Dirty Hearts - Liebe ohne Regeln

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Abby hat sich einmal zu oft die Finger verbrannt. Ihr reicht es mit den Männern, von jetzt an will sie sich nur noch auf ihren Job in der Konditorei konzentrieren. Doch als ihr Chef krank wird, vertritt ihn ausgerechnet der sexy Nachtclubbesitzer Tanner - und der weckt unbändiges Verlangen in Abby. War es in der Backstube schon immer so heiß? Der tätowierte Bad Boy bringt Abbys gute Vorsätze zum Schmelzen wie Zuckerguss in der Sonne …

Diese Geschichte ist bereits als E-Book unter dem Titel "Zügellos und ohne Regeln" erschienen.


  • Erscheinungstag 03.06.2019
  • Bandnummer 2
  • ISBN / Artikelnummer 9783745750126
  • Seitenanzahl 304
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. Kapitel

Abby

Endlich geschieden! Eigentlich hätte das der glücklichste Tag meines bisherigen Lebens sein sollen. Dafür hatte ich auch schon einige Pläne geschmiedet: Zuerst wollte ich einen grandiosen Arbeitstag lang im Le Miel dieses wunderbare französische Gebäck herstellen, in das ich mich im Laufe des Jahres so verliebt hatte, und danach einen romantischen Abend in intimer Runde verbringen: nur mit einer Flasche Shiraz und mit Channing Tatum – meinem Lieblingsschauspieler.

Besser kann man so einen Anlass doch nicht feiern, oder? Den ganzen Morgen hatte ich mir schon vorgestellt, wie ich mich den Aromen des samtigen Rotweins hingebe, während dieser heiße Filmstar über den Bildschirm flimmert. Kaum war ich eine Stunde in der Konditorei, wurden meine Träume allerdings brutal zunichtegemacht. Und zwar in dem Moment, als Remy King, der tollste Chef in ganz Australien, im Laden von der Leiter fiel … und schließlich hier landete: im Sydney Private Hospital.

»Du brauchst nicht bei mir zu bleiben«, sagte er, und seine blauen Augen waren schmerzerfüllt – obwohl die Medikamente, die man ihm verabreicht hatte, einen ausgewachsenen Elefanten hätten umhauen können. »Fahr ruhig wieder zum Laden zurück.«

»Kein Problem, Makayla hat dort alles im Griff.« Ich setzte mich vorsichtig zu ihm auf die Bettkante und griff nach seiner Hand. »Außerdem war ich schon längst fertig mit den Croissants, Beignets, Eclairs und Macarons, als du dich unbedingt an diesem akrobatischen Kunststück versuchen musstest. Sie braucht die Sachen nur noch zu servieren.«

Remy lächelte müde, dann verzog er das Gesicht. »Das war nicht meine Schuld, das lag an der Leiter.«

»Klar, die ist ganz von selbst über diesen Mehlhaufen auf dem Boden gerutscht.« Ich verdrehte die Augen. »Wenn du nicht so ein toller Freund und Chef wärst … dann würde ich dir jetzt ordentlich die Meinung sagen – dafür, dass du dich so dämlich angestellt hast.«

»Und wenn du nicht mein bester Lehrling wärst, würde ich dich jetzt auf der Stelle rauswerfen für diese Dreistigkeit.«

Ich drückte seine Hand, denn ich war ihm so unendlich dankbar dafür, dass er mir eine Chance gegeben hatte, als ich so dringend Unterstützung brauchte.

Dass ich meinen gefühlskalten, berechnenden Mann nach nur neun Monaten Ehe verlassen hatte, galt in der Familie Prendigast als unverzeihlich. Für meine Gründe hatten sich meine Eltern gar nicht erst interessiert. Sie hatten sich nur Sorgen um ihren ach so guten Ruf als eine der reichsten Familien in Sydney gemacht. Mit dem Ergebnis, dass sie mir jede finanzielle Unterstützung verweigert und die kalte Schulter gezeigt hatten, um mir eine Lektion zu erteilen.

Dabei rechneten sie wohl fest damit, dass ich binnen einer Woche in ihrem am Wasser gelegenen Luxusanwesen aufschlagen würde.

Tatsächlich habe ich mich jetzt ein Jahr lang nicht mehr dort blicken lassen.

Trotz all ihrer Fehler vermisste ich meine Eltern. Und meine Freunde auch. Aber: Die Abigail Prendigast von damals, die perfekte Tochter, die in einer perfekten Welt lebte und immer alles richtig machte, gab es inzwischen nicht mehr. An diesem einen schicksalhaften Tag hatte ich sie hinter mir gelassen und ein neues Leben begonnen.

»Was ist denn los?« Remy musterte mich aus zusammengekniffenen Augen. »Ist es wegen der Patisserie? Mach dir mal keine Sorgen, du musst dich jetzt nicht ganz allein um den Laden kümmern. Ich habe Tanner schon Bescheid gesagt, der unterstützt dich gern dabei, während ich hier wieder auf die Beine komme.«

Sofort verspürte ich eine innere Anspannung. Ich hatte Remys jüngeren Bruder zwar noch nicht persönlich kennengelernt, allerdings schon genug von ihm gehört, um mir eine ungefähre Meinung bilden zu können. Und die war nicht gerade gut.

In meinen Augen war er ein Nichtsnutz. Ein reicher Nichtsnutz: Offenbar gehörten ihm ein paar Nachtclubs und Bars zwischen Sydney und Brisbane. Das brachte ihm wohl zig Millionen von Dollar ein, die er bevorzugt mit irgendwelchen Frauen auf seinen ständigen Weltreisen verprasste.

