Die Herren der Unterwelt 6: Schwarze Lügen

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Sie wollen Gutes und sind doch zum Bösen verdammt: die Herren der Unterwelt. Sechster Teil der preisgekrönten Lords of the Underworld-Serie von New York Times Bestseller-Autorin Gena Showalter.

Er darf alles, nur eins ist ihm bei Todesqualen verboten: die Wahrheit zu sagen. Gideon ist der fünfte Herr der Unterwelt, und in ihm haust der Dämon der Lüge.
Und so wie er selbst Wahres nicht benennen darf, so erkennt er bei anderen sofort die Lüge. Bis er auf Scarlet trifft, eine ebenfalls unsterbliche Seele. Sie behauptet, seine Frau zu sein: der Mensch, den er einst geheiratet und leidenschaftlich geliebt hat. Doch so wenig Gideon sich erinnern kann, so wenig deutet darauf hin, dass Scarlet lügt.
Im Gegenteil: In ihrer Gegenwart flammt in Gideon ein längst vergessenes Verlangen neu auf. Doch er darf ihm nicht nachgeben, denn damit würde er Scarlet in tödliche Gefahr bringen …


  • Erscheinungstag 10.11.2011
  • Bandnummer 6
  • ISBN / Artikelnummer 9783862781225
  • Seitenanzahl 464
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

LIEBE LESERINNEN,

ich freue mich, Ihnen Schwarze Lügen präsentieren zu dürfen, den sechsten Teil meiner Serie „Die Herren der Unterwelt“. In einer abgelegenen Festung in Budapest leben zwölf unsterbliche Krieger – einer gefährlicher und verführerischer als der andere. Auf jedem einzelnen lastet ein uralter Fluch, den bislang niemand brechen konnte. Als ein mächtiger Feind zurückkehrt, machen sie sich auf die Suche nach einer heiligen Reliquie – einer Reliquie, die sie alle zu vernichten droht.

In dieser Geschichte kämpft Gideon, der Hüter der Lüge, gegen Scarlet, die Hüterin der Albträume. Und mit „kämpft“ meine ich natürlich verführt, verärgert, verblüfft und verzaubert. Sie behauptet, seine lang verlorene Ehefrau zu sein – das Problem ist nur, dass er sich nicht an sie erinnern kann. Aber er will sie trotzdem. Und wie! Und er wird alles tun, um sie zu bekommen …

Begleiten Sie mich auf einer Reise durch diese düstere und sinnliche Welt, in der die Grenze zwischen Gut und Böse verschwimmt und die wahre Liebe auf eine harte Probe gestellt wird! Und seien Sie bereit für weitere Abenteuer der Herren der Unterwelt, in denen die Risiken noch größer, die Suche noch gefährlicher und die Liebesgeschichten noch heißer werden!

Mit den besten Grüßen

Gena Showalter

PROLOG

Tief in Gedanken blickte Gideon hinab auf die Frau, die da vor ihm auf einem Bett aus wolkenweicher, himmelblauer Baumwolle schlief.

Seine Frau.

Möglicherweise.

Tintenschwarzes Haar fiel in glatten Strähnen um ihr sinnliches Gesicht, und ihre langen Wimpern warfen Schatten auf die anmutig geschwungenen Wangenknochen. Eine ihrer Hände ruhte mit locker gekrümmten Fingern an ihrer Schläfe, und die azurblau lackierten Fingernägel glänzten im goldenen Schein der Lampe. Ihre Nase hatte die perfekte Größe und Form, ihr Kinn wirkte kämpferisch, und ihre Lippen waren so voll – und so rot –, wie er es noch nie gesehen hatte.

Und ihr Körper … Götter! Vielleicht waren diese sündhaften Kurven der Grund dafür, dass sie den Namen Scarlet trug. Ihre aufreizend gerundeten Brüste … die zarte Kurve ihrer Taille … die Form ihrer Hüften … die langen, schlanken Beine … Jeder Zentimeter ihres Körpers war wie dafür gemacht, zu locken und zu verführen.

Ohne Zweifel war sie die auf quälende Art schönste Frau, die ihm je begegnet war. Eine wahre schlafende Schönheit. Nur dass ihm diese Schönheit verdammt gefährlich werden würde, wenn er versuchte, sie wach zu küssen.

Bei dem Gedanken musste er voller Genugtuung grinsen.

Ein Blick, und jeder Mann erkannte, dass sie unter dieser schneeweißen Haut vor Leidenschaft und Feuer brannte. Was die meisten Männer jedoch nicht wussten, war, dass sie – wie Gideon – von einem Dämon besessen war.

Der Unterschied ist nur, dass ich meinen verdient habe. Und sie ihren nicht.

Vor einer unfassbaren Ewigkeit hatte er seinen Freunden dabei geholfen, die Büchse der Pandora zu stehlen und zu öffnen – und dadurch sämtliches Übel zu befreien, das darin gefangen gewesen war. Ja, ja. Ein großer Fehler. Das war ihm ziemlich schnell klar gewesen. Und hätte man ihn gefragt, hätte er es auch zugegeben. Doch die Götter hatten nicht gefragt, sondern gleich bestraft. Jeden beteiligten Krieger hatten sie dazu verdammt, einen der freigelassenen Dämonen für immer in sich zu tragen. Darunter befanden sich so böse Jungs wie Tod, Katastrophe, Gewalt, Krankheit, bla, bla, bla.

Doch es waren mehr Dämonen befreit worden, als es Krieger gegeben hatte. Deshalb waren die übrigen an die unsterblichen Gefangenen im Tartarus gebunden worden – wo Scarlet ihr gesamtes Leben verbracht hatte.

Gideon war von Lügen besessen und Scarlet von Albträumen.

Ganz offensichtlich hatte er beim Dämonenroulette den Kürzeren gezogen. Sie schlief bloß wie eine Tote und drang in die Träume anderer ein. Er hingegen konnte kein wahres Wort sprechen, ohne unsägliche Qualen zu erleiden. Wenn er einer hübschen Frau sagte, dass sie hübsch war, brach er gleich darauf zusammen und wurde von einem unvorstellbaren Schmerz übermannt, der ihm die Organe zu zerfetzen und Säure durch seine Adern zu jagen schien. Dieser Schmerz raubte ihm jegliche Kraft und auch den letzten Funken Lebenswillen.

Um nicht so leiden zu müssen, konnte er nur sagen: „Du bist hässlich.“ Die meisten Frauen brachen bei diesen Worten in Tränen aus und rannten fluchtartig davon. Deshalb war er im Grunde auch immun gegen Tränen.

Wie es wohl bei Scarlet wäre, fragte er sich. Ob ihre Tränen mich berühren würden?

Er streckte den Arm aus und zog mit dem Finger die Linie ihres Unterkiefers nach. Diese seidige, warme Haut. Ob sie ihm unbeeindruckt ins Gesicht lachen würde? Versuchen würde, ihm die Kehle durchzuschneiden? Oder ihm glauben würde? Würde sie ihn einen Lügner nennen?

Oder würde sie wie die anderen die Beine in die Hand nehmen und weglaufen?

Der Gedanke daran, sie zu verletzen, zu verärgern und schlussendlich zu verlieren, fühlte sich nicht besonders gut an.

Er ließ den Arm fallen und ballte die Hand zur Faust. Vielleicht werde ich ihr die Wahrheit sagen. Vielleicht werde ich ihre Schönheit beschreiben. Doch er wusste, er würde es nicht tun. Diesen Fehler einmal machen, okay. Das war eben dumm. Aber ihn zweimal zu machen würde allen Ernstes Darwins Evolutionstheorie bestätigen.

Und einmal war es ihm bereits passiert.

Gideons Erzfeinde, die Jäger, hatten ihn entführt und ihm gesagt, sie hätten Sabin, den Hüter des Dämons Zweifel, getötet. Da Gideon den Mann wie einen Bruder liebte – der Kerl konnte Ohrfeigen verteilen wie kein Zweiter –, war er vollkommen ausgerastet und hatte die Jäger angebrüllt und gesagt, wie sehr er sie hasste und dass er sie alle umbringen würde. Er hatte jedes einzelne Wort so gemeint. Auch wenn er Jahre und Jahrhunderte brauchen würde, um sein Versprechen zu erfüllen, aber das spielte keine Rolle. Er hatte die Wahrheit gesagt und war mit unerträglichen Schmerzen dafür bestraft worden.

Er hatte sich am Boden gekrümmt und unkontrollierbar gezuckt, was ihn zu einem leichten Opfer für ihre Folter gemacht hatte. Und die Jäger hatten ihn gefoltert. Immer und immer wieder.

Nachdem sie ihn so hart geschlagen hatten, dass seine Augen zugeschwollen und ihm mehrere Zähne in hohem Bogen aus dem Mund geflogen waren, nachdem sie ihm rostige Metalldorne unter die Fingernägel geschoben, Stromschläge durch seinen Körper gejagt und ihm die liegende Acht – ihr Erkennungszeichen, das Symbol für eine Unendlichkeit ohne ihn und seinesgleichen – in den Rücken geritzt hatten, hatten sie ihm die Hände abgehackt. Er hatte wirklich geglaubt, am Ende zu sein. Bis ein quicklebendiger Sabin ihn gefunden, gerettet und nach Hause gebracht hatte (nachdem er einige seiner bereits erwähnten Ohrfeigen verteilt hatte).

Zum Glück waren seine Hände endlich nachgewachsen. Darauf hatte er lange gewartet. Und zwar sehr … geduldig. Jetzt könnte er sich endlich rächen, ja. Jedenfalls hatte er das zunächst gewollt. Aber dann hatten seine Freunde diese Frau, diese Scarlet, eingekerkert. Und sie hatte behauptet, seine Ehefrau zu sein.

An dem Punkt hatten sich seine Prioritäten irgendwie verschoben.

Er erinnerte sich nicht an sie, geschweige denn daran, sie geheiratet zu haben. Und dennoch hatte er all die Jahrtausende immer wieder ihr Gesicht vor seinem geistigen Auge aufblitzen sehen. Fast jedes Mal, wenn er auf einer Frau zusammengesunken war – verschwitzt, aber nicht befriedigt, weil er sich zu sehr nach etwas oder jemandem gesehnt hatte, ohne es näher beschreiben zu können. Deshalb konnte er ihre Behauptung nicht sofort abtun. Doch genau das musste er tun. Er musste ihr beweisen, dass sie unrecht hatte.

Sonst müsste er mit dem Wissen leben, eine Frau verlassen zu haben, die zu beschützen er einst versprochen hatte. Er müsste mit dem Wissen leben, dass er mit anderen geschlafen hatte, während seine Ehefrau Qualen gelitten hatte.

Er müsste mit dem Wissen leben, dass irgendwer sein Gedächtnis manipuliert hatte.

Natürlich hatte er von Scarlet eine Erklärung verlangt, aber da sie stur war wie ein Esel, hatte sie sich geweigert, ihm noch mehr zu verraten. Etwa, wie sie einander begegnet waren, wann sie einander begegnet waren, ob sie einander geliebt hatten, ob sie glücklich gewesen waren. Wie sie sich getrennt hatten.

Wenn er ehrlich war, konnte er ihr nicht übel nehmen, dass sie diese Details für sich behielt. Immerhin war sie genau so eine Gefangene der Herren, wie er vor Kurzem ein Gefangener der Jäger gewesen war. Er hatte auch nicht mit seinen Entführern gesprochen. Nicht einmal während dieser entzückenden Handamputation.

Also hatte er einen Plan geschmiedet. Damit Scarlet sich ihm öffnete, musste er sie irgendwo anders hinbringen. Nur eine Zeit lang. Nur bis er Antworten hatte. Dann, an diesem Morgen, hatte er es getan. Während seine angebliche Frau geschlafen und die Welt um sich herum nicht wahrgenommen hatte, hatte er sie aus der Burg entführt, sie sich auf die Schulter geworfen und zu diesem Hotel im Zentrum von Budapest gebracht.

