Tiffany Pure Lust Band 19

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FATAL WIE UNSERE LEIDENSCHAFT von CLARE CONNELLY

Als Jurist hält Connor Hughes sich immer strikt an die Regeln. Doch dann taucht Olivia auf. Wunderschön, intelligent – und offensichtlich darauf aus, ihn zu verführen! Connor darf seinem Verlangen nicht nachgeben, er muss der Versuchung widerstehen. Denn er ist Olivias Professor, und eine Nacht mit ihr könnte ein fataler Fehler sein …


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  • Erscheinungstag 14.09.2024
  • ISBN / Artikelnummer 8054240019
  • Seitenanzahl 320

Leseprobe

Clare Connelly, Liz Jarrett

TIFFANY PURE LUST BAND 19

Für Elle Woods und Natürlich Blond, ohne die ich niemals ein Jurastudium angefangen und mich nicht verbotenerweise in meinen Dozenten verguckt hätte.

PROLOG

Wie immer sitzt sie in der dritten Reihe. Und sie sieht mich an. Mit diesen großen Augen. Diesem intensiven Blick. Mein Puls rast, und mein Schwanz ist hart. Sie sieht mich so an, als würde sie mich ausziehen und dann ganz genau betrachten, was sie darunter findet.

Was ich nur zu gut verstehe.

Ich will sie genauso betrachten, aber ich darf nicht. Sie ist tabu.

Olivia.

Olivia Amorelli.

Allein ihr Name macht mich an.

Sie trägt das hellgrüne Kleid, das ich schon von letzter Woche kenne. Es geht ihr bis zu den Knien, und auf dem Stoff ist ein Muster aus kleinen, weißen Schwalben zu sehen. An der Vorderseite hat das Kleid eine Reihe Knöpfe, und ich habe schon viel zu oft daran gedacht, wie es wäre, jeden einzelnen Knopf mit meinen Zähnen zu öffnen und Olivia auf diese Weise auszuziehen. Langsam und genüsslich, als wäre sie mein ganz persönliches Weihnachtsgeschenk.

Was zum Teufel stimmt nicht mit mir?

Ich habe noch nie so viel von einer Frau geträumt. Vor allem nicht von einer wie Olivia. Sie ist der Inbegriff von süß und unschuldig. Das genaue Gegenteil von mir.

Ich habe mir eine Karriere als Strafverteidiger aufgebaut. Ich verteidige diejenigen, die sonst niemand verteidigen will. Ich bin berühmt – vielleicht berüchtigt? – dafür, diese Gesetzlosen zu vertreten. Männer wie Donovan. Ich denke nur kurz an ihn, aber mein Magen zieht sich zusammen. Ich versuche, den Gedanken zur Seite zu schieben. Ich will nicht an ihn denken. Ich will nicht daran denken, dass er meinetwegen frei ist. Nur ist er es. Und es ist allein meine Schuld. Das kann ich nicht wegdenken.

Diese dunkle Seite steckt in mir. Ich bin das genaue Gegenteil von Olivia. Während der letzten paar Wochen als ihr Professor habe ich schon gemerkt, dass wir verschieden sind. Sie ist rein und fröhlich, süß und gutmütig. Ihr Lächeln ist ein wahrer Sonnenschein.

Wie wäre es, eine Persönlichkeit wie Olivia in meinem Bett zu haben? Oder als festen Bestandteil meines Lebens?

Würde es ausreichen, um gegen meine Dämonen anzukommen? Wenn jemand wie Olivia mich wollen würde, wenn sie mir meine Sünden vergeben würde, könnte ich dann Frieden mit mir selbst schließen?

Alle Sünden wollen vergeben werden, Connor. Das hat Pfarrer O’Sullivan nach dem Mord an meinen Eltern oft zu mir gesagt. Er hatte die Befürchtung, dass die Wut auf die Terroristen, die meine Eltern getötet hatten, mich eines Tages überwältigen könnte. Vielleicht hatte er recht. Bekenne einer dem andern seine Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund werdet. Die Zeilen aus dem Jakobusbrief schwirren mir im Kopf herum, immer geflüstert in der heiser Stimme Pfarrer O’Sullivans, gefolgt von der Erinnerung an sein freundliches Lächeln. Dabei habe ich schon für die Mörder meiner Eltern gebetet. Ich wollte verstehen, dass im Vergeben meine Zuflucht vor Trauer und Verzweiflung liegt. Eine Zeit lang hat es funktioniert. Dass jetzt aber jemand für mich betet, glaube ich nicht. Ich habe es vermutlich auch nicht verdient.

Ich schaue mich im Raum um und tue so, als würde ich die anderen Studenten betrachten. Dabei ist es nur ein Vorwand, um Olivia wieder zu betrachten. Sie spielt mit den Fingerspitzen am Ende ihres blonden Zopfes herum. Heute sind ihre Nägel rot, genau wie ihre Lippen und ich will beide so sehr auf meiner Haut spüren, dass mir die Worte fehlen. Diese Nägel, diese Lippen. Diese Frau. Einfach alles an ihr.

Vier Wochen. Ganze vier Wochen geht es schon so. Ich betrachte sie, ich will sie, aber ich weiß, dass ich es nicht darf. In der Satzung der Universität ist es explizit verboten.

Normalerweise hält mich so etwas nicht ab, mir zu nehmen, was ich will, aber bei ihr ist es anders. Sie könnte suspendiert werden. Oder gar hinausgeworfen.

Und das nur, weil ich mit meiner Zunge ihren Körper entdecken und alles an ihr probieren will. Nur weil ich sehen möchte, ob ihre Unschuld von meiner Schuld angezogen wird. Ob sie mich mit ihrer erfüllten Lust freisprechen kann.

Es wäre egoistisch, sich dem hinzugeben. Sie nach der Vorlesung zu bitten, einen Moment zu warten, sodass ich mit ihr allein sein kann. Ihr Kleid hochzuschieben und sie zu nehmen, bis sie vor Lust schreit. Hier am Whiteboard in genau diesem Vorlesungssaal.

Fuck. Mein Schwanz ist hart wie Stein. Ich stehe auf, achte aber darauf, hinter dem Pult zu bleiben. „Nun gut.“ Ich schaue sie direkt an, und sie setzt sich ein wenig aufrechter hin, die Knie unter dem Tisch zusammengepresst. Mein Schwanz zuckt einmal. „Dann fangen wir an.“

1. KAPITEL

Connor Hughes gilt als einer der erfolgreichsten Strafverteidiger des Landes. Sogar weltweit ist er dafür berühmt, mit seinem einzigartigen Händchen für Gesetze sicherzugehen, dass Recht gesprochen wird. Nur vertritt er dabei den Teil der Gesellschaft, der es am wenigsten verdient hat.

Er mag in den Augen vieler ein Held sein.

Aber nicht in meinen.

Menschen wie er stehen für all die Fehler in unserem Justizsystem. Er ist wortgewandt, clever, gewitzt und charmant. Kein Wunder also, dass seine Erfolgsrate eine der höchsten in seinem Feld ist. Wie viele Verbrecher sind auf freiem Fuß, weil sein Ego keine Niederlagen zulässt? Warum ist er so besessen davon, der Beste zu sein, selbst wenn er dabei diejenigen entlastet, die nie wieder das Tageslicht sehen sollten?

Er verkörpert meiner Ansicht nach alles Fehlerhafte unseres Rechtssystems.

Nur ändert all das leider nichts an der Tatsache, dass ich ihn will. Es ändert nichts daran, dass ich mich jedes Mal fühle, als stünde ich unter Strom, wenn sich unsere Blicke treffen. Es ändert nichts daran, dass er mich ein wenig länger ansieht, als er sollte. Dass sich jedes einzelne Mal eine Art elektrische Spannung zwischen uns aufbaut, wenn sich unsere Blicke kreuzen.

Er schreibt an das Whiteboard, und ich beobachte ihn weiter. Ich kann mich nicht auf seine Worte konzentrieren. Alles, was ich sehe, sind seine Finger. Lang, schlank, gebräunt wie der Rest seines Körpers. Zumindest in meiner Vorstellung. Perfekt passend gebräunt zu seinem dunklen Teint, dem Dreitagebart, dem breiten Kinn und den hellgrünen Augen. Diesen Augen, die mich vom ersten Blickkontakt an gefangen genommen haben. Als er, wie jetzt auch, im Vorlesungsaal stand und mit uns hundert Studenten sprach, aber mich allein dabei ansah. Wie er damit alles in mir aufwühlte und meine Knie weich werden ließ. Und das auf eine Art, die ich noch nie gekannt habe, aber die mich süchtig danach gemacht hat.

