Leidenschaft, so heiß wie der Wüstenwind

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Es ist die Chance ihres Lebens: Die schöne Eventmanagerin Samantha wird von Scheich Khaled Alzadikh beauftragt, sich auf seiner Luxusjacht um das kulinarische Wohl seiner Gäste zu kümmern. Was sie so gut macht, dass der Wüstenprinz sie auch bittet, die Hochzeit seines Bruders zu organisieren. Als Samantha mit ihrem feurigen Boss während dieser Party tanzt, ahnt sie, dass die Nacht für sie in einem lustvollen Rausch enden wird! Aber sie kennt nicht Khaleds Spitznamen: Mr. Never Twice – der Mann, der nie zweimal mit derselben Frau schläft …


  • Erscheinungstag 03.09.2024
  • Bandnummer 182024
  • ISBN / Artikelnummer 0800240018
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

Überleben. Das war es, was Samantha Roberts jeden Tag tat. Seit zweiundzwanzig Jahren.

Mit vier Jahren hatte Sam alle ihre Angehörigen auf einen Schlag verloren. Es war bei einem Busunfall passiert, auf der Fahrt zu einem der beliebten Freizeitparks. Ihre gesamte Familie hatte an der Feier teilgenommen. Aber ausgerechnet auf dieser Fahrt war der Reisebus von der Spur abgekommen … Nur das Geburtstagskind hatte das Unglück überlebt.

Den Rest ihrer Kindheit hatte sie in einem Waisenhaus verbracht. Und dort hatte sie begriffen, dass Kontrolle der einzige Weg war, den ungeheuren Verlust zu verarbeiten. Die Erkenntnis hatte sie vom traumatisierten Teenager in eine entschlossene junge Frau verwandelt, die von nun an ihr Leben selbst in die Hand genommen hatte.

Und dieser Linie war sie seither treu geblieben. Bis auf eine Ausnahme, die allerdings hatte sich noch einmal als fatal erwiesen: Mit einundzwanzig Jahren war Sam unglücklicherweise einem attraktiven Banker begegnet, von dem sie sich hatte überreden lassen, mit ihrem Erbe für den Kredit für ein gemeinsames Haus zu bürgen. Das Geld schien Sam für ein gemeinsames glückliches Leben gut angelegt zu sein, kurze Zeit später jedoch hatte Steven von Liebe nichts mehr wissen wollten – und Sam saß seither auf einem Berg Schulden, der sich nur langsam abbauen ließ.

Mittlerweile sechsundzwanzig Jahre alt, hatte sie alle hochfliegenden Träume begraben und stattdessen eine Ausbildung im Gastronomiegewerbe absolviert. Inzwischen war sie in ihrem Beruf so gut, dass ihr jetziger Chef, Mr. Albert Timburry, sie vor ein paar Monaten von ihrem ursprünglichen Arbeitgeber abgeworben hatte. Seitdem war sie im Palladium Palace angestellt. Zunächst als Servicekraft in dem angegliederten First-Class-Restaurant, später dann auch als Hausdame.

Sam tat tatsächlich fast nichts anderes als arbeiten, denn die ständige Beschäftigung half ihr, nicht allzu viel über ihr jetziges Leben nachzudenken, außerdem ließen sich auf diese Weise die Schulden schneller tilgen. Wenn sie für Mr. Timburry so hart weiterarbeitete wie bisher, wäre sie mit achtunddreißig schuldenfrei!

In das Palladium Palace kam man normalerweise ohne eine entsprechende Mitgliedschaft gar nicht hinein. In dem Luxushotel trafen sich die Reichsten der Reichen. Um Geschäfte zu machen, Konditionen auszuhandeln, sich Vorteile zu verschaffen oder Verträge aufzusetzen. Hier zeigten sie, was sie besaßen: Die Damen führten Brillanten, exquisite Kleider und luxuriöse Handtaschen aus, die Herren teure Uhren, elegante Schreibgeräte und Autoschlüssel, deren zugehörige Luxuskarossen auf dem hoteleigenen Parkdeck auf sie warteten. Samantha blieb immer noch jedes Mal der Atem weg, wenn sie sah, was allein auf dem Parkdeck des Wolkenkratzers an Reichtum herumstand.