Und trotzdem schien Remy ihn aus irgendwelchen Gründen zu vergöttern. Immer wenn Tanner mal wieder vom anderen Ende der Welt anrief, schwang echte Zuneigung in Remys Stimme mit. Na ja, dass der Typ trotz seines Playboy-Lebenswandels mit seinem Bruder in Verbindung blieb, musste man ihm wohl zugutehalten.

Einmal, ganz kurz nur, hatte ich ihn auch gesehen, als Remy sich gerade mit ihm per Video Call unterhalten hatte: dunkles Haar, dunkle Augen, Dreitagebart. Ganz gut aussehend eigentlich, wenn man auf diesen Typ steht. Tja, und ich? Mir sind die unkomplizierten Männer lieber, also das Gegenteil von Bardley, meinem Ex. Und so finster, wie Tanner auf dem Bildschirm ausgesehen hatte, war er alles andere als unkompliziert.

»Ach so, ich dachte, Tanner wäre gerade irgendwo im Ausland unterwegs«, bemerkte ich und klang dabei viel gelassener, als ich mich eigentlich fühlte. Dass mir ein wildfremder Mann, der eine Trüffelpraline nicht von einer Trockenpflaume unterscheiden konnte, bei der Arbeit über die Schulter sehen sollte, passte mir überhaupt nicht. Es war auch gar nicht nötig, schließlich hatte ich die Abläufe im Le Miel voll im Griff, da würde dieser jetsettende Backstubennovize nur im Weg sein. »Das ganz normale Tagesgeschäft kriege ich auch allein sehr gut hin.«

»Aber du kannst dich doch nicht um alles gleichzeitig kümmern.« Ein besorgter Ausdruck huschte über Remys Gesicht, dann blinzelte er. »Tanner ist übrigens ein wirklich guter Geschäftsmann, der auch schon Restaurants geleitet hat. Mir wäre es lieb, wenn er vorübergehend die Verantwortung für das Le Miel übernimmt, in einem Monat bin ich ja wieder da.«

»In einem Monat?«, fragte ich. Es klang wie ein Aufschrei, und Remy lachte leise.

»Tja, so lange dauert das wohl«, erwiderte Remy. »Ich habe mir den Knöchel und ein paar Rippen gebrochen. Je weniger ich mich bewege, desto schneller verheilt das wieder, meinte der Arzt.« Er zwinkerte mir zu. »Wer hätte das gedacht?«

Verdammt. Das hätte ich mir denken können: dass er nicht auf Krücken durch den Laden humpeln konnte, weil er ja auch noch drei gebrochene Rippen hatte. Aber zuerst hatte es sich für mich so angehört, als würde ich mich höchstens eine Woche lang mit diesem Weltenbummler-Playboy arrangieren müssen. Und jetzt gleich einen ganzen Monat lang?

Aber was dachte ich da eigentlich gerade für egoistisches Zeug, während mein Freund und Chef hier mit Schmerzen im Krankenhaus lag? Erneut drückte ich seine Hand. »Kümmere du dich erst mal darum, dass es dir besser geht, alles andere kriege ich schon hin.«

»Alles andere kriegen wir schon hin, meintest du wohl.« Eine tiefe Stimme, genau hinter mir. Eine Stimme, die nach dunklen Bars klang, nach dunkler Schokolade und nach einer dunklen Seele, voll und samtig zugleich … und eine Spur unverschämt. Sofort war ich auf der Hut.

Ich fuhr herum – und war Auge in Auge mit dem »Teufel«, von dem wir eben gesprochen hatten. Und was für Augen er hatte! Sie glänzten in einem faszinierend hellen Goldbraun. Aber was mich noch mehr aus der Fassung brachte als die Farbe, war die Art, wie mich dieser Mann ansah: als würde er mich am liebsten vernaschen wollen wie ein köstliches Eclair. Ich erschauerte, als sein hungriger Blick meine Hand fand, die immer noch auf Remys lag.

»Ach, wie süß, ihr zwei«, bemerkte er, und mir stellten sich die Nackenhaare auf. »Störe ich etwa?«

Abrupt zog ich die Hand zurück.

»Tanner, spinn hier nicht rum«, sagte Remy. »Das ist übrigens Abby, mein Lehrling. Und gleichzeitig die beste Konditorin außerhalb von Paris.«

»Aber natürlich nicht so gut wie du.« Tanner musterte mich eindringlich und brachte damit Stellen zum Kribbeln, die über ein Jahr lang kein Mann mehr berührt hatte. Und wie!

»Selbstverständlich nicht.« Remy strahlte über das ganze Gesicht, offenbar bedeutete sein Bruder ihm viel. »Vielen, vielen Dank, dass du bei mir im Geschäft einspringst.«

»Sehr gern.« Tanner kam näher, und ich musste mich zusammenreißen, um nicht automatisch zurückzuweichen.

Sein intensiver Blick war ja schon schlimm genug gewesen. Aber je näher er kam, desto bewusster wurde mir, wie groß er war: mindestens einsneunzig und dazu gut durchtrainiert. Wahrscheinlich war er täglich im Fitnessstudio. Oder er trieb irgendeine andere Art von … Sport.

Verflucht, was ging mir da eigentlich gerade durch den Kopf? Das war jetzt schon das zweite Mal in einer Minute, dass ich ihn mit Sex in Verbindung gebracht hatte. Hatte ich etwa Entzugserscheinungen? Das konnte ich mir schlecht vorstellen: Seit der Trennung von Bardley hatte ich mit keinem Mann geschlafen und es auch nicht vermisst. Schließlich hatte ich genug damit zu tun gehabt, mir ein neues Leben aufzubauen. Ein Leben, das sich jetzt nicht mehr um High-Society-Anlässe, Dinner-Verabredungen mit wichtigen Klienten und Wochenenden auf Bardleys Jacht drehte, während ich parallel versucht hatte, mein Betriebswirtschaftsstudium abzuschließen. Das hatte ich nun auch noch abgebrochen. Dumm gelaufen.

