Liebe meines Lebens Band 27

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RACHE IST SÜSS, LAURA von CATHY WILLIAMS

Laura ist entsetzt! Ausgerechnet ihre alte Jugendliebe, der Millionär Gabriel Greppi, hat heimlich ihr hoch verschuldetes Gestüt gekauft. Vor sieben Jahren zerbrach ihr junges Glück. Jetzt scheint für Gabriel die Zeit gekommen, alte Rechnungen zu begleichen …

DU IN MEINEM BETT? von DIANA WHITNEY

Um das Sorgerecht für ihre Patenkinder zu bekommen, schließen Lydia und ihr umwerfender Ex-Freund Powell Frieden – und kurz darauf eine Zweckehe. Zwar leben sie zusammen unter einem Dach, schlafen jedoch in getrennten Zimmern. Eine echte Herausforderung! Wer von beiden wird zuerst schwach?


  • Erscheinungstag 11.01.2025
  • Bandnummer 27
  • ISBN / Artikelnummer 8206250027
  • Seitenanzahl 288

Leseprobe

Cathy Williams

PROLOG

Gabriel Greppi stand seit einigen Minuten vor Oakridge House, einem gediegenen Herrenhaus aus der Zeit Königin Viktorias. Kurz blickte er an der mit Efeu bewachsenen Fassade hoch und stellte fest, dass hinter Lauras Fenster kein Licht brannte. Sie war bestimmt noch im Stall und kümmerte sich um die Pferde, obwohl es schon neun Uhr abends und noch dazu eine klirrend kalte Winternacht war.

Ja, Lauras wegen nehme ich auf mich, was mir jetzt bevorsteht, dachte er. Er würde bei ihren Eltern vorsprechen, diesen typischen Exemplaren der britischen Oberschicht, und sie würden ihn höflich, aber kühl abfertigen. Wie einen Bettler! So würde er sich jedoch nicht immer behandeln lassen. Eines Tags würde auch er wohlhabend und angesehen sein, das hatte er sich fest vorgenommen. Er war erst zweiundzwanzig Jahre alt, und der Weg ans Ziel mochte lang und mühsam werden, doch er würde es erreichen!

Energisch drückte er auf die Klingel und lehnte sich wartend an den Türrahmen, bis die Tür vorsichtig einen Spaltbreit geöffnet wurde. Glauben Sie, ein Einbrecher würde vorher klingeln, Mr. Jackson?, hätte Gabriel am liebsten gefragt, tat es jedoch nicht, da Lauras Vater nicht viel Sinn für Humor besaß. Jedenfalls nicht, wenn er es mit ihm zu tun hatte.

„Ach, Sie sind es, Greppi! Was führt Sie zu mir, mein Junge?“

Gabriel riss sich zusammen, um keine Antwort zu geben, die er später bedauern würde. „Könnte ich mit Ihnen sprechen, Mr. Jackson?“

„Was, jetzt? Kann das nicht warten?“ Peter Jackson klang gereizt, aber nach kurzem Zögern öffnete er die Tür und trat einen Schritt zurück. „Wenn Sie gekommen sind, um meine Tochter zu sehen, können Sie gleich wieder umkehren und nach Hause gehen, junger Mann! Laura liegt schon im Bett, und ich denke nicht daran, sie zu dieser nachtschlafenden Zeit zu wecken.“

„Es ist erst neun Uhr, Mr. Jackson!“

„Stimmt genau.“

„Und ich möchte nicht Laura sprechen, sondern Sie und Ihre Frau.“ Gabriel versuchte, Gleichmut zu bewahren, aber unwillkürlich verspannte er sich.

Aus zusammengekniffenen Augen musterte Peter Jackson ihn. „Hoffentlich wollen Sie mich nicht um einen Gefallen bitten, mein Junge, denn die Antwort wäre Nein. Ich greife aus Prinzip niemand finanziell unter die Arme.“

„Ich wollte Sie nicht um Geld bitten“, erwiderte Gabriel so höflich wie möglich, konnte aber einen scharfen Unterton nicht vermeiden.

Mr. Jackson presste kurz die Lippen zusammen, bevor er erwiderte: „Sagen Sie, was Sie zu sagen haben, und dann ab nach Hause mit Ihnen!“

„Könnte ich mit Ihnen und Ihrer Frau sprechen, Mr. Jackson?“

„Na schön, aber machen Sie’s kurz. Meiner Frau geht es nicht gut, und sie sollte früh ins Bett.“ Peter Jackson wandte sich um und ging zum Wohnzimmer voraus. „Lizzie, meine Liebe, wir haben unerwarteten Besuch“, kündigte er an. „Nein, du brauchst nicht aufzustehen. Es ist nur der junge Greppi.“

Elizabeth Jackson saß in einem der hohen Lehnsessel: eine zarte, beinah zerbrechlich wirkende Frau, die mit Mitte fünfzig noch so auffallend hübsch war, dass man sich auf der Straße nach ihr umdrehte. Sie verkörperte das Ideal der vornehmen Engländerin und war kultiviert bis in die Fingerspitzen.

Gabriel wurde weder aufgefordert, sich zu setzen, noch bot man ihm etwas zu trinken an. Anscheinend konnten Lauras Eltern es kaum erwarten zu erfahren, was ihn zu dieser unschicklich späten Stunde von neun Uhr abends zu ihnen geführt hatte.

„Wenn Sie hoffen, mir den Hengst Barnabus abluchsen zu können, haben Sie kein Glück, Gabriel“, ergriff Peter Jackson das Wort. „Laura erzählte mir, wie gut Sie mit ihm umgehen können, aber er steht nicht zum Verkauf – selbst wenn Sie ihn sich leisten könnten, was ich bezweifle. Barnabus ist noch ein bisschen ungebärdig, aber mit dem richtigen Training wird aus ihm mal ein verdammt feines Rennpferd. Glauben Sie also nicht, Sie könnten ihn günstig haben, nur weil Sie ihn zu bändigen verstehen – oder weil Sie mit Laura so gut befreundet sind. Ich tue Ihnen schon einen großen Gefallen, indem ich Sie am Wochenende in den Ställen arbeiten lasse.“

„Ich wollte Sie um die Hand Ihrer Tochter Laura bitten“, begann Gabriel ohne Einleitung. Wenn ich gesagt hätte, dass ich ein Außerirdischer oder ein Satansjünger sei, würden sie nicht entgeisterter aussehen, dachte er und fügte hinzu: „Laura hält, wie ich weiß, unendlich viel von Ihnen beiden, und ich würde mich freuen, wenn Sie der Ehe Ihren Segen geben.“

Unverwandt sah er Mr. und Mrs. Jackson an und blieb dabei völlig ruhig. Er war zwar noch jung, hatte aber schon einiges durchgemacht und konnte mit nahezu allem fertig werden, was ihm begegnete – auch mit Lauras versnobten Eltern, die ihn vom ersten Augenblick an als minderwertiges Mitglied der Gesellschaft behandelt hatten.

„Ich liebe Ihre Tochter“, gestand Gabriel aufrichtig. „Und obwohl mir klar ist, dass ich Laura zurzeit noch nicht viel zu bieten habe, versichere ich Ihnen …“

Die Erwähnung seiner schlechten finanziellen Lage führte endlich zu einer Reaktion: Peter Jackson begann dröhnend zu lachen. Schließlich wischte er sich über die Augen und neigte sich vor.