Bald würde er alles haben, was er wollte.

Sie brauchte bloß noch aufzuwachen …

1. KAPITEL

Wenige Stunden zuvor …

Dann will ich die Party mal steigen lassen, dachte Gideon fest entschlossen, während er durch die renovierten Flure der Budapester Burg stapfte.

Der Dämon summte in innigem Einverständnis in seinem Geist. Sie beide mochten Scarlet, ihre angebliche Ehefrau, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Gideon mochte ihr Aussehen und ihre frechen, spitzzüngigen Bemerkungen. Lügen mochte … Gideon war sich nicht sicher. Er wusste nur, dass die Bestie jedes Mal, wenn Scarlet ihren Ich-kann-Dinge-tun-von-denen-du-bisher-nur-geträumt-hast-Mund öffnete, zustimmend schnurrte.

Diese Reaktion war eigentlich krankhaften Lügnern vorbehalten.

Doch der Dämon wusste nicht, ob sie schwindelte. Was bedeutete, dass Lügen hinter aller Zuneigung zu Scarlet frustriert war und auf jedes Wort, das Gideons Mund verließ, hochempfindlich reagierte. Und das wiederum war für Gideon verdammt frustrierend. Mittlerweile konnte er seine Freunde nicht einmal mehr mit ihren richtigen Namen ansprechen.

War sie nun eine verfluchte Lügnerin oder nicht? Natürlich war er sich der Ironie bewusst, die in seinem Zweifel steckte. Er, ein Mann, der nicht ein wahres Wort sprechen konnte, beschwerte sich über jemanden, der ihm womöglich einen ganzen stinkenden Berg von Lügen auftischte. Aber waren sie, oder waren sie nicht? Hatten sie, oder hatten sie nicht? Er musste es wissen, ehe er sich mit der ständigen Grübelei über alles, was sie je gesagt hatte, und alles, was er je getan oder gedacht hatte, noch in den Wahnsinn trieb.

Diese Frau hatte seine Aufforderung, die Fakten auf den Tisch zu legen, zum letzten Mal ignoriert.

Endlich unternahm er etwas.

Hoffentlich weckte er mit der vermeintlichen Rettung aus dem Kerker Vertrauen in ihr. Hoffentlich würde dieses Vertrauen sie dazu bewegen, sich verdammt noch mal zu öffnen und seine götterverdammten Fragen zu beantworten.

Ups. Sein Frust blitzte wieder durch.

„Das kannst du nicht machen, Gid“, sagte Strider, Hüter der Niederlage, der plötzlich neben ihn getreten war.

Mist. Ausgerechnet er.

Strider konnte keine – keine – Herausforderung verlieren, ohne genauso zu leiden wie Gideon litt, wenn er die Wahrheit sagte. Spiele an der Xbox eingeschlossen, und das war überhaupt nicht gut für Gideons Statistiken bei „Assassin’s Creed“, denn ja, Gideon hatte ihn herausgefordert, um sich abzulenken und seine neuen Finger beweglicher zu machen.

Aber egal. Er und Strider gaben einander immer und ohne Zögern Rückendeckung (von den Videospielen mal abgesehen). Deshalb hätte er eigentlich nicht überrascht sein dürfen, dass sein Freund hier war und ihn vor sich selbst schützen wollte. Was jedoch nicht hieß, dass er umfallen und sich tot stellen würde.

„Sie ist gefährlich“, fügte Strider hinzu. „Eine wandelnde Klinge, die sich bei der ersten Gelegenheit gnadenlos durch dein Herz bohren wird, Alter.“

Ja, das war sie. Sie drang in Träume ein, konfrontierte die Schlafenden mit ihren schlimmsten Ängsten und labte sich an ihrem Entsetzen. Hölle, vor wenigen Wochen noch hatte sie ihm dasselbe angetan. Mit Spinnen. Er schauderte. Und als er an die haarigen kleinen Viecher dachte, die über seinen Körper gekrabbelt waren, verspürte er kurzzeitig eine mittelschwere Übelkeit.

Weichei! Reiß dich zusammen! Er hatte schon unzähligen auf ihn zurauschenden Schwertern entgegengesehen, ohne auch nur zu zucken – genauso wie ihn die Ungeheuer, die diese Schwerter in den Händen gehalten hatten, nicht erschreckt hatten. Was waren da schon ein paar Spinnen? Noch ein Schaudern. Abscheulich, das waren sie. Jedes Mal, wenn sie ihn mit ihren schwarzen Stecknadelkopfaugen ansahen, wusste er, was sie dachten: Lecker.

Aber warum war Scarlet nicht in die Träume der anderen eingedrungen? Über diese Frage hatte er fast genauso viel nachgedacht wie über ihre „Ehe“. Die anderen Krieger und ihre Frauen hatte Scarlet in Ruhe gelassen, obwohl sie gedroht hatte, jeden Einzelnen von ihnen umzubringen – wozu sie auch durchaus in der Lage gewesen wäre.

„Verdammt. Hör auf, mich zu ignorieren“, knurrte Strider und schlug wenige Sekunden, nachdem sie eine geschlossene Zimmertür passiert hatten, ein Loch in die Steinwand. „Du weißt doch, dass mein Dämon das nicht ausstehen kann.“

Ein lautes Krachen ertönte, Staub und Putz wirbelten durch die Luft. Na super. Nicht mehr lange, und weitere Krieger würden auftauchen, um zu sehen, was gerade passiert war. Oder auch nicht. Bei dem Temperament, das die Bewohner dieser Burg an den Tag legten (hüstel, zu viel Testosteron, hüstel), mussten sie unerwartete laute Geräusche eigentlich gewohnt sein.

„Hör nicht zu. Es tut mir nicht leid.“ Gideon warf seinem Freund einen kurzen Blick zu, und nahm das blonde Haar, die blauen Augen und die trügerisch unschuldigen Gesichtszüge wahr, die perfekt zu seiner He-Man-Statur passten. Mehr als eine Frau hatte ihn schon einen „gut aussehenden Mr Amerika“ genannt – was auch immer das bedeuten mochte. Dieselben Frauen vermieden es für gewöhnlich, Gideon anzusehen. Als würde es ihre Seelen beschmutzen, wenn sie ihren Blick über seine Tätowierungen und Piercings gleiten ließen. Soweit er wusste, mochten sie damit sogar richtig liegen. „Aber du hast recht. Ich kann das nicht machen.“

Was bedeutete, dass Strider unrecht hatte und Gideon das sehr wohl machen konnte. Also drauf geschissen!

Jeder, der hier in der Burg lebte – und das waren verdammt noch mal eine Menge Leute, deren Anzahl täglich zu wachsen schien, da sich seine Freunde nacheinander in ihre persönliche Mrs Right verliebten –, sprach perfekt „Gideonisch“ und wusste, dass man immer das Gegenteil von dem glauben musste, was der Krieger sagte.

„Also gut“, erwiderte Strider ernst. „Du kannst. Aber du wirst nicht. Weil du weißt, dass ich vor lauter Sorge grau werde, wenn du die Frau von hier fortbringst. Und du magst meine Haare doch so, wie sie sind.“

„Stridey-Man. Machst du dich etwa an mich ran? Willst du mich provozieren, damit ich meine Hände in deinen zotteligen Strähnen vergrabe?“

„Blödmann“, murmelte Strider, doch seine Wut war offensichtlich zerstreut.

Gideon lachte in sich hinein. „Schnuckiputz.“

Strider verzog den Mund zu einem Grinsen. „Du weißt doch, dass ich es hasse, wenn du so schnulzig wirst.“

Der Kerl liebte es. Keine Frage.

Sie bogen um eine Ecke und gingen an einem der vielen Wohnzimmer vorbei, die es in der Burg gab. Es war leer. Um diese Zeit lagen die meisten noch mit ihren Frauen im Bett. Vorausgesetzt natürlich, sie legten nicht in genau diesem Augenblick ihre Waffen an.

Aus Gewohnheit suchte er die Umgebung mit Blicken ab und betrachtete flüchtig die Bilder an den Wänden, die allesamt nackte Männer zeigten. Diese Schmuckstücke hatten sie der Göttin der Anarchie zu verdanken, deren Humor nicht weniger eigenartig war als Gideons. Im Raum standen rote Ledersessel (Reyes, Hüter von Schmerz, musste sich manchmal selbst verletzen, um seinen Dämon zum Schweigen zu bringen, weshalb Rot ziemlich praktisch war), Bücherregale aus warm schimmerndem Holz (Paris, Hüter von Promiskuität, las gern Liebesromane) und eigenwillige silberne Lampen, die sich über den Sesseln krümmten und drehten – er hatte keine Ahnung, für wen die sein sollten. In den Vasen blühten frische Blumen, die einen süßen Duft verströmten. Auch hier: keine Ahnung für wen. Na gut, zugegeben: Er hatte sie bestellt. Das Zeug roch nämlich tierisch gut.

Gideon atmete die köstliche Luft tief ein. Doch letzten Endes war seine Nase nur wieder verstopft mit dem Gestank von Schuld. Leider geschah das in letzter Zeit ständig. Während er sich an Dingen wie diesen labte, musste seine angebliche Ehefrau unten im Kerker dahinsiechen. Da sie zuvor Abertausende Jahre im Tartarus verbracht hatte, war es doppelt grausam von ihm, sie dort unten zu lassen.

Mal ehrlich: Was für ein Mann musste man sein, um so etwas zuzulassen? Ein Arschloch, kein Zweifel, und er war definitiv der König der Arschlöcher. Schließlich würde er Scarlet zurück in den Kerker werfen, sobald sie ihm seine Fragen beantwortet hatte. Und zwar für immer. Selbst wenn sie seine Frau war – oder besser: gewesen war.

Ja. Er war ein durch und durch schlechter Mann.

Sie war einfach zu gefährlich. Und ihre Angewohnheit, in Träume einzudringen, war zu zerstörerisch, als dass man Scarlet dauerhaft hätte freilassen können. Wer nämlich in einem von Scarlets Albträumen starb, starb auch in Wirklichkeit. Der Traumtod bedeutete das Ende. Und falls sie sich je entschließen sollte, sich auf die Seite der Jäger zu schlagen – was gut möglich war, einer verschmähten Frau war alles zuzutrauen –, würden die Herren nie wieder ruhig schlafen können. Dabei brauchten gerade sie ihren Schönheitsschlaf besonders, weil sie sonst zu knurrenden Bestien würden.

Ein Paradebeispiel: Gideon. Seit Wochen hatte er nicht geschlafen.

Langsamer, befahl sein Dämon plötzlich. Du gehst zu schnell.

Normalerweise war Lügen in den Tiefen seiner Gedanken kaum zu spüren. Er war zwar da, aber er schwieg. Nur wenn seine Not groß war, meldete er sich zu Wort. Doch selbst dann musste er das Gegenteil von dem sagen, was er wollte. Und jetzt wollte er, dass Gideon sich beeilte, zu Scarlet zu kommen.

Gib mir Flügel, und ich erfülle dir deinen Wunsch sofort, erwiderte Gideon trocken, und dennoch beschleunigte er seine Schritte. Wenigstens in Gedanken konnte er sagen, was er wollte, und tat es auch immer. Sich selbst oder den Dämon belog er niemals. Vielleicht, weil er für solche intimen Momente der Wahrheit hart und gnadenlos hatte kämpfen müssen.

