Vorsicht: verführerisches Verlangen!

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Julius Ravensdale erkennt sich selbst nicht wieder: In Hollys Nähe kann der sonst so beherrschte, bindungsscheue IT-Millionär plötzlich nur noch an Sex denken - an wilden, hemmungslosen Sex. Dabei soll die geheimnisvolle junge Frau vorübergehend seine Haushälterin unterstützen, statt das wohlgeordnete, ruhige Leben auf seinem Luxusanwesen komplett durcheinanderzuwirbeln! Doch nach einem berauschend heißen Kuss kann er sein Verlangen nicht länger bändigen. Bis auf einmal Ungeheuerliches ans Licht kommt …


  • Erscheinungstag 27.02.2018
  • Bandnummer 0005
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709990
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sobald seine Haushälterin ihm sein Lieblingsdessert servierte, wusste Julius Ravensdale, dass sie etwas im Schilde führte.

„Queens Pudding?“ Er hob eine Augenbraue. „Dessert gibt es doch nur zu besonderen Anlässen.“

„Es ist ein besonderer Anlass.“ Mit leicht zerknirschter Miene stellte Sophia das Schüsselchen vor ihn hin. „Ich habe jemanden dazugeholt, der mir mit dem Haushalt helfen wird. Nur für einen Monat, bis diese vermaledeite Sehnenscheidenentzündung ausgeheilt ist. Das zusätzliche Paar Hände brauche ich, und ich tue gleichzeitig etwas Nützliches für die Gemeinschaft – also eine Win-win-Situation.“

Julius’ Blick ging zu der Lederbandage an Sophias Handgelenk. Schon zwei Wochen trug sie den Verband. Die Frau arbeitete zu viel, er wusste, sie konnte dringend Unterstützung gebrauchen. Aber er hatte lieber weniger Personal. Nicht etwa, weil er geizig wäre. Er würde sogar dafür zahlen, dass ihn alle in Ruhe ließen und er ungestört arbeiten konnte. „Wen?“, fragte er knapp.

„Ein junges Ding, das einen Stups in die richtige Richtung braucht.“

Julius stöhnte stumm auf. Von allen Haushälterinnen der Welt hatte ausgerechnet er die argentinische Version von Mutter Theresa eingestellt!

„Sonst landet sie im Gefängnis“, fuhr Sophia fort.

„Gefängnis? Sie holen eine Kriminelle ins Haus? Was hat sie verbrochen?“

„Sie hat den Sportwagen des Typen mit dem Schlüssel zerkratzt.“

„Und vermutlich behauptet, es wäre keine Absicht gewesen, oder?“ Er dachte sofort an seinen Aston Martin, der in der Garage stand.

„Nein, sie hat es zugegeben, und der Mann hat es auch verdient. Außerdem hat sie Unkrautvernichter über seinen Rasen geschüttet.“

„Entzückend.“

„Also … habe ich Ihre Erlaubnis, sie ins Haus zu holen?“

Sarkasmus war an Sophia verschwendet, die Frau war gutmütig und großzügig und würde ihr letztes Hemd für andere geben, immer bereit zu helfen. Julius wusste, sie vermisste ihre Kinder, aber die beiden waren längst erwachsen und lebten ihr eigenes Leben. Also, warum sollte er ihr nicht den Gefallen tun? Er hatte so oder so genug zu erledigen, musste noch die letzten kleinen Probleme bei seiner Software ausbügeln, bevor er das Programm dem Forschungsteam vorlegen konnte.

Kaum hatte er knapp genickt, erschien auch schon ein glückliches Lächeln auf Sophias Gesicht. „Oh, warten Sie nur, bis Sie sie sehen. Sie werden hingerissen sein.“

Holly überlegte ernsthaft, ob sie sich nicht besser wieder umdrehen sollte, als der Kleinbus vor der Villa vorfuhr. Das Haus war groß. Nein, riesig. Mit dem weitläufigen gepflegten Park und den endlosen Rasenflächen hatte dieses Anwesen wahrscheinlich sogar eine eigene Postleitzahl! Auf jeden Fall hatte es nichts mit der staatlichen Besserungsanstalt zu tun, die sie erwartet hatte. Keine Gitter, kein Stacheldraht, auch keine Wachen mit dem Maschinengewehr im Anschlag. Es machte eher den Eindruck eines abgeschiedenen Luxushotels, ein ruhiges Urlaubsressort für die Reichen und Schönen. Sie fragte sich, was sie hier sollte.

