Zurück in den Armen des Prinzen?

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Sein letzter heißer One-Night-Stand hat ungeahnte Folgen für Playboy-Prinz Adrastos. Als kompromittierende Fotos von Anwältin Poppy und ihm auftauchen, droht ein Skandal! Um Poppys und seinen Ruf zu retten, muss er so tun, als hätte er schon lange eine heimliche Beziehung mit ihr – baldige Trennung selbstverständlich inklusive. Ein gewagtes Spiel! Denn jetzt sollen Poppy und er die gesamten Weihnachtsfeiertage gemeinsam im Palast verbringen. Wider alle Vernunft kann er seinem Verlangen, sie erneut zu verführen, nicht widerstehen …


  • Erscheinungstag 26.11.2024
  • Bandnummer 2676
  • ISBN / Artikelnummer 0800242676
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

Zum zehnten Mal feierten sie ihren Geburtstag zusammen. Seit zehn Jahren waren sie beste Freundinnen, und obwohl Poppy Henderson viel verloren hatte, war sie für den mit Gästen gefüllten Raum dankbar. Was wäre aus ihr ohne Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Eleanor Aetos und die königliche Familie geworden?

Nach dem Tod ihrer Eltern hatte Poppy geglaubt, diese Art von tiefer Zufriedenheit nie wieder empfinden zu können; die Liebe einer Familie, ein solches Zugehörigkeitsgefühl nie wiederfinden zu können. Doch die engsten Freunde ihrer Eltern, der König und die Königin von Stomland, hatten Poppy wie eine Tochter bei sich aufgenommen – und das, obwohl sie selbst um ihren verstorbenen ältesten Sohn trauerten. Ihre Liebe half Poppy, ihren Schicksalsschlag zu überwinden. Sie war dem König und der Königin so dankbar, dass sie alles für sie getan hätte.

Eleanor, die Tochter des Königspaares, war Poppy sofort wie eine Schwester gewesen, während der Sohn Adrastos … nun, das war etwas schwieriger zu definieren. Bis zu ihrem einundzwanzigsten Lebensjahr hatte sie ihn als eine Art Bruder betrachtet, der, fünf Jahre älter, etwas zu ernst war und sich gern überlegen gab. Doch er war nett zu ihr gewesen und hatte ihr nie das Gefühl vermittelt, dass er sich an ihrer Aufnahme in der Familie störte.

Poppy ließ den Blick durch den Raum schweifen und entdeckte Adrastos so schnell wie jedes Mal. Das Herz begann ihr zu trommeln, und ihr krampfte sich der Magen zusammen. Seit Ellie und Poppy vor drei Jahre ihren einundzwanzigsten Geburtstag gefeiert hatten, war zwischen ihr und Adrastos kaum mehr als ein Wort gefallen. Bilder, an die sie lieber nicht denken wollte, trieben ihr die Röte ins Gesicht; Erinnerungen an das Gefühlschaos, das entstanden war, als er, der ihr fast wie ein Bruder war, sie in die Arme genommen und geküsst hatte, bis sie ihn als Mann wahrnahm – als einen Mann, den sie mit ihrem ganzen Sein begehrte.

Wenn sie jenen erregenden, verwirrenden Moment doch nur vergessen könnte. Die Art, wie er sie mit beiden Händen an seinen harten Körper gedrückt hatte; seine fordernden Blicke, bevor er den Kopf senkte und seine Lippen auf ihre presste. Verlangen war Poppy durch die Adern gerauscht, und sie hatte endlich verstanden, was Begierde war. Sie hatte sich in dem Gefühl verloren, bis die Sekunden sich zu einer Ewigkeit dehnten und die Zeit stillzustehen schien. Adrastos küsste sie, und Poppy hätte fast vergessen, wer und wo sie war, bis ein Geräusch sie erschreckte und sie auseinanderfuhren. Sie waren beide schockiert und hatten sich angestarrt, konnten nicht verstehen, was sie überkommen hatte.

