Verbotenes Verlangen nach dem Feind

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Mit klopfendem Herzen steht die schöne Mara Luz López vor dem hochgewachsenen Unternehmer Joaquín Garcia. Sie will unbedingt, dass zwischen ihren Familien endlich der Hass erlischt! Doch statt sich auf ihr Friedensangebot einzulassen, behauptet dieser unverschämte Kerl, sie habe vor seiner Bürotür ein wichtiges Telefonat belauscht, das streng geheim bleiben muss. Und entführt sie deshalb kurzerhand auf seine Privatinsel vor der spanischen Küste! Zuerst schäumt Mara vor Wut, doch dann wächst in ihr ein unerwartetes Gefühl: Leidenschaft – die stärker ist als Hass?


  • Erscheinungstag 23.07.2024
  • Bandnummer 152024
  • ISBN / Artikelnummer 0800240015
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

Stirnrunzelnd betrachtete Joaquín Garcia das Standbild der Überwachungskamera, das sein Sicherheitschef ihm gerade auf sein Tablet geschickt hatte. Die Aufnahme war körnig und verschwommen, zudem von schräg oben aufgenommen worden. Dennoch konnte kein Zweifel daran bestehen, was darauf zu sehen war: eine Frau, Anfang bis Mitte zwanzig, mit dunklem schulterlangem Haar und einer schmalen, fast schon zierlichen Figur.

Sie schien die Kamera nicht bemerkt zu haben, denn ihr Blick war auf die Tür gerichtet, vor der sie stand. Dennoch wusste Joaquín, dass ihre Augen von einem interessanten Braungrün waren. Er wusste das deshalb so genau, weil er ihr schon einmal begegnet war. Auf einer ansonsten eher langweiligen Cocktailparty vor ein paar Jahren. Sie waren einander zwar nicht vorgestellt worden, aber das bedeutete nicht, dass er sich ihrer Anwesenheit nicht bewusst gewesen wäre.

Was die Tatsache, dass sie gerade in diesem Moment vor der Tür zu seinem Büro stand, bereit, anzuklopfen, umso besorgniserregender machte.

Es handelte sich nämlich um Mara Luz López, die Schwester seiner Erzfeinde, der Brüder Ramiro und Manuel López, die, wie er selbst, einen exklusiven Club in Marbella betrieben. Sie waren Konkurrenten, doch die Feindschaft reichte viel tiefer.

Sie reichte weit in die Vergangenheit beider Familien.

Er zückte sein Smartphone, rief die Nummer seines Sicherheitschefs aus der Kontaktliste auf und wählte. Es dauerte nur Sekunde, bis eine tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung antwortete.

„Señor?“

„Danke, dass Sie mich prompt informiert haben, Nuñez.“

Joaquín stand auf und trat an das riesige Panoramafenster, das sich der Tür gegenüber befand. Bei klarem Wetter, wie es an der Costa del Sol fast das ganze Jahr über vorherrschte, war die Aussicht von hier aus fantastisch. Da der Club etwas erhöht lag, hatte man einen unverbaubaren Blick über das azurblaue Meer, das jetzt im hellen Sonnenschein glitzerte und funkelte wie Brillanten. Palmen, die sich sanft in der leichten Brise wiegten, standen bis dicht an den Hang und bildeten den perfekten Rahmen für das Bild, das sich ihm präsentierte. Dennoch nahm er kaum etwas davon wahr. Ihm ging es lediglich darum, sich so weit wie möglich von der Tür zu entfernen.

Um sicherzustellen, dass niemand mithören konnte, senkte er noch die Stimme, bevor er weitersprach: „Prüfen Sie bitte für mich, wie lange Sie schon da draußen steht, ja?“

„Natürlich, Señor.“ Er konnte hören, wie Nuñez die Anweisung an einen Untergebenen weiterleitete. Dann dauerte es noch ein paar Sekunden, bis Joaquín seine Antwort erhielt. „Etwa fünf Minuten.“

Joaquín verkniff sich einen Fluch, schließlich hatte er gerade ein überaus wichtiges Telefonat geführt. „Okay, ich nehme nicht an, dass sie unverrichteter Dinge wieder abziehen wird, aber sollte sie doch Anstalten machen zu gehen …“

„Zwei meiner besten Leute behalten Sie im Auge, Señor. Sie wird das Gebäude nicht verlassen, bis Sie das Okay dafür gegeben haben.“

„Ich sehe, wir haben uns verstanden.“

Er unterbrach die Verbindung und schob sein Smartphone wieder in die Hosentasche zurück. Dann wandte er sich um, legte das Tablet auf dem Schreibtisch ab und ging zu der kleinen Bar, die in der Ecke des Raumes stand.

