Collection Baccara Band 354

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WIE VERFÜHRE ICH MEINEN EX? von ROE, PAULA
Soll Angelina dem attraktiven Matt eine zweite Chance geben? Sie hat dem erfolgreichen Millionär nie verziehen, dass er sie vor zehn Jahren eiskalt abserviert hat! Jetzt könnte er ihren größten Wunsch erfüllen. Doch ihm wieder nah zu sein, bringt Angelinas Herz in Gefahr …

SÜßE KÜSSE NACH REZEPT von ARTHUR, A.C.
Nichts als Arbeit: Belinda opfert sich für den Erfolg der Familienkonditorei auf. Leider vergisst sie darüber, dass auch das eigene Leben süß sein kann! Bis sie sich in der Backstube von Malik verführen lässt. Der sexy Konditor kennt das perfekte Rezept für heiße Küsse …

BLEIB BEI MIR, CITY-GIRL! von DENOSKY, KATHIE
Knisternde Spannung herrscht zwischen ihnen, seit sie sich auf seiner Ranch zum ersten Mal geküsst haben! Aber Chance Lassiter ist überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Fee nach Los Angeles zurückkehrt. Oder gibt es einen Weg, das aufregende City-Girl zu halten?


  • Erscheinungstag 26.05.2015
  • Bandnummer 0354
  • ISBN / Artikelnummer 9783733722548
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Paula Roe, A.C.Arthur, Kathie DeNosky

COLLECTION BACCARA BAND 354

PAULA ROE

Wie verführe ich meinen Ex?

„Schlaf mit mir!“ Matt kann Angelinas erotischer Bitte nicht widerstehen! Er ist schließlich auch nur ein Mann … Allerdings ahnt er, warum seine verführerische Ex eine heiße Nacht mit ihm verbringen will: Sie sehnt sich nicht nach seiner Liebe – sondern möchte ein Baby! Trotzdem wecken die leidenschaftlichen Stunden in ihm die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft …

A.C.ARTHUR

Süße Küsse nach Rezept

Jetzt oder nie: Wenn Malik seine betörende Kollegin Belinda jemals hautnah spüren will, muss er endlich handeln. Alles spricht für ihn: Sie sind allein in der Konditorei. Die Arbeit ist getan. Es ist warm. Es duftet süß. Und zum ersten Mal sieht Malik in Belindas Augen, was er selbst schon lange empfindet: glühendes Verlangen!

KATHIE DENOSKY

Bleib bei mir, City-Girl!

Chance Lassiter hat ein Lächeln zum Dahinschmelzen, muskulöse Schultern, die jede Frau schwach werden lassen, und er strahlt ungezügelte Leidenschaft aus. Vom ersten Augenblick an fühlt sich Fee zu ihm hingezogen! Dabei ist sie aus rein beruflichen Gründen auf seiner Ranch. Sobald ihr Auftrag erfüllt ist, wird sie den unwiderstehlichen Rancher verlassen müssen …

1. KAPITEL

„Die eine Brautjungfer guckt ständig her. Kennst du sie?“

„Wen?“ Matthew Cooper kehrte dem riesigen Panoramafenster mit der überwältigenden Aussicht auf die Skyline von Surfers Paradise, dem berühmten Viertel der Stadt Gold Coast in Queensland, den Rücken zu. Fragend sah er seine Schwester Paige an. Die grinste vielsagend, und er warf einen raschen Blick auf die aufsehenerregend herausgeputzten Freundinnen der Braut. Die sechs Frauen machten langsam ihre Begrüßungsrunde, während ein wundervoller Sonnenuntergang den treffend bezeichneten „Skylight Room“ erleuchtete. Der erstklassige Festsaal befand sich in der 78. Etage des Q1-Towers.

„Die Rothaarige“, meinte Paige.

Matthew zuckte mit den Schultern, schnappte sich ein Glas Champagner vom Tablett eines vorbeikommenden Kellners und wandte sich wieder der spektakulären Aussicht zu. „Ich kenne hier niemanden. Das glückliche Paar gehört zu deinen Kunden.“

„Du bist deprimierend, Matt. Es ist eine Hochzeit. Ein Fest der Liebe. Mach dich ein bisschen locker. Amüsier dich.“ Eingehend betrachtete sie die Menge. „Geh und flirte mit einer Brautjungfer.“

Er zog eine Augenbraue hoch, steckte eine Hand in die Hosentasche und nippte bedachtsam an seinem Champagner. „Mit der Rothaarigen?“

„Sie ist auf jeden Fall interessiert.“

Leise gab Matt einen unverbindlichen Kommentar ab.

