Zwischen Lüge und Leidenschaft

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Kurz vor ihrer Society-Hochzeit mit Tycoon Enzo Beresi erreicht Rebecca die schockierende Nachricht: Laut dem letzten Willen ihres Großvaters erhält Enzo ihren Anteil am Familienunternehmen, wenn er sie vor ihrem morgigen Geburtstag heiratet! Hat er deshalb so zur Ehe gedrängt? Ist seine Liebe eine Lüge? Verzweifelt lässt Rebecca ihn vor dem Altar stehen. Doch Enzo gibt nicht auf und beteuert, dass seine romantischen Gefühle für sie echt sind. Aber auch wenn das Feuer der Leidenschaft bald heißer als zuvor brennt – wie soll sie ihm je wieder vertrauen?


  • Erscheinungstag 09.01.2024
  • Bandnummer 2631
  • ISBN / Artikelnummer 0800242631
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

Die Stretchlimousine wurde auf der piazza von Dutzenden wild blitzender Kameras begrüßt. Seit ihre Verlobung öffentlich gemacht worden war, hatte Rebecca Foley die Kameras gemieden wie die Pest. Allerdings hatte sie gewusst, dass ihr das an diesem Tag nicht möglich sein würde. Italiens prominentester Junggeselle würde heiraten, und sie war die Glückliche, der er sein Eheversprechen geben würde.

Während sie darauf wartete, dass der Chauffeur ihr die Tür öffnete, sah Rebecca auf den leeren Platz neben sich, auf dem eigentlich ihr Vater sitzen sollte. Der Wagen, aus dem man ihr gleich hinaushelfen würde, sollte eigentlich sein Wagen sein. Der ausgediente, aber von ihm restaurierte Klassiker aus den 1960er Jahren. Er war so stolz darauf gewesen, weil es ein Schnäppchen gewesen war, wie er es genannt hatte. Ihr Vater hatte ihn in dem Jahr erstanden, als sie sich zur Universität aufgemacht hatte. Bei jedem Besuch zu Hause hatte er ihr stolz gezeigt, was er alles erneuert hatte. Er war gestorben, bevor die Arbeit an dem Wagen beendet war. Dass das Auto seitdem verschlossen in einem Lagerraum stand, hatte Rebecca am meisten geschmerzt, als sie nach Italien gezogen war. Es war für sie noch schwerer gewesen, als das einzige richtige Zuhause zu verlassen, das sie je gehabt hatte.

Sie ballte die Hände zu Fäusten und biss die Zähne aufeinander, als schmerzliche Trauer sie erfasste. Es war vier Jahre her, seit sie ihre Eltern verloren hatte, aber an diesem Tag war der Schmerz über ihren Verlust genauso stark wie in jenen schrecklichen, dunklen Tagen damals.

Die Tür wurde geöffnet.

Der Chauffeur streckte seine Hand für sie aus.

Es waren nicht nur Paparazzi, die auf die Ankunft der Braut draußen vor der Kathedrale warteten, sondern auch Hunderte von Gratulanten, die die Absperrung säumten, die Enzo gegen Bezahlung hatte aufstellen lassen. Wenn man Unmengen an Geld hatte, konnte man Hindernisse, denen sich normale Menschen gegenübersahen, leicht umgehen. Und mit seinem Geld hatte er auch die Behörden geschmiert, damit sie mit dem großen Wagen auf den Platz fahren konnten, auf dem Fahrzeuge normalerweise verboten waren.

Tief atmete sie durch, straffte sich und setzte ein Lächeln auf, ehe sie einen Fuß vor den anderen setzte und betete, nicht über ihr Kleid zu stolpern. Aufmunternde Rufe folgten ihr in die berühmte florentinische Kathedrale.

Rebecca hatte sich diesen Moment schon so lange ausgemalt. Monate der Planung von einem hochspezialisierten Team waren der Hochzeit vorausgegangen. Sie hatte sich Enzos Miene vorgestellt, wenn er sie in dem märchenhaften Kleid ihrer Träume sehen würde. Und als er sich vorne am Altar umdrehte, um ihr entgegenzusehen, wurde sie nicht enttäuscht. Bei jedem Schritt, den sie auf ihn zu machte, erkannte sie immer deutlicher, wie erwartungsvoll er ihr entgegensah.

