Romana Weekend Band 12

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AFFÄRE IN ATHEN von SARAH MORGAN

Für den griechischen Millionär Sebastien Fiorukis ist es nur ein Geschäft, die Enkelin eines Konkurrenten zu heiraten. Bis er die atemberaubende Alesia kennenlernt – und sie eine Hochzeitsnacht voller Hingabe erleben. Ja, mit ihr will er eine Familie gründen! Doch sie entzieht sich ihm …

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  • Erscheinungstag 23.03.2024
  • Bandnummer 12
  • ISBN / Artikelnummer 8038240012
  • Seitenanzahl 400

Leseprobe

Sarah Morgan, Lynne Graham, Charlotte Lamb

ROMANA WEEKEND BAND 12

1. KAPITEL

„Sebastien Fiorukis?“ Entsetzt blickte Alesia ihren Großvater an, der ihr Leben lang ein Fremder für sie gewesen war. „Um das Geld zu bekommen, soll ich ihn heiraten?“

„Genau.“ Er lächelte unliebenswürdig, während sie die Gefühle, die in ihr aufstiegen, in den Griff zu bekommen versuchte. Damit hatte sie nicht gerechnet, als sie ihren ganzen Mut zusammengenommen und sich an ihn gewandt hatte.

Ausgerechnet Sebastien Fiorukis, den griechischen Industriemagnaten, der das mittelständische Unternehmen seines Vaters übernommen und zu einem Konzern, der mit dem ihres Großvaters konkurrierte, ausgeweitet hatte, sollte sie ehelichen? Den Milliardär, der in dem Ruf stand, genauso skrupellos wie ihr Großvater zu sein. Den Mann, der schnelle Autos liebte und sich ständig mit anderen Frauen umgab. Den Mann, der …

„Das kann nicht dein Ernst sein!“ Mit Tränen in den Augen sah sie zu ihrem Großvater auf. „Die Familie Fiorukis war für den Tod meines Vaters verantwortlich …“ Und sie verachtete diese Leute genauso wie ihren Großvater. Genauso wie alles Griechische.

„Und deswegen stirbt mein Name aus“, erklärte ihr Großvater schroff. „Jetzt werde ich dafür sorgen, dass mit seiner Familie dasselbe passiert. Wenn er dich heiratet, stirbt auch sein Name aus.“

Alesia erstarrte. Er wusste also Bescheid. Der Ordner entglitt ihren Händen, und die Papiere fielen zu Boden, ohne dass sie es richtig wahrnahm. Sie war aschfahl geworden. „Du weißt, dass ich keine Kinder bekommen kann?“, brachte sie hervor. Bisher hatte sie es immer für sich behalten. Ihr einziger Trost war gewesen, dass niemand sie bemitleiden würde.

Starr blickte sie ihren Großvater, Dimitrios Philipos, an. Noch vor wenigen Minuten hatte sie sich stark gefühlt, doch nun fühlte sie sich sehr verletzlich, zumal er sie mit einem selbstgefälligen Ausdruck in den harten Augen betrachtete.

„Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, alles über jeden zu wissen“, sagte er ungerührt. „Informationen sind der Schlüssel zum Erfolg.“

Die Kehle war ihr plötzlich wie zugeschnürt, und Alesia schluckte mühsam. Wie konnte jemand persönliches Leid nur als Erfolg verbuchen?

Dass sie heiraten sollte, war eine grausame Ironie des Schicksals. Schon vor langer Zeit hatte sie sich damit abfinden müssen, dass eine Ehe niemals für sie infrage kommen würde. Wie hätte eine Frau wie sie auch diesen Schritt vollziehen können?

Ihre Gedanken jagten sich. „Wenn du wirklich alles über mich weißt, musst du auch den Grund für mein Kommen kennen, nämlich dass der Gesundheitszustand meiner Mutter sich immer mehr verschlechtert und sie operiert werden soll …“

Wieder lächelte er unliebenswürdig. „Sagen wir einfach, ich habe dich erwartet. Und du hast mich nicht enttäuscht.“

Zorn flammte in ihr auf. Sie hasste diesen Mann! Alesia betrachtete ihren Großvater, den sie an diesem Tag überhaupt zum ersten Mal sah, und schauderte. Es fiel ihr schwer, klar zu denken, denn seit sie im Flughafen von Athen aus der Maschine gestiegen war, hatte sie starke Kopfschmerzen, und jetzt krampfte sich auch ihr Magen zusammen, weil sie in den letzten Tagen kaum etwas gegessen hatte.

Es stand so viel auf dem Spiel. Die Zukunft ihrer Mutter lag in ihren Händen und hing davon ab, ob sie, Alesia, mit ihrem Großvater, der ein Ungeheuer war, irgendeine Vereinbarung treffen würde.

Angewidert sah Alesia sich in dem protzig ausgestatteten Raum um, in dem er wie ein König residierte. Er saß auf einem vergoldeten Stuhl und gab seinen verschüchtert wirkenden Angestellten, die sich im Hintergrund bereithielten, in scharfem Tonfall Anweisungen.

Hatte der Mann denn kein Schamgefühl? Wusste er nicht, dass sie drei Jobs hatte, um ihrer Mutter die notwendige medizinische Versorgung zukommen zu lassen? Eigentlich hätte er sich in den letzten fünfzehn Jahren um seine Schwiegertochter kümmern müssen.

Alesia atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Es kostete sie große Mühe, nicht aufzustehen und den Raum zu verlassen. Doch sie musste darüber hinwegsehen, dass ihr Großvater der egoistischste, oberflächlichste Mensch war, den sie je kennengelernt hatte, weil sie nur ihrer Mutter wegen hier war. Er hatte deren Existenz fünfzehn Jahre lang geleugnet, aber seine Enkelin würde er nicht mehr ignorieren können. Er musste endlich begreifen, dass er eine Familie hatte.

„Mach nicht so ein Gesicht. Du bist zu mir gekommen, falls du es vergessen haben solltest. Du willst das Geld“, sagte Dimitrios mit seinem starken griechischen Akzent.

„Für meine Mutter.“

Er stieß einen verächtlichen Laut aus. „Wenn sie Rückgrat hätte, hätte sie mich selbst gefragt.“

Entschlossen unterdrückte sie ihre Wut. Wenn sie ihr nachgab, würde er sie sicher sofort auffordern zu gehen. „Meiner Mutter geht es sehr schlecht …“

Nun lächelte er richtig boshaft. „Und das ist der einzige Grund, warum du hier bist, stimmt’s? Du hasst mich. Das hat sie dich gelehrt.“ Er beugte sich vor. „Du bist außer dir vor Zorn und versuchst, dich zu beherrschen, weil du mich nicht gegen dich aufbringen willst.“ Schließlich warf er den Kopf zurück und lachte schallend.

Alesia wollte nicht wahrhaben, dass jemand so gewissenlos sein konnte. Sie machte eine flehende Geste. „Sie war die Frau deines Sohnes …“

„Erinnere mich nicht daran.“ Ihr Großvater wurde ernst und lehnte sich wieder zurück. „Schade, dass du kein Junge warst. Du siehst aus, als hättest du seinen Mut geerbt. Abgesehen von dem blonden Haar und den blauen Augen siehst du ihm sogar ähnlich. Wenn diese Frau meinen Sohn nicht verführt hätte, hättest du den Stammbaum, den du verdienst, und hättest die letzten fünfzehn Jahre deines Lebens nicht im Exil verbringen müssen. All das hier würde dir gehören.“

Erneut blickte sie sich in dem Raum um. Der Gegensatz zwischen ihrem Zuhause und dem ihres Großvaters hätte größer nicht sein können. Während er in diesem Herrenhaus residierte, konnte sie sich nur eine kleine behindertengerechte Wohnung in einem weniger schönen Stadtteil Londons leisten.

Dann dachte sie an ihre Mutter und deren langen Überlebenskampf, den dieser Mann ihrer Mutter hätte erleichtern können.

Alesia riss sich zusammen. „Ich bin mit meinem Stammbaum zufrieden“, erklärte sie steif. „Und ich liebe England.“

„Widersprich nicht!“, fuhr ihr Großvater sie an, und einen Moment lang verspannte sie sich, weil sie sicher war, dass er sie schlagen würde. „Wenn du das tust, wird er dich nie heiraten. Ich möchte, dass du dich wie eine Griechin verhältst, auch wenn du nicht so aussiehst. Du wirst sanftmütig und gehorsam sein und deine Meinung nur äußern, wenn du gefragt wirst. Hast du mich verstanden?

