Wie auf Wolken schweben

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Wild und ungestüm küsst Luke sie. Und der Schutzwall, der Jenneth davor bewahren soll, immer noch brennende Leidenschaft für Luke zu empfinden, bricht in sich zusammen. Acht Jahre lang hat sie Nacht für Nacht an diesen Mann gedacht: an seinen Liebesschwur zur Verlobung, an seinen Betrug und Verrat. Während sie schon von der Hochzeit träumte, hatte er ein anderes Mädchen verführt und dann geheiratet. Soll sie das wirklich vergessen? Was will Luke nach dieser langen Zeit plötzlich von ihr? Braucht der vielbeschäftigte Chirurg nach dem Tod seiner Frau eine neue Mutter für seine kleine Tochter Angelica? Luke spürt, dass Jenneth ihm nicht verzeihen kann. Er entschließt sich, ihr jetzt von der schrecklichen Lüge zu erzählen, mit der er all die Jahre leben musste und die sein und Jenneths Glück zerstört hat. Wird sie dann an seine Liebe glauben und ihm eine zweite Chance geben?


  • Erscheinungstag 08.09.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759261
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Was machst du?“, fragte Jenneth Dalton erstaunt. Sie konnte kaum glauben, was ihre älteste und beste Freundin ihr gerade aufgeregt mitgeteilt hatte.

„Ich heirate“, wiederholte Louise. „Du weißt schon … Eine Hypothek, Kinder und das Ganze.“

Jenneth hielt krampfhaft den Telefonhörer fest. „Aber du hast immer geschworen, du würdest niemals heiraten! Du wolltest unabhängig sein und …“

„Da hatte ich George noch nicht kennengelernt“, sagte Louise reuelos.

Jenneth wurde fast schwindlig. Ihre ehrgeizige, erfolgsorientierte Freundin heiratete – und ausgerechnet einen Mann namens George! Wenn sie sich jemals hätte vorstellen können, dass Louise heiratete, dann hätte Jenneth an einen Mann mit einem viel exotischeren Namen gedacht.

Leise seufzend ignorierte sie, dass ihr Kaffee kalt wurde und sie die Skizzen für das Wandgemälde niemals bis zur Mittagszeit fertigbekommen würde, wenn sie das Gespräch nicht jetzt sofort beendete. „Als wir uns vor zwei Monaten zum Essen getroffen haben, hast du kein Wort davon gesagt.“

„Weil ich George noch nicht gekannt habe“, erwiderte Louise. „Hör zu, Jen, ich möchte, dass du zur Hochzeit kommst. Wir heiraten in drei Wochen zu Hause in der Dorfkirche. George meint, wir können auch ebenso gut mit allem Drum und Dran feiern, da keiner von uns beiden noch einmal die Gelegenheit haben werde. Ich kann es kaum erwarten, ihn dir vorzustellen. Er muss geschäftlich nach Japan, sonst hätte ich vorgeschlagen, dass wir drei uns vor der Hochzeit noch treffen.“

„Ich glaube das alles einfach nicht“, sagte Jenneth schwach.

Louise und sie waren so gut wie zusammen aufgewachsen. Sie hatten im selben Dorf gewohnt, waren zur selben Schule gegangen und hatten später sogar an derselben Universität studiert. Dann war Jenneth mit ihren Eltern und Brüdern in den Norden gezogen und hatte sich ihr kleines Atelier in der Scheune eingerichtet, die zum Haus ihrer Eltern außerhalb von York gehörte, während sich Louise in London einen Job in der Werbebranche gesucht hatte.

Das war vor sieben Jahren gewesen. Inzwischen hatte Louise ihre eigene Agentur. Jenneth hatte sich auf Wandgemälde spezialisiert und war in York und der umliegenden Gegend eine sehr gefragte Künstlerin. Außerdem besaß sie einen fünfzigprozentigen Anteil an einer kleinen Galerie in York. Louise und sie hatten niemals völlig den Kontakt verloren, aber es war unmöglich, sich so oft zu treffen, wie sie es beide gern wollten.

