Romana Exklusiv Band 384

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JETZT LASS ICH DICH NIE MEHR LOS! von LOGAN, NIKKI

Damals hat Dan sie abblitzen lassen - jetzt muss Gartendesignerin Ava mit dem ehrgeizigen TV-Produzenten zusammenarbeiten. Die Luft am Set knistert, und Dan liest ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Weil sie der neue Star seiner Show ist - oder weil er sie nun doch begehrt?

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  • Erscheinungstag 08.02.2025
  • Bandnummer 384
  • ISBN / Artikelnummer 0853250384
  • Seitenanzahl 448

Leseprobe

Nikki Logan

1. KAPITEL

„Ist das überhaupt legal?“

Stirnrunzelnd betrachtete Ava Lange die Reihe der Männer in Businessanzügen, die Daniel Arnot in seinem Büro in einem Wolkenkratzer Sydneys flankierten. Sie wirkten sehr siegessicher – offensichtlich waren sie daran gewöhnt, immer ihren Willen durchzusetzen.

Vier gegen eine. Wie schön!

„Können sie das überhaupt machen, Dan? Schließlich haben wir einen Vertrag!“ Ava hatte das Wort sie mit Absicht benutzt. Sie wollte damit das Schlachtfeld markieren, auf dem sie sich befand – mit den Anzugträgern des Fernsehsenders auf der einen und ihr auf der anderen Seite. Dazwischen gab es nur Stacheldraht. Genauso fühlte Ava sich in diesem Moment. Für sie waren alle Feinde, vor allem der Mann in der Mitte, der ihren Blick ungerührt erwiderte.

„Ja, natürlich können wir das machen, Ava.“

Die Enttäuschung traf sie wie ein Schlag in den Magen, als Daniel ihr erklärte, wo seine Loyalitäten lagen. Doch dann kam der Zorn, wie eine Welle, die all ihre Angst überschwemmte. Ava hatte von Anfang an ein schlechtes Gefühl gehabt, als man sie ins Chefbüro bestellt hatte. Sie war davon ausgegangen, dass man sie entlassen und nicht befördern würde.

Aber anscheinend hatte sie sich geirrt.

Sie legte die Hände auf Dans Schreibtisch und war froh, dass sie nicht zitterten. „Du willst mir also allen Ernstes sagen, dass ich meinen Job als Landschaftsdesignerin für unsere Sendung Urban Nature nur dann behalten kann, wenn ich vor der Kamera agiere?“

Der Anzugträger Nummer eins meldete sich als Erster zu Wort. „Es gibt in Ihrem Vertrag eine Klausel, die AusOne erlaubt, die Art Ihres Engagements zu verändern, wenn Sie …“

Dan warf dem Mann einen scharfen Blick zu, und er verstummte. Dann wandte er sich wieder Ava zu. „Das Testpublikum hat sehr positiv auf deinen kurzen Auftritt in der letzten Folge reagiert.“ Er klang so, als würde das alles erklären. „Wir möchten dir gern mehr Raum geben und sehen, was passiert.“

Es war schon lange her, dass Ava in seinen kastanienfarbenen Augen versunken war. „Ich habe überhaupt kein Interesse daran, im Fernsehen aufzutreten.“

Seine Züge verhärteten sich, und ein kleiner Teil in ihr freute sich darüber, dass es ihr gelungen war, ihn aus der Fassung zu bringen. Dass sie überhaupt einen Eindruck auf ihn machen konnte. Aber so leicht ließ Dan sich nicht irritieren.

„Ava, eine solche Gelegenheit kommt nur einmal im Leben“, sagte er eindringlich. „Du solltest die Chance nutzen.“

Sie zog die Hände von der polierten Oberfläche seines Schreibtischs zurück. Offensichtlich konnte sie gegen seine Entschlossenheit nicht viel ausrichten. Ihr Puls beschleunigte sich, und sie richtete sich auf.

„Ich habe keinerlei Interesse, im Fernsehen aufzutreten, Dan. Deshalb sage ich Nein.“

Anzugträger Nummer eins meldete sich erneut. „Sie können nicht Nein sagen. Sie stehen bei uns unter Vertrag.“

Ava sah ihn prüfend an. Meinte er das wirklich ernst? Er kam ihr vor wie ein Bluthund. Sie konnte sich gut vorstellen, wie unerbittlich er vor Gericht sein würde. Das war kein sehr angenehmer Gedanke.

Dan ließ sich tiefer in seinen Ledersessel sinken. Er hob stumm zwei Finger, und die drei Anwälte erhoben sich wie auf Kommando. Wenn sie nicht so wütend gewesen wäre, hätte Ava am liebsten laut gelacht.

Sie ließ ihren Blick unverwandt auf Daniel ruhen, während die drei Männer an ihr vorbeidefilierten und das Zimmer verließen. Erst dann entspannte sich Dan und strich sich mit der Hand durchs Haar. Zwei Dinge fielen Ava dabei auf: Es sah so aus, als hätte er eine Maniküre gehabt, und sein Haarschnitt hatte bestimmt mindestens hundert Dollar gekostet.

Eine Maniküre? Der Daniel Arnot, den sie von früher kannte, hatte sich weder für seine Fingernägel noch für Politik interessiert. Alles, was er machen wollte, war surfen. Sehr zu Avas Leidwesen, denn sie hatte sich brennend gewünscht, dass er sich stattdessen nur einmal für sie interessiert hätte. Doch jetzt, wo genau dies passierte, wäre sie am liebsten aus dem Zimmer gestürmt.

Er sah sie eindringlich an. „Ava …“

„Nein, bitte nicht!“ Sie sprang auf, denn diesen honigsüßen Ton seiner Stimme kannte sie nur zu gut. Er hatte ihn ihr halbes Leben lang benutzt, wenn er etwas von ihr wollte. Aber heute war nicht der Tag, um herauszufinden, ob Daniel noch Macht über sie hatte.

„Nein, Dan. Mich kannst du nicht einwickeln. Vergiss nicht, dass du dein Verhandlungsgeschick jahrelang an mir und meinem Bruder ausprobiert hast.“

„Ava, wenn du Nein sagst, heißt das Vertragsbruch, und die Piranhas dort draußen werden dich vor Gericht in Stücke reißen. Willst du das?“

Eine öffentliche Gerichtsverhandlung? Natürlich war das das Letzte, was Ava wollte. Im Gegenteil, ihr war einzig und allein daran gelegen, ihre Beratungstätigkeit auszuweiten und sich dadurch finanziell abzusichern. Eine schlechte Publicity konnte sie sich auf keinen Fall leisten.

Wütend sah sie Dan an. „Du kennst mich doch! Wie kommst du darauf, dass ich mich auf so etwas einlassen würde?“

„Das hat mir mein gesunder Menschenverstand gesagt. Schließlich hast du keine Alternative.“

„Mir gefällt meine Arbeit so, wie sie ist – ich bleibe im Hintergrund, ich entwerfe die Gärten und überlege mir die Themen für die Sendung.“

„Das wird sich ja nicht ändern, außer dass dies jetzt vor der Kamera passiert. Wir drehen pro Folge ein paar Szenen mit dir ab, und der Rest bleibt wie immer.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich müsste dann den ganzen Tag am Set sein, statt in meinem Büro zu sitzen und an den Entwürfen zu arbeiten.“

Dan wischte ihren Einwand mit einer Handbewegung fort. „Wir besorgen dir ein Wohnmobil, okay?“

Dann nannte er noch ein schwindelerregend hohes Honorar, bei dem ihr die Luft wegblieb. Aber im Grunde erhöhte das ihr Misstrauen nur noch.

„Was hast du eigentlich davon?“, fragte sie herausfordernd. „Geld? Eine Beförderung?“

Offensichtlich hatte sie ins Schwarze getroffen, denn er zuckte kurz zusammen. „Nur für eine Saison, Ava. Nur dreizehn Folgen. Dann läuft dein Vertrag aus, und du kannst wieder neu verhandeln.“

Ava konnte es immer noch nicht fassen, dass Dan ihr ein solches Angebot machte. Nach allem, was ihre Familie für ihn getan hatte! Was war nur aus ihm geworden?

„Ich frage mich, was mein Vater dazu sagen würde, dass du mich so unter Druck setzt“, sagte sie anklagend.

Wie ein wilder Stier schoss Daniel augenblicklich aus seinem Sessel und ging mit schnellen Schritten auf sie zu.