Ungläubig blickte sie ihn an. „Ist das dein Ernst? Glaubst du wirklich, ich würde einen Fiorukis heiraten?“

Wieder lächelte er boshaft. „Wenn du das Geld haben willst, ja. Du wirst Sebastien Fiorukis heiraten und dafür sorgen, dass er nicht erfährt, dass du keine Kinder bekommen kannst. Ich werde gewährleisten, dass die Bedingungen ihn an dich binden, bis du einen Erben gebärst. Und da du nicht dazu imstande bist, wird er ewig eine kinderlose Ehe führen müssen.“ Und erneut warf er den Kopf zurück und lachte laut. „Ich habe fünfzehn Jahre auf diesen Moment gewartet, aber das war es wert. Ich mache dich zum Werkzeug meiner Rache.“

Alesia war entsetzt. Nun verstand sie auch, warum ihre Mutter sie vor ihm gewarnt hatte. „Nein.“ Sie fasste sich an den Hals, weil sie plötzlich das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen. „Das kannst du unmöglich von mir verlangen.“

Sie konnte Sebastien Fiorukis nicht heiraten. Er verkörperte all die Eigenschaften, die sie bei einem Mann verachtete. Und die Vorstellung, ihr Leben mit ihm zu verbringen …

„Wenn du das Geld haben willst, wirst du es tun“, erwiderte ihr Großvater zynisch.

Alesia biss sich auf die Lippe, während ihre Gedanken einander jagten. Sie wollte das Geld. Sie musste es bekommen. „Es ist nicht richtig …“

„Es ist ausgleichende Gerechtigkeit“, fiel er ihr eisig ins Wort. „Die Griechen rächen immer ihre Toten, das solltest du wissen, auch wenn du nur Halbgriechin bist.“

Hilflos sah sie ihn an. War dies der richtige Zeitpunkt, um ihm zu sagen, dass sie alles, was griechisch war, hasste? Dass sie sich nicht wie eine Griechin fühlte und auch niemals fühlen würde?

Doch sie schwieg, denn sie durfte es nicht riskieren, es sich mit Dimitrios Philipos zu verscherzen. Auf dem Weg hierher hatte sie sich entschieden, alles zu tun, um das Geld zu bekommen.

Während sie ihn eingehend betrachtete und dabei den eisigen Ausdruck in seinen Augen und den hässlichen Zug um seinen Mund bemerkte, kam ihr der Gedanke, dass es idiotisch wäre, sich diesen Mann zum Feind zu machen. Dann hätte sie beinah über ihre eigene Naivität gelacht. Sie waren bereits Feinde – seit jenem Tag, an dem ihre Mutter das Herz seines Sohnes erobert und somit seine Pläne durchkreuzt hatte, denn er hatte ihn mit einem netten griechischen Mädchen verheiraten wollen.

„Fiorukis wird mich niemals heiraten“, erklärte Alesia ruhig.

Sebastien Fiorukis war ein Frauenheld, und nichts lag ihm ferner, als sich dauerhaft zu binden. Also warum hätte er ausgerechnet mit ihr eine Ehe eingehen sollen?

„Sebastien Fiorukis ist in erster Linie Geschäftsmann“, sagte ihr Großvater verächtlich. „Und er wird sich das, was ich ihm für eine Heirat mit meiner Enkelin in Aussicht gestellt habe, nicht entgehen lassen.“

„Und was ist das?“

Wieder war sein Lächeln ausgesprochen unangenehm. „Sagen wir, ich habe etwas, das er unbedingt haben möchte. Außerdem ist er ein Frauenheld und bevorzugt Blondinen. Du hast also Glück – oder du wirst es haben, wenn du statt dieser schäbigen Jeans etwas Anständiges anziehst. So, und nun beseitige das Chaos, das du hier angerichtet hast.“

Automatisch stand sie auf und hob mit zittrigen Händen die verstreuten Unterlagen auf. Dabei überlegte sie krampfhaft. Sie hatte keine andere Wahl, denn nur so konnte sie sich das Geld beschaffen. Und es wäre ja auch keine richtige Ehe. Vermutlich würden Sebastien und sie sich ohnehin aus dem Weg gehen …

„Wenn ich Ja sage, gibst du mir dann das Geld?“

„Nein.“ Ihr Großvater stieß einen unwirschen Laut aus. „Du wirst es von Fiorukis bekommen. Es wird Teil der Abmachung sein. Du wirst jeden Monat Unterhalt von ihm bekommen, und was du damit machst, ist deine Sache.“

Entgeistert sah Alesia ihn an. Sebastian Fiorukis sollte nicht nur die Enkelin seines größten Feindes heiraten, sondern auch noch dafür bezahlen. Was genau war es, was er den Worten ihres Großvaters zufolge unbedingt haben wollte?

Alesia fasste sich an die pochenden Schläfen und wünschte, die Kopfschmerzen würden aufhören und sie könnte einen klaren Gedanken fassen. Sie kannte ihren Großvater jetzt gut genug, um zu wissen, dass Sebastien Fiorukis sich auf diesen Deal einlassen würde. Und das bedeutete, dass sie heiraten musste – den Mann, dessen Familie für den Tod ihres Vaters verantwortlich gewesen war.

Einen Mann, den sie hasste.

„Warum sollte Dimitrios Philipos wohl zu uns kommen?“ Sebastien Fiorukis ging die Terrasse auf und ab, die die gesamte Längsseite seiner luxuriösen Athener Villa einnahm, und blieb dann stehen, um seinen Vater zu betrachten. Dabei war seine Miene unergründlich. Er hatte schon früh gelernt, welche Vorteile es hatte, ein ausdrucksloses Gesicht zu machen, und diese Kunst im Lauf der Jahre perfektioniert. „Die Fehde zwischen unseren Familien besteht seit drei Generationen.“

„Offenbar ist das auch der Grund“, sagte Leandros Fiorukis vorsichtig. „Er denkt, es sei an der Zeit, sich zu versöhnen. In der Öffentlichkeit.“

„Dimitrios Philipos will sich versöhnen?“ Sebastien zog eine Augenbraue hoch. „Der Mann ist durch und durch schlecht.“

Dass sein Vater es überhaupt in Betracht zog, sich mit diesem Mann zu treffen, überraschte ihn. Dann musste Sebastien sich allerdings eingestehen, dass sein Vater allmählich alt wurde und der Verlust des familieneigenen Unternehmens damals ihm schon zu lange zu schaffen machte.

Sein Vater seufzte. „Ich möchte, dass diese Fehde beendet wird, Sebastien. Ich möchte mit deiner Mutter in dem Bewusstsein, dass wir zurückbekommen haben, was rechtmäßig uns gehört, in den Ruhestand gehen. Ich habe keine Kraft mehr zu kämpfen.“

Sebastien lächelte zynisch. Zum Glück war er ganz anders als sein Vater und suchte geradezu die Konfrontation. Falls Dimitrios Philipos glaubte, ihn genauso wie alle anderen schikanieren und einschüchtern zu können, hatte er sich getäuscht.

Sein Vater nahm einige Unterlagen vom Tisch. „Das Geschäft, das er vorschlägt, ist wirklich erstaunlich.“

„Umso mehr ein Grund, seine Beweggründe infrage zu stellen“, erklärte Sebastien kühl.

„Du wärst dumm, wenn du es dir nicht wenigstens anhören würdest. Und ich weiß, dass du das nicht bist“, sagte sein Vater vorsichtig. „Egal, was für ein Mensch Dimitrios Philipos sein mag, er ist immer noch Grieche. Und ich habe dem Treffen in deinem Namen schon so gut wie zugestimmt …“

Sebastien betrachtete ihn. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sein Vater auch äußerlich gealtert war. Die Belastung war zu groß für ihn gewesen. In diesem Moment schwor er sich, die Fehde ein für alle Mal zu beenden.

„Gut“, erwiderte er deshalb kurz angebunden. „Erzähl mir von seinem Angebot.“

„Er will uns seine Firma übertragen.“ Sein Vater lachte schroff und legte die Unterlagen auf den Tisch. „Oder sollte ich lieber ‚unsere Firma‘ sagen, denn das war sie ja, bevor Philipos deinen Großvater betrogen hat?“

Philipos wollte ihnen die Firma zurückgeben? Sebastien ließ sich nicht anmerken, wie schockiert er war. „Und was will er als Gegenleistung?“

Leandros mied seinen Blick. „Du sollst seine Enkelin heiraten.“

„Du machst Witze!“ Der Ausdruck in Sebastiens dunklen Augen verriet Unglauben und Belustigung. „In was für einem Jahrhundert leben wir eigentlich?“

Sein Vater schob die Papiere hin und her. „Das ist leider seine Bedingung.“

Daraufhin erstarrte Sebastien. „Du meinst es also ernst.“ Plötzlich klang seine Stimme trügerisch sanft. „Dann solltest du wissen, dass ich auf keinen Fall eine Blutsverwandte von Dimitrios Philipos heiraten werde.“

Sein Vater rieb sich den Nacken. „Du bist vierunddreißig, Sebastien. Irgendwann musst du heiraten, es sei denn, du willst dein Leben ohne Frau und Kinder verbringen.“

„Ich wünsche mir Kinder“, sagte Sebastien ausdruckslos. „Sehr sogar. Das Problem ist, die richtige Frau zu finden, denn sie soll einige Eigenschaften haben, die offenbar keine hat.“

Er dachte an die wunderschöne Turnerin, mit der er die letzten Abende verbracht hatte. Und an die Tänzerin, die er vorher kennengelernt hatte. Keine der beiden hatte seine Aufmerksamkeit für mehr als einige Wochen zu fesseln vermocht.