Jenneth’ Eltern waren kurz nach dem Umzug in den Norden bei einem Autounfall umgekommen, und sie hatte die Verantwortung für ihre damals elfjährigen Brüder übernehmen müssen. Manchmal war es wirklich schwer gewesen, doch ihre Eltern hätten gewollt, dass sie zusammenblieben. Dieses Wissen und ihr tief verwurzeltes Pflichtbewusstsein hatten Jenneth geholfen, auch die schlimmsten Zeiten durchzustehen.

Die Zwillinge hatten gerade ihr letztes Schuljahr hinter sich gebracht und waren jetzt zwei große blonde Männer, die Jenneth überragten und ihr gegenüber fast überwältigend beschützerisch waren.

Louise wusste genau, warum ihre Freundin nicht sofort geantwortet hatte. „Versprich mir, dass du kommst, Jenneth. Die Hochzeit ist am Samstag in drei Wochen. Ich brauche dich an dem Tag. Ganz im Ernst …“

Jenneth hatte die Einladung ablehnen wollen, doch jetzt zögerte sie.

Und Louise nutzte ihr Schweigen aus. „Ich habe dir ein Zimmer im ‚Feathers‘ bestellt. Bei uns kann ich dich leider nicht unterbringen, das Haus wird voll von alten Tanten und dergleichen sein. Mom und Dad freuen sich darauf, dich wieder zu sehen …“

„Ich weiß nicht, ob ich es schaffe.“ Jenneth sah aus dem Fenster des Ateliers.

Der Garten war sehr groß und machte mehr Arbeit, als sie bewältigen konnte, doch die Zwillinge und sie liebten ihr Zuhause. Alle drei hatten sie nach dem Unfall nicht ausziehen wollen. Aber wenn die Jungen erst auf der Universität waren … Sie diskutierten seit Weihnachten darüber. Kit und Nick versuchten, ihre Schwester zu überreden, das Haus nicht zu verkaufen. Sie sagte immer wieder, es sei zu groß für sie allein und das Geld aus dem Verkauf sei für beide eine gute Rücklage, wenn sie nach dem Studium in die Welt aufbrechen würden.

Jenneth wurde plötzlich starr vor Anspannung, weil sie so vieles sagen wollte und nicht sagen konnte. Zum einen brachte sie die Worte einfach nicht heraus, zum anderen war es ihr zur Gewohnheit geworden, verschwiegen zu sein. Sie war so ganz anders als Louise, die immer offen aussprach, was sie gerade dachte oder fühlte.

Das tat sie auch jetzt. „Luke wird nicht auf der Hochzeit sein, falls dich das beunruhigt. Er ist beruflich in den Staaten. Bitte komm.“

Jenneth spürte eine vertraute panische Angst. Sie wollte sich ihre Würde bewahren und überlegte, was sie sagen sollte. Entweder sie leugnete, dass wichtig war, was sie gerade erfahren hatte. Oder sie gab ihre Zurückhaltung auf und schnitt das Thema an, das sie vor acht Jahren für tabu erklärt hatte, indem sie es abgelehnt hatte, mit irgendjemand über ihre Gefühle zu sprechen. Besonders mit Lukes Cousine hatte sie nicht reden mögen, auch wenn sie ihre beste Freundin war.

„Bitte, Jenneth …“

Die quälenden Erinnerungen an Luke kehrten zurück und schienen sie zu verspotten, weil sie so feige war. Jenneth atmete tief ein. „Ja, natürlich. Ich komme.“ Was hätte sie gesagt, wenn Luke an der Hochzeit teilgenommen hätte? Wäre sie dann überhaupt eingeladen worden?