Mr. Timburry hatte schnell ihr Talent erkannt, mit Charme und Verhandlungsgeschick selbst schwierige Gäste zu beruhigen und ihr deshalb eine Zusatzausbildung im Krisenmanagement angeboten. Schon jetzt rief er sie oft dazu, wenn im Restaurant mal wieder Wogen geglättet werden mussten, obwohl noch einige Wochen bis zum Ausbildungsende vor ihr lagen. Schon mehrfach hatte er betont, dass er mit ihr, Sam, einen echten Glücksgriff getan habe.

Das dachte auch Prinz Khaled, der mit seinem alten Geschäftsfreund Albert Timburry im Palladium Palace wegen einer dringenden Angelegenheit verabredet war und jetzt fragend mit dem Kinn auf die ihm unbekannte Servicekraft deutete, die gerade an einem anderen Tisch die Teller abräumte.

Die junge Frau trug einen modischen Kurzhaarschnitt – etwas, was Khaled normalerweise sofort veranlasste, den Blick wieder abzuwenden, denn kurze Haare bei Frauen erinnerten ihn zu sehr an das schmerzlichste Erlebnis seines Lebens. Aber da waren auch diese bezaubernden Grübchen in ihren Wangen. Die witzigen Sommersprossen auf der Nase. Sowie die perfekte Figur mit Kurven an den genau richtigen Stellen.

„Ach, Sie meinen Samantha Roberts“, meinte Albert Timburry. „Ja, Sam ist erst seit zehn Monaten bei uns. Ein absolutes Talent, wenn Sie mich fragen. Sie ist wie gemacht für diesen Beruf, sie hat den Servicegedanken voll und ganz verinnerlicht. Die wird es noch weit bringen in der gehobenen Gastronomie, da bin ich mir sicher.“

Khaled schüttelte ironisch den Kopf. Gehobene Gastronomie? Es war ein gnadenloses Understatement, was sein alter Freund Timburry hier von sich gab. Das Palladium Palace zählte zu den absoluten Spitzenlokalitäten, und das nicht nur in London. Das Palladium, wie es der Kürze halber genannt wurde, war auf der ganzen Welt bekannt. Ohne Monate im Voraus getätigte Reservierungen war ein Besuch im Restaurant aussichtslos.

Was allerdings nicht für alle Gäste galt. Für Kunden wie Khaled war immer ein Tisch frei, das schien für Albert Timburry ein selbst ernanntes Gebot zu sein. Es mochte mit Khaleds Status zusammenhängen. Als zweitältester Sohn eines Königs verfügte man nun mal über ein großzügigeres Budget.

Khaled hielt sich nicht oft in London auf, aber wenn er hier war, stattete er dem Palladium regelmäßig einen Besuch ab. Die englische Finanzmetropole faszinierte ihn. Sogar das trübe Wetter hier mochte er. Es korrespondierte mit der schmerzlichen Melancholie, die ihn manchmal überfiel. Außerdem brauchte er hin und wieder ein bisschen Abstand von Bandhrazar, das er zwar liebte, dessen Traditionen, Sitten und Gebräuchen er aber oft als zu streng empfand.

Aus den Augenwinkeln beobachtete er die junge Kellnerin. Schön war sie, das musste man ihr lassen. Sogar trotz der kurzen Haare. Der Schnitt betonte auf unerwartete Weise ihre hohen Wangenknochen, und die Art, wie sie sich bewegte, war unvergleichlich. Sie hatte etwas Geschmeidiges an sich, fast wie eine Tigerin, die geschickt durch den Dschungel schlich. Sie bewegte sich zwischen den Tischen so selbstverständlich, als wäre das Restaurant ihr Wohnzimmer, wobei ihrem aufmerksamen Blick tatsächlich nichts entging. Hatte ein Gast sein Glas ausgetrunken, war sie sofort da, um nachzuschenken, fehlte irgendwo ein Buttermesser, zauberte sie in Sekundenschnelle eins herbei, schickten sich Gäste an zu zahlen, trat sie schon mit dezentem Schritt mit der Rechnung an den Tisch heran.