Paige seufzte. „Es ist zum Heulen mit dir. Du bist sechsunddreißig, auf dem Höhepunkt deines Lebens, attraktiv, Single, unerträglich reich …“

„Verantwortungsbewusst. Erfolgreich …“

„Und ein totales Arbeitstier“, schloss sie, als sie bemerkte, dass er zum dritten Mal in einer halben Stunde auf sein Handy sah. „Ich dachte, du hättest das St. Catherine verlassen, damit das endlich aufhört.“

Er runzelte die Stirn. „Die Organisation zu leiten ist etwas völlig anderes.“

„Hmm …“ In Paiges braunen Augen blitzte es. Sie schob sich ein Appetithäppchen in den Mund und streckte ihre Hände wie zwei Waagschalen vor sich aus. „Auf der einen Seite die Hirnchirurgie. Auf der anderen eine internationale Hilfsorganisation.“ Sie hob die eine Hand und senkte die andere. „Leben retten für das Familiengeschäft – Eltern überglücklich. Medizinische Notfallteams in Entwicklungsländer schicken – Eltern wütend.“

„Ich rette immer noch Leben, Paige. Geh du mir nicht auch noch auf den Wecker.“

„Böse, verlogene Exfrau alle paar Wochen treffen.“ Paige ließ eine Hand nach unten fallen. „An exotische Orte mit noch exotischeren Frauen fliehen.“ Sie ließ die andere Hand nach oben schnellen und lächelte. „Aber trotzdem bist du nicht glücklich.“

„Doch, ich bin …“

„Bist du nicht.“ Sie berührte seinen Arm. „Ich kenne dich immer noch gut, auch wenn ich in London lebe.“

Bevor Matt antworten konnte, bewegten sich die Brautjungfern weiter, wie in einer perfekt abgestimmten Choreografie.

Es war ein Freitagabend in einem ungewöhnlich warmen August und eigentlich sollte er die Planung eines Projekts beenden, bevor er Montag nach Perth flog. Stattdessen stand er in einem Raum mit lauter Fremden und feierte die Eheschließung zweier Menschen, die sich so offensichtlich liebten, dass es beinahe schon ekelhaft war.

Eine vage, irrationale Wut stieg in ihm auf. Die letzte Hochzeit, auf der er gewesen war, war seine eigene gewesen – und was war dabei herausgekommen?

Die Menge teilte sich. Emily und Zac Prescott tauchten auf und küssten einander lächelnd. Als die Gäste jubelten, fühlte Matt sich unbehaglich und presste die Kiefer aufeinander. Warum zum Teufel hatte er bloß eingewilligt, Paige zu begleiten?

„Dein Ring sieht sehr schön aus“, sagte er zu seiner Schwester.

„Als wenn du das aus dieser Entfernung beurteilen könntest.“ Trotzdem war sie sichtlich stolz, als sie nun beide den filigranen, handgearbeiteten Paige-Cooper-Diamantring an Emilys Hand betrachteten. „Da“, sagte Paige plötzlich und stieß ihn in die Seite. „Da ist die Rothaarige.“

Die Frau wurde teilweise von Emilys Kleid verborgen und stand seitlich zu ihnen, sodass Matt nur den sanften Schwung des Halses, eine nackte Schulter sowie das feuerrote Haar, das im Nacken zu einem lockeren Knoten aufgesteckt war, erkennen konnte.

Dann bewegte sie sich, und ein rotgoldener Sonnenstrahl erleuchtete ihr Profil.

Matt erstarrte. Plötzlich verschwamm alles vor seinen Augen.

„Kennst du sie?“, fragte Paige rasch.

„Nein. Entschuldige mich einen Augenblick.“ Er ignorierte Paige, die die Stirn runzelte, drückte ihr das Glas in die Hand und setzte sich in Bewegung.

Sie war kaum zwei Meter entfernt, nur durch die übrigen Hochzeitsgäste von ihm getrennt, und sprach mit einem schmierig aussehenden Typ. Matt blieb stehen, sein Kopf drehte sich, als Bilder aus der Vergangenheit in ihm aufstiegen.

Angelina Jayne Reynolds.