»Das ist für mich sogar der perfekte Zeitpunkt, bei dir einzuspringen«, wandte Tanner sich an seinen Bruder und lehnte sich dabei gegen das Bett. Er war so riesig, dass alles andere neben ihm auf einmal lächerlich klein wirkte. »Ich bin nämlich gerade auf der Suche nach einer neuen Herausforderung.«

Sein intensiver Blick jagte mir einen heißkalten Schauer über den Rücken: Mir war klar, dass er mit der Herausforderung nicht nur die Konditorei seines Bruders meinte.

Remy schien allerdings nichts von der elektrisierenden Spannung zwischen uns zu bemerken – oder aber die Schmerzmittel hatten ihn schon total zugenebelt. »Prima. Dann könnt ihr zwei euch ja schon mal zusammensetzen und etwas besser kennenlernen, während ich hier in Ruhe vor mich hin leide.«

»Dein Wunsch ist mir Befehl, Bro.« Tanner beugte sich zu Remy hinunter und drückte ihn so vorsichtig, dass er mir fast sympathisch wurde – was mir gar nicht in den Kram passte. »Ich halte dich auf dem Laufenden. Und mach dir keine Sorgen ums Le Miel, das klappt schon.«

»Gute Besserung, Remy.« Ich ging zur anderen Seite des Bettes, damit ich nicht mehr neben Tanner stehen musste, und drückte meinem Chef einen Kuss auf die Wange. »Werd schnell wieder gesund, ja?«

»Geht in Ordnung.« Als ich sein verschmitztes Grinsen sah, ahnte ich schon, dass mir seine nächste Bemerkung nicht gefallen würde: »Jetzt ist Tanner ja da, da bist du in den besten Händen.«

Das Blut schoss mir in die Wangen. Nur zu gut konnte ich mir vorstellen, wie sich Tanners Hände auf meiner Haut anfühlen würden.

Und dann war ich auch noch so dämlich, zu Tanner hinüberzuschauen – genau in dem Moment, als er besagte Hände hochhielt, während es um seine Mundwinkel verräterisch zuckte. »Du Glückspilz.«

Mir fielen spontan eine Menge Wörter ein, mit denen sich mein momentaner Zustand gut beschreiben ließ. »Glückspilz« war aber so ziemlich das Letzte, was mir dazu eingefallen wäre.

2. Kapitel

Tanner

Ich hatte nicht gelogen, als ich Remy erzählt hatte, dass ich auf der Suche nach einer neuen Herausforderung war. Darunter hatte ich mir allerdings etwas völlig anderes vorgestellt als diese unterkühlte Blonde mit den gletscherblauen Augen. Neben so einer kriegt ja selbst ein Schneemann Frostbeulen!

Ein Blick auf diese versnobte Tante, und mir war sofort klar, was das für eine ist: ein verwöhntes reiches Mädchen, das aus reiner Langeweile mal ein paar Törtchen backt. Die möglichst so aussehen sollen wie die, die sie früher in ihrer teuren Puppenküche zubereitet hatte. Während sie von ihrem Prinzen auf dem weißen Pferd, vor allem aber mit dem superdicken Bankkonto träumte.

Ja, genau so war das mit Frauen wie ihr: voll in ihrer Prinzessinnenwelt gefangen. Nur eines konnte ich nicht verstehen: Warum war sie inzwischen schon ein ganzes Jahr bei Remy?

So ein paar Basics über sie hatte er mir vor zehn Monaten schon durchgegeben, als wir telefonierten und uns auch kurz über seinen neuen Schützling unterhielten. Sie war wohl vorher seine beste Kundin gewesen und eines Tages völlig zerzaust und aufgelöst in seinen Laden gekommen und hätte ihn um einen Job angebettelt. Hatte ihm etwas von ihrem großen Traum erzählt, Konditormeisterin zu werden.

So ein Bullshit.

Keine Ahnung, was diese Abby für ein Spiel spielte. Ich wusste nur, dass Remy ihr damals angeboten hatte, im Apartment über der Konditorei zu wohnen, während sie ihr Leben wieder auf die Reihe brachte. Und jetzt war sie immer noch da … da behielt ich sie am besten mal im Auge. Wer weiß, was sie so vorhatte.

Schließlich hatte jeder doch so seine Beweggründe, wie ich schon am eigenen Leib erfahren durfte, und zwar auf die harte Tour. Falls die Eisprinzessin also beabsichtigte, meinen Bruder über den Tisch zu ziehen, dann würde ich ihr einen Tritt in ihren süßen Hintern verpassen, dass sie im hohen Bogen aus der Backstube fliegt. Süß war ihr Hintern ja – sehr sogar! –, das hatte ich schon gesehen, als sie sich über Remy gebeugt und ihn geküsst hatte.

Direkt berührend war das gewesen. Man könnte fast meinen, ihr würde wirklich etwas an Remy liegen … wenn ich es nicht besser wüsste.

Aber klar: Frauen wie sie waren perfekt darin, anderen Menschen etwas vorzumachen. Und falls sie vorhatte, meinen Bruder auszunutzen, ihm vielleicht eine Beteiligung am Le Miel aus den Rippen zu leiern, dann konnte sie sich auf etwas gefasst machen!