Wie hatte Albert Timburry es formuliert? Sie hat den Servicegedanken voll und ganz verinnerlicht.

Galt das eventuell auch für andere, pikantere Situationen?

Nun, er würde es testen. Mit genüsslichem Blick setzte Khaled diese Samantha in Gedanken auf die Liste seiner Eroberungen. Obwohl Liste hierfür nicht das richtige Wort war, denn eine Liste führte Prinz Khaled Alzadikh, den seine Freunde auch „Mr. Never Twice“ nannten, längst nicht mehr.

Die Arbeit machte ihr Spaß. Natürlich war sich hin und wieder ein Gast seines Reichtums zu sehr bewusst und glaubte, das Personal deshalb schikanieren zu können. Aber im großen Ganzen benahmen sich die Gäste anständig, behandelten die Servicekräfte freundlich und gaben oft ein Trinkgeld, das Sam immer noch erstaunte.

Selbstverständlich war es nie Sams Intention gewesen, wegen der hohen Trinkgelder in einem Luxushotel zu arbeiten, auch wenn das natürlich ein sehr angenehmer Nebeneffekt ihrer Tätigkeit war. Während ihrer Ausbildung hatte sie die Arbeit in der Küche sehr genossen. Sie konnte mehrgängige Gerichte in exzellenter Qualität zubereiten, wusste alles über Zutaten, Zubereitungsarten und adäquates Anrichten. Hier im Palladium Palace aber arbeitete sie am liebsten im Service, im direkten Kontakt mit den Gästen, denn sie stand im Ruf, auch in den stressigsten Momenten die Nerven behalten zu können.

Was nun wahrlich kein Wunder war, denn wenn man wie sie eine Kindheit ohne Eltern überlebt hatte, dann brachte einen so schnell nichts mehr aus der Fassung. Wer Streitereien und Kämpfe im Waisenhaus mehrheitlich für sich entschieden hatte, der konnte auch mit schwierigen Gästen umgehen. Deshalb war Sam sowohl im Restaurant als auch im Hotel als Managerin kritischer Situationen gefragt, sodass Mr. Timburry ihr schließlich die Zusatzausbildung als Krisenmanagerin vorgeschlagen hatte und sie sogar finanzierte. Offenbar hatte sich ihr guter Ruf auch schon in London herumgesprochen, denn manchmal wollten sogar Gäste, die noch nie im Palladium Palace gegessen hatten, von ihr bedient werden.

Wie anscheinend auch jener Gast, zu dem Mr. Timburry sich schon vor einer halben Stunde gesetzt hatte. Es schien ein besonderer Gast zu sein, denn so lange verweilte der Chef normalerweise nicht an einem Tisch. Die anderen Gäste sollten schließlich nicht das Gefühl bekommen, weniger wert zu sein. Eben hatte Mr. Timburry ihr mit einer leichten Handbewegung ein Zeichen gegeben.

Sam trat an den Tisch und spürte, wie sie von dem Gast interessiert gemustert wurde, wobei dieser Blick schon mehr als einfaches Interesse signalisierte. Das Verhalten dieses Gasts war schon beinahe unverschämt.

Herausfordernd hob Sam den Kopf schaute dem Mann direkt in die Augen, denn das stoppte solches Verhalten meistens. Nicht aber bei diesem Gast. Im Gegenteil, jetzt kam sein Blick noch intensiver zurück, sodass Sam in ihrer Arbeitskleidung zu schwitzen begann. Verwirrt spürte sie, wie sich feine Schweißperlen auf ihrer Haut bildeten und ihr in den Ausschnitt rannen, der Gott sei Dank von der Bluse bedeckt war. Gänsehaut trat auf ihre Arme, was unter den Ärmeln ihres Blazers glücklicherweise ebenfalls nicht zu sehen war.

Aber die leichte Röte, die sie in ihre Wangen steigen fühlte, war sicher unübersehbar. Sie räusperte sich kurz.

„Mr. Timburry?“

„Sam, ich möchte Ihnen Mr. Alzadikh aus Bandhrazar vorstellen. Er ist einer unserer VIP-Gäste.“

Bandhrazar? dachte Sam. Nie gehört. Wo lag das? Der Name klang exotisch.

