Baccara Collection Band 476

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FALSCHES MATCH MIT MR. RIGHT von KATHERINE GARBERA

Laut einer neuen Dating-App ist Jericho Winters das perfekte Match für Designerin Maggie. Wie kann das sein? Ihre Familien hassen sich seit Jahren! Um die von ihr gestaltete App zu promoten, trifft Maggie ihn trotzdem – gefährlich sinnliches Prickeln inklusive …


AUF VERFÜHRUNG PROGRAMMIERT von J. MARGOT CRITCH

Bei der Zusammenarbeit mit Misha fühlt sich Investor Trey Winters unwiderstehlich zu ihr hingezogen. Spontan verführt er die betörende Programmiererin zu einer Nacht der Leidenschaft. Ein Fehler? Schon bald muss er fürchten, dass Misha nur mit ihm gespielt hat …


VERJAG DIE GEISTER MIT MIR von JANA DELEON

Um ihr Elternhaus in den Sümpfen von Louisiana zu erben, muss Alaina zunächst zwei Wochen darin wohnen. Eine Herausforderung! Nicht genug damit, dass es dort spukt. Zudem passt Sheriff Carter Trahan auf, dass sie das Grundstück nicht verlässt. Und er ist so sexy wie tabu …


  • Erscheinungstag 05.10.2024
  • Bandnummer 476
  • ISBN / Artikelnummer 0855240476
  • Seitenanzahl 384

Leseprobe

Katherine Garbera, J. Margot Critch, Jana DeLeon

BACCARA COLLECTION BAND 476

1. KAPITEL

Jericho Winters nahm seinen VIP-Ausweis, durchquerte das Atrium des Winters Expo Center und sah sich voller Stolz um. Sein Architekturbüro RoyalGreen hatte den Zuschlag für den Neubau des Messezentrums seiner Heimatstadt Royal, Texas, erhalten. Jericho hatte die Anlage persönlich entworfen und dabei darauf geachtet, dass in puncto Nachhaltigkeit alles auf dem allerneuesten Stand war, um einen Veranstaltungsort zu schaffen, der sich nahtlos in die Umgebung einfügte und deutlich energieeffizienter als vergleichbare Gebäude war.

Sein Bruder Trey hatte ihn bekniet, zur ByteCon zu kommen und sich die Präsentation der k! smet-App anzuschauen. Trey war finanziell an der äußert beliebten Dating-App beteiligt. Dass die Entwicklerin Misha Law ausgerechnet ihre beste Freundin Maggie Del Rio angeheuert hatte, um die Grafik- und Werbeelemente der App zu gestalten, hatte für eine Kontroverse in der Familie georgt.

Die Familien Del Rio und Winters waren seit mehr als einem Jahrhundert verfeindet. Angefangen hatte der Zwist damit, dass Eliza Boudreaux ihren Verehrer Fernando Del Rio für Teddy Winters verlassen hatte, der später ihr Ehemann wurde.

Jericho mischte sich nur ungern in derlei Familienangelegenheiten und widmete sich lieber mit Leib und Seele seiner Arbeit und seinem Baseballteam, den Dallas Mavericks.

Der Duft von Jasmin und das Klackern hoher Absätze auf dem Fliesenboden des Atriums rissen ihn jäh aus seinen Gedanken. Er drehte sich um und sah, wie der Auslöser des neu aufflammenden Familienstreits gut gelaunt durch die Menge ging.

Maggie Del Rio.

Sie war groß, hatte unwiderstehliche Kurven und trug ihre langen schwarzen Haare offen. Sie war ihm zum ersten Mal an der Bar des Texas Cattleman’s Club aufgefallen. Jericho war dem Country Club, den die einheimischen Mitglieder nur TCC nannten und der seit mehr als einhundert Jahren aus Royal nicht mehr wegzudenken war, erst kürzlich beigetreten. Er war drauf und dran gewesen, Maggie anzusprechen, als Trey ihm erklärt hatte, um wen es sich handelte. Also hatte Jericho seine Aufmerksamkeit auf eine andere Frau gelenkt, aber … Er hatte nur Augen für Maggie gehabt.

Sein Verstand sagte ihm, dass die pure Lust aus ihm sprach. Anders konnte er sich seine Gefühle nicht erklären. Schließlich kannte er sie nicht einmal. Trotzdem konnte er sie nicht vergessen und informierte sich stattdessen im Internet über sie. Er war beeindruckt. Mit ihren dreißig Jahren hatte Maggie sich bereits einen Namen als Grafikdesignerin und Kuratorin gemacht. Da sie für einige hochkarätige Firmen gearbeitet hatte, war es ein Leichtes für Jericho, sich ihre Arbeit genauer anzusehen. Er stellt fest, dass sie sich ihren Ruf mehr als verdient hatte.

Abgesehen von einem zwei Jahre alten Artikel auf der Internetseite der örtlichen Tageszeitung über eine geplatzte Verlobung fand er nur wenig über ihre Person heraus. Ob sie Single war? Sicher konnte er sich nicht sein. An die möglichen Gründe für die aufgelöste Verlobung verschwendete Jericho nicht einen Gedanken.

Seinen Körper interessierte das schließlich wenig, was typisch für ihn war. Ihm war klar, dass er sie auch deshalb so sehr wollte, weil sie für ihn tabu war. Eine verbotene Frucht. Mehr als ein One-Night-Stand wäre allerdings nicht möglich, da keiner der beiden einen offenen Krieg zwischen ihren Familien riskieren wollte.

Zugegeben, das passte Jericho gut.

Er rieb sich nachdenklich den Nacken und schüttelte den Kopf. Er hatte nicht vor, mit Maggie zu schlafen, auch wenn er seit ihrer Begegnung in der Bar vor mehr als sechs Wochen mehr als einmal davon geträumt hatte.

Jericho lief durch die Ausstellungshalle und entdeckte seinen alten Freund Brian Cooper, mit dem er zur Schule gegangen war.

„Hey Mann, ich bin sprachlos! Ich hatte gehört, dass sie dir den Zuschlag gegeben haben! Ich konnte es kaum erwarten, zu sehen, was du aus dem alten Gebäude gemacht hast“, sagte Brian, nachdem er seine Hand geschüttelt und ihn umarmt hatte.

„Danke. Ich wollte einige umweltfreundliche Elemente integrieren, ohne Kompromisse beim Design einzugehen“, antwortete Jericho.

„Piper ist auch absolut begeistert. Sie sagt, du hast den Blick eines Künstlers“, fuhr Brian fort.

Brians Freundin Piper war selbst Künstlerin und eine erfolgreiche Galeristin in Dallas, was ungefähr zwei Stunden von Royal entfernt war. Brian war bei einer Anwaltskanzlei in Dallas tätig. Das Paar pendelte zwischen Dalles und Royal hin und her.

„Sag ihr danke von mir“, sagte Jericho. „Gibt es noch einen Grund, warum du heute hier bist?“

„Ja, ich sehe mir gleich die k! smet-Premiere an. Piper hat die App bereits installiert und sie mir für geschäftliche Zwecke empfohlen. Allerdings bin ich noch nicht ganz überzeugt. Hast du die App schon ausprobiert?“

„Nein, zumindest nicht für die Arbeit. Installiert habe ich sie, aber bislang fehlte mir einfach die nötige Zeit“, gestand Jericho. Abgesehen davon war er sich nicht sicher, ob er sich von einem Algorithmus mit jemandem verkuppeln lassen wollte. Die App hatte vor allem durch die erfolgreichen Treffer an Beliebtheit und Bekanntheit gewonnen.

Auf der heutigen Veranstaltung sollte eine neue Überraschungsfunktion vorgestellt werden. Das passte zufällig genau zu der Stimmung, in der sich Jericho gerade befand.

Normalerweise kamen die Frauen, mit denen er ausging, aus seiner Branche und waren meist entweder Architektinnen oder Bauunternehmerinnen. Seit drei Jahren hatte er immer mal wieder etwas mit einer Frau gehabt, die in Dallas lebte. Mehr als Sex war das allerdings nicht, da sie beide kein Interesse an einer festen Beziehung hatten. Umso gespannter war Jericho nun darauf, ob diese App wirklich das hielt, was sie versprach.

„Versuch es ruhig. Piper hat die Geschäftsversion installiert und dadurch eine Graffitikünstlerin gefunden, die sie seitdem betreut. Die Treffer, die ihr die App angezeigt hat, waren allesamt sehr nützlich.“

„Mhm, ich denke mal drüber nach“, antwortete Jericho.

Kurz darauf steuerten sie auf die Hauptbühne zu, auf der ein Werbebanner von k! smet und ein großer Bildschirm mit dem Unternehmenslogo standen. Nachdem Brian sich verabschiedet hatte, um mit ein paar Bekannten zu sprechen, suchte Jericho einen ruhigen Ort, an dem er ungestört war. Dann nahm er sein Handy und öffnete die k! smet-App. Er klickte auf Suche nach Treffern in deiner Nähe.