Remy hatte ja schon immer ein viel zu weiches Herz gehabt, er war immer viel zu nachgiebig gewesen. Vielleicht hatte er es deswegen damals auch leichter mit Dad als ich. Der hatte mich ja gehasst.

»Wir fahren jetzt lieber schnell zur Konditorei«, sagte Abby, als wir aus dem Krankenhaus kamen. »Meine Kollegin Makayla kümmert sich gerade um alles, die ist bestimmt schon am Hyperventilieren.«

»Moment mal, meine Süße.« Blitzschnell legte ich ihr eine Hand ins Kreuz … und zuckte zusammen. Ein Kribbeln durchfuhr meinen Arm, als hätte ich einen Stromschlag bekommen. »Erst mal müssen wir uns kennenlernen.«

Daraufhin sah sie mich so fassungslos an, als hätte ich ihr eben vorgeschlagen, dass wir uns dafür ausziehen müssten. Ich grinste. Eigentlich gar keine so schlechte Idee! Das würde jedenfalls etwas Leben in ihre versteinerte Miene bringen.

»Hey, was ist denn los? Eigentlich wollte ich bloß vorschlagen, dass wir noch schnell einen Kaffee trinken, aber wenn du dir etwas anderes dabei gedacht hattest, bin ich durchaus flexibel.« Abschließend zwinkerte ich ihr noch kurz zu, weil ich wusste, dass sie das erst recht auf die Palme bringen würde.

Und so war es dann auch, sofort richtete sie sich zu ihrer vollen Größe auf: etwa einsachtundsiebzig, ganz schön groß für eine Frau. Normalerweise stand ich eher auf kleine, zierliche Persönchen.

»Ich bin nicht deine Süße«, betonte sie und reckte überheblich das Kinn in die Höhe.

»Wärst du es denn gern?«, gab ich zurück und machte mich darauf gefasst, sie damit völlig zu verschrecken.

Zu meiner Überraschung blieb sie direkt vor mir stehen und funkelte mich mit ihren großen gletscherblauen Augen an. Bewundernswert fand ich das.

»Jetzt hör mir mal zu«, begann sie. »Ich liebe meinen Job, und deinem Bruder habe ich viel zu verdanken. Als ich ganz allein dastand, war er der Einzige, der mir eine Chance gegeben hat. Das lasse ich mir nicht von so einem Möchtegern-Playboy kaputtmachen, der seinen Hosenschlitz nicht zulassen kann. Verstanden?« Dann versetzte sie mir noch einen Knuff gegen die Brust. Nicht gerade sanft. Ganz schön mutig.

»Mir reicht’s jetzt mit den dummen Anspielungen, lass uns endlich zur Sache kommen.«

Das war ja mal wieder eine Steilvorlage, da konnte ich mich nicht zurückhalten. »Zu mir oder zu dir?«

»Ich fasse es nicht«, murmelte sie entnervt und drehte mir den Rücken zu.

Okay, da hatte ich es wohl zu weit getrieben, was aber nicht von Nachteil war. Immerhin hatte ich jetzt perfekte Sicht auf ihren Hintern. Und der war wirklich süß, genau wie ich ihn mir schon vorgestellt hatte: rund und knackig, und in der engen schwarzen Hose, die in der Konditorei wohl zur Arbeitskleidung gehörte, kam er gut zur Geltung.

Ach ja, die Konditorei …

Jetzt wurde mir auch wieder bewusst, was ich Remy versprochen hatte: Ich wollte dafür sorgen, dass in seiner Abwesenheit alles glattläuft. Und wenn ich etwas verspreche, dann halte ich das auch. Und selbst wenn ich grundsätzlich niemanden zu nah an mich heranlasse, mache ich für meinen Bruder eine Ausnahme. Immerhin ist er mein Fleisch und Blut, außerdem war ich ihm etwas schuldig.

Das bedeutete allerdings auch, dass ich mich jetzt mit dem süßen Knackarsch gutstellen musste.

»Hey, Moment mal!« Mit wenigen Schritten hatte ich sie eingeholt. »Tut mir leid, dass ich so einen Blödsinn rede. Aber ich bin erst gestern Nacht mit dem Flieger aus L. A. gekommen und immer noch total im Jetlag.«

Daraufhin erntete ich nur einen entnervten Blick, das beeindruckte sie offenbar kein bisschen.

»Komm, wir trinken einen Kaffee zusammen. Ich benehme mich auch anständig, versprochen!« Ich hob die Hände, als wollte ich mich ergeben.

Erst zögerte sie noch und kaute dabei auf ihrer Unterlippe herum. Eigentlich war das völlig unverfänglich, trotzdem spürte ich, dass mein Schwanz direkt darauf reagierte. Man sagte mir ja gern nach, dass ich alles vögele, was nicht bei drei auf den Bäumen war … aber in Wirklichkeit hatte ich schon seit Monaten keinen Sex mehr gehabt.

Daran musste ich wohl schnellstens etwas ändern … wenn ich jetzt schon heiß wurde, nur weil die Eisprinzessin auf ihrer Unterlippe herumkaute.

»Komm schon, Abby, ich beiße auch nicht«, stieß ich hervor und versuchte dabei, so gut es ging, meine Erregung zu ignorieren.

Nach einer gefühlten Stunde rang sie sich schließlich zu einem kurzen Nicken durch. »Also gut.«

Gut war es aber ganz und gar nicht. Auf dem kurzen Weg zum nächsten Café wehte ihr Duft zu mir herüber: eine süße, berauschende Mischung aus Vanille und Kokosnuss. Ob sie wohl genauso gut schmecken würde, wie sie roch?