„Sind Sie von allen guten Geistern verlassen, Greppi? Jetzt hören Sie mir mal gut zu, mein Junge!“ Er sprach so langsam und deutlich, als würde er mit jemand reden, der des Englischen nur mangelhaft mächtig ist. „Weder Lizzie noch ich haben Ihre Verbindung mit unserer Tochter gutgeheißen, aber da Laura volljährig ist, konnten wir nicht viel tun. Was hingegen eine Heirat betrifft – nur über meine Leiche! Haben Sie mich verstanden? Laura ist unser Augenstern, und wir würden einer Ehe mit Ihnen auf keinen Fall zustimmen – und euch schon gar nicht unseren Segen geben.“

„Laura ist beinah noch ein Kind, Gabriel“, mischte Elizabeth Jackson sich ruhig, aber unnachgiebig ein. „Sie ist erst neunzehn, und Sie sind auch nicht viel älter.“

„Wieso lassen wir das Argument nicht beiseite, dass Laura und ich angeblich zu jung fürs Heiraten sind, und kommen zum Kern der Sache?“, fragte Gabriel, mühsam beherrscht. „Weil ich kein Engländer, sondern Argentinier bin, halten Sie beide mich für minderwertig.“

„Das ist nicht wahr“, protestierte Mrs. Jackson sofort.

Ihrem Mann hingegen sah man an, dass er genau das dachte, was Gabriel behauptet hatte. „Sie sind nicht der Schwiegersohn, den wir uns vorstellen, Greppi! Zwar bezweifle ich nicht, dass Sie es eines Tags zu etwas bringen werden, aber Laura verdient …“

„Etwas Besseres als einen Ausländer ohne Geld?“, unterbrach Gabriel den älteren Mann scharf.

„Wie immer Sie es nennen wollen. Ich warne Sie, Greppi: Lassen Sie unsere Tochter ab jetzt in Ruhe! Bisher wollten wir uns nicht einmischen, aber nun sind Sie hier nicht länger willkommen. Suchen Sie sich einen anderen Stall, wo Sie reiten und sich ein bisschen Geld verdienen können.“ Peter Jackson wandte ihm demonstrativ den Rücken zu und blickte durchs Fenster.

„Wie Sie meinen, Mr. Jackson!“ Weiter zu diskutieren hätte keinen Sinn, sagte Gabriel sich und warf Lauras Eltern einen Blick voll schwelender Abneigung zu, bevor er sich umwandte und das Haus verließ.

Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen, tröstete er sich. Lauras Eltern hatten ihn abgewiesen, sie würde es jedoch nicht tun! Er hätte sie zwar lieber mit dem Segen ihrer Eltern geheiratet, aber da er diesen nicht erhielt, konnte er darauf verzichten.

Obwohl die Stallungen, wo er mit Laura verabredet war, seitlich des Hauses lagen, ging Gabriel zuerst die Auffahrt entlang, weil er sich sicher war, dass Peter Jackson ihm durchs Wohnzimmerfenster nachblickte. Nach einigen Minuten bog er rechts ab und eilte zu den Ställen zurück.

Der Gedanke, dass Laura ihn dort erwartete, besänftigte Gabriel, und er wurde langsamer, als der gepflasterte Stallhof in Sicht kam. Jedes Pferd hatte ein eigenes Quartier mit Zugang zum Hof, und die obere Hälfte der Tür zu Barnabus’ Box stand offen, außerdem brannte drinnen Licht.

Ja, Laura lässt mich nicht im Stich, dachte Gabriel und ging leise weiter. Sie stand neben dem Vollblut und ließ die Hand durch seine Mähne gleiten, wobei sie leise mit dem herrlichen Tier sprach.

Bei ihrem Anblick durchflutete Gabriel heißes Begehren. Es gab kein schöneres Mädchen als sie! Sie war groß und schlank, das hellblonde Haar reichte ihr bis zur Taille, und sie hatte große braune Augen – so dunkel wie feinste Schokolade. Und süßer als Schokolade waren ihre Küsse … Unwillkürlich atmete er scharf ein.

Laura wandte sich ihm zu und lächelte strahlend. „Du kommst früher, als ich dachte.“

„Bist du enttäuscht, dass ich schon da bin?“, fragte Gabriel neckend und küsste sie sanft auf die vollen, schön geschwungenen Lippen.

„Überhaupt nicht.“

„Soll ich dir mit Barnabus helfen?“

„Nein, danke, ich bin schon fertig und habe mit ihm nur noch ein bisschen geplaudert.“

„Über mich hoffentlich!“ Gabriel presste sie an sich, damit sie merkte, wie sehr er nach ihr verlangte.

„Selbstverständlich!“ Sie lachte leise. „Was hast du getan, seit ich dich zuletzt gesehen habe?“

Er hatte wie üblich in einem schlecht geführten Konstruktionsbüro geschuftet, abends Fachbücher gelesen, um das Studium der Betriebswirtschaft nicht völlig aus den Augen zu verlieren, dazu jeden schwer verdienten Penny auf die Seite gelegt, um ein finanzielles Polster für das weitere Studium zu schaffen – und er hatte ihre Eltern um ihre Hand gebeten und war ungnädig abgewiesen worden. Das alles hätte er antworten können, tat es jedoch nicht.

Ihm lag jetzt nur daran, mit Laura zu schlafen – und danach würde er sie bitten, seine Frau zu werden. Ihre Eltern würden ihn als Schwiegersohn akzeptieren müssen, weil ihnen nichts anderes übrigblieb.

„Wenn du mit Barnabus fertig bist …“, begann Gabriel vielsagend und küsste sie auf den Hals.

„Könnten wir ins Büro gehen“, beendete sie den Satz.

„Wir können auch hier bleiben, wenn es dir lieber ist“, schlug er vor. „Allerdings riskieren wir dann, Frostbeulen zu bekommen.“

Natürlich wollte Laura lieber ins Büro, das an die Stallungen angebaut war und drei Räume umfasste. Zuerst gelangte man in einen geschmackvoll eingerichteten Vorraum, in dem Peter Jacksons Kunden auf ihn warteten, wenn er sich ihnen nicht sofort widmen konnte. Daran schlossen sich der eigentliche Arbeitsraum und ein kleines Bad an.

Bald werden Laura und ich uns nicht mehr verstecken müssen, wenn wir uns lieben wollen, dachte Gabriel. Er stellte sich ihr Gesicht vor, wenn er ihr den Heiratsantrag machte, und erschauerte vor Ungeduld.

„Was ist denn?“, erkundigte Laura sich besorgt.

„Träumst du manchmal davon, mit mir in einem richtigen Bett zu schlafen?“, fragte er und schloss die Tür auf. Der Schlüssel wurde abends, wenig einfallsreich, unter einem der Blumenkübel versteckt.

Sobald sie drinnen waren, umarmte Gabriel Laura und küsste sie verlangend. „Wäre es nicht herrlich, jetzt ein großes Bett zur Verfügung zu haben, eins mit Satinlaken und einer Daunendecke?“, hakte er anschließend nach.

„Mir würde ein einfaches schmales genügen – solange es nicht hier drinnen steht.“ Sie seufzte erfreut, als er die Lippen über ihren Hals gleiten ließ. „Ich habe direkt Albträume, dass Dad hier hereinplatzen könnte, während du und ich gerade …“

„Sex haben?“, fügte Gabriel hinzu.

Lächelnd schmiegte Laura sich an ihn. Wenn sie nur seine tiefe Stimme hörte, wurden ihr die Knie weich – oder wenn sie ihm in die dunklen Augen sah, deren Blick so zärtlich wie eine Liebkosung sein konnte.

Ein Jahr zuvor hatten sie sich kennengelernt. Wie aus dem Nichts aufgetaucht, hatte Gabriel eines Morgens an der Stalltür gestanden, als Laura, damit beschäftigt gewesen war, eins der Pferde zu striegeln. Sie richtete sich auf – und da lehnte er, die Hände in den Taschen, am Türrahmen und betrachtete sie eindringlich.

Er habe, sagte Gabriel, von Jacksons Rennstall gehört und wolle fragen, ob er sich mit Gelegenheitsarbeiten etwas Geld verdienen könne, denn er liebe Pferde und könne gut mit ihnen umgehen.