Natürlich hätte Louise mich eingeladen, dachte Jenneth, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte. Sie hatte vor ihrer Freundin niemals verbergen können, dass sie sich davor fürchtete, Luke wieder zu sehen, aber Louise wusste nicht, was wirklich passiert war. In den sechs Monaten, die Jenneth mit ihm verlobt gewesen war, hatte Louise im Ausland studiert. Jenneth hatte nur gesagt, Luke und sie hätten beide erkannt, dass die Verlobung ein Fehler gewesen sei, und Louise hatte diese Erklärung akzeptiert.

In der ersten Zeit war Jenneth von Selbsthass verzehrt worden, und sie hatte sich die Schuld am Tod ihrer Eltern gegeben, die auch aus Sorge um sie nach York gezogen waren. Aber mit den Jahren war diese besondere Qual verschwunden. Eine andere Qual würde niemals aufhören. Es hatte zu sehr wehgetan, als Luke ihr gesagt hatte, er habe eine andere, die ein Kind von ihm erwarte. Der Schmerz hatte sich tief in ihre Seele eingebrannt. Sie gab sich ruhig und freundlich, war in Wirklichkeit jedoch ein ganz anderer Mensch. Einige Leute hielten sie für reserviert und behaupteten, sie sehe mit ihrem weizenblonden Haar und den unergründlichen grauen Augen aus wie eine Nordländerin und benehme sich entsprechend kalt.

Tatsächlich hatte sich Jenneth die gelassene Ausstrahlung mühsam anerzogen. Sie war zurückhaltend und beherrscht, und wer sich davon täuschen ließ und wütend darüber war, auf Distanz gehalten zu werden, verurteilte sie als introvertiert und gefühllos. Das Gegenteil stimmte. Sie hatte lernen müssen, ihre wahren Gefühle zu verbergen, um sich vor ihrer eigenen Verletzlichkeit zu schützen.

Hatte sie sich zuerst nur um ihres Stolzes willen verstellt, war ihr die Unnahbarkeit inzwischen zur zweiten Natur geworden, und nur noch Louise und die Zwillinge konnten Jenneth durchschauen.

Im Lauf der Zeit hatte sie gelernt, ihren Kummer zu mäßigen. Erfahrener und älter, sagte sie sich jetzt, dass sie mit einundzwanzig viel zu unreif gewesen sei, die Beziehung zwischen Luke und ihr niemals funktioniert hätte und die Verlobung ohnehin irgendwann gelöst worden wäre.

Noch immer verstand sie jedoch nicht, warum sich Luke überhaupt mit ihr verlobt hatte. Acht Jahre älter als Louise und sie, war er ihr wie ein göttergleiches Wesen vorgekommen.

Als Teenager war Jenneth in Lukes Gegenwart erst schüchtern, später gehemmt und schließlich wie gebannt. Er ging aufs Internat, dann auf die Universität und hielt danach Vorlesungen im Ausland, aber wenn er in den Ferien nach Hause kam, waren er, Louise und sie oft zusammen.

Seine Familie lebte schon seit Generationen im Dorf. Sein Vater war der praktische Arzt im Ort, und Lukes Mutter kümmerte sich aktiv um alle Angelegenheiten des Dorfes, obwohl sie an multipler Sklerose litt. Die weichherzige und bei allen beliebte Frau stimmte der Verlobung ihres Sohnes mit Jenneth freundlich zu. Luke liebte seine Mutter sehr und behandelte sie fürsorglich und rücksichtsvoll. Dem Aussehen nach schlug er nach seinem Vater. Wie dieser war er groß und schlank und hatte dichtes dunkles Haar.

Louise schockierte Jenneth einmal, indem sie ihr erzählte, der Bruder ihrer Mutter, Lukes Vater, habe den Ruf eines Frauenhelden gehabt, bevor er Lukes Mutter kennengelernt und geheiratet habe. Sie war eine reiche Erbin gewesen, und Lukes Vater hatte sie trotz des Widerstands ihrer Familie geheiratet.

