Die Schöne und der Bastard - Kapitel 8

~ Kapitel 8 ~

Zunächst wollte Raed seinen Fehler nicht zugeben, aber Larenz hatte immer viel Geduld mit ihm, so wie früher sein Vater. Auch wenn Lord Soren ihm damit gedroht hatte, ihn zu verprügeln, war das bislang nicht vorgekommen. Stattdessen gab er ihm jeden Tag genug Essen, damit er nicht hungern musste, und am Abend ein warmes Nachtlager. Larenz hatte ihm gesagt, dass jeder Mensch Fehler machte und dass das nicht ganz so schlimm war, solange man daraus lernte. Als Raed nahe genug war, fuhr Larenz ihm mit der Hand durchs Haar, so wie der Junge es mit einem Hund des Müllers gemacht hatte, wenn er mit ihm spielen durfte.

„Alles in Ordnung?“, fragte Larenz. Er und die anderen Männer unterhielten sich in einer fremden Sprache, aber die meisten von ihnen konnten die hiesigen Wörter so deutlich aussprechen, dass er auch verstand. Nur ein paar von Lord Sorens Leuten taten das nicht, weshalb er ihnen befohlen hatte, es schnell zu lernen.

„Ich habe der Herrin die Botschaft überbracht, wie Lord Soren es mir gesagt hatte.“

„Und?“, fragte Larenz. „Was ist passiert? Hat sie ihm verweigert, ihre Gemächer zu benutzen?“

„Nein“, sagte Raed und schüttelte den Kopf. „Warum soll sie das machen? Er ist hier der Herr, ihm gehört alles.“ Für ihn war das alles völlig klar, nur wieso hatte Lady Sybilla das nicht verstanden?

Larenz lachte laut auf und schüttelte vergnügt den Kopf. „Junge, du hast keine Ahnung, was sich zwischen Männern und Frauen abspielt.“ Er kniete sich vor ihm hin, damit er Raed in die Augen sehen konnte. „Sag mir, was passiert ist.“

Raeds Hände waren nass geschwitzt, und er war voller Sorge wegen der Sache, die er der Herrin nicht gesagt hatte. Was würde Lord Soren mit ihm machen, wenn er davon erfuhr, dass sein zukünftiger Knappe seiner Pflicht nicht nachgekommen war?

„Ich habe ihr gesagt, dass Lord Soren heute ein Bad in ihr Gemach bringen lassen wird.“ Dann schluckte er und versuchte, Ruhe zu bewahren. „Aber ich habe vergessen, ihr zu sagen, dass das Bad für ihn ist.“

Wieder musste Larenz lachen, was andere auf sie beide aufmerksam werden ließ. Raed hoffte, das Gelächter sei ein Zeichen dafür, dass er sich keine Sorgen wegen seines Fehlers machen musste. „Soll ich noch mal zu Lady Sybilla gehen? Soll ich Lord Soren sagen, was passiert ist?“

Er würde die Prügel als Strafe für seinen Fehler hinnehmen, und er würde daraus lernen, wie er es ja auch sollte. Dann richtete sich Larenz wieder auf und fuhr ihm noch einmal durch die Haare, gleich darauf zog er ihn an seine Seite.

„Nein, Junge. Der größere Fehler wäre es, zwischen Lord Soren und Lady Sybilla zu geraten. Sollen die beiden das untereinander ausmachen.“

Raed lächelte und wollte Larenz’ Worten gerne Glauben schenken. Dennoch war er sich sicher, dass zwischen Lord Soren und Lady Sybilla etwas nicht stimmen konnte. Wenn die beiden genauso verheiratet waren wie seine Eltern, warum teilten sie sich dann nicht die Gemächer? Seit sie nach Alston gekommen waren, legte Lord Soren sich in dem kleinen Raum neben der Küche schlafen, und wenn er aß, dann zusammen mit seinen Leuten oder ganz allein. Lady Sybilla, die schwer verletzt worden war, blieb immer in ihren Gemächern. Keiner von beiden machte einen glücklichen Eindruck, und sie redeten auch kaum miteinander.

Wie eigenartig diese Adligen doch waren, ob verheiratet oder nicht. Ganz anders als die übrigen verheirateten Leute, die zusammenlebten und gemeinsam arbeiteten.