Neun Jahre – und nichts hatte sich geändert.

„Er würde sich bei mir dafür bedanken, dass ich dir diese einmalige Chance biete.“ Dan holte tief Luft. „Und denk doch mal daran, was für eine Werbung das für dein Business bedeuten würde.“

Damit hatte er natürlich einen Stich gemacht. Diese Fernsehsendung war die ideale Plattform, um ihren Namen in der Branche bekannt zu machen. Das wussten beide, und Ava hatte sich immer viel auf ihre Ehrlichkeit eingebildet. Zur Hölle mit ihm!

„Warum setzt du mich nicht gleich im Bikini auf die Motorhaube eines teuren Autos?“, fragte sie aufgebracht. „Wie viele Leute werden mich wohl als Landschaftsgestalterin engagieren, wenn ich als Nummerngirl im Fernsehen auftrete? Hier geht es schließlich um meine Berufsehre!“

Um sich zu beruhigen, goss sie sich ein Glas Wasser ein und schüttete den Rest aus der Flasche in einen Topf mit einem ziemlich vertrockneten Bambus. Plötzlich sah sie, dass Dan lächelte.

„Was?“

„Du liebst Pflanzen, das gehört einfach zu dir.“ Bewunderung leuchtete in seinen Augen auf. „Warum willst du deine Begeisterung und dein Können nicht mit dem Publikum teilen? Du schreibst die Drehbücher inzwischen ja sowieso schon fast selbst – warum willst du das Thema dann nicht auch öffentlich präsentieren?“

Ava schlug die Augen nieder und dachte fieberhaft nach. Die Bedingungen ihres Vertrags ließen ihr im Grunde gar keine andere Wahl, als zuzustimmen. Die Anwälte wussten das, und Dan wusste es auch. Nie im Leben würde sie vor Gericht gegen AusOne, einen der größten australischen Fernsehsender, gewinnen, daran konnte kein Zweifel bestehen. Aus dem Vertrag auszusteigen, war auch keine gute Idee. Mit dem Geld, das Dan ihr anbot, konnte sie ihr eigenes Unternehmen dann endlich auf solide Füße stellen.

Und schließlich ging es nur um sechs Monate.

„Unter zwei Bedingungen“, sagte sie, und er nickte.

„Ich mache alles selbst, und Shannon und Mick bleiben als meine Assistenten dabei.“

„Unbedingt!“

„Wirst du das schriftlich aufsetzen?“

Dan presste die Lippen aufeinander. Das schien ihm nicht zu gefallen.

„Komm schon, Dan. Du hast doch mehr als genug Anwälte, die dir in Null Komma nichts einen solchen Vertrag aufsetzen.“

„Ich bin enttäuscht, dass du das überhaupt erwähnen musst. Glaube mir, es ist durchaus in deinem Interesse. Überlass ruhig alles mir.“ Er sah sie beschwörend an. In diesem Moment klingelte ein Telefon. „Dreizehn Folgen, Ava. Mehr verlange ich nicht von dir.“

Und dann sah sie es – einen klitzekleinen Funken von dem Mann, den sie von damals kannte. Ganz tief in Dans Augen war die Angst versteckt, dass sie ihre Sachen packen und gehen würde. Dies hier war wichtig für ihn. Und sofort war es um Ava geschehen. Sie war wieder sechzehn Jahre alt, und er war ihr Held, den sie unmöglich verletzen konnte.

„Meine Karriere ist in deinen Händen“, sagte sie ruhig.

Er nickte. „Ja, ich weiß.“

„Gib mir dein Wort, dass wir uns für das Endprodukt nicht schämen müssen.“

Er streckte die Hand aus. „Du hast mein Wort. Beim Gedenken an deine Mutter.“

Ava sah ihn zögernd an. Sie durfte nicht vergessen, dass er jetzt auf der anderen Seite stand.

„Wenn du nur ein bisschen Respekt für meine Mutter hättest, würdest du mich nicht als Mittel benutzen, um deine Karriere voranzutreiben“, sagte sie streng.

Er wurde blass, was sie mit Genugtuung feststellte. Dann drehte sie sich um und verließ das Büro. Nein, sie konnte ihm nicht vertrauen. Er war nicht mehr der beste Freund ihres Bruders Steve, und er war auch nicht mehr ihr älterer Bruder.

Dan war inzwischen einer von den anderen.

Er war der Feind.

2. KAPITEL

„Willst du mich auf den Arm nehmen?“ Ava sah ihren Bruder verwirrt an. „Das kann ich mir nicht leisten.“

Sie betrachtete das wunderschöne Haus, das einen prachtvollen Blick auf den Hafen von Sydney bot. Ava hatte Steve gebeten, eine passende Wohnung für sie zu suchen. Denn wenn sie jetzt sechs Tage die Woche am Set für Urban Nature sein musste, konnte sie nicht wie bisher immer von Flynn’s Beach anreisen, was an der Südküste lag. Steve hatte sie bereits gewarnt, dass es nicht billig sein würde, in der Stadt zu wohnen. Aber dies hier überstieg all ihre Erwartungen. Ava war erstaunt, dass er ihr überhaupt ein solches Angebot machte. Sie dachte nicht im Traum daran, einen Großteil ihrer Gage für die Miete aufzubringen.

„Du verstehst es immer noch nicht, oder? Das gehört alles dazu“, sagte Steve.

„Wozu?“

„Dazu“, erklang eine Männerstimme hinter ihr. Es war Dan, er hatte einen Schlüsselbund in der Hand und schlug Steve jovial auf die Schulter. „Hallo, mein Alter. Schön, dich zu sehen.“

Steve grinste. „Dito!“

Plötzlich hatte Ava einen schrecklichen Verdacht. Das war doch wohl nicht …

„Kommt mit, ich zeige euch meine bescheidene Hütte“, sagte Dan.

Ava warf ihrem Bruder einen bitterbösen Blick zu, während Dan sie zu einem Torbogen in der efeubewachsenen Wand führte, die den Rest des Hauses vor den Blicken Fremder verbarg. Ihr Herz machte einen kleinen Satz, als sie durch das kleine Tor in einen wunderhübschen Garten traten. Er wirkte ein wenig verwildert und passte eigentlich nicht zu dem ultramodernen Haus. Das Ganze ergab aber in der Tat einen sehr reizvollen Kontrast. Sie musste sich große Mühe geben, um nicht zu zeigen, wie sehr ihr das Ganze gefiel.

„Du hast gesagt, ich soll dir etwas Passendes zum Wohnen suchen“, sagte Steve in diesem Moment. „Unter zwei Voraussetzungen – dass es einen Garten hat, und dass du es dir leisten kannst. Dies hier hat einen Garten, und du kannst es dir leisten.“

Letzteres konnte Ava kaum glauben, denn schließlich handelte es sich hier um eine der attraktivsten Adressen von ganz Sydney.

Sie sah die beiden Männer herausfordernd an. „Wieso habe ich den Eindruck, als würde es sich hier um ein Komplott handeln?“

Steve antwortete nicht, und Dan führte sie weiter auf einem schmalen gepflasterten Weg zu einem kleinen Gästehaus neben dem Hauptgebäude. Seine Tour durch das Haus endete in einem luftigen Schlafzimmer. Als er die Fensterläden öffnete, war der Raum erfüllt von Sonnenlicht und den Düften aus dem Garten. Gegen ihren Willen musste Ava zugeben, dass es nahezu perfekt war.

Nur schade, dass sie es nicht würde genießen können.

Unten im Wohnzimmer ließ Steve sich aufs Sofa fallen. Darüber war eine Patchworkdecke ausgebreitet, die wahrscheinlich so viel gekostet hatte wie die gesamte Ausstattung von Avas Haus in Flynn’s Beach. Eines stand fest – Dans neues Leben war äußerst luxuriös.

„Hast du noch andere Häuser gefunden?“, fragte sie Steve hoffnungsvoll.

Er schüttelte den Kopf.

„Ich fürchte, nein. Nichts, was so nahe an der Stadt und am Hafen ist. Du wirst weit und breit nichts Besseres finden.“

Ava zweifelte nicht eine Sekunde daran.

„Komm schon, gib deinem Herzen einen Ruck und nimm es“, sagte Dan ermunternd.