Um ehrlich zu sein, bin ich froh, ihn nicht leiden zu können und seine Arbeit zu verachten. Im Raum bin ich wahrscheinlich die einzige Person, sie seinen raketenartigen Aufstieg an die Spitze aller Strafverteidiger nicht bewundert. Gut, er hat mit sechsundzwanzig seine eigene Kanzlei gegründet und sie innerhalb von fünf Jahren zu einer der erfolgreichsten in Großbritannien gemacht. Und er war bei etlichen aufsehenerregenden Fällen dabei. Aber was bringt es schon, solche Fähigkeiten zu haben, wenn man sie nicht für einen guten Zweck nutzt?

Ich muss mich immer wieder daran erinnern, seine persönlichen Erfolge zu verachten, denn es ist das Einzige, was zwischen mir und diesem verrückten Impuls steht, einfach meiner Lust nachzugeben. Mich nicht mehr gegen das Verlangen zu wehren, dass meine Beine zittern und meine Brüste sich fast schmerzhaft nach ihm sehnen lässt. Dieses Verlangen hat Connor Hughes zum Superstar meiner schmutzigen Träume gemacht. Und ich habe keinerlei Kontrolle über diese Träume, die meine gesamte Gedankenwelt übernommen haben, denn ich träume schließlich, während ich schlafe, und darüber habe ich keine Kontrolle, nicht wahr?

„Wer möchte mir sagen, warum die Ereigniskette so wichtig ist?“ Er lässt den Blick durch die Reihen schweifen, und ich frage mich, ob er vergessen hat, dass wir nicht im ersten, sondern in unserem letzten Jahr sind.

Dabei macht er das häufiger. Es ist sein „Ding“. Am ersten Tag hat er es uns gepredigt: Ich werde so tun, als wüsstet ihr nichts, denn in der echten Welt ist das auch so. Aber ich werde euch auch beibringen, das Rechtssystem zu nutzen, um eure Fälle zu gewinnen.

Genau darin ist er gut. Im Gewinnen. Nur leider auch die Fälle, die anders hätten ausgehen sollen.

„Miss Amorelli?“

Heilige Scheiße.

Er spricht mich direkt an. Zum allerersten Mal. Seine Zunge liebkost meinen Namen, als würde er meine Haut küssen. Gegen meinen Willen habe ich eine Gänsehaut.

Unsere Blicke treffen sich, und eine Spannung erfüllt den Raum wie ein Orkan. Blitze sammeln sich zwischen uns, der Donner grollt. In seinem Lächeln versteckt sich eine Herausforderung. Trotz der simplen Frage merke ich, wie mein Mund trockener wird als die Sahara. Ich fühle mich, als hätte ich eine Packung Tafelkreide gegessen. Ich kann meine Zunge nicht wiederfinden.

„Die Ereigniskette?“, wiederholt er und hebt eine Augenbraue in einem Anflug von belustigtem Sarkasmus. Das allein bringt mich schon dazu, dass ich die Hand ausstrecken und ihn am Hemd zu mir ziehen will.

„Die Ereigniskette ist dazu da“, fange ich leise an zu sagen, sodass er sich ein wenig vorlehnt, um mich besser zu hören, „die Authentizität der Beweise festzustellen.“

„Falsch.“

Ich reiße die Augen auf und fühle, wie meine Wangen rot werden. Ich mag es nicht, wenn man mir widerspricht. Gerade wenn ich recht habe. „Wieso?“

Wieder sieht er mich an. Es sind nur noch wir beide. Wir beide in diesem aufgeladenen Sturm, der uns mitreißt. „Weil das keine Rolle spielt, wenn sich jemand an den Beweisen zu schaffen gemacht hat.“

„Doch, tut es“, widerspreche ich mit einem Kopfschütteln.

„Nein.“ Sein Widerspruch ist purer Sex. Mein Kopf schwimmt, alles rauscht, und ich vergesse kurzzeitig, worüber wir sprechen. „Es geht darum, was suggeriert werden kann“, sagt er. „Die reinen Fakten sind nicht so wichtig wie der Zweifel, der gesät wird.“

Ich kneife die Augen zusammen. Das ist genau das Problem, was ich mit seiner Anwendung der Gesetze habe. Connor Hughes hat – auch wenn er unbestritten ein Genie ist – seinen Ruf und sein Vermögen erlangt, indem er seine Überintelligenz eingesetzt hat, um Verbrecher vor Verurteilungen zu bewahren, die sie zweifelsohne verdient haben. „Fakten sind unwichtig?“

Er geht um das Pult herum und lehnt sich mit seinem hübschen Arsch daran, während er die langen Beine vor sich ausstreckt. Wie immer trägt er einen Anzug, aber er hat das Jackett abgelegt und die Ärmel hochgekrempelt. Und was für Arme. Scheiße, sieht er gut aus. Gebräunt, trainiert. Diese Muskeln. An der Innenseite seines Handgelenks ist ein Tattoo zu sehen. Ein Kreuz, aber ein keltisches. Das passt nicht zu einem Mann wie ihm. Er ist so fern ab von einem Gott, wie es nur geht. Und er sollte keine Anzüge tragen.

Es sieht zwar aus, als wären sie ihm auf den Leib geschneidert, aber darunter schlummert eine Art Wildheit. Ich sehe ihn in einem Lendenschurz vor mir, wie er sich auf die Brust trommelt … Der kleine Gedanke wärmt mir schon die Wangen, und ich muss mir ein Lächeln verkneifen.

„Fakten spielen keine Rolle“, bestätigt er mit einem Nicken. Alle im Raum lachen. Ich nicht.

„Wieso nicht?“ Ich muss ihn herausfordern. Er regt mich auf, und meine zitternde Stimme verrät es.

„Im Gerichtssaal sind alle Fakten subjektiv.“ Seine Stimme ist dunkel und rau. Sie schwingt durch den Raum und hallt in mir wider.

„Fakten können nicht subjektiv sein.“ Ich werfe ihm einen Blick zu, als hätte er den Faden verloren. „Das ist ein Oxymoron.“

„Wieso sollte es das sein?“

„Weil Fakten einfach sind.“

„Sagt wer?“ Er sieht nur mich allein an. Mein Puls macht wilde Sprünge. Ich vermute, es würde mir leichter fallen, seiner Argumentation zu folgen, wenn ich ihn mir nicht als einen modernen Tarzan vorstellen würde, der mich in sein Baumhaus der Begierde entführt. „Sagt wer?“, wiederholt er provozierend.

„Sagen alle.“

Er wirft einen Blick durch den Raum. „Jetzt gerade sind 48 Studenten anwesend, richtig oder falsch?“

Ich kneife die Augen zusammen und drehe mich dann zur Seite, um zu zählen.

„Nein“, sagte er bestimmt. Allein die Tonlage löst eine Gänsehaut auf meinem gesamten Rücken aus. In meinem Kopf höre ich die gleiche, strenge Stimme andere Dinge sagen, an anderen Orten. Bei der Vorstellung wird mir am ganzen Körper warm. „Ohne zu zählen.“

Ich drehe mich langsam zurück und schlage unter dem Tisch die Beine übereinander. Verdammte Scheiße. Habe ich mir gerade eingebildet, dass sein Blick langsam über meine nackten Beine gestrichen ist? Ich nehme sie wieder auseinander, aber er zeigt keine Reaktion. Bis auf ein kleines Schmunzeln im Mundwinkel. Mein Puls rast.

„Ich weiß es nicht.“

„In diesen Kurs sind 48 Studenten eingeschrieben. Ist jemand abwesend?“

„Ich weiß es nicht.“ Der Frust ist deutlich in meiner Stimme zu hören, ich kann ihn nicht unterdrücken.

„Also haben wir berechtigten Zweifel daran.“

Ich rolle mit den Augen. „Es ist nicht mein Job, eine Anwesenheitsliste zu führen. Wenn es so wäre, wüsste ich, ob alle anwesend sind.“

„Und was ist mit dem Zeugen, der schwört, er hätte zwei Personen gesehen, die um zwei Uhr morgens in die Bäckerei gegangen sind? Es ist auch nicht sein Job, so etwas zu bemerken. Wie kann man dann sicher sein, dass es die Wahrheit ist?“

Ich atme leise aus. „Ich denke, da muss ich ihm vertrauen.“

„Sie vertrauen ihm?“ Der Anflug eines Lächelns ist auf seinen Lippen zu sehen. „Ich nicht. Ich traue keinem Gedächtnis, wenn es vernünftiger ist, zu zweifeln.“

Wieder sehen wir uns direkt an. Dann senkt er die Lider; sein Blick wandert mein Kleid hinunter, an den Knöpfen entlang. Geschlagene drei Sekunden schaut er dort hin. So genug, dass mein Denken verschwimmt und ich die Hitze zwischen meinen Beinen spüre.

Dann sieht er weg. Als hätte er nur kurz mein Kleid betrachtet. Als hätte er mich nicht fast damit kommen lassen.