Erst seit kurzem lebte er in der Gegend. Sein Vater hatte seine Anstellung als Spanischlehrer verloren und konnte ihm das Studium nicht länger finanzieren – zumindest so lange nicht, bis er eine neue Stelle fand. Deshalb hatte Gabriel vorübergehend seine Ausbildung unterbrochen. Jetzt arbeitete er in einer kleinen Firma und sparte so viel wie möglich, um später das Studium beenden zu können.

Laura hatte ihn zwar sprechen gehört, aber nicht wirklich darauf geachtet, was er sagte. Er war so umwerfend attraktiv, dass sie ihn nur hingerissen betrachtet hatte …

„Möchtest du jetzt mit mir schlafen?“, flüsterte Gabriel nun. Er umfasste ihr Gesicht und küsste sie zärtlich auf die Wangen.

„Was würdest du tun, wenn ich behauptete, nicht in der richtigen Stimmung zu sein?“, fragte sie neckend. Bevor er antworten konnte, presste sie den Mund auf seine Lippen und küsste ihn leidenschaftlich.

Vier Tage lang hatten sie sich nicht gesehen, eine halbe Ewigkeit, wie es Laura schien.

„Ich würde dich eine Lügnerin nennen“, antwortete Gabriel schließlich und ließ die Hände unter ihren dicken Wollpullover gleiten.

Laura seufzte erfreut. Sie wusste, was sie nun erwartete: der Himmel auf Erden. Anders konnte sie das Zusammensein mit Gabriel nicht beschreiben.

Manchmal waren sie sehr stürmisch, wenn sie sich einige Tage nicht gesehen hatten, und rissen sich gegenseitig förmlich die Sachen von den Körpern in ihrer Ungeduld, dem anderen nahe zu sein.

Heute ist eine ganz besondere Nacht, deshalb lasse ich mir viel Zeit, nahm Gabriel sich vor und führte Laura zum Sofa am einen Ende des Büros.

Anfangs war es ihnen seltsam vorgekommen, sich in einem Raum zu lieben, der an sich nüchterner Arbeit vorbehalten war – aber was blieb ihnen anderes übrig? Mittlerweile hatten sie sich daran gewöhnt, sich auf dem schmalen Sofa zu lieben, das der Buchhalter Philipp Carr angeschafft hatte, der zwei Mal pro Woche die Abrechnungen machte. Laura meinte einmal scherzend, dass ein Buchhalter natürlich dringend ein Sofa im Büro brauche – um ein Nickerchen zu machen, wenn ihn die Zahlenkolonnen so sehr anödeten, dass ihm die Augen zufielen.

„Noch lieber als ein richtiges Bett wäre mir, wenn wir bei unserem Zusammensein auch mal die Lampe anknipsen könnten“, meinte Laura nachdenklich und legte sich aufs Sofa. „Ich beobachte dich so gern, wenn du dich ausziehst, aber bei dem bisschen Licht, das vom Hof her durchs Fenster kommt, sehe ich dich gar nicht richtig.“

Gabriel lachte leise. „Ich habe keine Ahnung, was du an mir findest.“

„O doch, das weißt du, du Lügner! Du hast den schönsten Körper, den ich jemals gesehen habe, und bist so kraftvoll und muskulös wie die besten unserer Rennpferde.“

„Oh, vielen Dank“, erwiderte er trocken. Er wusste, dass der Vergleich mit einem Vollblut das größte Kompliment war, das Laura ihm machen konnte. Langsam begann er sich auszuziehen.

Sie seufzte hingerissen. Zwar nahm sie ihn nur als dunklen Umriss wahr, aber sie hatte ihn im Sommer gelegentlich mit nacktem Oberkörper reiten sehen und stellte sich nun vor, wie gebräunt seine Haut war und wie fest die durchtrainierten Muskeln. Gebannt beobachtete sie ihn, als er die Hose und die Boxershorts abstreifte.

„Genießt du den Anblick?“, fragte Gabriel und lächelte.

Laura erwiderte das Lächeln und stand auf, um sich ebenfalls auszuziehen. Allein ihn zu sehen genügte, um heißes Begehren in ihr zu wecken.

„Lass mich das machen, querida“, bat Gabriel leise.

„Mit Vergnügen!“ Sie wusste, dass das spanische Wort so viel wie „Liebste“ bedeutete, und ihr wurde warm ums Herz. Es kam nur selten vor, dass er ein Kosewort verwendete, denn er war zwar leidenschaftlich, zugleich aber sehr beherrscht. Dass er keine überschwänglichen Liebeserklärungen machte, rechnete sie ihm hoch an. Seine Gefühle waren offensichtlich zu intensiv, um in abgedroschene Phrasen gekleidet zu werden.

Sie ließ sich von ihm aus dem Pullover helfen. Darunter trug sie ein altes Trikot ihres Vaters, der früher Rugby gespielt hatte, und noch ein T-Shirt. Rasch zog Gabriel ihr beides aus, sodass sie nur noch den BH aus Spitze trug, der nur knapp ihre vollen, festen Brüste bedeckte.

„Du bist wunderschön“, flüsterte Gabriel rau und ließ einen Finger über ihre weiche Haut gleiten. „Ich werde niemals genug davon bekommen, dich anzusehen und zu berühren.“

Leise lachend zog Laura seine Hand zum Mund und umfasste den Zeigefinger mit den Lippen, ihre andere Hand ließ sie aufreizend langsam über seine Brust und den flachen, festen Bauch immer tiefer gleiten.

„Wirklich niemals?“, hakte Laura nach. „Nicht einmal, wenn du im kommenden September wieder auf die Universität gehst und dort von attraktiven Studentinnen förmlich belagert wirst, die dir schöne Augen machen?“

„Wärst du dann eifersüchtig?“, erkundigte er sich und streifte ihr die Jeans ab.

„Und wie! Deshalb denke ich gar nicht daran.“ Sie presste sich an ihn und berührte seine Lippen verführerisch mit der Zungenspitze. „Ich konzentriere mich lieber auf das Hier und Jetzt.“ Um es zu beweisen, schob sie ohne Hemmungen seine Hand zwischen ihre Schenkel, damit er spüren konnte, dass sie bereit war, sich mit ihm zu vereinen.

„Du bist eine verführerische Hexe, Laura!“ Rasch streifte Gabriel ihr Slip und BH ab.

„Aber erst, seit ich dich kenne“, fügte sie hinzu.

Ja, sie war noch Jungfrau gewesen, als sie ihn kennengelernt und sich sofort unwiderstehlich zu ihm hingezogen gefühlt hatte. Keiner der jungen Männer, mit denen sie vorher ausgegangen war, hätte noch eine Chance bei ihr gehabt, nachdem der schwarzhaarige maskuline Fremde so plötzlich in ihr Leben getreten war und es ab da völlig bestimmte.

Gabriel umfasste ihre Brüste und stöhnte leise. Er wollte sich Zeit lassen, aber es fiel ihm schwer, sich zu beherrschen, wenn Laura sich so verführerisch an ihn schmiegte. Am liebsten hätte er sich sofort mit ihr vereint.

Rasch führte er sie zum Sofa zurück und kniete sich, nachdem sie sich gesetzt hatte, zwischen ihre Beine. Mit der Zunge umspielte er die rosigen Brustspitzen, bis sie vor Entzücken stöhnte und seinen Kopf an sich presste.

Kein anderer Mann wird sie jemals so berühren, denn sie ist nur für mich wie geschaffen, dachte Gabriel leidenschaftlich und begann, ihre sensibelste Stelle erregend zu liebkosen.

Als Laura scharf einatmete und ihm zuflüsterte, wie sehr ihr gefalle, was er mit ihr tat, wuchs sein Begehren noch mehr. Schließlich konnte er sich nicht länger beherrschen und vereinigte sich mit ihr.

