Die Schöne und der Bastard - Kapitel 24

~ Kapitel 24 ~

Dann vermutest du also, dass dieser Wilfrid of Brougham Edmund dabei hilft, Leute zu rekrutieren?“, fragte Giles.

Seine Freunde konnten verstehen, dass er sich lieber auf die bevorstehenden Kämpfe konzentrierte als auf die Frau, die ihm das Herz gebrochen hatte. Er schüttelte den Kopf und zwang sich, seine Gedanken um die zusammengetragenen Informationen kreisen zu lassen, da es im Moment sicherer war, ans Töten zu denken als an Sybilla.

„Nein, ich glaube, es ist Maurin de Caen. Mit seinem Verhalten will er uns vermutlich weismachen, dass er wegen seiner normannischen Herkunft nichts damit zu tun hat.“

Soren entrollte eine Karte, die Stephen gezeichnet hatte, als er die Hügellandschaft zwischen Alston und Maurins Land im Westen durchkämmte. „Es gibt zu viele Stellen, an denen sich kleinere Rebellengruppen gut verstecken können“, erklärte er und zeigte auf verschiedene Punkte der Karte. „Und alle liegen sie nur ein paar Stunden Fußmarsch voneinander entfernt.“

„Aber wieso bleiben sie hier in England, wenn die Grenze doch so nah ist?“, wunderte sich Brice.

„Ich nehme an, Ihr seid die Antwort darauf, Lord Thaxted.“

Sorens Körper reagierte allein schon auf ihre Stimme. Er kniff die Augen zu, um sein Verlangen nach ihr zu bändigen, dann atmete er tief durch und sah ihr in die Augen.

Alle drehten sich zu Sybilla um, die sich ihnen unbemerkt genähert hatte. Soren hielt sich krampfhaft an der Tischkante fest, da er sonst seine Frau an sich gedrückt und sie geküsst hätte, bis ihr die Luft wegblieb. Doch dann erinnerte er sich an ihren Ausdruck, als sie das erste Mal sein Gesicht hatte sehen können, und gleich darauf erlosch seine Begierde.

„Wie kann ich der Grund dafür sein, Mylady?“, fragte Brice verdutzt.

„Wegen der Vorräte und des Goldes, das Ihr mitgebracht habt. Die Rebellen wissen davon und werden versuchen, sich all dieser Dinge zu bemächtigen.“

Sie blinzelte und zog sich weiter in den Schatten des Gebäudes zurück. Soren musste sich die Frage verkneifen, ob das Sonnenlicht ihr in den Augen wehtat. Zum Teufel mit ihm, dass ihm so etwas überhaupt auffallen musste!

Er wandte sich wieder seinen Freunden zu. Giles schaute derweil zwischen der Karte und Sybilla hin und her.

„Mit anderen Worten: Wenn die Rebellen uns sehen, wie wir die Wagen voll mit Vorräten und Gold in Bewegung setzen, folgen sie uns vielleicht in der Hoffnung, das alles zu erbeuten, damit sie ihren Kampf fortsetzen können?“

Auch wenn Giles’ Frage nicht direkt an Sybilla gerichtet war, antwortete sie dennoch. „Lord Soren erzählte mir von Edmund Haroldson und dessen Anstrengungen, das Land und die Titel seines Vaters zurückzuerlangen. Er ist dabei von seinem eigenen Weg abgekommen und kämpft jetzt nur noch um des Kämpfens willen.“

„Lord Soren hat Euch also von Edmund erzählt?“, gab Brice zurück. „Sehr interessant.“ Soren warf ihm einen warnenden Blick zu, den er ignorierte. „Bin ich der einzige Grund, weshalb er nicht nach Norden weiterzieht?“, fragte er stattdessen.