„Angel“ hatte er ihr in Momenten der Leidenschaft ins Ohr geraunt. Der Spitzname passte zu ihr. Zarte, helle Haut, lange, elegante Beine, blaue Augen und leuchtend rotes Haar, das ihr damals in sanften Wellen über den Rücken fiel.

Sie war wie Himmel und Hölle in einer Person. Eine Frau, die mit ihrem fröhlichen Lachen und dem herausfordernden Blick sein Blut zum Kochen gebracht hatte. Eine Frau, die ihn sechs ganze Monate lang verrückt gemacht hatte, im Kopf und im Bett. Er hatte fast ein Jahr gebraucht, um sie zu vergessen.

Aber du hast sie gar nicht wirklich vergessen.

Er sah sofort, dass sie seinen Blick bemerkte. Sie straffte die Schultern und suchte mit leicht gerunzelter Stirn die Menge ab. Er starrte weiter auf ihren Nacken, wo die Haut unter dem aufgesteckten Haar so verletzlich wirkte. Er erinnerte sich daran, diesen Punkt geküsst zu haben und wie sie erst albern gekichert und dann voll Lust und Leidenschaft gestöhnt hatte …

Endlich drehte sie sich um, und die verlorenen Jahre wurden ihm so unerwartet und heftig bewusst, dass alle Kraft aus seinem Körper wich.

Mit dreiundzwanzig Jahren war Angelina wunderschön gewesen – jetzt war sie atemberaubend! Das Leben hatte ihre Züge prägnanter gemacht, Kinn und Kiefer waren klarer konturiert. Die samtweiche Haut und die hohen Wangenknochen betonten die blauen Augen, deren leicht schräge Form an die Augen einer Katze erinnerten und ihr einen Ausdruck verliehen, als hätte sie ständig Unsinn im Kopf.

Dann ihre Lippen … üppig, verführerisch und warm und in einem glänzenden Magentaton bemalt, der vor seinem inneren Auge alle möglichen erotischen Bilder heraufbeschwor.

Jetzt schaute sie ihn direkt an. Zuerst bedachte sie ihn mit einem anerkennenden Blick, dann wandte sie sich ab, um ihn plötzlich erschrocken und mit aufgerissenen Augen wieder anzusehen.

Er musste einfach lächeln.

Irgendwie lösten sich die Leute zwischen ihnen in Luft auf, und auf einmal stand er unmittelbar vor ihr. Den lauten Trubel um sie herum nahm er kaum wahr.

„Angelina Jayne Reynolds. Du siehst …“ Er zögerte. „Du siehst gut aus.“

„Matthew Cooper“, stieß sie hervor. Ihre Stimme war leicht belegt und berührte etwas in ihm, was er vor langer Zeit begraben hatte. „Es ist lange her.“

„Fast zehn Jahre.“

„Wirklich?“

„Ja.“

Sie faltete die Hände vor dem Körper, ein perfektes Bild von Sittsamkeit. Aber irgendetwas stimmte nicht. Sein Blick erfasste das elegante eisblaue Kleid, eine kleine Kette mit einem Schmetterlingsanhänger und winzige Diamantohrstecker.

„Du bist nicht gewohnt, mich so angezogen zu sehen.“

Erinnerungen an umeinandergeschlungene, schweißnasse Glieder und heiße, atemlose Küsse riefen ein Begehren in ihm wach, das ihn wie eine Stichflamme durchfuhr. Sie musste es bemerkt haben, denn schnell fügte sie hinzu: „Ich meine das Abendkleid.“

Innerlich fluchend riss er sich zusammen. „Du bist so …“

„Aufgetakelt?“

„Elegant.“

Sie verzog den Mund und warf einen Blick in den Raum. „Ich weiß, dass du meine Schwester nicht kennst. Woher kennst du also Zac?“

Die Braut war ihre Schwester? „Über Paige Cooper.“

Sie riss die Augen auf. „Die Schmuckdesignerin?“

„Ja.“

„Deine Frau ist sehr talentiert“, sagte sie höflich.

„Sie ist meine Schwester.“

„Ah.“ Mit undurchdringlicher Miene blickte sie zu den anderen Brautjungfern. „Ich wusste nicht, dass du eine Schwester hast.“

„Wir haben über vieles nicht gesprochen.“

Sie nickte nur und lächelte einem vorbeigehenden Gast zu. Noch immer hatte sie die Hände gefaltet.