Enzo Beresi. Selfmade-Milliardär. Ein Meter neunzig groß, muskulös, männlich. Eine italienische Erfolgsgeschichte. Dunkelbraune Haare, die er modisch zerzaust trug. Immer tadellos und gut gekleidet. Ein Mann, nach dem die Frauen sich umdrehten und die Männer sich wünschten, sie könnten genauso sein. Übertrieben unbeschwert. Charmant. Ausgeglichen. Anständig. Bekannt für seine Wohltätigkeitsarbeit. Ein Lügner.

Während ihrer fünfmonatigen Romanze, wobei er ihr schon vier Wochen nach ihrem ersten Date einen Antrag gemacht hatte, hatte Rebecca sich ständig gefragt: Warum ich? Weshalb hatte Enzo Beresi sie auserkoren, eine vierundzwanzigjährige Grundschullehrerin, wenn er doch jede haben konnte? Aber er hatte sich für sie entschieden. Sie war begeistert von ihm und hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt.

Als sie sich dem Altar näherte, entdeckte sie die Schwester ihres Vaters, Rebeccas engste lebende Verwandte. Sie hatte ihr sehr geholfen, das Trauma zu überstehen, als Rebecca innerhalb von drei Tagen beide Elternteile verloren hatte. Sie saß auf dem Platz, der normalerweise für die Mutter der Braut vorgesehen war.

Rebecca blendete ihre Tante aus, bevor der Schmerz über den Verlust ihrer Eltern unerträglich werden konnte.

Schließlich stand sie vor Enzo.

Sein umwerfender Körper steckte in einem dunkelgrauen Frack mit altrosa Krawatte, und seine braunen Augen leuchteten. Seine Lippen formten die Floskel, zu der jeder Bräutigam greifen würde. „Du siehst wunderschön aus.“

Er war so gut. So glaubhaft. Sein schönes Gesicht mit diesem herrlichen Mund und der Adlernase zeigte einen Ausdruck von Bewunderung, als er ihre Hand nahm und Rebecca zu sich zog.

Es machte sie krank, dass sie immer noch mit solcher Heftigkeit auf seine Berührung reagierte. Dass sie diesen Mann immer noch wollte, der nie etwas von ihr gewollt hatte.

Dass er gegen ihren Wunsch darauf bestanden hatte, erst in der Hochzeitsnacht miteinander zu schlafen, war keine romantische Geste.

Vielmehr war es ein abgekartetes Spiel gewesen.

Er wollte nicht sie, sondern nur das, was eine Ehe mit ihr ihm einbringen würde.

Wenigstens hatte sie jetzt eine Antwort auf die Frage: Warum ich?

Mit verschränkten Händen wandten sie sich dem Priester zu. Die fünfhundertköpfige Hochzeitsgesellschaft, bestehend aus Reichen, Mächtigen und Schönen, erhob sich gleichzeitig. Die Hochzeitszeremonie begann.

Während der monatelangen Planung hatte Rebecca sich vorgestellt, dass sie den Priester im Stillen drängen würde, sich mit der Zeremonie zu beeilen, damit er schnell zum Wesentlichen kommen würde. Sie hatte Italienisch geübt, bis sie ihren Schwur fehlerlos aufsagen konnte. Sicher, es waren nur zwei Worte – ich will –, aber sie wollte, dass ihr Akzent perfekt klang.

Als jetzt die Zeremonie stattfand, wünschte sie jedoch, dass sie in Zeitlupe ablaufen würde. Je näher sie dem großen Moment kamen und je schneller die Zeit verging, desto beklommener fühlte sie sich.

Schließlich kam der Priester zu dem entscheidenden Moment.

Sie standen sich gegenüber und hielten sich an den Händen.

„Willst du, Enzo Alessandro Beresi, Rebecca Emily Foley zu deiner Frau nehmen …?“

Ihr würde schlecht werden.

