sie. Er hatte sie stets ermuntert, nie in dem Bestreben nachzulassen, ihre Träume zu verwirklichen.

Durch Alex, der entschlossen gewesen war, sie in eine Schublade zu stecken, war sie vorübergehend ins Straucheln gekommen. Aber sie hatte sich wieder gefangen.

Jetzt kehrte ihre Leichtigkeit zurück, während sie sich lächelnd die Arme um ihre Taille legte.

„Viel märchenhafter als im Moment muss es gar nicht sein.“

„Sind Märchen nicht immer auch romantisch?“

Sie löste den Blick vom Eiffelturm und wandte sich wieder dem Mann zu.

„Meistens schon, denke ich.“ Außer man fühlt sich mehr zu Fröschen als zu Prinzen hingezogen. „Müssen sie aber nicht.“ Sie hielt die Flasche hoch. „Mein momentanes Märchen ist ziemlich simpel.“

Seine Lippen zuckten. Wie mochte er wohl aussehen, wenn er lächelte?

„Der Gedanke, Sie hier oben allein zu lassen, behagt mir nicht.“

Sie seufzte. „Aber ich sage Ihnen doch, Mister …“ Sie runzelte die Stirn. „Wie war noch mal Ihr Name?“

Er musterte sie wieder.

„Nick“, erwiderte er schließlich.

„Nur Nick?“

„Nur Nick.“

„Gut, Nur-Nick, ich bin siebenundzwanzig und komme hier oben prima allein zurecht.“ Sie lächelte leicht, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen.

Er kam auf sie zu, und ihr stockte der Atem. In einer Großstadt gab es mehr oder weniger angenehme Gerüche, aber jetzt betörte sein nach Zedern riechender Duft erneut ihre Sinne.

„Ich glaube kaum, dass sich ein Räuber für das Alter seines potenziellen Opfers interessiert.“

„Eher nicht.“ Sie schaute sich ostentativ um. „Allerdings glaube ich auch nicht, dass sich sehr viele Räuber nachts auf Pariser Dächern herumtreiben.“

Er stieß einen unwilligen Laut aus. „Ich lasse Sie aber nicht allein.“

„Schön, dann werden Sie mir wohl Gesellschaft leisten müssen.“

Sobald die Worte heraus waren, wusste sie nicht ein noch aus vor Verlegenheit. Oh, Himmel! Hatte sie eben wirklich einen wildfremden Mann eingeladen, ihr um Mitternacht Gesellschaft auf einem Hoteldach zu leisten? Schließlich hatte er ihr nur helfen wollen, auch wenn das gar nicht nötig gewesen war.

Doch dann lächelte er sie an. Es war ein breites Lächeln, das die Wände, die sie nach ihrer Trennung von Alex zwischen sich und dem anderen Geschlecht errichtet hatte, zum Einsturz brachte. Ein Lächeln, das eine Wärme ausstrahlte, die sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete und sie atemlos machte.

„Es ist mir eine Ehre, Ihnen Gesellschaft leisten zu dürfen, Madeline Delvine.“

2. KAPITEL

Nachdem Nicholai sich auf den Vorsprung gesetzt hatte, auf dem er Madeline von seinem Balkon aus beobachtet hatte, streckte er die Beine lang aus. Selbst in seiner grüblerischen Stimmung ließ sich nicht übersehen, wie romantisch das Bauwerk auf ihn wirkte.

Wie auch die Frau neben ihm. Sie saßen jetzt schon eine ganze Weile schweigend da. Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen, die er kannte, schien sie sich in der Stille wohlzufühlen. Dabei trank sie leicht lächelnd ab und zu einen Schluck Wein und ließ das Pariser Nachtleben unten an sich vorbeiziehen. Ihr Angebot, den Wein mit ihm zu teilen, hatte er abgelehnt, zufrieden damit, nur dazusitzen und den Moment zu genießen.

Plötzlich stutzte er. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich zuletzt zufrieden gefühlt hatte. Geschweige denn mit einer faszinierenden Frau an seiner Seite.