„Das hätte nicht passieren sollen. Bitte verzeih mir.“

Seine Entschuldigung überraschte sie, denn Adrastos unterliefen keine Fauxpas. Er machte nie Fehler, wie selbst die Medien bestätigten: Die Zeitungen bejubelten ständig Adrastos’ große Taten. War der Kuss ein Fehler gewesen? Die Realität brach schnell über Poppy herein, und sie wurde sich ihrer Situation bewusst, der Tatsache, dass sie seit dem Tod von Poppys Eltern fast wie Geschwister miteinander aufgewachsen waren. Aber sie waren keine Geschwister, hatte sie sich schnell getröstet.

Jetzt starrte Poppy wie eine Verhungernde vor einem Büfett zu Adrastos hinüber, der glücklicherweise zu abgelenkt war, um es zu bemerken.

Während Eleanor die blonden Haare und die schlanke Figur ihrer Mutter hatte, sah Adrastos wie seine Kriegervorfahren aus dem Altertum aus. Seine breiten Schultern und muskulösen Arme verdankte er dem Sport, besonders Autorennen und dem Rudern. Poppy erinnerte sich, wie er stets früh aufgestanden war und mit seiner Mannschaft auf dem Mittelmeer trainiert hatte, bis er schweißgebadet gewesen war. Nach Meerwasser und Macht riechend kehrte er danach wieder in den Palast zurück.

In den Tagen nach dem Kuss wurde unmissverständlich deutlich, dass Adrastos nicht mehr daran dachte. Er vergnügte sich wie üblich, wurde von den Zeitungen mit einer schönen deutschen Schauspielerin fotografiert, eine Woche später mit einem spanischen Model und sechs Wochen danach mit einer berühmten Schweizer Sportlerin. Adrastos war überzeugter Junggeselle und machte mit seinem Leben einfach wie vor dem Kuss weiter. Warum also konnte Poppy ihn nicht vergessen? Warum konnte sie nicht einfach mit einem anderen Mann ausgehen und versuchen, das Feuerwerk, das Adrastos’ Kuss in ihr ausgelöst hatte, bei einem anderen Mann zu finden?

Adrastos, der sich gerade mit einem seiner Cousins unterhielt, wandte sich zur Seite und sah zu Poppy hinüber, als wüsste er genau, wo sie stand, fast als …

Sie verbat sich den Gedanken. Er beobachtete sie ganz bestimmt nicht.

Als ihre Blicke sich trafen, spürte sie dasselbe Knistern wie vor drei Jahren, eine wilde, unbeherrschbare Elektrizität, die sie vorher nie gekannt hatte und die seit jenem Abend still und unerforscht in ihr ruhte. Es war nicht ihre bewusste Entscheidung gewesen, Jungfrau zu bleiben. Vor dem Kuss hatte Poppy sich als Studentin darum bemüht, in die akademischen Fußstapfen ihrer Eltern zu treten und dem Königspaar einen Grund zu geben, stolz auf sie zu sein. Und danach? Allein schon beim Gedanken an einen anderen Mann wurde ihr Körper wie zu Eis. Es war ihr leichtgefallen, mit niemandem auszugehen, nicht zu flirten, niemanden zu begehren. Doch jetzt, als Vierundzwanzigjährige im selben Raum mit Adrastos, glühte ihr Körper stärker als alle Sonnen des Universums.

Vielleicht lag ihr Zögern, was die Männer anging, auch an dem grässlichen letzten Date, zu dem sie sich gewagt hatte. Vor einem Monat hatte Eleanor sie dem Freund eines Freundes vorgestellt. Er war nett gewesen, und Poppy hatte seine Gesellschaft genossen. Doch als er sie zum Abschied küssen wollte, wurde ihr so schlecht, dass sie wusste, sie würde sich übergeben müssen, falls seine Lippen sie berührten. Zu Tode beschämt wich sie ihm aus, entschuldigte sich und verschwand schnell in ihrem denkmalgeschützten Reihenhäuschen. Sie hatte dagesessen, sich wie eine Verliererin gefühlt und sich gefragt, was um alles in der Welt mit ihr los war.