Die Kristallgläser klirrten leise, als er sie auf dem silbernen Tablett abstellte, das dazu diente, das empfindliche Holz vor Spritzern oder Kondenswasser zu schützen. Er nahm die Karaffe mit Macallan Sherry Oak und goss in jedes der beiden Gläser je zwei Fingerbreit des tiefbraunen Whiskys ein.

Er würde später klären, wie es sein konnte, dass eine wildfremde Frau, ohne jegliche Zugangsberechtigung, es geschafft hatte, bis ins Allerheiligste seines Clubs vorzudringen. Angesichts der recht rigiden Sicherheitsvorkehrungen durfte dies eigentlich nicht geschehen. Doch was geschehen war, war geschehen, und er würde dafür sorgen, dass es nicht wieder vorkam.

Nun aber galt es erst einmal, Schadensbegrenzung zu betreiben.

„Ich wäre vorsichtig an Ihrer Stelle. Wenn Sie noch länger vor meiner Bürotür stehen, schlagen Sie noch Wurzeln!“

Er hatte so laut gesprochen, dass es im Korridor deutlich zu hören gewesen sein musste. Dass er das richtig eingeschätzt hatte, zeigte sich, als es nur Sekunden später klopfte.

„Bitte“, sagte er, nahm die beiden Gläser und drehte sich um – gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die Tür zögerlich geöffnet wurde.

„Mara Luz López“, sagte er und bedeutete ihr mit einer ausschweifenden Handbewegung einzutreten.

Ein wenig unsicher sah sie sich im Raum um, doch es dauerte nicht lange, bis sie ihn anschaute und ihre Blicke aufeinandertrafen. Für einen kurzen Moment war es so, als ob die Zeit stillstünde, und ein statisches Knistern schien die Luft zu erfüllen.

Ja, ihre Augen waren tatsächlich braungrün, so wie er sie in Erinnerung gehabt hatte. Aber er hatte nicht mehr im Gedächtnis gehabt, wie bezaubernd der Rest ihres Gesichts war.

Sie hatte eine kleine Nase, wie man sie im Allgemeinen wohl als Stubsnase bezeichnete, und hohe Wangenknochen, die durch eine leichte Röte betont wurden, von der er stark annahm, dass Make-up nichts damit zu tun hatte. Ihre Haut war eher hell, der Nasenrücken und die Wangen waren mit Sommersprossen übersät. Sie sah jünger aus, als sie tatsächlich war. Schlank und zierlich, mit einer Taille, die er vermutlich mit beiden Händen umfassen konnte.

„Señor Garcia …“ Selbst ihre Stimme klang zart, und als sie sich mit einer Hand durchs Haar fuhr, fiel ihm auf, wie lang und feingliedrig ihre Finger waren.

Doch schon im nächsten Moment rief er sich zur Ordnung. Was waren das für merkwürdige Gedanken? Ja, sie mochte hübsch sein, aber sie war auch eine López, und das bedeutete, dass er sie auf keinen Fall auf diese Weise ansehen sollte.

„Joaquín“, korrigierte er sie lächelnd und hielt ihr eines der Gläser hin. „Ich bin niemand, der großen Wert auf Förmlichkeiten legt.“

Fragend sah sie ihn an, und als er nickte, nahm sie das Glas und drehte es nervös zwischen den Fingern.

„Wollen Sie sich vielleicht setzen?“ Er deutete einladend auf den Besucherstuhl, der vor seinem Schreibtisch stand, während er selbst dahintertrat und auf seinem Chefsessel Platz nahm.