Verdammt. Remy würde mir das Fell über die Ohren ziehen, wenn ich irgendwelchen Unfug mit seinem Schützling anstellte. An sich wollte ich das ja auch gar nicht, ich wollte sie bloß ein bisschen aus der Reserve locken.

Als ihr aber der nächste Windstoß ein paar blonde Haarsträhnen ins Gesicht blies, musste ich mich mit aller Kraft beherrschen, um sie ihr nicht zurückzustreichen. Spätestens da war mir klar, dass die nächsten vier Wochen unendlich lang werden würden.

Hatte ich mir wirklich eine Herausforderung gewünscht?

Jetzt hatte ich jedenfalls eine bekommen.

3. Kapitel

Abby

Für so einen Blödsinn hatte ich keine Zeit.

Eigentlich sollte ich jetzt so schnell wie möglich wieder zurück ins Le Miel, um sicherzugehen, dass Makayla dort alles unter Kontrolle hatte.

Stattdessen saß ich mit Tanner in diesem Café und musste auch noch ein freundliches Gesicht aufsetzen.

»Ist dir der Tisch hier recht?« Er zeigte auf den einzigen freien Zweiertisch im Außenbereich. Ein wirklich schöner Platz.

Ich nickte. »Okay, aber nicht zu lang, ich muss schnell wieder in die Konditorei.«

»Du hast es aber eilig, mich loszuwerden.« Wie ein echter Gentleman zog er für mich einen Stuhl hervor – eine ungewöhnliche Geste für jemanden, der so eine toughe Verwegenheit ausstrahlt. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich mich anständig benehme.«

Ich zwang mich zu einem dankbaren, allerdings etwas verkniffenen Lächeln und setzte mich hin. Dabei war mir sehr wohl bewusst, dass Tanner ganz andere Vorstellungen von gutem Benehmen hatte als ich.

»Was möchtest du trinken?« Er nahm ebenfalls Platz und schob sich die Ärmel hoch. Dabei kamen seine über und über tätowierten Arme zum Vorschein.

Mit Tätowierungen konnte ich überhaupt nichts anfangen. Wie konnte man seine Haut nur derart verunstalten? Und trotzdem: Als Tanner seine Unterarme auf den Tisch stützte, war ich wie gebannt von den kunstvollen Tintenornamenten, die sich von seinen Handgelenken aus nach oben wanden.

Aufwendig gezeichnete Weinranken waren darunter, wunderschöne Rosen und weitere komplexe Motive. Geheimnisvolle Symbole, die ich von hier aus nicht erkennen konnte, aber gern aus der Nähe betrachten würde.

Ich ertappte mich dabei, wie ich mich immer weiter nach vorn beugte … und als ich zu Tanner hochsah, grinste er mir breit ins Gesicht – als wäre ihm völlig klar, wie faszinierend ich ihn fand.

»Na, gefällt dir, was du siehst?«

»Nein«, gab ich barsch zurück und kam mir dabei selbst ganz schön verklemmt vor. Dass mir dabei das Blut heiß in die Wangen schoss, machte die Situation auch nicht besser.

»Das geht weiter oben übrigens noch weiter«, sagte er mit tiefer, rauer Stimme und leicht anzüglichem Tonfall. »Es beschränkt sich auch nicht nur auf die Arme. Falls du dich das gerade gefragt hast.«

»Ich mag keine Tattoos«, gab ich abfällig zurück … und strafte meine eigene Behauptung sofort wieder Lügen, indem ich den Blick wieder auf seinen beeindruckenden Unterarmen ruhen ließ.

Kräftig und sehnig sahen sie aus … richtig sexy.

Verdammt.

»Ja, das geht vielen Menschen so.« Er zuckte mit den Schultern, als würde er nicht viel auf meine Meinung geben. »Viele denken dann gleich an Bikergangs und Drogenbosse, dabei entgeht ihnen der künstlerische Aspekt völlig.«

»Du interessierst dich für Kunst?«

Mit der Frage war ich auf der sicheren Seite, damit kamen wir endlich von diesen schwierigen Themen los: seinen Tattoos und seinem Körper. Wenigstens hoffte ich das.

»In erster Linie gefallen mir Tattoos.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Hände im Nacken. Offenbar fühlte er sich wohl in seiner Haut. Und während der Saum seines Hemdes ein Stück höher rutschte, kam von eben dieser Haut immer mehr zum Vorschein: Fasziniert betrachtete ich seinen nackten Bauch, auf dem ich weitere schwarze Zeichnungen erblickte. Was genau das darstellen sollte, konnte ich noch nicht erkennen, aber ich meinte eine Machete und einen Handhaken zu sehen.

»Hast du dir wirklich einen Piraten auf den Unterleib tätowieren lassen?« Die Worte waren mir einfach herausgerutscht. Und während ich mir am liebsten die Zunge abgebissen hätte, lachte er so laut los, dass sich einige Gäste an den Nebentischen zu uns umdrehten.

»Jetzt guck mich doch nicht so schockiert an«, sagte er und füllte unsere Wassergläser nach. »Ich gehe eben auch gern mal auf Beutezüge … wie die meisten Piraten.«

Ich kniff die Lippen zusammen, bevor mir noch so eine unglückliche Bemerkung herausrutschen konnte. Zum Beispiel dass ich lieber über die Planke gehen würde, als mich von ihm erobern zu lassen.

So ganz stimmte das allerdings nicht. Und seit meine katastrophale Ehe in die Brüche gegangen war, hatte ich mir fest versprochen, nie wieder unehrlich zu sein. Schon gar nicht mir selbst gegenüber.