Wie ein Magnet zog Adrastos ihre Aufmerksamkeit jetzt wieder auf sich, und prompt fühlte Poppy sich von ihrem zielstrebigen, unerbittlichen Verlangen, zu verstehen, was vor drei Jahren zwischen ihnen vorgefallen war, wie besessen. Sie wollte begreifen, warum nur er und kein anderer sie mit solcher Sehnsucht erfüllte. Hatte sie einfach keine starke Libido? Vielleicht hatte sie ihre Reaktion auf Adrastos auch einfach falsch interpretiert. Oder würde sie immer noch dasselbe fühlen, wenn sie sich wieder küssen würden …?

Poppy nahm sich ein Glas Champagner von einem Tablett, trank drei große Schlucke und schlenderte mit dem Glas auf Adrastos zu. Das Herz hämmerte ihr so hart in der Brust, als wollte es ihr aus der Kehle springen.

Aber gewiss kam ihr die Idee zu spät; es war schließlich drei Jahre her. Mit wie vielen Frauen war er wohl seitdem zusammen gewesen? Erinnerte er sich überhaupt noch daran?

Gerade als sie sich die Frage stellte, drehte Adrastos sich um, ihre Blicke trafen sich, und die Welt blieb stehen. Plötzlich war Poppys Mund wie ausgetrocknet. Beflügelt von genau der richtigen Menge Champagner, der Tatsache, dass es ihr Geburtstag war und sie heute ein Stellenangebot in den Niederlanden angenommen hatte, das sie aus Stomland wegführen und ihr einen neuen Anfang ermöglichen würde, bewegte sie sich unbeirrt auf Adrastos zu.

Sie musste es einfach wissen, musste es verstehen … sich wieder lebendig fühlen … Ihr stockte der Atem, und als sie ihn ansprach, wäre sie fast über ihre Worte gestolpert.

„Hätten Sie einen Moment Zeit, Eure Königliche Hoheit?“ Obwohl sie quasi miteinander aufgewachsen waren, wurden noch gewisse Förmlichkeiten wie die Anrede gewahrt, wenn sie sich in Gegenwart anderer befanden.

Fast unmerklich verengte Adrastos die Augen, und der Gedanke, dass er Nein sagen könnte, machte Poppy nervös. Besorgt wartete sie auf seine Antwort. Doch dann neigte er den Kopf.

„Was ist denn?“ Er entfernte sich einen Schritt von der Gruppe, mit der er sich unterhalten hatte.

Poppy umklammerte ihr Champagnerglas so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Adrastos sah ungemein gut aus; er war ihr so vertraut und gleichzeitig ganz fremd. Vor Aufregung spürte sie jede Faser ihres Körpers prickeln.

„Können wir nicht irgendwo ungestört reden?“

Außer dass er einmal schluckte, zeigte er keine Reaktion auf ihre Frage. Schließlich nickte er. „Auf dem Balkon. Hast du was zum Überziehen?“

Poppy warf einen Blick an den dicht gedrängten Gästen vorbei zu der improvisierten Garderobe auf der anderen Seite des Penthouses und winkte ab.

„Du kannst meine Jacke nehmen“, sagte er, und als Poppy seinen Blick auffing, musste sie sich die Fingernägel in die Hand krallen, um bei ihrem Entschluss zu bleiben.

„Die brauche ich nicht, es dauert nicht lange.“ Doch noch während sie das sagte, war ihr, als hätte sie die Tür in eine Welt voller Möglichkeiten aufgestoßen, die sie noch nie zuvor in Betracht gezogen hatte. Wie albern. Es musste am Champagner und ihrer Neugier liegen, an den Fantasien, die der Kuss damals ausgelöst hatte, durch den Adrastos ihr einen kurzen Blick auf das gewährt hatte, was Sinnlichkeit sein konnte.

Sie berührten sich nicht, aber auf dem Weg durch den Raum spürte Poppy Adrastos’ Nähe wie eine Liebkosung am ganzen Leib. Als ihr klar wurde, dass sie zum ersten Mal seit Jahren mit ihm allein sein würde, lief ihr ein Schauer der Aufregung über den Rücken.

Es war unmöglich, neben Adrastos herzugehen und nicht zu bemerken, wie die Leute ihn beobachteten. Die Frauen begutachteten ihn, die Männer sahen ihm mit Respekt hinterher. Poppy kamen immer mehr Bedenken. Sie musste dies so schnell wie möglich hinter sich bringen.