Ja, aber … wie sollte sie den beiden nur erklären, was sie bei dieser Vorstellung empfand? Mit Dan zu arbeiten, neben ihm zu wohnen … wie sollte das gehen?

„Wie viel soll das Ganze denn kosten?“, fragte sie.

„Das ist ja gerade das Tolle daran“, erklärte Steve mit breitem Lächeln. „Es kostet dich keinen Cent. Die Miete wird bereits durch deine Gage abgedeckt.“

Das verschlug ihr den Atem. Kostenlos? Dieses wunderschöne Häuschen, der Garten und der herrliche Blick auf den Hafen sollten gratis sein? Sie konnte es kaum glauben.

„Aber … was ist, wenn du selbst mal Gäste hast?“, fragte sie Dan.

„Das kommt so gut wie nie vor“, erklärte er.

„Hat das Haus einen separaten Eingang?“

Er nickte. „Ja, du bist total unabhängig von mir. Und …“, er führte sie nach hinten in die Garage, „außerdem gehört noch ein Wohnmobil dazu. Hier kannst du arbeiten, wie versprochen.“

Sprachlos betrachtete Ava das funkelnagelneue Wohnmobil.

„AusOne hat es für dich gemietet, solange du bei uns angestellt bist“, erklärte er. „Damit kannst du zum Set fahren und zwischen den Dreharbeiten an deinen Entwürfen arbeiten.“

Sie inspizierte das Innere des Wagens und sah, dass es geradezu perfekt war. Es war wie ein kleines Büro eingerichtet, mit einem Zeichentisch, einem Aktenschrank und einer kleinen Küche. Langsam fielen Ava keine Gründe mehr ein, warum sie das Angebot nicht annehmen sollte.

„Ich muss schon sagen, ihr wisst, wie man Leute einwickelt“, erwiderte sie ironisch.

Dan lächelte sie an. Unwillkürlich musste sie daran denken, als er das letzte Mal so gelächelt hatte. Das war vor neun Jahren gewesen, vor dieser Nacht. Schnell dachte sie wieder an etwas anderes.

„Nach dem Motto – nur eine glückliche Moderatorin ist auch eine gute Moderatorin?“, fragte sie herausfordernd.

Dan schüttelte den Kopf. „Du wirst die Show nicht allein moderieren. Brant Maddox wird das Gesicht der Sendung sein.“

Brant Maddox – wo hatte Ava diesen Namen schon einmal gehört? Aber natürlich, plötzlich erinnerte sie sich. Brant Maddox war ein ausgesprochen attraktiver junger Schauspieler, beliebt vor allem bei den weiblichen Zuschauern.

„Na, dann sind die guten Quoten ja schon garantiert, oder?“, fragte sie amüsiert. „Zumindest, was die Frauen betrifft.“

„Und für die männlichen Zuschauer wirst du zuständig sein“, meinte Dan. „Vergiss nicht, ich habe die Probeaufnahmen gesehen.“

Ava befand sich in einem Dilemma. Dan gab ihr Zeit, über alles nachzudenken. Er wusste, dass er sie jetzt nicht bedrängen durfte. Für ihn hing zu viel davon ab. Wenn sie bei den Zuschauern keinen Erfolg haben würde, würde dies auch seine Karriere bedenklich gefährden. Und die Kosten für das Wohnmobil würden mit Sicherheit am Ende bei ihm landen.

Manchmal verfluchte er AusOne, obwohl der Sender sein Arbeitgeber war. Er hatte ihnen in den letzten Jahren nur Erfolge beschert. Aber er kannte das Geschäft – ein kleiner Flop, und das Ganze konnte von heute auf morgen zu Ende sein. Doch er war nicht nur für sich, sondern auch für seine Mitarbeiter verantwortlich. Und das hieß inzwischen, auch für Ava.

Er dachte nicht im Traum daran, all das aufs Spiel zu setzen, wofür er jahrelang hart gearbeitet hatte. Er kannte diese Frau. Oder wenigstens kannte er das Mädchen, das sie damals gewesen war. Sie konnte sich in all diesen Jahren nicht so sehr verändert haben.

„Komm schon, Ava“, sagte er aufmunternd. „Stell dir einfach vor, wie du hier in diesem kleinen Paradies am Sonntagnachmittag in der Hängematte liegst und dich entspannst.“

Und plötzlich hatte er sie gepackt. Eine Sehnsucht, die ihm seltsam vertraut vorkam, war in ihren Augen abzulesen. Er dachte an die langen Nachmittage, die sie früher miteinander verbracht hatten. Doch die Sehnsucht, die Ava jetzt ausstrahlte, war von ganz anderer Art.

Dan musste unwillkürlich an die Probeaufnahmen denken, die sie von ihr gemacht hatten. Es war eigenartig – das Licht schien geradezu aus ihr herauszuleuchten, statt sie zu reflektieren. Sie war nur fünf Minuten lang zu sehen gewesen, aber die Zuschauer waren danach wie elektrisiert gewesen. Die Ergebnisse der Befragung hatten gezeigt, dass Ava ihnen vor allem deshalb gefallen hatte, weil sie so natürlich war und weil man erkennen konnte, wie sehr sie ihre Arbeit liebte. Natürlich war es auch kein Nachteil, dass sie auf eine erdverbundene Art sexy war. Das hatte besonders den männlichen Zuschauern gefallen.

Dan war selbst überrascht gewesen, dass sie eine so durchschlagende Wirkung auf das Publikum gehabt hatte. Denn in seinen Augen war sie immer noch ein Teenager – ein junges Mädchen an der Schwelle zur Frau. Aber genau wie damals schien sie sich in seiner Gegenwart unwohl zu fühlen. Daran hatte sich nichts geändert.

„Entschuldige mich bitte.“ Ohne ihn anzuschauen, ging Ava an ihm vorbei und verließ das Zimmer.

Widerstrebend ließ Dan sie gehen. Auf gar keinen Fall durfte er ihr zeigen, wie sehr er auf ihre Kooperation angewiesen war.

Aber eins stand fest: Er brauchte sie für diese Show.

Urban Nature war komplett auf ihre Entwürfe für die Gartengestaltung ausgerichtet. Avas Talent, urbane Räume in grüne Paradiese zu verwandeln, war ebenso einzigartig wie inspirierend. Ihr Bruder, der sehr stolz auf sie war, hatte Dan immer mit großer Begeisterung von ihrer Arbeit erzählt. Er war es auch, der Dan auf die Idee gebracht hatte, ein Fernsehformat für sie zu entwickeln. Dan hatte dann einen seiner Assistenten vorgeschickt, um Ava ein Angebot zu machen. Erst nachdem sie angenommen hatte, hatte er es Steve überlassen, ihr die schlechte Nachricht mitzuteilen.

Dass sie in Wirklichkeit für Daniel Arnot arbeitete, den Fluch von Flynn’s Beach. Den Herzensbrecher. Den Zerstörer der Träume.

Dan hatte versucht, sich nicht allzu schuldig dafür zu fühlen, dass er die Schwester eines seiner besten Freunde manipuliert hatte. Dafür hatte er selbst viel zu hart gearbeitet. Jetzt gab es für ihn kein Zurück mehr. Er musste schließlich seinem Vater etwas beweisen, und dafür war ihm jedes Mittel recht.

Plötzlich hatte er das Gefühl, dem Ziel seiner Träume ein großes Stück näher gekommen zu sein. Das war sehr aufregend und hatte nichts mit der jungen Frau zu tun, die in diesem Moment fragend zwischen ihm und ihrem Bruder hin- und herblickte.

Als sie daher die Hand ausstreckte und sagte: „Gut, ich nehme es“, konnte es sich bei dem Gefühl, das Daniel verspürte, doch nur um Siegesgewissheit handeln.

Oder?

3. KAPITEL

„Was zum …?“

Dan eilte mit schnellen Schritten zu dem Trailer, der am Set der Dreharbeiten aufgestellt worden war. Zwei aufgeregte weibliche Stimmen waren von dort zu hören – die eine klang laut und empört, die andere leiser und drängender. Er klopfte kurz an und riss dann die Tür auf.

Carrie Watson, die Maskenbildnerin, warf ihm einen warnenden Blick zu. Aber er hatte nur Augen für Ava, die unglaublich wütend wirkte.

„War das etwa deine Idee?“, fuhr sie ihn an.

Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und trug ein Paar äußerst knapper Cargoshorts, die viel von ihren braunen Beinen sehen ließen. Das dazugehörige Tanktop war weiß und eng anliegend, mit dem Logo eines bekannten Herstellers für Elektrowerkzeuge darauf. Jede einzelne ihrer Kurven schrie laut: Schau mich an!

„Ich werde einen Garten umgraben, Dan. Ich habe nicht vor, auf dem Tresen zu tanzen.“

Dan zwang sich, den Blick von dem Logo abzuwenden. Er rang nach Luft.

„Ich denke nicht daran, dieses Outfit vor der Kamera zu tragen.“ Ihre Augen sprühten Funken.

Dan war selbst entsetzt. Dahinter steckte natürlich der Sender oder, um es genauer zu sagen, Bill Kurtz, der Produzent.

„Ich gebe dir vollkommen recht“, sagte er und sah sich suchend in der Garderobe um. Dann schnappte er sich ein hellblaues T-Shirt, das in einer Ecke des Trailers auf einem Kleiderständer hing.

„Aber das gehört Brant“, protestierte Carrie. „Wir brauchen es für die nächste Aufnahme.“

Dan fluchte laut, hängte es zurück und sah sich nach etwas anderem um. Dieses Outfit konnte Ava unmöglich tragen. Es passte überhaupt nicht zum Image der Show. Außerdem hatte er ihr sein Wort gegeben, und die Integrität aller Beteiligten durfte nicht gefährdet werden.

„Vergiss nicht, sie werden das Logo auf jeden Fall sehen wollen“, ermahnte Carrie ihn überflüssigerweise.

„Ja, ist mir klar. Lass mich nur kurz nachdenken.“ Die Dreharbeiten fanden heute in einem Industriegebiet statt, über zehn Kilometer vom nächsten Einkaufszentrum entfernt. Dan fluchte erneut.

Plötzlich fiel sein Blick auf ein blaues Unterhemd, das sich noch in der Packung befand. Es würde an Ava auch nicht besser aussehen als ihr Tanktop, aber es brachte ihn auf eine Idee. Kurz entschlossen knöpfte er sein Yves Saint Laurent Hemd auf und reichte es ihr.

„Hier, probier das mal und knote es über dem Top zusammen.“

Es war natürlich viel zu groß, aber das machte nichts. Nachdem Ava es vor dem Bauch zusammengeknotet und zurechtgerückt hatte, sah sie zehnmal besser und deutlich weniger provokant aus. Zudem war das Logo immer noch zu sehen.

„Die Shorts müssen auch weg“, konstatierte Dan nach kurzer Inspektion.

„Glücklicherweise habe ich noch ein Paar Cargohosen hier“, sagte Carrie und bückte sich zu einem Regal hinunter. „Die sollten zwar eigentlich für morgen sein, aber …“

„Prima, die nehmen wir“, unterbrach Dan sie ungeduldig. Er riss die Packung auf und streifte sich das blaue Unterhemd über. Dann verließ er den Trailer. Es war ihm egal, wie lächerlich das Shirt zu seinen Anzughosen aussah.

Wichtig war nur, dass er Ava vor den Machenschaften des Senders gerettet hatte. Ihm wurde ganz heiß, wenn er daran dachte, wie sexy sie in dem engen Top und den knappen Shorts ausgesehen hatte.

Eins war klar – bei diesen Dreharbeiten musste er auf alles gefasst sein!

„Wow!“ Carrie sah Dan verblüfft hinterher. Sie hatte das Gefühl, als wäre gerade ein Tornado durch den kleinen Trailer gewirbelt.

Auch Ava erholte sich gerade erst von ihrer Wut. Sie atmete tief durch. Dann sahen sich die beiden Frauen an und mussten plötzlich lachen.

„Tut mir leid, ich wollte mich eigentlich nicht wie eine Primadonna aufführen“, sagte Ava.

Carrie schüttelte den Kopf. „Vergiss es. Ich hätte dieses Top auch nicht getragen. Aber ich hätte nie und nimmer geglaubt, dass du damit durchkommst. Schließlich ist er der Produzent!“

Ava fühlte sich verpflichtet, Dan zu verteidigen. „Er ist eigentlich ziemlich in Ordnung, weißt du?“

„Schätzchen, ich weiß, dass Dan für das, was er gerade gemacht hat, eigentlich einen Orden kriegen müsste. Aber das dicke Ende kommt bestimmt noch. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken, wenn die Co-Produzenten heute Abend die Muster sehen.“

Ava strich über den feinen Stoff des teuren Hemds. Plötzlich stieg ihr Dans ganz persönlicher Duft in die Nase – ein Duft, den sie nie im Leben vergessen würde!

Sanft, aber bestimmt nahm Carrie sie bei der Hand und führte sie zum Schminktisch. „Setz dich, Schätzchen. Jetzt wollen wir doch mal sehen, was wir aus dir machen können.“

Zwanzig Minuten später starrte Ava verblüfft auf ihr Spiegelbild. Sie wusste, dass ihr Gesicht voller Make-up war, aber Carrie hatte es so geschickt aufgetragen, dass man es fast nicht merkte. Avas graue Augen wirkten riesig, sie hatte keine einzige Falte, und ihr blondes Haar war hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden, der ihren Nacken noch länger erschienen ließ. Sie war nicht besonders eingebildet und hatte sich noch nie für eine Schönheit gehalten. Aber selbst sie hatte nun an ihrem Anblick nichts auszusetzen.

Plötzlich war ihr viel leichter ums Herz. Sie bedankte sich bei Carrie und verließ den Trailer. Offensichtlich hatte sie bereits eine Freundin am Set gefunden. Und so etwas konnte sie gut gebrauchen.

Dan zählte nicht, denn er hatte schließlich schon lange die Seiten gewechselt. Er war ihr Boss, und Ava hatte das unangenehme Gefühl, dass die Zeit kommen würde, da der er sie an diesen Umstand noch erinnern würde.

Es war ganz schön einschüchternd, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Ava hatte große Mühe, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, während man von allen Seiten auf sie einredete und ihr Instruktionen gab.

Lesen Sie das hier. Sagen Sie das. Vorsicht, hier sind Sie nicht mehr im Blickwinkel der Kamera. Achtung, Sie stehen nicht mehr im Licht.

Ava war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren, als plötzlich Dan am Set erschien. Er strahlte eine Ruhe und Selbstsicherheit aus, die sich schlagartig auch auf das gesamte Team auswirkte.

Hinter ihm erschien ein Mann, den Ava sofort wiedererkannte. Es war Brant Maddox, der prominente Moderator der Show und Schwarm aller Frauen. Er ging direkt auf sie zu und streckte die Hand aus.

„Ava! Freut mich, Sie kennenzulernen.“

„Ava Lange – Brant Maddox“, stellte Dan die beiden einander vor. „Kann ich dich kurz sprechen, Ava?“

Er bedeutete dem Regisseur, eine kurze Pause einzulegen, und führte sie in eine ruhige Ecke, wo sie nicht gestört werden konnten.

„Du siehst viel besser aus“, sagte er, nachdem er sie eingehend gemustert hatte.

„Ja, Carrie hat ganze Arbeit geleistet“, pflichtete sie ihm bei.

„Ich meinte mehr die Kleidung. Aber ja, du hast recht. Dieser Naturlook steht dir hervorragend.“

Ava wartete, was er ihr zu sagen hatte. Dan räusperte sich.

„Zwei Sachen – dein letzter Entwurf für unseren Garten ist fantastisch. Nur leider ein bisschen zu teuer für unser Budget. Und die beiden Drachenbäume waren leider nirgendwo aufzutreiben.“

Ava hatte all ihre Energie in die kreative Arbeit gesteckt und einen Garten entworfen, bei dem diese Pflanzen im Mittelpunkt gestanden hätten. Aber die Idee war wohl doch zu extravagant gewesen.

„Okay, verstanden“, erwiderte sie. „Und was ist das Zweite?“

Er zögerte einen Moment. „Brant Maddox.“

Ava sah zu ihm herüber, er unterhielt sich gerade mit einer Assistentin. Kein Zweifel, er war wirklich sehr attraktiv und sich seiner Wirkung auf Frauen auch bewusst.

„Ja, und? Was ist mit ihm?“ Sie sah Dan an, dann dämmerte es ihr plötzlich. „Oh nein, du wirst doch nicht …“ Ausgerechnet er wollte sie vor ihm warnen? Das war ja lächerlich!