„Nur für einen Monat.“ Natalia Varela, die für sie zuständige Sozialarbeiterin, fuhr durch das schmiedeeiserne Tor, das wie durch Geisterhand aufschwang, auf die lange Auffahrt. „Sie sind glimpflich davongekommen. Ich kenne viele, die liebend gern mit Ihnen tauschen würden.“

Holly schnaubte nur, verschränkte die Arme vor der Brust und presste die Lippen zusammen. Sollte sie sich jetzt auch noch bedanken, dass man sie in diesem riesigen alten Kasten zusammen mit einem Mann einpferchte, den sie nie zuvor gesehen hatte?

Ein ganzer Monat mit einem Fremden. Einunddreißig Tage mit einem Mann, der sich großmütig bereit erklärt hatte, sie zu „bessern“. Ha! Als ob da eine Chance bestünde! Wer war der Typ überhaupt? Man hatte ihr nur gesagt, er sei irgendein Computergenie aus England, der sich hier in Argentinien bis ganz nach oben gearbeitet hatte. Angeblich entwickelte er die Software für die großen Weltraumteleskope, die in der Atacama Wüste im benachbarten Chile standen. Ach ja, und ledig war er auch.

Holly verdrehte die Augen. Und der Knilch hatte aus reiner Nächstenliebe zugestimmt, eine alleinstehende junge Frau in Schwierigkeiten in sein Haus aufzunehmen? Hatten die Behörden ihm das tatsächlich abgekauft? Unfassbar. Holly wusste alles über Männer und ihre dubiosen Motive!

Die Tore schlossen sich hinter dem Transporter.

„Julius Ravensdale hat dem Arrangement nur zugestimmt – höchst unwillig übrigens –, weil seine Haushälterin eine Sehnenscheidenentzündung hat und Unterstützung braucht. Sie werden ihr unterstehen. Das ist eine fantastische Gelegenheit, praktisch wie eine Berufsausbildung. Machen Sie das Beste daraus“, sagte Natalia.

Ausbildung? Zynisch verzog Holly die Lippen. Sie würde doch nicht Haushälterin werden, nur weil sie ein paar kleinere Dummheiten angestellt hatte! Ihr Widerling von Stiefvater hatte ja regelrecht darum gebettelt! Außerdem war es nur ein blöder Sportwagen, verflixt! Dann musste er das Auto eben neu lackieren lassen und den Rasen neu einsähen, na und?

Nein, sie würde sich nicht zur Sklavin irgendeines reichen Typen machen lassen und auf den Knien Böden schrubben. Die Zeiten, wo sie sich herumschubsen ließ, waren lange vorbei. Dieser Julius Sowieso würde sein blaues Wunder erleben, wenn er sich einbildete, er könnte sie für seine niederen Bedürfnisse ausnutzen.

Was, wenn er gar nicht vorhatte, sie in der Küche einzusetzen? Was, wenn er wesentlich schmutzigere Pläne hatte? Soweit sie wusste, bildeten reiche Männer sich ein, sie könnten sich alles erlauben. Von wegen „unwillig zugestimmt“! Das musste er ja sagen, wenn er nicht übereifrig wirken wollte. So gab er vor, seinen Dienst an der Gemeinschaft zu leisten, und in Wahrheit leistete er sich sie!

Tja, versuch’s nur, wirst schon sehen, wie weit du damit kommst! Der Sozialarbeiterin jedoch schenkte Holly ein Lächeln, das kein Wässerchen trüben konnte. „Oh ja, ich werde die Chance bestimmt voll ausnutzen.“

Natalia drückte noch einmal aufs Gaspedal, um endlich das Haus zu erreichen, und stieß einen Seufzer aus. „Das befürchte ich allerdings auch.“

Die Haushältern, die Holly vor ein paar Tagen schon getroffen hatte, begrüßte sie herzlich an der Tür, während Natalia einen dringenden Anruf eines ihrer anderen Schützlinge entgegennahm.