„Meine Güte, was für ein heißer Tag. In Texas ist es im August heißer als im Fegefeuer“, sagte Maggie Del Rio, als sie den Backstage-Bereich betrat, der dem k! smet-Team bereitgestellt worden war. Ihre beste Freundin Misha Law warf einen prüfenden Blick in den Spiegel und legte etwas Lippenstift auf.

„Sehr gut, das freut mich. Bei der Hitze werden noch mehr Leute in der klimatisierten Ausstellungshalle Zuflucht suchen und die Präsentation sehen. Man munkelt, dass die Investoren mit der App an die Börse gehen wollen, was einfach traumhaft wäre“, kommentierte Misha begeistert. „Ich hoffe nur, dass die Überraschungsfunktion gut ankommt. Als mein Bruder mir das erste Mal von der Idee erzählte, war ich absolut begeistert. Doch jetzt auf die Bühne zu gehen und sie dem Publikum vorzustellen …“

Maggie drückte ihrer Freundin beruhigend die Schulter. „Es wird ein absoluter Erfolg werden. Du hast ein sehr gutes Gespür dafür, was die Leute wollen, und Nico ist ein wahres Genie.“

„Danke, Mags. Ich bin so froh, dass du hier bist.“

„Ich auch.“

„Sag mal …“

„Ja?“

Misha verdrehte die Augen. „Hast du dich endlich bei k! smet angemeldet?“

Maggie kramte auf der Suche nach ihrem Handy in ihrer Tasche und vermied dabei absichtlich jeglichen Blickkontakt mit ihrer Freundin. Misha wusste besser als jede andere, wie sehr sich Misha gegen Verabredungen und Dating-Apps sträubte, seitdem Randall sie vor zwei Jahren abserviert hatte.

Es ließ sie einfach nicht los, wie sehr sie sich in ihm getäuscht hatte. Dass Randall sie nicht heiraten wollte, hatte wehgetan, doch letztendlich war er ein freier Mann, der selbst entscheiden konnte, was ihn glücklich machte und was nicht. Aber wie sollte Maggie sich jemals verzeihen, dass sie sich in einen Mann verliebt hatte, der nur am Namen Del Rio und ihrem Vermögen interessiert war? Erst als ihr Vater auf einen Ehevertrag bestand, bekam Randall plötzlich kalte Füße.

„Ich lasse dich niemals im Stich“, sagte Misha und hakte sich bei Maggie unter.

Maggie seufzte. „Ich weiß. Aber … Ich habe einfach Angst.“

„Und deshalb solltest du die App ausprobieren. Sie nimmt dir die Partnersuche und den Druck ab, allein den Richtigen finden zu müssen“, erklärte ihre beste Freundin.

Maggie umarmte sie. „Ich weiß nicht so recht. Ich glaube, nach Randall habe ich dem ersten Date viel zu viel Bedeutung beigemessen. An sich ist es nur eine Verabredung, aber in meinem Kopf habe ich daraus eine viel zu große Sache gemacht.“

„Das habe ich mir schon gedacht. Lass mich das mal machen. Dein Handy, bitte“, sagte Misha und streckte ihre Hand aus.

Widerwillig entsperrte Maggie ihr Telefon und reichte es ihrer Freundin, die sogleich die App öffnete. Misha schaute sich stirnrunzelnd Maggies Profil an. „Ist das dein Ernst? Das ist dein Profilbild?“

„Was stimmt denn nicht mit meinem Bild?“, fragte Maggie gespielt pikiert.

„Man sieht praktisch nur die Silhouette deines Rückens! War das letzten Sommer am Strand?“, fragte Misha.

„Ja. Du hast gesagt, ich soll ein Foto auswählen, auf dem ich glücklich bin.“

„Das stimmt, aber ich bin irgendwie davon ausgegangen, du wüsstest, dass die Leute auch dein Gesicht sehen wollen“, sagte Misha lachend.

„Mhm.“

Misha schüttelte den Kopf. „Na gut, stell dich bitte mal da drüben hin. Wir richten dir ein neues Profil ein.“

„Hast du nicht Wichtigeres zu tun, so kurz vor Veranstaltungsbeginn?“

„Meiner Freundin zu helfen, ist doch wichtig“, gab Misha zurück. „Hör zu, wenn du nicht verkuppelt werden willst, werde ich dich nicht dazu drängen. Aber du bist schon so lange allein. Wenn du glücklich bist, bin ich es auch.“ Misha sah ihre beste Freundin warmherzig an. „Es tut mir leid, meine Liebe, aber du siehst nicht gerade glücklich aus. Ich weiß nicht, ob du dich selbst bestrafst oder ob du wirklich Angst hast … Obwohl ich niemanden kenne, der weniger ängstlich ist als du.“

Maggie nagte an ihrer Unterlippe und nickte schließlich. „Ich glaube, ich bestrafe mich dafür, dass ich so dumm gewesen bin.“

„Dann hör auf damit. Du bist nicht dumm und wir alle machen ab und an Fehler, wenn es um Gefühle geht. Besonders in Sachen Liebe. Also, ja oder nein?“

Maggie nickte erneut. „Ja. Lass uns das Foto machen.“

Misha lächelte sie an und machte einige Schnappschüsse. Als sie fertig war, ging Maggie zu ihr und schaute ihr über die Schulter, während Misha das Foto bearbeitete und hochlud. „So, fertig! Jetzt musst du einfach nur warten, bis dir die ersten Treffer angezeigt werden. Denk daran, du musst keinen Vorschlag annehmen, wenn du nicht bereit dafür bist.“

„Danke“, antwortete Maggie.

„Gern geschehen. Jetzt muss ich mich aber sputen. Bald beginnt die Live-Übertragung“, sagte Misha. „Ich bin so gespannt! Es ist wirklich schön, dass die Premiere in Royal stattfindet und so viele Leute gekommen sind“, fügte sie hinzu.

„Das ist es. Als ich vorhin in der Haupthalle war, habe ich einige positive Kommentare aufgeschnappt. Ich bin mir sicher, dass die Vorstellung ein absoluter Erfolg wird!“, sagte Maggie. „Das Publikum wird von der Überraschungsfunktion begeistert sein.“

„Ich danke dir“, antwortete Misha, als die ersten Klänge der Erkennungsmelodie von k! smet ertönten. „Das ist mein Stichwort.“ Maggie umarmte ihre Freundin und zog sich dann hinter die Bühne zurück, von wo sie das Spektakel ungesehen verfolgen konnte.

„Hallo, ByteCon! Mein Name ist Misha Law und ich bin die Entwicklerin von k! smet. Ich freue mich riesig, heute hier zu sein und euch die App vorzustellen. Wir werden gleich die Treffersuche live starten. Wenn ihr k! smet also noch nicht installiert habt, tut es am besten jetzt. Oder wollt ihr euch die Chance entgehen lassen, die neue Überraschungsfunktion auszuprobieren und noch heute euren Seelenverwandten zu finden?“

Misha erklärte die App und ihre verschiedenen Funktionen. Nach etwa fünfzehn Minuten beendete sie ihren Vortrag und startete dann die Live-Übertragung der neuen App-Funktion auf dem riesigen Bildschirm hinter ihr.

„Das ist der Moment, auf den wir alle gewartet haben. Wir lancieren die Überraschungsfunktion von k! smet. Los geht’s!“, verkündete Misha und klickte auf Überraschungstreffer suchen.

Auf dem Bildschirm tauchte das Bild einer animierten Menschenmenge auf, die Maggie gestaltet hatte. Langsam wurden es immer weniger Menschen, bis schließlich zwei Personen übrig waren. Als die Gesichter der beiden Personen enthüllt wurden, schnappte die Menge hörbar nach Luft. Maggie schaute auf und erschrak, als sie ihr Profilbild auf dem Bildschirm sah. Und daneben prangerte ausgerechnet das Gesicht von Jericho Winters.

Maggie warf einen Blick auf ihr Handy und sah die entsprechende Benachrichtigung sowie eine aufblickende Schaltfläche zur Bestätigung des Treffers.

Misha sah zu ihr hinüber. Ihr Lächeln war wie eingefroren. Maggie wusste, dass die Veranstaltung ein Erfolg werden musste. Sie würde nicht zulassen, dass ein uralter Familienzwist ihrer Freundin einen Strich durch die Rechnung machte. Ohne weiter darüber nachzudenken, bestätigte sie den Treffer.

Jetzt war er am Zug.

Jericho Winters fluchte leise auf. Mehrere Menschen in seiner Nähe hatten sich zu ihm umgedreht und warteten gespannt, ob er den Treffer annehmen würde. Einige davon kannten ihn und wussten um das böse Blut zwischen seiner Familie und den Del Rios. Ausgerechnet sie … die Frau, die er seit sechs Wochen zu vergessen versucht hatte, wurde ihm als potenzielle Seelenverwandte vorgeschlagen. Seine Hormone legten sich plötzlich verdammt ins Zeug, um seinen Verstand davon zu überzeugen, dass mehr dahintersteckte als bloßer Zufall.

Er drückte auf Bestätigen.