Dan errötete leicht. „Ich denke nur an die Show. Wir können uns keinen Skandal leisten. Dafür hängt viel zu viel davon ab.“

„Glaubst du, das weiß ich nicht?“, erwiderte sie empört.

Sein Blick blieb einen Moment lang unverwandt auf dem Logo ihres T-Shirts hängen. Es war nur der Bruchteil einer Sekunde, aber ihre Haut fing sofort leicht zu kribbeln an.

„Doch, natürlich“, erwiderte er dann ruhig. „Danke für dein Verständnis.“

Sie räusperte sich. „Entschuldige, aber ich muss jetzt wieder an die Arbeit gehen.“

Er trat zur Seite und machte für sie Platz auf dem Dach, wo sie drei Tage Zeit hatten, einen erstklassigen Garten zu gestalten. Sie war hier völlig in ihrem Element und bewegte sich in dem ganzen Trubel mit einer selbstverständlichen Natürlichkeit, die ihn erstaunte.

Früher war sie ein schüchterner Teenager gewesen, das einzige Mädchen unter lauter Jungen. Als Ava acht Jahre alt war, war ihre Mutter gestorben. Als das Nesthäkchen der Familie war sie äußerst behütet aufgewachsen.

Auch jetzt, als er sie bei der Arbeit beobachtete, verspürte Dan wieder den Wunsch, sie zu beschützen. Oder war es etwa Begierde?

Es ließ sich nicht leugnen, aus dem unbeholfenen jungen Mädchen war eine erwachsene, äußerst attraktive junge Frau geworden. Das schien Brant auch zu denken, denn er bedachte sie in diesem Moment mit jenem strahlenden Lächeln, für das er so berühmt war. Ava legte den Kopf zurück und lachte herzlich über etwas, was er zu ihr gesagt hatte.

Dan dachte daran, dass sie die Schwester seines besten Freundes war. Er war für Ava verantwortlich – beruflich und privat. Er musste auf jeden Fall wachsam bleiben.

4. KAPITEL

Die Stimmen waren wieder da. Sie flüsterten. Drängend. Obwohl sie im Tiefschlaf lag, wusste Ava, dass das nicht gut war. Nein, nicht schon wieder …

Im Haushalt der Familie Lange wurde nicht geflüstert. Im Gegenteil – alle waren ausgesprochen laut. Aber da Avas sechzehnter Geburtstag unmittelbar bevorstand, konnte es sich nur um eine Überraschung für sie handeln. Ava ging auf Zehenspitzen in die Küche, um unbemerkt den Stimmen lauschen zu können.

„Ava ist schließlich nicht mehr zwölf“, hörte sie Steve sagen.

„Glaub mir, das weiß ich“, antwortete Dan und stieß einen tiefen Seufzer aus.

„Du solltest mit ihr sprechen …“

„Wie denn?“, erwiderte Dan. „Wenn sie mich aus diesen wunderschönen Augen ansieht …“

Avas Herz machte einen Satz. Dan sprach über sie. Er fand sie schön! Nach so vielen Jahren nahm er sie endlich als Frau wahr!

Unruhig warf Ava sich im Bett hin und her. Der Traum ging weiter, sie war wieder in ihrem Haus in Flynn’s Beach.

Das Zimmer, in dem Dan übernachtete, war dunkel. Aber das konnte Ava nicht abschrecken. Sie hatte ihr schönstes Kleid angezogen und immer wieder vor dem Spiegel für ihren Auftritt geprobt. Sie wusste genau, was sie zu Dan sagen, wie sie ihn anschauen würde. Und dann würde er gar nicht anders können – er musste sie einfach in die Arme schließen und küssen.

Endlich würde das geschehen, wonach sie sich seit Jahren sehnte – er würde ihr gehören!

Da sie sich hier gut auskannte, dachte sie nicht daran, anzuklopfen. Es war Mitternacht, es war dunkel und sie würde endlich …

Ava öffnete die Tür und flüsterte seinen Namen …

Erschrocken riss sie die Augen auf und richtete sich im Bett auf. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, und sie rang verzweifelt nach Luft. Wenigstens war sie wach geworden, bevor es zum schlimmsten Teil kam.

Bevor sie wieder das sehen musste, was sie damals gesehen hatte: Wie Dan mit nacktem Hinterteil zwischen den hochgereckten Beinen einer Frau lag, Schweißperlen auf der Brust und einen entsetzten Gesichtsausdruck, als er sich zu ihr umdrehte.

Ava hatte auf dem Absatz kehrtgemacht und war augenblicklich geflüchtet. Sie war zum Strand gelaufen, aber sie konnte den Anblick einfach nicht mehr aus dem Kopf bekommen.

Ihr Körper wurde von Krämpfen geschüttelt. Sie hatte diesen Traum über ein Jahr lang nicht mehr gehabt. Ein ganzes, gesegnetes Jahr. Sie hatte gehofft, dass die qualvollen, schlaflosen Nächte endlich hinter ihr lagen.

Zur Hölle mit Dan!

Sie warf die Bettdecke zurück, stand auf und ging in die kleine Küche des Gästehauses. Jetzt brauchte sie unbedingt einen starken Kaffee.

Zu blöd, dass es erst zwei Uhr morgens war. Ava wusste aus Erfahrung, dass sie heute Nacht keinen Schlaf mehr finden würde. Das wollte sie auch gar nicht, denn sie hatte keinen Bedarf daran, in die Hölle ihrer Erinnerungen zurückzukehren.

Sie setzte Wasser auf.

Man brauchte keinen Psychologen, um zu wissen, warum der Traum ausgerechnet jetzt zurückgekehrt war. Sie war nicht davon ausgegangen, dass sie so eng mit Dan zusammenarbeiten würde. Natürlich kehrte mit dieser Nähe auch die Vergangenheit zurück, besonders bei Nacht.

Müde rieb sie sich die Augen.

Nach dem ersten Schluck Kaffee ging es ihr besser. Die Krämpfe ließen nach, und sie wurde wieder ruhiger. Trotzdem blieb ein unbehagliches Gefühl zurück, denn war sie nicht durch eine eigenartige Fügung des Schicksals wieder bei Dan gelandet?

Bei dem Mann, der nur wenige Meter entfernt von ihr in seinem Bett lag und schlief. Dem Mann, der sie damals bis an den Strand verfolgt hatte. Er hatte nichts als seine Jeans angehabt, die wie eine zweite Haut an ihm klebte. Sein Oberkörper war schweißnass, er roch nach Sex und einer fremden Frau.

Plötzlich wünschte Ava sich weit weg. Sie ging mit ihrem Kaffee zurück ins Schlafzimmer und von dort durch die Hintertür in den Garten. Dann verließ sie das Grundstück und machte sich auf den Weg zum Hafen. Die Harbourview Terrace erinnerte sie irgendwie an Flynn’s Beach, auch die Szenerie war ähnlich. Alles war ruhig, still, privat.

Sie trank noch einen Schluck Kaffee.

Sechzehn – was für ein schwieriges Alter! Man fühlte sich so unglaublich verletzlich. Ava hatte sich in eine kleine Höhle am Strand geflüchtet, die ihr persönlicher Zufluchtsort gewesen war. Ein paar Minuten lang hatte sie geglaubt, ihr würde eine Ausrede einfallen, die ihr Erscheinen an Dans Tür glaubhaft gemacht hätte. Aber er musste sie nur anschauen und alles Leugnen wäre zwecklos gewesen. Dafür kannte er sie einfach zu gut.

Dan hatte versucht, sanft zu ihr zu sein, aber sie hatte ihn abgeschüttelt, hatte es nicht zugelassen, dass er sie anfasste. Ihr ganzer Körper wurde von Schluchzern erschüttert, es war eine schreckliche Demütigung.

Immer wenn sie von diesem Traum verfolgt wurde, erlebte sie die Schmach wie beim ersten Mal. Ihr Herz zog sich zusammen, bis es wehtat. Von ihrem Platz am Hafen sah sie die Skyline von Sydney jetzt nur noch verschwommen. Der Schmerz drohte, sie erneut zu überwältigen.