„Wenn du nicht aus Liebe heiraten kannst, warum tust du es dann nicht aus geschäftlichen Gründen?“, fragte sein Vater schroff. „Wenn du diese junge Frau heiratest, gehört die Firma uns.“

Sebastien überlegte krampfhaft. „Ist das alles?“ Er kniff die Augen zusammen. „So einfach kann es nicht sein.“

Leandros entspannte sich ein wenig. „Er ist ein alter Mann und die Firma in Schwierigkeiten. Es gibt nur wenige Männer, die die Probleme lösen können, und Philipos weiß, dass du dazu in der Lage wärst. Mit dieser Eheschließung sorgt er dafür, dass seine Enkelin finanziell abgesichert ist, falls die Firma Konkurs macht. Und das wird sie mit dir an der Spitze nicht. Es ist ein großzügiges Angebot.“

„Genau das macht mir eigentlich Sorgen“, erklärte Sebastien. „Dimitrios Philipos ist nicht gerade für seine Großzügigkeit bekannt.“

Warum hätte Philipos ihm die Firma überlassen sollen? Und warum wollte er, dass er seine Enkelin heiratete?

Leandros blickte ihn resigniert an. „Es wird höchste Zeit, nicht mehr argwöhnisch zu sein und vertrauen zu lernen. Philipos hat die Firma mit meinem Vater gegründet und sie ihm dann weggenommen. Angeblich bedauert er, was geschehen ist, und möchte es wieder gutmachen, bevor er stirbt.“

„Und du glaubst ihm?“

Sein Vater zuckte die Schultern. „Unseren Anwälten liegt bereits ein Vertragsentwurf vor. Warum sollte ich ihm nicht glauben?“

„Vielleicht weil er größenwahnsinnig ist und immer nur seinen eigenen Vorteil im Auge hat“, erwiderte Sebastien scharf, während er seine Seidenkrawatte abnahm und über den nächsten Stuhl hängte. Er verspürte jenes Hochgefühl, das ihn immer überkam, wenn er vor eine Herausforderung gestellt wurde. Je mehr auf dem Spiel stand, desto spannender war es für ihn. „Muss ich dich wirklich daran erinnern, wie er sich an unserer Familie versündigt hat?“

„Er ist ein alter Mann. Vielleicht bereut er es jetzt.“

Sebastien legte den Kopf zurück und lachte, doch seine dunklen Augen funkelten gefährlich. „Bereuen? Der alte Mistkerl weiß gar nicht, was das bedeutet. Ich bin fast versucht, darauf einzugehen, nur um herauszufinden, was er diesmal im Schilde führt.“ Er öffnete die obersten beiden Hemdknöpfe und bedeutete einem seiner Angestellten, der sich diskret im Hintergrund hielt, etwas zu trinken zu holen. Im Juli war die Hitze in Athen unerträglich. „Warum sucht seine Enkelin sich nicht selbst einen Mann? Philipos hat bisher immer ein großes Geheimnis um sie gemacht. Ist sie einfach nur hässlich, oder hat sie irgendeine schwere Krankheit, die meine Kinder erben würden?“

„Bestimmt ist sie eine ganz reizende junge Frau“, bemerkte sein Vater leise, woraufhin Sebastien spöttisch die Augenbrauen hochzog.

„Wenn sie hübsch wäre und Charakter hätte, würde Philipos sie nicht verstecken, und die Leute von der Presse würden sie genauso verfolgen wie mich. Schließlich ist sie sehr reich.“

„Die Paparazzi verfolgen dich nur, weil du ihnen viel Stoff lieferst“, erinnerte sein Vater ihn trocken. „Philipos’ Erbin hingegen lebt in England.“

„Und dort ist die Regenbogenpresse am schlimmsten.“ Sebastien runzelte die Stirn. „Das macht das Ganze noch interessanter. Wenn die Reporter dort sie in Ruhe gelassen haben, muss sie abgrundtief hässlich sein und kann keine Persönlichkeit haben.“

Sein Vater seufzte verzweifelt. „Offenbar lebt sie sehr zurückgezogen – im Gegensatz zu dir. Sie ist dort auf ein Internat gegangen. Ihre Mutter ist Engländerin, falls du dich erinnerst.“

„Natürlich tue ich das.“ Während Sebastien sein Glas leerte, stürmten die Erinnerungen auf ihn ein. „Ich weiß auch noch, dass sie ums Leben kam, als unser Boot explodierte, zusammen mit ihrem Mann, Dimitrios Philipos’ einzigem Sohn.“ Das Kind, das er an die Oberfläche gezogen hatte, war leblos gewesen. Es hatte ein einziges Chaos geherrscht, überall war Blut gewesen, und die Leute hatten geschrien. „Sie hat ihre Eltern verloren, und Philipos gibt uns die Schuld an deren Tod. Und nun soll ich seine Enkelin heiraten? Wahrscheinlich muss ich mit einem Dolch unter dem Kopfkissen schlafen. Es wundert mich, dass du so gleichmütig auf seinen Vorschlag reagierst.“

„Wir haben bei der Explosion auch Angehörige verloren“, erklärte Leandros ernst. „Und vielleicht ist Dimitrios Philipos inzwischen klar geworden, dass wir nicht für den Tod seines Sohnes verantwortlich sind.“ Sichtlich erschüttert von den Erinnerungen, fuhr er sich über die Stirn. „Er möchte, dass sie einen Griechen heiratet, damit die Linie der Philipos’ wieder gestärkt wird.“

Sebastien fragte sich, seit wann sein Vater so nachsichtig war. Wenn Philipos wollte, dass seine Enkelin einen Griechen heiratete, musste er einen Grund dafür haben. Und den würde er herausfinden.

„Lern diese Frau wenigstens kennen“, ermunterte sein Vater ihn nun. „Dann kannst du immer noch Nein sagen.“

Sebastien betrachtete ihn nachdenklich. „Was ist für sie drin?“, erkundigte er sich scharf.

Sein Vater zögerte und schob erneut die Papiere hin und her. „Sebastien …“

„Los, sag es mir!“

Argwöhnisch blickte sein Vater ihn an. „Am Tag eurer Hochzeit musst du Geld auf ihr Konto überweisen.“ Wieder sah er in die Unterlagen. „Eine beträchtliche Summe. Und die musst du ihr jeden Monat zahlen.“

Sebastien schwieg eine Weile. Schließlich lachte er ungläubig. „Willst du mir allen Ernstes weismachen, dass diese Frau Geld für eine Ehe mit mir verlangt? Sie ist doch schon steinreich.“

Sein Vater räusperte sich. „Die Vertragsbedingungen sind eindeutig. Sie erhält Geld.“

Sebastien ging zum Ende der Terrasse und blickte auf die Stadt hinunter, die er so liebte.

„Sebastien …“

Schnell wandte Sebastien sich um. In seinen dunklen Augen lag ein zynischer Ausdruck. „Alle Frauen sind nur auf Geld aus. Und Philipos’ Enkelin ist wenigstens ehrlich, das spricht für sie.“

„Warum lernst du sie nicht erst kennen, bevor du dir ein Urteil bildest?“ Hilflos sah sein Vater ihn an. „Dass sie monatlich eine bestimmte Summe verlangt, muss nichts über ihren Charakter aussagen. Vielleicht ist sie süß.“

Sebastien zuckte zusammen. „Süße Frauen verlangen keine Unsummen von ihren potenziellen Ehemännern. Und wenn sie eine echte Philipos ist, hat sie Hörner und einen Schwanz“, fügte er ironisch hinzu. „Ich wünsche mir genau wie du, dass Philipos Industries wieder in den Besitz unserer Familie übergeht. Und da ich fasziniert bin, werde ich mich zumindest mit dieser Frau treffen. Aber ich verspreche nichts“, warnte er seinen Vater grimmig, während er sein Glas auf den Tisch stellte. „Wenn sie die Mutter meiner Kinder werden soll, muss sie wenigstens hübsch sein.“

„Du wirst dich wie ein braves griechisches Mädchen verhalten.“ Dimitrios Philipos funkelte Alesia an, während der Hubschrauber landete. „Wenn du den Mund hältst, bis die Hochzeit stattfindet, wird alles gut gehen. Und dann ist es für Fiorukis zu spät, seine Meinung zu ändern.“

Alesia war jedoch viel zu sehr in Gedanken vertieft, um sich den Kopf über ihren potenziellen Ehemann zu zerbrechen. Warum mussten sie ihn auf seiner Insel besuchen?

Sobald die Maschine gelandet war, entspannte Alesia sich und atmete tief durch. Beim Anblick des azurblauen Meeres unter ihnen war ihr sehr beklommen gewesen, denn schon immer hatte sie große Angst vor Wasser gehabt. Noch immer konnte sie nicht glauben, dass sie sich mit diesem Treffen einverstanden erklärt hatte.

„Was ist, wenn er weiß, dass ich keine Kinder bekommen kann?“, fragte sie ihren Großvater.

„Er hat keine Ahnung. Bis vor Kurzem hat er noch nicht einmal von deiner Existenz gewusst. Dass du ihm keinen Sohn schenken kannst, wird er erst nach eurer Hochzeit erfahren.“ Er lächelte boshaft, woraufhin sie zusammenzuckte.