Jenneth hatte es immer für eine sehr romantische Geschichte gehalten.

Jetzt war Lukes Mutter schon lange tot. Sie war zehn Monate nach Lukes Heirat gestorben …

Obwohl niemand sie sehen konnte, neigte Jenneth unwillkürlich den Kopf, sodass ihr Haar nach vorn fiel und das Gesicht verbarg. Immer noch reagierte sie beunruhigend heftig, wenn sie daran dachte, wie Luke ihr sachlich und kühl mitgeteilt hatte, er werde eine andere heiraten, die von ihm schwanger sei.

Tausende von jungen Frauen, die glaubten, geliebt zu werden, wurden verlassen und gingen, anders als sie, problemlos eine neue, dauerhafte und weniger zerstörerische Beziehung ein. Jenneth hatte sich oft gescholten, weil sie sich benommen hatte wie eine viktorianische Romanheldin und in das verfallen war, was früher so euphemistisch „Siechtum“ genannt wurde.

Oh, nach außen hin hatte sie alles richtig gemacht. Sie hörte sich Lukes grausame Enthüllungen an und brach nur ein einziges Mal zusammen, als er ihr von dem Baby erzählte. Ungläubig, schockiert und elend vor Qual, ging sie auf ihn zu und streckte die Hände nach ihm aus, aber er wehrte sie ab.

In den folgenden Monaten ließ sich Jenneth nichts anmerken. Sie studierte weiter und gab der feigen Versuchung nicht nach, in den Semesterferien nicht nach Hause zu fahren. Ihren Freundinnen erzählte sie gespielt blasiert von dem Leben, das sie führte, von den Männern, mit denen sie ausging …

Ihre Eltern durchschauten sie jedoch und waren sich wohl darüber im Klaren, wie sehr sie litt und was für eine tiefe Wunde Luke ihrer Weiblichkeit beigebracht hatte. Ihr Vater sagte, er wolle aus Gesundheitsgründen nur noch Teilzeit arbeiten und sie würden nach York ziehen. In der Stadt hatte er seine Kindheit verbracht.

Fast weigerte sich Jenneth, mit ihnen zu gehen. Was zeigte, wie sehr sie Luke liebte. Sie hoffte verzweifelt auf ein Wunder, das ihn ihr zurückbringen würde. Noch immer konnte sie nicht glauben, dass es wirklich vorbei war. Und dann sah sie ihn zusammen mit seiner Frau und dem Kind im Dorf. Er hielt das Baby, während seine Frau mit einem anderen Ehepaar sprach. Jenneth blieb wie angewurzelt stehen, schätzte die Entfernung ab und dachte nur an Flucht. Das Baby hatte wie Luke dunkles Haar. Ein kleines Mädchen, hatte Louise ihr verlegen erzählt. Und die junge Frau war jünger als sie, gut angezogen und wirkte schüchtern. Sie blickte sie an, wusste aber offensichtlich nicht, wer Jenneth war. Und dann nahm sie Luke das Baby ab und sagte: „Komm schon, Liebling. Es wird Zeit, dass wir weitergehen.“

Todunglücklich hatte Jenneth den längeren Nachhauseweg am Fluss entlang genommen, wo sie früher nach der Schule mit all der Unschuld ihrer Jugend von Luke geträumt hatte.

Jetzt, viele Jahre später, fragte sie sich, was wohl geschehen wäre, wenn auch sie damals von Luke schwanger geworden wäre. Unvermittelt schloss sie die Augen. Sie wollte sich nicht daran erinnern, wie leidenschaftlich Luke sie in jenem Sommer geküsst und liebkost hatte. Sie hatte ihn gebeten aufzuhören und ihm zittrig erklärt, er würde ihr erster Liebhaber sein und sie habe Angst.