Damals hatte sie Dan aufgefordert, ihr zu sagen, wer die Frau in seinem Zimmer war. Natürlich war sie eine Surferin, das hatte Ava nicht überrascht. Mit dem langen blonden Haar, der tiefen Bräune und dem muskulösen Oberkörper war sie geradezu ein Prototyp dieser Gattung gewesen – bis hin zu ihren überdimensionalen Brüsten.

„Es ist ein Wunder, dass sie sich damit überhaupt auf einem Surfbrett halten kann“, hatte sie höhnisch zu Dan gesagt.

Er hatte sie ruhig angesehen. „Was erwartest du eigentlich von mir? Ich bin zwanzig Jahre alt. Ich kann schlafen, mit wem ich will.“

Nur nicht mit mir, hatte Ava gedacht, und das nicht zum ersten Mal. Für Dan war sie immer noch ein Kind.

„Wir beide sind Freunde, mehr nicht.“

Oh, wie hatte das wehgetan! Dan liebte sie nicht, ja, er begehrte sie nicht einmal. Ava wäre vor Scham fast im Boden versunken. Sie wollte sich ins Meer stürzen, hätte ihrem Leben am liebsten ein Ende bereitet. Alles, nur um der Situation zu entgehen.

In diesem Moment erklangen die Beats eines schweren Basses aus dem kleinen Park zu ihr herüber, der zwischen dem Hafen und Dans Gästehaus lag. Erneut wurde sie an Flynn’s Beach erinnert, aber dies hier war Sydney. Es stellte sich heraus, dass die Musik aus einem Auto mit jungen Männern kam, die um die Häuser zogen.

Sie wartete, bis sie an ihr vorbeigefahren waren, und machte sich dann auf den Weg zurück zum Haus. Sie hatte fast eine Stunde im Freien verbracht, überwältigt von den quälenden Erinnerungen, die sie einfach nicht in Ruhe ließen.

Als sie näherkam, sah sie, dass Licht im Haus brannte. Das musste Dan sein, aber warum war er um drei Uhr nachts noch wach? Hatte er vielleicht auch schlecht geträumt? Dachte auch er manchmal an diese Nacht am Strand und an ihren Streit? Nein, bestimmt nicht. Wahrscheinlich war er auch nicht allein. Und ein Mann wie er verzehrte sich nicht nach einer Frau wie ihr.

Damals hatte er ihr Sätze entgegengeschleudert, die sich wie Feuer in ihre junge Seele eingebrannt hatten: „Ich werde nie mit dir zusammen sein, Ava…“ Seine Augen waren hart und leer gewesen. Es hatte sich angefühlt wie ein tödlicher Schlag. „Du bist ein Kind. Ich bin ein erwachsener Mann …“

Noch heute schmerzte die Erinnerung an diese Demütigung sie. Sie wusste, dass sie ihm nie genügen würde.

Doch das war noch nicht alles gewesen: „… mit den ganz normalen Bedürfnissen eines erwachsenen Mannes. Aber das verstehst du nicht, denn du bist ja noch ein Kind.“

Da hatte sie es nicht mehr ausgehalten und sich auf ihn gestürzt wie ein verwundetes Tier. Oh ja, sie hatte ihn verletzen wollen – so wie er sie verletzt hatte. Ava schloss die Augen und vernahm wieder die giftigen Worte, die aus ihr geströmt waren und die sie nicht hatte zurückhalten können. Sie hatte ihn verbal angegriffen, hatte seine Intelligenz infrage gestellt, seine Integrität und sogar sein Surfen, die größte Liebe seines Lebens. Als sie endlich fertig gewesen war, hatten seine Hände gezittert.

„Morgen früh reise ich ab.“ Das war der letzte finale Schlag für Ava gewesen. Er wollte an ihrem Geburtstag abreisen! Das hatte das Fass zum Überlaufen gebracht.

Noch nie zuvor im Leben hatte sie einen anderen Menschen so angeschrien. „Ja, das solltest du auch. Was hast du überhaupt hier verloren, du Parasit! Wie die Mutter, so der Sohn, was, Dan? Ihr lauft immer weg, wenn’s brenzlig wird. Verschwinde und such dir deine eigene Familie!“

Als wäre es gestern gewesen, konnte Ava sich an den Zorn erinnern, der in Dans Augen gelodert hatte. Nie zuvor hatte sie ihn so … so finster gesehen. Wie Gewehrsalven hatten seine Worte sie getroffen: „Ich werde nie mit dir zusammen sein, Ava, niemals. Klarer kann ich das nicht ausdrücken. Es tut mir leid, wenn ich dich dadurch verletze, aber du musst es ein für allemal kapieren.“

Dann hatte er sich endgültig umgedreht und war aus der Höhle herausgestürmt. Und aus ihrem Leben.

Als sie am nächsten Morgen von ihrem Vater geweckt worden war, der ihr zum Geburtstag gratulierte, hatte sie gewusst, dass er schon weg war.

Nach der Demütigung und dem Schmerz dieser Nacht hatte sie nie wieder jemand anderem erlaubt, ihr nahezukommen. Sie hatte ihr Herz in eine Kiste gesperrt und es im tiefsten Abgrund ihres Unterbewusstseins versteckt. Dann hatte sie sich wie eine Verrückte in die Arbeit gestürzt, zuerst in ihr Studium, dann in ihre Angestelltenjobs und schließlich in ihr eigenes Unternehmen.

Daniel Arnot hatte ihr beigebracht, sich unangreifbar zu machen. Das war eine äußerst erfolgreiche Strategie gewesen.

Bis jetzt.

Denn nun war es dem Mann, der sie mehr als alle anderen verletzt hatte, erneut gelungen, ihren Abwehrpanzer zu durchdringen. Ava machte sich nichts vor – sie war für Dan nichts anderes als ein Gewinn für seine Firma. Eine Person, die ihm noch mehr Ruhm und Geld einbringen sollte. Aber vielleicht war das ja auch besser so. Denn sie wusste genau, dass er immer noch die Macht hatte, ihr Herz zu betören.

Unverwandt betrachtete sie den Himmel, der sich bereits zu röten begann. Tränen liefen ihr über die Wangen.

5. KAPITEL

Dans Assistentin führte Ava in sein geräumiges Büro und bat sie, noch einen Moment zu warten. Sie ging zum Fenster und verschränkte die Arme. Die schlaflose Nacht steckte ihr noch immer in den Knochen, aber sie war fest entschlossen, die Geister der Vergangenheit für immer aus ihrem Leben zu verbannen.

Von hier aus hatte man einen fantastischen Blick aufs Meer. Das Büro war äußerst geschmackvoll eingerichtet und wirkte alles andere als protzig. Dennoch war klar, dass Dan es weit gebracht hatte.

Irgendwann war er aus dem Leben von Avas Familie verschwunden. Hin und wieder hatte sie Pete nach ihm gefragt, aber das ließ sie irgendwann sein. Es war zu schmerzvoll für sie gewesen, von ihm zu hören. Von seiner großartigen Karriere, von den vielen Freundinnen.

Komisch – obwohl sie von den Zeichen seines Erfolgs umgeben war, konnte Ava ihn sich immer noch nicht als Manager vorstellen. In seiner Jugend hatte es für ihn nur das Meer gegeben. Er hatte allen Ernstes vorgehabt, ein professioneller Surfer zu werden.

„Ja, hinter uns liegt ein ziemlich weiter Weg, stimmt’s?“

Ava drehte sich schnell um. Es war ihr peinlich, beim Tagträumen erwischt worden zu sein. Ein paar Minuten lang herrschte unbehagliches Schweigen.

Dan hielt einen USB-Stick in der Hand. „Hier sind die Muster von den Dreharbeiten drauf. Willst du sie dir mal anschauen?“

Avas Magen zog sich zusammen, aber sie nickte. Dann nahm sie auf dem Sofa Platz, während er den Raum verdunkelte und den Stick einstöpselte.

„Die Bilder sind aber noch nicht geschnitten“, warnte er sie.

Ava sah sich selbst auf dem Dach, wie sie nervös um sich schaute, bis jemand „Action“ rief. Ein Tonassistent war kurz im Bild zu sehen, dann zoomte die Kamera auf ihr Gesicht.

„Du siehst toll aus“, erklang Dans Stimme im Dunkel. „Aber warte …“

Im Bild sah Ava kurz zur Seite, was in der Nahaufnahme besonders gut zu sehen war. Von einem Moment auf den anderen verschwand ihre ganze Nervosität. Selbstsicher lächelte sie in die Kamera.