Sie deutete eine unmerkliche Verbeugung an. „Herzlich willkommen im Palladium Palace, Mr. Alzadikh.“

Auch sein Name klang exotisch. Aber der Blick, den Mr. Unverschämt jetzt auf sie richtete, brannte sich förmlich in sie hinein. Hatte sie solche Augen schon jemals gesehen? Sie funkelten dunkel, fast schwarz, und waren voller Glut, was wie ein Gegensatz klang – aber keiner war, wie Sam überrascht feststellte. Schwarze Augen konnten tatsächlich glühen.

Und gleichzeitig lag eine kühle Gleichgültigkeit in diesen Augen. Oder nein, diese Emotion war nur vorgeschoben. Ein unvermittelter Schauer lief Sam über den Rücken, als sie den Schmerz hinter dem zur Schau gestellten Gleichmut erkannte. Nur für den Bruchteil einer Sekunde, bevor sich eine amüsierte Selbstsicherheit über seinen Blick schob. Aber damit konnte er sie nicht täuschen. Sie hatte bereits wahrgenommen, was er zu verbergen versuchte: ein Gefühl der Verlassenheit, Trauer und abgrundtiefer Einsamkeit.

Es war ein Gefühl, das sie selbst nur allzu gut kannte. Dieser Mr. Alzadikh aus Bandhrazar hatte definitiv schon einen großen Verlust erlitten, das wurde Sam plötzlich klar. Und genau wie ihre Wunde blutete seine ebenfalls noch … Wer war dieser Mann, der sie so unvermittelt an den größten Schmerz in ihrem Leben erinnerte? Ein wehes Gefühl erfasste Sam.

„Mr. Alzadikh ist nicht oft in London, aber wenn, führt ihn sein Weg immer zuerst ins Palladium Palace“, sagte Mr. Timburry in diesem Augenblick zu Sam.

„Das freut mich.“ Sam schluckte, weil ihr die Kehle trocken geworden war. „Demnach sagt Ihnen unser Restaurant zu, Mr. Alzadikh? Logieren Sie auch hier?“

Täuschte sie sich, oder klang ihre Stimme belegt? Hoffentlich bemerkte es ihr Chef nicht. Mr. Timburry legte großen Wert darauf, dass seine Gäste hochprofessionell bedient wurden. Wer auch nur ein einziges Mal versuchte, aus dem geschäftlichen Verhältnis ein privates werden zu lassen, und sei es durch einen noch so kleinen Flirt, konnte sich seine Papiere abholen.

Mr. Alzadikh musterte Sam mit einem ironischen Gesichtsausdruck.

„Ich bin meistens geschäftlich hier“, erwiderte er. „Allerdings nur zum Essen.“

Gehörte er vielleicht zu jenen Menschen, die hier einfach ihre Ruhe suchten? Aber warum hatte Mr. Timburry sie dann hinzugerufen? Wollte der Chef sie testen? Sollte sie mal wieder demonstrieren, wie man mit einem besonders anspruchsvollen Gast umging? Nun gut, das konnte sie. Small Talk gehörte zum Geschäft, das hatte sie gelernt. Sam straffte die Schultern und setzte ein höfliches professionelles Lächeln auf.

„Für Geschäftliches ist die City von London tatsächlich der geeignetste Platz.“

„Durchaus“, entgegnete der Mann, während er den Blick aus seinen schwarzen Augen weiterhin auf ihr verweilen ließ.

„Und das Palladium Palace ist dabei eine besonders gute Anlaufstelle.“

„Auch das stimmt“, erwiderte er.

„Der Blick von unserer Dachterrasse über das Bankenviertel wird von unseren Kunden weltweit weiterempfohlen.“

„Nicht zu Unrecht.“

„Aber auch sonst gibt es in London eine Menge Interessantes zu sehen.“

„Davon bin ich überzeugt.“ Ein ironisches Funkeln glomm in seinen Augen auf.