Nachdem der Dämon von ihm Besitz ergriffen hatte, war Gideon in Dunkelheit und Chaos verloren gewesen, nicht mehr als ein Sklave seines Seelengefährten und dessen boshafter Gelüste. Er hatte Menschen gefoltert, nur um sie schreien zu hören. Er hatte Häuser niedergebrannt, samt der Familien, die darin gelebt hatten. Er hatte willkürlich getötet und seine Opfer noch verhöhnt.

Erst nach einigen Hundert Jahren hatte Gideon endlich den Weg ans Licht gefunden. Jetzt hatte er die Kontrolle, und ihm war sogar gelungen, die Bestie zu zähmen. Zumindest größtenteils.

Strider seufzte und riss Gideon aus den Gedanken. „Gideon, Mann, hör mir zu. Auch auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole: Du kannst die Frau nicht aus der Burg schaffen. Sie wird fliehen, und das weißt du genau. Die Jäger sind in der Stadt, auch das wissen wir, und sie könnten sie sich schnappen. Sie rekrutieren. Sie benutzen. Oder, wenn sie sich weigert, sie womöglich genauso verletzen wie dich.“

Erstens redete Strider, als wäre Gideon nicht in der Lage, die gerissene Verführerin für ein paar Tage irgendwo festzuhalten. Aber das konnte er. Im Austeilen und Einstecken war er unschlagbar. Zweitens redete Strider, als wäre Gideon unfähig, sie wiederzufinden, falls er sie tatsächlich verlöre. Und drittens hatte Strider vermutlich mit beidem recht. Doch das konnte die Wut, die Gideon auf einmal packte, auch nicht mildern. Er war vielleicht nicht so raffiniert wie Strider, aber auch er konnte mit Frauen umgehen, verdammt noch mal.

Außerdem war Scarlet selbst eine Kriegerin. Eine Unsterbliche. Sie konnte sich in Dunkelheit hüllen. Eine Dunkelheit, die so dicht war, dass kein menschengemachtes Licht und keine unsterblichen Augen sie durchdringen konnten. Wenn sie entkam, wäre es bei Weitem nicht so peinlich wie in dem Fall, dass ein, nun ja, nicht ausgebildeter Mensch entwischte.

Nicht dass sie mir entkommen wird, sagte er sich wieder, und nicht dass sie weglaufen wollte. Er würde sie verführen. Würde ihr so viel Vergnügen bereiten, dass es ihr jegliche Energie raubte und dass sie unbedingt bei ihm bleiben wollte. Das sollte nicht allzu schwierig sein. Immerhin hatte sie ihn genügend gemocht, um ihn zu heiraten, oder? Möglicherweise …

Verflucht!

„Ich weiß, was du denkst“, sagte Strider und seufzte erneut. „Soll sie mir doch entwischen. Ich finde sie ja doch.“

„Falsch.“ Zugegeben, das hatte er gedacht, aber dann hatte er den Gedanken verworfen. Also echt. Was bist du? Ein Mädchen?

„Was würde mit ihr geschehen, während du nach ihr suchst? Tagsüber braucht sie Schutz, aber wer soll sie beschützen, wenn du nicht bei ihr bist?“

Mist. Guter Einwand. Bei Tageslicht war Scarlet angreifbar. Wegen ihres Dämons schlief sie tief und fest. So tief, dass nichts und niemand sie aufwecken konnte, bevor die Sonne unterging. Das hatte er selbst erlebt – und ihr dabei fast eine Gehirnerschütterung zugefügt, so heftig hatte er sie geschüttelt, damit sie endlich aufwachte.

Es hatte ihn regelrecht schockiert, als sie Stunden später einfach die Augen geöffnet und sich aufgesetzt hatte, als wäre es nur ein zehnminütiger Power-Nap gewesen.

Was verschiedene Fragen aufgeworfen hatte: Warum schlief ihr Dämon tagsüber, wenn die Menschen um sie herum wach waren? Machte das sein Ziel, Albträume zu verursachen, nicht zunichte? Und was geschah, wenn sie auf Reisen in eine andere Zeitzone wechselte?

„Wir haben sie genau zum richtigen Zeitpunkt gefunden“, fuhr Strider fort. „Hätten wir Aerons Engel nicht an unserer Seite gehabt, wären wir bei dem Versuch, sie in Sicherheit zu bringen, gestorben. Sie freizulassen, aus welchem Grund auch immer, ist dumm und gefähr…“

„Du wiederholst dich nicht.“ Immer und immer wieder. „Außerdem gehört Olivia nicht mehr zu unserem Team.“ Was hieß, dass sie sehr wohl dazugehörte. „Sie kann uns nicht helfen, falls es nötig ist.“ Was hieß, dass sie es konnte. „Also, ich hasse dich zwar, aber sprich bitte weiter.“ Ich hab dich echt gern, aber halt endlich die Klappe! Im Ernst.

Strider grummelte wütend, als sie die Stufen zum Kerker hinab an blutverschmierten Wänden und zerbrochenen Buntglasfenstern vorbeistapften. Die Luft wurde muffig. Es roch nach Schweiß, Urin und Blut. Keine dieser Ausdünstungen kam von Scarlet, den Göttern sei Dank. Damit wäre er nicht zurechtgekommen, die Schuldgefühle hätten ihn umgebracht. Zum Glück – oder, je nachdem, wen man fragte, zum Unglück – war sie nicht die einzige Gefangene. Diverse Jäger warteten darauf, dass man sich an ihnen rächte, beziehungsweise sie verhörte, beziehungsweise sie folterte.

„Was, wenn sie dich angelogen hat?“, fragte sein Freund. Der Mann wusste einfach nicht, wann es besser war, aufzuhören. Und ja, Gideon wusste, dass Strider nicht aufhören konnte. Allein diese Tatsache hielt ihn davon ab, seinem Freund eine zu verpassen und sich aus dem Staub zu machen. „Was, wenn sie gar nicht deine Frau ist?“

Gideon seufzte schwer. „Hab ganz vergessen, es dir zu sagen: Zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden ist echt schwer für mich.“ Außer bei ihr, bei Scarlet, aber das würde er Strider natürlich nicht auf die Nase binden.

„Ja, aber du hast mir auch gesagt, dass du dir bei ihr nicht sicher bist.“

Einer von ihnen hatte also ein perfektes Gedächtnis. Na toll. „Sie kann auf keinen Fall meine Frau sein.“ Die Chance war zwar klein, aber sie bestand. „Ich muss das nicht tun.“

Als Scarlet in seine Träume eingedrungen war und ihn aufgefordert hatte, sie im Kerker aufzusuchen, war er unfähig gewesen, ihr zu widerstehen. Er hatte das unbändige Verlangen verspürt, sie zu sehen, da er sie auf gewisse Weise wiedererkannt hatte, ohne dass er es hätte in Worte fassen können. Dieses Gefühl war ihm völlig unbegreiflich. Als Scarlet ihm gestanden hatte, dass sie sich geküsst, miteinander geschlafen und sogar geheiratet hatten, hatte er auf dieselbe Weise reagiert: zustimmend.

Obwohl er sich kein bisschen an sie erinnerte.

Warum kann ich mich nicht an sie erinnern, fragte er sich wohl zum tausendsten Mal.

Er hatte schon mehrere Theorien durchgespielt. Nummer eins: Die Götter hatten sein Gedächtnis gelöscht. Aber das hatte die Frage nach einem weiteren Warum aufgeworfen. Warum sollten sie nicht wollen, dass er sich an seine Ehefrau erinnerte? Und warum hatten sie nicht auch Scarlets Gedächtnis gelöscht?

Theorie Nummer zwei: Er hatte die Erinnerung selbst verdrängt. Aber auch hier stellte sich die Frage, warum er das hätte tun sollen. Und wie er es hätte tun sollen. Es gab eine Million andere Dinge, die er nur zu gern vergessen hätte.

Nummer drei: Sein Dämon hatte die Erinnerung irgendwie gelöscht, als er in seinen Körper gefahren war. Aber wenn das stimmte – warum erinnerte er sich dann an sein Leben im Himmel, in dem ihm als Diener Zeus’ die Aufgabe zuteilgeworden war, den damaligen Götterkönig rund um die Uhr zu beschützen?

Strider und er blieben vor der ersten Zelle stehen, in der Scarlet die letzten Wochen verbracht hatte. Wie erwartet lag sie schlafend auf ihrer Liege. Wie jedes Mal, wenn er sie sah, atmete Gideon scharf ein. Bezaubernd. Aber …

Meins? Wollte er, dass sie sein war?

Nein, natürlich nicht. Das würde alles unerträglich kompliziert machen. Außerdem spielte es auch gar keine Rolle. Seine Freunde kamen an erster Stelle. So war es schon immer gewesen, und so würde es immer sein.

Wenigstens war sie sauber; er hatte dafür gesorgt, dass sie genügend Wasser zum Trinken und Waschen hatte. Und sie war satt; er hatte dafür gesorgt, dass ihr dreimal pro Nacht etwas zu essen gebracht wurde. Dasselbe würde er tun, wenn er sie letztlich zurückbrachte. Das würde reichen müssen.

Beeil dich nicht, schrie Lügen und sprang dabei förmlich in seinem Schädel herum. Beeil dich nicht!

Entspann dich, Kumpel. Ich krieg das schon hin. Aber er konnte sich zu keiner Bewegung aufraffen. Ihm war, als hätte er seit einer Ewigkeit auf diesen Moment gewartet, und nun wollte er ihn auskosten.

Auskosten? Allmählich wurde er wirklich weibisch.

Guck weg, bevor du noch einen Ständer kriegst, befahl er sich. Okay, das klang schon männlicher. Entschlossen wandte er den Blick ab. Die Wände, die sie umgaben, waren aus massivem, undurchdringlichem Stein. Deshalb hatte sie die Jäger nicht sehen können, die neben ihr eingesperrt waren. Aber das war Gideon im Grunde egal. Er wollte nur nicht, dass die Jäger sie sahen.

Ja. Er wollte, dass sie sein war. Vorerst jedenfalls.

Apropos Jäger: Als sie die Krieger durch die Gitterstäbe ihrer Zellen erspäht hatten, hatten sie sich zusammengekauert, und ihr Gemurmel war verstummt. Vielleicht hatten sie sogar aufgehört zu atmen, so groß war ihre Angst, als Nächster ausgewählt zu werden. Gut. Dass seine Feinde ihn fürchteten, gefiel Gideon.

Sie hatten auch allen Grund dazu.

Diese Männer hatten unschuldige unsterbliche Frauen eingesperrt und vergewaltigt, um Halblingkinder zu zeugen. Den Kindern hatten sie einimpfen wollen, Gideon und seine Freunde zu hassen und zu bekämpfen. Diese Halblinge wären in der Lage gewesen, die Jäger bei der Suche nach der Büchse der Pandora zu unterstützen, und dann hätten sie sie geöffnet und die Krieger von ihren Dämonen getrennt. Nur dass die Herren das nicht überleben würden, da mittlerweile jeder von ihnen unwiderruflich an seine Bestie gebunden war.

Auch das gehörte zur Strafe für das Öffnen der dämlichen Schatulle.

Gideon zog den Schlüssel zu Scarlets Zelle hervor, seine neuen, noch nicht häufig gebrauchten Finger fühlten sich steif an und zitterten. Er streckte die Hand aus.

„Warte.“ Strider packte ihn unsanft an der Schulter und versuchte, ihn zurückzuhalten. Zwar hätte Gideon sich losreißen können, aber er gönnte seinem Freund die Illusion, diesen kleinen Willenskampf gewonnen zu haben. „Du kannst doch auch hier mit ihr sprechen. Dir deine Antworten hier holen.“

Aber hier hätten sie Publikum, was bedeutete, dass sie sich nicht entspannen könnte. Und wenn sie sich nicht entspannen konnte, würde sie ihm nicht erlauben, sie zu berühren. Und verdorben wie er war, wollte er sie berühren. Außerdem – wie sollte er ihr sonst Informationen entlocken? Indem er ihr sagte, wie hässlich sie sei? Indem er ihr sagte, dass er sie nicht wollte?