„Ich freue mich, dass Sie hier sind, Holly.“ Sophia lächelte warm. „Nur herein. Señor Ravensdale ist beschäftigt, also werde ich Sie zu Ihrem Zimmer bringen.“

Ein Empfangskomitee mit Musikkapelle hatte Holly nicht unbedingt erwartet, aber wäre es nicht angebracht, dass der Hausherr sie wenigstens begrüßte? Entsprach es nicht der üblichen Höflichkeit, damit sie einander wenigstens von Angesicht zu Angesicht kennenlernten und wussten, mit wem sie es zu tun hatten? „Wo ist er denn?“

„Im Moment darf man ihn nicht stören“, setzte Sophia an. „Ihr Zimmer ist vorbereitet und …“

„Stören Sie ihn bitte“, unterbrach Holly sie. „Jetzt.“

Sophia stutzte. „Man darf ihn aber nicht unterbrechen, wenn er arbeitet. Niemand betritt sein Arbeitszimmer, außer in einem Notfall.“

Holly schob sich durch den Eingang und steuerte zielsicher auf die einzige geschlossene Tür auf dem langen Korridor zu, hinter der sie besagtes Arbeitszimmer vermutete. Sie klopfte auch nicht an, sondern drückte die Klinke herunter und marschierte resolut über die Schwelle.

Der Mann hinter dem großen Schreibtisch sah auf, seine Finger, die über die Computertastatur geflogen waren, hielten in der Luft inne. Das Klicken der letzten Taste hallte in der Stille des Raumes wider wie Donnerhall.

Holly holte Luft, wollte etwas sagen, doch aus irgendeinem Grund versagte die Stimme ihr den Dienst. Das musste der Schock sein, denn der Mann dort hatte nichts mit dem Bild gemein, das sie sich gemacht hatte. Zum einen war er nicht alt, sondern höchstens Mitte dreißig. Und zum anderen sah er aus wie ein Filmstar. Groß, schlank, breite Schultern, olivfarben getönte Haut. Das dunkle, wellige Haar stand ab, als wäre er unzählige Male mit den Fingern hindurchgefahren … oder gerade nach einer heißen Nacht aus dem Bett gestiegen. Ein markantes Kinn, eine gerade Nase und ein sinnlich geschwungener Mund. Prompt wurden Holly die Knie weich.

Jetzt schob er seinen Stuhl zurück und stand auf. Der Raum schien sofort zu schrumpfen. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ Sowohl Ton als auch Haltung drückten aus, dass er nicht die geringste Lust dazu hatte.

Nun, Holly nahm grundsätzlich kein Blatt vor den Mund, und von langwierigem, unnützem Gewäsch hielt sie auch nichts, sie kam immer direkt auf den Punkt. „Wissen Sie, dass es unhöflich ist, gerade angekommene Gäste zu ignorieren?“

Er taxierte sie mit regloser Miene. „Genau genommen sind Sie nicht mein Gast, sondern Sophias.“

Holly hob das Kinn, funkelte ihn mit einem Blick an, der ausdrückte: Ich weiß genau, was Sie vorhaben. „Ich wollte Sie auf jeden Fall von vornherein wissen lassen, dass ich nicht als Ihr Sexspielzeug hier bin.“

Dunkle Brauen wurden bis an den Haaransatz hochgerissen. Bei seinem dunklen Typ hätte sie braune Augen erwartet, stattdessen blitzte strahlendes Saphirblau auf, gerahmt von verboten langen Wimpern. Der Blick aus diesen wunderschönen Augen wanderte jetzt über sie, hielt kurz inne bei dem kleinen Strassstecker in ihrem Nasenflügel und der pinkfarbenen Strähne in ihrem Haar. Dann zuckte es um seine Mundwinkel – unmissverständlich spöttisch.