Sie hätte sich nicht auf all dies einlassen sollen. Es war falsch. Dann musste sie jedoch an das Geld denken. Außerdem hätte sie Sebastien Fiorukis niemals geheiratet, wenn er ein anständiger Mann gewesen wäre. Das war er aber nicht. Seine ganze Familie war genauso korrupt wie ihr Großvater, und er hatte das Sagen. Nach allem, was sie über ihn gehört hatte, war er ein typischer Grieche, gewissenlos und genauso kühl und rücksichtslos wie ihr Großvater. Zweifellos wäre er ein schrecklicher Vater. Vielleicht wäre es für alle Beteiligten das Beste, wenn beide Linien aussterben würden, überlegte Alesia grimmig.

Und beide Männer standen in ihrer Schuld, denn sie waren für den Unfall verantwortlich, der ihre Familie zerstört hatte. Es wurde höchste Zeit, dass sie dafür bezahlten.

Vom Hochzeitstag an würde Fiorukis jeden Monat eine beträchtliche Summe auf ihr Konto überweisen, solange er mit ihr verheiratet war. Was bedeutete, dass ihre Mutter endlich operiert werden konnte und sie, Alesia, alle finanziellen Sorgen los war. Solange Fiorukis nicht herausfand, dass ihre Mutter noch lebte.

Alesia biss sich auf die Lippe. Sollte er es erfahren, würde ihm sofort klar werden, dass ihr Großvater sie nicht liebte und an diesem Geschäft irgendetwas faul war.

Sie zögerte, bevor sie aus dem Hubschrauber stieg. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Am liebsten hätte sie ihren Großvater gefragt, warum sie als Halbgriechin die Hitze so unerträglich fand. In den letzten Tagen hatte sie allerdings die Erfahrung gemacht, dass sie am besten mit ihm zurechtkam, wenn sie schwieg.

Im nächsten Moment packte er sie am Arm und funkelte sie erneut an. „Vergiss nicht, dass du jetzt eine Philipos bist.“

Alesia ließ sich ihre Verachtung nicht anmerken. „Meiner Mutter hast du verboten, den Namen zu benutzen“, brachte sie hervor. „Aber ich soll es jetzt tun, weil es dir in den Kram passt.“

„Fiorukis soll dich heiraten, weil du eine Philipos bist“, erinnerte er sie und lächelte boshaft. „Ansonsten würde er dich nicht einmal mit der Zange anfassen. Und jetzt hör auf, an diesem Kleid herumzuzupfen.“

Sie presste die Lippen zusammen und ließ den Saum los. „Es ist viel zu aufreizend. Man sieht alles.“

„Genau.“ Ihr Großvater musterte sie von Kopf bis Fuß und stieß einen zufriedenen Laut aus. „Ein Mann kauft nicht gern die Katze im Sack. Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe: Fiorukis hat einen messerscharfen Verstand, aber trotzdem ist er ein heißblütiger Grieche. Wenn er dich in dem Aufzug sieht, wird er nicht mehr ans Geschäft denken. Du tust so, als würdest du jeden Tag so herumlaufen, und erzählst ihm auf keinen Fall, dass deine Mutter noch lebt. Du sagst auch nicht, warum du das Geld willst.“

„Er wird wissen wollen, warum ich ihn heirate“, gab sie zu bedenken.

„Sebastien Fiorukis ist sehr von sich eingenommen, und aus irgendeinem unerfindlichen Grund laufen die Frauen ihm in Scharen nach, wahrscheinlich weil er reich ist und gut aussieht. Dieser Kombination können Frauen normalerweise nicht widerstehen.“ Er stieß einen verächtlichen Laut aus. „Er wird annehmen, dass du eine von vielen Bewunderinnen bist, die es auf seine Millionen abgesehen haben.“

Alesia schauderte. Der Mann musste unglaublich arrogant sein. „Ich denke nicht …“

„Gut!“, fiel ihr Großvater ihr ins Wort. „Ich will nämlich nicht, dass du denkst. Und er auch nicht. Du sollst dich nur ins Bett legen, wenn ihm danach ist. Und wenn er dich fragt, möchtest du ihn heiraten, weil er einer der begehrenswertesten Junggesellen der Welt ist und du zu deinen griechischen Wurzeln zurückwillst.“

Ihr Magen krampfte sich zusammen, und sie versuchte zu verdrängen, dass sie mit Sebastien Fiorukis würde intim werden müssen. Dann erinnerte sie sich an das, was sie über ihn gelesen hatte. Wenn es stimmte, hatte er immer mindestens drei Freundinnen auf einmal. Also würde er ihr sicher nicht treu sein. Aber es war ihr recht, wenn er ihr aus dem Weg ging, solange er regelmäßig zahlte.

Alesia schwankte ein wenig. Am liebsten hätte sie den Piloten gebeten, sie zum Festland zurückzubringen, doch ihr Großvater drängte sie weiter, sodass sie aussteigen musste. Geblendet vom gleißenden Licht, kniff sie die Augen zusammen und nahm die kräftige Gestalt in einiger Entfernung nur schemenhaft wahr.

Plötzlich war alles zu viel für sie, und sie wäre wieder stehen geblieben, hätte ihr Großvater sie nicht erneut vorwärts geschoben. Da sie nicht darauf vorbereitet und es außerdem nicht gewohnt war, hohe Absätze zu tragen, verlor sie das Gleichgewicht und wäre beinah gestürzt, aber jemand fing sie auf.

Schockiert und verlegen bedankte sie sich, während sie die muskulösen Arme der fremden Person umklammerte. Ein tief gebräuntes Gesicht nahm nun Konturen an, und sekundenlang begegnete sie dem Blick dunkler Augen. Prompt durchfluteten Hitzewellen ihren Schoß, und sie spürte, wie sie errötete.

„Miss Philipos?“

Es dauerte einen Moment, bis sie merkte, dass der Mann sie meinte.

„Richte dich auf, Mädchen!“, riss die Stimme ihres Großvaters sie aus ihren Gedanken. „Und rede gefälligst, wenn jemand mit dir spricht!“

Schließlich fand Alesia das Gleichgewicht wieder. Gequält sah sie ihren Retter an. „Tut mir leid, ich …“

„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen“, sagte Sebastien kühl, doch als er ihren Großvater betrachtete, ließ der Ausdruck in seinen Augen sie schaudern.

Nachdem ihr Großvater ihr einen ungeduldigen Blick zugeworfen hatte, wandte er sich an ihren Gastgeber. „Ob Sie es glauben oder nicht, meine Enkelin kann aufrecht stehen, wenn sie will. Aber wie die meisten Frauen hat sie nichts im Kopf.“

Schnell neigte sie den Kopf, damit er das zornige Funkeln in ihren Augen nicht sah. Nur der Gedanke an ihre geliebte Mutter hielt sie davon ab, wieder in den Hubschrauber zu steigen. Was auch passieren mochte, sie würde ihre Mutter retten.

2. KAPITEL

Sie war atemberaubend.

Sebastien beobachtete, wie ihr das seidige blonde Haar ins Gesicht fiel, als Alesia den Kopf neigte. Sie hatte veilchenblaue Augen, eine glatte Haut und sinnliche Lippen. Ihr Gesicht war schon umwerfend schön, aber ihr Körper …

Er ließ den Blick tiefer schweifen. Alesia trug ein aufreizendes Kleid, das ihre vollen Brüste und langen Beine perfekt zur Geltung brachte. Offenbar hatte sie keine Hemmungen, ihre Reize zur Schau zu stellen. Allerdings verkaufte sie sich auch zu einem lächerlich hohen Preis, wie er sich zynisch ins Gedächtnis rief. Deshalb war es vielleicht verständlich, dass sie meinte, sich ihm vorher so präsentieren zu müssen.

Heißes Verlangen, das ihn selbst überraschte, flammte in ihm auf. Da er seit seinem Teenageralter unzählige schöne Frauen gehabt hatte, waren seine Ansprüche immer höher geworden. Diese junge Frau fesselte jedoch seine Aufmerksamkeit.

Plötzlich sah er das bevorstehende Geschäft in einem ganz anderen Licht. Egal, was Dimitrios Philipos vorhaben mochte, es war nicht schlimm, seine Enkelin heiraten zu müssen. Auch wenn sie sonst irgendwelche Makel hatte, hässlich war sie nicht, und er würde kein Problem damit haben, gelegentlich mit ihr ins Bett zu gehen.

Da er Bewunderung seitens der Frauen gewohnt war, entspannte Sebastien sich und wartete auf Alesias Reaktion. Dann stellte er allerdings überrascht fest, dass sie überhaupt nicht an seiner Meinung über sie interessiert zu sein schien, denn sie hielt den Blick gesenkt, die Hände krampfhaft zu Fäusten geballt. War sie wütend? Hatte sie Angst?

Er sah ihren Großvater an und erstarrte, als er dessen Gesichtsausdruck sah. Der Mann war ein Tyrann und ein Fiesling. Und es war offensichtlich, dass seine Aggression sich in diesem Fall gegen seine Enkelin richtete. Zwang er sie etwa zu dieser Heirat?