An der Tür zum Balkon blieb er abrupt stehen und sah sie mit einer Miene an, die sich nicht anders als zweifelnd beschreiben ließ. Er musterte sie fast, als hätte er sie noch nie gesehen, als wollte er sie fragen: Bist du sicher?

Als Antwort auf seine unausgesprochene Frage hob Poppy das Kinn und hielt seinem Blick mit einer Unnachgiebigkeit stand, die sie gar nicht empfand.

Im nächsten Moment öffnete ihr der Kronprinz die Tür, und eine eiskalte Windbö wehte ihnen entgegen. Als sie auf den Balkon hinaustraten und die Tür zumachten, verstummten die Partygeräusche.

Poppy liebte Stomland.

Sie war nach dem Tod ihrer Eltern als Vierzehnjährige mit gebrochenem Herzen hergekommen. Doch bald erkannte sie in den Mitgliedern der Königsfamilie verwandte Seelen, vor allem auch, weil sie sich in einer ähnlichen Situation befanden und ebenfalls trauerten, da sie erst Monate zuvor ihren ältesten Sohn verloren hatten. Im Laufe der Jahre hatten sie Poppy immer wieder versichert, wie sehr es ihnen geholfen und alle enger zusammengebracht hatte, dass sie Teil ihrer Familie geworden war. Poppy ging es genauso.

„Und, Poppy?“

Adrastos sprach die Worte so kühl aus, dass sie fast zurückgewichen wäre. Im Gegensatz zu Ellie und ihr, die beste Freundinnen waren und sich so eng verbunden wie Schwestern fühlten, hatten Poppy und Adrastos sich vor dem Kuss nicht nahegestanden. Er war immer auf Abstand geblieben, hatte stets viel zu tun, war wichtig, trug sich mit Verantwortung und Sorgen. Aber sie waren freundlich miteinander umgegangen, und er war ihr gegenüber genauso beschützend wie zu Ellie gewesen. Poppy hatte ehrfürchtig zu ihm aufgesehen, sich von seiner überwältigenden Stärke und Männlichkeit eingeschüchtert gefühlt. Doch nie war sie so unbeholfen wie jetzt gewesen, da sie sich seiner Männlichkeit mit ihrem ganzen Wesen bewusst war.

Jetzt, da sie allein waren, schien Poppy ihre Fragen nicht über die Lippen bringen zu können.

Sie nahm in der sich ausbreitenden Stille alles wahr: Adrastos’ Atemzüge, den Geruch des Meers, ferne Verkehrsgeräusche, sein Aftershave, die kühle Nachtluft, die schon vom kurz bevorstehenden Weihnachten sprach. Erstmals seit dem Kuss, dessen Nachhall noch immer über ihre Haut tanzte, waren sie wieder allein, standen dicht beieinander. Dachte auch er daran?

„Poppy?“ Auf seinen scharfen Tonfall hin zuckte ihr Blick zu seinen Augen hoch, und ihr Herz begann zu rasen. „Was wolltest du von mir?“ Komisch, dass er es so formulierte und nicht „Worüber wolltest du mit mir reden?“ sagte. Es klang provokativ. Sie schloss die Augen, trank noch einen Schluck und spürte den Champagner in ihrem Bauch prickeln.

„Ich bin –“ Sie sah Adrastos an und war verloren. Alles, was sie und er vor ihrem einundzwanzigsten Geburtstag gewesen waren und was seitdem geschehen war, schien auf einmal keine Rolle mehr zu spielen. Die Sterne funkelten über ihnen, als wollten sie Poppy ihren Segen oder zumindest eine Dosis Mut geben. Vielleicht war es eine zu wilde Idee, die sie bereuen würde. Aber an diesem Abend war Poppy von einem Bedürfnis erfüllt, das nur Adrastos stillen konnte. An die Konsequenzen wollte sie nicht denken.

Jener Kuss vor drei Jahren war kurz gewesen, ein paar blitzartige Sekunden, an die sie immer wieder dachte. Eine Erinnerung, die sie auffrischen wollte.