Ein bitterer Geschmack stieg Holly in den Mund, ihr Magen zog sich zusammen. Wenn sie eines hasste, dann dass man sich über sie lustig machte. Sie nicht ernst nahm. Sie verspottete.

„Wie geht es Ihnen, Miss … äh?“ Fragend sah er zu seiner Haushälterin, die hinter Holly aufgetaucht war.

„Miss Perez, Hollyanne Perez“, antwortete Sophia.

„Holly“, korrigierte Holly düster.

Julius streckte die Hand aus. „Also … wie geht es Ihnen, Miss Perez?“

Holly sah auf die dargebotene Hand, als hielte er ihr eine Viper hin. „Behalten Sie Ihre Griffel besser bei sich.“

Natalia erschien jetzt ebenfalls, hektisch und verlegen. „Ich muss mich entschuldigen, Dr. Ravensdale. Aber da kam ein Anruf von einem meiner anderen Schützlinge …“

Mit gerunzelter Stirn fuhr Holly herum. „Doktor? Niemand hat mir gesagt, dass er ein Doktor ist. Sie meinten nur, er sei irgendein Computernerd.“

Ein entschuldigendes Lächeln Richtung Julius, dann wandte Natalia sich an Holly. „Dr. Ravensdale ist Doktor der Astrophysik, und die Höflichkeit verlangt, ihn mit seinem Titel anzusprechen, wenn er es wünscht.“

Holly drehte sich zu Julius zurück. „Wie wünschen Sie angesprochen zu werden? Mit Sir? Oder Herr Gelehrter? Vielleicht Hoheit?“

Es zuckte um seine Lippen, als müsste er ein Grinsen zurückhalten. „Julius reicht völlig.“

„Wie in Julius Cäsar?“

„Um genau zu sein, ja.“

„Sie begeistern sich für Shakespeare?“ Aus Hollys Mund klang es, als wäre das eine ansteckende Krankheit. Sollte er sie ruhig für ungebildet und gewöhnlich halten. Primitiver Abschaum.

„Ich nicht, aber meine Eltern.“

„Wieso haben Sie mich herkommen lassen?“

„Ich wollte Sie nicht hier haben, nur konnte ich aufgrund der momentanen Situation in diesem Haus nicht ablehnen.“

Holly verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich kann nicht kochen.“

„Man kann alles lernen.“

„Und ich verabscheue Hausarbeit. Es ist purer Sexismus, von einer Frau zu erwarten, dass sie einem ständig hinterherräumt. Nur weil ich Brüste und Eierstöcke und …“

„Verstehe schon“, unterbrach er sie. Holly fragte sich, ob er fürchtete, sie könnte jetzt alle ihre weiblichen Körperteile auflisten. „Wie auch immer … Sie haben eine Auflage von den Behörden erhalten, die Sie erfüllen müssen, und ich brauche Hilfe im Haus, bis es Sophia besser geht. Also, eine klassische Win-win-Situation.“

Holly gab einen abfälligen Laut von sich, ließ die Arme sinken und lenkte den Blick zu der Sozialarbeiterin. „Haben Sie ihn vorher überprüft? Ist der Mann echt?“

„Ich versichere Ihnen, Holly, Dr. Ravensdale ist absolut vertrauenswürdig“, bestätigte Natalia.

Zweifelnd schürzte Holly die Lippen. „Trinken Sie?“

„Bei gesellschaftlichen Anlässen.“

„Rauchen?“

„Nein.“

„Drogen?“

„Nein.“

Sie trieb es genüsslich auf die Spitze. „Sex?“

„Holly“, schaltete Natalia sich ein, „Sie bringen Dr. Ravensdale in Verlegenheit.“

„Nein, durchaus nicht“, wehrte Julius ab. „Aber eine derart impertinente Frage gedenke ich auch nicht zu beantworten.“

Holly hüstelte. „Heißt wohl, Sie haben keinen Sex, was?“

Er starrte sie an, und sein Blick brachte alles in ihr zum Vibrieren. Julius sah nicht aus wie ein Mann, der irgendetwas anbrennen ließ, sondern wie jemand, der sich seine Frauen problemlos aussuchen konnte. Sinnlichkeit umgab ihn wie ein Kraftfeld.