Nachdem sie gemeinsam den Höhepunkt erreicht hatten, lagen sie aneinandergeschmiegt da, Laura auf dem Rücken, Gabriel auf der Seite. Er legte ihr einen Arm um die Taille und streckte ein Bein über ihre Beine. Das Sofa ist wirklich nur für eine Person gedacht, aber es genügt auch für zwei Menschen, die sich wirklich nahe sind … in jeder Hinsicht, dachte Gabriel zufrieden.

„Wäre es nicht schön, wenn wir so eine ganze Nacht lang schlafen könnten?“, fragte sie und presste seinen Kopf an ihre Brüste.

Statt zu antworten, ließ er eine Strähne ihres seidigen, langen Haars über ihre Brustspitzen gleiten, bis Laura leise lachte.

„Ich könnte dich ja im College besuchen, wenn du wieder studierst“, sprach sie träumerisch weiter. „In deinem Zimmer wären wir völlig ungestört. Ein herrlicher Gedanke! Oder du kommst zu mir nach Edinburgh. Ich kann es fast nicht erwarten, dort mit dem Studium anzufangen. So schön es zu Hause ist, es wird Zeit für mich, sozusagen meine Flügel auszubreiten.“

„Edinburgh ist zu weit von London entfernt“, erwiderte Gabriel.

„Was willst du damit sagen?“ Laura klang besorgt. „Ich weiß, dass du dann nicht mehr ganz in der Nähe bist wie jetzt, aber wir werden uns doch weiterhin treffen, oder? Immerhin hat uns das Schicksal füreinander bestimmt! Sonst hättest du bestimmt nicht ausgerechnet bei uns um einen Job gebeten.“

„Richtig, aber wirst du in Edinburgh überhaupt noch Zeit für mich haben?“, fragte er neckend. „Tiermedizin zu studieren füllt den Tag dermaßen aus, dass man sich nach den Vorlesungen nicht mehr um alte Bekannte kümmern kann.“

Laura seufzte erleichtert, als sie merkte, dass er nur gescherzt hatte. „Ein Glück, dass du kein alter Bekannter bist“, konterte sie schalkhaft und entspannte sich.

„Es gibt noch eine andere Möglichkeit, wie wir uns weiterhin regelmäßig sehen können.“

„Und welche?“ Sie ließ den Fuß sanft über seinen Schenkel gleiten. „Bist du plötzlich zu viel Geld gekommen und hast einen Hubschrauber gekauft, mit dem du dann jeden Abend nach Schottland fliegst?“

„Laura, willst du mich heiraten?“

Es dauerte einen Moment, bevor ihr die Bedeutung der Worte wirklich klar wurde. „Das fragst du nicht im Ernst, oder?“

„Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemals etwas so ernst gemeint, querida!“

Laura setzte sich auf und umschlang die Knie mit den Armen. Am liebsten hätte sie das Licht angeknipst, damit sie Gabriels Ausdruck sehen konnte, aber sie wagten nie, Licht zu machen. Zwar konnte man vom Haus aus die Fenster des Büros nicht sehen, aber es war besser, nicht das kleinste Risiko einzugehen.

„Du möchtest, dass ich dich heirate?“, fragte sie nochmals eindringlich, obwohl ihr klar war, dass er es tatsächlich völlig ernst meinte.

„Anfangs wäre es natürlich ein bisschen schwierig, Laura, aber wir könnten uns in London eine billige Wohnung suchen, und du kannst ja auch in London studieren. Ich brauche nur noch ungefähr ein Jahr für meinen Abschluss, und dann verdiene ich Geld. Bis dahin brauchen wir aber nicht zu hungern, das verspreche ich dir!“

„Gabriel, ich …“ Sie verstummte, als ihr überdeutlich bewusst wurde, welche Konsequenzen es haben würde, wenn sie ihn heiratete. Ihre Eltern würden vor Entsetzen wahrscheinlich tot umfallen! Sie hatten die bisherige Beziehung voll Unbehagen gesehen und wussten vermutlich nicht einmal, wie weit diese bereits gediehen war. Ihre Mutter hatte sich auf gelegentliche Warnungen beschränkt, Laura solle sich gefühlsmäßig nicht zu sehr engagieren. Ihr Vater hingegen hatte unmissverständlich ausgesprochen, wie sehr er missbilligte, was da vor sich ging, und sie aufgefordert, die Beziehung zu beenden, bevor diese außer Kontrolle geriet.

„Gabriel, ich liebe dich!“ Laura merkte, dass er von ihr wegrücken wollte, und umfasste seine Hand. „Ich habe noch nie Ähnliches empfunden. Das weißt du! Ich habe es dir schon oft gesagt – aber …“

„Aber?“, hakte Gabriel nach. Nein, es lief nicht so, wie er erwartet hatte: dass Laura sofort begeistert zustimmen würde. Natürlich gab es Probleme, über die man jedoch diskutieren und die man lösen konnte! Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen.

„Ich bin doch erst neunzehn“, erwiderte sie. Es klang beinah flehend. „Können wir nicht einfach weitermachen wie bisher?“

„Und uns weiterhin nur heimlich treffen – weil du dich schämst, mit mir gesehen zu werden?“

Laura fuhr bei seinem schroffen Ton zusammen. „Der Vorwurf ist unfair!“

„Ach ja?“ Gabriel stand auf und begann, sich anzuziehen. „Wie ich es sehe, hast du nichts dagegen, dich mit mir in deinem Bett abzugeben – besser gesagt, auf diesem elenden Sofa hier –, ansonsten schließt du mich aus jedem anderen Bereich deines Lebens aus.“

Zorn erfüllte ihn, als er sich erinnerte, wie Peter Jackson vorhin schallend gelacht hatte bei der Vorstellung, dass ein armer Schlucker aus Argentinien sich anmaßte, Laura heiraten zu wollen. Und Laura hatte ihn, ganz die Tochter ihres Vaters, abgewiesen. Egal, wie sie es zu beschönigen versuchte, sie hatte ihm eindeutig eine Abfuhr erteilt.

„Hör auf, Gabriel!“ Laura stand ebenfalls rasch auf und versuchte bestürzt, seine Hände zu umfassen. Er schob sie grob weg und zog sich weiter an. Plötzlich fühlte sie sich, nackt, wie sie war, schutzlos und verletzlich und streifte schnell mit bebenden Händen die Sachen über.

„Meine Güte, Laura, du bist so auf deinen Vater fixiert, dass du sogar sein Rugbytrikot trägst!“, bemerkte Gabriel höhnisch.

„Er trägt es schon seit Jahren nicht mehr. Ich habe es angezogen, weil es warm ist und mir als Erstes in die Finger geriet, als ich mich vorhin fertig gemacht habe, um dich, wie verabredet, zu treffen, Gabriel!“

„Ja, unter dem Deckmantel der Dunkelheit!“, bestätigte er bitter. „Hättest du dich auch so beeilt, wenn ich dich zum Abendessen eingeladen hätte? Wenn du deiner Mom und deinem Dad hättest gestehen müssen, dass du zu einer Verabredung mit mir unterwegs bist?“

„Ja, das hätte ich! Allerdings hast du mich ja noch nie gebeten, mit dir auszugehen“, warf sie ihm heftig vor, und in ihren Augen schimmerten Tränen. „Du kommst hierher, um zu arbeiten. Manchmal reiten wir zusammen aus, und wir schlafen miteinander, aber du hast mich noch niemals zum Abendessen eingeladen.“

„Du weißt, warum!“ Seine Stimme klang scharf. „Ich habe dir immer wieder klargemacht, dass ich jeden Penny meines kläglichen Gehalts spare, um das letzte Jahr meines Studiums finanzieren zu können.“

„Ich hätte das Essen bezahlen können, Gabriel.“

„Geld von einer Frau annehmen? Niemals!“

„Du bist so verdammt stolz! Deshalb zerstörst du jetzt, was uns verbindet.“

„Und was verbindet uns? Nichts“, erwiderte er vernichtend.