Ein heimlicher, verbotener Kuss von ihm, nur an diesem Abend …

Die Zeit schien stehen zu bleiben. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe, spürte, wie ausgetrocknet ihr Mund war. Die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Adrastos senkte den Blick auf ihren Mund, und das Herz pochte ihr so schnell, dass sie fürchtete, er könnte es hören. Jetzt oder nie.

„Ich will von dir“, sagte sie langsam, aber bestimmt, eine Herausforderung in jeder einzelnen Silbe, „dass du mich küsst.“ Sie schmiegte sich an ihn. „Aber ich will, dass du diesmal nicht aufhörst“, murmelte sie.

Adrastos war, als legten sich ihm die Benimmregeln seiner Welt wie Eisenbänder um die Brust. Plötzlich konnte er weder atmen noch denken, sah nichts mehr außer dieser jungen Frau, diesem verwirrenden, verführerisch schönen Wesen. Wann war sie zur Frau geworden? Zuerst war sie nur ein Teenager wie seine Schwester gewesen, albern, hatte ständig mit Ellie gekichert und flüsternd Geheimnisse ausgetauscht. Er hatte sie beide mit liebevoller Nachsicht behandelt und Poppy nie als Frau angesehen. Bis sie ihren einundzwanzigsten Geburtstag gefeiert und er das auf dem Palastgelände errichtete Partyzelt betreten und … nicht einfach nur eine Frau, sondern eine Göttin vor sich gesehen hatte. Umwerfend schön, unberührbar, vollkommen verwandelt. Plötzlich sah er alles, was er über Poppy wusste, in einem anderen Licht und wollte sie wirklich kennenlernen, über Worte hinaus. Er wollte sie auf eine Art kennenlernen, die er selbst nicht ganz verstand. Adrastos hatte Erfahrung mit Frauen, doch noch nie hatte er einen anderen Menschen so gewollt wie Poppy. Es ging weit über Sex hinaus. Er sah sie und wollte sie auf einer ganz elementaren Ebene zu der Seinen machen.

Sein Drang, sie zu besitzen, hatte ihm Angst gemacht. An jenem Abend war er ihr aus dem Weg gegangen, um diese unerwünschten Gefühle zu bändigen; und es war ihm auch fast gelungen. Aber dann war sie in ein Gespräch mit seiner Mutter vertieft an ihm vorbeigegangen, und er war ihrem Charme erlegen. Ihr süßer sinnlicher Duft hatte ihn verzaubert, und als er sie im Rosengarten allein antraf, wusste er, dass er diesen Kampf gegen sich selbst nicht gewinnen konnte.

Hätte ein Kellner nicht in der Nähe ein Glas fallen gelassen und Adrastos damit wieder zu Sinnen gebracht, hätte er Poppy direkt dort zwischen den Rosen verführt.

Doch das war drei Jahre her. Er war vor dem Abend, an dem er die für ihn typische Selbstbeherrschung verloren und eine Frau geküsst hatte, die ihm wie eine Schwester hätte sein sollen, davongelaufen. Er hatte kein Recht, Poppy zu begehren. Kein Recht, sie zu küssen. Jede andere Frau wäre besser, dachte er und verzog das Gesicht. Adrastos bemühte sich nicht, seinen Lebensstil vor der Presse geheim zu halten, im Gegenteil, er genoss seinen Ruf.

Seit Nicholas gestorben war und Adrastos als „Der perfekte Prinz“ gefeiert wurde, fühlte er sich zumindest in einem Bereich seines Lebens nicht wie ein hinterlistiger Thronräuber. An seinen Charakterzügen, an seinem angeborenen Führungstalent, das ihn zu einem vorzüglichen Prinzen machte, konnte er nichts ändern. An der Tatsache, dass Nicholas in vieler Hinsicht ungeeignet für das Leben gewesen war, in das er hineingeboren wurde, konnte er auch nichts ändern. Sein Bruder war in sich gekehrt, intellektuell, furchtsam und schüchtern gewesen. Jeder öffentliche Auftritt war eine Tortur für ihn gewesen, während Adrastos so wenig auf die Meinung anderer Leute gab, dass ihn die Termine überhaupt nicht störten.

Aber er hasste die ständigen Vergleiche.

Er hasste, wie sein Aufstieg zum Thronerben manchmal geradezu gefeiert wurde, obwohl es nur durch den Tod seines geliebten Bruders dazu gekommen war.