Sebastien beschloss, sich später ein Urteil zu bilden. Er wusste bereits, dass Alesia die Geldgier ihres Großvaters geerbt hatte. Warum sonst hätte sie derart hohe monatliche Zahlungen von ihm verlangt, wo sie doch ohnehin reich war? Ihren Großvater konnte er jedenfalls nicht dafür verantwortlich machen, denn dieser profitierte nur insofern von dem Geschäft, als er einen Urenkel bekommen würde.

„Hatten Sie eine gute Reise, Miss Philipos?“, fragte Sebastien.

Alesia reagierte jedoch nicht. Es schien, als würde sie auf diesen Namen gar nicht hören. Vielleicht zog sie es vor, wenn man nicht so förmlich war. „Alesia?“

Sofort sah sie ihn an. In ihren Augen lag ein erstaunter Ausdruck. „Ja?“

„Ich habe Sie gefragt, ob Sie eine gute Reise hatten.“ Sebastien schenkte ihr sein berühmtes Lächeln, bei dem jede Frau schwach wurde, aber Alesia hatte den Blick wieder gesenkt.

Er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie frustriert er war. Anscheinend konnte sie es nicht ertragen, ihn anzusehen. Sie war sehr widersprüchlich, denn ihre Körpersprache stand in krassem Gegensatz zu ihrem aufreizenden Kleid.

„Ja, danke“, erwiderte sie schließlich, und er stellte fest, dass sie schnell atmete, als wäre sie sehr gestresst.

Sicher war es das Beste, wenn er ihren Großvater auf elegante Art loswerden konnte. „Lassen Sie uns einen Spaziergang machen, während die Anwälte die Einzelheiten aushandeln“, schlug er deshalb vor. „Wir müssen einiges besprechen.“

Sofort ging Dimitrios Philipos zum Angriff über und trat einen Schritt vor. „Sie bleibt bei mir.“

Sebastien zog eine Augenbraue hoch. „Soll diese Ehe zwischen zwei oder drei Leuten geschlossen werden?“, erkundigte er sich trügerisch sanft. „Wollen Sie auch in der Hochzeitsnacht dabei sein?“

Er hörte, wie Alesia einen schockierten Laut ausstieß, ignorierte es jedoch und richtete seine Aufmerksamkeit stattdessen auf ihren Großvater, der sich nun feindselig gab.

„Würden Sie meinen Ruf kennen, würden Sie keinen Streit mit mir anfangen, Fiorukis.“

Sebastien ließ sich durch seinen drohenden Tonfall jedoch nicht einschüchtern. Ohne den warnenden Blick seines Vaters, der neben ihm stand, zu beachten, konterte er: „Ich hatte noch nie Angst vor Auseinandersetzungen. Und würden Sie meinen Ruf kennen, wüssten Sie, dass ich persönliche Beziehungen nicht in der Öffentlichkeit pflege.“

Nachdem Dimitrios Philipos ihn einen Moment lang angefunkelt hatte, stieß er einen unwirschen Laut aus. „Na gut.“ Er nickte kurz. „Von mir aus soll sie sich ihr neues Zuhause ansehen.“

„Mein neues Zuhause?“ Alarmiert blickte Alesia sich um. „Ich soll hier leben?“

Sebastien riss sich von dem Anblick ihrer schlanken Beine los und presste die Lippen zusammen. Es fiel ihm schwer, seine Ungeduld zu verbergen. Da seine Freundinnen ausnahmslos das Stadtleben liebten und ihre liebste Freizeitbeschäftigung Shoppen war, nahm er nur selten eine mit hierher. Offenbar war seine zukünftige Braut in der Hinsicht nicht anders. Allerdings hätte es ihn in Anbetracht der Summe, die ihr Großvater ausgehandelt hatte, eigentlich nicht wundern dürfen. Was sollte eine Frau sonst mit so viel Geld anfangen, wenn sie es nicht in den teuersten Designerboutiquen ausgab?

Sebastien kniff die Augen zusammen. Er hatte das Gefühl, dass an diesem Geschäft etwas faul war, und suchte deshalb Antworten auf die Fragen, die ihn beschäftigten. In erster Linie wollte er wissen, was Dimitrios Philipos’ Erbin durch eine Verbindung mit seiner Familie gewann.

Als er Dimitrios Philipos betrachtete, bemerkte er das kalte Funkeln in dessen Augen. Offenbar schränkte er die Ausgaben seiner Enkelin ein, denn er galt als ausgesprochen geizig. Also musste sie sich jemand anders suchen, der ihre Rechnungen bezahlte. Schließlich gab es unzählige Frauen, die groß herauskamen, indem sie reiche Männer heirateten.

Sebastien rief sich ins Gedächtnis, dass er sich über Alesias Beweggründe für eine Eheschließung mit ihm bereits im Klaren gewesen war, und ließ sich seine Verachtung nicht anmerken. „Ich habe auch Häuser in Athen, Paris und New York“, erklärte er lässig. „Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen, dass Sie meine Kreditkarte nicht benutzen können.“

Alesia blickte aufs Meer und schien ihm überhaupt nicht zuzuhören.

Er unterdrückte seinen Zorn. Anscheinend war seine Einschätzung, dass sie keine Persönlichkeit hatte, richtig gewesen. Warum sagte Alesia nichts? Ein solches Desinteresse war er nicht gewohnt. Je eher er mit ihr allein sein konnte, desto besser.

„Gefällt Ihnen die Insel nicht?“, fragte er im Plauderton, woraufhin sie ihn gequält ansah.

„Sie ist von Wasser umgeben.“

Mit der Antwort hatte er nun wirklich nicht gerechnet. „Das ist bei Inseln normalerweise der Fall. Die Schlafzimmer in meiner Villa liegen alle zum Strand oder zum Pool hinaus.“

Falls er eine begeisterte Reaktion auf diese Aussage erwartet hatte, wurde er wieder enttäuscht, denn Alesia wurde aschfahl.

Sebastien runzelte die Stirn. Stimmte etwas nicht mit ihr?

„Meine Enkelin leidet an Reiseübelkeit“, sagte ihr Großvater unwirsch.

Erneut wurde Sebastien wütend auf ihn. Musste dieser Kerl immer das Wort für seine Enkelin ergreifen?

Da ihm allerdings klar war, dass der Vertrag nur mit Dimitrios Philipos’ Unterschrift rechtskräftig wurde, konzentrierte Sebastien sich auf Alesia. „Ich werde Miss Philipos jetzt die Insel zeigen. Sie können inzwischen alles mit meinem Vater besprechen. Ich komme später nach.“

Dimitrios Philipos blickte auf seine Armbanduhr. „Ich werde in zwei Stunden in Athen zurückerwartet. Vorher muss alles über die Bühne gegangen sein.“

Sebastien betrachtete ihn forschend. Warum hatte der alte Mann es so eilig?

Er war ganz anders, als sie erwartet hatte. Schweigend sah Alesia den Mann an, der vor ihr stand. Er hatte dunkle Augen und ebensolche Brauen, und seine markante Nase hob die perfekte Symmetrie seines außergewöhnlich attraktiven Gesichts hervor. Bereits als sie noch ein Kind gewesen war, hatte man sie diesen Mann hassen gelehrt.

Allerdings schien diese unwirkliche Situation ihn nicht zu beunruhigen. Sie spürte, dass dieser Mann nicht so leicht aus der Fassung zu bringen war. Mit undurchdringlicher Miene betrachtete er sie. Er strahlte Autorität aus und wirkte durch und durch wie ein Geschäftsmann.

Hilflos blickte sie ihn an. Reich und attraktiv, war er unerreichbar für sie, und es war unbeschreiblich demütigend, zu wissen, dass er sie niemals beachtet hätte, wenn ihr Großvater ihm nicht ein gutes Geschäft in Aussicht gestellt und ihr dieses aufreizende Kleid aufgezwungen hätte.

Beinah hätte Alesia hysterisch aufgelacht. Wie würde Sebastien Fiorukis wohl reagieren, wenn er erfuhr, dass sie in einer schäbigen kleinen Wohnung lebte? Dass sie drei Jobs hatte, um über die Runden zu kommen? Dass sie nur dieses eine Kleid besaß und sie es zudem auf Kredit gekauft hatte?

Die Vorstellung, mit diesem Mann allein zu sein, machte ihr Angst. Worüber sollte sie mit ihm reden? Was hatten sie beide gemeinsam? Nichts. Und obendrein liebte er das Meer, was alles noch schlimmer machte.

Alesia hielt den Blick aufs Wasser gerichtet, und plötzlich stürmten die Erinnerungen auf sie ein – an die gewaltige Explosion, die Schreie des Entsetzens der Verletzten und daran, wie sie untergegangen war und Dunkelheit sie umfangen hatte. Und dann war ein dunkelhaariger Mann gekommen und hatte sie gerettet …

Auf einmal erschien ihr der Preis dafür, dass sie das Leben ihrer Mutter retten konnte, zu hoch. Sie musste hier auf dieser Insel leben, umgeben von Wasser und mit einem Mann, den sie verachtete.