Sam biss sich auf die Unterlippe. Mit seinen kurzen Antworten brachte der Gast sie in die Bredouille, langsam gingen ihr die Floskeln aus. Es war nicht einfach, Sätze zu finden, die einem Gast ein Gespräch vorgaukelten, ihm aber weder geschäftliche Informationen entlockten noch als Anzüglichkeiten missverstanden werden konnten.

Gerade wollte sie sich eine neue Strategie überlegen, als er ihr zuvorkam.

„Wie lange arbeiten Sie eigentlich schon im Palladium? Ich habe Sie hier noch nie gesehen, Miss …“

„Roberts. Im August werden es zehn Monate. Ich habe letztes Jahr im Oktober hier angefangen.“

„Und was haben Sie zuvor gemacht? Ich habe Sie beobachtet. Sie wirken sehr professionell.“

„Nun“, antwortete Samantha, während ihr wieder das Blut in die Wangen schoss, „dies hier ist ein Fünf-Sterne-Restaurant. Hier arbeitet nur bestens geschultes Personal. Alles andere wäre … unprofessionell.“

In die Augen von Mr. Unverschämt stahl sich erneut ein ironischer Ausdruck. „Das mag sein. Aber verraten Sie mir doch bitte: Warum tragen Sie Ihre Haare wie ein Mann?“

Jetzt hatte er sie da, wo er sie haben wollte: Sie wirkte überrumpelt. Wusste anscheinend nicht, was sie sagen sollte. Bevor sie sich fangen konnte, legte er nach. „Ich bin sicher, lange Haare würden Ihnen besser stehen. Ist dieses Blond eigentlich echt?“

Er sah, wie sich ihre meergrünen Augen für eine Sekunde verengten. Das wirkte schon eher angriffslustig. Ein kurzer Blick auf ihren Chef, dann antwortete sie.

„Es gibt in der Gastronomie für Servicepersonal bezüglich der Haare eigentlich nur ein Gebot, Mr. Alzadikh“, sagte sie langsam und sah ihn gelassen an. „Der Gast sollte sie möglichst nicht in seiner Suppe finden.“ Sie machte eine kleine Pause. „Aber sie auch nicht extra dort suchen.“

Überrascht zuckte er zusammen. Ihre Stimme hatte weder zickig geklungen noch war sie in die Rolle des Opferlamms verfallen. Ihre Antwort war sachlich neutral gewesen, aber gleichzeitig eine sehr deutliche Ansage an seine Adresse, sich gefälligst zusammenzunehmen.

Interessiert lehnte er sich zurück. Es war an der Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen.

2. KAPITEL

Mit einem siegessicheren Lächeln wandte er sich der jungen Frau zu.

„Mr. Timburry hat Ihnen bisher nur wenige Informationen über mich zukommen lassen. Die ich gern ergänzen würde, bevor ich Ihnen eine Frage stelle.“

Ihre meergrünen Augen faszinierten ihn über die Maßen. Sie waren wie Brunnen in der Wüste, die den dürstenden Wanderer mit Macht zu sich lockten. Wenn man nicht aufpasste, konnte man sich in solchen Augen verlieren. Was ihm allerdings erst ein einziges Mal passiert war, damals …

„Ja, Mr. Alzadikh?“, Ihre angenehme Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

„Ganz kurzfristig habe ich für heute Abend ein Geschäftsessen für insgesamt zehn Personen ansetzen müssen. Aber aus bestimmten Gründen hätte ich gern, dass es bei mir stattfindet. Ich bräuchte deshalb ein Catering …“

Er sah, wie ihr Blick erstaunt zu Albert Timburry wanderte.

„Ja“, bekräftigte der, „ich habe Mr. Alzadikh schon zugesagt, dass wir das Catering übernehmen. Und ich hatte die Idee, Ihnen, Sam, die Leitung zu übertragen.“

„M… mir?“, stammelte sie überrascht. „Aber ich bin doch noch …“

„Wenn Sie sich das noch nicht zutrauen“, unterbrach Albert Timburry sie, „sagen Sie es ruhig. Das nimmt Ihnen keiner übel. Ich dachte nur, es wäre eine gute Gelegenheit, Ihr Können jetzt schon mal unter Beweis zu stellen.“