Mit bewunderndem Blick sah Enzo ihr in die Augen, und ohne einen Moment zu zögern, sagte er: „Ich will.“

Und jetzt war sie an der Reihe.

„Willst du, Rebecca Emily Foley, Enzo Alessandro Beresi …?“

Sie atmete ein, sah Enzo in die Augen und sagte mit lauter, fester Stimme, sodass die gesamte Versammlung sie deutlich hören konnte: „Nein. Ich will nicht.“

Enzos Kopf zuckte zurück, als hätte man ihn geschlagen. Das verhaltene Lächeln gefror auf seinem sonnengebräunten Gesicht, das nun aschfahl wirkte. Sein Mund stand offen, doch es kam kein Wort heraus.

Das Einzige, was Rebecca aufrechterhalten hatte, seit sie vor ein paar Stunden den Umschlag geöffnet hatte, war der Gedanke an diesen Moment, in dem sie ihm zumindest einen Bruchteil des Schmerzes und der Demütigung zufügen konnte, die sie hatte erfahren müssen. Doch die ersehnte Genugtuung wollte sich nicht einstellen. Die Rede, die sie im Kopf vorbereitet hatte, erstarb in ihrer Kehle.

Unfähig, ihn auch nur eine Sekunde länger anzusehen, entriss sie ihm ihre Hände, ging durch das Kirchenschiff und ließ verblüfftes Schweigen zurück.

Erst als Rebecca draußen auf den Stufen der Kathedrale in der florentinischen Hitze stand, traf sie die ganze Wucht dessen, was sie eben getan hatte.

Vor einigen Stunden, kurz bevor der Coiffeur gekommen war, war der anonyme Umschlag in das Hotel geliefert worden. Ihr Name stand darauf, die Nummer ihrer Suite und der Vermerk dringend. Die Wolke des Glücks, auf der sie gelebt hatte, war zerstört worden. Und nun fühlte sie es tief im Inneren, eine Qual, die ihre Seele zerriss.

Sie stolperte die Stufen hinunter. Plötzlich bemerkten die versammelten Paparazzi, Reporter und Gratulanten, die auf das Ende des Gottesdienstes gewartet hatten, dass die Braut zwanzig Minuten vor Ablauf der Zeremonie allein die Kathedrale verlassen hatte. Bevor sie sich in Position stellen konnten, hatte Rebecca schon den Rock ihres Kleids aus Seide und Spitze gerafft und rannte über den Platz. Vorbei an der wartenden Limousine, die das glückliche Paar zum Empfang fahren sollte, und vorbei an dem alten Brunnen, an dem sich eine Menschenmenge versammelt hatte. Sie merkte nicht, dass sie angeglotzt wurde, war taub für die besorgten Ausrufe. Sie hatte kein Ziel, nur das überwältigende Bedürfnis zu fliehen. So weit weg von dem Mann, der ihr das Herz gebrochen hatte. Sie wäre weitergerannt, solange die hohen Absätze ihrer Schuhe sie getragen hätten, wäre sie nicht mit einem Absatz in dem Kopfsteinpflaster hängengeblieben, sodass sie wie ein Kind stürzte und mit den Handflächen auf dem Boden landete. Vor Schmerz schrie sie auf. Fast hätte sie sich sogar das Gesicht auf den alten Steinen aufgeschlagen.

„Signorina?“

Sofort kam ihr eine Gruppe Jugendlicher zu Hilfe, die ihre Zeit damit vertrödelten, ihre Vespas gegenseitig zu bewundern und sich aufzuplustern.

Eine Wolke billigen Aftershaves hüllte sie ein, als man ihr eifrig wieder auf die Füße half, ihre Hände nach Verletzungen absuchte und über die Risse in ihrem zweihunderttausend Euro teuren Kleid bedauernd den Kopf schüttelte. Sie versuchte sich zu bedanken, während sie die Tränen abwischte, die über ihre Wangen liefen, aber ihre Kehle war immer noch wie zugeschnürt. Nur ein Lachen brachte sie heraus, als man ihr eine Zigarette anbot, die sie kopfschüttelnd ablehnte.