Schließlich riss Alesia sich zusammen und wandte den Blick vom Meer ab. Sie brauchte schließlich nicht zu schwimmen oder Boot zu fahren. Sie musste nur die Rolle spielen, die man ihr zugedacht hatte.

Und sie wusste genau, warum ihr Großvater der Familie Fiorukis eine Frist von zwei Stunden gesetzt hatte. Er hatte Angst davor, dass sie alles zunichtemachen würde, wenn er sie mit Sebastien allein ließ. Und das zu Recht, denn sie war ganz anders als die Frauen, mit denen Sebastien sich sonst abgab. Sie konnte ja nicht einmal auf den hohen Absätzen laufen.

„Soweit ich weiß, gibt es keine Sprachbarriere zwischen uns“, sagte er nun und betrachtete sie dabei forschend. „Trotzdem haben Sie bisher kaum ein Wort gesagt und mich kaum eines Blickes gewürdigt.“

Beinah hätte Alesia laut aufgelacht. Machte er sich nur deshalb Sorgen? Dass sie sich nicht gleich unsterblich in ihn verliebt hatte? Er war unglaublich oberflächlich, und ihrer Meinung nach hatte er es wirklich nicht besser verdient.

„Sie müssen mir verzeihen …“ Sie merkte selbst, wie steif sie klang. „Ich … Für mich ist diese Situation nicht leicht …“

„Für mich auch nicht. Und das ist in Anbetracht der Umstände auch nicht überraschend. Schließlich soll man nicht jeden Tag eine Frau heiraten, die man gerade erst kennengelernt hat. Aber eine Ehe zwischen uns könnte problematisch werden, wenn Sie sich nicht dazu überwinden können, mit mir zu reden“, bemerkte Sebastien lässig.

Daraufhin sah sie ihn an. „Soll ich ganz ehrlich sein?“

„Warum hätte ich sonst mit Ihnen allein sein wollen?“

Bei der Erinnerung daran, wie er ihren Großvater ausgebootet hatte, hätte sie beinah gelächelt. Egal, welche Eigenschaften Sebastien Fiorukis sonst noch haben mochte, feige war er nicht. Trotzdem war sie sich schmerzlich der Tatsache bewusst, dass ein falsches Wort von ihr alles kaputtmachen konnte.

„Mein Großvater hat Angst, dass ich etwas Falsches sage. Er will dieses Geschäft unbedingt abschließen.“

„Und Sie, Miss Philipos?“ Seine Stimme klang trügerisch sanft. „Wie viel Wert legen Sie darauf?“

Mit „Miss Philipos“ angesprochen zu werden war ein seltsames Gefühl. Doch es gehörte zu ihrer Rolle. Alesia hob das Kinn. „Ich möchte Sie heiraten, falls Sie das meinen.“

Seine Augen funkelten spöttisch. „Erzählen Sie mir nicht, dass Sie mich schon immer heimlich geliebt und von diesem Moment geträumt haben!“

„Ich bin nicht in Sie verliebt, Mr. Fiorukis, genauso wenig wie Sie in mich“, erwiderte sie ruhig. „Und wir wissen beide, dass Liebe nicht der einzige Grund für eine Eheschließung ist.“

Erneut kniff Sebastien die Augen zusammen. „Aber da wir beide nach Vertragsabschluss nun einmal gezwungen sind zusammenzuleben, sollten wir herausfinden, ob wir einander wenigstens ertragen könnten, oder?“ Er deutete auf einen schmalen Weg, der zum Strand hinunterführte. „Lassen Sie uns ein Stück gehen.“

Sie folgte seinem Blick. Beim Anblick des Meeres schnürte sich ihr die Kehle zu, und Panik stieg in ihr auf.

„Können wir nicht einfach hier stehen bleiben?“

„Sie wollen sich auf meinem Hubschrauberlandeplatz mit mir unterhalten?“, fragte Sebastien sarkastisch.

Prompt errötete sie. „Ich sehe nur nicht ein, warum wir ans Wasser gehen sollen.“

Ärgerlich sah er sie an. „Ich weigere mich, mit Ihnen zu reden, wenn Ihre Bodyguards in der Nähe sind.“

Ihre Bodyguards? Alesia blickte über die Schulter. Bis zu diesem Augenblick hatte sie die drei kräftigen Männer, die ebenfalls im Hubschrauber gewesen sein mussten, gar nicht bemerkt. Sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, nicht nach unten zu sehen. „Oh. Die arbeiten für meinen Großvater.“

„Sie sind mir keine Erklärung schuldig. Als Dimitrios Philipos’ Erbin haben Sie ein Recht auf Personenschutz.“

Für einen Moment vergaß sie ihre Angst und musste sich das Lachen verkneifen. Wovor hätten diese drei Männer sie, eine arme Studentin, schützen sollen? Aber Sebastien Fiorukis hatte schließlich keine Ahnung davon, wie sie wirklich lebte. Als sie sich umsah, bemerkte sie zwei weitere Männer in der Nähe. „Und wer sind die da?“

Sebastien lächelte spöttisch. „Ich fürchte, meine Sicherheitsbeamten sind von Natur aus misstrauisch. Wenn ein Philipos hier auf der Insel landet, werden sie nervös.“

Unwillkürlich fragte sie sich, wozu er Sicherheitsbeamte brauchte, denn für einen Geschäftsmann war er ungewöhnlich athletisch.

„Mein Großvater sorgt überall für Unruhe“, konterte Alesia, ohne nachzudenken, und errötete dann. „Ich wollte sagen …“

„Schon gut“, unterbrach er sie leise. „Die meisten Männer haben Angst vor Ihrem Großvater. Es gehört zu seinem Image.“

Aber stand er nicht in demselben Ruf? Als sie erneut zu den Leibwächtern blickte, schauderte sie und traf eine Entscheidung. „Also gut, lassen Sie uns an den Strand gehen.“ Sie bückte sich, um sich die hochhackigen Sandaletten auszuziehen. „Mit den Absätzen bleibe ich sonst im Sand stecken.“

Sobald sie den erstaunten Ausdruck in seinen schönen dunklen Augen sah, wurde ihr klar, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Zweifellos konnten die Frauen, mit denen er sonst zusammen war, in solchen Schuhen Berge besteigen.

„Ich spüre gern den Sand zwischen den Zehen“, improvisierte sie deshalb schnell.

„Passen Sie auf, dass Sie sich nicht auf den Felsen verletzen.“ Als Sebastien ihre Hand nahm, hätte sie diese ihm am liebsten gleich wieder entzogen. „Ihre Schuhe sind atemberaubend und lassen Ihre Beine noch länger erscheinen, aber sie passen wohl besser in einen Nachtclub. Sie werden ausreichend Gelegenheit haben, sie in einer geeigneteren Umgebung zu tragen.“

Alesia war entrüstet, denn offenbar hielt er sie für ein Partygirl. Wie würde er wohl reagieren, wenn sie ihm gestand, dass sie noch nie in ihrem Leben in einem Nachtclub gewesen war? Da sie nur selten einen Abend frei hatte, konnte sie sich kaum auf diese Weise vergnügen.

Schnell wechselte sie das Thema. „Wenn Sie meinem Großvater nicht trauen, warum laden Sie ihn dann auf Ihre Insel ein?“

Obwohl sie inzwischen über den Felsen geklettert waren, hielt Sebastien ihre Hand immer noch fest. „Dieses Geschäft ist aus vielen Gründen interessant für mich.“ Nachdenklich blickte er sie an. „Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dass Sie von der Fehde zwischen unseren Familien nichts wissen, oder?“

Alesia entzog ihm ihre Hand. „Natürlich weiß ich davon …“ Mein Vater ist auf dem Boot Ihres Vaters ums Leben gekommen. Meine Mutter und ich wurden verletzt. Die Gefühle, die sie überkamen, nahmen ihr fast den Atem. Sie spürte, wie Sebastien sie beobachtete, und versuchte, sich zu beherrschen. Angewidert wandte sie sich ab. Es kostete sie große Überwindung, sich weiter mit ihm zu unterhalten.

„Ich glaube, bevor wir weiterreden, sollten Sie wissen, dass ich keine Spielchen spiele, auch wenn mein Großvater es gern so hätte. Ich kann keine Gefühle vortäuschen“, fügte sie kühl hinzu. „Ich weigere mich, so zu tun, als wäre diese Ehe etwas anderes als ein Geschäft. Wir bekommen beide etwas, das wir wollen.“

„Und was genau ist das, Miss Philipos?“

„Geld.“ Alesia hob das Kinn und blickte ihm in die Augen. „Ich bekomme Geld.“

„Sie sind die einzige lebende Verwandte des reichsten Mannes auf diesem Planeten und wollen trotzdem noch mehr?“ Wieder betrachtete er sie forschend. „Und damit sind Sie die größte Mitgiftjägerin der Geschichte. Sagen Sie, Alesia …“, spöttisch betonte er ihren Namen, „wie viel Geld ist genug?“

Inzwischen standen sie am Strand. Alesia konzentrierte sich auf den Mann vor sich, den Rücken zum Meer gewandt. Obwohl es azurblau war und in der Sonne glitzerte, war es für sie nur furchteinflößend.