Lastendes Schweigen entstand. Gabriel ertrug es beinah nicht, Laura anzusehen. Sein früherer Optimismus kam ihm nun jämmerlich vor. Sogar als ihre Eltern ihn quasi vor die Tür gesetzt hatten, war er überzeugt gewesen, dass Laura zu ihm halten und seine Frau werden würde. Ihm war der klassische Fehler unterlaufen, die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen – und die bestand darin, dass er arm war wie die sprichwörtliche Kirchenmaus, Laura hingegen Tochter aus gutem Haus.

„Bitte, sag nicht so schreckliche Sachen“, flüsterte sie schließlich. „Ich liebe dich doch!“

„Nur eben nicht genug, um es aller Welt zu beweisen und mich zu heiraten. Worte, auf die keine Taten folgen, sind bedeutungslos.“

„So, wie du es sagst, klingt es ein bisschen zu einfach, Gabriel. Du meinst, weil ich dich liebe, müsste ich dir bedingungslos folgen, egal, wie sehr ich anderen Menschen damit wehtue.“

Er wurde rot und presste die Lippen kurz zusammen, bevor er erwiderte: „Eine Situation ist immer so einfach, wie man sie gestaltet.“

„Und unsere ist es nicht, im Gegenteil. Was ist zum Beispiel mit meinem Studium?“

„Ich habe dir doch gesagt, dass …“

„Ja, ja, dass ich erst einmal nach London ziehen soll, und dann findet sich alles Weitere – irgendwie! Und was ist mit meinen Eltern, Gabriel? Soll ich denen einfach den Rücken kehren? Warum kannst du nicht noch ein bisschen mit dem Heiraten warten? Meine Eltern würden sich nach und nach mit meiner Beziehung zu dir abfinden – ganz bestimmt! Ich könnte mein Studium in Edinburgh anfangen und nach ein, zwei Semestern an die Universität von London …“ Sie verstummte, als sie seine Unnachgiebigkeit spürte.

„Ich dachte, ich würde dich kennen, Laura.“ Gabriel lächelte bitter. „Ich habe mich geirrt.“

Nun war ihr klar, dass sie vergeblich gehofft hatte, ihn noch aufhalten zu können. Er würde zur Tür hinausgehen und nie mehr wiederkommen.

„Du kennst mich, Gabriel“, widersprach Laura ausdruckslos, während ihr eine Träne über die Wange rollte. „Besser als jeder andere Mensch.“

„Nein, das glaube ich nicht länger.“ Sarkastisch fügte er hinzu: „Querida!“ Das Kosewort klang nun eher wie eine Beschimpfung. „Höchste Zeit, dass du wieder die Rolle der höheren Tochter spielst. Das ist doch alles, was du kannst! Du wirst brav dein Studium absolvieren, eines Tages einen Mann heiraten, mit dem deine Eltern einverstanden sind – und glücklich bis ans Ende deiner Tage leben.“

Als Gabriel sich umwandte und zur Tür ging, schüttelte Laura die Benommenheit ab und eilte an ihm vorbei, um ihm den Weg zu versperren.

„Gabriel, tu mir das nicht an!“, bat sie flehentlich.

„Geh mir aus dem Weg!“

Er klang wütend und entschlossen, doch sie trat nicht beiseite. Sie wollte nicht tatenlos zusehen, wie er für immer fortging, auch wenn der Verstand ihr sagte, dass nun alles vorbei sei und sie nichts tun könne, um Gabriel noch umzustimmen.

Außer vielleicht … wenn sie einwilligte, ihn zu heiraten. Auch wenn sie damit riskierte, ihre Eltern zu enttäuschen und wütend zu machen. Auch wenn sie ihr Berufsziel aufgeben müsste, um ständig bei ihm zu sein. Doch plötzlich erkannte sie, dass er sie nun nicht mehr zur Frau wollte. Ihr war schon öfter aufgefallen, wie stolz er war, und nun stand dieser Stolz wie eine unüberwindliche Mauer zwischen ihnen.

Laura wurde zornig. „Wenn du mich lieben würdest, Gabriel, würde es dir nichts ausmachen, ein, zwei Jahre auf mich zu warten!“

Er griff an ihr vorbei zur Klinke und öffnete die Tür.

Obwohl Laura groß war, war sie nicht kräftig genug, um ihm Widerstand zu leisten, und wurde unerbittlich beiseitegeschoben.

„So kann es doch nicht enden!“, rief sie verzweifelt. Ihr Zorn war so schnell verflogen, wie er sie überfallen hatte. „Sag mir, dass wir uns wiedersehen, Gabriel!“

„Du solltest lieber hoffen, dass das niemals geschieht … querida!“

1. KAPITEL

Der frühe Morgen ist mir die liebste Tageszeit, dachte Gabriel zufrieden. Wenn er sich vom Chauffeur um halb sieben von Berkshire nach London bringen ließ, konnte er auf der etwa vierzig Minuten dauernden Fahrt in Ruhe die Zeitung lesen oder die Landschaft betrachten.

Manchmal überlegte er, dass er für seinen raschen Aufstieg zu Reichtum und Ansehen einen hohen Preis bezahlt habe, aber solche Momente waren selten. Die Zeiten der Selbstbetrachtung waren für ihn seit langem vorbei und würden nicht wiederkommen.

Er schlug die Financial Times auf und widmete sich den Berichten über drohende Konkurse. Marode Betriebe zu kaufen und gewinnbringend abzustoßen war sein Lebensinhalt. Sein Talent, dabei die echten Goldgruben aufzuspüren, galt als legendär.

Beinah hätte Gabriel die kurze Notiz am Ende der Zeitung übersehen, die besagte, dass ein gewisser Rennstall in Warwickshire vor dem Ruin stand. Während er die wenigen Zeilen nochmals las, lächelte er versonnen. Dann öffnete er die Glasscheibe, die ihn vom Chauffeur abschirmte, und forderte seinen Fahrer Simon auf, statt der Autobahn die Panoramastraße zu nehmen.

Bei der nächsten Ausfahrt bog Simon ab und fuhr die Nebenstraßen entlang, die von Sunningdale – wo Gabriel ein Landhaus besaß – in die Metropole führten.

Gabriel lehnte sich entspannt zurück und dachte an Peter Jacksons Rennstall, der vor dem Bankrott stand und nur durch eine kräftige Finanzspritze vor dem völligen Niedergang gerettet werden konnte. Er hätte nicht zufriedener sein können, wenn ihm eine gute Fee erschienen wäre und ihm versprochen hätte, dass von nun an alle seine Wünsche in Erfüllung gehen würden.

Zum ersten Mal seit sieben Jahren erlaubte er sich, an Laura zu denken – die einzige Frau, die ihm jemals etwas bedeutet hatte. Bisher hatte er bestimmte Erinnerungen sozusagen in den hintersten Winkel seines Gedächtnisses verdrängt, doch nun standen sie ihm wieder lebhaft vor Augen.

Er nahm förmlich den Geruch von frischem Stroh in den Ställen wahr, sah die Pferde vor sich, wie sie nach dem Morgenritt dampfend in die Boxen geführt wurden – und er sah Laura: wie sie beim Lachen den Kopf in den Nacken legte, sodass ihr das lange hellblonde Haar über den Rücken fiel. Er erinnerte sich an ihren herrlichen, geschmeidigen Körper und daran, wie sie sich ihm leidenschaftlich hingegeben hatte. Und er erinnerte sich überdeutlich daran, wie sie ihn schließlich zurückgewiesen hatte.

Altbekannter Zorn durchflutete ihn bei diesem Gedanken, und er fasste einen Plan.

Wieder öffnete er die Trennscheibe. „Fahren Sie doch auf dem kürzesten Weg in die Stadt, Simon! Mir ist gerade eingefallen, dass ich dringend etwas erledigen muss.“

Ja, er würde seinen Buchhalter veranlassen, ein ganz bestimmtes Telefonat zu tätigen, sobald der im Büro war. Da Andrew Grant jedoch erst um halb neun zur Arbeit erschien, musste Gabriel sich solange gedulden – was ihm unglaublich schwerfiel.