Erst nachdem sie Soren angesehen hatte, erwiderte sie: „Nein. Edmund hat hier oben im Norden nur wenig Rückhalt, wenn man von einem oder vielleicht zwei Adligen absieht, die ihm Unterschlupf gewähren. Wenn der Winter kommt, wird er alles verlieren, was er hat, und dann besitzt er nichts mehr, womit er neue Gefolgsleute für sich gewinnen könnte. Also muss er jetzt handeln, damit ihm nicht die Leute weglaufen, die er noch hat.“

„Ihr wisst, dass das bei Thaxted auch funktioniert hat“, sagte Brice an Soren und Giles gewandt. „Da haben wir die Rebellen auch mit einem angeblichen Schatz aus ihren Verstecken gelockt.“

„Wird Edmund keinen Verdacht schöpfen, wenn ihm so schnell schon wieder ein Vermögen als Köder hingehalten wird?“, gab Sybilla zu bedenken.

„Oremund war derjenige, der in die Falle gelockt wurde. Edmund blieb gar keine andere Wahl als ihm zu folgen“, führte Soren aus, obwohl er sich geschworen hatte, kein Wort mehr mit seiner Frau zu reden. Zum Glück für ihn und seine rasch schwindende Selbstbeherrschung zog sie sich wieder zurück, nachdem sie einige gute Argumente beigesteuert hatte. Brice nickte ihr zu, sie wandte sich ab und sagte zum Glück nichts weiter zu Soren.

Der saß nur da und sah ihr nach.

„Soso, du hast also mit einer Frau über militärische Strategien gesprochen“, sagte Giles zu ihm.

„Sie hat einen scharfen Verstand und ein gutes Auge für Kleinigkeiten“, antwortete er und erntete für dieses Lob nur noch erstauntere und unverhohlen neugierige Blicke.

„Soren, gibt es denn gar keine Hoffnung auf Versöhnung?“, fragte Giles. „Es ist doch offensichtlich, dass euch beide vieles verbindet.“

„Wie würdet ihr euch fühlen, wenn eure Frauen euch voller Entsetzen und Mitleid ansehen würden? Ich jedenfalls könnte diesen Gesichtsausdruck nicht jeden Morgen nach dem Aufwachen und jeden Abend vor dem Zubettgehen ertragen!“

Es war ihm zuwider, dass so viele Leute von dem Streit und dem Grund dafür wussten, doch das ließ sich jetzt nicht mehr ändern. „Ich habe sie um eine Ehe auf Zeit gebeten, sie war einverstanden und leistet ihren Teil dieser Abmachung. Die Ernte ist fast abgeschlossen, die Lager sind so gut wie voll, und Alston ist für den Winter gerüstet. Wenn Edmund keine Bedrohung mehr darstellt, werde ich die Ehe aufheben lassen, wie ich es ihr versprochen habe.“

Sie wollten ihn in eine Diskussion verwickeln, aber das blockte er ab, indem er ein paar von seinen Leuten dazuholte, damit sie ihre Meinung zu dem Plan äußerten, Edmund eine Falle zu stellen. Wenige Stunden später verbreitete man auf dem Gut und in den umliegenden Dörfern die Nachricht, dass Lord Brice Reichtümer nach Hause zu bringen gedachte.

Dann teilten sie ihre Leute auf, damit die einen das Gut ausreichend beschützen konnten, während andere loszogen, um die Rebellen in Unruhe zu versetzen. Schließlich trieben sie sie von drei Seiten zusammen, und als die Schlacht geschlagen war und man alle Toten gezählt und namentlich erfasst hatte, stand fest, dass Edmund Haroldson weder im Norden noch irgendwo anders in England je wieder Ansprüche anmelden würde.

 

„Genügt der Schmerz nun endlich?“

Soren schaute über die Schulter und sah, wie Larenz sich zu ihm stellte. Er war hinaufgeritten in die Hügel und stand nun da, um das zu betrachten, was sie … und er errungen hatten, indem es ihnen gelungen war, das letzte Aufgebot der Rebellen niederzuschlagen und Williams Grenze zu den Schotten sicherer zu machen.