„Ich … denke, ich stehe lieber“, sagte sie, und stellte das Glas auf der Tischplatte ab. „Ich nehme an, Sie fragen sich, warum ich hier bin?“

„Ein wenig“, sagte er, nippte an seinem Whisky und nickte. „Unsere Familien neigen ja nicht unbedingt dazu, sich gegenseitig Höflichkeitsbesuche abzustatten. Ich muss also gestehen, dass ich schon ein wenig neugierig bin, was Sie hierher verschlagen hat.“

Sie schluckte hart und verschränkte die Arme vor der Brust. Doch es wirkte weniger wie eine Geste der Aggressivität, als eher wie der Versuch, sich dahinter zu verstecken.

„Da Sie es gerade erwähnt haben.“ Nun reckte sie das Kinn, als hätte sie sich entschieden, doch ein wenig forscher zu sein. „Die Feindschaft zwischen unseren Familien. Deswegen bin ich hier.“

Joaquín nickte langsam, jedoch nicht, um vorzugeben, dass er verstand – das tat er nämlich nicht –, sondern, um ihr zu bekunden, dass er zuhörte.

„Die Garcias und die López’ sind nun schon seit über einer Generation miteinander verfeindet. Und ich bin der Überzeugung, dass das aufhören muss. Und zwar jetzt.“

Einen Moment lang konnte er sie nur überrascht anschauen. So verunsichert sie auch in seiner Gegenwart wirkte, dieses Thema schien ihr wirklich sehr am Herzen zu liegen. Wobei er selbstverständlich skeptisch blieb. Immerhin war sie eine López, und diesen Leuten konnte man nicht trauen. Wenn es eine Lektion war, die sein Vater ihn gelehrt hatte, dann war es diese.

„Das ist ja sicher eine hübsche Idee“, entgegnete er, lehnte sich auf seinem Drehstuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Aber auch ein bisschen naiv und unrealistisch, finden Sie nicht?“ Durchdringend blickte er sie an. „Diese Idee hat nicht unter Umständen etwas mit dem Telefonat zu tun, das Sie vorhin mit angehört haben, als Sie vor meiner Bürotür standen und lauschten, oder?“

Mara Luz konnte ihn nur anstarren. Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss.

Wie unglaublich peinlich!

Sie musste gestehen, dass sie durchaus versucht gewesen war, an der Tür zu lauschen, als sie die tiefe Stimme aus dem Inneren des Büros gehört hatte. Und ein Teil des Gesprächs hatte sie auch tatsächlich mitbekommen, weil er so laut gesprochen hatte, dass es anders auch gar nicht möglich gewesen wäre.

Als der Name López fiel, hatte sie dann auch aufgehorcht. Erst recht, als dann auch noch die Rede von einem Treffen gewesen war.

Und davon, es dieser verdammten Familie endgültig zu zeigen.

Das war dann auch der Grund dafür gewesen, dass Mara Luz so lange praktisch regungslos vor seiner Tür gestanden hatte. Sie war wie vor den Kopf gestoßen gewesen. Und auch jetzt hatte sie sich noch immer nicht so richtig gefangen.

Wobei es sie eigentlich vermutlich gar nicht so sehr überraschen sollte. Ihre Brüder, Ramiro und Manuel, redeten ständig davon, was für ein intriganter und manipulativer Mensch Joaquín Garcia war. Doch bisher hatte Mara Luz es nicht wirklich glauben wollen.

Sie war der festen Überzeugung, dass sich in jedem Menschen ein fundamental guter Kern befand, und dass man nur die richtigen Mittel anwenden musste, um diesen zum Vorschein zu locken.

Und das glaubte sie auch immer noch.

Dennoch hatte es ihr ein wenig den Boden unter den Füßen weggezogen. Vor allem, da sie keinen echten Plan gehabt hatte, als sie hierhergekommen war.

Es war mehr ein spontaner Gedanke gewesen. Und als sie das Gebäude, in dem der Nachtclub ansässig war, betreten und den Empfang unbesetzt vorgefunden hatte, war sie einfach gleich durchmarschiert.

Vom Aufbau her unterschied sich das El Saxo gar nicht so sehr vom Club Aventura ihrer Brüder. Alles war ein wenig kleiner und überschaubarer, aber es war dennoch offensichtlich, dass hier jemand das Ruder in der Hand hielt, dem der Club etwas bedeutete.