Er hatte sie deswegen geneckt, doch sie hatte den Eindruck gehabt, dass er erfreut gewesen war, ihr erster Mann zu sein. Wie oft hatte sie sich in den ersten Monaten ohne ihn gefragt, ob alles anders gekommen wäre, wenn sie anders gewesen wäre! Aber wenn er sie wirklich geliebt hätte, dann hätte er die sexuelle Befriedigung, die er bei ihr nicht gefunden hatte, nicht bei dieser Frau gesucht.

Trotzdem hatte sein Verrat ihr Selbstbewusstsein als Frau zerstört, und oft verglich sich Jenneth mit einer seelenlosen Puppe. Liebe, Begehren, all die Gefühle, die das Leben anderer Menschen ausfüllten, waren ihr fremd. Natürlich liebte sie die Zwillinge, und sie war gern mit ihren wenigen guten Freunden zusammen, aber sie hatte durch Lukes Zurückweisung so gelitten, dass sie unfähig war, eine intime Beziehung zu einem Mann einzugehen. Und jetzt heiratete Louise, die immer so emanzipiert gewesen war.

Jenneth wusste, dass die meisten ihrer Bekannten und Freunde glaubten, sie sei unverheiratet, weil sie sich für die Zwillinge verantwortlich fühlte. Es war eine bequeme Ausrede, die sie jedoch nicht mehr haben würde, wenn die Jungen erst auf der Universität waren. Nicht, dass die Männer vor ihrer Tür Schlange standen … Jenneth verzog das Gesicht und dachte an die Männer, die in letzter Zeit mit ihr hatten ausgehen wollen. Colin Ames, der Tierarzt im Dorf, war ein gutherziger, hagerer Mann. Geschieden, suchte er ganz offensichtlich eine Ersatzmutter. Nicht nur für seine drei kleinen Kinder, sondern auch für sich selbst, wie Jenneth argwöhnte. Greg Pilling war fünfunddreißig und galt als Herzensbrecher. Er besaß ein großes Haus am anderen Ende des Dorfes, wohnte jedoch die Woche über in London. Jenneth vermutete, dass er dort mit einer Frau eine Beziehung hatte, die er aus irgendwelchen Gründen geheim halten wollte. Weil sie verheiratet ist? überlegte sie zynisch.

Sie kannte noch zwei oder drei andere nette Männer, die sich zweifellos hervorragend als Ehemann und Vater eigneten, aber sie wollte sich mit keinem einlassen. Was Luke getan hatte, war nicht der Grund, warum sie jeder emotionalen Bindung aus dem Weg ging. Entscheidend war, dass er die Macht gehabt hatte, es zu tun. Die Erinnerung an ihre große Verwundbarkeit hielt sie davon ab, irgendeinen Mann zu nah an sich heranzulassen.

Natürlich war eine intime Beziehung in den ersten Jahren nach dem Tod ihrer Eltern ohnehin unmöglich gewesen. Die Zwillinge hatten sie zu sehr gebraucht. Aber jetzt waren Kit und Nick erwachsen. Und Louise hat mich ungewollt zu dieser Selbstbeobachtung gedrängt, dachte Jenneth sarkastisch und stand auf. Es war zwecklos, jetzt noch zu versuchen, sich auf die Arbeit zu konzentrieren.

Sie wünschte, sie hätte nicht zugesagt, an der Hochzeit teilzunehmen. Luke würde nicht kommen, aber bestimmt würden sich einige Gäste erinnern …

Woran? Daran, dass Luke und sie vor acht Jahren sechs Monate lang verlobt gewesen waren, die Verlobung gelöst worden war und er eine andere geheiratet hatte? Na und?

Manchmal hatte Jenneth den Verdacht, dass Louise mehr sah, als sie zugab, auch wenn sie damals die Erklärung ihrer Freundin für bare Münze genommen hatte.

Es war Louise gewesen, die ihr vor einigen Jahren mitgeteilt hatte, Lukes Frau sei tot. Es hatte als Postskriptum auf einer Geburtstagskarte gestanden. Jenneth hatte eine Woche lang Albträume gehabt, aus denen sie schreiend aufgewacht war. Luke hatte noch immer die Macht gehabt, sie seelisch und körperlich stark zu berühren. Es hatte sie schaudern lassen.