Das war also aus ihr geworden? Eine Jungfrau in Nöten, die man mit einer Zigarette beruhigen wollte?

In einiger Entfernung hinter ihr erklang ein Schrei, schnell gefolgt von weiteren. Die Hochzeitsgäste und die Menschen, die draußen gestanden hatten, setzten sich in ihre Richtung in Bewegung. Vermutlich hatten sie sie entdeckt, als sie bei dem Sturz aufgeschrien hatte. Außerdem war sie in ihrem märchenhaften weißen Hochzeitskleid kaum zu übersehen.

Sie deutete mit dem Kopf auf die Vespas und fragte auf Englisch, weil ihr die entsprechenden italienischen Worte nicht mehr einfielen: „Könnte ich mitfahren, bitte?“

Nur ein Gesicht reagierte nicht mit verblüfftem Blick. „Wo wollen Sie denn hin, Lady?“

Sie nannte den Namen der Allee, in der Enzos Villa stand. Sechs Paar Augen weiteten sich. Kein Wunder. Die Villa befand sich in einer der exklusivsten Gegenden von Florenz. „Bitte?“, flehte sie. „Per favore?“

Nachdem sie einen Blick über die Schulter auf die immer größer werdende Menschenmenge geworfen hatten, die sich in ihre Richtung bewegte, und Rebeccas Verzweiflung spürten, traten die jungen Männer in Aktion. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, saß Rebecca auf einer Vespa, den Rock ihres Kleids so gut wie möglich zwischen ihre Beine geklemmt. Sie klammerte sich an einen schmächtigen jungen Mann, bei dem sie bezweifelte, dass er sich schon regelmäßig rasieren musste. Und schon brausten sie davon. Die anderen schlossen sich ihnen an, während ihr Retter sich durch den dichten Verkehr schlängelte. Die Fahrt hätte mindestens zwanzig Minuten gedauert, aber da der Fahrer die Straßenverkehrsordnung wie eine altmodische Unannehmlichkeit behandelte und jeden Fußgänger anhupte, der dumm genug war, zu versuchen, die Straße vor ihnen zu überqueren, hatten sie bald die hektische Innenstadt hinter sich gelassen. Und fünfzehn Minuten später, nachdem sie losgebraust waren, hielt ihr Retter draußen vor Enzos elektrischem Tor.

Rebecca sprang von der Vespa und gab den Code ein, damit es sich öffnete. „Könnten Sie mich zum Flughafen bringen?“, fragte sie, als das Tor offen war. „Ich zahle auch.“ Sie hatte Bargeld in ihrer Geldbörse im Haus.

Der Mund ihres Retters, der vor erstaunter Ehrfurcht über die weitläufige, weiß getünchte Villa offen gestanden hatte, klappte wieder zu. Dann lächelte er und meinte: „Okay, Lady.“

„Fünf Minuten.“ Sie hielt ihre immer noch blutende Hand hoch und streckte alle Finger aus, damit er verstand, ehe sie die Auffahrt entlang zur Eingangstür lief. Sie hatte sie noch nicht erreicht, als Enzos übereifriger Butler schon aus seiner benachbarten Unterkunft kam.

„Was ist passiert?“, fragte er auf Englisch. Es war noch nicht einmal einen Tag her, als er ihre Reisetaschen und das Hochzeitskleid zu dem Wagen gebracht hatte, der sie zu dem Hotel fuhr, in dem sie die letzte Nacht vor der Hochzeit verbracht hatte. Und er hatte ihr alles Glück der Welt für ihren Hochzeitstag gewünscht.

Aus Angst, wieder in Tränen auszubrechen, schüttelte Rebecca den Kopf.

Mit zutiefst besorgtem Gesicht öffnete er ihr die Tür.