„Dieselbe Frage könnte ich Ihnen stellen. Sie haben bereits ein Unternehmen, das Ihnen Milliarden einbringt, und trotzdem wollen Sie etwas, das meinem Großvater gehört.“

„Das stimmt.“ Sebastien lächelte spöttisch. „Um aber das Ziel zu erreichen, nehme ich nicht ganz so viel auf mich wie Sie. Sie sind bereit, sich für Geld an Ihren größten Feind zu binden, an einen Mann, den Sie ganz offensichtlich hassen.“

Erneut verspürte sie Panik. Sie hatte zu viel von sich preisgegeben. Auf keinen Fall durfte er nun einen Rückzieher machen. „Das habe ich nicht gesagt …“

„Das brauchten Sie auch nicht“, meinte er trocken. „Ihre Körpersprache lässt keinen Zweifel daran.“

Im Stillen verfluchte sie sich für ihre Dummheit. Ihr Großvater hatte sie gewarnt, dass Sebastien clever sei, und sie hatte es ignoriert. In diesem Fall hatte er allerdings recht gehabt.

„Ich hasse Sie nicht“, log sie deshalb, woraufhin Sebastien eine Augenbraue hochzog.

„Ich ziehe es vor, wenn man ehrlich zu mir ist, auch wenn die Wahrheit unangenehm ist. Sie haben gerade zugegeben, dass Sie bereit sind, einen Mann, den Sie hassen, aus finanziellen Gründen zu heiraten. Also frage ich mich, was Sie für ein Mensch sind.“

Es kostete Alesia große Mühe, ihren Zorn zu zügeln. „Sagen wir, ich bin mehr als zufrieden mit der finanziellen Regelung, die Teil dieses Vertrags ist.“

Sein Vorwurf war so absurd, dass sie einen Moment lang versucht war, Sebastien alles zu beichten. Damit hätte sie jedoch alles zunichtegemacht. Was spielte es schon für eine Rolle, wie er über sie dachte? Wenn er herausfand, wie ihr Großvater sie und ihre Mutter behandelt hatte, würde er niemals glauben, dass dieser das Geschäft ihr zuliebe abschließen wollte. Dann wäre ihm klar, dass ihr Großvater sich nur an ihm rächen wollte.

„Und Sie sind bereit, die Enkelin Ihres größten Feindes zu heiraten, um dessen Firma zu bekommen? Also, was für ein Mensch sind Sie?“

„Ich bin reich genug, um mir Sie leisten zu können“, konterte Sebastien kühl und betrachtete sie dabei mit einem harten Ausdruck in den Augen. „Und wir passen perfekt zusammen, denn Sie halten genauso wenig von mir wie ich von Ihnen. Es wird eine nette Abwechslung sein, eine Frau nicht umgarnen zu müssen, wenn ich abends müde von der Arbeit nach Hause komme. Ich glaube, eine solche Ehe ist gar nicht so schlecht für mich.“

„Bei mir würde Ihr Charme sowieso nicht verfangen“, erklärte sie steif. „Und nur zu Ihrer Information: An Ihren Fähigkeiten als Liebhaber bin ich nicht im Geringsten interessiert. Darum geht es mir mit dieser Heirat nicht.“

„Tatsächlich?“

Als er lächelnd einen Schritt auf sie zu machte, wurde ihr die Hitze noch deutlicher bewusst, und Alesia fragte sich, wie sie es in Griechenland aushalten sollte. Die Atmosphäre war so bedrückend, dass ihr das Atmen schwerfiel. Sie fühlte sich ganz seltsam.

„Es ist ein Geschäft“, erinnerte sie ihn kühl.

Seine dunklen Augen funkelten. „Ein Geschäft“, wiederholte er langsam, während er sie nachdenklich betrachtete. „Wissen Sie eigentlich, wie man Babys macht, Miss Philipos?“

Flammende Röte stieg ihr ins Gesicht. „Was soll die Frage?“

„Der Zeugung eines Babys geht normalerweise sexuelle Aktivität voraus“, erwiderte er gewandt. „Gehört diese auch zu unserer Abmachung, Miss Philipos?“

Alesia war schockiert über seinen plötzlichen Themenwechsel. „Ich …“

Sein Blick verriet keinerlei Mitgefühl. „Wie soll sich dieses Geschäft Ihrer Meinung nach denn gestalten, Miss Philipos? Wollen Sie Ihre Aktentasche mit in mein Bett nehmen?“

Erotische Bilder tauchten vor ihrem geistigen Auge auf, und sie atmete scharf ein. Bisher hatte sie sich eingeredet, dass jeder von ihnen sein eigenes Leben leben würde. Natürlich war ihr der Gedanke gekommen, dass sich auch eine sexuelle Beziehung anbahnen könnte, aber die Vorstellung, Sex mit einem Mann zu haben, dem sie noch nie begegnet war, war zu unrealistisch gewesen.

Nun, da sie Sebastien Fiorukis gegenüberstand, war er jedoch alles andere als unwirklich. Er war etwa einen Meter neunzig groß, muskulös und sehr maskulin. Einen Moment lang vergaß Alesia das Meer und ihren Großvater und dachte daran, wie es wäre, mit diesem heißblütigen Griechen zu schlafen.

„Nein, ich nehme meine Aktentasche nicht mit ins Bett“, erwiderte sie, so ruhig sie konnte, wobei sie das wilde Pochen ihres Herzens und das seltsame Gefühl in ihrem Bauch ignorierte. „Aber es wird natürlich keine emotionale Bindung zwischen uns geben. Ich werde Sex mit Ihnen haben, weil es so im Vertrag steht. Das heißt allerdings nicht, dass es auch Spaß machen muss. Und das ist gut so“, fügte sie schnell hinzu, als sie seinen ungläubigen Blick bemerkte.

„Sie wollen Sex mit mir haben?“ Fasziniert betrachtete Sebastien sie.

Alesia schloss die Augen. Das Problem war, dass er an Frauen gewöhnt war, die von ihm verführt werden wollten. Sie hingegen konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen. Seit sie wusste, dass sie keine Kinder bekommen konnte, leugnete sie ihre Sexualität.

Als ihr klar wurde, dass die Situation außer Kontrolle geriet, seufzte sie frustriert und versuchte erneut, sein Verständnis zu wecken. „Hören Sie, es hat nichts mit Ihnen zu tun. Wir werden keine richtige Ehe führen. Und das ist okay. Ich meine …“ Sie machte eine nervöse Geste. „Ich will es so.“

„Anscheinend hatten Sie bisher immer lausigen Sex.“

Erneut errötete sie und blickte schnell weg. Vielleicht war dies der richtige Zeitpunkt, um Sebastien darüber aufzuklären, dass sie noch nie mit einem Mann geschlafen hatte, aber das würde sie auf keinen Fall tun. Es war zu peinlich, mit zweiundzwanzig immer noch unschuldig zu sein, und sie vertraute darauf, dass sie es sich im entscheidenden Moment nicht anmerken lassen würde.

„Sie sind also bereit, mich gegen Bezahlung zu heiraten und Sex nach Vorschrift zu haben?“ Sein Tonfall war trügerisch lässig. „Das ist eine interessante und für mich ganz neue Vorstellung. Ich musste noch nie für Sex zahlen.“

„Natürlich nicht“, erwiderte sie, ohne nachzudenken. „Die Frauen liegen Ihnen zu Füßen, in der Hoffnung, von Ihnen verwöhnt zu werden, und als Gegenleistung tun sie so, als würden sie Sie attraktiv finden. Wenn das kein Bezahlen für Sex ist, dann weiß ich auch nicht. Und in diesem speziellen Fall zahlen Sie für die Firma meines Großvaters.“

Diese alles andere als schmeichelhafte Interpretation seines Liebeslebens verschlug ihm die Sprache, und Alesia musste sich beherrschen, um nicht die Augen zu verdrehen. Er war wirklich unglaublich von sich eingenommen und glaubte offenbar, die Frauen wollten mit ihm zusammen sein, weil er unwiderstehlich war.

„Sie sind ein reicher Mann, Sebastien“, fuhr sie ungeduldig fort. „Machen Sie mir nicht weis, dass ich die erste Frau bin, die sich für Ihr Geld interessiert.“

Sebastien fand schließlich die Sprache wieder. „Sagen wir, Sie sind die erste reiche Frau, die sich dafür interessiert, und ich frage mich, warum.“

Sie hielt ihm ihre Sandaletten vor die Nase und funkelte ihn dabei herausfordernd an. „Vielleicht kaufe ich gern ein.“ Beinah hätte sie laut gelacht, denn hätte sie tatsächlich Geld gehabt, hätte sie gar nicht gewusst, wie sie es ausgeben sollte. Abgesehen von ihrer Zeit im Internat war sie immer arm gewesen, sodass ihr das Sparen in Fleisch und Blut übergegangen war.

Das Kleid, das sie trug, war das erste neue Stück seit Langem, und sie hatte es nur auf Drängen ihres Großvaters hin gekauft. Eine seiner Angestellten hatte drei Modelle zur Auswahl besorgt, die sie ihm alle vorführen musste. Er hatte sich dann für das aufreizendste entschieden und es ihr förmlich aufgezwungen. Andernfalls, so hatte er gedroht, würde das Geschäft platzen.