„Reg dich auf, Mann. Wie ich dir noch nie gesagt habe, habe ich nicht vor, sie zurückzubringen, wenn ich herausgefunden habe, was ich wissen will. Okay?“

„Falls du sie zurückbringen kannst. Über dieses kleine Problem haben wir ja auch schon gesprochen. Erinnerst du dich?“

War ja irgendwie schwer zu vergessen. Leider. „Ich werde nicht vorsichtig sein. Darauf gebe ich dir mein Wort nicht. Aber ich muss das hier nicht tun. Es ist nicht wichtig für mich.“

Der feste Griff lockerte sich nicht. „Es ist nicht gerade der beste Zeitpunkt, uns allein zu lassen. Wir haben drei Artefakte, und Galen ist stinksauer. Er wird sich dafür rächen wollen, dass wir ihm erst vor Kurzem ein Artefakt gestohlen haben.“

Galen war der Anführer der Jäger und ebenfalls ein dämonenbesessener Krieger. Nur dass er wie ein Engel aussah und mit dem Dämon Hoffnung gepaart war, sodass all seine menschlichen Anhänger glaubten, er wäre wirklich ein Engel. Seinetwegen lasteten sie den Herren alles Übel der Welt an. Seinetwegen hofften sie auf die Befreiung von diesem Übel und kämpften bis zum Tod, um ihr Ziel zu erreichen.

Aerons Frau Olivia, die tatsächlich ein waschechter Engel war, hatte dem Bastard das dritte Artefakt gestohlen: den Tarnumhang. Da es vierer Artefakte bedurfte, um den Weg zur Büchse der Pandora zu erfahren – das Allsehende Auge (gesichert), den Zwangskäfig (gesichert), den Tarnumhang (wie gesagt: gesichert) und die Rute (schon bald gesichert) –, wollte Galen sich mit Sicherheit nicht nur um jeden Preis den Umhang zurückholen, sondern auch die anderen Artefakte.

Was bedeutete, dass die Situation spürbar angespannter wurde.

Doch das war egal. Nichts würde Gideon von seinem Vorhaben abhalten. Und zwar hauptsächlich, weil es ihm irgendwie so vorkam, als hinge sein Leben davon ab.

„Gid. Junge.“

Er sah seinen Freund mit zusammengekniffenen Augen an und biss die Zähne zusammen, bevor er sagte: „Du bettelst geradezu darum, geküsst zu werden.“ Windelweich geprügelt zu werden.

Ein Moment verstrich in bleischwerer Stille.

„Na schön“, murmelte Strider schließlich und hob ergeben die Hände. „Nimm sie.“

Oh wow. „Das hatte ich gar nicht vor, trotzdem vielen Dank für dein Einverständnis.“ Aber warum krümmte Strider sich nicht wehrlos am Boden? Er hatte doch gerade eine Herausforderung verloren, oder?

„Wann kommst du zurück?“

Gideon zuckte die Schultern. „Ich dachte mir … vor Ablauf einer Woche?“ Sieben Tage sollten reichen, um Scarlets Herz zu erweichen und sie dazu zu bringen, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Im Augenblick schien sie ihn abgrundtief zu hassen. Er wusste zwar nicht warum, aber das würde er schon noch herausfinden. Das schwor er sich. Trotzdem – offensichtlich hatte sie eine Schwäche für gefährliche Männer. Warum sonst hätte sie ihn heiraten sollen? Er passte offenbar in ihr Beuteschema.

„In drei Tagen“, erwiderte Strider.

Aha. Jetzt wurde verhandelt. Deshalb war Strider seinem Dämon nicht erlegen. Er war noch nicht besiegt, sondern hatte sich nur auf eine neue Strategie verlegt. Gideon fühlte sich genauso schuldig, seine Freunde zurückzulassen, wie er sich schuldig fühlte, wenn er Scarlet in ihrer Zelle ließ. Sie brauchten ihn. Wenn ihnen während seiner Abwesenheit etwas zustieß, würde er durchdrehen.

„Ich sage nicht fünf“, versuchte er einen Kompromiss.

„Vier.“

„Nicht abgemacht.“

Grinsend nickte Strider. „Gut.“

Okay. Ihm blieben also vier Tage, um Scarlet weich zu klopfen. Er hatte mit Sicherheit schon in kürzerer Zeit härtere Kämpfe ausgefochten. Lustig war nur, dass er sich im Moment an keinen einzigen erinnerte.

Zur Hölle, vielleicht litt er an selektiver Amnesie. Vielleicht waren seine Kämpfe und Scarlet – mit der er offenbar viel gekämpft hatte, eigensinnig, rechthaberisch und kaltschnäuzig, wie sie war – dieser Amnesie zum Opfer gefallen.

Aber an den Sex mit ihr hätte er sich schon gern erinnert. Der Wahnsinn. Das wusste er einfach.

„Ich werde die anderen informieren“, meinte Strider. „Aber vorher werde ich dich fahren, wohin auch immer du sie bringen willst.“

„Na klar.“ Endlich schob Gideon den Schlüssel ins Schloss und entriegelte Scarlets Zelle. Die Tür schwang quietschend auf. „Ich werde nicht selbst fahren. Ich will, dass jeder weiß, wo wir uns aufhalten.“

Strider machte abermals einen frustrierten Laut. Diesmal mischte sich Wut unter den Frust. „Du stures Arschloch. Ich muss wissen, dass du dein Ziel sicher erreicht hast, sonst kann ich mich nicht genug konzentrieren, um keinen umzubringen. Und du weißt doch, dass ich gerade auf einer strengen Nur-einen-Jäger-am-Tag-Diät bin.“

„Deshalb werde ich dich ja auch nicht anrufen.“ Gideon näherte sich Scarlet, die immer noch schlief. Sie hüllte sich beim Schlafen nicht mehr in diese undurchdringliche Finsternis. Es war, als wollte sie, dass Gideon sie immer sehen konnte. Als ob sie darauf vertraute, dass er ihr nichts tat.

Zumindest redete er sich das ein.

„Götter. Ich kann nicht glauben, dass du mich dazu überredet hast. Habe ich dir schon gesagt, dass du ein echter Scheißkerl bist?“

„Nö.“ Ganz sanft hob er Scarlet auf die Arme.

Seufzend schmiegte sie die Wange an ihn. An die Stelle, wo sein Herz war. Ein Herz, das jetzt wie ein Vorschlaghammer gegen seinen Brustkorb schlug. Anscheinend gefiel ihr der unregelmäßige Takt, denn sie kuschelte sich noch enger an ihn. Nett.

Sie war gut eins fünfundsiebzig groß, und ihr schlanker, durchtrainierter Körper passte gut zu seiner Statur. Die Klamotten, die er ihr angeboten hatte, hatte sie abgelehnt. Deshalb trug sie immer noch das T-Shirt und die Jeans, in denen Aeron sie gefunden hatte.

Tief atmete Gideon ihren Duft ein, und diesmal verspürte er keinerlei Schuldgefühle. Sie roch nach Blumenseife, und dieser Geruch überwältigte ihn regelrecht. Wie mochte sie vor all den Jahren gerochen haben, als sie angeblich verheiratet gewesen waren? Nach Blumen, wie jetzt? Oder nach etwas anderem? Etwas Exotischerem? Etwas, das genauso dunkel und sinnlich war wie sie? Nach etwas, das er mit großem Genuss eingesogen hatte, während er sie von Kopf bis Fuß mit der Zunge liebkost hatte?

Schwanzsteuerung aus, Verstand an, bitte. Jetzt war wirklich nicht der richtige Moment für solche Gedanken.

Fest hielt er sie an die Brust gepresst, als er sich umdrehte. Sie war ein Schatz, den er auf jeden Fall schützen würde, solange sie sich außerhalb der Burg aufhielten. Sogar vor seinen Freunden. Er wusste, dass er sich widersprach, wenn er so romantische und lustvolle Gedanken an sie hegte, während seine Absichten nun wirklich weder rein noch ehrenhaft waren. Aber er konnte nicht anders. Dämliche Wollust.

Striders Gesichtsausdruck verriet Wachsamkeit, aber zugleich Akzeptanz, und Gideon wusste, dass keinerlei Verteidigung mehr nötig war. „Geh, und sei vorsichtig!“

Götter, er liebte seine Freunde. Sie unterstützten ihn in allem. So war es schon immer gewesen.

„Übrigens: Du siehst aus wie eine Katze, die gerade den Sahnetopf gefunden hat“, sagte Strider und schüttelte den Kopf. „Das ist nicht besonders beruhigend. Du hast keine Ahnung, wo du dich da reinreitest, oder?“

Vielleicht nicht. Weil er sich nämlich schon seit Langem nicht mehr so sehr auf etwas gefreut hatte und vermutlich vorsichtig hätte sein sollen. Aber diesen Leichtsinn so vorgehalten zu bekommen … „Ich zeige dir in Gedanken keinen Finger. Weißt du welchen?“

„Ja, sicher. Es ist dein Daumen, und du sagst mir, dass ich der Größte bin.“

Er lachte. So ähnlich.

„Vier Tage“, wiederholte Strider. „Sonst komm ich dich suchen.“

Gideon warf ihm einen Kuss zu.

Strider verdrehte die Augen. „Das hättest du wohl gern. Aber hör zu: Ich werde dafür beten, dass du lebendig zu uns zurückkehrst. Und zwar mit der Frau. Und dass sie ebenfalls am Leben ist. Ach ja, und dafür, dass du zufrieden bist mit dem, was du in Erfahrung bringst. Und dass sie dich auch in anderer Hinsicht überzeugt, damit du sie genauso schnell vergisst wie all die anderen Frauen in deinem Leben.“

Okay. Das waren ziemlich viele Gebete. „Danke. Vielmals. Das meine ich wirklich so. Wann bist du eigentlich nicht zum Prediger geworden? Und wann haben die Götter beschlossen, dass sie uns gern erhören?“ Strider hatte seine Zeit noch nie mit Gebeten verschwendet, und die Götter liebten es, ihr Flehen nach Kräften zu ignorieren.

Nein, stimmt nicht, korrigierte sich Gideon. Cronus, der kürzlich gekrönte Titanenkönig, betrat die Burg jetzt vorzugsweise ohne Einladung und gab unzählige beschissene Befehle, die er und die anderen Herren befolgen mussten.

Wie zum Beispiel unschuldige Menschen zu töten. Wie zum Beispiel sich zu entscheiden, ob man seine Frau oder seinen Freund retten will. Wie zum Beispiel auf Knien zu flehen, um zu erfahren, wohin der Geist eines Freundes geschickt worden war, nachdem eben diesem Freund der Kopf vom Körper geschlagen worden war.

Das war tatsächlich passiert. Aeron hatte seinen Kopf an einen Kriegerengel verloren, und auf Cronus’ Geheiß hatte Gideon (auf seine ganz persönliche Art) mit tränenüberströmtem Gesicht darum gebettelt, zu erfahren, wo der Geist des Mannes war. Eigentlich hatten alle Krieger gebettelt und geschluchzt wie Babys.

Doch am Ende hatte Cronus sich trotzdem geweigert, es ihnen zu verraten. Weil sie eine Lektion in Sachen Demut brauchten, wie der Mistkerl es formuliert hatte.

Dann allerdings war Aeron von allein zurückgekehrt. Oder vielmehr: mithilfe seiner süßen Olivia. Sein Körper war ihm zurückgegeben worden, ohne Dämon, und seitdem lebte er wieder in der Burg.