„Was ist da passiert?“, fragte er in diesem Moment. „Wen hast du gesehen?“

Ava konnte sich genau erinnern. Aber sie dachte nicht daran, es ihm zu sagen.

Ich habe dich gesehen.

„Keine Ahnung“, log sie. „Es war ja ziemlich viel los.“

„Wie auch immer, schau mal, wie sehr es dir geholfen hat.“ Er drückte wieder auf Play. Sie sahen die Anfangssequenz, in der Ava den Zuschauern ihre Pläne für den Dachgarten erklärte.

Gut, sie war keine Schauspielerin, aber sie wirkte entspannt und kompetent. Ja, sie schien ganz in ihrem Element zu sein, was Ava erleichtert zur Kenntnis nahm. Dan ließ sich neben ihr auf dem Sofa nieder, und sie sahen sich die nächste Sequenz an. Brant erschien im Bild, die beiden erkundeten gemeinsam das Dach des Gebäudes.

„Ihr seht gut aus zusammen“, bemerkte Dan.

„Ja, das hat Brant auch gesagt.“

„Hmm … kann ich mir vorstellen.“

Im Gegensatz zu Ava wusste Brant genau, wie er sich vor der Kamera vorteilhaft präsentieren konnte. Aber es stimmte – sein professionelles Auftreten und ihre unverstellte Natürlichkeit gaben dem Ganzen einen besonderen Reiz.

Dann war der Film auch schon zu Ende. Einen Moment lang saßen sie stumm im Dunkeln nebeneinander.

„Na, was sagst du dazu?“ Dan war ihr jetzt ganz nahe. Der Duft seines Aftershaves stieg Ava in die Nase und lenkte sie ab. Er roch nach Meer, Wald und sich selbst.

Sie holte tief Luft. „Mir gefällt’s. Was sagst du?“

Er nickte zustimmend. „Ja, für den ersten Tag war es sehr gut. An ein paar Sachen müssen wir noch arbeiten.“

Sie sah ihn enttäuscht an. „Was war denn nicht so gut?“

„Das Licht zwischen den einzelnen Aufnahmen hat sich verändert. Eines der Bilder war nicht scharf. Und deine Bewegungen wirkten manchmal ein bisschen unbeholfen …“

Avas Wangen brannten vor Scham.

„Von jetzt an werden wir die Szenen vorher immer proben. Dann wirst du dich bei den Aufnahmen sicherer fühlen.“

„Hat dir denn überhaupt etwas gefallen?“ Sie klang ein wenig eingeschnappt.

„Natürlich. Du kommst total entspannt rüber. Der Ton ist auch prima. Und dein Zusammenspiel mit Maddox funktioniert. Das wird sich bestimmt gut verkaufen.“

Ach ja, natürlich, die Quote. Das war ja das Einzige, was im Fernsehen zählte. Ava schluckte ihren Stolz herunter und hörte sich Dans Vorschläge für die nächsten Dreharbeiten an. Aber trotz allem war sie nicht ganz bei der Sache.

„Ava?“

Sie zuckte zusammen. „Ja?“

„Gibt es noch irgendetwas, was du nicht verstanden hast?“

Ich verstehe einfach nicht, wie du dich so verändern konntest.

„Nein, alles klar.“

„Wirklich? Du klingst so komisch. Habe ich dich irgendwie verletzt?“

Plötzlich konnte sie nicht mehr an sich halten. „Verletzt? Mich? Wie kommst du denn darauf? Ich habe versucht, mein Bestes zu geben, obwohl ich überhaupt keine Erfahrung vor der Kamera habe.“ Erregt sprang sie auf. „Das Ganze war deine Idee, Dan, nicht meine. Wenn ich deine hohen Erwartungen nicht erfülle, tut’s mir leid. Von mir aus kannst du mich gern feuern! Ich bin wirklich nicht scharf darauf, mich vor der Kamera zum Affen zu machen.“ Sie sprang auf und stürmte durchs Zimmer.

„Ava, warte …“ Er packte sie am Handgelenk und zog sie zurück, als sie die Tür aufriss. Kurz strömte Licht in den Raum – lang genug, damit sie das Bedauern in seinem Gesicht sehen konnte. Dann machte er die Tür wieder zu. Die Dunkelheit umfing sie wie ein schützender Mantel.

„Bitte, entschuldige. Ich habe ganz vergessen, dass du kein Profi bist. Kritik zu üben, ist beim Fernsehen eigentlich ganz normal.“

Ava holte tief Luft. Sie schämte sich für ihren Ausbruch. „Ich habe mir doch solche Mühe gegeben!“ Für dich.

„Ja, und du hast es großartig gemacht. Hast du denn erwartet, dass es perfekt sein würde?“

Sie errötete. „Wahrscheinlich schon.“

„Aber das ist doch unrealistisch, Kleines.“

„Nenn mich nicht so!“ Sie funkelte ihn wütend an. „Ich bin kein Kind mehr.“

„Natürlich nicht“, erwiderte er besänftigend und zog sie an sich. „Das weiß ich seit gestern, als ich dich in diesem Trailer gesehen habe.“

Seine Nähe raubte ihr den Atem. Sie schluckte. „Du kannst mich jetzt wieder loslassen, Dan. Mein hysterischer Anfall ist vorbei.“

Aber er ließ sie nicht los. Ava konnte sich nicht rühren. Sie sah ihn an und fragte sich, was er ihr wohl sagen wollte. Er wirkte plötzlich so ernst.

„Mr. Arnot?“, erklang in diesem Moment eine Stimme von draußen.

Dan erstarrte, aber sein Blick ließ nicht von ihr ab. „Ja, Grace? Was ist los?“

„Mr. Kurtz möchte Sie sprechen. Er meinte, es wäre dringend.“

Widerstrebend löste er sich von Ava und knipste das Licht an. Sie blinzelte in der plötzlichen Helligkeit.

„Lass uns doch heute gemeinsam zu Abend essen“, schlug er vor. Seine Stimme klang neutral, sehr geschäftsmäßig.

„Gern, wenn du möchtest.“ Wahrscheinlich hatte sie sich die Intimität zwischen ihnen nur eingebildet. Ava nickte ihm noch einmal kurz zu und verließ dann das Zimmer.

Nachdem sie weg war, fluchte Dan laut. Was war nur mit ihm los? Warum fühlte er sich in ihrer Nähe nur immer so angespannt?

„Leitung Nummer eins“, rief Grace ihm durch die Tür zu, und er schnappte sich den Hörer.

„Na, wie hat sich unser neues Talent heute gemacht?“, wollte Bill Kurtz wissen. Er kam immer gleich zur Sache. Dan ging davon aus, dass der Produzent die Muster bereits gesehen hatte.

„Gut“, erwiderte er. „Sehr gut, sogar. Es gibt ein paar technische Probleme, aber die lassen sich morgen leicht beheben.“

„Das freut mich! Ja, ich finde auch, sie passt wunderbar in die Show. Und sie ist das perfekte Anhängsel für Maddox.“

„Sie ist mehr als nur ein Anhängsel, Bill. Durch sie bekommt die Sendung erst ihre Glaubwürdigkeit.“

„Natürlich, natürlich …“ Er zögerte. „Nur eine Sache, Dan. Sie sah nicht so aus, wie wir uns das vorgestellt hatten.“

Aha, daher wehte der Wind!

„Aber das Image ist super“, fuhr Kurtz fort. „Ava wirkt, als käme sie frisch vom Bauernhof. Natürlich, sauber, unschuldig. Und was Maddox angeht …“

„Ja?“ Dan kannte seinen Vorgesetzten inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er noch etwas im Schilde führen musste.

„Die beiden harmonieren sehr gut miteinander. Bitte sorg dafür, dass dieser Aspekt noch stärker rüberkommt.“

„In welcher Form?“ Dans Stimme klang jetzt einige Grad kühler.