In jenem Jahr versuchte Louise, sie zu überreden, Weihnachten bei ihr zu Hause zu verbringen. Weil die Zwillinge sie inständig baten, die Einladung anzunehmen, gab Jenneth schließlich nach. Als sie ankamen, musste sie feststellen, dass Luke zu Besuch bei seiner Tante und seinem Onkel war.

Luke hatte denselben Beruf gewählt wie sein Vater, der inzwischen in Amerika lebte, und arbeitete als Facharzt in einem großen Lehrkrankenhaus in London. Jenneth hatte nicht gewusst, dass er aus Kalifornien zurückgekehrt war.

Bei seinem Anblick blieb sie wie angewurzelt in der Diele stehen, und die Zwillinge, die hinter ihr gingen, prallten gegen sie. Aber sie hatte sich schnell wieder in der Gewalt und begrüßte Luke mit dem kühlen, distanzierten Lächeln, das sie im Lauf der Zeit perfektioniert hatte.

Er hatte seine Tochter bei sich, eine lebhafte Dreijährige, die ihren Vater innig liebte und ihm so ähnlich sah, dass sich Jenneth fühlte, als hätte ihr jemand ein Messer ins Herz gestoßen.

Aus irgendeinem Grund schloss sich Lukes Tochter an Jenneth und die Zwillinge an. Sie folgte ihnen überallhin, und dass sie wie er grüne Augen hatte und sogar wie er lächelte, machte es noch schlimmer. Mit der gleichen stolzen Verachtung, die Luke ihr gegenüber zeigte, wehrte sich Jenneth gegen die Sehnsucht, auf die Annäherungsversuche des Kindes zu reagieren, es hochzuheben und an sich zu drücken.

Eines Tages war sie allein mit Angelica im Wohnzimmer und widerstand verzweifelt dem sehr deutlichen Wunsch der Dreijährigen nach weiblicher Zuneigung. Luke kam herein und sah, dass sich Jenneth weigerte, sein Kind anzufassen. Offensichtlich war ihm klar, dass sie damit ihn zurückwies. Er nahm seine Tochter hoch und blickte Jenneth grimmig an. Früher hatte er sie liebevoll und verlangend angeblickt … Das hatte sie zumindest geglaubt. Es war natürlich nur eine Illusion gewesen.

Am Abend nach der Ankunft hatten die Zwillinge Jenneth wegen einer vor Kurzem beendeten flüchtigen Beziehung zu einem ihrer Auftraggeber geneckt. Ihr war nicht klar gewesen, dass Luke aus der völlig irrigen Schilderung dieser Beziehung den Schluss gezogen hatte, Christopher Harding und sie seien ein Liebespaar. Als Luke sagte, sie langweile sich doch bestimmt ohne ihren Liebhaber im Haus von Louises Eltern, schaltete Jenneth jedoch sofort und griff seine spitze Bemerkung freudig auf, um ihren Stolz zu stärken. „Es ist ja nur für eine Woche …“, erwiderte sie gespielt gelassen.

„Und so lange hältst du es im Bett auch mal ohne ihn aus?“, fragte Luke höhnisch.

Plötzlich wütend, rächte sich Jenneth unbesonnen. „Christopher und ich sind schon eine ganze Weile zusammen. Er ist oft geschäftlich unterwegs, und dann …“ Und dann komme ich sehr gut ohne ihn zurecht, hatte sie sagen wollen, doch Luke ließ sie nicht ausreden.

„Ersetzt du ihn im Bett durch einen anderen“, brachte er ihren Satz zu Ende. „Wie du dich verändert hast! Und ich habe geglaubt …“ Er sprach nicht weiter, weil die Zwillinge ins Wohnzimmer kamen.