Kurz vor neun eilte Laura vom Hof her in die Küche, weil sie das Telefon klingeln hörte. Sie war gerade damit fertig geworden, die Pferde zu füttern und zu striegeln. Als sie den Hörer abnahm, fragte sie sich, warum sie sich überhaupt die Mühe machte, denn sie konnte sich denken, warum man sie anrief. Bestimmt war am anderen Ende wieder jemand, der auf die Begleichung einer offenen Rechnung drängte. Die Gläubiger fielen über sie her wie ein Mückenschwarm!

Ihr Vater hatte zu Lebzeiten alle Forderungen hintanhalten können, wodurch der Ruin jedoch nur aufgeschoben, nicht abgewendet worden war.

Sobald Peter Jackson tot und das ganze Ausmaß seiner Schulden bekannt geworden war, hatte jeder von ihr, Laura, das ihm zustehende Geld gefordert. Der Besitz war jedoch bis aufs Äußerste mit Hypotheken belastet, auch die Bank wollte ihr Geld – und das war erst die Spitze des Eisbergs.

Laura fragte sich jetzt, wie sie die Anzeichen des Niedergangs so lange hatte übersehen können: dass das Haus immer mehr verfiel, die Rennpferde eins nach dem anderen verkauft wurden, schließlich auch die bei ihnen untergestellten Reitpferde von den Besitzern abgeholt und anderswo untergebracht wurden.

Nein, sie hatte weiterhin fröhlich vor sich hin gelebt, ihre anspruchslose Arbeit in der nahe gelegenen Stadt erledigt und war, sich sicher und geborgen fühlend, abends nach Hause zu ihrem Vater und ihren Pferden zurückgekehrt, ohne den ins Auge springenden Ernst der Lage zu erkennen!

„Ja, bitte?“, meldete Laura sich nun unverbindlich.

„Hier Andrew Grant. Spreche ich mit Miss Jackson? Der Besitzerin von ‚Jacksons Reitcenter‘?“

Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und hätte am liebsten verzweifelt gestöhnt. „Ja, ich bin Miss Jackson. Falls Sie wegen einer offenen Rechnung anrufen, muss ich Sie bitten, sich schriftlich an meinen Buchhalter Philipp Carr zu wenden, der sich in angemessener Zeit damit befassen wird.“ Dass er sie begleichen würde, konnte sie schlecht sagen, denn wovon hätte er sie bezahlen sollen?

„Ich habe hier vor mir einen kurzen Artikel der Financial Times, Ihren Betrieb betreffend, Miss Jackson. Keine hübsche Lektüre, wenn ich das so sagen darf.“

„Ich gebe zu, dass es zurzeit einen finanziellen Engpass gibt, Mr. Grant, aber ich versichere Ihnen …“

„So weit ich es sehe, sind Sie pleite, Miss Jackson.“

Die unverblümte Bemerkung raubte Laura den letzten Mut. Bebend setzte sie sich auf einen Stuhl neben dem kleinen Telefontisch und blickte starr auf ihre abgetragenen Stiefel und den ausgefransten Saum der Jeans. Sie kam sich vor, als wäre sie in den vergangenen vier Monaten von einer sorglosen jungen Frau von sechsundzwanzig Jahren unvermittelt zur Greisin geworden.

„Ja, flüssiges Kapital stellt für mich momentan ein Problem dar, Mr. Grant, aber ich kann nur nochmals bekräftigen, dass …“

„Sie wie durch ein Wunder zu genügend Bargeld kommen, um Ihre Schulden zu begleichen?“, unterbrach er sie ironisch. „Und wann, Miss Jackson? Morgen? Nächsten Monat? Im kommenden Jahr?“

„Mein Buchhalter ist …“

„Ich habe bereits mit Mr. Carr telefoniert. Wie ich die Lage einschätze, bleibt ihm nichts weiter zu tun, als sozusagen ein würdiges Begräbnis für Ihren Betrieb zu arrangieren.“

Laura atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Hören Sie, Mr. Grant, wer sind Sie eigentlich? Sie haben kein Recht, sich hinter meinem Rücken mit meinem Buchhalter in Verbindung zu setzen! Dafür könnte ich Sie vor Gericht bringen.“

„Das wohl kaum. Ich habe jedes Recht auf eine Unterredung mit Ihrem Buchhalter, weil der Zustand Ihres Reitstalls inzwischen öffentlich bekannt ist.“

„Was wollen Sie, Mr. Grant?“

„Ich möchte Ihnen finanzielle Hilfe anbieten.“

„Worin soll die bestehen?“, hakte Laura misstrauisch nach. „Ich verstehe nichts von Finanzen. Sie wenden sich besser nochmals an Mr. Carr, und er kann mir dann erklären, worum …“

„Ich biete Ihnen Hilfe im Auftrag eines äußerst wohlhabenden Klienten an, Miss Jackson, der seine Pläne mit Ihnen persönlich besprechen möchte.“

„Mit mir? Das wäre doch sehr unüblich und …“

„Je eher Sie ein Treffen mit meinem … Klienten arrangieren, desto schneller lassen sich Ihre Probleme lösen, Miss Jackson. Wie wäre es mit – Moment …“, offensichtlich zog Mr. Grant einen Terminkalender zu Rate, „… mit morgen Mittag?“

„Morgen Mittag? Hören Sie, Mr. Grant, soll das ein übler Scherz sein? Wer ist dieser geheimnisvolle Klient?“

Er ging auf ihre Frage nicht ein. „Sie müssten zu einer Vorbesprechung nach London kommen, denn mein Klient ist äußerst beschäftigt. Könnten Sie sich morgen um ein Uhr im Restaurant Cache d’Or in der Gloucesterroad in Kensington einfinden?“

„Mr. Grant, ich …“

„Wenn Sie Zweifel bezüglich der finanziellen Leistungsfähigkeit meines Klienten oder seiner Vertrauenswürdigkeit hegen, wenden Sie sich am besten an Ihren Buchhalter Mr. Carr, der Sie bestimmt beruhigen kann.“

Laura war jedoch keineswegs beruhigt, nachdem sie Philipp angerufen und ihn mit Fragen bestürmt hatte, wer der geheimnisvolle Retter sei, der einen ruinierten Reitstall in einer abgelegenen Gegend Englands zu kaufen bereit sei.

„Er kann es nicht ernst meinen. Du weißt ja, wie desolat es jetzt bei uns aussieht, Philipp.“ Sie kämpfte mit den Tränen bei der Erinnerung, wie großartig der Besitz gewirkt hatte, als ihre Mutter noch lebte und die Welt noch in Ordnung gewesen war. Das schien eine halbe Ewigkeit her zu sein.

„Das Angebot, mit dir zu verhandeln, ist durchaus ernst gemeint, Laura. Es kann auf keinen Fall schaden, zu der Vorbesprechung zu fahren.“

„Weißt du, um wen es sich handelt?“

„Man hat mich nur informiert, dass sich das Vermögen des betreffenden Anbieters auf mehrere Millionen Pfund beläuft, und mir eine detaillierte Liste der Firmen gefaxt, die ihm gehören.“ Philipp klang ungewohnt kleinlaut.

„Wieso tut er so geheimnisvoll?“, fragte sie missmutig. Sie und Philipp kannten sich seit Jahren, und sie vertraute ihm bedingungslos. Warum war er plötzlich so zurückhaltend?