Eine Weile lang war sie einfach nur ziellos umhergestreift und hatte sich umgesehen. So früh am Vormittag hielt sich kaum jemand in den Clubräumen auf, sodass es kein Problem darstellte, den wenigen Mitarbeitern, die mit der Annahme von Lieferungen beschäftigt waren, auszuweichen. Und irgendwie war sie so schließlich in dem Korridor gelandet, in dem sich Joaquín Garcias Büro befand.

Was sie nur deshalb erkannt hatte, weil sie seine Stimme deutlich bis nach draußen hin hatte hören können. Sie hatte ihn vor Jahren einmal auf der Party einer gemeinsamen Bekannten gesehen. Seine Stimme, tief und volltönend, war ihr dabei in Erinnerung geblieben. Zum Teil vermutlich, weil sie erstaunlich angenehm klang, für einen Mann, von dem ihre Brüder behaupteten, er wäre praktisch der Teufel in Menschengestalt. Aber vielleicht war ja gerade das der Beweis. Um arme Seelen zu verführen, musste der Teufel ja etwa Anziehendes an sich haben.

Doch dieser schon seit Jahrzehnten andauernde Krieg zwischen ihren beiden Familien war ihr schon lange ein Dorn im Auge. Marbella war groß genug, zwei Tanzclubs, die zudem auch noch zwei verschiedene Kundengruppen ansprachen, sollten doch wohl friedlich nebeneinander existieren können.

Doch das, so hatte sie gelernt, seit sie nach dem Tod ihrer Mutter in das Leben ihrer bis dahin unbekannten Brüder getreten war, war nicht der eigentliche Grund für die unerbittlichen Feindseligkeiten. Nein, die wahren Ursachen lagen viel weiter in der Vergangenheit verborgen. Und wie sie zu ihrem eigenen Entsetzen feststellen musste, war ihre Mutter daran nicht ganz unschuldig gewesen. Zu behaupten, dass sie die Wurzel allen Übels gewesen wäre, traf es nicht ganz – aber es war auch nicht besonders weit von der Wahrheit entfernt.

„Ich habe nicht absichtlich gelauscht“, sagte sie. „Sie haben so laut gesprochen, dass ich gar nicht anders konnte!“

Er winkelte die Arme an und legte die Finger aneinander. „Nun, das ändert jedoch nichts an den Tatsachen, oder?“

„Was für Tatsachen?“, fragte sie und ließ sich nun doch auf den Besucherstuhl sinken. „Ich fürchte, ich verstehe nicht.“

Seufzend beugte er sich vor. „Das habe ich ehrlich gesagt auch nicht erwartet. Das Problem ist, dass ich nicht mit Sicherheit weiß, aus welchem Grund Sie die Ahnungslose geben.“

„Wie bitte?“ Mara Luz starrte ihn an. „Ich gebe nicht die Ahnungslose, ich bin ahnungslos.“

Er nickte. „Das ist eine Möglichkeit. Die andere wäre, dass Sie das behaupten, weil Sie mein Telefonat mitangehört und Ihre Schlüsse daraus gezogen haben. Und das ist bedauerlicherweise ein Risiko, das ich nicht eingehen kann. Ich werde nicht zulassen, dass Sie meine Pläne torpedieren.“

Sein Lächeln erinnerte sie an ein Raubtier, und sie spürte, wie ein Kribbeln sie überlief. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass dieser Mann gefährlich war.

Sie schluckte erneut. „Was … wollen Sie damit sagen?“

Er winkte ab. „Dazu kommen wir später. Lassen Sie uns zunächst einmal darüber sprechen, weswegen Sie sich wirklich hier eingeschlichen haben.“

„Ich habe mich nicht eingeschlichen, ich bin durch die Vordertür hereingekommen. Und die Antwort auf Ihre Frage kennen Sie bereits.“ Mara Luz runzelte die Stirn. „Ich bin der Ansicht, dass es an der Zeit ist, die Feindseligkeiten zu beenden. Unsere Familien haben doch schon lange genug darunter gelitten, finden Sie nicht? Und irgendjemand muss ja den Anfang machen.“

„So schön das auch klingen mag, ich wüsste nicht, wie das funktionieren sollte.“

„Indem man es einfach tut“, erwiderte sie fest. Dios, dass Männer immer so furchtbar stur und halsstarrig sein mussten.