Nachdem sie eingetreten war, verschwendete sie keine Zeit. Sie schleuderte die weißen Schuhe von sich und eilte durch die Eingangshalle zum Ostflügel. Dann hastete sie über den Terrakotta-Boden zum Heimkinoraum. An den Wänden hingen gerahmte Originalwerbeplakate von Hollywoodfilmen aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Sie ging zu einem Plakat, das eine schöne Blondine zeigte, flankiert von zwei Männern in Badehosen, und nahm es ab. Rebecca erinnerte sich noch, wie sie gelacht hatte, als Enzo ihr den Safe gezeigt hatte. Und sie erinnerte sich auch noch an sein Grinsen, als er ihren Reisepass in den Safe gelegt hatte. Sie hatte es für ein glückliches Lächeln gehalten, weil sie endlich bei ihm eingezogen war, auch wenn er bis zur Hochzeit auf getrennten Schlafzimmern bestanden hatte. Hätte sie doch nur da schon gewusst, was wirklich dahintersteckte. Er hatte nicht sie gewollt, sondern nur das, was er durch die Hochzeit mit ihr für sich gewinnen würde. Als sie ihre Augen vor den Retina-Scanner hielt, lief der Tag, an dem sie sich vor fünf Monaten kennengelernt hatten, wie ein Film vor ihrem geistigen Auge ab.

Ihre Tante hatte zu ihrem fünfzigsten Geburtstag zum Lunch in ein wunderschönes Landhotel eingeladen. Das Wetter war so kalt und grau wie die Wolke, die Rebecca für dreieinhalb Jahre eingehüllt hatte. Als sie das Fest verließ, hatte sie entsetzt festgestellt, dass ihr Wagen einen platten Reifen hatte. Sie wuchtete den Ersatzreifen aus dem Kofferraum. Mühte sich mit den Radmuttern ab. Ein wunderschöner Mann mit einem umwerfenden Lächeln, bei dem sich seine Grübchen zeigten, und braunen Augen, die fröhlich leuchteten, stieg hinten aus einem Wagen, der mehr wert war als ihr Haus, und bot seine Hilfe an. Er bestand sogar darauf.

Die Erinnerungen wurden lebhafter, als sie daran dachte, wie er seinen langen, braunen Mantel und die Anzugjacke, die sicher mehr gekostet hatte als ihre gesamte Garderobe, ausgezogen und ihr gegeben hatte. Ein erstaunlich waldiger Duft war ihr entstiegen. Dann rollte er seine Ärmel auf und sank auf den kalten feuchten Boden. Während er geschickt den Reifen wechselte, redete er ununterbrochen mit seiner tiefen, samtenen Stimme und dem schönsten Akzent, den sie je gehört hatte. Als er fertig war, war Rebecca beschämt, weil auf seiner teuren Hose und dem Hemd Schmutz- und Ölflecken waren.

„Sie müssen mir die Rechnung der Reinigung schicken“, beharrte sie, als sie ihm seine Anzugjacke reichte. „Das ist das Mindeste, was ich tun kann.“

Seine Augen leuchteten, als er in die Jacke schlüpfte. „Sie könnten mir stattdessen aber auch an der Hotelbar Gesellschaft leisten, damit wir uns bei einem heißen Drink am Kamin aufwärmen können.“

Immer noch spürte sie die Aufregung, die sie damals erfasst hatte.

Sie hatte bereits überprüft, ob er einen Ring am Finger trug, was sie vorher noch nie gemacht hatte. Dann reichte sie ihm seinen Mantel und sah noch einmal auf seine linke Hand. „Wie soll das denn eine Entschädigung sein?“

„Der Kollege, mit dem ich verabredet bin, verspätet sich, deshalb habe ich in der nächsten Stunde frei. Wenn Sie mir Gesellschaft leisten, werde ich zumindest nicht vor Langeweile sterben“, meinte er, und sie musste lächeln.