So hatte sie sich dazu durchgerungen, es anzuziehen, und versucht, sich nicht anmerken zu lassen, wie unwohl sie sich darin fühlte.

„Anscheinend errege ich mit meiner Ehrlichkeit Anstoß bei Ihnen“, fuhr sie fort und hob dabei trotzig das Kinn. „Aber ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie sich auch aus geschäftlichen Gründen auf diese Ehe einlassen. Warum sollten Sie Ihr Junggesellendasein sonst freiwillig aufgeben?“

„Wer hat denn gesagt, dass ich es tue?“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Fairerweise möchte ich Sie warnen, dass ich viel Sex brauche. Und da unser Liebesleben offenbar ausgesprochen langweilig wird, muss ich mir woanders Abwechslung suchen. Allerdings bin ich bereit, diesen Preis zu zahlen, um Philipos Industries zurückzubekommen, die Firma, die Ihr Großvater meiner Familie weggenommen hat.“

Alesia runzelte die Stirn. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Philipos Industries hat schon immer meinem Großvater gehört.“

„Das stimmt nicht.“ Sein Blick wurde hart. „Und falls Sie mir weismachen wollen, dass Sie über unsere kleine Familienfehde nicht Bescheid wissen, unterschätzen Sie mich gewaltig, Miss Philipos. Sie wollen Offenheit? Nur zu.“

Mühsam schluckte sie. Sie unterschätzte Sebastien nicht. Seine Enthüllung hatte sie nur schockiert. „Heißt das, unsere Großeltern haben zusammen Geschäfte gemacht?“

Nun kniff er die Augen zusammen. „Heißt das, Sie haben es tatsächlich nicht gewusst?“

Alesia schüttelte den Kopf. „Mein Großvater redet grundsätzlich nicht mit Frauen über geschäftliche Dinge.“ Zumindest das war nicht gelogen. Tatsächlich verachtete ihr Großvater Frauen, insbesondere Engländerinnen. Deswegen hatte er ihre Mutter und sie auch enterbt. „Mir sind natürlich Gerüchte zu Ohren gekommen, aber mehr auch nicht. Hat er die Firma Ihrem Großvater weggenommen?“

„Das war der Grund für die Fehde.“ Forschend betrachtete Sebastien sie. „Er hat gelogen und betrogen, bis mein Großvater gezwungen war, ihm die Firma zu überschreiben“, erklärte er mit grimmiger Miene. „Ich will Sie also heiraten, um zurückzubekommen, was rechtmäßig mir gehört. Und damit endet auch die Familienfehde.“

Verblüfft sah sie ihn an. Wie würde er wohl reagieren, wenn sie ihm mitteilte, dass Letzteres nicht der Fall war? Dass ihr Großvater zum großen Schlag ausholte? Und sie zum Werkzeug seiner Rache machte?

3. KAPITEL

Mit blassem Gesicht saß Alesia in ihrem weißen Hochzeitskleid unter den zahlreichen Gästen und fühlte sich überhaupt nicht wie eine Braut. Trotz des goldenen Rings an ihrem Finger konnte sie nicht richtig glauben, dass sie Sebastien Fiorukis tatsächlich geheiratet hatte.

Nach ihrer ersten Begegnung mit ihm vor zwei Wochen hatten sich die Ereignisse überschlagen. Die Rechtsanwälte hatten die Verträge ausgearbeitet, und die Firma, die mit der Organisation der Hochzeit betraut war, hatte ganze Arbeit geleistet.

Für Alesia war die Zeremonie der reinste Albtraum gewesen, denn leider hatte sie nicht damit gerechnet, dass diese ein so großes Interesse erregen würde. Die Medien hatten sich förmlich auf sie gestürzt, weil Sebastien Fiorukis die Enkelin seines größten Feindes heiratete. Da dieser außerdem ein sehr zurückgezogenes Leben führte, hatte allein seine Anwesenheit viele Neugierige angelockt. Alle wollten die offizielle Begegnung zwischen Sebastien Fiorukis und Dimitrios Philipos miterleben.

Sebastien hatte geringschätzig, ja beinah gelangweilt auf die Aufmerksamkeit und die kursierenden Gerüchte reagiert, indem er die Reporter ignorierte und die Gäste freundlich begrüßte. Er wirkte so selbstbewusst und lässig wie bei ihrem ersten Treffen.

Alesia hingegen hatte beim Anblick der Paparazzi die Lider gesenkt, und seitdem jeden Blickkontakt vermieden. Sie wusste, dass Journalisten es verstanden, Geheimnisse ans Tageslicht zu bringen. Was war, wenn irgendetwas passierte und die Trauung nicht stattfand? Dann konnte ihre Mutter nicht operiert werden.

Aus Angst, dass irgendjemand Einwände erheben und sie als Hochstaplerin entlarven würde, hatte sie völlig verängstigt vor dem Altar gestanden und kaum zu atmen gewagt. Sie trug das lange Kleid und den Schleier, die ihr Großvater ihr gegeben hatte, und hatte gehofft, dass niemand der Anwesenden ihr blasses Gesicht oder ihre Unsicherheit bemerkte. Die Rolle der reichen Erbin zu spielen war neu für sie und fiel ihr sehr schwer.

Als ihr klar wurde, dass die Zeremonie vorüber war, wäre sie vor Erleichterung beinah ohnmächtig geworden. Einige Male war ihr der Gedanke gekommen, dass dies eigentlich der glücklichste Tag im Leben einer Frau sein sollte. Doch sie war ja nie der Typ Frau gewesen, der von einer Hochzeit träumte, und konnte deshalb auch nicht enttäuscht werden.

„Versuch mal, nicht so ein gequältes Gesicht zu machen und wie eine glückliche Braut auszusehen“, schlug Sebastien trügerisch sanft vor, bevor er dem Ober ein Zeichen gab, ihnen nachzuschenken. „Schließlich hast du dein Ziel erreicht und dir gerade einen Milliardär geangelt. Also lächle.“

Alesia nahm ihr Glas und trank einen Schluck. Sie verachtete Sebastien Fiorukis immer mehr, denn er war kühl und gefühllos. Dass sie sich nicht einmal mochten, schien ihn überhaupt nicht zu stören.

Sicher, sie heiratete ihn des Geldes wegen, aber sie war ja auch in einer verzweifelten Situation. Er hingegen war genauso wie ihr Großvater: vermögend, erfolgreich und raffgierig.

Vielleicht half ihr der Champagner. Normalerweise trank sie nicht viel, aber sie musste sich irgendwie betäuben. Nachdem sie das leere Glas wieder auf den Tisch gestellt hatte, atmete sie einige Male tief durch und versuchte zu vergessen, dass alle sie beobachteten und über sie redeten. Warum hatte niemand sie gewarnt und ihr erzählt, wie groß Sebastiens Familie und sein Freundeskreis waren?

„Mit alldem hatte ich nicht gerechnet …“

„So etwas nennt man Hochzeit.“ Sebastien lächelte flüchtig eine atemberaubende Frau an, die am Arm eines Mannes vorbeiging und ihm einen sehnsüchtigen Blick zuwarf. „Genieß es einfach. Es war teuer genug.“

Alesia trank noch einen Schluck aus dem inzwischen wieder vollen Glas und rief sich ins Gedächtnis, warum sie all das hier tat. Es spielte keine Rolle, dass alle sie beobachteten und sich fragten, warum Sebastien Fiorukis ausgerechnet sie geheiratet hatte. Es spielte keine Rolle, dass sie sich einsamer fühlte als je zuvor. Wichtig war nur, dass sie ihrer geliebten Mutter helfen konnte.

Sie blickte den Mann neben sich an. Den Mann, den sie geheiratet hatte. Ganz entspannt saß er da, als würde er jeden Tag eine Fremde ehelichen. Rein äußerlich war er ein Traummann: attraktiv, gewandt und so reich, dass er niemals verstanden hätte, wie es war, arm zu sein und so verzweifelt, dass man fast alles auf sich nahm, um an Geld zu kommen.

Wie sollte er je nachvollziehen, was sie zu diesem Schritt veranlasst hatte? Plötzlich verspürte Alesia Panik. Was war, wenn er sich nicht an ihre Abmachung hielt? Schließlich war er genauso wie ihr Großvater, und es war naiv von ihr gewesen, ihm zu vertrauen. Sie hätte bei der Bank anrufen sollen. Schließlich wandte sie sich zu ihm um. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie alle mögl...

Autor

Sarah Morgan
<p>Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 21 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen.</p>
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<p>Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen. Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem Schreiben....
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Die britische Autorin Charlotte Lamb begeisterte zahlreiche Fans, ihr richtiger Name war Sheila Holland. Ebenfalls veröffentlichte sie Romane unter den Pseudonymen Sheila Coates, Sheila Lancaster, Victoria Woolf, Laura Hardy sowie unter ihrem richtigen Namen. Insgesamt schrieb sie über 160 Romane, und zwar hauptsächlich Romances, romantische Thriller sowie historische Romane. Weltweit...
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