Vielleicht, so überlegte er, hatte sie ja auch Angst wegen Lord Sorens Aussehen. Ihm war es zuerst genauso ergangen, und es hatte eine Weile gedauert, sich daran zu gewöhnen. Ein paar Tage lang war es für Raed auch schwierig gewesen, aber jetzt störte er sich nicht mehr an den Narben, die eine Gesichtshälfte überzogen.

Hatte Lady Sybilla Lord Soren überhaupt gesehen, bevor sie erblindet war? Oder hatten die anderen schlecht über ihn geredet? Sie kam ihm nicht wie jemand vor, der sich schnell vor etwas fürchtete, aber er war ja auch nur ein kleiner Junge und sie kam aus einer wichtigen Familie hier oben im Norden. Das war sogar ihm klar.

„Raed, such nach dem Stallmeister und kümmere dich um Lord Sorens Pferd“, forderte Larenz ihn auf.

Sein Fehler konnte nicht zu schlimm gewesen sein, sonst hätte Larenz ihn nicht an seinen liebsten Ort von ganz Alston geschickt. Raed liebte die Arbeit mit den Pferden, und er konnte einfach nie genug davon bekommen, sich um Lord Sorens gewaltiges Ross zu kümmern.

„Wirklich?“, fragte er dennoch, um sich zu vergewissern, dass ihm tatsächlich kein schwerwiegender Fehler unterlaufen war.

„Aye, Junge. Geh jetzt“, bestätigte Larenz, und Raed kam dem Befehl auf der Stelle nach.

Er rannte los in Richtung der Ställe und drehte sich nicht einmal um, als er Larenz erneut laut lachen hörte.

 

Larenz konnte vor Belustigung nicht an sich halten, als er dem Engländerjungen hinterher sah, wie der davonlief. Er war ein guter Junge, er tat, was man ihm sagte, und er bemühte sich, Sorens Befehle nach bestem Können zu erledigen und hier in Alston ein neues Leben zu beginnen. Nicht einmal dann, wenn sich Soren von seiner übelsten Seite zeigte, konnte er dem Jungen Angst machen, während viele ältere und weisere Männer vor Schreck zu zittern begannen. Dieser Junge dagegen wich keinen Schritt zurück, und es war nicht zu übersehen, dass Soren daran Gefallen fand.

Larenz konnte ihn ebenfalls gut leiden, weil er willensstark und gutherzig war, obwohl er seine Eltern und sämtliches Hab und Gut verloren hatte, als Oremund das Dorf Shildon auslöschte, damit es nicht den Normannen in die Hände fallen konnte. Während er dem Jungen hinterherschaute, fühlte sich Larenz an die Zeit erinnert, als Soren noch in diesem Alter gewesen war. Er selbst war fast zwanzig Jahre älter als Soren, und er hatte einen Teil von dessen Ausbildung begleitet und später mit ihm unter William gedient, als der nach dem Thron von England griff.

Er entdeckte Soren, der mit Stephen und Guermont den Hof überquerte. Einen Augenblick lang fühlte er sich versucht, Soren von dem Patzer des Jungen zu berichten, doch dann entschied er sich dagegen. Sie alle mussten mitansehen, wie Soren und Lady Sybilla sich gegenseitig aus dem Weg gingen – er mit Vorsatz, sie aus anderen Gründen –, doch diesem Hin und Her musste ein Ende bereitet werden. Wenn sie beide nicht Frieden schlossen, würde Alston ein Schauplatz des Kampfs Angelsachsen gegen Normannen und Bretonen, Männer gegen Frauen, einfaches Volk gegen seine Herrscher bleiben. Alles hing von dem Verhältnis zwischen Soren und Sybilla ab, wenngleich die beiden davon noch nichts ahnten.

Vielleicht würde dieser ohne jeden Hintergedanken begangene Fehler die zwei näher zusammenbringen. Beide hatten vieles gemeinsam, und wenn sie ein Paar waren, würde der eine vom anderen lernen können.

Sicher, es würde Streitigkeiten geben, aber die ließen sich am besten aus dem Weg räumen, wenn Soren und Sybilla ihre Zeit gemeinsam verbrachten. Außerdem hatte er noch nie zuvor zwei so eng verwandte Seelen erlebt, die es mehr verdient hätten, ein Paar zu sein. Mit einem letzten herzhaften Lachen ging er davon, um sich seinen eigenen Aufgaben zu widmen. Er war fest entschlossen, den Mund zu halten, damit die beiden ihre Probleme gemeinsam lösten.

Gott möge ihnen allen gnädig sein, wenn sich dieser Versuch als Fehlschlag erweisen sollte.


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