„Wir müssen darauf achten, wie Fakten im Gerichtssaal dargestellt werden.“ Die Aufmerksamkeit ausnahmslos aller Anwesenden liegt auf ihm. Ich versuche erst einmal, meinen Atem zu beruhigen. „Wir müssen darauf achten, wie wir den Fall, den uns der Staatsanwalt vorlegt, Stück für Stück auseinandernehmen. Nichts ist unwichtig. Jedes kleinste Detail ist relevant. Wieso gab es eine Lücke von fünfzehn Minuten zwischen der Ankunft des Polizisten an der Polizeistation und der Aufnahme der Beweise? Was ist in den fünfzehn Minuten passiert? Ist er angehalten und hat sich mit jemandem im Flur unterhalten? War er pinkeln? Wo hat er die Beweise hingelegt, als er sich die Hände gewaschen hat? Hätte jemand anders sie in die Finger bekommen können? Und wenn es nur einen Augenblick lang war …“

Ich meinem Bauch braut sich die Empörung zusammen. Mir steht der Mund offen, und meine Wangen sind gerötet. Ich verabscheue alles, was Connor gerade sagt. Ich verabscheue, was er allen im Raum gerade vermitteln will.

Er legt noch einen drauf und lehnt sich vor, um seine Worte zu betonen. Als er ansetzt, ist seine Stimme geladen.

„So etwas ist ein berechtigter Zweifel. So etwas ist Unsicherheit. Das Gesetz ist niemals nur schwarz und weiß. Egal, wie sehr wir es wollen, Miss Amorelli.“ Mein Inneres macht einen Hüpfer, aber nicht vor Empörung, sondern vor Lust. Wie schafft er es, dass ich in Sekunden von einer Emotion in die nächste rutsche? Egal, wie sehr wir es wollen, Miss Amorelli. Ich will, dass sein Mund mehr macht, als nur meinen Namen sagen. Der irische Akzent ist schuld. Wie er jede Silbe leicht melodisch und verrucht klingen lässt. „Nicht in der wahren Welt. Dort gibt es nur unzählige Grautöne. Es geht darum, die Jury zweifeln zu lassen. Sie kritisch werden zu lassen.“

„Das ist ekelhaft“, sage ich leise und beuge mich leicht nach vorn. Ich bin nicht sicher, ob er mich gehört hat. Doch es ist mir egal. Meine Wangen brennen.

Ich habe mitansehen müssen, was Connors Denkweise anrichten kann. Ich habe gesehen, was es mit meinem Vater gemacht hat. Einem erfahrenen Polizisten, dessen Klage fallengelassen wurde, weil Connor es geschafft hat, die Arbeit meines Vaters anzuzweifeln. Ich habe gesehen, wie es meinen Vater kaputt gemacht hat – zu wissen, dass er das Opfer im Stich gelassen hat, weil seine Beweise in Zweifel gezogen werden konnten. Und es war alles nur ein Schwindel. Eine große Lüge, die meinen Vater förmlich umgebracht hat.

Ich knirsche mit den Zähnen und funkle Connor an. Diese Wut, die brauche ich. Auf ihn wütend zu sein überdeckt meine Lust.

Dann muss es so gehen. Ich muss die nächsten Monate einfach wütend sein.

„Miss Amorelli.“

Kurz bevor ich an der Tür bin, höre ich meinen Namen. Ich könnte einfach so tun, als hätte ich es nicht gehört. Fast hätte ich es nach draußen geschafft. Es war so knapp. Auch wenn meine Beine zittern. Mein Tag war lang, und ich will einfach nur nach Hause, kalt duschen und mich ins Bett kuscheln. Und dann weiter von diesem arroganten, attraktiven Mann träumen.

Nur hat er mich gerade gerufen.

Das Problem ist, dass ich nicht dafür bekannt bin, meine Professoren zu ignorieren. Ich bin eine, die tut, was man von ihr verlangt. Außerdem würde ich lügen, wenn ich behaupte, dass mich das hier kaltlässt. Dafür ist die Spannung zu groß. Sie knistert in der Luft. Ich warte. Ein kleiner Schauer läuft mir den Rücken hinunter.

Er ist mein Dozent. Mein Lehrer. Er ist das Tabu schlechthin. So wie alles, was ich mit ihm tun könnte. Und doch will ich genau das so sehr.

Und das ist das Problem. Unangebrachtes ist nichts für mich. Ich bin nie unanständig.

Niemals.

Und doch will ich es jetzt. Ich will alles Unanständige, die ganze Zeit. Nur wegen Connor.

„Ja, bitte?“, frage ich, meine Worte voller Erwartung, obwohl ich gleichzeitig versuche, meinen rasenden Puls zu beruhigen.

„Schließen Sie die Tür“, murmelt er, ohne vom Pult aufzusehen.

Es kommt einem Befehl gleich, und mir gefällt seine Tonlage nicht. Ich verkneife mir, ihn auf das fehlende „Bitte“ hinzuweisen, und gebe nur ein ungeduldiges Murren von mir.

Dann gehe ich zur Tür und schließe sie.

„Soll ich abschließen, Sir?“, frage ich, und ich weiß, dass ich mit dem Feuer spiele, wenn ich ihn so anspreche. Aber es ist mir egal.

Er sieht auf. Diese grünen Augen. So grün wie ein Sonnenstrahl, der durch Meerwasser fällt. Sie fesseln mich auf der Stelle. Ich kann mich nicht bewegen.

Ich bleibe an der Tür stehen, weil ich vor mir selbst Angst habe. Und vor dem, was ich tun könnte. Die Tür in meinem Rücken ist ein Anker. Sie ist die Erinnerung an die echte Welt, falls diese Versuchung, dieses Verlangen zu viel wird und ich nachgeben will.

„Das ist nicht nötig.“ Er steht auf, und mir fällt wieder einmal auf, wie groß er ist. Dazu noch dieser breite Oberkörper und die markanten Muskeln. Trainiert er? Wann hat er die Zeit dazu? Seine Arbeit – die richtige, nicht dieser Universitätskram – muss doch sicher viel Zeit einnehmen?

Ich sehe mich kurz im Raum um.

Wir sind allein.

Connor Hughes und ich. Allein.

Mein Mund ist eine Wüste. Staubtrocken. Mein Atem fühlt sich an wie heißer Dampf. Ein einzelner Schweißtropfen läuft mir langsam die Wirbelsäule hinunter. Ich spüre jeden einzelnen Millimeter. Meine Sinne sind bis auf das Äußerste gespannt.

„Sie waren mit meiner Feststellung nicht einverstanden.“

Er kommt auf mich zu und bleibt direkt vor mir stehen. Ein klein wenig zu dicht – nicht im schlechten Sinne, aber so, dass es mir jegliche Denkkraft raubt. Uns trennen nur wenige Zentimeter. Er ist so nah, dass ich die Sommersprossen sehen kann, die sich über seinen Nasenrücken ziehen. Und seine Wimpern sind länger und dunkler, als ich aus der Sicherheit der dritten Reihe habe sehen können.

„Ihre Feststellung?“, frage ich. Wie gesagt, viel zu nah zum Denken.

„Bezüglich der Ereigniskette.“

„Ah.“ Shit. Was weiß ich denn? Ich kann nicht klar denken, wenn er so vor mir steht! Ich weiß, dass ich dazu eine Meinung habe, aber wo zum Teufel ist sie gerade? Ich atme tief ein. Großer Fehler. Nun kann ich ihn auch noch riechen. Mein Körper freut sich und will sofort mehr. „Ich …“

„Ja?“ Er betrachtet mein Gesicht, und mich beschleicht das Gefühl, dass er viel mehr sehen kann, als ich ihn sehen lassen will. Es fühlt sich an, als könnte er durch mein jetziges Ich hindurchsehen. Sehen, wer ich einmal war. Ich fühle mich enthüllt. Dabei kann ich nicht sagen, ob ich das Gefühl mag oder nicht. Denn irgendwie will ich es auch … Ich will mehr davon, als wäre ich süchtig danach.