Bilder schossen ihr durch den Kopf, wie es mit ihm sein musste. Kein hektisches Gefummel, kein gieriges Gegrapsche. Nein, langsam, sinnlich, erotisch. Der Mann würde wissen, wie er die Sinne einer Frau in die Stratosphäre katapultieren könnte, daran ließ das selbstsichere Funkeln in seinen Augen keinen Zweifel.

„Da wir gerade beim Thema sind …“, hob er an. „Ich setze voraus, dass Sie in meinem Haus auf Männerbesuch verzichten.“

„Ah, Sie können Sex haben, aber ich nicht?“ Herausfordernd schnurrte sie: „Es sei denn natürlich … wir könnten auch Sex zusammen haben.“

„Ich muss gehen“, unterbrach die Sozialarbeiterin sie, als ihr Handy schon wieder klingelte. „Tja, ich kann nur hoffen, dass Sie sich benehmen, solange Sie hier sind, Holly. Vergessen Sie nicht, dass das hier Ihre letzte Chance ist. Verbocken Sie es, dann wissen Sie, wo Sie landen.“

„Ja, ja“, tat Holly den Einwand der Frau gespielt gelangweilt ab. Sie richtete den Blick auf eines der Bücherregale. Nein, sie wollte nicht inhaftiert werden, aber sie wollte sich auch nicht vom erstbesten Kerl ausnutzen lassen, der meinte, er hätte Macht über sie. Wenn Julius Ravensdale ein Spielzeug für sich suchte, warum dann nicht eines aus der Herde der Reichen und Schönen? Sie war nicht einmal sein Typ. Wie denn auch, mit ihren billigen Kaufhausklamotten, ganz zu schweigen von ihrer Herkunft. Der Herkunft, der sie noch immer zu entkommen versuchte. Der Makel, der an ihr klebte wie Wagenschmiere und sich nicht entfernen ließ. Kein Schrubben, kein Rubbeln, kein Scheuern würde das je von ihr abwaschen können.

Julius Ravensdale entstammte altem Geldadel. Das sah man schon daran, wie er sich kleidete, an seiner selbstbewussten Haltung. An den Gemälden an der Wänden, dem Mobiliar, den kostbaren Teppichen überall. Er hat seine Kindheit nicht in Angstschweiß gebadet verbracht, er hatte nie ums Überleben kämpfen müssen. Ihm war alles auf dem Silbertablett serviert worden. Wieso also hätte er diesem Arrangement zustimmen sollen, wenn er nicht vorhatte, sie irgendwie auszunutzen? Sie biss die Zähne zusammen. Nein, sie würde sich nicht ausnutzen lassen. Falls überhaupt, würde sie ihn ausnutzen!

„Ich werde mich jeden Tag telefonisch nach dem Stand der Dinge erkundigen.“ Die Sozialarbeiterin schüttelte Julius zum Abschied die Hand. „Es ist wirklich sehr großzügig von Ihnen, dass Sie an diesem Programm teilnehmen. Viele haben dadurch wieder Halt gefunden.“

„Ich bin sicher, es wird schon gut gehen“, erwiderte er. „Sophia wird sie unter ihre Fittiche nehmen.“

„Und nochmals danke, dass Sie Ihr Zuhause zur Verfügung stellen.“

„Es ist ein großes Haus.“ Vielleicht nicht groß genug.

Sophia begleitete die Sozialarbeiterin hinaus, und Holly schwang zu Julius herum, sobald sie allein waren.