„Jericho Winters, wenn du dich bitte im Backstage-Bereich einfinden würdest“, flötete Misha, als der Treffer bestätigt wurde. „Ich möchte mich kurz mit unserem k! smet-Paar unterhalten. Was wir eben gesehen haben, ist das beste Beispiel dafür, welche Überraschungen die App für euch bereithält.“

Während er durch den abgesperrten Bereich in Richtung Backstage ging, hörte Jericho, wie Misha weitersprach.

Er vernahm den Duft von Jasmin, als er den Vorhang beiseiteschob. Maggie stand nachdenklich in einer Ecke und sah auf, als sie ihn bemerkte.

„Jericho Winters.“

Obwohl sie nur seinen Namen aussprach, klang es wie der schlimmste Fluch auf Erden.

Er ging auf sie zu und blieb erst stehen, als er nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt war. „Maggie Del Rio.“

Wie sie versuchte auch Jericho, seiner Stimme einen ebenso abschätzigen Klang zu verleihen. Allerdings war er ihr so nahe, dass er von den bernsteinfarbenen Farbakzenten in ihren Augen und ihren dichten schwarzen Wimpern abgelenkt wurde. Sie hatte hohe Wangenknochen, und als er seinen Blick weiter über ihr Gesicht gleiten ließ und ihre vollen Lippen bemerkte, konnte er sich nur mit Mühe ein Seufzen verkneifen.

Verdammt noch mal. Der letzte Sex mit einer Frau war eindeutig zu lange her. Bei dieser Premiere mitzumachen, war ein Fehler gewesen. Ein ziemlich großer sogar.

Maggie seufzte. „Es tut mir leid. Dieser gemeine Unterton war unnötig. Wir kennen uns ja überhaupt nicht.“

„Das stimmt“, antwortete er. „Vielleicht stellen wir uns erst einmal gegenseitig vor, bevor wir mit den Feindseligkeiten anfangen?“

„Keine schlechte Idee. Es ist immerhin möglich, dass du eigentlich total nett bist“, sagte sie mit einem Augenzwinkern.

Jericho musste unwillkürlich grinsen. „Vielleicht bin ich das. Oder du verwechselst mich mit meinem Bruder.“

Sie lächelte ihn schüchtern an. „Ich bin Maggie Del Rio, Inhaberin und künstlerische Leiterin von MaggieInk.“

Maggie bot ihm ihre Hand an. Als Jericho sie in seine nahm, fielen ihm ihre bunt manikürten Fingernägel auf. „Jericho Winters. RoyalGreen Architects.“

Es überraschte ihn nicht, dass die Berührung ihm einen wohligen Schauer über den Rücken laufen ließ. Dass es bei ihm funken würde, war nach der wochenlangen Obsession mit Maggie Del Rio beinahe garantiert gewesen. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass sie ihm sympathisch sein würde. Maggie errötete, zog schnell ihre Hand zurück und betastete sie verwundert mit der anderen Hand.

„Du hast dieses Gebäude hier entworfen, oder?“, fragte sie.

Er nickte und überlegte, ob sie mehr über das Winters Expo Center erfahren wollte oder nicht. Jericho entschied sich dagegen und sah sich stattdessen um, während Misha immer noch mit dem Publikum sprach.

„Was sollen wir jetzt machen?“, fragte er. „Mein Bruder gehört zu den Hauptinvestoren der App, weswegen ich jegliche negative Publicity vermeiden möchte.“

„Das geht mir genauso. Misha ist meine beste Freundin. Wir könnten mitspielen, einmal miteinander ausgehen und dann sagen, dass die Chemie nicht stimmt oder so etwas“, schlug Maggie vor. „Meine Familie wird wahrscheinlich einen hysterischen Anfall bekommen …“

„Deine ganze Familie?“

„Als ob deine nicht ausrasten würde“, gab sie zurück und zog fragend eine Augenbraue hoch.

„Das wird sie, du hast recht. Mir gefällt die Idee. Niemand wird damit rechnen, dass wir freiwillig miteinander ausgehen.“

„Definitiv. Ich hasse es, genau das zu tun, was die Leute von mir erwarten“, sagte Maggie. Doch Jericho war sich nicht sicher, ob das der Wahrheit entsprach. Ihr Blick verriet ihm, dass sie etwas vor ihm verbarg.

Noch ehe er sie darauf ansprechen konnte, eilte Misha auf sie zu.

„O mein Gott. Ihr zwei, ich hatte ja keine Ahnung, dass ausgerechnet ihr verkuppelt werden würdet. Was machen wir nun? Wie soll es weitergehen?“, fragte Misha. „Ich musste dich praktisch auf Knien anflehen, damit du überhaupt mitmachst. Möchtest du einen Rückzieher machen? Ich könnte sagen, dass uns ein Fehler unterlaufen ist.“

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass du nicht direkt nach der offiziellen Premiere der Überraschungsfunktion verkünden willst, dass die App fehlerhaft ist“, sagte Maggie. „Außerdem hast du mich nicht auf Knien angefleht“, fügte sie hinzu und warf Misha einen Blick zu, den Jericho nicht entschlüsseln konnte.

„Wir haben gemeinsam beschlossen, den Leuten einfach das zu geben, was sie am wenigsten erwarten“, sagte Jericho. „Was genau wären die nächsten Schritte?“

„Das liegt an euch. Die App wird euch Ideen für mehrere Verabredungen vorschlagen, die zu euren Profilen und Interessen passen. Und dann trefft ihr euch“, erklärte Misha. „Mein Plan war, die erste Verabredung live zu übertragen, aber wenn ihr lieber unter euch sein wollt …“

Maggie kaute auf ihrer Unterlippe herum. Sie ist nervös! dachte Jericho. Er schaute Misha an und bat sie, ihnen einen Moment Bedenkzeit zu geben. Sie sah zuerst zu Maggie und ging dann zur anderen Seite des Raumes, um den beiden etwas Privatsphäre zu geben.

„Was denkst du? Wenn wir ihren Plan umwerfen, könnte das Zweifel an der App und ihrer Treffsicherheit wecken“, sagte er und stellte fest, dass er sie insgeheim überreden wollte, mitzumachen. Das zu machen, was die App ihnen vorschlagen würde. Warum tat er dann so, als ob es ihm nur um Treys Investition in die App ginge? Auch wenn es nicht zum Börsengang käme, wäre das kein großer Verlust für seinen Bruder. Er war noch nie der Typ gewesen, der sich groß absichern wollte.

„Gehen wir es an!“, sagte sie.

2. KAPITEL

Neben Jericho auf der Bühne zu sitzen, half ihr nicht gerade, ihr Herzrasen unter Kontrolle zu bringen. Misha hatte Jericho gerade nach seiner Meinung über die Dating-App k! smet gefragt. Obwohl Maggie wusste, dass sie ihm besser zuhören sollte, lenkten das tiefe Timbre seiner Stimme und seine Sprachmelodie sie zu sehr ab.

Aus dem Seitenprofil konnte sie seinen starken Kiefer und die gerade Linie seiner Nase erkennen. Sowohl sein Gesicht als auch seine breiten Schultern strahlten Stärke aus. In gewisser Weise war er das Gegenteil von Randall, der zwar im Fitnessstudio gepumpt hatte, aber weniger auf ganzheitliche Körperkraft gesetzt hatte.

„Maggie?“

„Mhm?“

Sie starrte noch immer auf Jerichos muskulösen Nacken, als er sich zu ihr umdrehte und sie mit seinen dunkelbraunen Augen verschmitzt ansah. Sie lächelte ihn gedankenverloren an, bis sie hörte, wie ein Raunen durch das Publikum ging. Plötzlich war sie wieder hellwach. „Entschuldigung. Ich glaube, mir gefällt die Unberechenbarkeit der neuen Funktion, was man daran sieht, dass Jericho und ich verkuppelt wurden. Denn seien wir mal ehrlich – wir hätten uns niemals freiwillig verabredet.“

Das entlockte der Menge lautes Gelächter. Jericho nickte zustimmend.

„Genau das hatte ich im Sinn, als ich die k! smet entwickelt habe“, sagte Misha. „Ich denke, dass unsere Vorstellungen von dem, was wir meinen zu wollen, uns manchmal bei der Partnersuche eher behindern, als uns zu helfen.“

„Da stimme ich dir zu“, antwortete Maggie und schaute zu Jericho. „Wie siehst du das?“

„Nun, ich habe das Ganze genauso wenig erwartet wie Maggie, aber ich habe mir vorgenommen, mich darauf einzulassen“, antwortete er.

„Und?“, hakte Maggie nach.

„Und ich überlege schon fieberhaft, wie und wo ich dich zum Essen einladen kann, Darling.“

Als er sie Darling nannte, zog Maggie fragend eine Augenbraue hoch. Eigentlich störte es sie nicht weiter, doch der Kosename ging ihm so leicht über die Lippen, dass sie vermutete, eine von vielen Frauen zu sein, die er so genannt hatte. „Essen gehen hört sich sehr gut an. Wie wäre es mit dem Sheen?“

„Sehr gern“, antwortete er.