Seine Grübchen zeigten sich wieder. „Sie würden mir einen Gefallen tun. Ein Drink, und wir sind quitt.“

Strahlend lächelte sie. „Gut, ein Drink. Aber ich zahle.“

Er runzelte die Stirn. „Ein Gentleman lässt eine Frau nie zahlen.“

Rebecca hob die Augenbrauen. „Ist Ihnen entgangen, dass wir inzwischen im einundzwanzigsten Jahrhundert leben?“

Sie hatten beide belustigt gelacht. Wenn sie jetzt daran dachte, dass sie von Anfang an eine Verbindung zu ihm gespürt hatte, obwohl alles inszeniert gewesen war und er selbst ihren Reifen zerstochen hatte …

Das grüne Licht des Safes blinkte und blendete die Erinnerungen aus. Die Panzertür schwang auf.

Es zerriss ihr beinahe das Herz, als sie sah, dass ihr Reisepass noch auf dem gleichen Platz lag, wo er ihn hingelegt hatte. Auf seinem eigenen.

Rebecca schluckte gegen eine neue Welle von Übelkeit an, griff nach dem Pass, schloss die Tür wieder und lief zurück in den Flur. Dann rannte sie, zwei Stufen auf einmal nehmend, nach oben in ihr Schlafzimmer, das sie seit ihrem ersten Besuch in der Villa vor vielen Monaten benutzte.

Sie überlegte, wie viel Zeit ihr bleiben würde und wo Enzo jetzt wohl steckte. Würde er daran denken, hier nach ihr zu suchen? Oder würde er direkt in das Hotel gehen, in dem sie die Nacht verbracht hatte und wo sie und ihre Gäste am Abend hatten feiern wollen?

Hastig griff sie nach ihrer Handtasche und steckte den Reisepass zu ihrer Geldbörse. Ihr Handy war noch im Hotel, aber daran konnte sie jetzt auch nichts ändern. Sie hatte genügend Bargeld, um zum Flughafen zu kommen und genug Geld auf dem Konto, um nach Hause fliegen zu können.

Rebecca wollte gerade das Zimmer verlassen, als sie einen Blick auf sich selbst in dem großen Spiegel erhaschte. Ihr von einem professionellen Visagisten hergerichtetes ovales Gesicht war mit Mascara verschmiert. Ihre großen braunen Augen waren gerötet und ihr viel zu breiter Mund war fest zusammengepresst, um das gequälte Aufstöhnen zurückzuhalten, das ihrer Kehle entfliehen wollte. Die kunstvolle Hochsteckfrisur, an der der Coiffeur so lange gearbeitet hatte, damit sie hielt, hatte sich aufgelöst. Mit den zerzausten honigblonden Haaren und dem zerrissenen Kleid sah sie jetzt aus, als hätte man sie rückwärts durch einen Stachelbeerstrauch gezogen. Nur mit größter Anstrengung konnte sie einen Schrei herunterschlucken und zog die Haarklammern heraus, die noch das wenige zusammenhielten, was von ihrer Frisur übriggeblieben war.

Während sie den Rock ihres ruinierten Kleids raffte und die Treppe ins Erdgeschoss hinunterlief, dachte sie an die Geschäfte im Flughafen. Sie könnte sich Kleidung kaufen, die sie anziehen würde …

Abrupt blieb sie stehen, und der Schrei löste sich aus ihrer Kehle, bevor ihr Verstand den Mann richtig erkannte, der an der Haustür Wache stand.

Rebeccas Herz drohte zu zerspringen.

Enzo sah sie mit verkniffener Miene an. Die Farbe war wieder in sein Gesicht zurückgekehrt, aber sein kunstvoll zerzaustes Haar wirkte nun richtig ramponiert. Die altrosa Krawatte, die er in der Kathedrale getragen hatte, war verschwunden, und die obersten Knöpfe seines weißen Hemdes waren geöffnet.

„Geh mir aus dem Weg“, flüsterte sie, nachdem sie ihre Stimme wiedergefunden hatte.

Seine Antwort bestand darin, die Arme vor der breiten Brust zu verschränken.

„Geh mir aus dem Weg, habe ich gesagt.“

Seine Nasenflügel bebten. „Nein.“

Eine Woge von Zorn erfasste sie. Sie stürzte auf ihn zu und versuchte, ihn wegzuschieben. „Geh mir aus dem Weg!“, schrie sie.