„Es tut mir leid.“ Ich lächle leicht. „Ich bin mir nicht sicher, wovon Sie sprechen.“

Er gibt nicht nach, und einen kurzen Augenblick lang weiß ich genau, wie es sich anfühlt, von ihm im Zeugenstand verhört zu werden. „Sie fanden meine Auslegung der Ereigniskette … ekelhaft?“

Also hat er es doch gehört. Meine Wangen werden so warm, als hätte sie jemand in Brand gesteckt. Ich mag von seiner Nähe überfordert sein, aber ich bin nicht dumm und stehe zu meiner Meinung. „Ich finde …“, beginne ich und trete einen Schritt zurück. Mein Rücken trifft auf die Tür. Sie ist immer noch da. Sie hält mich fest. Fest in der Realität. Sie erinnert mich daran, wer ich bin und dass ich mich nicht in diesem Chaos meiner Begierde verlieren darf. „Ich finde es ekelhaft, die Arbeit eines guten Polizisten in Zweifel zu ziehen, um Kriminelle vor einem Schuldspruch zu bewahren.“

Er lacht dunkel auf. „Gute Polizisten sollen über jeden Zweifel erhaben sein, würden Sie das nicht sagen?“

„Doch. Aber ich würde auch sagen, dass die meisten es sind. Allerdings würde ich auch sagen, dass es sehr einfach ist, jemanden im Zeugenstand zu verunsichern.“

„Als Strafverteidiger ist das nicht mein Problem.“

„Gerechtigkeit ist nicht Ihr Problem?“

Sein Blick verdüstert sich. Fuck, er ist so heiß. Mein Körper schmilzt, und mein Kopf übernimmt die Führung: Ich will diese kleine Lücke zwischen uns schließen. Ich will meine Beine um seine Hüfte schlingen. Ich bin nicht besonders groß und dazu noch schmal – und er ist ein wahrer Berg von Mann. Er hätte keinerlei Probleme, mich an der Hüfte festzuhalten, die Hände in meinen Haaren zu vergraben, mein Kleid hochzuschieben …

Verdammte Scheiße. Ich brauche mein Gehirn, um zu denken, nicht um mich in solchen Fantasien zu verlieren. Hör auf … Hör einfach auf, dir solche Dinge vorzustellen!

„Jeder dient der Gerechtigkeit am besten, wenn er seinen Job auch nach bestem Gewissen macht.“ Er kommt noch einen Schritt auf mich zu. Ich atme so schnell, dass meine Brüste sich gegen das Kleid drücken. Er sieht hinunter auf die Knopfreihe. Meine Nippel werden sofort hart. Meine Brüste haben sich gegen mich verschworen: Sie betteln darum, berührt zu werden. Ich sehe auf seine Hände. Diese großen Hände. Stark, dominant. Meine Brüste würden so gut in seine Handflächen passen, er könnte sie so leicht streicheln …

Auf meinen Lippen liegt ein Stöhnen, und am Rande meiner Besinnung kann ich es gerade noch zurückhalten.

„Du bist schlau“, sagt er und greift nach der Türklinke. Ich bin zwischen ihm und der Tür gefangen. Dabei könnte ich einfach zur Seite gehen, aber ich bewege mich nicht. Ich will nicht. Er ist wieder gefährlich nahe, und alles was ich will, sind meine Beine um seine Hüfte. Ich will ihn berühren. Ich muss ihn berühren. Nur ein einziges Mal. Irgendwo. Ich bin wie besessen. Und ich wette, er ist es auch.

Oh, Connor Hughes, du bringst mich noch in Schwierigkeiten.

„Ich weiß.“

„Aber auch idealistisch.“

„Sie klingen so, als wäre das etwas Falsches.“ Die Worte rutschen mir heraus wie eine gehauchte Einladung. Ich beiße mir auf die Unterlippe und sehe ihn an. Innerlich bettle ich darum, dass er etwas tut. Ich weiß nicht einmal was. Ich will so viel von ihm, dass mein Körper auf eine ganz eigenartige Weise reagiert.

„Sie werden wohl lernen müssen, ohne Ihren Idealismus zu leben.“ Er lächelt leicht, und ich habe die starke Befürchtung, dass er das hier nun beenden wird. Ohne mich geküsst zu haben. Ohne mich auch nur berührt zu haben.

Er ist mein Dozent! Von welchem Planeten komme ich bitte, dass ich das will?

„Ohne Idealismus? Nein danke, den behalte ich lieber“, sage ich. Er sieht weiter hinunter, auf meine Lippen, und kommt noch ein wenig näher, sodass seine Beine mich streifen.

„Du kannst es versuchen.“ Kurz – ganz kurz – höre ich Resignation in seinen Worten. Warum? Bevor ich meine Gedanken in Worte fassen kann, dreht er den Türknauf, und ich muss zur Seite weichen. Nur geht er nicht aus dem Weg. Als ich von der Tür wegtrete, treffe ich auf ihn. Einen kurzen Moment lang berühren wir uns.

Die Berührung ist flüchtig, fast fliehend, und doch bin ich entflammt. Von den Haarspitzen bis in die Zehen.

Es passiert so schnell. Er greift nach meiner Hüfte. Der Griff ist rein praktisch und doch wieder nicht. Und jede Berührung bringt Blitze und Flammen mit sich. Er drückt die Tür weiter auf, dann tritt er zurück, bis er wieder vor mir steht. Mit Abstand, was zeigt, dass er es besser weiß. Dass er genau weiß, wann er Menschen zu nahetritt.

Er wollte mir näherkommen.

Verdammt.

Das kann nicht gut gehen.

„Ziehst du mit?“

Ich habe einen Royal Flush. Natürlich bin ich dabei. Ohne hinzusehen lege ich einen Fünfzig-Dollar-Schein in die Mitte. Die Pokerrunde mit den anderen Dozenten erinnert mich an meine eigenen Studientage – nur dass wir jetzt um Geld und nicht mehr um Dosen mit Lagerbier spielen.

Schließ die Tür.

Soll ich abschließen, Sir?

Verdammte Scheiße. Diese wenigen Worte haben jegliche Fantasien in meinem Kopf geweckt. Wie sie vor mir kniet, mein Schwanz in ihrem Mund. Sir. Wie sie auf dem Rücken im Bett liegt und mich anbettelt, sie zu nehmen, so hart ich will. Sir. Wie sie sich selbst befriedigt, mich dabei ansieht und fragt: Darf ich bitte kommen, Sir?

Sir.

Ich unterdrücke ein frustriertes Stöhnen und spiele mit meiner Bierflasche. Mit einem Finger fahre ich langsam am oberen Flaschenrand entlang.

Was zum Teufel habe ich mir dabei gedacht?

Schon am ersten Tag an der London Law School habe ich geschworen, mich von Olivia Amorelli fernzuhalten. Alle Alarmglocken in meinem Kopf haben geläutet, als sie den Vorlesungssaal betrat. Dieses blassblaue Kleid, das ihre Bräune betont. Und ihre Augen. Mein armer Blutdruck.

Aber es war mehr als nur das. Irgendetwas hat mich zu ihr hingezogen, und ich wusste, ich muss es ignorieren. Sie ignorieren. Das wäre der schlauste Weg. Denn dieses starke Verlangen war gefährlich – ich wusste nicht, wie stark es war, aber es wirkte unendlich stark. Und ich kann nicht gut damit umgehen, keine Grenzen zu haben. Ich mag es, meine Grenzen selbst zu setzen, und Olivia setzt alle Regeln außer Kraft.

Deshalb habe ich so getan, als würde ich mich nicht für sie interessieren. Als wäre ich nicht von ihr hingerissen.

Und bisher lief alles nach Plan. Ich habe sie ignoriert. Sie und ihre Kleider. Ihr langes blondes Haar, wie sie blinzelt oder wie sie auf dem Ende des Stifts kaut, wenn sie sich konzentriert.

Bisher habe ich alles richtig gemacht. Und dann kam der heutige Tag.

Heute habe ich sie angesprochen, und sie hat angefangen, mit mir zu diskutieren. Und mein Blut ist wie wild durch meine Adern geschossen. Olivia ist atemberaubend. Dem kann niemand widersprechen. Nur ist sie nicht mein Typ Frau. Sie ist fünfundzwanzig, und trotzdem überrascht mich, wie klein sie ist. Klein und jugendlich, in Jeans und Sneakern. Mit langem blondem Haar, das in meiner Vorstellung ihren nackten Rücken herunterfällt. Und Augen von einer Farbe wie Gewitterwolken.

Als sie mir widersprochen hat, war ich kurz davor, das Seminar einfach zu beenden und sie an Ort und Stelle zu vögeln. Und ich glaube, sie wollte es auch. Genau deshalb muss ich noch vorsichtiger sein.

Die London Law School ist eine der renommiertesten Schulen des Landes, wenn nicht sogar der Welt, was eine juristische Ausbildung angeht. Ihr Austauschprogramm mit Harvard ist sehr gefragt, und dementsprechend hoch sind die Kosten. Olivia ist nun im letzten Studienjahr, und was ihren Studienverlauf betrifft, ist sie brillant. Sie hat hart dafür gearbeitet, so gut zu sein. Wenn sie so weitermacht, wird sie nach ihrem Abschluss einen ganzen Haufen Verträge angeboten bekommen.

Aber mit dem eigenen Dozenten zu flirten, könnte ihr mächtig Ärger einbringen. Abgesehen von ganz anderen Dingen, die ich auch mit ihr machen möchte.