„Wow! Ihr seht, dass k! smet hier eine Verbindung initiiert hat, aus der vielleicht mehr werden könnte“, kommentierte Misha. „Ich denke, das ist ein gutes Schlusswort für unser Interview. Vielen Dank an alle, die heute bei der Premiere der neuen k! smet-Funktion mit dabei waren. Maggie und Jericho, wir drücken euch die Daumen!“

Die Gäste applaudierten und jubelten, als Jericho Maggie seine Hand reichte, damit sie in ihren High Heels sicher vom Barhocker hüpfen konnte. Die Berührung seiner warmen Hand fühlte sich so sinnlich an, dass sie Maggie erschaudern ließ. Sie war sich seiner Wärme und seiner Nähe sehr bewusst. Und er roch so gut. Würzig und exotisch zugleich. Sie konnte sich gerade so davon abhalten, die Augen zu schließen und sich an ihn zu lehnen.

Zugegeben, das Ganze machte ihr ziemlich viel Spaß. Dennoch wusste sie, dass es schwierig werden würde, sobald ihre Familie davon erfahren würde. Besonders ihr strenger Vater, dem scheinbar alles missfiel, was sie tat. Als sie den Backstage-Bereich betraten, drehte sich Maggie zu Jericho um.

„Hast du das mit dem Essen im Sheen ernst gemeint?“, fragte sie.

„Du etwa nicht?“

„Du bist wie alle anderen Typen auch, oder?“, fragte Maggie.

„Nein, ich bin etwas ganz Besonderes“, gab er zurück.

Maggie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er flirtete gern und hatte Humor, doch sie vermutete, dass er – wie sie – eine Rolle spielte, um ihr zu gefallen.

„Das kann ich mir gut vorstellen“, antwortete sie und zeichnete mit ihrem Zeigefinger seinen Kiefer nach. Jericho reagierte prompt auf die Berührung. Seine Pupillen weiteten sich und sein Körper versteifte sich.

Er schien ähnlich auf ihre Nähe zu reagieren wie Maggie auf seine. Die Chemie zwischen ihnen stimmte, was nicht schlecht war. Wenn alle Stricke reißen sollten, könnten sie zumindest eine heiße Nacht miteinander verbringen. Vielleicht war es genau das, was Maggie brauchte, um die lange Durststrecke beim Thema Dating zu beenden.

Misha winkte die beiden zu sich herüber, wo bereits eine Journalistin für die lokale Fernsehsendung Royal Tonight auf sie wartete. Maggie nickte ihr zu und wandte sich kurz ab, um ihren Lippenstift nachzuziehen.

Die Vorstellung, mit Jericho zu schlafen, war etwas völlig anderes als das Gedankenexperiment. Wäre sie bereit, diese Gedanken wirklich in die Tat umzusetzen? Obwohl sie in ihrem Online-Profil angegeben hatte, spontan zu sein, wusste sie insgeheim, dass das nicht stimmte. Sie war vorsichtig und machte sich meist viel zu viele Gedanken. Zum Beispiel über die Tatsache, dass sie dieser Verabredung zugestimmt hatte.

Misha sah noch immer ziemlich überrumpelt aus, doch Jericho fand ihre Professionalität bewundernswert. Ihr war nur ein einziges Mal das Lächeln weggerutscht, und selbst dann hatte sie einfach weitergeredet, als ob die Verkupplung zweier verfeindeter Menschen das heimliche Ziel ihrer App war.

Um ehrlich zu sein, war sich Jericho immer noch nicht sicher, ob das Ganze eine gute oder eine schlechte Idee war. Zur Hölle ja! schrie sein Körper, doch sein Verstand hatte alle möglichen Einwände. Nicht zuletzt deswegen, weil der Del-Rio-Clan seit jeher kaum vertrauenswürdig erschien. Er selbst hatte zwar nur wenig mit ihnen zu tun gehabt, aber er wusste genau, wie schwer es sein würde, seiner Familie davon zu erzählen. Er nahm an, dass es Maggie ähnlich ergehen würde.

Maggie gesellte sich zu ihm und der Journalistin.

„Glaubt ihr, dass dieser Treffer nichts weiter als ein Aprilscherz ist, angesichts der langen Vorgeschichte zwischen euren Familien? Oder ist es Schicksal?“, fragte Mandee Meriweather von Royal Tonight.

Misha und Maggie sahen sich an. Schließlich ergriff Jericho das Wort. „Ich glaube, das bleibt abzuwarten. Wie wir schon vorhin gesagt haben, hätten wir uns ohne die App niemals miteinander verabredet. Daher reizt uns die Chance, es einfach mal auszuprobieren. Genau das versucht k! smet mit der neuen Überraschungsfunktion zu erreichen. Sie soll Türen öffnen, die andernfalls verschlossen geblieben wären. Ich denke, Maggie und ich sind das beste Beispiel dafür.“

„Da stimme ich Jericho zu. Unsere Familien sind uns beiden wichtig. Gleichzeitig wollen meine Eltern nur das Beste für mich und ich bin mir sicher, dass das auch für die Winters gilt.“

„Ganz genau“, sagte Jericho.

„Vielen Dank für Ihr Interesse. Ich beantworte gern Ihre Fragen zur App, aber davor verabschieden wir uns besser von Maggie und Jericho“, sagte Misha.

„Können wir noch schnell ein Foto haben?“

Maggie hakte sich bei Jericho und Misha unter. „Natürlich.“

„Großartig! Jetzt noch eins von euch beiden, bitte“, sagte der Fotograf.

Sie lächelten beide in die Kamera. Sobald sie fertig waren, ließ Maggie von Jericho ab und entfernte sich schnellen Schrittes von ihm. Vor wem lief sie weg? Vor ihm oder vor der Presse? Jericho war sich nicht sicher, folgte ihr aber in den Backstage-Bereich.

„Wir müssen miteinander reden“, sagte Maggie.

„Das sehe ich auch so. Da hinten gibt es einen Büroraum, den wir benutzen können. Dort sind wir ungestört“, antwortete Jericho und deutete auf eine Tür mit der Aufschrift Personal.

Sie nickte ihm zu und folgte ihm durch die Tür. Sobald diese ins Schloss gefallen war, blieb Maggie stehen und lehnte sich gegen die Wand. Sie legte den Kopf in den Nacken und schloss ihre Augen.

„Alles in Ordnung?“

„Ja. Gib mir nur eine Minute. Meine Smartwatch hat in den letzten fünf Minuten ununterbrochen vibriert und ich bin mir ziemlich sicher, dass mittlerweile meine ganze Familie Bescheid weiß“, gab Maggie zu.

„Meine Familie überflutet unsere WhatsApp-Gruppe ebenfalls unaufhörlich mit Nachrichten. Willst du das Ganze lieber absagen?“, fragte Jericho sie.

„Ich wüsste nicht, wie wir das anstellen sollten. Misha braucht uns. Was denkst du?“, fragte Maggie.

„Du hast recht. Ich möchte auch keinen Rückzieher machen“, antwortete er. „Ich werde meiner Familie erzählen, dass wir uns zu einem Abendessen verabredet haben. Als eine Art Test, um zu sehen, wie es läuft.“

„Einverstanden. Allerdings müssen wir damit rechnen, dass dieses erste Date nicht gerade wenig Aufmerksamkeit erregen und vielleicht sogar die Presse da sein wird …“, gab Maggie zu bedenken.

„Stimmt. Dass ich darüber vor laufender Kamera gesprochen habe, war sicherlich nicht gerade hilfreich“, räumte Jericho ein. „Wie wäre es, wenn wir uns davor bei dir oder bei mir treffen? Dann sind wir bei unserem ersten Date unter uns.“

„Das hört sich gut an. Kannst du heute gegen acht Uhr bei mir vorbekommen?“, fragte sie und öffnete die k! smet-App, um Jericho ihre Adresse zu schicken. „Oder ist das zu spät?“

„Nein, das passt gut. Dann sehen wir uns heute Abend!“, antwortete er. „Du kannst die Messehalle entweder durch den Personalausgang verlassen oder durch die Ausstellungshalle und den offiziellen Ausgang.“

„Ich glaube, ich bevorzuge den Personalausgang. Ich muss in vierzig Minuten bei einem Kundentermin sein“, antwortete Maggie.

„Ich begleite dich noch zur Tür“, sagte Jericho.

„Wieso?“

„Weil ich ein Gentleman bin“, antwortete er.

„Tatsächlich?“

„Ich gebe mein Bestes. Bist du immer so skeptisch, wenn es um Männer geht?“

„Mhm, gute Frage. Ich wurde von meinem Ex-Verlobten praktisch vorm Altar stehen gelassen. Seitdem bin ich Männern gegenüber eher vorsichtig“, erwiderte Maggie.