War sie früher auch so zurückhaltend gewesen? In seiner Erinnerung hatte Angelina immer lebendig und leidenschaftlich gewirkt, sie hatte ihre Gesprächspartner mit ihrem Ausdruck und ihren Gesten gefesselt. Jetzt kam sie ihm fast quälend höflich vor.

Keine große Überraschung, wenn man bedachte, wie die Trennung damals gelaufen war.

Er schob die Hände tief in die Taschen.

„Nun …“ Sie blickte an ihm vorbei, und als er sich umdrehte, entdeckte er Zac und Emily, die am Tisch Platz genommen hatten. Ein paar Meter weiter unterhielt Paige sich konzentriert mit einem aufgebrezelten Teenager. „Es war schön, dich wiederzusehen, Matthew.“

„Warte“, sagte er und ergriff ihren Arm. Sie erstarrte und funkelte ihn aufgebracht an, woraufhin er sie losließ. „Kann ich dich auf einen Drink einladen?“

Sie lachte auf. „Die Getränke sind frei.“

„Später.“ Bewusst hielt er ihrem Blick stand.

„Nein, besser nicht“, sagte sie und ihr Lächeln verblasste.

„Dann ein Tanz.“

„Wozu?“

Für einen Moment war er schockiert von ihrer Direktheit. Doch er erinnerte sich, dass das eine ihrer vielen positiven Eigenschaften war.

„Ich habe einfach Lust darauf.“

Was zum Teufel tat er hier? Der rationale Teil seines Gehirns befahl ihm, sie einfach gehen zu lassen. Aber da gab es noch einen anderen Teil in ihm, der eine unbestimmte Unzufriedenheit verspürte und keine Ruhe gab.

Angelina gehörte nicht zu seinem normalen Leben. Sie war eine schöne Erinnerung aus der Vergangenheit – einer Vergangenheit voller Idealismus und ehrgeiziger Zukunftspläne. Angelina war wie Strand, kurze Shorts, Lachen und sinnliche Liebe. Seine Gegenwart sah vollkommen anders aus. Sie bestand aus endlosen Meetings und einsamen, manchmal sogar lebensbedrohlichen Reisen in fremde Länder, aus einer hinterlistigen Exfrau und neugierigen Eltern, die die Vergangenheit nicht ruhen lassen konnten. Er würde Angelina nicht einfach ziehen lassen. Noch nicht.

„Nur ein Tanz“, wiederholte er und blickte ihr unbeirrt in die Augen.

Angelina schwieg. Eigenartig. War das nicht die Frau, die dem Wort „impulsiv“ eine ganz neue Bedeutung verliehen hatte? Jetzt wirkte sie geradezu zaghaft.

„Matthew, ich war so höflich, wie es ging, schließlich sind wir auf der Hochzeit meiner Schwester. Aber lass uns eins klarstellen – ich möchte nichts mit dir trinken und auch nicht mit dir tanzen. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest …“

Sie lächelte, machte auf dem Absatz kehrt und ging auf den Tisch des Brautpaars zu. Sie hatte ihn einfach stehen gelassen.

Wortlos starrte er auf ihren sich sanft wiegenden Po und den eisblauen Rock, der sich raschelnd um ihre Knöchel bauschte.

Tja. Anscheinend ist sie immer noch wütend auf mich.

Unerträglich langsam vergingen zwei Stunden, einhundertundzwanzig quälende Minuten, in denen Angelina sich mehr als einmal wünschte, noch Alkohol zu trinken. Ein Champagnerschwips könnte definitiv helfen, um sich der Anwesenheit ihres Exfreunds nicht so irritierend bewusst zu sein.

Er trägt sein Haar länger, dachte sie beim Dessert. Das Verwuschelte verlieh seinen ausgeprägten Gesichtszügen etwas Romantisches: eine breite Nase, dunkle Augenbrauen über träumerischen braunen Augen, ein markanter Kiefer mit Bartschatten und ein Grübchen am Kinn. Er war immer noch schlank, und die Augen und seine eleganten Hände ließen sie an klassische Dichter denken. In den letzten zehn Jahren war er reifer geworden. Es stand ihm.

