Dann vermutest du also, dass dieser Wilfrid of Brougham Edmund dabei hilft, Leute zu rekrutieren?“, fragte Giles.
Seine Freunde konnten verstehen, dass er sich lieber auf die bevorstehenden Kämpfe konzentrierte als auf die Frau, die ihm das Herz gebrochen hatte. Er schüttelte den Kopf und zwang sich, seine Gedanken um die zusammengetragenen Informationen kreisen zu lassen, da es im Moment sicherer war, ans Töten zu denken als an Sybilla.
„Nein, ich glaube, es ist Maurin de Caen. Mit seinem Verhalten will er uns vermutlich weismachen, dass er wegen seiner normannischen Herkunft nichts damit zu tun hat.“
Soren entrollte eine Karte, die Stephen gezeichnet hatte, als er die Hügellandschaft zwischen Alston und Maurins Land im Westen durchkämmte. „Es gibt zu viele Stellen, an denen sich kleinere Rebellengruppen gut verstecken können“, erklärte er und zeigte auf verschiedene Punkte der Karte. „Und alle liegen sie nur ein paar Stunden Fußmarsch voneinander entfernt.“
„Aber wieso bleiben sie hier in England, wenn die Grenze doch so nah ist?“, wunderte sich Brice.
„Ich nehme an, Ihr seid die Antwort darauf, Lord Thaxted.“
Sorens Körper reagierte allein schon auf ihre Stimme. Er kniff die Augen zu, um sein Verlangen nach ihr zu bändigen, dann atmete er tief durch und sah ihr in die Augen.
Alle drehten sich zu Sybilla um, die sich ihnen unbemerkt genähert hatte. Soren hielt sich krampfhaft an der Tischkante fest, da er sonst seine Frau an sich gedrückt und sie geküsst hätte, bis ihr die Luft wegblieb. Doch dann erinnerte er sich an ihren Ausdruck, als sie das erste Mal sein Gesicht hatte sehen können, und gleich darauf erlosch seine Begierde.
„Wie kann ich der Grund dafür sein, Mylady?“, fragte Brice verdutzt.
„Wegen der Vorräte und des Goldes, das Ihr mitgebracht habt. Die Rebellen wissen davon und werden versuchen, sich all dieser Dinge zu bemächtigen.“
Sie blinzelte und zog sich weiter in den Schatten des Gebäudes zurück. Soren musste sich die Frage verkneifen, ob das Sonnenlicht ihr in den Augen wehtat. Zum Teufel mit ihm, dass ihm so etwas überhaupt auffallen musste!
Er wandte sich wieder seinen Freunden zu. Giles schaute derweil zwischen der Karte und Sybilla hin und her.
„Mit anderen Worten: Wenn die Rebellen uns sehen, wie wir die Wagen voll mit Vorräten und Gold in Bewegung setzen, folgen sie uns vielleicht in der Hoffnung, das alles zu erbeuten, damit sie ihren Kampf fortsetzen können?“
Auch wenn Giles’ Frage nicht direkt an Sybilla gerichtet war, antwortete sie dennoch. „Lord Soren erzählte mir von Edmund Haroldson und dessen Anstrengungen, das Land und die Titel seines Vaters zurückzuerlangen. Er ist dabei von seinem eigenen Weg abgekommen und kämpft jetzt nur noch um des Kämpfens willen.“
„Lord Soren hat Euch also von Edmund erzählt?“, gab Brice zurück. „Sehr interessant.“ Soren warf ihm einen warnenden Blick zu, den er ignorierte. „Bin ich der einzige Grund, weshalb er nicht nach Norden weiterzieht?“, fragte er stattdessen.
Erst nachdem sie Soren angesehen hatte, erwiderte sie: „Nein. Edmund hat hier oben im Norden nur wenig Rückhalt, wenn man von einem oder vielleicht zwei Adligen absieht, die ihm Unterschlupf gewähren. Wenn der Winter kommt, wird er alles verlieren, was er hat, und dann besitzt er nichts mehr, womit er neue Gefolgsleute für sich gewinnen könnte. Also muss er jetzt handeln, damit ihm nicht die Leute weglaufen, die er noch hat.“
„Ihr wisst, dass das bei Thaxted auch funktioniert hat“, sagte Brice an Soren und Giles gewandt. „Da haben wir die Rebellen auch mit einem angeblichen Schatz aus ihren Verstecken gelockt.“
„Wird Edmund keinen Verdacht schöpfen, wenn ihm so schnell schon wieder ein Vermögen als Köder hingehalten wird?“, gab Sybilla zu bedenken.
„Oremund war derjenige, der in die Falle gelockt wurde. Edmund blieb gar keine andere Wahl als ihm zu folgen“, führte Soren aus, obwohl er sich geschworen hatte, kein Wort mehr mit seiner Frau zu reden. Zum Glück für ihn und seine rasch schwindende Selbstbeherrschung zog sie sich wieder zurück, nachdem sie einige gute Argumente beigesteuert hatte. Brice nickte ihr zu, sie wandte sich ab und sagte zum Glück nichts weiter zu Soren.
Der saß nur da und sah ihr nach.
„Soso, du hast also mit einer Frau über militärische Strategien gesprochen“, sagte Giles zu ihm.
„Sie hat einen scharfen Verstand und ein gutes Auge für Kleinigkeiten“, antwortete er und erntete für dieses Lob nur noch erstauntere und unverhohlen neugierige Blicke.
„Soren, gibt es denn gar keine Hoffnung auf Versöhnung?“, fragte Giles. „Es ist doch offensichtlich, dass euch beide vieles verbindet.“
„Wie würdet ihr euch fühlen, wenn eure Frauen euch voller Entsetzen und Mitleid ansehen würden? Ich jedenfalls könnte diesen Gesichtsausdruck nicht jeden Morgen nach dem Aufwachen und jeden Abend vor dem Zubettgehen ertragen!“
Es war ihm zuwider, dass so viele Leute von dem Streit und dem Grund dafür wussten, doch das ließ sich jetzt nicht mehr ändern. „Ich habe sie um eine Ehe auf Zeit gebeten, sie war einverstanden und leistet ihren Teil dieser Abmachung. Die Ernte ist fast abgeschlossen, die Lager sind so gut wie voll, und Alston ist für den Winter gerüstet. Wenn Edmund keine Bedrohung mehr darstellt, werde ich die Ehe aufheben lassen, wie ich es ihr versprochen habe.“
Sie wollten ihn in eine Diskussion verwickeln, aber das blockte er ab, indem er ein paar von seinen Leuten dazuholte, damit sie ihre Meinung zu dem Plan äußerten, Edmund eine Falle zu stellen. Wenige Stunden später verbreitete man auf dem Gut und in den umliegenden Dörfern die Nachricht, dass Lord Brice Reichtümer nach Hause zu bringen gedachte.