„Wie viel zahlt man Ihnen dafür, dass Sie mich aufnehmen?“

„Ich habe darum gebeten, es einem Wohltätigkeitsverein zu spenden.“

„Sehr großmütig.“

Die Hände in die Hüften gestemmt, lehnte er sich an die Fensterbank. Eine lässige Pose, die den Tumult, der Hollys Gegenwart von der ersten Sekunde an in ihm ausgelöst hatte, kaschieren sollte. Das Blut rauschte ihm durch die Adern, wie er es seit seiner Teenagerzeit nicht mehr erlebt hatte. Er studierte ihre trotzige Miene, ihre blitzenden karamellbraunen Augen, den vollen roten Kirschmund. Der kleine Strassstecker in ihrem rechten Nasenflügel funkelte bei jeder Bewegung auf. Zarte Sommersprossen sprenkelten ihre hübsche Stupsnase – wie brauner Zucker auf einer Dessertcreme. Aber da hörte es auch schon auf mit den süßen Vergleichen. Alles an ihr strahlte Feindseligkeit und Verbitterung aus, sie war eindeutig auf Krawall gebürstet.

Gleichzeitig strahlte sie eine ursprüngliche, unverfälschte Sinnlichkeit aus, worauf sein Körper ganz spontan reagierte.

Energisch rief er sich zur Ordnung. Es war ja schon peinlich, wenn eine so aggressive Göre seine Aufmerksamkeit erregen konnte.

Ihre Gesichtszüge waren nicht unbedingt klassisch schön, aber irgendwie außergewöhnlich und fesselnd. Aristokratisch hohe Wangenknochen, lange, dichte Wimpern, makellose samtige Haut. Schulterlange Locken in seidig schimmerndem Braun, wenn man von den pinkfarbenen Strähnen absah.

Julius wartete noch immer darauf, dass sie die Verbindung herstellen würde. Es passierte immer, über die Jahre hatte er sich daran gewöhnt. Oh, Sie sind der Sohn von Richard Ravensdale und Elisabetta Albertini, dem berühmten Schauspielerpaar am Londoner Westend? Ob ich über Sie wohl Autogramme bekommen kann? Oder eine Einladung zur Premiere? Plätze in der ersten Reihe? Einen Bühnenpass?

Miss Holly Perez hatte entweder noch nie von seinen Eltern gehört, oder es war ihr absolut schnuppe.

Seltsam, aber er musste zugeben, dass er ihre Burschikosität erfrischend fand. Eine angenehme Abwechslung zu all den Schmeichlern, die seine Nähe nur wegen seiner Beziehung zur Londoner Theaterelite suchten. Frauen, die an seiner Seite auf dem roten Teppich gesehen werden wollten, in der Hoffnung, sie würden einem Agenten auffallen. Es war nett, jemanden zu treffen, dem es nicht gleichgültiger hätte sein können.

Älter als Mitte zwanzig konnte Holly nicht sein, also vielleicht sieben, acht Jahre jünger als er mit seinen dreiunddreißig Jahren, doch das Leben hatte sie hart gemacht. Ihr Blick warnte davor, sich mit ihr anzulegen. Was trieb sie zu diesen kleinkriminellen Vergehen? Er hatte die Liste gesehen – Diebstahl, Vandalismus, Sachbeschädigung, Graffitis.

Sophias Rettungsmission könnte sich als schwieriger erweisen als angenommen. Er hatte zugestimmt, weil er dem Urteil seiner Haushälterin vertraute, aber vielleicht war sie diesmal auf dem Holzweg. Holly war hier hereingeplatzt wie ein Wirbelwind … Ihn nach seinem Sexleben zu fragen, also wirklich!

Nun, ihm sollte es gleich sein, wie viele impertinente Fragen sie stellte, er hatte nicht vor, die Flaute in seinem Liebesleben öffentlich zu machen. Er arbeitete an einer Top-Secret-Software, und er war nicht wie sein Zwillingsbruder Jake, der Sex hatte, als würde er für die Olympiade trainieren. Auch schlug er nicht nach seinem Vater, dem zu Recht der Ruf vorauseilte, ein Don Juan zu sein.