Und er sah nicht nur umwerfend aus, er war auch noch Arzt. Hirnchirurg wie McDreamy aus „Grey’s Anatomy“. Sein angenehm kultivierter Akzent hatte ihr eine Gänsehaut über den Rücken gejagt. Dem realen Matthew Cooper konnte kein Fernsehdoktor das Wasser reichen.

Vielleicht waren es die Erinnerungen. Ihre gemeinsame Vergangenheit hatte hauptsächlich aus Sex bestanden – sie waren nicht lange genug ein Paar gewesen, um unter dem Gewicht von unvermeidlichen Beziehungskomplikationen zerquetscht zu werden. Stattdessen hatte Matthew sie eiskalt sitzen gelassen.

Erstaunlicherweise schaffte sie es ohne Probleme durch ihre Rede und die offizielle Eröffnung des Tanzes. Ihr Partner schob sie pflichtbewusst im Walzertakt über die Tanzfläche, während Zac und ihre Schwester lächelnd vorbeischwebten. Sie flüsterten in dieser beneidenswerten Intimität, die alle frisch verheirateten Paare an sich haben.

Später drehte der DJ die Musik auf, das Licht wurde gedimmt, und alle strömten auf die Tanzfläche. Nachdem sie einen blonden Hünen abgewiesen hatte, drängelte sie sich zur Bar durch und bestellte einen alkoholfreien Cocktail.

„Amüsieren Sie sich, schöne Frau?“ Der Barkeeper grinste.

„Klar.“ Angelina lächelte halbherzig.

Er servierte ihr den Drink, hielt ihn aber fest, als sie danach griff. „Hey, vielleicht könnten wir später …“

Aber plötzlich setzte Matthew sich auf den Hocker neben ihrem und blickte höflich lächelnd den Barkeeper an. Es war fast zum Lachen, wie der augenblicklich die Hand wegzog. „Was darf ich Ihnen bringen, Sir?“ Als der Barkeeper einen Kaffee holen ging und Matthew sich zu ihr umdrehte, war ihr allerdings nicht nach Lachen zumute.

Nach den Ereignissen des letzten Jahres war sie kaum bereit, dem Mann gegenüberzutreten, der sie vor zehn Jahren abserviert hatte.

Angelina rührte mit dem Strohhalm in ihrem Cocktail und beobachtete die Bläschen, die dabei an die Oberfläche stiegen. Damals war sie ihm gut genug gewesen für heißen Sex, aber er hatte sie nie wie eine ernst zu nehmende Freundin behandelt. Er hatte sie weder seinen Eltern vorgestellt noch jemals zum Essen ausgeführt.

Der Sex war dafür wirklich unglaublich gewesen.

Bei der Erinnerung stieg ihr die Röte in die Wangen. Sie seufzte leise, nahm den Strohhalm zwischen die Lippen und trank einen Schluck. Seinen Blick ignorierte sie einfach.

Der Barkeeper stellte den Kaffee auf die Bar – Espresso, kein Zucker – und Angelina starrte auf Matts elegante Hände. Langsam nervte es, dass er sie so durchdringend ansah. Er war immer ziemlich gründlich gewesen, aber dieser übertriebene Blick, als würde er seinen Augen nicht trauen, das war einfach zu viel.

„Starr mich nicht so an. So sehr habe ich mich nun auch nicht verändert“, sagte sie schließlich gereizt.

„Doch. Hast du.“ Er hob die Tasse und nahm einen Schluck, dann stellte er sie vorsichtig auf die Untertasse zurück.

„Wie?“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Willst du Komplimente hören, Angelina?“

„Kaum.“

Sein Ausdruck veränderte sich. „Oh ja, daran erinnere ich mich. Du siehst …“ Matt verstummte, und unerklärlicherweise hielt sie plötzlich den Atem an. Sie war gespannt, was er sagen würde. „Zweiunddreißig zu sein steht dir“, sagte er schließlich. „Sehr sogar.“

Leicht enttäuscht nahm sie noch einen Schluck von ihrem Drink und lächelte höflich. „Danke.“

„Und, wie ist es dir ergangen?“

Wenn du meine Operation, die laut tickende biologische Uhr und den morgigen Termin in der Fruchtbarkeitsklinik nicht mitzählst? „Gut.“ Sie rutschte vom Barhocker und lächelte noch einmal, aber ihr Mund fühlte sich an, als wäre er eingefroren. „Wie gesagt, nett, dich getroffen zu haben. Ich …“ Als er leise etwas vor sich hin murmelte, runzelte sie die Stirn. „Bitte?“

„Unsinn, habe ich gesagt. Was zum Teufel ist mit dir los, Angelina? Es war nicht ‚nett‘, mich wiedergesehen zu haben, und das weißt du auch. Was soll das Theater?“

Angelina trat einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie unterdrückte ihren Ärger. „Weißt du was? Darauf werde ich gar nicht reagieren. Nicht hier und nicht jetzt.“ Brüsk wandte sie sich ab und stolzierte davon.