Gideon hatte Cronus seinen vollkommenen Mangel an Hilfsbereitschaft noch nicht vergeben. Beten gehörte also nicht gerade zu den Dingen, die er in nächster Zeit tun wollte.

„Prediger.“ Nachdenklich legte Strider den Kopf schief. Natürlich hatte er die Fragen ignoriert. Ihm vergab Gideon jedoch, ohne zu zögern. „Das gefällt mir. Ich meine, es stimmt sogar in gewisser Weise. Ich habe tatsächlich die eine oder andere Frau durch die Himmelspforten geschickt.“

Hatten sie das nicht alle?

Und Scarlet würde dabei keine Ausnahme bilden, versicherte er sich.

Grinsend trug Gideon seine Frau davon.

2. KAPITEL

Scarlet erwachte mit einem Ruck. Aber das tat sie eigentlich immer. In der Sekunde, wenn die für ihren Dämon notwendige Zeit im Traumland abgelaufen war, schoss unbarmherzig das Bewusstsein in ihr Hirn, als wäre sie an einen Generator angeschlossen, den irgendjemand ohne Vorwarnung eingeschaltet hatte.

Keuchend und verschwitzt setzte sie sich auf und sah sich wild um, ohne jedoch etwas erkennen zu können. Noch nicht. Die Schreie, die sie und ihr Dämon von ihren Opfern geerntet hatten, verhallten bereits, doch die Bilder, die sie in diese schlafenden Köpfe projiziert hatten, verweilten noch in ihrem. Knisternde Flammen, Blasen werfendes Fleisch, schwarze Asche, die in der Brise umherwaberte und tanzte.

Auf dem Albtraummenü dieser Nacht hatte das grausame Gericht „Feuer“ gestanden.

Im Schlaf konnte sie den Dämon nicht kontrollieren, während er so viele Opfer wie möglich aufspürte und den größtmöglichen Schaden anrichtete. Aber sie konnte Vorschläge machen und ihn anfeuern, bestimmte Leute auf bestimmte Art und Weise anzugreifen. Und für gewöhnlich ließ er sich gern anfeuern. Auch wenn sie in letzter Zeit keine Vorschläge mehr gemacht hatte.

Seit die Herren der Unterwelt sie entführt hatten, lief sie quasi auf Autopilot, da ihre Gedanken vollkommen von einem speziellen Krieger beansprucht wurden. Von dem blauhaarigen, bezaubernden, unfassbar frustrierenden Gideon.

Warum erinnerte er sich nicht an sie?

Wie jedes Mal, wenn sie an seine selektive Amnesie dachte, verkrampfte sich jede Muskelfaser in ihrem Körper. Sie ballte die Fäuste; sie biss die Zähne aufeinander, bis kleine Schmerzblitze durch ihren Kiefer zuckten. Doch vor allem überkam sie der wilde Drang, irgendjemanden zu töten.

Wut ist nicht gut für deine Umwelt. Beruhige dich. Denk an etwas anderes.

Sie zwang sich, mit den Gedanken zu ihrem Dämon zurückzukehren. So traurig es auch war, aber Tod und Verwüstung waren ein weitaus weniger heikles Thema als ihr Ehemann. Während sie wach war – was sich jeden Tag auf genau zwölf Stunden belief, wenn auch nicht immer dieselben zwölf –, hatte sie die Fäden in der Hand. Sie konnte die Dunkelheit heraufbeschwören, und sie konnte die Schreie ernten. Der Dämon konnte sie nur anspornen, und oftmals folgte sie seinen Worten. Dieser Rollentausch war nur fair. Im Normalfall feuerte Albträume sie ebenso gern an wie sie ihn. Mach ihm Angst … Bring sie zum Schreien …

Doch im Augenblick war ihr Dämon seltsam zufrieden.

Wir sind raus aus dem Kerker, sagte Albträume, der die Umgebung wahrnahm, bevor sie klar sehen konnte.

Ha. Kein Wunder.

Endlich verblassten die Flammen, und Scarlet scannte den Raum. Sie runzelte die Stirn. Okay. Also. Wo zur Hölle war sie denn jetzt?

Wochenlang war sie in diesem Kerker zwischen bröckelnden Steinmauern und Gitterstäben eingesperrt gewesen. Schmerzerfülltes Stöhnen war permanent aus den anderen Zellen gedrungen, und stechende Gerüche hatten sich in ihrer Nase eingenistet.

Und jetzt … Luxus pur. Tapeten mit Blumenmuster zierten die Wände, und dunkle Samtvorhänge hingen vor dem Erkerfenster. Über dem Bett schwebte ein funkelnder violetter Kronleuchter, dessen Kristalle wie Traubenreben aussahen. Und das Bett, tja – verwundert tastete sie es zentimeterweise mit ihrem Blick ab. Groß, mit weicher blauer Bettwäsche und vier handgeschnitzten Pfosten.

Aber am besten war der süße Duft, der in der Luft lag. Als hätte sich das Aroma der üppigen Trauben, die von der Decke baumelten, mit dem von Äpfeln und Vanille gemischt. Genießerisch atmete sie tief ein. Wie war sie ohne ihr Wissen hierhergekommen?

Man hatte sie eindeutig hergebracht, während sie wie eine Tote geschlafen hatte. Für gewöhnlich hasste sie das, aber nicht dieses Mal. Denn jetzt bedeutete es, dass man sie freigelassen hatte, genau wie sie gehofft hatte. Ja, gehofft. Sie hatte nicht länger in der Burg bleiben wollen, nur um in Gideons Nähe zu sein. Ehrlich nicht.

Trotzdem. Während sie in den Träumen anderer verloren war – und ja, ganz gleich, zu welchem Zeitpunkt sie in das Reich der Finsternis und des Chaos schlüpfte, konnte sich der Dämon an dem Grauen eines jeden weiden, der irgendwo auf der Welt schlief –, war sie jedwedem Angreifer wehrlos ausgeliefert. Jeder konnte mit ihr machen, was er wollte, und sie war nicht in der Lage, ihn aufzuhalten.

Verschleppt zu werden, während man hilflos dalag, war richtig ätzend.

Normalerweise schützte sie sich vor so einer Situation mit Schatten. Sie brauchte bloß kurz vor dem Einschlafen im Geiste einen Finger zu krümmen, damit die Schatten sie einhüllten, solange sie schlief – und es jedem unmöglich machten, sie zu sehen. Doch als ihr klar geworden war, dass sie sich in Gideons Zuhause befand, hatte sie aufgehört, diese Schatten heraufzubeschwören.

Vielleicht hatte sie sich ein bisschen gewünscht, dass es seiner Erinnerung auf die Sprünge helfen würde, wenn er sie ansähe, während sie schlief. Vielleicht hatte sie sich gewünscht, dass er sie wieder begehren würde; dass er sie anflehen würde, Teil ihres neuen Lebens sein zu dürfen. Was dumm war. Der Bastard hatte sich aus dem Staub gemacht und sie im Tartarus verrotten lassen; sie sollte sich nicht nach seinem Begehren sehnen.

Sie sollte seinen Untergang herbeiwünschen.

„So, so. Ich bin wirklich traurig, dass du endlich wach bist.“

Als sie seine Stimme hörte, seine tiefe, donnernde Stimme, erstarrte Scarlet und sah sich wieder mit wildem Blick um. Dann erblickte sie ihn, und ihr blieb das Herz stehen. Er stand in der Tür zum Schlafzimmer und ließ die muskulösen Arme locker hängen. Durch und durch ein Krieger, dessen verruchtes Gesicht unvergleichliche Nächte voll sündhafter Freuden versprach. Seine Augen leuchteten erwartungsvoll und straften die entspannte Pose Lügen.

Gideon. Einst ihr geliebter Ehemann, nun aber ein Mann, der nur ihre Verachtung verdiente.

Ihr Herz begann wieder zu schlagen und nahm schnell an Geschwindigkeit auf, und als im nächsten Augenblick die Erkenntnis aufkeimte, wurde ihr heiß: Genau so hatte ihr Körper reagiert, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, vor Abertausenden von Jahren.

Nicht mein Fehler. Weder heute noch damals. Es gab keinen Mann, der schöner war; teils Engel, teils Teufel, und genau deshalb noch männlicher. Keinen anderen Mann, der auch dann noch verführerisch war, wenn er eine Frau zurückwies. Wenn er sie still vor den Gefahren warnte, die es bedeuten würde, wenn sie seiner Verlockung erläge. Gefahren, nach denen sie sich sehnte.

Er trug ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck „You Know You Want Me“, schwarze Jeans, die lässig auf der Hüfte saßen, und einen silbernen Kettengürtel. Seine rechte Augenbraue war von drei Piercings durchbohrt, auch in der Lippe trug er eins. Einen Ring. Silber. Passend zum Gürtel, dachte sie abfällig.

Er hatte schon immer auf sein Aussehen geachtet und es nie gemocht, wenn man ihn deswegen aufzog. Einst hatte sie das gefreut, da er mit diesem Verhalten eine sanftere Seite gezeigt hatte. Einen Hauch von Verletzlichkeit.

Aber heute konnte sie keinerlei Freude aufbringen. Während er dastand und so köstlich aussah wie ein in Karamell getauchter Schokoladentrüffel, ähnelte sie vermutlich eher einer nassen Kanalratte. Sie hatte sich nur behelfsmäßig mit dem Wasser waschen können, das die Herren ihr jeden Abend gebracht hatten, weshalb ihre Klamotten zerknittert und schmutzig und ihre Haare struppig waren.

„Na, du bist ja ’ne echte Plaudertasche“, murmelte er. „Dann sind wir also auf dem richtigen Weg.“

Da sie wusste, dass er nur in Lügen sprechen konnte, verstand sie genau, was er meinte. Er wollte, dass sie redete. Bleib cool. Zeig ihm nicht, dass er dich berührt. Sie zog eine Augenbraue hoch und setzte ihre beste Version einer gleichgültigen Miene auf. „Erinnerst du dich jetzt an mich?“ Gut. Ihr Tonfall hatte kein bisschen verletzt geklungen.

Jegliche Emotion verschwand aus seinen Augen, und ihr kristallenes Blau wirkte plötzlich hart wie Diamanten. „Ja, natürlich.“

Also nein. Er erinnerte sich nicht. Mistkerl. Sie zwang sich, ihren Gesichtsausdruck nicht zu verändern, um ihn ja nicht wissen zu lassen, wie sehr seine Antwort sie traf. „Und warum hast du mich dann aus der Burg geholt?“ Langsam und bedächtig fuhr sie sich mit der Fingerspitze die Halsschlagader entlang, dann weiter hinunter, zwischen ihren Brüsten entlang, und fragte sich, ob … ja. Sein Blick folgte ihrer Bewegung. Ob ein Teil von ihm sie noch immer attraktiv fand? „Ich bin eine sehr gefährliche Frau.“

„Davor hat mich noch gar keiner gewarnt.“ Seine Stimme klang brüchig und rau. „Und ich habe dich auch nicht weggebracht, um in Ruhe mit dir zu reden, das steht fest.“

Also nicht, weil er sie wollte, sondern nur, um seine Neugier zu befriedigen. Sie ließ die Hand in den Schoß fallen. Sie war nicht enttäuscht. Das Gefühl kannte sie, und unzählige Male hatte sie sich schon gegen diesen mentalen Schmerz gestählt. Einmal mehr machte da kaum einen Unterschied.

„Du bist ein Idiot, wenn du glaubst, ein Ortswechsel würde meine Zunge lösen.“

Er schwieg, doch an seinem Kiefer zuckte ein Muskel. Offensichtlich war er beunruhigt.

Sie schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln, so sehr genoss sie den Augenblick. Es war durchaus befriedigend, ihn im Dunkeln zu lassen. Ihn genauso rätseln zu lassen, wie er sie hatte rätseln lassen – nämlich über seinen Verbleib, und das viele sorgenvolle Jahrtausende lang.