„Davon habe ich gehört. Was ist passiert?“

„Das ist kein Gespräch, das ich mit einem Fremden führen will.“

„Warum nicht? Ich finde, dass Menschen ehrlicher zueinander sind, wenn sie sich praktisch nicht kennen“, sagte Jericho. „Ich meine, was soll schon passieren, wenn du es mir jetzt erzählst? Du hast nichts zu verlieren. Vielleicht bleibt es bei diesem einen Date und wir sehen uns danach nie wieder.“

Sie legte den Kopf schief und musterte ihn. Stimmt, so hatte sie das noch nie gesehen. Jericho hatte scheinbar viele Erfahrungen mit ersten Dates. „Du kennst dich anscheinend sehr gut mit ersten Dates aus, oder?“

„Ja, ich bin nicht der Typ für feste Beziehungen. Wenn dein Bauchgefühl dir also sagt, dass ich nicht auf der Suche nach der Liebe fürs Leben bin, dann hast du recht“, sagte Jericho.

„Das geht mir genauso.“ Maggie wusste nicht, ob sie überhaupt schon bereit für eine feste Beziehung war, geschweige denn für eine erneute Verlobung oder gar Heirat. Dem Druck, der damit einherging, war sie noch nicht gewachsen. Noch schlimmer waren allerdings die zerstörten Hoffnungen und Träume. Wie das Leben mit Randall, von dem sie geträumt hatte, das sich plötzlich in Luft aufgelöst hatte. Maggie wusste, dass sie noch Glück gehabt hatte. Schließlich war er abgehauen, bevor sie verheiratet waren und gemeinsame Kinder im Spiel waren. Trotzdem war sie sich nicht sicher, ob sie jemals wieder einem Mann so sehr vertrauen konnte, dass sie sich auf eine Hochzeit einlassen würde.

„Vielleicht wusste die App das?“, überlegte Jericho. „Verdammt, ich kann es immer noch nicht fassen.“

„Du sagst es!“, sagte Maggie und konnte sich das Lachen nicht verkneifen, das unwillkürlich in ihr aufkam. Die letzten zwei Jahre hatte sie das Thema Männer mit aller Kraft vermieden. Sie war weder mit einem Mann ausgegangen, noch hatte sie sich von ihrer Mutter verkuppeln lassen, die ab und an ein paar Namen fallen gelassen hatte. Und jetzt hatte sie sich ausgerechnet mit einem Winters verkuppeln lassen – vor den Augen von ganz Royal!

Jericho musste ebenfalls lachen. Dann schüttelte er den Kopf und rieb sich den Nacken. „Was für ein verrückter Zufall. Trey ist wahnsinnig überzeugt von dieser App. Seinetwegen habe ich mich ja auch bei k! smet angemeldet.“

„Ach, wirklich? Ich bin dabei, weil Misha einfach ein Genie ist und ich ihr vertraue“, gab Maggie zu. „Und ehrlich gesagt bin ich gespannt, ob mehr in dir steckt als ein hübsches Gesicht. Ich will sehen, wohin das Ganze führt.“

„In meine Arme?“, witzelte Jericho.

„Lass uns erst mit unseren Familien sprechen und sehen, ob unsere Verabredung überhaupt zustande kommt“, antwortete sie und öffnete die Tür. „Auch wenn ich meinem Profil zufolge spontan bin, stimmt das nicht. Ich bin eher vorsichtig. Ich mag zwar keine Pläne, aber das bedeutet nicht, dass ich gern den Sprung ins kalte Wasser wage.“

Er nickte. „Ich schon, zumindest wenn es um Frauen geht.“

Sie hatten das Zimmer verlassen und das Ende des Ganges erreicht. Jericho hielt ihr die Tür auf. Die warme Sommerluft wehte ihnen entgegen und wirbelte ihr Haar auf, sodass einige Strähnen ihr Gesicht umspielten. Maggie schob die Strähnen hinter die Ohren.

„Was für ein interessanter Nachmittag! Bis heute Abend“, sagte sie, machte auf dem Absatz kehrt und ging.

Sie musste sich eingestehen, dass Jericho Winters sie faszinierte. Nicht nur auf körperlicher Ebene. Seine Einstellung zum Leben beeindruckte sie ebenfalls und widersprach dem, was sie von einem Mitglied der Winters-Familie erwartetet hatte. Wenn sie ganz ehrlich war, war Jericho viel zu besonders, um in einen Topf mit dem ganzen Winters-Clan geworfen zu werden.

Dennoch würde sie sich früher oder später mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Maggie setzte ihre Sonnenbrille auf und steuerte auf ihr Auto zu. Erst dann entsperrte sie ihr Telefon und las sich die neuesten Nachrichten im Familienchat durch.

Preston: Schwesterchen, ist alles gut bei dir?

Mom: Ruf mich an. Seit wann ist Online-Dating etwas für dich?

Dad: Familientreffen morgen 9 Uhr.

Maggie schüttelte den Kopf. Dann atmete sie tief durch, bevor sie eine Antwort tippte.

Maggie: Ja, mir geht es gut, Pres. Es war an der Zeit, es endlich wieder mit einem Date zu versuchen. Ich muss kurz in meinem Terminkalender nachsehen und gebe euch Bescheid, ob ich es morgen um 9 Uhr schaffe.

Kurz darauf klingelte ihr Telefon. Maggie konnte sich bereits denken, wer am anderen Ende der Leitung war. „Preston, hallo“, begrüßte sie ihren Bruder.

„Deine freche Antwort gefällt mir, aber wenn Dad das liest, wird er ausflippen.“

„Das war provokativ, ich weiß. Ich schreibe gleich, dass ich morgen Zeit habe. Manchmal nervt mich seine bestimmerische Art einfach.“

„Das verstehe ich. Noch etwas, Jericho Winters …?!“

„Ja, ich weiß. Mishas App ist schuld. Ich konnte keinen Rückzieher machen“, erklärte sie und merkte, dass sie ihrem Bruder nicht erzählen wollte, was sie wirklich über Jericho dachte. Oder dass sie sich ehrlich freute, ihn heute Abend wiederzusehen.

„Ich bezweifle, dass Dad das auch so sieht.“

„Das mag sein“, antwortete Maggie. „Ich werde versuchen, ihn zu überzeugen.“

„Viel Glück dabei. Bis morgen früh“, antwortete Preston.

„Bis morgen!“

Sie schrieb ihrer Familie, dass sie morgen früh Zeit für das Treffen hatte. Ihre Mutter reagierte mit dem Daumen-hoch-Emoji, einem Herz und einem Kussmund.

Maggie war klar, dass das Familientreffen morgen alles andere als einfach sein würde. Und ihr Date heute Abend mit Jericho sicherlich auch nicht.

3. KAPITEL

Kurz vor zwanzig Uhr stand Jericho vor Maggies Wohnung. Er hielt eine Flasche Wein in der einen und einen bunten Blumenstrauß in der anderen Hand. Schließlich hatte er Maggie gesagt, er sei ein Gentleman, und das war genau das, was ein Gentleman tat.

Obwohl die Geste aufrichtig gemeint war, hatte Jericho seine Zweifel. Was wollte er damit bezwecken? Ihre Ehrlichkeit hatte ihm gefallen. Seine innere Stimme sagte ihm dennoch, dass das alles nur eine Farce war. Dass sie nur vorgaben, sich aufeinander einzulassen, um seinem Bruder und Misha einen Gefallen zu tun. Doch da war noch eine andere Stimme, die ihm das nicht abkaufte und ihn daran erinnerte, wie sehr er Maggie begehrte.

Als Maggie ihm die Tür öffnete, ertönten im Hintergrund die Gitarrenklänge von Santana. Ihre langen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden und sie trug eine weit geschnittene, kurze Hose, die ihre Beine endlos lang erscheinen ließ. Ihr enganliegendes Neckholder-Top betonte ihre wohl geformten Brüste und die schmale Taille. Jericho schluckte und lächelte sie an, in der Hoffnung, dass sie ihm nicht ansah, wie hingerissen er war. Oder dass er sie am liebsten in seine Arme genommen und sie lange und heftig geküsst hätte.

„Hi“, sagte er schließlich.

„Hey. Du bist pünktlich, das gefällt mir. Ich neige übrigens dazu, immer zu spät zu kommen“, sagte sie und zwinkerte ihm zu. „Sind die für mich?“

„Ja“, antwortete er und überreichte ihr die Blumen und den Wein.

„Danke schön. Komm gern rein und schnapp dir einen der Barhocker“, sagte sie und stellte dann die Musik leiser. „Tut mir leid. Ich liebe diesen Song einfach. Supernatural kann man nur in voller Laustärke hören.“

„Das muss dir nicht leidtun. Ich sehe das ganz genauso. Was gibt’s eigentlich zum Abendessen?“

„Taco-Salat. Bei dieser Hitze habe ich keine Lust zu kochen“, erwiderte Maggie.

„Dito. Wenn wir bei mir wären, würde ich für uns grillen.“

„Grillst du gern?“

„Na ja, ich esse gern und bleibe lange auf, also ja. Manchmal schaue ich beim Texas Cattleman’s Club vorbei, aber da bin ich oft abgelenkt“, sagte Jericho, während er auf einem der Barhocker Platz nahm.