Und eines musste ich mir eingestehen: Tanner King hatte in weniger als dreißig Minuten dazu beigetragen, dass ich mich plötzlich so lebendig fühlte wie schon ewig nicht mehr. Er reizte mich, forderte mich heraus … und brachte mich mit seiner unbeirrt großspurigen Art zur Weißglut.

Und gleichzeitig genoss ich das Kribbeln auf meiner Haut und das seltsam flaue Gefühl in meinem Unterleib. Als würde mir da etwas fehlen, als würde ich mich nach etwas verzehren.

Erschreckenderweise machte mich dieser Mann ein bisschen heiß, das musste ich zugeben. Eigentlich sogar sehr heiß. Na ja, egal.

Dieser Mistkerl!

»Lass mich raten. Gleich kommt noch irgendeine blöde Bemerkung über Piraten, ihre Holzbeine und sonstige Gliedmaßen.«

Erneut lachte er. Dabei bildeten sich kleine Fältchen in seinen Augenwinkeln, die ich süß fand. »Du bist ganz schön witzig, solche Frauen gefallen mir.«

Gerade wollte ich erwidern, dass ihm ja wohl alle Frauen gefielen, da kam auch schon die Kellnerin und nahm unsere Bestellungen entgegen. Tanner orderte einen doppelten Espresso und ich einen Latte macchiato mit Sojamilch. Dann musterte er mich wieder durchdringend mit seinen golden schimmernden Augen, und ich wünschte, ich würde es nicht so sehr genießen …

Irgendwie musste ich dafür sorgen, dass unser Treffen wieder sachlicher wurde, dass wir wieder auf die beruflichen Dinge zurückkamen. Und die hatten mit Flirtereien und Holzbeinen wenig zu tun.

»Remy hat mir erzählt, dass du auch schon einige Restaurants geleitet hast«, wechselte ich also das Thema.

Einen Augenblick lang verdunkelte sich sein Blick, und er wirkte fast ein bisschen traurig. Aber dann blinzelte er, und ich fragte mich, ob ich mir das nur eingebildet hatte. »Ja, Restaurants auch, aber mit Nachtclubs kenne ich mich besser aus.«

Das glaubte ich ihm sofort. Ich sah ihn regelrecht vor mir, wie er durch die dunklen Räume schlich wie ein Panther, der nach seiner nächsten Beute Ausschau hielt. Wie er abwartend die Situation beobachtete … bis er sich schließlich auf irgendeine arme arglose Frau stürzte.

Die Glückliche! durchfuhr es mich, als ich den Blick über seinen durchtrainierten, sehr männlichen Körper gleiten ließ.

»In der Konditorei hast du aber bisher nicht vorbeigeschaut, oder?«

Eben hatte er noch mit dem Besteck auf dem Tisch herumgespielt, jetzt hielt er abrupt inne – als hätte ich ihm vorgeworfen, dass er nicht für seinen Bruder da gewesen war. »In letzter Zeit war ich oft in London und Los Angeles«, erklärte er. »Da habe ich Freunde unterstützt, die dort so ähnliche Nachtclubs eröffnen wollten wie meine hier.«

»Ganz schön selbstlos von dir.« Die sarkastische Bemerkung war mir einfach so herausgerutscht. Kein Wunder, dass er mich jetzt ziemlich grimmig ansah.

»Tut mir leid, ich wollte nicht zickig werden. Ich bin bloß gerade etwas durcheinander. Heute ist ein besonderer Tag für mich, aber dann ist Remy von der Leiter gefallen, und ich habe mir solche Sorgen um ihn und die Konditorei gemacht und mich gefragt, ob ich das alles schaffe …«

Na, wunderbar, jetzt hörte ich mich gerade an wie eine völlig überforderte Plaudertasche. Immerhin machte Tanner keine dummen Bemerkungen dazu, das rechnete ich ihm hoch an. Er wirkte sogar ziemlich ernst, zum ersten Mal während unseres Treffens. So gefiel er mir, sehr gut sogar. Viel besser, als wenn er seine komischen Witze machte.

»Du stehst mit der Konditorei aber nicht mehr allein da, dafür bin ich ja hier«, erwiderte er und betrachtete mich neugierig. »Und mein großer Bruder ist gut versorgt.«

Er hielt kurz inne und runzelte die Stirn. »Warum ist heute eigentlich so ein besonderer Tag für dich? Heiratest du etwa?«

Ich schnaubte leise. »Das hab ich schon hinter mir. Der Brautstrauß ist inzwischen verwelkt.«

»Dann bist du also verheiratet?«

»Seit heute offiziell geschieden.« Ich wedelte mit den Händen. »Ta-da!«

»Na, das ist doch besser, als offiziell verheiratet zu sein«, sagte er und sprach das Wort »verheiratet« so aus, als wäre es ein Schimpfwort.

»Wenn man auf einen herzlosen Eisklotz hereingefallen ist, nur weil er einem anfangs ganz passend vorkam, dann auf jeden Fall.«

Ich hatte meine Hochzeit immer noch detailliert vor Augen: Meine Eltern hatten den Garten ihres Anwesens in ein Winterwunderland verwandeln lassen – mit riesigen Festzelten und weißen Chiffonbändern. In den perfekt zurechtgestutzten Bäumen funkelten Lichterketten, zur Feier hatten sie 500 ihrer engsten Bekannten eingeladen. Und am Altar wartete Bardley auf mich und starrte mich dabei so gierig an, als hätte er gerade einen besonders gewinnbringenden Deal gemacht.

Eigentlich hätte ich da schon abhauen sollen. Aber weil ich es ja immer allen recht machen wollte, hatte ich irgendwann meine Seele verkauft.