Kein Wunder, dass er im einzigen Bereich seines Lebens, der sich der Kontrolle anderer entzog, rebellierte. Seine Eltern wollten unbedingt, dass er heiratete und Erben in die Welt setzte, aber Adrastos genoss es, allen zu zeigen, wie falsch sie ihn einschätzten. Er war nicht „Der perfekte Prinz“. Nicht so perfekt wie Nicholas, denn wenn Nicholas nicht gestorben wäre, wäre er mit Sicherheit inzwischen verheiratet gewesen.

Poppy stieß ein leises Geräusch aus, ein heiseres Ausatmen, und wich leicht zurück. Adrastos hämmerte der Puls in den Ohren, und er wusste, dass ihm nur noch Sekunden blieben, um zu handeln – oder nicht zu handeln, was wesentlich klüger wäre.

In jener Nacht hatte er sie geküsst, weil er sie begehrte. Er hatte so getan, als wäre sie genau wie die Frauen, die ihm in Bars oder auf Partys über den Weg liefen. Aber dies war Poppy, die auf so vielschichtige, komplizierte Weise mit ihm verbunden war. Für seine Eltern war sie wie eine Tochter. Außer seiner Familie hatte sie niemanden auf der Welt. Er konnte nicht mit ihr ins Bett gehen und sie danach einfach wieder vergessen. Es war verfahren und aussichtslos, und Adrastos wollte keine Schwierigkeiten.

Allerdings wurde er allein schon bei dem Gedanken, sie zu küssen, hart. Sein überwältigendes Verlangen nach Poppy machte seine Position als Prinz nur noch erdrückender.

„Hör mal, Poppy …“

Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. „Ich will nichts hören“, murmelte sie. „Ich will hierüber absolut nicht reden. Seit drei Jahren frage ich mich, was da zwischen uns passiert ist und warum du aufgehört hast. Warum wir uns plötzlich geküsst haben und dann nicht mehr. Aber ich habe Zeit gehabt, über den Kuss nachzudenken, und mir hat es gefallen, dich zu küssen. Deshalb will ich, dass du mich küsst. Noch mal.“

„Ohne aufzuhören“, knurrte er, und obwohl er wusste, dass dies eine äußerst schlechte Idee war, dass alles viel komplizierter war, als sie dachte, legte er ihr eine Hand auf die Hüfte. Plötzlich standen sie eng an eng.

„Ohne aufzuhören.“ Sie nickte. Ihr Gesicht war dicht vor seinem, und sie schaute ihm so tief in die Augen, dass er das Gefühl hatte, er würde vom Balkon fallen, wenn sie ihn noch länger so ansähe.

„An dem Abend aufzuhören war das Richtige gewesen“, sagte er, als könnten ihn diese Worte retten.

„War es das? Wieso?“ Ihre so eindringlich gestellte Frage erinnerte ihn daran, wie beeindruckend intelligent sie war. Das war ihm gleich zu Anfang aufgefallen, als sie in Stomland als verzweifelte Waise eingetroffen war und er sie am liebsten vor allem Leid dieser Welt beschützt hätte. Doch selbst in ihrer Trauer war sie wissbegierig und unerschrocken neugierig gewesen.

Er presste die Lippen zusammen und seufzte laut. „Weil du für mich wie eine Schwester bist.“

Sie schnaubte ungläubig, was er leider unwiderstehlich fand. „Wirklich? Wie eine Schwester?“

Nein, eigentlich nicht. Er seufzte wieder. „Poppy –“

„Sag mir, dass du mich nicht küssen willst“, forderte sie ihn heraus, und er war dankbar, dass es auf dem Balkon dunkel war und sie den Teil seines Körpers nicht sehen konnte, der verriet, wie sehr er sie wollte. Doch dann geriet Poppy ins Schwanken – ob mit Absicht oder aus Versehen, wusste er nicht – und streifte das verräterische Körperteil. Ihre Augen wurden groß, und sie stieß leise den Atem aus. Adrastos konnte sich nicht länger gegen seine Gefühle wehren.