Julius genoss die Gesellschaft von Frauen, Sex machte ihm Spaß. Doch das damit verbundene Taktieren langweilte ihn. Frauen, die mit einer Agenda ins Schlafzimmer kamen, nervten ihn nur. Er würde allein entscheiden, ob und wann er bereit war, eine Familie zu gründen. Manchmal zweifelte er allerdings daran, dass der Zeitpunkt je kommen würde. Da er die turbulente Beziehung seiner Eltern mit Scheidung und erneuter Heirat hatte miterleben müssen, war er sich keineswegs sicher, ob er sich auf ein solches Chaos einlassen wollte.

Und jetzt die Wirkung, die diese Frau auf ihn hatte. Das heiße Ziehen in seinen Lenden war unmissverständlich, auch wenn er sein Bestes gab, es sich nicht anmerken zu lassen.

„Ich weiß genau, warum Sie mich aufgenommen haben“, sagte sie jetzt, als wäre sie sich ihrer Wirkung auf ihn bewusst.

Warum hatte er nicht einfach eine Agentur angerufen und eine Hilfe für Sophia angefordert? Eine mit Referenzen und Manieren. Wieso hatte er sich breitschlagen lassen, ein so aggressives junges Ding wie Holly Perez in sein Haus zu holen? „Sie täuschen sich, Miss Perez. Was Frauen anbetrifft, bin ich doch etwas anspruchsvoller.“

„Aber natürlich sind Sie das.“

Sie erlaubte sich ein provozierendes Lächeln, und prompt spürte er die Reaktion seines Körpers. Plötzlich konnte er nur noch an Sex denken. An heißen, wilden, hemmungslosen Sex. Wie lange war das her? Ganz offenbar zu lange, wenn er schon bei harmlosem Geplänkel auf solche Gedanken kam. Holly Perez war eine Unruhestifterin, es stand ihr auf der Stirn geschrieben, und auf so etwas würde er sich nicht einlassen. Er war nicht Sklave seiner Hormone, war es noch nie gewesen.

Mit der Grazie einer Raubkatze bewegte Holly sich durch sein Büro – geschmeidig, lautlos, kontrolliert. Gefährlich, sollte man sie gegen das Fell streicheln. Dabei hatte sie gar keine Krallen, sie kaute an ihren Fingernägeln. Und als sie den Arm hob, um sich das Haar aus dem Gesicht zu streichen, fiel ihm eine breite Narbe an ihrem Handgelenk auf. „Woher haben Sie die?“ Er zeigte darauf.

Man konnte deutlich sehen, wie die Schotten zuschlugen. „Als Kind habe ich mir den Arm gebrochen.“

Julius erwiderte nichts, beobachtete, wie sie den Ärmel ihres dünnen Pullovers weiter herunterzog und nervös am Saum nestelte. Sie hatte die Brauen zusammengezogen, eine Falte stand auf ihrer Stirn. Es faszinierte ihn, wie rasant sie sich vom verführerischen Vamp zum schmollenden Kind verwandelt hatte.

„Möchten Sie sich die Villa ansehen?“ Eigentlich war er davon ausgegangen, Sophia würde die Führung durchs Haus übernehmen, doch nun würde er es eben selbst machen. Auf diese Weise hatte er Holly im Blick, falls sie etwas in ihrer Tasche verschwinden lassen oder seine Antiquitäten zerkratzen wollte. Himmel, warum nur hatte er dem zugestimmt? „Höre ich da einen leichten britischen Akzent bei Ihnen?“, fragte er, als er sie zu seinem Büro hinausbegleitete.

„Wir zogen nach England, als ich noch ein Kind war. Mein Vater war Argentinier.“

„War?“

„Er starb, da war ich drei. Ich erinnere mich nicht einmal mehr an ihn, Sie brauchen also nicht sentimental zu werden.“

„Lebt Ihre Mutter noch?“

„Nein.“ Sie warf ihm einen Seitenblick zu. „Hat Natalia Ihnen denn nicht meine Akte überlassen?“

Doch, hatte sie. Aber er hatte die Unterlagen nur kurz überflogen. Schließlich hatte er nicht damit gerechnet, persönlich in die Sache hineingezogen zu werden. Außer zu Sophia pflegte er keinen engeren Kontakt zum Personal. Die Leute verrichteten ihre Arbeit, er erledigte seine. Hollys Akte hatte ihn nicht wirklich interessiert. Stand dahinter eine Geschichte? Manche Menschen wurden mit schlechtem Charakter geboren, anderen spielte das Leben übel mit, sodass sie schlecht wurden. Wie mochte das bei Holly gewesen sein?