Sie stellte die Blumen ins Wasser und kam dann mit einer großen hölzernen Schüssel zurück. Der Salat war bis auf ein paar letzte Handgriffe fertig. „Ich trinke am liebsten ein Coronabier mit Limette dazu. Ich habe aber auch Limonade, Wein oder Tequila da, wenn dir das lieber ist.“

„Bier klingt fantastisch. Kann ich dir helfen?“

„Du kannst zwei Bierflaschen aus dem Kühlschrank holen. Damit wären wir dann so weit“, antwortete sie.

Nachdem sie Platz genommen hatten, servierte Maggie den Taco-Salat. Dann nahm sie ihre Bierflasche in die Hand. „Prost.“

„Prost!“, sagte Jericho und stieß mit ihr an.

„Ich wurde übrigens zu einem Familientreffen zitiert, das für morgen früh einberufen wurde“, erzählte Maggie.

„Ich nehme an, das erwartet mich auch noch. Den Familienchat habe ich offen gesagt stumm geschaltet“, sagte Jericho. Trotzdem wusste er, dass er sich heute Abend noch damit auseinandersetzen musste.

„Gute Idee. Aber wenn ich das mache, flippt meine Mutter aus und steht plötzlich vor meiner Tür“, antwortete Maggie. „Sie macht sich schnell Sorgen.“

Er lächelte. „Ja, das haben Eltern so an sich. Warum hast du euer Treffen erwähnt?“

„Ich möchte vorbereitet sein. Ich weiß, dass sich unsere Väter hassen. Bislang kenne ich nur die Seite meines Vaters. Ich verstehe ihn.“

„Das geht mir auch so. Wenn man dann noch all das böse Blut dazurechnet, das die Fehde durch jede weitere Generation noch verschlimmert, ist es kein Wunder, dass sie ein Problem mit unserem k! smet-Date haben“, pflichtete Jericho ihr bei.

„Kann sein“, gab Maggie zu, „aber vielleicht ist es an der Zeit, dass wir diesen Zwist überwinden und hinter uns lassen.“

„Denkst du, dass sich dein Vater darauf einlässt?“

„Nein“, antwortete sie und schüttelte lachend den Kopf. „Er ist der dickköpfigste Mann der Welt.“

„Ich glaube, mein Vater könnte es mit ihm aufnehmen. Was schlägst du also vor?“

„Dass wir herausfinden, was wir wollen, und dann eine Zusammenkunft mit unseren beiden Familien organisieren. Vielleicht könnten wir noch einen unparteiischen Dritten als Vermittler hinzuziehen“, schlug Maggie vor.

„Wozu?“
„Na ja, wenn wir die k!smet-Aktion unterstützen wollen, müssen wir wahrscheinlich auf mehr als ein öffentliches Date gehen. Es wäre sicher in unserem Interesse, wenn wir die Rahmenbedingungen dafür festlegen“, erklärte sie.

Sie hatte recht. Jericho wollte nicht, dass sein Vater oder ein anderes Familienmitglied ihm vorschrieb, wie und wo er Maggie treffen durfte. Oder wäre eine derartige Einmischung die Ausrede, die er brauchte, um Maggie nicht zu nahe zu kommen?

„Und wie genau stellst du dir das vor?“, fragte er.

„Ich stelle mir eine bestimmte Anzahl an Ausflügen vor, bei denen wir so tun könnten, als wären wir zusammen unterwegs. Die App wird uns wahrscheinlich weitere Vorschläge für bestimmte Unternehmungen machen.“

Jericho lehnte sich in seinem Stuhl zurück und nickte langsam. „Warum eine genaue Anzahl an Verabredungen?“

„Na ja, ich denke, wir sind uns einig, dass aus uns nichts wird. Wenn wir uns vorher auf eine bestimmte Anzahl einigen, sind wir danach aus der Sache raus“, erwiderte Maggie. „Und das wird auch unsere Familien freuen.“

„Was ist, wenn wir uns nicht einig sind, dass aus uns nichts wird?“

„Glaubst du das?“

„Keine Ahnung. Vielleicht vertagen wir das Gerede über unsere Familien und versuchen, uns kennenzulernen?“

Auf keinen Fall. Den Teufel würde sie tun. Und sie hatte das Gefühl, dass er ebenso wenig bereit dafür war. Oder doch, jetzt, da sie ganz am Anfang standen. Das hatte er ihr ja schon erklärt. Fremde waren manchmal ehrlicher zueinander als vertraute Paare.

„Und wie?“, fragte Maggie.

„Stell mir einfach eine Frage“, antwortete er.

Maggie zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Welche Art von Kunst gefällt dir?“

„Fotografien oder realistische Darstellungen, zum Beispiel von der texanischen Landschaft oder Portraits. Und du?“

„Ich mag hauptsächlich impressionistische Kunst. Einige Surrealisten. Und ich liebe die Arbeit vieler moderner Kunstschaffender. Aber ich bin kein Fan von moderner Kunst, die einfach nur schockieren soll“, erwiderte sie.

„Fast hätte ich vergessen, dass ich es mit einer Kunstexpertin zu tun habe“, sagte Jericho.

„So gut bin ich im Zeichnen und Malen ehrlich gesagt nicht.“

„Bei Kunst geht es um mehr als nur ein paar perfekte Linien“, gab Jericho zurück.

„Sagt der Architekt.“

Er grinste sie an. „In der Tat. Aber eine gerade Linie ist nicht unbedingt perfekt, wenn man nicht die Gesamtheit der Arbeit berücksichtigt. Nehmen wir mal das Expo Center als Beispiel. Es hat zehn verschiedene Entwürfe gebraucht, bis ich zufrieden war. All diese geraden Linien mussten ein Gesamtbild ergeben, das mehr als nur ein konventionelles Ausstellungszentrum war. Ich wollte mehr als nur das erschaffen.“

„Kunst können wir also in der Spalte Gemeinsamkeiten auflisten“, sagte Maggie.

„Einverstanden. Wie sieht es mit Sport aus?“, fragte Jericho betont beiläufig.

Ihr war sofort klar, dass er Sportfan war und mindestens eine Lieblingsmannschaft hatte, die er leidenschaftlich unterstützte. Aber sie wollte auch wissen, wie er reagierte, wenn er auf Widerstand stieß. Maggie liebte es, ihren Bruder mit seiner Leidenschaft für Baseball aufzuziehen, die sie nur schwer nachvollziehen konnte. „Ich bin kein großer Fan, aber da ich heiße Typen mag, schaue ich mir ab und zu ein Footballspiel an.“

Jericho verzog den Mund und schüttelte den Kopf. „Verdammt. Ich dachte, das mit uns wäre etwas für die Ewigkeit, aber das ist für mich ein absolutes Ausschlusskriterium.“

„Ist das so? Du kannst ohne deinen Sport nicht leben?“

„Ich könnte, aber welchen Sinn hat ein Leben ohne Baseball?“, fragte er.

„Okay, da passen wir also nicht zusammen. Wie sieht mit Essen aus?“

„Mit Essen?“

„Ja, kochst du gern?“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich grille wie gesagt gern und meine Omeletts sind legendär. Und du?“

„Ich auch. Am liebsten mache ich Salate oder Suppen. Entweder schnippele ich das Gemüse und gebe etwas Dressing dazu oder ich brate es an und püriere es. Nicht gerade eine Sterneköchin, aber es macht mir Spaß.“

„Sieht so aus, als hätten wir noch etwas gemein. So schlecht schlagen wir uns gar nicht, oder?“, sagte er.

„Ja, das stimmt“, gab sie zu. Aber wollte sie das überhaupt? Wollte sie ihn mögen? Er hatte humorvoll auf ihre Abneigung für Baseball reagiert, anstelle sich aufzuregen, was ihr wichtig war. Sie hatte keine Lust, mit einem Mann auszugehen, der schnell wütend wurde.

Sie unterhielten sich über Bücher und Filme und stellten fest, dass sie auch hier einige Gemeinsamkeiten hatten. Allerdings hatte er so wenig für Liebesfilme aus den 1940ern übrig wie Maggie für Gangsterfilme. Obwohl er sie mit seinen Gangster-Imitationen sehr zum Lachen brachte.

Sie mochte Jericho. Und dann war da noch diese Anziehungskraft. Den ganzen Abend hatte sie ihm gegenübergesessen und versucht, nicht auf seine sinnlichen Lippen zu starren.

Sie wollte ihn.

Maggie bezweifelte jedoch, dass das eine gute Idee war. Es gab unzählige Gründe, die dagegensprachen. Und doch hatte sie beim Abendessen das Gefühl, dass sie gleichzeitig Jericho haben, ihren Vater besänftigen und ihrer Freundin helfen könnte.

Sie schüttelte unmerklich den Kopf und dachte selbstkritisch, dass es nur einen Grund gab, warum sie Jericho wollte. Es hatte weder mit ihrer Familie noch mit Misha zu tun, obwohl beide Maggie sehr wichtig waren. Es lang einzig und allein an Jericho Winters, dem Sohn des verfeindeten Winters-Clans. Er war der einzige Mann, bei dem sie sich seit zwei Jahren wie eine Frau fühlte und dazu lebendiger als je zuvor.