„Es ist ein Fehler“, sagte er stöhnend, war sich aber nicht sicher, ob sie es überhaupt hörte, denn seine Worte wurden von einem Kuss verschlungen, den sie ihm voller Verlangen gab. Dagegen anzukämpfen war zwecklos. Verdammt, es war ein Fehler, aber das war der Kuss an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag ja auch schon gewesen. Er würde morgen einfach mit den Konsequenzen leben müssen, und bis dahin würde er jede verdammte Sekunde genießen.

2. KAPITEL

Adrastos’ erster Kuss hatte Poppys Welt in ihren Grundfesten erschüttert, aber diesmal war es anders. Ganz anders. Jetzt erkannte sie, dass der erste Kuss keusch gewesen war, wenn das Wort den Moment richtig beschrieb, in dem Poppy ihr Verlangen und ihre Bedürfnisse als Frau verstanden hatte. Aber heute war es anders.

Es war wild, ehrlich, instinktiv. Adrastos legte ihr eine Hand auf den Rücken und zog sie an sich. Sein Mund eroberte ihren, verzweifelt und hungrig, er zwang ihre Lippen auseinander und stieß seine Zunge in ihren Mund, als wollte er jeden Millimeter von ihr schmecken. Poppy fühlte sich so überwältigt, dass sie leise aufstöhnte, denn es war, als ertränke sie. Sie umfasste seinen Kopf, schob ihre Finger in seine Haare, stöhnte wieder; ein Laut, den der Kuss verschlang.

Begierde durchströmte sie, und sie hörte das Meer nicht mehr, sah nicht mehr die Sterne, fühlte nur noch, wie hart ihre Nippel am Stoff ihres Spitzen-BHs rieben, und die Hitze zwischen ihren Beinen; wollte, brauchte mehr.

Wenn dieser Kuss doch niemals enden würde. Poppy wusste, dass sie sich beide Schwierigkeiten einhandeln würden, aber Adrastos’ Leidenschaft war berauschend, und sie war wie trunken davon. Rationales Denken war unmöglich.

Auf Zehenspitzen drängte sie sich an ihn, spürte seinen muskulösen Brustkorb an ihrem Busen und wäre fast zusammengeschreckt, als sie seine Erregung hart an ihrem Bauch fühlte, so aufrüttelnd und real; der Beweis, dass Adrastos von ebenso großem Verlangen wie sie erfüllt war.

Irgendetwas drang durch den Nebel der Lust zu Poppy und anscheinend auch zu Adrastos hindurch. Sie fuhren mit den Köpfen auseinander, starrten sich keuchend an. Stirnrunzelnd sah Adrastos sich um.

Es blitzte. Zog ein Gewitter auf? Es roch nach Salz und Donner; für morgen war ein Sturm angekündigt.

Poppy war auch wieder zu sich gekommen, obwohl sie am liebsten für immer so weitergemacht hätte. Nicht schon wieder! dachte sie. Letztes Mal hatten sie wegen eines plötzlichen Geräuschs aufgehört. Und seitdem fragte Poppy sich, was geschehen wäre, wenn sie sich weiter erkundet, geküsst, geschmeckt hätten … Sie konnte Adrastos ansehen, dass er gleich gehen und sie ihren wilden Fantasien wieder für die nächsten Jahre allein überlassen würde.

„Wir sollten das nicht tun.“ Er schüttelte den Kopf, ließ sie aber nicht los.

Poppy war so enttäuscht, dass es ihr wehtat.

„Es kann jeden Moment jemand kommen und uns sehen.“

Sofort wurde ihr leichter ums Herz. Es war, als säße sie in der schnellsten Achterbahn der Welt. Sein Blick hielt ihren fest, als versuchte er auf diese Weise, in diesem Wahnsinn zur Vernunft zu kommen. Atemlos wartete sie, brachte kein Wort heraus, wollte nichts sagen, das alles kaputtmachte.