„Meine Jacht liegt im Londoner Hafen“, ergänzte Khaled die Worte des Hotelchefs und nahm sie fester in den Blick. „Sehen Sie sich in der Lage, das Catering für mich auszurichten?“

„Ja“, erwiderte Samantha Roberts ohne einen Augenblick Bedenkzeit. „Allerdings nur, wenn ich genügend Personal bekomme. Mr. Timburry?“

„Machen Sie sich da mal keine Sorgen, Sam“, versicherte der Hotelchef ihr. „Ich stelle natürlich genügend Leute für die Vorbereitungen ab. Auf die Jacht würden Sie dann allerdings nur zu zweit gehen, ich brauche hier alle für die Abendschicht. Und Sie müssten mir spätestens in einer halben Stunde einen ausführlichen Menüplan vorlegen.“

„Also?“, hakte Khaled noch einmal nach und sah der jungen Frau forschend in die Augen. „Kriegen Sie das hin?“

Sie gab seinen Blick selbstbewusst zurück. „Sagte ich das nicht eben, Mr. Alzadikh?“

Mit sicherer Hand lenkte Sam den Kleintransporter des Restaurants an den Pier im Hafen heran, wo die Privatjachten lagen. Inzwischen war es kurz vor acht Uhr abends. Neben ihr lehnte ihr Kollege Marc sich nach vorn und schaute durch die Windschutzscheibe. Marc war ein bisschen in sie verliebt, das wusste Sam, aber sie hatte ihm nie Anlass gegeben, sich ernsthafte Hoffnungen zu machen.

Von einigen Metern Entfernung winkte ihnen ein Mann zu. Sam ließ den Wagen langsam an ihn heranrollen, stoppte und öffnete die Tür.

„Ja?“

„Miss Roberts?“, fragte der Mann.

„Die bin ich. Und das hier ist mein Kollege Marc Smith. Wir sind …“

„Angenehm. Ich bin Bhai Nazari. Ich soll Sie auf das Schiff von Mr. Alzadikh bringen. Fahren Sie den Wagen bitte ganz an den Steg heran, damit wir die Ladung an Bord bekommen. Brauchen Sie Hilfe? Ich kann einige Männer rufen.“

„Das wäre sehr nett“, erwiderte Sam, denn tatsächlich waren mehrere schwere Boxen aufs Schiff zu tragen, außerdem Küchengeräte, darunter ein transportabler Herd. Es war eine der ersten Lektionen, die Sam im Palladium Palace von Mr. Timburry gelernt hatte: Sorge für alle Eventualitäten vor. Hab immer bei dir, was du brauchst, um deine Arbeit exzellent ausführen zu können. Verlass dich niemals auf die Zusagen von anderen. Es schien, als wäre der Hotelchef ebenso ein Kontrollfanatiker wie sie selbst. Er überließ nichts dem Zufall, genau wie sie.

Sam schloss die Tür des Transporters und steuerte ihn an die beschriebene Stelle. Dort stiegen sie aus und mussten als Erstes einen Sicherheitscheck über sich ergehen lassen, wobei einer der Männer sogar unter das Auto kroch und den Unterboden überprüfte.

„Was soll das denn?“, empörte sich Marc. „Glauben Sie im Ernst, wir könnten eine Bombe dabeihaben?“

Der Sicherheitsmann warf ihm einen genervten Blick zu. „Ich entschuldige mich in aller Form für die Unannehmlichkeiten“, sagte er. „Aber die Überprüfung ist unerlässlich.“

„Hat Ihr Name eigentlich eine Bedeutung?“, fragte Sam und versuchte so, die unangenehme Situation zu entschärfen.

„Nazari hat etwas mit ‚sehen‘ zu tun“, erklärte der Mann knapp.

„Na, das passt ja bestens“, grummelte Marc im Hintergrund. „So wie wir hier gefilzt werden …“

„Und ‚Bhai‘, was bedeutet das?“, fragte Sam in der Hoffnung, dass der Mann Marcs Kommentar nicht mitbekommen hatte.

„Bhai ist kein Name, sondern eine Bezeichnung. Es bedeutet so viel wie Mister. Allerdings tragen diesen Titel nur Männer, die in einem ganz bestimmten Dienstverhältnis zu ihrem Arbeitgeber stehen.“

„Und was für ein Dienstverhältnis wäre das?“, erkundigte Sam sich.