Aber er war zu groß, zu stark. Mit einer Gewandtheit, die kein Mann seiner Größe besitzen sollte, umfasste er ihre Arme und drehte Rebecca herum, sodass ihr Rücken gegen seine Brust gepresst wurde, während er sie mit einem Arm festhielt.

„Hör auf damit“, knurrte er wütend, als sie begann, mit ihrem nackten Fußballen gegen sein Schienbein zu treten.

„Lass mich gehen.“

„Wenn du dich beruhigt hast.“ Sein Atem strich heiß durch ihre Haare. „Du kannst nirgendwohin. Ich habe deine Vespa-Boys weggeschickt.“

„Dann werde ich mir eben ein Taxi nehmen.“

„Und wohin fahren? Zum Flughafen?“

„Ich will nach Hause.“

„Du bist hier zu Hause.“

„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. Tränen liefen über ihre Wangen, als sie sich daran erinnerte, wie sie sich voller Freude vorgestellt hatte, dass in dieser wunderschönen Villa bald Enzos Kinder spielen würden. Ein Haus voller Glück und Liebe.

„Warum hast du das getan?“, fragte er, ohne sie loszulassen. „Sag es mir, Rebecca.“

„Was glaubst du wohl? Und wenn du mich nicht auf der Stelle loslässt, werde ich so laut schreien, dass es ganz Florenz hört.“

Mit der gleichen Schnelligkeit und Gewandtheit wie eben drehte er sie zu sich herum. Große Hände umfassten ihre Schultern, und Zorn verzerrte seine attraktiven Züge. „Du wagst es, die Verletzte zu spielen, nachdem du geplant hast, deinen Reisepass zu schnappen und ohne ein Wort der Erklärung oder ein Lebewohl zu verschwinden? Nachdem du mich vor der gesamten verdammten Welt erniedrigt hast? Ich musste eine Vespa stehlen, um rechtzeitig hier zu sein, bevor du verschwunden bist. Sag mir, warum du mir das angetan hast. Das zumindest bist du mir schuldig.“

„Ich bin dir gar nichts schuldig“, schrie sie und trommelte gegen seine Brust. „Ich weiß Bescheid. Hol dich der Teufel. Ich weiß genau, warum du mich heiraten wolltest. Es war alles inszeniert.“

Zum zweiten Mal in weniger als einer Stunde wich alle Farbe aus Enzos Gesicht. Er schwankte, griff nach der Tür hinter ihm und flüsterte: „Rebecca …“

„Hör auf! Ich will deine Lügen nicht hören. Ich weiß alles. Du hast mich nie geliebt, nie gewollt. Das Einzige, was du wolltest, war mein Erbe.“

2. KAPITEL

Wüsste sie es nicht besser, hätte Rebecca sich gewundert, wie schnell Enzo sich wieder gefasst hatte. Schon ein paar Mal hatte sie darüber gestaunt, als er kurz davor gewesen war, die Kontrolle zu verlieren und beinahe mit ihr geschlafen hätte, nachdem sie ihn darum gebeten hatte. Seine Erregung war deutlich sichtbar gewesen, doch jedes Mal hatte er sich wieder zusammengerissen. Ein langer, tiefer Atemzug durch die Nase und die Leidenschaft, die in seinen Augen geleuchtet hatte, war verschwunden.

Wenigstens wusste sie jetzt, warum er so schnell zu seiner Selbstbeherrschung zurückfand. Während sie sich schmerzlich nach ihm gesehnt hatte, hatte es ihm keine große Mühe gemacht, sein Hirn von den Reaktionen seines Körpers abzukoppeln. Er hatte nur automatisch auf sie reagiert. Sie hätte jede einigermaßen attraktive Frau sein können.