Nach diesem Vorfall gingen sich Jenneth und Luke aus dem Weg. Luke achtete darauf, dass seine kleine Tochter nicht mehr in Jenneth’ Nähe kam.

Jenneth sagte sich, sie sei froh, ihm endlich gezeigt zu haben, dass andere Männer sie begehrenswert finden würden. Froh, ihm klargemacht zu haben, dass sie nichts mit ihm und seinem Kind zu tun haben wolle. Endlich hatte sie mit der alten Jenneth gebrochen, die ihn bis zum Wahnsinn geliebt hatte, auch noch, nachdem er ihr bewiesen hatte, dass er sie ganz bestimmt nicht liebte.

Und das war das letzte Mal gewesen, dass sie ihn gesehen hatte.

2. KAPITEL

Louises Hochzeit rückte näher, und Jenneth bereute immer mehr, zugesagt zu haben. Sie freute sich für ihre Freundin und wünschte ihr und ihrem Mann Glück, und wenn sie nicht gerade in Little Compton heiraten würde, wäre Jenneth frohen Herzens zur Hochzeit gegangen. Sie wollte nicht Leuten begegnen, die sie von früher kannten und wussten, dass sie mit Luke verlobt gewesen war und er dann eine andere geheiratet hatte. Wie Dörfler nun einmal waren, würden sie darauf achten, ob sie einen Trauring trug, und Vermutungen darüber anstellen, warum sie noch nicht verheiratet war.

Bei dem Gedanken an die neugierigen und mitleidigen Blicke schauderte Jenneth, doch sie hatte nicht den Mut, Louise anzurufen und abzusagen. Dabei hatte sie ein halbes Dutzend guter Gründe, nicht nach Little Compton zu fahren. Einer davon lag jetzt vor ihr auf dem Schreibtisch. Jenneth sah stirnrunzelnd die Skizzen für das große Wandgemälde an, das die Kinderstation eines Krankenhauses in York verschönern sollte.

An den Auftrag war sie durch eine ihrer Kundinnen gekommen, die Geld für die Station gesammelt hatte, deren Einrichtung völlig veraltet und fast unbrauchbar gewesen war. Ein reicher Geschäftsmann aus der Gegend hatte so großzügig gespendet, dass die Abteilung jetzt mit modernen technischen Geräten ausgestattet und sogar noch Geld übrig geblieben war. Jenneth’ ehemalige Kundin und Vorsitzende des Wohltätigkeitskomitees hatte daraufhin energisch erklärt, jetzt würden sie auch noch etwas gegen die tristen, mit Emulsionsfarbe gestrichenen Wände tun. Sie hatte sich an Jenneth gewandt, die den Auftrag begeistert angenommen und gesagt hatte, sie werde deutlich weniger als ihren normalen Preis berechnen. Dafür ließ ihr die Vorsitzende beim Entwurf völlig freie Hand.

Das Problem war, Motive auszuwählen, mit denen sie das Interesse von Kindern wecken konnte, die schrecklich litten und in ganz verschiedenem Alter waren.

Aber anstatt sich auf die Arbeit zu konzentrieren, machte sich Jenneth Gedanken über Louises Hochzeit, und so blickte sie noch immer stirnrunzelnd die Skizzen an, als die Ateliertür aufging und Kit hereinkam.

Er und sein Zwillingsbruder hatten das Abitur hinter sich und konnten jetzt die langen Sommerferien genießen, die gerade angefangen hatten. Mit jedem Tag wurde sich Jenneth von Neuem bewusst, dass Kit und Nick jetzt erwachsen waren. Zweifellos waren beide reif und ausgeglichen. Es sich als Verdienst anzurechnen, lehnte Jenneth jedoch bescheiden ab. Sie schrieb es ihren Eltern zu, die bis zu ihrem Tod dafür gesorgt hatten, dass alle drei Kinder in stabilen, liebevollen Verhältnissen aufwuchsen.