Die Erinnerung an ihre Sorge, diese seelenzerfressende, immer präsente Sorge, ließ ihr falsches Lächeln im Nu ersterben. Stattdessen musste sie die Zunge an den Gaumen pressen, damit sie nicht wütend darauf biss.

„Ich komme zurück“, hatte er ihr eines Nachts versprochen. „Ich werde dich befreien, das schwöre ich.“

„Nein. Geh nicht. Lass mich hier nicht zurück.“ Götter, was war sie damals doch weinerlich gewesen. Aber sie war eine Gefangene gewesen, und er ihr einziges Licht der Hoffnung.

„Ich liebe dich viel zu sehr, als dass ich lange ohne dich sein könnte, meine Liebste. Und das weißt du. Aber ich muss es tun. Für uns beide.“

Natürlich hatte sie danach nie wieder von ihm gehört, geschweige denn ihn gesehen. Nicht bis die Titanen aus dem Tartarus, dem Gefängnis der Unsterblichen, ausgebrochen waren und den Griechen die Kontrolle über den Olymp entrissen hatten. Nicht bevor sie auf die Erde gekommen war und nach ihm gesucht hatte … nur um ihn in irgendeiner Kaschemme zu entdecken, wo er sich ordentlich einen hinter die Binde gegossen hatte.

Die Wut wurde größer, und sie fing an, rote Punkte zu sehen. Tief einatmen, tief ausatmen. Allmählich verschwanden die Punkte.

„Wir sind hier fertig“, sagte sie, obgleich sie sich nicht vom Fleck rührte, während sie versuchte, seine Reaktion abzuschätzen. „Du wirst nicht bekommen, was du willst, und du wirst mich auch bestimmt nicht hierbehalten.“

„Du kannst jederzeit weglaufen.“ Er verschränkte die Arme vor der breiten Brust, wobei der Stoff seines Shirts über den Brustmuskeln spannte. „Du wirst es nicht bereuen.“

Auch jetzt wusste sie, was er meinte. Wenn sie weglief, würde er dafür sorgen, dass sie dafür bezahlte. Aber sie erwiderte: „Sobald ich mich ein bisschen gestreckt habe, werde ich das Angebot annehmen und abhauen. Danke übrigens für den Vorschlag. Darauf wäre ich alleine niemals gekommen.“

Er grummelte verärgert. Jegliche Lässigkeit war verschwunden. „Es war grausam von mir, dich herzubringen. Du schuldest mir dafür keinen Gefallen, also beweg lieber sofort deinen Hintern.“

„Dann sind wir uns ja einig. Du bist grausam, und ich schulde dir nichts. Also muss ich mich auch nicht verpflichtet fühlen, zu bleiben.“

Noch ein Grollen. Sie zwang sich, nicht zu lachen. Verdammt, es machte immer noch einen Riesenspaß, ihn aufzuziehen.

Spaß? Ihr Grinsen verflog zum zweiten Mal. Es sollte ihr verhasst sein, dass er nur in Lügen sprechen konnte. Schließlich hatte er mit seiner betrügerischen Zunge ihr ohnehin schon zerbrechliches Herz einst ohne Rücksicht zertrümmert.

„Mir reicht’s noch lange nicht“, knurrte er.

„Wow. Bettelst du jetzt schon um mehr?“ Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hatte sie ihn für besonders gehalten. Aber er hatte sich als genauso große Niete entpuppt wie alle anderen – ihre Mutter, ihr König, ihre angeblichen Freunde. Sie alle hätten für sie da sein sollen, stattdessen hatten sie sie verraten. Und zwar jeder Einzelne von ihnen.

Sie waren Verbrecher, sicher, aber auch Verbrecher konnten lieben. Oder? Ja. Warum also konnten sie mich nicht lieben?

Ihr gesamtes Leben hatte sie im Tartarus verbracht. Ihre Mutter Rhea, die Ehefrau von Cronus, hatte kurz vor ihrer Gefangennahme eine Affäre mit einem Sterblichen gehabt und Scarlet in ihrer Zelle zur Welt gebracht. Und diese Zelle hatte sie mit zahlreichen anderen Göttern und Göttinnen geteilt.

Scarlet wuchs unter ihnen auf, und anfangs mochten sie sie auch. Doch als sie älter wurde, keimte in so einigen die Eifersucht auf – und in anderen die Lust.

Gefangenschaft, Hass und Verbitterung wurden schnell zu ihren einzig zuverlässigen Begleitern.

Bis Gideon gekommen war.

Er war einer der Elitekrieger von Zeus gewesen, und jedes Mal, wenn er einen neuen Gefangenen gebracht hatte, hatten sich ihre Blicke getroffen. Auf diese Momente hatte sie gewartet, sich danach gesehnt. Und auch er hatte sie genossen, denn er fing an, dem Tartarus regelmäßig Besuche abzustatten. Nicht um wieder Verbrecher einzusperren, sondern einfach nur, um sie zu sehen und mit ihr zu reden.

Denk nicht an deine Zeit mit ihm. Sonst wirst du noch weich. Und du darfst nicht weich werden, du dumme Kuh.

Nachdem sie endlich in Freiheit gewesen war, hätte sie auf dem Olymp bleiben sollen, der dank Cronus in Titania umbenannt worden war, und sich mit einem netten Gott niederlassen. Aber neeeein. Sie musste ja unbedingt Gideon noch ein letztes Mal sehen. Und als sie ihn gesehen hatte, musste sie in seiner Nähe bleiben. Und als sie sich entschieden hatte zu bleiben, musste sie sich natürlich einreden, die Herren mit einer Warnung auf Abstand halten zu müssen. Denn sie hatte gehört, dass sie jeden Unsterblichen, in dem einer der Dämonen aus der Büchse der Pandora weilte, aufzuspüren versuchten, um ihn anzuwerben … oder umzubringen.

Mistkerl, dachte sie noch einmal. Ausgezeichnet. Das ist schon viel besser. Er ist ein elender Lügner, ein kaltherziger Killer, und du hasst ihn. Er hatte immer noch vor, sie umzubringen, wenn er erst seine Antworten hatte. Das wusste sie genau. Weil sie ihm nämlich niemals helfen würde, und das machte sie zu einer Gefahr.

„Diese Stille ist herrlich“, bemerkte er.

„Freut mich, dass es dir gefällt“, erwiderte sie. Auf seiner Miene spiegelte sich Verärgerung, und abermals musste sie ein Lächeln niederkämpfen. „Ich hab nämlich vor, dir noch viel mehr davon zu schenken.“

Wieder ein Grollen.

„Und damit du dir nicht zu viele Gedanken machst, sollst du wissen, dass ich nicht vorhabe wegzulaufen.“ Noch nicht. Auch sie wollte reden – wenn auch nicht, um seine Neugier zu befriedigen.

Sie fragte sich schon viel zu lange, ob er eine andere gefunden hatte. Etwas Ernstes. Und die Antwort darauf war längst überfällig. Falls es so war, würde Scarlet die Schlampe natürlich umbringen müssen. Nicht weil Gideon ihr nach wie vor etwas bedeutete – das tat er nämlich keineswegs, oh nein! –, sondern weil er so ein Glück nicht verdiente.

Und das wäre auch nicht rachsüchtig von ihr. Als verschmähte Ex wäre es einfach nur ihr gutes Recht.

„Ich bin dir nicht dankbar, dass du hierbleibst“, sagte er mit einem Seufzer der Erleichterung.

Und meinte: Danke. „Nicht gern geschehen“, erwiderte sie. Und meinte: Fick dich.

Er kniff die Augen zusammen, was ihn aussehen ließ wie ein trotziges Kind, das vor Wut am liebsten mit dem Fuß aufgestampft hätte, und fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. Erster Punkt für Scarlet. „Wie ist es möglich, dass wir nicht geheiratet haben, obwohl meine Freunde alles darüber wissen?“

Wie sie hatten heiraten können, ohne dass jemand davon wusste? Das war einfach. „Wir haben heimlich geheiratet, Holzkopf.“

Diesmal reagierte er nicht auf ihre Stichelei. „Habe ich mich nicht für dich geschämt?“

Oh, dafür hätte sie ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst. Natürlich zog er eher in Erwägung, sich für sie geschämt zu haben, statt die Sache mal von der anderen Seite zu betrachten. Schließlich war sie die Gefangene gewesen und er der freie Mann. Auch wenn er sich nicht einmal an dieses winzige Detail erinnerte, so hatte er doch eine ziemlich hohe Meinung von sich.

Mistkerl war ein viel zu nettes Wort für ihn.

„Nein, du hast dich nicht für mich geschämt, aber sie hätten dich umgebracht, wenn sie von deiner Verbindung zu mir erfahren hätten“, presste sie hervor.

Er nickte, als hätte er in diesem Moment verstanden, dass sie einfach nur eine Titanin war, die von den Griechen im Tartarus eingesperrt worden war, und keine Verbrecherin. Als hätte er in diesem Moment begriffen, dass die Griechen – jene, die ihn erschaffen hatten – ihn auf grausamste Art und Weise dafür bestraft hätten, dass er sich mit einem ihrer verhassten Feinde abgab.

„Okay. Wenn wir die ganze Zeit nicht verheiratet waren, wie war dann nicht dein Name?“

Äh, was? Jetzt hatte er schon ihren verschissenen Namen vergessen? Den hatte sie ihm doch erst vor ein paar Wochen gesagt, bei seinem ersten Besuch im Kerker! „Mein Name ist Scarlet.“ Du Arschloch! „Aber das hab ich dir schon mal gesagt.“ Arschloch, Arschloch, Arschloch. Tief grub sie die Fäuste in das Baumwolllaken unter sich.

Er wischte ihre Antwort mit einer Handbewegung weg. „Das wusste ich noch nicht. Ich wollte nicht wissen, wie dein Nachname lautet.“

Das besänftigte ihre Wut kein bisschen. Ihr Griff wurde noch fester, und ihre Augen verengten sich zu zwei schmalen Schlitzen. Er fragte nicht etwa aus Neugier, sondern bohrte ganz gezielt nach Informationen – und hielt sie für so dumm, es nicht zu kapieren.

Er war sich nicht sicher, ob sie eine Göttin war oder eine Dienerin. Als Göttin hätte sie nämlich keinen Nachnamen. Als Dienerin hingegen schon, denn ein Nachname reduzierte den Status. Als könnte man seinen Träger nicht allein am Vornamen erkennen. Wie einen Menschen. Gideon ging nach dem Ausschlussprinzip vor. Auch wenn es ihm nichts helfen würde, da sie weder Göttin noch Dienerin war. Noch Mensch. Sie war irgendetwas zwischen alldem.

„Mein Nachname ändert sich ziemlich häufig. Eigentlich jedes Mal, wenn ich einen Film gucke, in dem eine neue Sahneschnitte mitspielt“, antwortete sie in einem zuckersüßen Tonfall, der zu ihrem Grinsen passte.

Er schob den Unterkiefer hin und her, wobei sein Lippenring in dem lavendelfarbenen Licht glitzerte. Das ärgerte ihn wohl, was? Gefiel ihm etwa die Vorstellung nicht, dass seine selbst erklärte Frau andere Männer mit Blicken verschlang, hm?

„Sahneschnitte? Klingt nach irgendwas aus der Bäckertheke.“ Sein Ton war höhnisch und zielte darauf ab, sie zu beschämen.