So etwas sollte mir nie, nie wieder passieren.

»Und ich dachte immer, Frauen hätten eine total verklärte, romantische Vorstellung von der Ehe und würden nicht einfach bloß heiraten, weil es ihnen passend vorkommt.« Das Wort »passend« setzte er dabei mit den Fingern in Anführungszeichen. »Magst du mir das mal genauer erzählen?« Ein sexy Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Na komm, deine schmutzigen kleinen Geheimnisse sind bei mir gut aufgehoben.«

Wenn er nur wüsste …

»Mit ›schmutzig‹ hatte das alles nichts zu tun, und ein Geheimnis ist es auch nicht. Ich habe einfach mit einundzwanzig einen Mann geheiratet, den ich schon seit meiner Kindheit kannte. Unsere beiden Familien waren befreundet und haben uns ständig zusammengebracht. Da hat es sich irgendwann angeboten, dass wir auch heiraten.«

Wenn ich daran dachte, wie es nach meinem Jawort mit uns weitergegangen war, zog sich mir das Herz zusammen. Von diesem Moment an hatte sich Bardley zu einem sadistischen Kontrollfreak entwickelt. »Wir sind zusammen raus nach Vaucluse gezogen. Da haben wir das perfekte Haus für uns gefunden und ein perfektes Leben geführt. Jedenfalls nach außen …«

Ich hielt inne. Warum erzählte ich das eigentlich gerade einem wildfremden Menschen? Aber vielleicht fiel es mir gerade deswegen leichter, darüber zu sprechen. Tanner und ich wussten wenig voneinander, und heute war der Tag, an dem sich mein Leben entscheidend änderte, der Tag, den ich herbeigesehnt hatte. Und wenn ich erst mal alles herausließ, was sich in mir angestaut hatte, vielleicht wurde mir dann umso bewusster, dass die Vergangenheit mich nicht mehr in ihren Fängen hat?

»Hat der Scheißkerl dich etwa geschlagen?«, knurrte Tanner und ballte die Hände zu Fäusten. »Geschieden hin oder her – sag mir einfach, wo ich das Schwein finde, dann mache ich ihn fertig.«

»Langsam, du Held«, gab ich zurück. »Bardley hat mich zwar beleidigt und mit Worten verletzt, aber er hat mir nie ein Haar gekrümmt.«

»Dieser andere Mist ist schon schlimm genug«, murmelte er, entspannte seine Hände aber wieder. »Was ist Bardley überhaupt für ein bescheuerter Name?«

Ich lächelte. Wenn er diesen wütend-wilden Ausdruck in den Augen hatte, fand ich ihn besonders sexy.

»Darum habe ich ihn auch verlassen«, sagte ich. »Wegen diesem anderen Mist. Irgendwann habe ich’s nämlich nicht mehr ausgehalten.«

Und ich wusste noch ganz genau, in welchem Moment ich beschlossen hatte, mein Leben endlich wieder selbst in die Hand zu nehmen.

Damals hatte er mich vor seinen Freunden erniedrigt: Er hatte mich dazu gezwungen, Wasserski zu fahren, obwohl er wusste, dass ich eine Heidenangst vor Wasser hatte. Als ich mich das erste Mal auf den Skiern aufrichtete, verlor ich das Gleichgewicht und hatte am Ende ein verstauchtes Handgelenk. Bardley waren meine Schmerzen ziemlich egal gewesen, er hatte sich sogar über mich lustig gemacht. Also hatte ich mit meiner gesunden Hand meine Sachen gepackt und war per Taxi ins nächste Motel gefahren. Es dauerte etwa eine Stunde, bis ich mir sämtliche Konten hatte auszahlen lassen, außerdem habe ich meine Kreditkarten bis zum Anschlag belastet, um einen Top-Anwalt zu engagieren und ihn per Vorkasse zu bezahlen.

Dass Bardley mich so hatte übervorteilen können, war mir unendlich peinlich. Aber so war ich eben: Schon mein ganzes Leben lang hatte ich mir einiges gefallen lassen, also war ich wohl so geboren worden.

»Und was genau hast du jetzt vor?«, hakte Tanner nach.

»Wie bitte?« Seine Frage holte mich wieder ins Hier und Jetzt zurück. Ich musste mich erst mal wieder daran gewöhnen, dass ich an einem wunderschönen Frühlingstag in einem Café am Wasser saß – zusammen mit einem wirklich heißen Typen.

»Wie willst du deine Scheidung feiern?« Er senkte die Stimme. »Da hast du dir doch bestimmt etwas überlegt, oder?«

»Eigentlich hatte ich vor, heute rechtzeitig Feierabend zu machen und dann mit einem tollen Rotwein und Channing Tatum zu relaxen. Aber jetzt sieht es wohl so aus, als müsste ich noch ziemlich lange dableiben, für Remy einspringen und alles für morgen vorbereiten.«

Tanner verdrehte die Augen und zog spöttisch die Oberlippe hoch. »Was finden die Frauen eigentlich alle an diesem Channing Tatum?«

»Na ja … heißer Körper, kantiges Kinn, und bewegen kann er sich auch – noch Fragen?«

»Das ist doch nur ein Fantasiekonstrukt.« Er lachte leise, und es klang schelmisch. »Wäre dir ein echter Mann nicht viel lieber?«

Er schaute mich direkt an, forderte mich mit seinem Blick heraus … Mir war sofort klar, was er dabei vor Augen hatte.

Eine wilde Nacht voller Ausschweifungen.

Eine Nacht, die die bitteren Erinnerungen an meine Ehe auslöschen würde.