Und faszinierend war Madeline Delvine auf jeden Fall. Wenn nicht gar eine der faszinierendsten Frauen, die ihm seit Langem begegnet waren. Er musterte sie aus den Augenwinkeln, und je länger er hinschaute, desto mehr gefiel ihm, was er sah. Blondes Haar umspielte ein entschlossenes Gesicht. Schwarze Brauen wölbten sich über dunkelblauen Augen. Als sie seinen Blick auffing, blinzelte sie, bevor sie, leicht lächelnd, den Kopf senkte. Ihre vollen Lippen bildeten einen sinnlichen Kontrast zu den ausgeprägten Wangenknochen.

Doch nicht nur ihre ungewöhnliche Schönheit zog ihn in ihren Bann, sondern die Ruhe, die sie ausstrahlte. Als hätte sie angesichts all dieser viel gepriesenen Restaurants, berühmten Sehenswürdigkeiten und schönsten Museen das große Los gezogen, während sie hier auf einem Hoteldach saß und seelenruhig ihren Wein trank.

„Sie haben Fragen?“

Er sah sie überrascht an, als sie ihm das Gesicht zuwandte, wobei ihr leises Lächeln schelmisch und eine kleine Lücke zwischen ihren Schneidezähnen sichtbar wurde.

„Wirklich?“

„Sie mustern mich schon die ganze Zeit so, als wüssten Sie nicht recht, was Sie mit mir anfangen sollen.“

Da war etwas dran. Ein Gespräch mit einer Frau zu führen, die nicht wusste, wer er war, bedeutete eine neue Erfahrung für ihn. Es war eine Erfahrung, die mit Vorsicht zu genießen war. Allerdings fiel es ihm schwer zu glauben, dass man ihn aufs Dach gelockt hatte, damit ein paar Paparazzi Fotos schießen konnten. Oder um einen Verführungsversuch zu starten.

Obwohl schon seltsamere Dinge passiert waren. Trotzdem war er entschlossen, nicht blindlings in eine Falle zu tappen. 

„Ich versuche nur, aus Ihnen schlau zu werden.“

„Dann fragen Sie.“

„Einfach so?“

„Einfach so. Zum Beispiel, wo kommen Sie her, Nick?“

Er rang einen Moment mit sich, dann beschloss er, ihr einen Vertrauensvorschuss zu geben. „Aus Kelna.“

Ihre gerunzelte Stirn verriet, dass sie von seinem Heimatland noch nie etwas gehört hatte.

„Kelna? Wo liegt das? Ich tappe im Dunkeln.“

„Es ist ein kleines Land am Meer zwischen Kroatien und Montenegro.“

Sie lehnte sich zurück, mit vor Neugier funkelnden Augen. Wieder hielt sie ihm die Weinflasche hin, diesmal zögerte er jedoch nur kurz, dann griff er zu. Die Intimität, die es bedeutete, mit seinen Lippen die Stelle zu umschließen, auf der eben noch ihre Lippen gelegen hatten, erregte ihn. Als er ihr die Flasche wieder reichte, spürte er den Geschmack des Weins immer noch samtig auf seiner Zunge.

„Hvala vam.“

„Das heißt wahrscheinlich danke, stimmt’s?“

Er nickte. Jetzt lächelte sie so breit, dass sich in ihren Augenwinkeln winzige Fältchen bildeten. „Was für eine Sprache spricht man in Kelna?“

„Vorwiegend Kroatisch und Englisch, manchmal auch Serbisch, Bosnisch und sogar Italienisch.“

„Und was führt einen Mann aus Kelna nach Paris?“

Sein Puls wurde schneller, sein Blick schärfer. Versuchte sie, ihn auszuhorchen? An ihrem Verhalten war allerdings nichts Verdächtiges zu erkennen. Kein Hauch von Arglist in den mitternachtsblauen Tiefen ihrer Augen.

„Geschäfte.“

„Ah.“ Auf seinen fragenden Blick hin zuckte sie mit den Schultern. „Ich würde Sie ja gern ein bisschen ausfragen, aber ich bin ebenfalls geschäftlich in Paris, und mein Chef hat mich zur Verschwiegenheit verdonnert.“

„Ach ja?“

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