„Komm mit.“

Er sagte es wie einen Befehl, mit der für ihn typischen Autorität, die ihr schon als verzweifelt trauernder Vierzehnjährigen aufgefallen war. Eleanor hatte sie getröstet und beruhigt, aber der neunzehnjährige Adrastos, der an den Wochenenden von der Militärakademie nach Hause kam, begegnete ihr ganz anders. Sie merkte schnell, dass sich alles um ihn drehte. Nicht nur weil er der Thronerbe dieses kleinen reichen Landes war, sondern weil er durch sein natürliches königliches Gebaren beeindruckte. Selbstbewusst, hochintelligent, geradezu unfair gut aussehend, gebildet, stark und athletisch, wie er war, war er ihr wie eine Art Gott vorgekommen.

Adrastos zog sie dicht an seine Seite und führte sie mit seiner Hand im Rücken über den Balkon, mit jedem Schritt weiter von der Party weg auf eine intime Feier nur zwischen ihnen beiden zu. Das Penthouse war groß, und sie umrundeten die Ecke des Balkons zu einer Tür. Mit einem letzten forschenden Blick auf Poppys Gesicht stieß Adrastos die Tür auf und führte sie hinein. Ohne seine Hand im Rücken hätten ihr die Beine versagt.

Er schloss die Tür hinter ihnen und machte in dem luxuriösen Schlafzimmer das Licht an. Poppy drehte sich zu ihm um, konnte kaum glauben, dass dies Wirklichkeit war.

Als vierundzwanzigjährige Jungfrau im Schlafzimmer mit dem Prinzen ihrer Träume und geheimsten Fantasien … Herzlichen Glückwunsch, Poppy. 

Aber klug war es nicht. Ganz im Gegenteil: Es war eine schreckliche Idee. Sie würden es beide bereuen.

Oder? Sie zumindest würde es nicht bereuen, das wusste sie. Mit Adrastos zu schlafen würde eine bleibende Erinnerung sein, genau wie der erste Kuss. Nur viel besser. Und dann wäre sie keine Jungfrau mehr … Das war etwas, das sie insgeheim schon lange bedrückte. Sie wusste, dass sie sich darin von den meisten Frauen ihres Alters unterschied, und hatte angefangen zu glauben, sie hätte nicht so eine stark ausgeprägte Libido wie andere Menschen. Doch offenbar lag es einfach daran, dass Adrastos der einzige Mann war, der sie dermaßen erregen konnte. Warum sollte sie auch nur in Betracht ziehen, diese Chance zu vergeuden?

Und falls es jemand herausfand?

Adrastos’ Familie war die einzige, die sie hatte, und sie war stets wie eine Tochter behandelt worden. Dafür war Poppy ihnen zutiefst dankbar. Aber letztendlich gehörte sie nicht richtig zur Familie, war keine Tochter. Adrastos’ Eltern mussten sich darauf verlassen können, dass er die Pflichten gewissenhaft erfüllen würde, die mit der Übernahme des Throns einhergingen. Es bereitete dem König und der Königin und sogar auch Eleanor großen Kummer, dass er alles, was einen Rock trug, mit ins Bett nahm. Was, wenn sie herausfanden, dass Poppy zu einer seiner Gespielinnen geworden war? Sie würden sich verraten vorkommen.

Es würde alles verändern.

Poppy konnte nicht auch noch diese Familie verlieren. Sie konnte und würde nichts tun, das ihnen in irgendeiner Weise wehtun würde und wirkte, als würde Poppy es ausnutzten, dass sie sie bei sich aufgenommen hatten.

Doch ihre Bedenken waren sofort wie verflogen, als Adrastos ohne den Blick von ihr abzuwenden anfing, sein Hemd aufzuknöpfen. Poppy hatte das Gefühl, dass er ihr tief in die Seele sah.

Und sie wollte, dass er ihre Seele sah. Dass er alles sah. Sie wollte sich ihm zeigen. In jeder Hinsicht.

Mehr als diese eine Nacht konnte es nie geben. Poppy würde ihren Platz in seiner Familie nicht mit dem Wunsch nach mehr gefährden, denn die Liebe seiner Eltern und Schwester zu verlieren, nachdem sie bereits ihre eigenen Eltern verloren hatte, würde sie nicht verkraften können. Und mehr als eine Nacht mit Adrastos zu wollen war, als wünschte man sich Flügel, um zu fliegen. Irgendwann würde er sein Junggesellenleben aufgeben, aber bis dahin würde es wohl noch viele, viele Jahre dauern.

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