„Eins, in dem man einen Treueschwur abgelegt hat“, entgegnete der Mann wenig auskunftsfreudig. „Sie können mich Bhai Nazari oder Mr. Nazari nennen, wie es Ihnen beliebt.“

Einen Treueschwur? dachte Sam überrascht. Wer war dieser Mr. Alzadikh, dass die Leute ihm sogar Treue schworen? War das eine Marotte, die reiche Leute sich zulegten, wenn sie über zu viel Geld verfügten?

Nachdem sie den Sicherheitscheck hinter sich gebracht hatten, durften sie die Jacht betreten. Hinter Bhai Nazari gingen sie einen Gang entlang, dessen Wände mit edlem Holz getäfelt waren. Der Boden war mit weichen Teppichen ausgeschlagen, und an den Wänden standen kleine Tische mit fremdartigen Kunstwerken, die, vermutlich wegen Seegangs, gesichert waren. Die Türen, die den Gang rechts und links säumten, waren ebenfalls aus teurem Holz und zeigen kunstvolle Intarsien mit Blüten, exotischen Vögel und Früchten, die Türgriffe schimmerten in einem warmen Goldton.

Schließlich blieb Bhai Nazari vor einem Raum stehen. „Die Küche“, sagte er und öffnete die Tür.

Sobald alles an Bord gebracht worden war, machte Sam sich mit Marc an die Arbeit. Gemeinsam packten sie die Boxen aus. Für den ersten Gang hatte Sam eine Hummerbisque geplant, eine geschmacksintensive Suppe aus den Schalen von Krustentieren. Die Schalen hatte sie schon im Restaurant in einem Mixer pulverisiert, dann in einer Fischbrühe mit Reis gebunden und mit Sahne abgeschmeckt, bevor die Suppe nun hier in Tassen angerichtet wurde. Das Rezept gehörte zu den Basics der gehobenen Gastronomie. Als Getränk dazu hatte Sam eine hausgemachte Limonade geplant, die sie ebenfalls schon vor Stunden angesetzt hatte und die inzwischen gut durchgezogen war.

Mit den Suppentassen, einem Krug mit der Limonade und zehn edlen kristallgeschliffenen Gläsern machten sie sich auf den Weg in den Salon, wo das Essen stattfinden sollte. Elf Männer hatten dort an einem großen Tisch Platz genommen, an der Stirnseite saß der Gastgeber, Mr. Alzadikh. Jetzt trug er keinen Businessanzug, sondern eine Art Tunika aus einem cremefarbenen Stoff, der aus reiner Seide sein musste, so sehr schimmerte er bei jeder Bewegung. Ein Turban aus Tuch von derselben Farbe umrahmte sein ebenmäßiges Gesicht und ließ seine Augen noch geheimnisvoller erscheinen. Die Kleidung stand ihm fantastisch.

„Da hätten wir also den ersten Gang, meine Herren, ausgerichtet vom Palladium Palace“, sagte er zu den Anwesenden. „Was genau erwartet uns denn?“

Sam setzte das Tablett auf einem Beistelltisch ab. „Also, als Erstes hätten wir hier eine Bisque vom Hummer und anderen Schalentieren“, erklärte sie, während Marc begann, die Suppentassen vor den Gästen abzustellen. „Ich dachte mir, dass ein Essen auf einem Schiff natürlich einen maritimen Schwerpunkt haben sollte. Dazu servieren wir ein erfrischendes Getränk aus Minze, Zitrone und einer Spur Cayenne-Pfeffer, der den Geschmack der Bisque hervorheben wird.“

Autor

Ally Evans
<p>Ally Evans kam erst spät zum Schreiben. Als Fremdsprachenlehrerin und Bibliothekarin arbeitete sie zuvor in Berufen, die immer auch mit Sprache oder Büchern zu tun hatten. Heute geht sie zum Schreiben gern in Cafés, genießt dort eine heiße Schokolade und lässt sich für ihre mitreißenden Romances von ihren Reisen inspirieren,...
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