Den Rücken gestrafft, sah er sie mit seinen hellbraunen Augen an. „Wie hast du es herausgefunden?“

Sie lachte unter Tränen. „Ist das die erste Frage, die dir einfällt? Ist das deine einzige Sorge?“

„Ich frage, weil es wichtig ist.“

„An der Hotelrezeption wurde ein Umschlag von einer Frau für mich abgegeben, auf dem dringend stand. Ich weiß nicht, wer die Frau war, und es ist mir auch egal.“

Eine Flut an Emotionen zeigte sich auf seiner finsteren Miene. „War es eine Kopie des Testaments deines Großvaters?“

Erneut stieg Wut in ihr auf.

Rebecca hatte bei einem Essen einmal erwähnt, sie hätte die Eltern ihrer Mutter nie kennengelernt, weil sie sich noch vor ihrer Geburt entfremdet hätten. Erst jetzt verstand sie, warum er damals nur kurz Mitgefühl gezeigt und dann schnell das Thema gewechselt hatte, weil er all das bereits gewusst hatte. Enzo kannte ihre Vergangenheit besser als sie selbst.

Er wusste Bescheid, weil er der Geschäftspartner ihres Großvaters gewesen war. Der Mann, dem ihr Großvater genug Vertrauen entgegengebracht hatte, um ihn zu seinem Testamentsvollstrecker zu ernennen.

Was bedeutete, dass Enzo auch über ihre Eltern Bescheid wissen musste. An dem Abend, als Rebecca ihm erzählt hatte, wie sehr ihre Welt erschüttert worden war, als ihr Vater nur drei Tage nach ihrer Mutter, die an Leukämie gestorben war, einem tödlichen Herzinfarkt erlegen war, hatte Enzo ihren Rücken gestreichelt und tröstliche Worte gemurmelt. Dabei hatte er von all dem bereits gewusst.

„Wie konntest du mir das antun?“ Dass in ihrer Wut auch ihr Schmerz mitschwang, machte sie noch zorniger, weil sie wusste, dass er es auch hören konnte. „Die ganze Zeit. All diese Lügen. Du hast mir gesagt, dass du mich liebst, dabei wolltest du nur seine Anteile an dem Unternehmen. Jetzt lass mich gehen. Allein dich anzusehen, tut mir schon weh.“

Nicht ein Fünkchen Reue zeigte sich auf seiner Miene. „Ist dir eigentlich klar, was die Presse über unsere geplatzte Hochzeit schreiben wird? Sie stehen bereits draußen vor dem Tor. Wenn du jetzt gehst, werden sie dich in der Luft zerreißen.“

„Als ob es dir etwas ausmachen würde, was mit mir passiert.“

„Es macht mir etwas aus.“

„Lüg nicht“, schrie sie und schleuderte ihre Handtasche durch den Raum. Sie traf eine etwa vierzig Zentimeter große Marmorstatue aus dem achtzehnten Jahrhundert, die von ihrem Sockel fiel und mit ohrenbetäubendem Lärm auf dem Boden zerschellte. Rebecca wäre in ihrem Zorn am liebsten durch die ganze Villa gestürmt, um systematisch jedes Objekt zu zerstören, das ihm lieb und teuer war, um es in tausend Stücke zu zerschlagen, so wie Enzo es mit ihrem Herzen getan hatte. „Jedes Wort, das wir je gewechselt haben, war eine Lüge.“

Seine Kiefermuskeln verspannten sich, und er schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Noch eine Lüge! Ich habe alles für dich aufgegeben, und es war alles nur eine Lüge. Du wolltest eine Erklärung, warum ich dich in der Kathedrale gedemütigt habe, und jetzt hast du sie. Ich will nicht eine Sekunde länger in deiner Nähe sein. Also geh mir aus dem Weg und lass mich gehen. Ich will dich nie mehr wiedersehen.“

Autor

Michelle Smart
Michelle Smart ist ihrer eigenen Aussage zufolge ein kaffeesüchtiger Bücherwurm! Sie hat einen ganz abwechslungsreichen Büchergeschmack, sie liest zum Beispiel Stephen King und Karin Slaughters Werke ebenso gerne wie die von Marian Keyes und Jilly Cooper. Im ländlichen Northamptonshire, mitten in England, leben ihr Mann, ihre beiden Kinder und sie...
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