Sie könnte nicht verbotener sein …, nur ist das eben das verdammte Problem. Dadurch will ich es nur mehr.

„Nein“ ist kein Wort, mit dem ich besonders gut umgehen kann.

Auch wenn ich weiß, dass es besser für mich wäre.

Ich hätte sie einfach aus dem verdammten Raum gehen lassen sollen. Aber ich habe sie aufgehalten. Ich habe vor ihr gestanden. Sie war so nahe, dass ich ihren weichen, warmen Atem an meinem Hals spüren konnte. Ich konnte jeden einzelnen Atemzug hören. Und ich wollte sie nur noch schneller atmen lassen. Sie sollte außer Atem kommen. Nur meinetwegen.

Ich bin nicht besonders gläubig, aber ich glaube an Gegensätze und Gegenteile. Ich glaube, sie kann mich gleichzeitig herausfordern und erlösen. Denn ich brauche beides. Nur was braucht sie?

Was würde jemand wie ich ihr antun? Es zieht mich zu ihrer Unschuld, aber würde meine dunkle Seite nicht auf sie abfärben? Ist das nicht wahrscheinlicher? Der Donovan-Fall sitzt mir immer noch im Nacken. In jedem meiner Alpträume spielt das Urteil die Hauptrolle. Dieser Sieg hat mir gezeigt, dass ich in dem, was ich tue, zu gut bin. Dass ich nur spiele, um zu gewinnen. Egal, auf wessen Kosten.

Früher war ein Sieg eben nur ein Sieg und das Urteil etwas, das ich mit geschwellter Brust trage. Jetzt schwimmt es dauerhaft am Rande meiner Gedanken wie ein Sturm, der auf die Küste zuzieht. Das Heranschwellen eines Unheils.

„Ich ziehe mit. Zeig her, was du hast, Connor.“

Ich sehe hoch zu Gary Austin, einem bekannten Professor, der in der Abteilung für Verträge arbeitet, und grinse ihn in freudiger Erwartung an.

Ohne zu zögern lege ich meine Karten offen hin und stehe gleich danach auf, um mir noch ein Bier zu holen.

Die anderen vier stöhnen gleichzeitig enttäuscht auf. Mein Royal Flush übertrumpft alles andere auf dem Tisch. Ich sage doch, ich spiele, um zu gewinnen. Immer.

Aus dem Kühlschrank hole ich mir eine Flasche Bier, öffne sie und trinke sie in einem Zug halb leer.

Olivia hat morgen eine Vorlesung bei mir.

Ich frage mich, was sie anhaben wird.

2. KAPITEL

„Bis vier gehen meine Kurse“, murmle ich ins Handy und betrachte dabei die Tür, weil ich darauf warte, dass Connor hineinkommt. Damit ich weiter so tun kann, als würde ich ihn ignorieren.

„Liebling …“, sagt meine Mutter in ihrem freundlichsten Ton, „es ist ein später Brunch. Der fängt gerade erst an, wenn du kommst.“

An mir nagt der Frust. „Daran zweifle ich.“

„Du kannst nicht einfach absagen.“

Ich würde lachen, wenn ich es nur im Geringsten lustig finden würde. „Ich habe nie zugesagt.“

Sie schweigt, und ich weiß, dass sie die Lippen zusammenpresst. „Pietro zählt auf dich.“

Und da haben wir es. Seit zwei Wochen versucht meine Mutter, mich zu einem Brunch bei der Freundin meines Cousins zu überreden – und genau das ist der Grund.

Mein ach so heiliger Ex-Freund wird da sein – der Mann, den meine Eltern so gerne wieder an meiner Seite sehen würden. Leider ist ihnen vollkommen egal, dass wir so gar nicht zusammengepasst haben. Oder dass wir nichts gemeinsam hatten. Dass unser Sexleben reine Routine war. Und die meisten unserer Gespräche schlicht und ergreifend langweilig.

Das soll nicht heißen, dass das mit Pietro nicht Liebe war. Nur leider habe ich einsehen müssen, dass ich ihn eher auf die freundschaftliche Art geliebt habe. Oder, zu meinen Erschrecken, brüderlich. Keinesfalls romantisch.

Ich seufze, denn meiner Mutter zu widersprechen fällt mir nie leicht. Besonders, wenn hinter ihren Machenschaften gute Absichten schlummern.

„Wo findet es denn statt?“ Ich beiße mir gerade auf die Lippen, als Connor zielstrebig und selbstbewusst den Raum betrifft. Ich folge ihm mit einem Blick gekonnter Nonchalance. Der vollkommen verschwendet ist. Er sieht nicht einmal in meine Richtung.

»Alta Pasta, gleich bei St. Christopher’s Place. Weißt du, wo das ist?“

Sie klingt erleichtert. Wie immer nimmt sie an, dass ich damit zugestimmt habe.

Ich habe meinen Eltern nie direkt widersprochen, aber ich kann nicht ausstehen, wie sie nun versuchen, mich in eine vernünftige Beziehung zu zwingen, nur weil sie beruhigt wären, zu sehen, wie ich mich endlich an jemanden binde.

Das weckt nur das Bedürfnis, das genaue Gegenteil zu tun.

Unbewusst fällt mein Blick wieder auf Connor, und ich runzle die Stirn.

Ich will das exakte Gegenteil von dem tun, was meine Eltern wollen. Ich will jemanden, der in ihren Augen vollkommen unpassend ist. Einfach nur falsch. Ich will nur Spaß haben. Keine Beziehung. Nichts, was der mit Pietro ansatzweise nahekommt.

Und jetzt gerade – auch wenn ich nicht stolz darauf bin – will ich genau das, was meine Eltern hassen würden. Genau die Person …

„Ich versuche zu kommen.“

„Das ist lieb von dir, Olivia.“

Es ist eine Phrase, die meine Mutter oft sagt, aber jetzt platzt mir fast der Kragen. Lieb von mir? Ich war und bin immer lieb. Selbst als ich mit meiner Freundin auf Weltreise war, habe ich mich um alles gekümmert: unsere Hotels zu buchen, ihr Wasser ans Bett zu stellen, ihr Kondome in die Tasche zu stecken. Anscheinend kann ich nichts anderes sein als ein liebes, nettes Mädchen.

„Stören wir ihre persönlichen Pläne, Miss Amorelli?“

Hitze steigt mir ins Gesicht. Ich spüre, wie sie sich ausbreitet und verfluche, dass ich so schnell rot anlaufe, wenn mir etwas peinlich ist.

Alle Blicke sind auf mich gerichtet. Ich sehe Connor an und dann auf die Uhr über seinem Kopf. Bis zum Beginn der Vorlesung ist theoretisch noch eine Minute Zeit.

Trotzdem kann ich nicht anders. Ich kann nicht anders, als nachzugeben und wie immer anderen zu gehorchen.

„Mum, ich muss auflegen.“

Ich lege auf und packe mein Handy weg.

Connor sieht mich weiterhin an, und ich merke, wie selbst mein Nacken warm wird. Ganz kurz, den Bruchteil einer Sekunde lang, senkt er den Blick in Richtung meines Ausschnitts. Dann dreht er sich dem Whiteboard zu.

Er fängt an zu sprechen, jetzt an alle gerichtet. Ich schlage mein Notizbuch auf und nehme den Stift in die Hand, um alles mitzuschreiben. Nur höre ich nicht zu.

Ich schreibe mit, was er sagt, teilweise Wort für Wort, aber meine Notizen sind zusammenhangslos und chaotisch.

Mir fehlt jegliche Konzentrationsfähigkeit. Meine Gedanken sind vernebelt. Mit Fug und Recht kann ich behaupten, noch nie einen Typen so angesehen und danach in einem Teufelskreis aus sexuellen Fantasien festgehangen zu haben.

Bis jetzt. Bis ich Connor gesehen habe.

Wenn ich ehrlich bin, jagt mir das Angst ein. Er ist verboten. Etwas mit ihm anzufangen wäre genauso schlimm, wie etwas mit dem Verlobten meiner besten Freundin anzufangen.

Er dreht sich um und lacht. Alle stimmen ein.

Ich nicht.

Ich sehe ihn an. Unsere Blicke kreuzen sich. Die Welt, der ganze Planet, das Universum – alles steht still. Wir sehen uns an, und ein Schweigen breitet sich aus. Ein Verlangen spinnt uns ein, das wir beide nicht wahrhaben wollen. Dem keiner von uns widerstehen kann.

„So.“ Er findet den Weg zurück in die Realität. Nicht einmal für eine Millionen Pfund hätte ich das gekonnt. „Ende der Woche sind die Gruppenarbeiten fällig. Gibt es jemanden, der dabei noch Hilfe benötigt?“ Er reißt seinen Blick von mir los – zumindest hoffe ich, dass er ihn losreißen muss. Heute trägt er einen dunkelblauen Anzug, ein hellblaues Hemd und braune Schuhe. Keine Krawatte. Sein Hemd ist nicht ganz zugeknöpft. Ich mag seinen Hals. Die Muskeln. In meiner Vorstellung lecke ich langsam darüber. Mit Überwindung erzwinge ich einen Blick auf die Uhr.