„Und da kommen Sie ausgerechnet zu mir?“ Amüsiert schüttelte er den Kopf. „Wäre es nicht sinnvoller, diesen Appell an Ihre Brüder zu richten? Dass Sie stattdessen mich aufsuchen, lässt mich vermuten, dass Sie genau das bereits versucht haben – und zwar vergeblich.“ Er lächelte herablassend. „Na, wie nahe bin ich der Wahrheit gekommen?“

Sehr nahe, wie Mara Luz sehr zu ihrem Leidwesen gestehen musste. Ramiro hatte gelacht, als sie mit dem Vorschlag gekommen war, Frieden mit Joaquín Garcia zu schließen. Er hatte es nämlich zuerst für einen Scherz gehalten.

„Bist du verrückt geworden?“, war seine nächste Reaktion gewesen, als ihm klar geworden war, dass sie keineswegs scherzte. „Joaquín Garcia und wir, das kann niemals gut gehen, Mara. Es gibt nur eine Möglichkeit, diese Fehde zu beenden: Eine Partei muss gewinnen – und zwar eindeutig.“

Mara Luz hatte frustriert den Kopf geschüttelt. „Es ist also wirklich in Ordnung für dich, diesen Hass auch in der nächsten Generation weiterleben zu lassen? Denn genau das ist es, worauf es hinausläuft. Und ich kann und will nicht glauben, dass ihr das wirklich wollt, Manuel und du. Oder Joaquín Garcia …“

Doch Ramiro hatte nur abgewunken.

Manuel hatte sie nur telefonisch erreichen können, da er sich im Moment mit der Euforia, seiner Clubjacht, irgendwo auf dem Mittelmeer befand. Seine Antwort war nicht viel ermutigender gewesen als die ihres Bruders.

„Ich verstehe dich ja“, hatte er gesagt. „Und es ist nicht so, als wäre es mir nicht lieber, wenn wir alle in Frieden miteinander leben könnten. Aber der Hass zwischen unseren Familien sitzt so tief … Ich bezweifle, dass sich daran zu unseren Lebzeiten noch etwas ändern wird.“

Und so hatte Mara Luz sich am Ende veranlasst gesehen, ihr Glück bei der Gegenseite zu versuchen. Und hier war sie nun, im Büro von Joaquín Garcia, sozusagen in der Höhle des Löwen. Doch wie es aussah, würde sie hier ebenso wenig Erfolg haben wie bei ihren Brüdern.

Wirklich, was hatte sie auch erwartet?

„Ich gebe zu, dass meine Brüder nicht sonderlich angetan von meiner Idee waren“, erwiderte sie. „Aber deswegen bin ich noch lange nicht bereit, die Flinte ins Korn zu werfen. Dafür geht es einfach um zu viel. Für uns alle.“

Er neigte den Kopf zur Seite. „Sie operieren unter der Prämisse, dass wir etwas an der aktuellen Situation ändern wollen. Was zumindest bei mir persönlich nicht der Fall ist. Nun, zumindest nicht so, wie Sie sich das vermutlich wünschen. Ich bin nur zu gern bereit, das Kriegsbeil zu begraben – nachdem ich Ihre Familie endgültig ruiniert habe.“

„Was?“ Sie atmete scharf ein. „Wenn das Ihre Vorstellung von einem Scherz sein soll, dann muss ich leider sagen, dass ich ihn nicht lustig finde. Nicht einmal ein kleines bisschen.“

„Gut, ich scherze nämlich keineswegs. Ich bin der vollen Überzeugung, dass Frieden durch Diplomatie zwischen unseren Familien ausgeschlossen ist. Dazu sind die Fronten längst viel zu verhärtet. Nein, eine der beiden Parteien muss als Sieger aus diesem Duell hervorgehen – und diese Partei gedenke ich selbst zu sein.“

„Aber … Sehen Sie denn gar keine Chance auf Versöhnung? Was vorgefallen ist, liegt doch nun schon so lange zurück …“