„Weil er behauptet, es sei äußerst wichtig, dass niemand außer den Beteiligten von dem möglichen Deal erfährt.“

„Das verstehe ich nicht.“

Philipp seufzte. „Wenn du meinen Rat hören willst, Laura: Triff dich mit dem Mann! Was hast du schon zu verlieren? Besser gesagt, wenn du diese letzte Chance nicht nutzt, wirst du alles verlieren. Das Haus samt Einrichtung, deine geliebten Pferde, die Ländereien. Die Lage ist noch schlimmer, als ich anfangs befürchtet hatte.“

Laura schauderte vor banger Vorahnung und war dankbar, dass ihr Vater nicht mehr lebte. So brauchte er nicht zu sehen, was er angerichtet hatte. Ja, er hatte den Besitz verschleudert, aber sie konnte ihn dafür nicht hassen. Nach dem Tod ihrer Mutter war er von Trauer überwältigt worden und hatte Vergessen in Glücksspiel und Alkohol gesucht. Man hatte ihm nichts angemerkt, da er immer gute Laune gezeigt hatte, doch in Wirklichkeit hatte er den Schicksalsschlag nicht verkraftet.

„Es könnte sogar dazu kommen, dass du einige der privaten Schulden deines Vaters begleichen musst“, erklärte Philipp weiter. „In dem Fall könnte dein Lohn gepfändet werden. An deiner Stelle würde ich wirklich das Angebot in Erwägung ziehen, vorausgesetzt, der große Unbekannte erweist sich als vertrauenswürdig. Es ist deine letzte Chance.“

Diese Worte klangen Laura noch in den Ohren, als sie am Tag darauf vor dem Schrank stand und überlegte, was sie für das vermutlich folgenschwerste Rendezvous ihres Lebens anziehen solle. Groß war die Auswahl nicht: einige schlichte Röcke und Blusen, die sie trug, wenn sie an drei Tagen pro Woche als Sekretärin in einem Maklerbüro arbeitete, außerdem T-Shirts, Pullover und Jeans für die Arbeit mit den Pferden.

Schließlich entschied sie sich für den engen dunkelgrauen Rock und die fein gerippte, dünne graue Strickjacke mit den winzigen Perlmuttknöpfen, dazu die hochhackigen schwarzen Schuhe.

Hoffentlich ist der einflussreiche Geschäftsmann nicht klein geraten, dachte Laura beklommen. Es würde ihrem Anliegen nicht förderlich sein, wenn sie ihn mit ihren ein Meter fünfundsiebzig überragte.

Nach einer eintönigen, mehrere Stunden dauernden Fahrt, auf der Laura über die düsteren Zukunftsaussichten nachdachte, gelangte sie pünktlich zum Restaurant in Kensington. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Rasch schaute sie sich um, ob sie einen übergewichtigen Mann mittleren Alters entdecken könne, der wie ein Krösus aussah.

Gabriel saß, von üppigen Topfpflanzen halb verborgen, am anderen Ende des Restaurants und beobachtete Laura. Morgens war er mit einem Gefühl prickelnder Erwartung aufgewacht, wie er sie seit langem nicht mehr empfunden hatte – und hatte es genossen. Seiner Erfahrung nach machten Geld und Macht einen Menschen nicht unbedingt korrupt, aber sie stumpften ihn ab. Wenn man auf den kleinsten Wink hin bekam, was man sich wünschte, stellten sich früher oder später Überdruss und Zynismus ein.

Flüchtig lächelnd musterte Gabriel seine einstige Geliebte. Ja, sie hatte sich in den vergangenen sieben Jahren verändert. Das hellblonde Haar reichte ihr nicht mehr bis zur Taille – ein Anblick, den er immer sehr sexy gefunden hatte –, sondern fiel ihr glatt und seidig auf die Schultern. Die Frisur stand ihr ausgezeichnet, stellte er anerkennend fest. Laura sah überhaupt großartig aus: Sie hatte noch immer eine blendende Figur, und ihre langen Beine waren noch so schlank und wohlgeformt wie damals. Plötzlich wandte er, von einem heftigen, aber undefinierbaren Gefühl erfüllt, den Blick ab und wartete darauf, dass Laura an den Tisch geführt wurde.

Schließlich stand sie vor ihm und sah ihn ungläubig an.

„Gabriel, du? Das hätte ich nie … Wie geht es dir?“ Wie unter Schock stehend, griff Laura Halt suchend nach der Sessellehne und rang sich ein höfliches Lächeln ab.

„Ja, so trifft man sich wieder.“ Gabriel trank einen Schluck seines Aperitifs und musterte sie herablassend über den Rand des Glases hinweg. „Du wirkst ein bisschen … verstört.“ Tatsächlich wirkt sie, als könnte sie jeden Moment in Ohnmacht fallen, dachte er.

„Ich habe nicht erwartet, ausgerechnet dich hier zu treffen.“ Starr sah sie ihm in die dunklen Augen, die sie zu hypnotisieren schienen, und Hitze durchflutete sie plötzlich. Genau wie damals! War das tatsächlich schon sieben Jahre her? Ihr kam es vor, als wäre es erst gestern gewesen. „Als das Treffen verabredet wurde, hatte ich keine Ahnung, dass …“

„Du mir hier begegnen würdest“, beendete Gabriel den Satz. „Dich im Unklaren zu lassen war durchaus beabsichtigt. Bitte, setz dich doch!“

Ihm war klar, dass sie am liebsten sofort aus dem Restaurant geflüchtet wäre, aber ihre hoffnungslose finanzielle Lage verbot es ihr. Das Schicksal hatte sie ihm in die Hände gespielt, und eine bessere Vergeltung hätte er sich nicht einmal in seinen rachsüchtigsten Momenten ausdenken können.

„Setz dich“, forderte Gabriel sie erneut auf, da sie stehen geblieben war und verschreckt wirkte wie ein Reh, das starr in die Scheinwerfer eines herankommenden Autos blickte. „Wir sind doch alte Freunde und haben uns viel zu sagen.“

Sie hat noch immer diese zugleich unschuldige und sinnliche Ausstrahlung, dachte er, während er ihr in die großen braunen Augen sah. Plötzlich durchflutete ihn heißes Begehren, und er wandte kurz den Blick ab.

Laura setzte sich endlich und befeuchtete sich die trockenen Lippen mit der Zungenspitze. „Worum geht es dir eigentlich, Gabriel?“

„Ich dachte, mein Buchhalter hätte dir das bereits erklärt, Laura.“ Er winkte den Ober zu sich und bestellte ihr ein Glas französischen Weißwein, dann wandte er sich ihr wieder zu. „Endlich bin ich nach sieben Jahren in der Lage, dir einen Drink zu spendieren, noch dazu in einem eleganten und unglaublich teuren Restaurant. Was heißt einen Drink? So viele, wie du möchtest! Ist das nicht erstaunlich?“

„Ich hätte lieber Mineralwasser, Gabriel.“

Er tat, als hätte er nichts gehört.

Ob er ahnt, was er mir antut?, dachte Laura. Natürlich wusste er es! Er wollte ihr die Kränkung heimzahlen, die sie ihm sieben Jahre zuvor zugefügt hatte. Wie unglaublich attraktiv er damals gewesen war! Unauffällig blickte sie zu ihm. Ja, er sah noch immer ungewöhnlich gut aus und besaß dieselbe umwerfend männliche Ausstrahlung wie früher. Etwas hatte sich jedoch grundlegend verändert: Sein Ausdruck wirkte hart, und seine dunklen Augen blickten kalt und abschätzend. Plötzlich wurde ihr übel.

„Du siehst blass aus, Laura. Trink einen Schluck Wein!“

Der Klang seiner Stimme brachte sie schlagartig in die Wirklichkeit zurück.

„Übrigens, ich möchte dir mein Beileid zum Tod deines Vaters aussprechen“, fügte Gabriel hinzu und musterte sie kühl.

„Danke.“ Laura trank einen Schluck. „Du bist, wie man sieht, ein erfolgreicher Mann. Ich hatte keine Ahnung …“

„Dass ein mittelloser junger Mann, der mühsam Geld fürs Studium zusammenkratzen musste, es bis nach ganz oben schaffen könnte“, unterbrach er sie sarkastisch.