„Leihst du mir dein Auto?“, fragte Kit. „Ich spiele heute Nachmittag bei Chris Harding Tennis, und Nick hat unseres genommen.“

Jenneth hatte den beiden zum achtzehnten Geburtstag einen ziemlich zerbeulten, aber verkehrssicheren Kleinwagen geschenkt, der in den vergangenen sechs Monaten hervorragende Dienste geleistet hatte. Obwohl sie Zwillinge waren, hatten die Jungen jedoch verschiedene Freundeskreise und Hobbys. Bis jetzt hatte Jenneth die Winke mit dem Zaunpfahl ignoriert, ein weiteres Auto zu kaufen. Durch die Versicherungspolicen hatten sie ein Dach über dem Kopf und ein kleines Einkommen, das allerdings nicht für Luxusgegenstände reichte. Die musste Jenneth mit dem Geld bezahlen, das ihre Aufträge einbrachten. Kit und Nick waren sich dessen sehr wohl bewusst und winkten ihr gut gelaunt mit dem Zaunpfahl, ohne zu fordern oder sie unter Druck zu setzen.

Da sie beide vernünftige Fahrer waren, hatte Jenneth keine Bedenken, ihnen ihr Auto zu leihen, wenn sie es nicht brauchte. Dieses eine Mal schüttelte sie jedoch den Kopf. „Ich muss einige Bilder in die Galerie bringen, und ich habe Eleanor versprochen, es heute Nachmittag zu machen. Wenn du willst, setze ich dich unterwegs ab.“

„Nur wenn du mich fahren lässt“, sagte Kit breit lächelnd. Er und sein Bruder scherzten immer, Jenneth sei als Autofahrerin unberechenbar.

Es stimmte, dass sie dazu neigte, mit offenen Augen zu träumen, wenn sie von ihrer Arbeit voll in Anspruch genommen war. Einmal war sie so in Gedanken gewesen, dass sie auf dem schmalen Weg vom Haus zur Straße plötzlich einen Schlenker gemacht hatte und in den Graben gefahren war. Ihr nächster Nachbar, ein Farmer, hatte den robusten Kombi mit seinem Traktor zurück auf den Weg gezogen.

Kit und Nick spürten, dass es ihrer Schwester widerstrebte, Louises Hochzeit zu besuchen, und ihnen war auch bewusst, dass sie sich sofort in sich selbst zurückzog, wenn Little Compton und seine Bewohner zur Sprache kamen.

Beide liebten Jenneth zu sehr, um sie mit Fragen zu bedrängen, aber sie waren neugierig. Nick hatte gewettet, dass sie noch absagen würde. Kit hatte darauf gesetzt, dass sie an der Hochzeit teilnehmen würde. Jetzt wollte er auf der Fahrt zum Haus seines Freundes dafür sorgen, dass er die Wette gewann.

Erst vor Kurzem hatten die Zwillinge die Köpfe zusammengesteckt und waren zu dem Schluss gekommen, dass sie sich um die Zukunft ihrer Schwester kümmern sollten, bevor sie zum Studium fortgingen.

„Sie muss heiraten“, sagte Kit.

Nick zog die Augenbrauen hoch. „Chauvinist!“

„So meine ich das nicht“, erklärte Kit. „Sicher, finanziell kann sie für sich sorgen. Schließlich hat sie lange genug für uns gesorgt. Aber hast du nicht auch manchmal den Eindruck, dass ihr irgendetwas fehlt? Sie braucht einen Ehemann und Kinder.“

Autor

Penny Jordan
<p>Am 31. Dezember 2011 starb unsere Erfolgsautorin Penny Jordan nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Penny Jordan galt als eine der größten Romance Autorinnen weltweit. Insgesamt verkaufte sie über 100 Millionen Bücher in über 25 Sprachen, die auf den Bestsellerlisten der Länder regelmäßig vertreten waren. 2011 wurde sie...
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