„Das mag sein. Doch in der Zwischenzeit ist so viel geschehen, daher kann ich mir nicht vorstellen, dass es eine Aussöhnung geben kann. Ihre Brüder und ich, wir sind wie Feuer und Wasser. Uns in Kontakt miteinander zu bringen, wird unwillkürlich eine von beiden Seiten zerstören.“

Sie verzog das Gesicht. „Das ist ein bisschen dramatisch, finden Sie nicht?“

„So sehe ich es nun einmal.“ Er zuckte mit den Schultern. „Es tut mir leid, aber ich sehe keinen Sinn darin, Ihnen irgendwelche Märchen aufzutischen.“

Enttäuscht schüttelte Mara Luz den Kopf. Sie hatte keine Ahnung, was genau sie erwartet hatte, als sie heute hergekommen war. Gar nichts, vermutlich. Es war einfach nur wilde Hoffnung gewesen, dass sie vielleicht etwas ändern konnte. Dass sie das Zünglein an der Waage sein konnte, das Veränderung brachte.

Denn wenn sie ganz ehrlich war, fühlte sie sich ein wenig schuldig an dem, was geschehen war. Was natürlich Unsinn war. Die Fehde ihrer Familien hatte ihren Ursprung schon weit vor ihrer Geburt. Aber es war ihre Mutter gewesen, die die Dinge endgültig zu dem Punkt gebracht hatte, an dem sie sich heute befanden.

Dolores Calvente war von Joaquín Garcias Vater Pepe engagiert worden, mit dem Ziel, sich an Alfonso López heranzumachen. Worum es ihm genau gegangen war – Insider-Informationen oder einfach nur die Demütigung seines Erzfeindes – wusste Mara Luz nicht. Sie kannte nur die Schilderung ihrer Mutter, und auch das erst mehr als zwanzig Jahre, nachdem die Dinge ihren Lauf genommen hatten.

Auf dem Sterbebett hatte Dolores ihr alles gestanden – gleich nachdem sie ihr endlich verraten hatte, wer ihr Vater war. Alfonso López, der Vater von Ramiro und Manuel.

Sie wusste außerdem, dass Dolores die López’ damals um eine Menge Geld betrogen hatte, was die Familie um ein Haar ruiniert hätte. Entsprechend unsicher war Mara Luz gewesen, wie man sie empfangen würde, als sie nach Marbella aufgebrochen war, um ihre Brüder kennenzulernen.

Die beiden waren, sehr zu ihrer Erleichterung, freudig überrascht gewesen, nachdem sie den ersten Schock überwunden hatten. Manuel hatte sie umarmt und in der Familie willkommen geheißen. Ramiro war ein wenig reservierter gewesen, zumindest zu Anfang, doch auch er hatte ihr keine Vorwürfe gemacht.

„Du bist nicht für die Taten deiner Mutter verantwortlich“, hatte er gesagt. „Es wäre albern, dich dafür zu bestrafen. Und zudem bist zur Hälfte auch die Tochter unseres Vaters – und damit unsere Schwester.“

Von Spitzfindigkeiten, wie, sie eine Halbschwester zu nennen, wollten die beiden nichts wissen. Und es hatte nicht lange gedauert, bis Mara Luz sich wirklich so gefühlt hatte. Wie eine Schwester.

Es war ein unglaubliches Gefühl gewesen, Teil einer Familie zu sein. Die Pflegefamilie, bei der sie aufgewachsen war, war toll gewesen, und sie war ihnen für alles dankbar, was sie für sie getan hatten. Aber trotzdem hatte sie sich nie wirklich gefühlt, als würde sie dazugehören. Bei Manuel und Ramiro war das anders. Sie wusste, dass Blutsverwandtschaft im Grunde nichts bedeutete. Sie brauchte ja nur ihre eigene Mutter anzusehen, um das zu wissen. Dolores hatte sich nicht um sie geschert. Ihr war es wichtiger gewesen, ungestört weiter ihrem Jetset-Leben nachgehen zu können. Mit häufig wechselnden Affären mit reichen Männern, die ihr den luxuriösen Lebensstil bieten konnten, den sie gewohnt war.

Und in den ein kleines Kind einfach nicht passte.