„Alles, was man erringt, hat seinen Preis, Larenz!“, gab Soren zurück. „Das hast du mich doch gelehrt.“

„Von allen Dingen, die ich dir je gesagt habe, hast du dir ausgerechnet das gemerkt?“

„Es entspricht der Wahrheit.“

Larenz atmete schnaubend aus. „Du liebst sie. Sie liebt dich. Du bist ein Narr. Das sind auch alles Wahrheiten.“

Am liebsten hätte er Soren gewürgt, weil der alles so aus dem Ruder hatte laufen lassen. Er war sich sicher, dass der Mann etwas gesehen hatte, was gar nicht da gewesen war, und dass er in die Worte der Lady eine Bedeutung hineingelesen hatte, die von ihr nie beabsichtigt gewesen war. „Lässt du die Frau, die du liebst, gehen, weil du Angst hast?“

Soren holte mit der Faust aus, aber Larenz hatte damit gerechnet und wich dem Hieb mühelos aus. „Ich halte mich an die getroffene Vereinbarung“, knurrte er.

„Du hast in ihren Augen nur gesehen, was du sehen wolltest, Soren, aber nicht das, was dort eigentlich zu finden war.“

„Dann habe ich mir ihre Abscheu und ihr Mitleid nur eingebildet?“

„Du hast dir eingeredet, dass sie so empfindet. Weil du glaubst, sie könnte dich nicht akzeptieren und in dir nicht den Mann sehen, der du hinter deinen Narben wirklich bist. Du hast ihr gar nicht erst eine Chance gegeben“, hielt Larenz ihm vor. „Und nur für den Fall, dass du dich irrst, hast du dann noch schnell dafür gesorgt, dass sie dich hasst, indem du ihr erzählst, dass du ihren Vater getötet hast.“

„Ich habe ihn ja auch getötet.“ Sorens Hand bewegte sich, als würde sie das Heft seines Schwerts umschließen, während er im Geist jenen Moment aus der Vergangenheit wieder durchlebte. „Als ich zu Boden ging, erstach ich ihn.“

„Er war längst tot, als du von ihm getroffen wurdest, Soren. Ein Pfeil steckte in seinem Rücken. Vermutlich hat er gar nicht mehr mitbekommen, dass seine Axt dich fast umbrachte.“

Soren drehte sich um und schüttelte den Kopf. „Als ich fiel, habe ich mit dem Schwert nach ihm ausgeholt. Ich habe ihn umgebracht“, beharrte er, war sich aber nicht mehr ganz so sicher, ob er sich tatsächlich an die Ereignisse erinnerte, wie sie sich abgespielt hatten. „Wenn es nicht so war, warum hast du mich in dem Glauben gelassen?“

„Weil du daran glauben musstest. Das gab dir die Kraft zum Überleben, aber jetzt stellt diese Lüge ein Hindernis zwischen euch beiden dar“, machte Larenz ihm deutlich. „Heute bist du stark genug für die Wahrheit, du kannst jetzt akzeptieren, dass du ihn nicht getötet hast. Und du bist verantwortlich für das, was zwischen euch beiden hier geschehen ist, nicht er.“

Larenz betrachtete Soren, der diesen schrecklichen Tag in Gedanken noch einmal durchlebte. „Du hast dich so viele Jahre auf dein gutes Aussehen verlassen, dass du irgendwann geglaubt hast, nichts weiter als dieser ‚schöne Bastard‘ zu sein. Ein Mann, der von Bett zu Bett und von Krieg zu Krieg zog und der kein anderes Leben kannte.“ Etwas sanfter fügte er hinzu: „Das wurde dir von Durward genommen, und du hattest nur noch deine Rachsucht, die dir einen Grund zum Leben gab. Sybilla hat dir diese Rachsucht und deinen Hass genommen, und jetzt weißt du nicht mehr, wer oder was du bist. Das macht dir Angst, was ich verstehen kann. Aber du darfst sie nicht aus Angst aufgeben.“

„Sie ist wunderschön, Larenz. Sie braucht einen Mann, den sie ansehen kann, ohne Abscheu zu empfinden.“

Daraufhin schlug ihm Larenz mit dem Handrücken ins Gesicht. „Mit diesen Worten beleidigst du Lady Sybilla!“

Soren wischte sich das Blut von der Lippe. „Ich kann nicht ertragen, wie es ihr zu viel wird, diesen Schrecken anzuschauen.“ Er deutete auf sein Gesicht. „Und ich kann es nicht mitansehen, wie sie sich in einen anderen verliebt, in jemanden, der aussieht, wie ich einmal aussah.“

„Du vertraust ihr nicht?“

Auf diese Frage antwortete Soren nicht.