„Keine Ahnung, lass dir was einfallen. Schreib ihnen ein paar Szenen mehr. Lass sie ein bisschen flirten. Du weißt doch, wie das läuft!“

Dan glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“

„Mein voller Ernst! Die Zuschauer spüren eine solche Chemie sofort. Ich will, dass zwischen Ava und Brant die Funken sprühen. Das kriegst du schon hin. Schließlich ist das dein Job!“

Dan hätte ihm am liebsten Kontra gegeben, aber er war viel zu erfahren, um sich gegen seinen eigenen Vorgesetzten zu stellen. Und schließlich durfte er nicht vergessen, dass er für vierzig Angestellte verantwortlich war. Daher erwiderte er zähneknirschend: „Mal sehen, was sich machen lässt, Bill. So etwas kann man nur Schritt für Schritt einführen, sonst haben die Zuschauer den Eindruck, sie würden manipuliert.“

„Wie du meinst. Hauptsache, wir verstehen uns.“ Damit war das Gespräch für Bill beendet.

Verdammt – leider wusste der alte Mann genau, wie wichtig Dan seine Karriere war und wie hart er in den letzten sechs Jahren gearbeitet hatte, um so weit zu kommen. Schließlich hatte er es zum jüngsten Produzenten im ganzen australischen Fernsehen gebracht.

Andererseits – Ava würde sich von ihm ganz bestimmt nicht in eine Richtung schieben lassen, die ihr widerstrebte. Dazu kannte er sie viel zu gut. Wieder musste er an ihr knappes Outfit im Trailer denken, und sein Magen zog sich zusammen.

In gewisser Weise konnte er Kurtz sogar verstehen. Tatsächlich gaben Ava und Brant ein sehr hübsches Bild ab, und eigentlich sprach nichts dagegen, diesen Eindruck noch zu verstärken. Die Mittel dazu lagen in seiner Hand. Er konnte die Anzahl ihrer gemeinsamen Szenen erhöhen und auch beim Schnitt noch etwas herausholen. Man musste ihr Image als Paar Schritt für Schritt aufbauen.

Auf diese Weise würde er dem Sender einen Gefallen tun, ohne sein Wort Ava gegenüber zu brechen.

„Hattest du wirklich genug?“

Ava wischte ihren Teller mit einem Stück Brot aus und lächelte Dan breit an. Die Muscheln hatten vorzüglich geschmeckt, besonders in der Chilisauce.

„Das war unglaublich lecker, Dan. Du hast wirklich nicht zu viel versprochen. Aber jetzt sollten wir langsam aufbrechen, findest du nicht? Ich muss morgen ziemlich früh am Set sein.“

Dan erhob sich und ging um den Tisch herum, um den Stuhl für sie zurechtzurücken. Er wirkte wesentlich gelöster als vorhin im Büro. Was immer ihm auf der Seele gelegen haben mochte, hatte sich offensichtlich in Luft aufgelöst.

„Das übernehme ich natürlich“, sagte er und legte seine goldene Kreditkarte auf den Teller mit der Rechnung.

„Aber das ist doch nicht nötig“, protestierte sie.

„Dieses Essen geht auf den Sender“, erklärte er. „Das ist das Mindeste, was sie tun können.“

Ava lachte und ließ es zu, dass AusOne die Rechnung bezahlte. Dann verließen sie das Restaurant und machten sich auf den Weg nach Hause. Dan war eigenartig schweigsam auf dem Rückweg, und sie warf ihm hin und wieder einen verstohlenen Blick zu. Irgendwie hatte sie das Gefühl, als ob er sie etwas fragen wollte, sich aber nicht traute.

Stattdessen hatten sie viel über die alten Zeiten gesprochen, als er praktisch zu ihrer Familie gehört hatte. Besonders Avas Mutter hatte dafür gesorgt, dass er immer zu ihnen kommen konnte. Ihr Tod war daher auch für ihn ein herber Verlust gewesen.

Jetzt gingen sie am Hafen entlang, der mit tausend Lichtern glitzerte.

„Damals habe ich mich immer nur auf den Freitagabend bei euch gefreut“, meinte er versonnen. „Wusstest du das überhaupt?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Die Abendessen im Kreis deiner Familie habe ich am meisten vermisst, nachdem ich gegangen bin.“

„Und was war mit dem Surfen?“, fragte sie gespannt.

Sie hatte sich nie verziehen, dass sie ihn damals deswegen angegriffen und ihm vorgeworfen hatte, dass er es nicht zum Profi geschafft hatte. Dan war der beste Surfer, den sie je gesehen hatte. Er war absolut furchtlos und bewegte sich mit traumwandlerischer Sicherheit auf dem Wasser.

„Wenn ich das Surfen nicht aufgegeben hätte, hätte ich nicht studiert“, sagte er. „Und ohne das Studium wäre ich nie zu meinem Beruf gekommen.“ Er seufzte. „Na ja, früher oder später wird wohl jeder erwachsen.“

Allerdings, dachte Ava traurig. Der Mann, der Dan geworden war, hatte nichts mehr gemeinsam mit dem Jungen, der nichts als Wasser und Wellen im Kopf gehabt hatte. Mit dem Jungen, der zwar einen Vater, aber keine Familie hatte. Ob ihr das auch mal passieren würde? Würde sie sich so sehr verändern?

„Ich hoffe, es hat sich für dich gelohnt“, sagte sie vorsichtig.

„Ja, das hoffe ich auch.“

„Brant meinte, du wärst der jüngste und dabei erfolgreichste Produzent im ganzen Land.“

Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich.

„Ich möchte über Maddox nicht sprechen“, sagte er abweisend.

„Magst du ihn nicht?“, fragte Ava verwundert.

„Das habe ich nicht gesagt. Er macht seine Sache sehr gut, und die Leute lieben ihn. Aber …“

„Aber?“

„Ich will nicht über ihn sprechen, das ist alles. Nicht heute Abend.“

Heute Abend? Die beiden Worte elektrisierten Ava, und plötzlich wurde sie sich wieder der Situation bewusst. Sie waren ein Mann und eine Frau in einer warmen Sommernacht. Plötzlich stand nichts Trennendes mehr zwischen ihnen.

Als sie das Tor erreichten, blieb Dan stehen. Ava sah ihn an und hatte das Gefühl, ihr Herz würde ein paar Schläge aussetzen. Er war immer noch der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte. Sie schluckte.

„Hast du dich eigentlich jemals mit deinem Vater versöhnt?“, fragte sie, um das Thema zu wechseln.

„Darüber möchte ich nicht sprechen.“

Verstehe.

„Weißt du, woran ich jetzt denke?“ Unverwandt ruhten seine Augen auf ihrem Gesicht.

„Nein.“

„Dass ich dich küssen möchte.“

Es verschlug ihr den Atem und sie wusste nicht, was sie darauf entgegnen sollte.

Das hier ist Daniel. Der schöne, talentierte, umwerfend attraktive Daniel. Er wollte sie küssen, und sie wollte es auch. Sehr sogar.

Aber – war das eine gute Idee? War sie wirklich so masochistisch?

Ich werde nie mit dir zusammen sein, Ava. Noch immer hallten diese Worte in ihr nach und verhinderten, dass sie angemessen reagieren konnte. Sie konnte Dan nur stumm ansehen.

Er trat einen Schritt zurück. „Bitte entschuldige, das hätte ich nicht sagen sollen. Du verdienst wirklich etwas Besseres, als nach einem Abendessen von deinem Boss angemacht zu werden.“

Plötzlich stieg ihr der Geruch seines Aftershaves in die Nase, gemischt mit seinem ganz persönlichen Körperduft. Er traf sie wie ein Schuss Adrenalin und ihre Nerven waren augenblicklich zum Zerreißen gespannt. Aus der Ferne hörte sie das Rauschen der Wellen, die sich an der Kaimauer brachen. Irgendwo klingelte ein Telefon. Fast vergaß sie zu atmen.

Ich werde nie mit dir zusammen sein, Ava.

Autor

Jane Waters
<p>Die erste Schreibmaschine, an der die Zehnjährige Geschichten schrieb, stammte von ihrem Großvater; später schenkten die Eltern ihr ein brandneues Modell, auf dem sogar kleine Bücher entstanden. Heute verdient Jane Waters als Autorin ihren Lebensunterhalt. Ihren Laptop nimmt sie auf viele Reisen rund um den Globus einfach mit, denn Schreiben...
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Cara Colter
<p>Cara Colter hat Journalismus studiert und lebt in Britisch Columbia, im Westen Kanadas. Sie und ihr Ehemann Rob teilen ihr ausgedehntes Grundstück mit elf Pferden. Sie haben drei erwachsene Kinder und einen Enkel. Cara Colter liest und gärtnert gern, aber am liebsten erkundet die begeisterte Reiterin auf ihrer gescheckten Stute...
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