Ramiro und Manuel waren ihre Brüder, und sie standen einander inzwischen so nahe, als wären sie miteinander aufgewachsen – und das, obwohl sie sich eigentlich erst seit ein paar Jahren kannten.

Dennoch würde da vermutlich immer dieses leise Schuldgefühl bleiben, weil ihre Mutter die Familie in solche Schwierigkeiten gestürzt hatte. Umso wichtiger war es Mara Luz, zumindest zu versuchen, alles wieder in Ordnung zu bringen und dieser unseligen Feindschaft zwischen den Garcias und den López’ ein Ende zu setzen.

Doch wie sollte das funktionieren, wenn keine der beteiligten Parteien bereit war, den Gedanken auch nur in Erwägung zu ziehen? Verdammt, manchmal kam es ihr so vor, als klammerten sich die Beteiligten absichtlich so vehement an die Vergangenheit. Sie konnte einfach nur nicht verstehen, warum.

„Ich sehe schon, ich hätte mir meinen Besuch sparen können.“ Kopfschüttelnd stand sie auf. „Danke, dass Sie mir ein paar Minuten Ihrer Zeit geschenkt haben, Señor Garcia. Ich denke, es ist besser, wenn ich mich jetzt verabschiede.“

„Joaquín“, korrigierte er sie geduldig und erhob sich ebenfalls. „Und ich fürchte, da bin ich etwas anderer Ansicht.“

Verwirrt schaute sie ihn an. „Was meinen Sie?“

„Ich denke nicht, dass ich Sie einfach so gehen lassen kann, Mara Luz.“

„W… was?“

Er lächelte entschuldigend. „Ich bedaure sehr, Ihnen Umstände bereiten zu müssen, aber Sie sagten ja selbst, dass Sie einen Teil meines Telefonats vorhin mit angehört haben. Und bedauerlicherweise kann ich nicht zulassen, dass irgendetwas davon nach außen dringt. Dafür haben Sie doch sicherlich Verständnis.“

„Ich verstehe nicht …“, sagte sie stirnrunzelnd. „Und ich glaube nicht, dass mir die Richtung, die diese Unterhaltung eingeschlagen hat, gefällt.“ Energisch wandte sie sich um und ging auf die Tür zu. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Señor Garcia!“

Mit voller Absicht hatte sie die förmlichere Anrede gewählt. Sie war mehr als nur ein bisschen verärgert. Was bildete sich dieser Mann eigentlich ein? Glaubte er, dass er sie einfach so herumkommandieren konnte?

Doch als sie die Tür aufriss, um hinauszustürmen, stolperte sie stattdessen einen halben Schritt zurück.

Im Türrahmen stand ein Mann, der ebenso gut auch als Preisboxer hätte arbeiten können. Mit ungerührter Miene sah er auf sie hinab und verstellte ihr den Weg, als sie an ihm vorbeitreten wollte.

Aufgebracht wirbelte sie herum und funkelte Joaquín an. „Was soll das?“

„Wie schon gesagt, Mara Luz: Ich kann leider nicht zulassen, dass Sie gehen.“ Als sie protestieren wollte, hob er einen Finger. „Aber ich habe eine gute Nachricht für Sie. Ich war gerade mit den letzten Vorbereitungen für die Abreise zu meiner Privatinsel im Mittelmeer beschäftigt. Und Sie, meine Liebe, werden mich dorthin begleiten.“

2. KAPITEL

„Und Sie sind wirklich sicher, dass Sie nicht doch einen von diesen köstlichen Churros kosten wollen? Ihnen entgeht etwas, das kann ich Ihnen versichern.“

Mara Luz starrte stur zum Fenster hinaus, von dem aus sie die rechte Tragfläche des kleinen Privatflugzeugs sehen konnte. Darunter das tiefe Blau des Mittelmeers, so weit das Auge reichte.

Autor

Penny Roberts
<p>Hinter Penny Roberts steht eigentlich ein Ehepaar, das eines ganz gewiss gemeinsam hat: die Liebe zum Schreiben. Schon früh hatten beide immer nur Bücher im Kopf, und daran hat sich auch bis heute nichts geändert. Und auch wenn der Pfad nicht immer ohne Stolpersteine und Hindernisse war – bereut haben...
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