„Das wollte ich nicht sagen. Wie geht es deinem Vater?“ 

„Sehr gut. Er lebt jetzt wieder in Argentinien.“

„Und du, Gabriel? Bist du verheiratet? Hast du Kinder?“ Plötzlich fiel Laura auf, dass sie sich nie vorgestellt hatte, Gabriel könne inzwischen verheiratet sein – und ihr fiel außerdem auf, dass sie die Erinnerungen an ihn zwar verdrängt, ihn aber keineswegs vergessen hatte, seit er so unvermittelt aus ihrem Leben verschwunden war.

Sie hatte sich von ihren Eltern einreden lassen, dass die Trennung von Gabriel für sie das Beste sei, dass sie ohnehin nicht zueinander gepasst hätten, dass sie an ihre Zukunft denken solle und ihn vergessen würde – aber sie hatte ihn nicht vergessen. Allerdings erinnerte sie sich an ihn als einen sehr jungen, sozusagen unfertigen Mann – und nun saß ihr ein erfolgreicher Finanzmagnat gegenüber, dem die Welt zu Füßen lag.

Gabriel biss bei Lauras Frage kurz die Zähne zusammen. Ja, er hatte einmal von Ehe und Kindern geträumt. Mit Laura. Damals war er so naiv gewesen zu glauben, dass sie diesen Traum teilte. Dann hatte ihm die Wirklichkeit einen schweren Schlag versetzt, und ihm war klargeworden, dass er nichts weiter als ein Spielzeug für ein verwöhntes, reiches Mädchen gewesen war. Wenn Laura an eine Heirat gedacht hatte, dann nicht mit einem mittellosen Argentinier. Der hatte nicht genug Klasse für eine Frau wie sie. Bei dem Gedanken umfasste er das Glas fester, dann trank er es auf einen Zug leer.

„Nein“, beantwortete Gabriel die Frage schließlich schroff. Er bedeutete dem Ober, die Speisekarte zu bringen, und nachdem sie das Essen ausgesucht und bestellt hatten, lehnte er sich entspannt zurück und blickte sich kurz in dem eleganten Raum um. „Wer hätte vor sieben Jahren gedacht, dass wir unsere Rollen einmal tauschen würden? Dass ich dir in einer solchen Umgebung als Gastgeber gegenübersitzen würde, während du die – wie soll ich es ausdrücken? – Zerknirschte spielst.“

„Warum bist du so verbittert?“ Ratlos sah Laura ihn an und seufzte leise. „Ich möchte nicht über die Vergangenheit, sondern lieber über die Gegenwart sprechen. Philipp sagte mir, dass du Interesse hättest, den Rennstall zu kaufen. Allerdings muss ich dich warnen – er ist nicht mehr wie früher.“ Und ich wünschte, du würdest mich nicht so eindringlich ansehen, fügte sie im Stillen hinzu.

„Warum bin ich so verbittert?“, überlegte Gabriel laut und sah sie feindselig an. „Was meinst du denn, Laura?“

„Dass dein Stolz schwer verletzt wurde, als ich …“ Sie verstummte befangen und schob sich nervös eine Strähne hinters Ohr.

„Sprich es ruhig aus“, forderte er sie leise auf. „Wir haben uns so lange nicht gesehen, da ist es doch ganz normal, über alte Zeiten zu reden!“

„Welchen Sinn hätte das?“ Laura nahm die Serviette vom Schoß und warf sie auf den Tisch. „Hast du überhaupt die Absicht, den Stall zu kaufen, Gabriel, oder hast du mich nur hierher bestellt, um mich zu demütigen, weil ich damals deinen Heiratsantrag abgelehnt habe?“ Nun hatte sie ihre Befürchtung unmissverständlich ausgesprochen.

Schweigend sahen sie einander starr an.

Nein, ich erlaube ihm nicht, mit mir Katz und Maus zu spielen, schwor Laura sich. Gabriel hatte sie nur deswegen hierher bestellt, um sie zu Kreuze kriechen zu lassen, dessen war sie sich nun absolut sicher.

Unvermittelt stand sie auf und nahm ihre Handtasche. „Diese Behandlung muss ich mir von dir nicht bieten lassen, Gabriel! Ich gehe.“

„Du bleibst hier!“ Seine Stimme klang so scharf wie ein Peitschenknall.

„Du hast mir nicht zu sagen, was ich tun und was ich lassen soll, Gabriel!“ Laura stützte die Hände auf die Tischplatte und neigte sich zu ihm. Das war ein Fehler, denn nun war sie ihm viel zu nah. Seinen festen, schön geschwungenen Lippen gefährlich nah …

Gabriel lächelte versonnen und ließ den Blick zu ihren festen Brüsten unter der engen Strickjacke gleiten. „Dann hat sich ja einiges grundlegend geändert, meine Liebe! Ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich dir genau sagen durfte, was du tun solltest. Du hast meine Anweisungen stets ausgeführt – und es mit allen Sinnen genossen.“

Laura errötete und atmete scharf ein.

„Aber wir haben uns nicht getroffen, um über die Vergangenheit zu reden, stimmt’s?“ Noch immer lächelte er, doch sein Ausdruck war kühl und verschlossen. „Nein, du bist hier, um mit mir über das Schicksal des Stalls zu sprechen, und deswegen wirst du dich jetzt wie ein braves Mädchen wieder hinsetzen. Es geht um deine Zukunft, und du hast – das darfst du mir glauben – keine andere Wahl, als meine Gesellschaft zu ertragen.“

Plötzlich verließ Laura aller Kampfgeist. Ja, Gabriel saß am längeren Hebel. Egal, welche Trumpfkarte sie ausspielte, er hatte immer noch ein Ass in der Hand. Sie hatte tatsächlich keine andere Wahl, als ihn und seine Feindseligkeiten zu ertragen.

„So ist es schon besser“, lobte er, nachdem sie sich wieder gesetzt hatte. „Und nun wollen wir beim Essen alles besprechen – ganz wie zwei zivilisierte Erwachsene.“

Der Ober servierte das Essen, was ihr eine kurze Atempause gewährte, in der sie sich zu beruhigen versuchte. Die Seezungenfilets dufteten verlockend, aber ihr war der Appetit vergangen.

„Darf ich vorschlagen, dass wir nicht mehr über die Vergangenheit reden?“, begann Laura angespannt, nachdem der Ober sie wieder allein gelassen hatte.

„In deiner jetzigen Lage steht es dir nicht zu, irgendwelche Vorschläge zu machen“, erwiderte Gabriel und aß einen Bissen von dem saftigen, delikat gewürzten Heilbutt, den er bestellt hatte. Er wunderte sich, dass es ihn nicht wirklich befriedigte, die erste Runde im Match mit Laura gewonnen zu haben, indem er sie zum Bleiben gezwungen hatte. „Nun zur Tagesordnung: Wie steht es wirklich um den Stall?“

„Das weißt du doch. Philipp hat es deinem Buchhalter am Telefon geschildert – es ist ein einziges, riesiges Chaos“, gab Laura widerstrebend zu. „Die Rennpferde wurden bereits vor vier Jahren verkauft. Die meisten der bei uns untergestellten Pferde sind von ihren Besitzern abgeholt worden, und die wenigen, die noch in meiner Obhut sind, darf ich bestimmt nicht mehr lange betreuen. Das Haus steht immerhin noch – aber nicht mehr lange, wenn es nicht bald saniert wird.“

„Wie konnte es so weit kommen, Laura?“

Autor

Cathy Williams
<p>Cathy Willams glaubt fest daran, dass man praktisch alles erreichen kann, wenn man nur lang und hart genug dafür arbeitet. Sie selbst ist das beste Beispiel: Bevor sie vor elf Jahren ihre erste Romance schrieb, wusste sie nur wenig über deren Inhalte und fast nichts über die verschiedenen Schreibtechniken. Aber...
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