Die Vorlesung ist bald vorbei.

Und mit mir ist es das bald auch.

„Das war’s. Bis Donnerstag lesen Sie bitte zwei Fälle und fassen die Urteile zusammen.“

Ein kleiner Tumult entsteht, als alle aufstehen, aber mit hochgehaltener Hand bringt Connor alle erneut zum Schweigen. „Noch ein Hinweis: Ihre Anwesenheit beim Ball der Law School am Freitagabend ist verpflichtend. Der Dekan hat mich darauf hingewiesen, Sie daran zu erinnern. Abendgarderobe ist erwünscht, und ich hoffe, Sie verhalten sich alle ausgezeichnet.“ Er schmunzelt ein klein wenig. Und sieht viel zu gut dabei aus. „Nein, nun ganz im Ernst: Dieser Ball ist für Sie die Chance, erfahrene Juristen zu treffen und erste Beziehungen zu den besten Firmen des Landes aufzubauen. Bereiten Sie sich gut vor. Hinterlassen Sie einen guten Eindruck. Vielleicht werden Sie so zu Ihrem ersten Vertrag kommen.“

Ich versuche mir vorzustellen, wie Connor Hughes zu einem dieser Bälle gegangen ist, um sich bei den Leuten einzuschleimen, aber ich kann es nicht. Er war bestimmt schon als Student so arrogant, wie man nur sein kann. So einen Charakterzug eignet man sich nicht an. Der ist angeboren.

Irgendwo links von mir schnellt ein Arm in die Höhe.

„Ja bitte, Miss Cave?“

„Was ist, wenn wir schon wissen, wo wir uns bewerben wollen?“

Connor zuckt mit den Schultern. „Dann tun Sie es.“

„In Ordnung. Kann ich Ihnen direkt eine E-Mail schreiben?“

Alle lachen, Connor eingeschlossen. „Sicher doch.“

Ich allein lache nicht.

In meinem Bauch braut sich etwas Unangenehmes zusammen. Flirtet Benita Cave etwa mit Connor?

Und flirtet Connor auch mit ihr?

Wieder fangen meine Wangen an zu brennen. Das seltsame Gefühl in meinem Bauch lenkt mich so sehr ab, dass ich zu spät wahrnehme, wie sich der Raum langsam geleert hat und ich beinah wieder allein mit Connor bin.

Verdammt.

Schnell packe ich alles zusammen, stopfe meine Bücher in meine Tasche und werfe sie mir über die Schulter. Ich stehe auf, stecke mein Handy in die Potasche meiner Jeans und ziehe mein weißes Oberteil wieder zurecht.

„Sie wissen schon …“, Connors Stimme ist leise, aber ich weiß sofort, dass er mich anspricht, auch wenn noch andere Studenten im Raum sind, „… dass es unhöflich ist, während der Vorlesungen zu telefonieren.“

Meine Ohren werden warm.

„Ich habe nicht während der Vorlesung telefoniert“, korrigiere ich ihn. Anstatt hinauszugehen, gehe ich auf das Pult zu.

„Das sehe ich anders.“

„Bei allem Respekt, Sir, das war vor der Vorlesung.“

Sein Blick verdunkelt sich, und kurz sieht es aus, als würde seine Augenfarbe auch dunkler werden. „Ich war schon im Raum, oder nicht? Dann hatte die Vorlesung schon begonnen.“

Ich bin versucht, ihm zu widersprechen. Ich will ihm widersprechen. Nur ist Connor offensichtlich daran gewöhnt, dass Leute das tun, was er von ihnen verlangt. Außerdem ist er mein Dozent, und ich kann nicht einfach sagen, was ich will. Weil ich ja ein liebes Mädchen bin.

Ich drücke die Fingerspitzen in eine Ecke des Pults. Ich habe die Kontrolle über meinen Atem verloren. Meine Brust hebt und senkt sich ohne mein Zutun. Wir sehen uns lange an. Oder nur für ein paar Sekunden. Ich weiß es nicht. Die Zeit steht still. Sie hält mich fest, als würde ich in frisch gegossenem Zement stecken.

„Schließen Sie die Tür, Miss Amorelli.“

Oh Gott. Jetzt sind wir wieder am selben Punkt. Ich kann die Anspannung in der Luft spüren. Sie dehnt sich immer weiter aus, zieht sich in die Länge, und ich fühle mich, als würde ich von ihr entzweigerissen.

Und doch kocht in meinen Adern das Adrenalin. Ich will das hier. Ich brauche es. Mit ihm allein zu sein. Und wenn es nur diese kleinen, heimlichen Momente sind. Auch wenn nichts passieren wird. Ich stapfe zur Tür, als wäre ich genervt und nicht aufgeregt. Ich drücke die Tür zu und drehe mich zu ihm.

Er sitzt am Pult. Wieder lächelt er. Dieses verbotene, verführende Schmunzeln.

„Ja, bitte?“ Ich drücke mich mit dem Rücken an die Tür und mein einziger Wunsch ist, dass er zu mir kommt und mich noch mehr dagegen drückt.

Seine Bewegungen sind langsam, als er aufsteht und auf mich zukommt. Ein Stück entfernt bleibt er stehen. Ein zu großes Stück.

Sein Lächeln ist jetzt fast spöttisch und unglaublich sexy. „Ich meinte eigentlich, dass du die Tür hinter dir schließt.“

Schnell unterdrücke ich die aufkommende Verlegenheit. „Kann ich Gedanken lesen?“

„Ich weiß nicht, was du alles kannst.“ Er klingt beinahe resigniert.

Dann senkt er den Blick etwas und sieht auf meine Brüste. Alles in mir kribbelt. Meine Nippel drücken sich ihm ohne mein Zutun entgegen, und seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln, das gleichzeitig amüsiert und befriedigt wirkt.

Das hier ist so falsch.

Und trotzdem bewege ich mich nicht. Ich will nur noch, dass er mich berührt – oder ich ihn. Alle meine Gefühle treffen zusammen: Ich bin wütend auf meine Eltern, weil sie mich manipulieren und mein Leben kontrollieren wollen, ich bin wütend auf Pietro, weil er bei ihren Spielchen mitmacht. Und besonders wütend bin ich auf Connor. Wie kann er nur so verboten sexy sein, wenn ich doch alles hasse, was er tut – Kriminelle verteidigen, die eingesperrt und vergessen werden sollten.

„Du sollest gehen, Olivia.“

Er macht einen Schritt nach hinten, als wenn er damit beenden könnte, was zwischen und ist. Als wenn er damit den Zauber lösen könnte, der über uns liegt.

Ich will das aber nicht. Ich will nicht mehr tun, was man mir sagt. Ich will nicht mehr auf andere hören. Ich will nicht mehr lieb sein. Nur dieses eine Mal will ich aus meinem eigenen Willen heraus das tun, was nur ich will. Ich will das, was komplett verboten ist.

„Und was ist, wenn ich nicht gehe?“

Er wirkt leicht gequält, als würden wir langsam im Treibsand versinken. Seine Stimme ist tief, als er wieder spricht: „Du solltest wirklich gehen.“

Es ist vier Uhr. Mir spukt der Geburtstags-Brunch im Kopf herum. Und nervt mich, weil er mich wieder daran erinnert, dass ich auf meine Mutter höre, wenn ich gehe.

Ich gehe einen Schritt auf ihn zu. Er spannt die Schultern an, aber weicht nicht zurück.

„Ich habe gestern von dir geträumt“, sage ich leise. Die Worte rutschen mir ungefragt über die Lippen.

Er schließt kurz die Augen und atmet hörbar ein. „Hast du?“

„Mhm.“ Ich nähere mich ihm, bis meine Brüste sich gegen seinen Oberkörper drücken.

„Sei vorsichtig.“ Ich spüre seine Worte auf meinem Haar. Mein ganzer Körper erschauert in freudiger Erwartung.

Ich sehe hoch zu ihm. „Wovor?“

„Du spielst mit dem Feuer.“

„Tue ich das?“

Sein Adamsapfel zuckt, als er schluckt. „Ja.“

Er hat recht. Ich weiß, dass er recht hat. Aber es fühlt sich so gut an. Ich bin kein braves Mädchen mehr. Oder zumindest nicht nur ein braves Mädchen.