„Hölle, nein.“ Offensichtlich meinte er nicht, was er sagte, denn er wurde nicht ohnmächtig. Dann war er also wirklich wütend. Gut so. Endlich. So fühlte sich echte Befriedigung an. Zweiter Punkt. „Du weißt schon. Eine Sahneschnitte. Ein Mann, nach dem man sich verzehrt. Ein Mann, nach dem man sich die Finger leckt. Ein Mann, an dem du lutschen willst, von dem du am liebsten abbeißen willst. Also, du nicht, aber ich.“ Gideon sollte auf keinen Fall denken, sie hätte sich all die Jahre nach ihm gesehnt. Hätte wach gelegen und ihn sich herbeigewünscht. Hätte sich nach ihm verzehrt.

Ganz egal, wie wahr das auch war.

Seine Augen wurden noch schmaler, sodass die Wimpernkränze miteinander verschmolzen und das Hellblau seiner Iris verdunkelten. „Du bist keine Herrin. Nicht so wie ich. Du solltest dich nicht Scarlet Lord nennen.“

„Nennst du dich denn Gideon Lord?“, fragte sie. Das hatte sie nicht gewusst.

„Nein.“

Ja. „Tja, dann werde ich mich niemals Scarlet Lord nennen.“ Diesen Weg würde sie nicht noch einmal mit ihm beschreiten. Nicht noch einmal würde sie dieser Welt und dem Himmel verkünden, dass sie zu ihm gehörte.

Wenn sie irgendetwas mit diesem Mann teilen würde, wäre es die Spitze ihres Dolches. Die würde sie ihm mitten in sein schwarzes, vergessliches, verräterisches Herz stoßen.

Mit einem angsteinflößenden Knurren bleckte er die weißen Zähne. „Ich warne dich nicht, vorsichtig zu sein. Ich bin nicht gefährlich, wenn ich aufgebracht bin.“

„Unterbrich mich, falls du das schon mal gehört hast, aber … fick dich selbst.“

Aus irgendeinem Grund verließ ihn urplötzlich jegliche Wut, und sein Mund verzog sich beinah zu einem Schmunzeln. „Kein bisschen Temperament. Ich hab keine Ahnung, warum ich mich für dich entschieden habe.“

Nicht. Weich. Werden.

„Ich will nicht wissen, nach wem du dich benannt hast.“ Er löste sich aus dem Türrahmen, hielt die Arme jedoch weiter verschränkt. „Bitte sag es mir nicht. Bitte.“

Ganz beiläufig bat er sie, mit diesem Hauch von Belustigung in der Stimme, und dennoch glitzerten seine Augen nun so durchdringend, als würde er – falls nötig – zu ihr kommen und die Antwort aus ihr herausschütteln.

Wenn er sie berührte, wenn er seine kräftigen Finger um ihre Arme legte … Nein, nein, nein. Das durfte sie nicht zulassen.

Sie zuckte die Schultern, als spielte die Information keine Rolle. „Ich hab mich ein paar Wochen lang Scarlet Pattinson genannt. Hast Du Robert Pattinson mal gesehen? Der Heißeste Mann Aller Zeiten! Es ist mir übrigens egal, wenn mich das zum Cougar macht, die auf jüngere Kerle steht. Der Mann singt mit einer wahren Engelsstimme. Götter, ich liebe es, wenn ein Mann für mich singt. Du hast das nie getan, weil deine Stimme so schrecklich ist.“ Sie schüttelte sich angewidert. „Ich schwöre dir, bei dir hört es sich an, als würde ein Dämon seine Krallen an Schwefel wetzen.“

Er grub die Finger so tief in seinen Bizeps, dass sich darunter Blutergüsse bildeten. „Und jetzt wirst du mir nicht sagen, wer du davor warst.“

Er hatte auf das „Bitte“ verzichtet. Wunderbar. Sie hatte ihn wieder am Haken. Aber wie weit konnte sie in dieser Situation gehen? Wie viel konnte sein dämlicher männlicher Stolz noch ertragen, bevor er zu ihr herüberstürmte? Bevor er sie tatsächlich schüttelte? Und zwar nicht, um Antworten zu bekommen, sondern damit sie sich entschuldigte?

Früher hatte sie die Antwort auf diese Fragen gewusst. Niemals hätte er sie aus Wut grob angefasst. Aber er war nicht mehr der sanftmütige Mann, in den sie sich verliebt hatte. Der Mann, der ihr als Erster gezeigt hatte, wie sich Freundlichkeit anfühlte. Das konnte er gar nicht sein. Sie und all die anderen Gefangenen hatten die Geschichten über die Herren der Unterwelt und ihre Taten gehört. Über die Unschuldigen, die sie getötet, über die Städte, die sie zerstört hatten.

Außerdem wusste sie, was der Dämon ihr angetan hatte, als er in ihren Körper verbannt worden war. Die Dunkelheit, das Grauen, der absolute Kontrollverlust. Er hatte ihr Ich ausgelöscht, und kein Funken Menschlichkeit war mehr in ihr geblieben. Und dieser Zustand, so hatte man ihr gesagt, hatte Jahrhunderte angedauert. Obgleich in ihrer Erinnerung so große Lücken waren, dass es ihr selbst vorkam, als wären es nur wenige Tage gewesen. Dennoch. Auch sie war nicht mehr dieselbe.

„Eine Zeit lang hieß ich Pitt“, sagte sie. „Dann Gosling. Dann Jackman. Dann Reynolds. Bei Reynolds lande ich immer wieder. Er ist mein Liebling. Diese blonden Haare und diese Muskeln …“ Ein wohliger Schauer überlief sie. „Mal sehen, wer noch? Ach ja. Ich hieß auch schon Bana, Pine, Efron und DiCaprio. DiCaprio gehört auch zu meinen Lieblingen. Und er ist auch blond, fällt mir gerade auf. Anscheinend steh ich auf Blonde.“

Hoffentlich traf ihn diese Spitze bis ins Mark. Unter der blauen Farbe hatte Gideon von Natur aus schwarzes Haar.

„Ach ja, ich benenne mich übrigens nicht nach Frauen“, fuhr sie fort, „aber Jessica Biel hätte mich fast rumgekriegt. Hast du mal ihre Lippen gesehen? Also schön, zugegeben: Ich war sogar schon Scarlet Biel.“

Wieder schob Gideon den Unterkiefer angespannt hin und her. Und wenn sie sich nicht irrte, war seine Wut mit voller Macht zurückgekehrt und brannte die letzten Überbleibsel seiner Belustigung gnadenlos aus. „Also ziemlich wenig Sahneschnitten“, bemerkte er.

Offensichtlich konnte sie es ziemlich weit treiben. Wie hatte sie vorhin bloß denken können, er sei nur leicht verärgert? Es war der pure unterdrückte Zorn, den sie in seiner Stimme hörte … und darunter schwang unverkennbar Erregung mit.

Letzteren Klang hatte sie einst sehr gut gekannt, und nie hätte sie geglaubt, ihn noch einmal zu hören.

Nicht lächeln. „Was soll ich sagen? Ich liebe eben die Abwechslung. Vielleicht nehme ich mir eines Tages ja mal vor, jeden einzelnen von den Jungs klarzumachen.“

Sie sah förmlich den Rauch aus seinen Nasenlöchern steigen. Oh ja, er war zornig. Er straffte die Schultern, machte ein paar Schritte nach vorn, hielt inne und zog sich wieder zur Tür zurück. „Wir sind noch nicht durch mit dem Thema“, sagte er bissig. Er drehte sich um, als wolle er gehen.

„Warte.“ Sie war nicht bereit, das Gespräch zu beenden. Noch nicht. „Was ist mit dir?“, fragte sie und lenkte das Thema von sich weg. Vorsichtig. „Irgendwelche Freundinnen, von denen ich wissen sollte? Oder sogar eine neue Ehefrau? Falls ja, werde ich dich wegen Polygamie einsperren lassen.“ So. Nie und nimmer würde er vermuten, wie verzweifelt sie war. Wie unermesslich ihr Bedürfnis war, es zu wissen.

Langsam drehte er sich wieder um. „Ja“, erwiderte er und biss dabei die Zähne so fest aufeinander, dass das Wort kaum herauskam. Also nein, keine Frau. „Ich habe eine Freundin, und ich bin mit einer anderen verheiratet.“

Scarlet stieß den heißen Atem aus, den sie unbewusst angehalten hatte. Gideon war Single. Eine männliche Schlampe zwar, weil er jeden Hintern angrapschte, den er zu fassen bekam, aber immer noch ungebunden. Sie begann zu zittern. Nicht aus Erleichterung, dessen war sie sich sicher, sondern rein aus Enttäuschung, dass sie niemanden vor seinen Augen würde umbringen können.

Dann … sind wir jetzt wohl fertig.

Jetzt hatte sie die Info, die sie gewollt hatte; sie konnte sich seiner also entledigen. Doch sie schwang die Beine über den Rand der Matratze und stand auf. Ohne ihn niederzuschlagen und wegzurennen. Blöde Kuh. „Ich geh jetzt duschen und du besorgst mir was zu essen. Denk nicht mal dran, mit mir darüber zu diskutieren, sonst sorge ich dafür, dass in deinem nächsten Traum unzählige Spinnen herumkrabbeln, das schwöre ich bei den Göttern.“ Zumindest wenn es nach ihr ginge.

Denn aus irgendeinem Grund gefiel Albträume der Gedanke, Gideon zu quälen, ganz und gar nicht. Beim ersten und einzigen Mal hatte sie den Dämon anflehen müssen, und die dämliche Bestie hatte die ganze Zeit über protestiert und gewinselt. Das war ihr noch nie passiert. Ihr Dämon war ihr ebenbürtig darin, jede Gelegenheit zu ergreifen, andere zu quälen.

Warum mochte Albträume ihn? Ausgerechnet ihn? Ihr Dämon kannte ihn nicht einmal, da er erst in ihren Körper gefahren war, als Gideon sie schon im Stich gelassen hatte. Allerdings hatte Albträume ihre permanenten Klagen über ihn ertragen müssen. Deshalb hätte sie ihren Arsch darauf verwettet, dass er wünschte, Gideon wäre tot, nur damit Scarlet endlich aufhörte, sich zu beschweren.

„Also?“, drängte sie. „Was stehst du da noch rum? Beweg dich.“

Gideons Lippen zuckten wieder auf diese anbetungswürdige Art. Versuchte er, sich ein Lächeln zu verkneifen? Seltsamer Mann. Jeder andere wäre wütend davongestapft. Oder hätte ihr gedroht, sie für einen derart hochmütigen Befehlston zu erdolchen.

„Was immer du wünschst, meine Süße.“

Was hieß, dass er gar nichts tun würde. Wie sie erwartet hatte. Er war schon immer stur gewesen und hatte nie gern Befehle entgegengenommen – und genau das hatte sie früher an ihm gemocht. Sie konnte nicht zulassen, dass er zufrieden aus dieser Unterhaltung ging.

Nur sie hatte Befriedigung verdient.

Was bedeutete, dass es an der Zeit war, ihm zum zweiten Mal die Sprache zu verschlagen. Während sie zum Badezimmer ging und sich auf dem Weg auszog, sagte sie über die Schulter: „Ach, übrigens, Gid, ich hab dich die ganze Zeit angelogen. Wir waren nie verheiratet.“

Verdammt, verdammt, verdammt! Gideon konnte noch immer nicht ausmachen, wann Scarlet log, und allmählich fing es an, ihn richtig zu nerven. Aus irgendeinem Grund liebkoste jedes Wort, das aus ihrem köstlichen Mund kam, seine Ohren. Aber es kam noch schlimmer: Von den Ohren aus durchströmten diese akustischen Liebkosungen warm seinen ganzen Körper. Wie konnte das sein?