„Damit dir vertraut wird, musst du Vertrauen geben. Hat sie dich nie nach deinen Verletzungen gefragt? Nie deine Narben ertastet?“ Als Soren weiter schwieg, fuhr Larenz kopfschüttelnd fort: „Du hast von einer jungen Frau, die noch nie die Gräuel des Krieges erlebt hat, erwartet, dass sie dich ansieht und keine Reaktion zeigt. Sie konnte nicht wissen, was sie zu sehen bekommen würde. Jetzt weiß sie es, jetzt versteht sie es. Vertrau ihr.“

Er konnte Soren anmerken, dass er über diese Worte nachdachte, doch seine Angst vor einer neuerlichen Zurückweisung war nahezu übermächtig. Dabei blieb ihm nicht mehr viel Zeit.

„Hast du sie gebeten, eure Vereinbarung aufzukündigen und bei dir zu bleiben? Oder hast du ihr gesagt, die Ehe ist beendet?“, drängte Larenz. Es war nicht seine Art, einen Mann herauszufordern, der ihm so gefährlich werden konnte, doch er musste zu Sorens Vernunft vordringen. „Lady Sybilla reist am Morgen mit Brice und Giles ab. Überlege gut, was aus dir und Alston werden wird, wenn du ohne sie leben musst. Und überlege gut, ob Leere und Bedauern dich genauso am Leben erhalten können wie die Rachsucht, die dich jetzt nicht mehr antreibt.“

Larenz kehrte zu seinem Pferd zurück und saß auf. Gautier hatte zwar immer behauptet, Soren sei der klügste seiner vier Söhne, doch im Augenblick zweifelte er sehr an der Urteilsfähigkeit seines Bruders.

 

Nachdem Larenz davongeritten war, stand Soren noch eine Weile da und dachte über all das nach, was der ältere Mann zu ihm gesagt hatte. Seine Erfahrungen als Krieger und als schöner Bastard halfen ihm jetzt nicht weiter. Dieses oberflächliche Dasein, das ihn von Frau zu Frau und von Kampf zu Kampf getrieben hatte, lag inzwischen hinter ihm. Aber konnte er tatsächlich die Zukunft am Schopf packen und die Vergangenheit hinter sich lassen?

Man hatte ihn stets nach seinem Aussehen beurteilt, nach seiner Statur, bis Sybilla ihn dazu gebracht hatte, sich Gedanken über die Werte in seinem Leben zu machen. Sie hatte nie den Mann erlebt, dem es egal war, ob die Frau, mit der er sich gerade vergnügte, mit einem anderen verheiratet war oder nicht. Auch wenn er sich Sybilla von einer düsteren, gefährlichen Seite gezeigt hatte, war sie über ihre Ängste hinausgewachsen und hatte ihn akzeptiert. Vermutlich hatte sie sich sogar ein wenig in ihn verliebt, als sie noch nicht das Ungeheuer hatte sehen können, das jeder andere in ihm sah.

Der Wind wehte ihm ins Gesicht und kühlte seine Haut. Sein Pferd wieherte, als wollte es ihn an die fortgeschrittene Tageszeit erinnern, woraufhin Soren die Zügel vom Ast losband und in die Hand nahm.

Er verstand, wie sehr Larenz mit seinen Worten recht hatte, und wenn er darüber nachdachte, zwischen welchen Möglichkeiten er wählen konnte, fühlte er Angst in sich aufsteigen.

Ohne Sybilla an seiner Seite würde sein Leben leer und seine Zukunft trostlos sein.

Sein Herz würde sich davon nie erholen und seine Seele würde verkümmern.

Er saß auf, schaute noch einmal hinab auf Alston, und dann wusste er, was er zu tun hatte.

Alston und Sybilla waren eins, und er konnte das eine nicht haben, wenn das andere fehlte.

Wenn er Sybilla nicht hatte, wollte er Alston nicht haben.

Er nahm all seinen Mut zusammen und wappnete sich für den einen Augenblick in seinem Leben, der ihn mehr mit Angst erfüllte als alles, was er je durchgemacht hatte.


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