„Möchtest du wissen, wovon ich geträumt habe?“

Wieder sieht er mich leicht amüsiert an. „Ich kann es mir denken.“

Jetzt lächle ich leicht. „Ich habe geträumt“, sagte ich mit belegter Stimme, „dass du mich hier berührst.“ Mit einer Hand streiche ich mir über die Brust, meine Fingerspitzen streifen meine Nippel, die sofort hart werden. Ein leises Geräusch, das ein Stöhnen sein könnte, rutscht ihm heraus. Aber er sieht weiter zu, vollkommen gebannt von der Bewegung meiner Finger.

„Und hier auch.“ Ich streiche nach oben, über die kleine Stelle an meinem Hals, an der ich meinen eigenen Puls spüren kann. „Und hier.“ Ich fahre mir über die Lippen.

„Noch woanders?“ Er klingt angespannt, ernst.

Ich nicke langsam.

„Hier.“ Mit einer Fingerspitze streiche ich an meinem Körper hinunter, bis ich am Reißverschluss meiner Jeans bin. Wir stehen so nahe, dass ich nicht anders kann, als dabei seinen Schwanz leicht zu streifen. Er ist hart. Ich fühle mich, als stünde ich in Flammen.

„Findest du nicht, dass es unangebracht ist, solche Dinge von seinem Dozenten zu träumen?“

Adrenalin schießt durch meinen Körper, und ich kann es auf meiner Zunge schmecken.

„Doch, selbstverständlich.“ Ich beiße mir auf die Unterlippe. „Mir ist das aber egal.“

Er stöhnt. Es ist so leise, dass ich es nur höre, weil ich genau vor ihm stehe und mich an ihn drücke.

„Zeig es mir.“

Ich blinzle.

„Zeig mir, was ich im Traum mit dir gemacht habe.“

Ich nicke langsam und führe meine Hand wieder zum Schritt meiner Jeans. Diesmal öffne ich den Knopf und ziehe auch den Reißverschluss hinunter.

Dann streichle ich mich. Und ihn auch, denn ich bin immer noch gegen seinen Schwanz gedrückt.

Ich bewege langsam meine Finger, streichle meine feuchte Muschi. Er ist so nahe, dass er jede einzelne Berührung spüren muss.

Ich bin kurz davor zu kommen. Einen Monat lang habe ich hiervon geträumt. Ich wollte ihn. Brauchte ihn. Und jetzt kann ich es nicht länger zurückhalten. Ich kann mich nicht zurückhalten. Der Orgasmus reißt mich mit. Bevor mir ein Stöhnen entweichen kann, hält er mir die Hand vor den Mund. Er drückt seine Handfläche gegen meine Lippen, damit ich leise bleibe, und ich beiße leicht hinein.

Er lacht und drückt sich mir entgegen. So sehr, dass er mich berühren würde, wäre die Kleidung nicht zwischen uns. Ich erzittere am ganzen Körper.

Erschöpft sacke ich zusammen und ziehe meine Hand zurück, aber er hält mein Handgelenkt fest.

„Jetzt zeige ich dir, wovon ich geträumt habe.“

Ich halte den Atem an und erwarte, dass er mich über die Schulter wirft und mich an einen zurückgezogenen Ort mitnimmt. Aber er hebt nur meine Finger an seine Lippen. Er nimmt sie tief in den Mund und meine Knie geben nach, weil in der Geste so viel Lust und Nähe steckt. Einen Arm legt er um meine Hüfte und saugt leicht an meinen Fingern. Er leckt sie ab, bis ich ein Stöhnen nicht zurückhalten kann.

Dann erst lässt er ganz langsam meine Finger frei, kurz danach meine Hüfte. Er tritt zurück und sieht mich mit einem Funkeln in den Augen an.

„Vorsicht, Miss Amorelli. Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich schnell.“

Nach Olivias Vorlesung hatte ich zwei weitere. Zwei Veranstaltungen, die ich irgendwie gegeben habe. Nur könnte ich selbst für eine Millionen Pfund nicht sagen, was zum Teufel ich den Studierenden erzählt habe. Ich vermute, ich habe mich mehr oder weniger an meine Notizen gehalten. Was in aller Welt war das?!

Immer wieder habe ich nur ihr Gesicht vor Augen.

Ihr vernebelter Blick, als sie sich mit ihren Brüsten gegen mich gedrückt hat.

Ich höre immer wieder ihren schnellen Atem, unterbrochen von einem leisen Stöhnen. Oder wie ihr der Atem stockt und schließlich entweicht, als sie kommt. Wie sie an ihrer Unterlippe saugt, die Augen geschlossen.

Immer wieder kann ich es riechen.

Es schmecken. Sie schmecken.

Verdammt, sie schmeckt so gut, ich fühle mich wie ein Süchtiger in einem Drogenrausch. Sie schmeckt so gut, was mach ich jetzt nur? Wie soll ich bitte noch eine Vorlesung geben, ohne ein Zelt in der Hose zu haben?

Dieses eine Mal reicht mir nicht.

Nachdem der letzte Student den Raum verlassen hat, starte ich die LLS-App für Dozenten auf meinem iPad. Ich bin nur dieses eine Jahr hier – und das auch nur, weil ich es nicht länger ausgehalten habe. Weder in meiner Kanzlei noch in Dublin. Alles hat mich erdrückt. Und nun habe ich stattdessen das Drumherum, das mit dem Job als Dozent einhergeht.

Mir reicht es, vorne zu stehen und meine Erfahrungen mit den Studenten zu teilen: Geschichten aus dem Gerichtssaal, die besonderen Fälle, wie man Klienten richtig aussucht, Zeugen gut vorbereitet, all das, was im wahren Leben auf sie zukommen wird und worin sie gut sein müssen.

Aber die Law School hat zu allem eigene seltsame Regelungen. Alle Lehrenden müssen mit denselben Materialien arbeiten – sie werden von der Schule bereitgestellt. Damit alle Studenten fair behandelt werden, hieß es, oder so ähnlich.

Deshalb habe ich diese App und öffne sie jetzt das erste Mal, seit ich hier als ehrenamtlicher Dozent angefangen habe.

Ich suche die Studentenakten. Sie sind alphabetisch nach Nachnamen geordnet. Ihr Name ist ganz oben in der Liste. Vorsichtshalber werfe ich einen Blick zur Tür – und fühle mich gleich wie der letzte Idiot.

Was ich tue, ist nicht verboten. Ich schaue mir nur eine Studentenakte an.

Heute hat sie keine Kurse mehr – also werde ich sie heute nicht mehr sehen. Ihre Telefonnummer und Adresse stehen auch in der Akte, und ich muss widerstehen, sie mir herauszuschreiben. Denn ich habe schon so viele Grenzen überschritten, dass mir der Kopf schwirrt. Ich sollte nicht noch mehr fragwürdige Dinge tun.

Morgen um zehn hat sie ein Tutorium.

Bis dahin kann ich warten.

Gerade so.

Olivia ist nicht da.

Ich warte wie ein Stalker vor dem Seminarraum und tue so, als würde ich auf mein Handy schauen, auch wenn ich alle zwanzig Sekunden wie besessen einen Blick den Flur hinunter werfe, um nach den blonden langen Haaren und den stechend blauen Augen Ausschau zu halten.

Zehn Minuten später sehe ich ein, dass sie nicht kommen wird.

Was höchstwahrscheinlich eine gute Sache ist. Denn ich wüsste nicht, was ich zu ihr sagen würde… Hey Olivia, ich habe dir wirklich gerne dabei zugesehen, wie du dich befriedigt hast. Lust auf noch eine Runde?

Ich zucke zusammen.

Das darf nicht noch einmal passieren.

Und doch bin ich mir sicher, dass ich es nicht verhindern kann.

Sie zieht mich auf eine unwiderstehliche Weise an. Und ich glaube, ich weiß warum.

Es ist der Donovan-Fall. Alle haben erwartet, dass ich verlieren würde. Das Presseaufkommen war gewaltig. Ich kann mit öffentlichem Druck nicht gut umgehen. Ich tue, was ich tue, für das Gesetz, nicht für die Kriminellen. Mein Respekt vor unserem Rechtssystem steht an erster Stelle, und ich tue, wovor sich die meisten scheuen.

Aber ich kann nicht mehr. Es nagt an mir. Ich brauche Abstand davon. So viel Abstand, dass ich wieder weiß, was es bedeutet, für das Gesetz zu arbeiten. Deshalb bin ich hier. Deshalb unterrichte ich, bringe den Studenten das Justizsystem näher und kläre sie darüber auf, was es ausmacht. Meine Leidenschaft und meine Motivation – nämlich für das Gute in der Welt zu kämpfen – waren die eigentlichen Gründe für diese Art von Arbeit.

In Dublin fehlte mir die Luft zum Atmen. Ich konnte nicht mit der neuen Art von Klienten umgehen, die ich mit meinem Erfolg angezogen hatte. Plötzlich erhielt ich Anfragen aus der kriminellen Unterwelt. Als wäre ich ein magisches Genie, das mit einem Zauberstab wedelt und damit jemanden vor einem Schuldspruch bewahrt.