Fakt war: Normalerweise begann sein Dämon zu fauchen, sobald er die Wahrheit hörte. Fakt war auch: Für gewöhnlich schnurrte sein Dämon, wann immer er Lügen vernahm. Aber bei Scarlet Pattinson – fast hätte er ein Loch in die Wand des Hotelzimmers geschlagen, so wie Strider es in der Burg getan hatte, als seine Verstimmung hochgekocht war – hörte er nur ihre rauchige Stimme und verlor sich viel zu tief in einem wolkigen Glücksgefühl, als dass er sich um Wahrheit oder Lüge hätte kümmern können.

Das musste er unbedingt unterbinden. Sonst bekäme er seine Antworten womöglich nie.

Geh weg von ihr, verlangte Lügen.

Zu ihr gehen? Vergiss es. Ich fänd’s nämlich gut, wenn meine Eier da bleiben, wo sie jetzt sind, danke. Scarlet gehörte ohne Zweifel zu den Frauen, die einen ohrfeigten, wenn man versuchte, sie wach zu küssen. Und genau diese Art Frau würde einem das Knie so heftig in die Weichteile rammen, dass sie einem zu den Ohren wieder herauskämen, wenn man versuchte, einen Blick auf ihre nackten Kurven zu erhaschen, während sie duschte.

Nackte … Kurven … Hallo, Ständer.

Mit einem Klicken schloss sich die Badezimmertür, sodass er keinen Zentimeter ihres Körpers sehen konnte. Dumm, äh, perfekt gelaufen. Zuletzt hatte sie nur noch BH und Höschen getragen. Beides schwarz. Mit Spitze. Der BH hatte einen Vorderverschluss, der förmlich darum bettelte, geöffnet zu werden. Das ist eine kleine Neuplatzierung meiner Hoden vielleicht sogar wert, dachte er und ging bereits auf die Tür zu.

Ihm wurde der Mund wässrig, flammende Hitze schien über seine Haut zu tänzeln und brachte sein Blut zum Kochen. Irgendwie bremste er sich, bevor er die Tür erreichte. Beherrsch dich, um Himmels willen. Es war nur … Heilige Hölle, sie war wunderschön. Wie ein zum Leben erwachtes Porträt, mit dieser rosig überhauchten Haut und dem seidigen schwarzen Haar. Mit diesen gefährlichen Kurven und schlanken Muskeln – zwei Dingen, die normalerweise nicht besonders miteinander harmonierten. Doch bei ihr taten sie es. Und zwar zum Anbeißen.

Zum Anbeißen. Das war die perfekte Beschreibung für ihren Rücken und die Tätowierung. Um ihre Taille waren die

Worte SICH TRENNEN HEISST STERBEN eintätowiert, und rings um die Worte rankten sich Blumen. Viele, viele Blumen. Blumen jeder Farbe, Form und Art, und er verspürte den Drang, jede einzelne mit seiner Zunge nachzuzeichnen. Unterhalb der Blüten schillerte auf der Rückseite ihrer Oberschenkel ein Schmetterlingstattoo in den prächtigsten Farben des Regenbogens. Er schien mitten im Flug zu sein – als flöge er auf diese Blumen zu.

Zum Anbeißen.

Doch das war nicht das Detail, das Gideons gebündelte Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. SICH TRENNEN HEISST STERBEN. Er hatte dieselben Worte und Blumen um seine Taille tätowiert. Warum hatte er etwas so Mädchenhaftes getan? Das hatten all seine Freunde wissen wollen, nachdem sie auf seine Kosten ordentlich abgelacht hatten. Er hatte erwidert, er habe beweisen wollen, dass nichts seine Anziehungskraft schwächen könne.

Die Wahrheit war, dass er es getan hatte, weil er diese Worte und Blumen wieder und wieder vor seinem geistigen Auge gesehen hatte. Sie hatten ihn gequält, und er hatte genau gewusst, dass sie etwas bedeuteten – nur was sie bedeuteten, war ihm ein Rätsel geblieben. Jetzt wusste er, dass er sie an dieser Frau gesehen hatte. Was bedeutete, dass sie Zeit miteinander verbracht hatten – ob sie nun verheiratet waren oder nicht.

Warum zum Teufel kann ich mich nicht daran erinnern?

Ich weiß es, erwiderte Lügen, als hätte er den Dämon gefragt.

Klappe. Ich mag dich lieber, wenn du still bist.

Auf einmal erfüllte das Geräusch von Wassertropfen auf Porzellan das Hotelzimmer. Wahrscheinlich ist Scarlet jetzt nackt, dachte er. Wahrscheinlich tritt sie gerade unter den Wasserstrahl und stöhnt leise, während es an ihrem fantastischen Körper hinunterläuft.

Er stöhnte und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, um irgendwie die sündigen Gedanken zu vertreiben, die in seinem Geist aufblitzten. Es half nichts. Er machte die letzten Schritte und streckte die Hand nach dem Türknauf aus. Auf Wiedersehen, Hoden. Wir hatten eine gute Zeit zusammen.

Doch abermals hielt er sich gerade noch zurück. Mit einem Grollen ließ er die Hand sinken und stellte seine Füße fest nebeneinander. Nein, nein und nochmals nein.

Wenigstens brauchte er sich keine Sorgen zu machen, dass sie abhaute. Das würde ihr nicht gelingen. Während sie geschlafen hatte, hatte er winzige Sensoren an allen Türen und Fenstern angebracht und mit seinem Handy verbunden. Wenn sie versuchte zu fliehen, würde er sofort alarmiert. Und sie würde es versuchen. Schon bald. Sie könnte gar nicht anders. Zu kämpfen war offensichtlich Teil ihres Wesens.

Genau wie ihn zu ärgern.

Wie sollte er eine Frau in den Griff kriegen, die ihren Nachnamen nach irgendjemandem auswählte, auf den sie gerade scharf war? Das ging ja noch in Ordnung, wenn das Objekt der Begierde auch eine Frau war. Selbst wenn es eine sexy Frau war. Dazu würde er sie glatt ermutigen. Aber die Männer? Hölle, nein. Nicht wenn die Möglichkeit bestand, dass sie miteinander verheiratet waren, und nicht solange die Dinge zwischen ihnen nicht geklärt waren.

Trotzdem. Wie er sie in den Griff kriegen wollte, wusste er ganz genau. Er wollte ihre nackte Haut spüren. Mit jeder Zelle seines Körpers sehnte er sich danach, zu ihr unter diese Dusche zu steigen und Scarlet zu schmecken. Und dann, oh ja, dann würde er tief in sie eindringen und spüren, wie sie in sein Haar griff und ihm den Rücken zerkratzte. Genießen, wie sie die Beine um ihn schlang und sich an ihm festklammerte. Hören, wie sie seinen Namen keuchte und um mehr bettelte.

Bei diesen Gedanken schien sein kostbarster Körperteil förmlich zu wimmern vor Begierde, und er glaubte zu hören, wie dessen Anhängsel verzweifelt um Erlösung flehten – ohne einen Gedanken an ihr mögliches Ende zu verschwenden.

Das wird nicht passieren. Jedenfalls noch nicht. Sie war seinem Charme entschlossener ausgewichen, als er erwartet hatte. Auch wenn er noch nicht mit besonders harten Bandagen gekämpft hatte. Hart, ha … Aber vielleicht war es ja auch gut so. Wie Strider ihn erinnert hatte, befanden sich die Jäger in Budapest – und sie waren auf blutige Rache aus. Jetzt, da sie die Herren töten und die freigelassenen Dämonen mit Personen ihrer Wahl verbinden konnten – und die Herren so knapp vor dem Sieg standen –, waren die Jäger verbissener und bösartiger denn je. Wenn Gideon Scarlet verführte, würde er bloß vergessen, sie zu beschützen.

Natürlich hätte er sie in eine andere Stadt bringen und dort verführen können. Das wäre sicherer gewesen. Aber nein. Er konnte seine Freunde nicht einfach im Stich lassen. Jetzt brauchten sie ihn mehr als je zuvor. Maddox war schwer damit beschäftigt, seine schwangere Frau zu beruhigen; Luciens Freundin plante ihre Hochzeit; Sabins Frau besuchte ihre Schwester im Himmel, weshalb der Anführer der griechischen Krieger im Augenblick extrem reizbar war; und Reyes’ Frau musste auch so schon mit genügend Mist klarkommen. Als Allsehendes Auge konnte sie sowohl in den Himmel als auch in die Hölle blicken, und was sie dort sah, war oft bei Weitem schlimmer als alles, was Scarlet in ihrer Traumwelt heraufbeschwören konnte.

Ganz zu schweigen von Aeron, bis vor Kurzem noch Hüter von Zorn, der sich noch immer nicht vollständig von seinem Intermezzo mit dem Tod erholt hatte. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten gehörte sein Verstand wieder ihm allein, da sein Dämon nicht länger ein Teil von ihm war. Und wie zu erwarten hatte er sich noch nicht an diese Veränderung gewöhnt.

Im Gegensatz zu einigen anderen Kriegern war Gideon nicht neidisch. Er mochte seine andere, seine dunkle Hälfte sogar. Zusammen waren sie mächtiger. Zusammen waren sie stärker und klüger, und niemand – außer Scarlet – konnte ihnen was vormachen. Na ja, gut. Einige andere schon, aber nur, wenn er sich von seinen Gefühlen übermannen ließ. Was nicht gerade oft vorkam.

Apropos unfähig sein, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden … Ich hab dich die ganze Zeit angelogen. Wir waren nie verheiratet, hatte Scarlet gesagt.

Zum Teufel mit ihr und ihrer verführerischen Durchtriebenheit. Waren sie oder waren sie nicht? Er hatte diese blitzartigen Erinnerungen an sie, ja. Als wäre er schon mal mit ihr im Bett gewesen. Als hätte er bereits jeden Zentimeter ihres Körpers gekostet und all die Dinge mit ihr angestellt, die er sich jetzt so sehr wünschte. Aber das konnten genauso gut einfach nur Bedürfnisse sein, pure Fantasien, nicht aber die Realität.

Schwer seufzend ging Gideon zu dem Bett, auf dem Scarlet gelegen hatte. Er hob die Decke an und presste sich den noch warmen Stoff an die Wange. Der Duft von Mitternachtsorchideen stieg ihm in die Nase. Hatte er diese Wärme schon einmal Haut an Haut gespürt? Kannte er diesen Duft?

Er blickte finster drein, als er die Decke fallen ließ und sein Schwanz noch ein bisschen mehr wimmerte. Raus hier, bevor du deine guten Absichten vergisst und ins Badezimmer stürmst.

Seinem Dämon gefiel der „stürmische“ Gedanke. Geh nicht ins Badezimmer. Geh nicht sofort ins Badezimmer!

Ich meine es ernst. Halt die Klappe! Obwohl Gideon Scarlet auf seine umständliche, doppelzüngige Art gesagt hatte, dass er ihr nichts zu essen besorgen würde – was er zu dem Zeitpunkt auch so gemeint hatte –, verließ er jetzt das Zimmer zu genau diesem Zweck. Er schloss ab, fuhr mit dem Aufzug nach unten, schrieb auf, welche Gerichte er haben wollte, und gab der Empfangsdame den Zettel.

Lügen tigerte die ganze Zeit wütend auf und ab. Er hasste es, von Scarlet getrennt zu sein. Das war völlig surreal.

Die Frau an der Rezeption lächelte ihn freundlich an und begann zu tippen. „Geben Sie uns eine Stunde, Mr Lord.“

Beinah hätte er sie korrigiert und Pattinson gesagt, nur um eine Verbindung zu Scarlet herzustellen. Stattdessen nickte er und ging ins Zimmer zurück. Scarlet hatte Hunger, also würde er ihr etwas zu essen geben – Ehefrau hin oder her. Denn unterm Strich brannten ihm immer noch Fragen unter den Nägeln, auf die sie allein die Antworten kannte.

Wie er sich danach verhalten würde, ob als derber Höhlenmensch oder als charmanter Verführer, würde von ihr abhängen.

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