Eine Nacht, in der ich mich lebendig fühlen sollte.

Allerdings würde ich mit diesem Mann danach noch vier Wochen Seite an Seite arbeiten müssen. Remy zählte auf mich, da konnte ich nicht so einfach sein Vertrauen missbrauchen, indem ich mit seinem Bruder vögelte. »Ich glaube, es ist besser, wenn wir unseren Kaffee austrinken und dann in die Konditorei gehen«, erwiderte ich und atmete erleichtert auf, als auch schon die Kellnerin mit unseren Bestellungen kam.

»In Ordnung«, sagte Tanner, gab mir aber durch einen Blick aus seinen funkelnden Augen zu verstehen, dass er noch lange nicht fertig mit mir war. Sofort war mir klar, dass jede Sekunde, die ich im darauffolgenden Monat mit ihm verbringen würde, die reinste Folter werden würde. »Aber das Angebot steht. Wenn du deinen Fantasiemann doch noch gegen einen aus Fleisch und Blut tauschen willst, weißt du ja, wo du mich findest.«

Er prostete mir mit seiner kleinen Kaffeetasse zu. »Auf eine gute Arbeitsbeziehung, deine erfolgreiche Scheidung und darauf, dass du irgendwann alle Gliedmaßen des Piraten kennenlernst.«

Prompt verschluckte ich mich an meinem Latte macchiato.

Er lachte leise, so tief und sexy, dass es mich heiß und kalt durchfuhr.

Mir standen vier sehr lange Wochen bevor.

4. Kapitel

Tanner

Verdammt, warum hatte ich nicht Nein gesagt, als Remy mich gebeten hatte, in der Konditorei auszuhelfen?

Schließlich hatte ich gute Gründe, warum ich so lange nicht mehr da gewesen war. Die glänzenden honigfarbenen Dielen, die sonnendurchfluteten Räume, der Duft nach warmer Hefe und Zucker … ich musste sofort an mein Zuhause denken.

Und natürlich an Mum.

Bei ihrem Tod war ich gerade mal zehn gewesen. Zwanzig lange Jahre war das jetzt her. Und obwohl ich mich inzwischen nicht mehr ganz so deutlich an sie erinnerte, würde ich nie vergessen, wie es war, neben ihr in der Küche zu stehen, während sie backte. Ich hatte das Mehl für sie abgemessen, ihr vorsichtig rohe Eier gereicht. Für den Plätzchenteig hatte ich mein eigenes Brett zum Ausrollen. Und ich hatte es geliebt, mir den Zuckerguss von den klebrigen Fingern zu lecken.

Unsere Küche war riesig gewesen, fast so groß wie in einer Bäckerei. Damals hatte Mum von zu Hause aus Cupcakes gebacken und verkauft. Aber sie hatte sich sowieso gern in der Küche aufgehalten und mit großer Leidenschaft gebacken. Und sie selbst war einmal die große Leidenschaft meines Vaters gewesen, eine Französin. Als er zwischen Schulabschluss und Studium ein Jahr in Frankreich verbracht hatte, hatte sie ihm das Herz gestohlen.

Wie schade, dass ihre Liebe nicht gehalten hatte.

Damals hatte Dad Claudette Allard nur ein einziges Mal anzusehen brauchen, und schon war es um ihn geschehen, das hatte Remy mir erzählt. Zwei Monate später hatten sie schon geheiratet, ein Jahr später wurde Remy geboren und ich dann fünf Jahre darauf. Ungefähr zu dieser Zeit war wohl alles den Bach hinuntergegangen – nach dem zu urteilen, was ich an dem schrecklichen Tag mit angehört hatte, an dem sie gestorben war.

Dad hatte sich so gut wie nie in der Küche blicken lassen, das war mir schon als kleines Kind sehr recht gewesen. Wenn er nicht im Haus gewesen war, hatten wir uns alle drei wohler gefühlt: ich, Mum und Remy.

Ich genoss die Tage, die wir zu dritt in der Küche verbrachten, sie waren voller besonderer Momente: Wenn Mum mir einen Klaps auf die Hand gab, weil ich ein Croissant stibitzt hatte, das noch nicht abgekühlt war. Oder wenn Remy mir dabei half, einen besonders komplizierten Buchstaben in Zuckerschrift auf einen Kuchen zu spritzen. Oder wenn ich Mum stolz ihren Lieblings-Schokoladencupcake überreichte, den ich ganz allein gebacken hatte. Es war wunderschön, wenn nur wir drei zusammen waren. Wir hatten Blödsinn gemacht und zusammen gelacht: Wir waren einfach glücklich zusammen gewesen.

Bis zu diesem einen Tag, an dem ich diesen schrecklichen Streit zwischen meinen Eltern mit angehört hatte. Einen Streit, den ich nicht vergessen konnte – sosehr ich auch versuchte, ihn mit Alkohol oder Affären aus meinem Gedächtnis zu löschen. Es war der Tag gewesen, an dem Mum völlig aufgelöst aus dem Haus gestürzt, ins Auto gestiegen und tödlich verunglückt war. Von diesem Tag an waren wir mit Dad allein gewesen.

Und das Leben war für mich zur Hölle geworden.

»Hey, alles in Ordnung?«

Autor

Nicola Marsh
Als Mädchen hat Nicola Marsh davon geträumt Journalistin zu werden und um die Welt zu reisen, immer auf der Suche nach der nächsten großen Story. Stattdessen hat sie sich für eine Karriere in der Gesundheitsindustrie entschieden und arbeitete dreizehn Jahre als Physiotherapeutin

Doch der Wunsch zu schreiben ließ sie nicht los...
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