Nach Donovan brauchte ich eine Pause. Ich brauche Luft zum Atmen, ich muss mich entspannen. Erst dann kann ich mich wieder richtig an die Arbeit machen.

Nur entspanne ich mich nicht, sondern bin bis zum Zerreißen gespannt. Habe ich tatsächlich Olivia Amorelli dabei zugesehen, wie sie sich in einem gerade leer gewordenen Seminarraum selbst befriedigt?

Was, wenn jemand hereingekommen wäre?

Ich muss ihr klarmachen, dass sich das nicht wiederholen kann.

Wir sind schließlich beide erwachsene Menschen. Wir wissen, was damit aufs Spiel gesetzt wird. Also sollten wir in diesem Kampf mit unserem Verlangen eine Lösung finden können, nicht wahr?

3. KAPITEL

Dieses Kleid. Ich fühle mich wunderschön darin. Es ist einfach traumhaft. Von Astra Vivien, hellbeige, aus Seide, am Saum mit Perlen besetzt, sodass es im Licht glitzert. Es hat Glockenärmel, die bis zu den Handgelenken gehen und der Rückenteil ist tief ausgeschnitten. Man sieht meinen braun gebrannten Rücken, der im Laufe dieser wundervoll sonnigen Sommertage nur noch dunkler geworden ist.

Das Kleid ist stilvoll, dem Anlass angemessen und einfach atemberaubend. Was es aber noch schöner macht, ist die Tatsache, dass ich es in einem Secondhandladen in der Nähe der Kensington High Street gefunden habe. Ich habe es im Schaufenster gesehen – so weich und glitzernd –, und ich musste es einfach haben. Also habe ich es gekauft. Einfach so. In diesem Kleid fühle ich mich, als könnte ich mit allem und absolut jedem fertig werden.

So bin ich bestens vorbereitet, wieder auf Connor zu treffen. Denn wenn ich ehrlich bin, macht mich heute Abend der Gedanke an ihn nervöser als alles andere. Die vielen bekannten Gesichter aus dem Rechtswesen, die hier sind, um sich persönlich ihre Protegés für das nächste Jahr auszusuchen, sind nichts dagegen. Das ist eine spannende Angelegenheit – aber nicht für mich. Und sie sind nicht der Grund, weshalb ich Jura studiere. 

Ich will bei der Staatsanwaltschaft arbeiten, aber soweit ich weiß, kommt von dort heute niemand. Ich will solchen Männern wie Connor gegenüberstehen. Denjenigen, die mit ihren raffinierten Worten Kriminellen zur unverdienten Freiheit verhelfen. Ich will ihnen gegenüberstehen und sichergehen, dass echtes Recht gesprochen wird.

Das Geräusch des Fahrstuhls erklingt, und die Türen öffnen sich. Ich drücke den Rücken durch und trete mitten in die Menge aus Kleidern und Anzügen. Durch den Raum schwingt leise Klaviermusik. Sie mischt sich mit dem Gemurmel der Anwesenden und dem leisen Klirren der Gläser. Der zehnte Stock des Tate Modern Museums wirkt mit seiner offenen Terrasse wie eine unbemalte Leinwand. Architektonisch interessante Wände beugen sich leicht nach innen, schränken dabei aber den Raum und das Licht nicht ein. Der Ausblick von der Terrasse ist, wie zu erwarten, atemberaubend.

Um mich herum sehe ich Freunde und Kommilitonen.

Ich bin froh, hier zu sein. Und ich freue mich auf das, was der Abend noch bringen kann.

Im Ganzen fühle ich mich einfach klasse.

Bis ich ihn sehe – und er fällt mir direkt auf, obwohl er sich inmitten anderer Gästen befindet. Sofort rast das Blut durch meine Adern. Ungeduldig, schnell, fast verzweifelt. Es rauscht mir in den Ohren. Er spricht mit dem Dekan, und Himmel, steh mir bei, er sieht so gut aus. Also nicht Dekan Walters.

Connor Hughes.

Wie alle Männer heute Abend trägt er einen Smoking. Nur sieht er darin nicht wie jeder andere Mann aus. Obwohl der Anzug perfekt maßgeschneidert auf seinen Körper ist, sieht Connor aus, als könnte er ihn jeden Moment sprengen.

In ihm schlummert diese Wildheit, die mich wellenartig überspült und mitreißt.

Ich will, dass er mit mir wild ist.

Der Gedanke kommt aus dem Nichts, und ein warnender Schauer läuft mir den Rücken hinunter. Als ich das letzte Mal solche Gedanken hatte, habe ich nachgegeben. Und ich hätte nicht wieder aufgehört, wäre er nicht zur Vernunft gekommen.

Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich schnell.

Seine Haare sind dunkelbraun und so kurz geschnitten, dass es fast wie rasiert wirkt. Ich kann nicht anders, als hindurchfahren zu wollen. Bei der Vorstellung allein will ich schon die Finger nach ihm ausstrecken.

Ein Kellner geht mit Tablett auf dem Arm vorbei. Ich wende mich kurz von Connor ab, um ein Glas Champagner zu nehmen. Mein Lächeln ist gezwungen. Das Glas ist nur zur Show. Ich trinke auf offiziellen Veranstaltungen keinen Alkohol. Ich habe genügend anderen Personen dabei zugesehen, wie sie sich besoffen vor der ganzen Fakultät zum Affen gemacht haben, um daraus zu lernen. Ich halte meine Arbeit – oder jetzt das Studium – und mein Vergnügen getrennt.

„Das ist wirklich nicht fair.“ Louise Patel wirft mir ein Lächeln zu, als sie in einem knielangen, schwarzen Cocktailkleid auf mich zukommt. Sie trägt eine Diamanthalskette – wobei ich vermute, die „Diamanten“ sehen eher wertvoll aus, als dass sie echt sind. Ihr glänzendes schwarzes Haar ist in einem Zopf um ihren Kopf geflochten wie eine Krone.

Louise stößt mit ihrem Champagnerglas gegen meines, als sie neben mir angekommen ist.

„Was meinst du?“, frage ich.

„Reicht es nicht, wenn du uns in den Kursen schon abhängst? Jetzt stiehlst du allen in dem Kleid auch noch die Show?“

Ich muss grinsen. „Ich habe es in einem Secondhandladen gefunden.“

Sie nickt. „Cool. Aber wo soll man als Studentin auch sonst so etwas finden, nicht?“

Ich nicke zustimmend. Wenn ich Miete, Nebenkosten und Einkäufe abrechne, bleibt nicht besonders viel für mich übrig. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie mich unterstützen. Selbst wenn es bei ihnen knapp wurde, stand unsere Bildung für sie immer an erster Stelle. Dafür liebe ich sie. Eines Tages werde ich ihnen mehr als alles zurückzahlen.

„Heute Abend werden alle mit dir reden wollen.“

Wir beide lassen den Blick über die Menge schweifen. Ich vermute, es sind um die hundert Menschen gekommen. Der Pianist beendet sein Lied und fängt gleich darauf das nächste an, es ist leichter Jazz. Kaum sind ein paar Noten verklungen, da sehe ich Connor. Er hebt den Kopf und erwidert meinen Blick. Diese Augen … Wie Sonne und See gemischt. Er hat mich so gezielt angesehen, dass ich mich frage, ob er mich beobachtet hat. Oder geht es ihm wie mir? Weiß er mit einer fast radar-ähnlichen Genauigkeit, wo sich der andere im Raum befindet?

„Ich habe nicht wirklich Lust auf Small Talk“, sage ich und zucke mit den Schultern. Louise wirft mir einen genervten Blick zu. „Für die Staatsanwaltschaft zu arbeiten ist ein schönes und nobles Ziel, aber so schlimm kann es doch nicht sein, mit ein paar Leuten zu reden. Und hier laufen sehr bekannte Gesichter herum. Wieso verdienst du nicht erst einmal ein kleines Vermögen und rettest danach die Welt?“

Ich lächle sie an. „Weil es mich innerlich umbringen würde, und das weißt du.“

Sie verdreht die Augen. „Ich vermute, das Monatsgehalt bei Bernstein Brown würde dich schnell wiederbeleben.“

„Ja, nur nicht die nächsten paar Jahre.“

Autor

Clare Connelly
<p>Clare Connelly liebt Liebesromane – von Jane Austen bis E L James. Nachdem sie lange erfolgreich Selfpublisherin war, ging 2017 ihr Traum in Erfüllung, als ihr erstes Buch bei einem Verlag erschien. Seitdem ist sie nicht mehr zu stoppen. Clare liest und schreibt leidenschaftlich gerne, und lebt in einem kleinen...
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