Maggie schwieg. Er dachte daran, dass ihr Plan zu großen Spannungen in ihren Familien führen würde. Wenn er ehrlich war, rechtfertigte die Unterstützung für seinen Bruder Trey allein dieses Risiko bei weitem nicht. Er mochte Maggie. Je mehr Zeit sie zusammen verbrachten, desto leichter erkannte er, wer sie war.

Sie war klug und hatte Humor. Sie lachte viel und sprach gern über die Dinge, die ihr wichtig waren.

„Fällt es dir schwer, mir zu vertrauen, weil ich Winters heiße?“, fragte er sie unvermittelt.

Normalerweise fiel er nicht so mit der Tür ins Haus, aber … Zum Teufel damit. Es war schon spät und er würde bald aufbrechen müssen. Davor wollte er so viel wie möglich über Maggie Del Rio erfahren, bevor er sich seiner Familie stellen musste.

„Ja. Du denkst sicherlich ähnlich über die Del Rios?“

„Schon, aber für mich ist das nur ein kleines Hindernis, das ich zu überwinden gedenke. Was meinst du?“, fragte er. Der heutige Abend war eine Chance für sie beide gewesen, um in Ruhe zu entscheiden, wie es weitergehen sollte. Ohne ihre Familien und ohne die Öffentlichkeit. Er selbst begehrte sie immer noch, doch sosehr er sich auch nach einer Nacht mit Maggie Del Rio sehnte, war Jericho Winters ein erwachsener Mann. Er traf seine Entscheidungen mit seinem Verstand, nicht mit seinem Schwanz. Er durfte sich nicht davon beeinflussen lassen, dass er sie vernaschen wollte.

Es war wichtig, dass sie sich einig waren und beide dasselbe wollten. Auch wenn sie sich einredeten, dass sie ihre Eltern überzeugen könnten, war Jericho klar, wie schwer es sein würde, ihren Eltern die Idee schmackhaft zu machen.

„Das will ich auch. Ich werde allerdings nicht lügen und so tun, als würde ich glauben, dass das zwischen uns etwas Festes werden könnte. Aber ich würde es bereuen, wenn wir es nicht einmal versucht hätten.“

Er lächelte und beugte sich vor, wobei er seine Unterarme auf den Tisch legte und ihre Hand in seine nahm. Es fühlte sich an wie ein elektrischer Schock. „Das sehe ich ähnlich. Eine feste Beziehung würde ich allerdings noch nicht ausschließen.“

„Wieso? Bist du auf der Suche nach etwas Festem? Dann solltest du wissen, dass ich nicht vorhabe, zu heiraten. Niemals“, sagte sie. „Ich ertrage es nicht, noch einmal monatelang mit einem Verlobungsring am Finger herumzulaufen und dann … Ich kann das einfach nicht.“

Sie zog ihre Hand zurück und rieb sich ihre Finger. Es war fast so, als wäre eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen entstanden, die nicht nur ihren Körper, sondern auch ihre Gefühle schützte. Sie war für ihn plötzlich unerreichbar.

„Heiraten muss doch nicht heißen, ewig verlobt zu sein. Wenn ich um deine Hand anhalten würde, Maggie Del Rio, dann würden wir im kleinen Kreis heiraten, ohne lange zu zögern.“

„Versprichst du das?“, fragte sie.

„Ja.“

Sie nagte an ihrer Unterlippe und nickte. „Okay. Ich treffe meine Familie morgen früh. Kennst du jemanden, der unparteiisch ist und vermitteln könnte? Dann könnten wir einen Termin mit unseren Familien arrangieren.“

Jericho ging im Kopf seinen Bekanntenkreis durch. „Jack Chowdhry. Er genießt ein hohes Ansehen und ist Mitglied im Vorstand des TCC. Ich glaube, dass unsere Familien ihn beide kennen, ohne eine tiefere Verbindung zu ihm zu haben.“

„Das ist ein guter Vorschlag. Kennst du ihn gut genug, um ihn zu kontaktieren? Es kann sein, dass mein Bruder ihn auch kennt.“

„Ja, ich kenne ihn, aber es wäre vielleicht besser, wenn dein Bruder sich ebenfalls bei ihm meldet, damit es so aussieht, als wären beide Seiten damit einverstanden.“

„Alles klar. Ich schreibe Preston gleich. Ich brauche sein Einverständnis, bevor ich morgen mit meinen Eltern spreche“, sagte Maggie.

„Das ist wohl mein Stichwort, mich zu verabschieden. Ich melde mich morgen bei dir, nachdem ich mit meiner Familie gesprochen habe“, sagte Jericho und erhob sich. Er stellte seinen Teller in die Spüle. Als er sich umdrehte, stand Maggie hinter ihm.

„Ja?“

„Mhm …“ Sie ging einen Schritt auf ihn zu und legte ihre Hand auf seinen Brustkorb. Dann stellte sie sich auf die Fingerspitzen und drückte ihre Lippen sanft auf seine.

Mit einem Schlag fühlte sich das Blut in seinen Adern siedend heiß an und obwohl er es langsam angehen lassen wollte, öffnete er seinen Mund und küsste sie innig.

Sie war das Feuer in seinen Adern. Zu lang hatte er sich nach ihr gesehnt. Er legte Maggie einen Arm die Taille und zog sie an sich. Er spürte, wie ihre Brüste sich gegen ihn drückten und wie sie ihre Finger tiefer in seinen Brustkorb grub. Sie neigte den Kopf leicht zur Seite, um ihn noch leidenschaftlicher zu küssen.

Nach einer halben Ewigkeit trat sie einen Schritt zurück und fuhr sich mit der Zunge über ihre leicht angeschwollenen Lippen. „Ich wollte nur sichergehen, dass die Chemie zwischen uns stimmt.“

„Das wusste ich bereits“, erwiderte Jericho. „Aber du kannst das gern so oft überprüfen, wie du willst.“

Maggie schüttelte den Kopf. „Nicht bevor wir alles geklärt haben.“

„Also morgen?“

„Oder übermorgen“, antwortete sie.

Kurz darauf verabschiedete sich Jericho und verbrachte die nächsten Minuten damit, in seinem Sportwagen zu sitzen und darüber nachzudenken, wie sehr er Maggie wollte. Egal, was zwischen ihren Familien vorgefallen war, eines stand fest. Dieser Kuss hatte ihn darin bestärkt, sich von nichts davon abhalten zu lassen, herauszufinden, ob es im Bett genauso stark zwischen ihnen funkte.

4. KAPITEL

Irgendwie hatte Jericho gestern Abend bei Maggie das Gefühl gehabt, dass sie es vielleicht doch mit einem richtigen Date versuchen konnten. Doch als er am nächsten Morgen pünktlich zum Familienbrunch im Haus seiner Eltern eintraf, wurde ihm klar, dass er sich geirrt hatte. Er riskierte einen kurzen Blick in das ihm so vertraute Zimmer mit dem Gemälde von Eliza Boudreaux an der Wand. Ihren Hals zierte eine Kette aus Diamanten, Rubinen und Smaragden. Mit ihr hatte der Familienzwist seinen Lauf genommen. Sie hatte Fernando Del Rio I. den Laufpass gegeben und stattdessen Jerichos Urgroßvater Teddy geheiratet.

Aber das alles war Vergangenheit. Jericho dachte an den heutigen Tag, den er überstehen musste. Er betrat die Küche und begrüßte seine Mutter mit einem Kuss auf die Wange. Sie saß mit einer Tasse Kaffee an der Bar und schaute ihn argwöhnisch an.

„Du willst also mit dieser Del Rio ausgehen?“, fragte sie ihn. Seine Mutter Camille war mit ihren dunkelbraunen Augen und ihrem langen, lockigen schwarzen Haar eine attraktive Frau. Sie arbeitete bei Winters Industries und hatte viel zum Erfolg des Familienkonzerns beigetragen.

„Vielleicht. Es ist nicht so leicht, Mom. Trey hat viel in die…“

„Deine Erklärungen kannst du dir für später aufheben. Mich interessiert vor allem, warum mein Sohn, der dafür bekannt ist, nichts anbrennen zu lassen, plötzlich mit jemandem ausgehen will, der ihm ausgerechnet von einer App vorgeschlagen wurde“, unterbrach sie ihn und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee.