„Sie hat sich umgebracht, da war ich gerade siebzehn.“

„Tut mir leid.“

Holly zuckte nur mit den Schultern. „Und Ihre Eltern?“

„Beide gesund und wohlauf.“ Und sie trieben ihn schier in den Wahnsinn. Wie üblich.

Holly blieb stehen, um ein Landschaftsgemälde zu betrachten. Miranda, seine kleine Schwester und von Beruf Restauratorin, hatte Julius grünes Licht gegeben, es auf einer Auktion zu erstehen. Noch ein Ravensdale-Sprössling, der zum Leidwesen der Eltern überhaupt nichts mit den Brettern, die die Welt bedeuteten, zu tun haben wollte.

Holly ging weiter, nahm dieses und jenes Teil in die Hand, stellte es wieder ab. Julius hoffte nur, dass sie sich keine Strichliste im Kopf machte, was sie später alles mitgehen lassen wollte.

„Haben Sie Geschwister?“, fragte sie.

Es war komplett neu für Julius, einen Menschen zu treffen, der nichts von seiner Familie wusste. Las sie denn keine Zeitung? Hatte sie keinen Zugang zum Internet? „Einen Zwillingsbruder und eine Schwester, die zehn Jahre jünger ist.“

Sie blieb wieder stehen, sah ihn an. „Eineiige Zwillinge?“

„Ja.“

Ihre Augen begannen schelmisch zu funkeln, Grübchen erschienen in ihren Wangen, als sie grinste. Es veränderte ihr Gesicht völlig. „Spielen Sie auch die typischen Verwechslungsspielchen?“

„Früher, heute nicht mehr.“

„Konnten Ihre Eltern Sie auseinanderhalten?“

„Heute schon, früher hatten sie da Schwierigkeiten.“ Weil sie nie lange genug zu Hause gewesen waren, stets mehr interessiert an ihrer Karriere als an ihren Kindern. Verbittert war er deswegen nicht. Zumindest nicht allzu sehr. „Und Sie? Haben Sie Geschwister?“

„Nein.“ Ihr Lächeln erstarb, die Falte erschien wieder auf ihrer Stirn. „Ich bin Einzelkind.“

Etwas in ihrem Ton verriet unendliche Einsamkeit. Er hätte nie damit gerechnet, Mitgefühl für sie zu empfinden. Julius hatte sehr genaue Vorstellungen von Manieren und gutem Benehmen. Hatte auch strikte Prinzipien. Und eine traurige Kindheit war keine Entschuldigung, um Gesetze zu brechen. Dennoch … etwas an ihr fesselte ihn. Sie war wie Licht und Schatten. Ein kompliziertes Rätsel, für das man Zeit brauchte, um es zu lösen.

Die Rettungsmission seiner Haushälterin könnte vielleicht doch noch interessant werden.

Holly blieb vor einem Fenster stehen, schaute hinaus in den gepflegten Park. „Leben Sie allein hier?“

„Nun, das Personal wohnt auf dem Anwesen, aber sie haben alle ihre eigenen Quartiere. Nur Sophia hat eine Wohnung im Haus.“

Sie wandte ihm das Gesicht zu. „Ziemlich groß für eine Person, oder?“

„Ich schätze meine Privatsphäre.“

„Muss ein Vermögen kosten, das zu unterhalten.“

Autor

Melanie Milburne
<p>Eigentlich hätte Melanie Milburne ja für ein High-School-Examen lernen müssen, doch dann fiel ihr ihr erster Liebesroman in die Hände. Damals – sie war siebzehn – stand für sie fest: Sie würde weiterhin romantische Romane lesen – und einen Mann heiraten, der ebenso attraktiv war wie die Helden der Romances....
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