Camille war eigentlich seine Stiefmutter. Sein Vater hatte Camille geheiratet, als Jericho acht Jahre alt war. Seine Mutter war aufgrund der schweren Komplikationen bei der Geburt seiner jüngeren Schwester Tiffany verstorben. Von dem Moment an, als Camille und sein Vater verheiratet waren, war sie für ihn und seine Geschwister wie eine Mutter gewesen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen schaffte sie es immer wieder, ihn zu durchschauen. Jericho lehnte sich gegen den Tresen und versuchte, eine Antwort zu finden, die weder eine Lüge noch die ganze Wahrheit war. Letztendlich zuckte er nur mit den Schultern. „Keine Ahnung.“

Sie lächelte ihn an. „Sag das lieber nicht deinem Vater.“

„Das habe ich auch nicht vor“, antwortete er. „Ich habe mich gestern Abend mit ihr getroffen, um sie etwas besser kennenzulernen. Abseits der Rivalitäten zwischen unseren Familien.“

„Und?“

Jericho stellte fest, dass er sich nach ihrem Rat sehnte. Er dachte daran, wie er das letzte Mal als Teenager mit Camille über Frauen gesprochen hatte. „Ich mag sie.“

Seine Mutter stellte ihre Kaffeetasse ab und rückte etwas näher an ihn heran. „Wie meinst du das? Ich habe sie hin und wieder in der Stadt gesehen. Habt ihr eine Affäre?“

„Mom.“

„Jericho, ich liebe dich und möchte, dass du glücklich bist. Doch das hier betrifft die ganze Familie. Wenn es nur darum geht, dass du eine hübsche Frau abschleppen willst, dann kann ich dir nicht helfen. Wenn es um mehr als das geht …“

Sie verstummte, doch als er in ihre dunkelbraunen Augen sah, verstand er mehr denn je, was auf dem Spiel stand. Wie so oft hatte seine Mutter den Sachverhalt auf das Wesentliche reduziert. War er bereit, seiner Familie eine unvermeidbare Begegnung mit den Del Rios zuzumuten, die den Winters schon immer ein Dorn im Auge gewesen waren? „Das weiß ich noch nicht. Deshalb habe ich so lange gezögert, bis ich im Familienchat geantwortet habe.“

„Vielleicht ist das schon die Antwort auf deine Frage. An deiner Stelle würde ich das für mich behalten, bis ich mir über meine Gefühle im Klaren bin. Im Moment sieht es also so aus, als würdest du dich mit dieser Del Rio treffen?“

„Ja. Sie heißt Maggie“, antwortete Jericho.

„Redet ihr über die Erzfeindin?“, fragte Alisha, die gerade die Küche betrat.

Jericho umarmte seine Schwester, die nur ein Jahr jünger als er war. Technisch gesehen war sie seine Stiefschwester, da sie Camilles Tochter aus einer früheren Ehe war. Doch die beiden hatten sich auf Anhieb miteinander verstanden und standen sich auch heute noch sehr nahe. Sie erwiderte seine Umarmung und nahm sich dann eine Tasse aus dem Schrank hinter ihm, um sich ebenfalls einen Kaffee einzuschenken.

„Ja.“

„Willst du das wirklich durchziehen?“, fragte sie ihn.

„Ja. Trey hat viel in k! smet investiert“, setzte Jericho an und bemerkte, dass er aufhören musste, die äußeren Umstände für seine Entscheidung verantwortlich zu machen. Vielleicht war es das, was seine Mutter vorhin gemeint hatte.

„Du machst das also alles für Trey?“, fragte Alisha skeptisch.

„Nein. Ich mag sie. Ich habe sie vor ein paar Wochen im Club gesehen.“

„Das Frühstück ist fertig“, unterbrach sie die Haushälterin.

Gemeinsam betraten sie den Frühstücksraum, in dem bereits Jerichos Vater, seine Schwester Tiffany und sein Bruder Trey saßen. Treys achtjähriger Sohn Dez war ebenfalls da. Jericho ging auf Dez zu und beugte sich hinunter, um seinen Neffen zu umarmen.

„Es tut mir leid, dass ich gestern Abend keine Zeit hatte, eine Runde Switch mit dir zu spielen“, sagte er.

„Kein Ding. Ich habe stattdessen mit Dad gezockt und gewonnen.“

„Das ist ja keine große Kunst“, witzelte Jericho.

„Du hast leicht reden. Das ganze Drama um die App-Premiere hat mich zu sehr abgelenkt“, warf Trey ein und gesellte sich zu ihnen.

„Was deine App anbelangt …“

„Für die Programmierung bin ich nicht verantwortlich. Tut mir leid. Ich habe mir dein Interview angesehen, was du übrigens sehr souverän gemeistert hast, aber unangenehm war es bestimmt trotzdem, oder?“

„Es war halb so schlimm. Misha hat alles getan, damit wir uns wohl fühlen. Sie hat sogar angeboten, den Treffer als technischen Fehler abzutun und einen neuen Versuch zu starten. Maggie und ich waren uns allerdings einig, dass das dem Image eher schaden würde.“

„Da hast du recht. Tatsächlich ist die App seit gestern in aller Munde“, antwortete Trey. „Ich wollte mit dir reden, bevor ich das Thema heute in großer Runde anspreche, aber ich glaube, ihr solltet euch auf ein paar gemeinsame Dates einlassen. Im Internet wird viel gemutmaßt, ob euer Treffer echt ist oder nur ein Werbegag.“

Da Jericho sowieso vorhatte, Maggie wiederzusehen, nickte er seinem Bruder nur zu. Schließlich nahmen alle am langen Frühstückstisch Platz. Nachdem sie gegessen hatten und Dez den Raum verlassen hatte, um eine Runde Switch zu spielen, verschränkte Jerichos Vater seine Finger und schaute ihn erwartungsvoll an.

„Maggie und ich haben uns gestern Abend abgestimmt und beschlossen, dass wir uns auf die Dates einlassen werden“, begann Jericho. „Ich weiß, dass das angesichts der Spannungen zwischen unseren Familien keine einfache Situation für euch ist. Daher schlage ich vor, dass wir so schnell wie möglich ein paar Spielregeln festlegen“, fügte er schnell hinzu.

„Und?“, fragte sein Vater.

„Ich habe Jack Chowdhry gebeten, als Vermittler zu agieren. Angesichts der schwierigen Beziehung zwischen unseren Familien wäre es sicherlich gut, das schriftlich festzuhalten“, fuhr Jericho fort.

„Gute Idee. Ich kontaktiere gleich unseren Anwalt und bitte ihn, dich zu begleiten“, sagte sein Vater und nahm sein Handy aus der Anzugtasche.

„Das könnte schwierig werden. Ich möchte nicht, dass Maggie sich bedrängt fühlt. Lass mich stattdessen Brian anrufen. Er ist ein großartiger Anwalt und gleichzeitig ein guter Freund“, erwiderte er.

Aus dem Augenwinkel sah er, wie Camille seine Schwestern fragend ansah. Alisha schüttelte erst den Kopf, seufzte aber dann. „Schon gut, ich begleite Jericho, damit sie sich nicht unwohl fühlt.“

Maggie kam kurz nach zehn Uhr bei ihren Eltern an. Sie sah Prestons Auto, das bereits vor dem Haus geparkt war, und freute sich, dass er schon da war. Heute trug sie eine weit geschnittene Hose, die sie mit einer einfachen Bluse kombiniert hatte. Als Maggie die Auffahrt hinauflief, bemerkte sie, dass ihre Mutter bereits in der geöffneten Tür stand und auf sie wartete. Maggie lief etwas schneller und umarmte sie innig. Sie hatte schon immer ein enges Verhältnis zu ihrer Mutter gehabt, doch an diesem Morgen hatte sie mehr denn je das Gefühl, ihren Beistand zu brauchen.

„Du bist spät dran. Hast du meinen Ratschlag beherzigt und deine Uhr dreißig Minuten vorgestellt?“

„Nein, das finde ich albern. Ich versuche einfach...“

„Nicht du zu sein?“, neckte ihre Mutter sie lachend. „Du bist heute tatsächlich pünktlich, weil wir alle anderen gebeten haben, zehn Uhr dreißig da zu sein.“

„Gar keine schlechte Idee. Wer kommt denn noch zum Familientreffen?“

„Cecily“, antwortete ihre Mutter. „Dein Dad möchte, dass du abgesichert bist.“

Cecily Meachum gehörte zur Anwaltskanzlei, die für die Del Rio Group arbeitete, und unterstützte die Familie bei Bedarf auch privat als Anwältin. Cecily war ungefähr acht Jahre älter als Maggie und wurde aufgrund ihres Erscheinungsbildes oft unterschätzt. Allerdings wusste die kurvenreiche Schönheit genau, wie sie das zu ihrem Vorteil nutzen konnte. Als Anw...

Autor

Katherine Garbera
USA-Today-Bestsellerautorin Katherine Garbera hat schon mehr als neunzig Romane geschrieben. Von Büchern bekommt sie einfach nicht genug: ihre zweitliebste Tätigkeit nach dem Schreiben ist das Lesen. Katherine lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem verwöhnten Dackel in England.
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J Margot Critch
J. Margot Critch lebt mit ihrem Mann Brian und ihren kleinen vierbeinigen Freunden Simon und Chibs in St. John’s, Neufundland. Ihre Zeit verbringt sie damit, Romane zu schreiben, Musik von Jimmy Buffett zu hören und aufs Meer zu schauen. Und dabei überlegt sie, ob sie lieber einen Kaffee oder eine...
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Jana De Leon
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