Kaum hörte sie ihre Schritte auf dem Parkett, die dröhnende Musik übertönte alles außer der Wut in ihrem Kopf. Sie wich ein paar Tanzpaaren und einem beschwipsten Gast aus und schaffte es schließlich zum anderen Ende des Saals. Grimmig riss sie eine Tür auf und betrat den luxuriösen Gang, der zu den Toiletten führte.

Vor einem der deckenhohen Spiegel blieb sie stehen, starrte auf ihr Spiegelbild und legte sich die Hände auf die heißen Wangen.

Matthew Cooper war ein arroganter Mistkerl. Ein reiches, verzogenes Oberschichtsöhnchen mit britischen Vorfahren, die bis zur Schlacht von Hastings zurückreichten. Ein superintelligenter Überflieger, der glaubte, dass ihm die ganze Welt gehörte. Er war der egozentrischste, anmaßendste …

Aber eigentlich ging es nicht um ihn. Seit April war ihr Leben eine einzige Achterbahnfahrt: Sie war zu einer ganz normalen Vorsorge bei ihrem Gynäkologen gegangen – und eine Woche später lag sie auf einem OP-Tisch, um sich eine Eierstockzyste entfernen zu lassen. Da sie Emilys Glück vor der Hochzeit nicht hatte stören wollen, erzählte sie ihr nichts. Doch dann war sie Zac im Krankenhaus begegnet, als sie gerade entlassen worden war. Er hatte ihr versprochen, Emily nichts zu sagen, bestand aber darauf, die Kosten für die Behandlung – inklusive einer Woche Reha in einer Privatklinik – zu tragen.

Es ist unwahrscheinlich, dass sie jemals ein Kind bekommen können, Miss Reynolds.

Vor ein paar Jahren hätte sie die besorgten Worte des Chirurgen einfach weggewischt. Allein der Gedanke, dass sie, ein Single mit aufregendem Partyleben, Kinder haben könnte, war vollkommen lächerlich. Sie liebte es, einfach aus einer Laune heraus ihre Sachen zu packen und in eine andere Stadt zu ziehen. Sie war für niemanden verantwortlich und brauchte niemanden. Nur wenn sie Zac und Emily in letzter Zeit zusammen sah, waren da manchmal diese merkwürdigen kleinen Stiche, und für kurze Momente sehnte sie sich nach mehr. Außerdem kam es ihr so vor, als würden alle ihre Freundinnen langsam von der Bildfläche verschwinden. Sie verliebten sich, heirateten oder bekamen Babys.

Erst als ihr klar wurde, dass ihr diese Möglichkeit vielleicht versagt blieb, schmerzte sie der Verlust wie eine offene Wunde.

Sie hatte ihr ganzes Leben überdacht. Die ungewohnte Grübelei hatte sie fast in den Wahnsinn getrieben, aber nach einer furchtbaren Woche war sie eines Morgens aufgewacht und hatte genau gewusst, was sie wollte.

Das Geräusch der sich öffnenden Tür und das kurze Anschwellen von Musik und Stimmen unterbrachen ihre Gedanken. Als sie aufsah, entdeckte sie Matthew im Spiegel.

„Die Herrentoiletten sind eine Tür weiter“, sagte sie zuvorkommend.

Er ignorierte ihre Bemerkung. „Du bist immer noch wütend auf mich.“

Verärgert wirbelte sie herum, atmete jedoch in letzter Sekunde tief durch.

„Wütend zu sein hieße, dass es mir noch etwas ausmacht.“ Sie schob das Kinn vor und starrte ihn so herablassend an, wie sie konnte. „Und das tut es nicht.“

„Natürlich nicht.“

Seine Überlegenheit nervte. „Nimm dich nicht so wichtig! Es ist zehn Jahre her. Ich habe mich weiterentwickelt. Ich lebe mein Leben. Und du …“ Sie schüttelte den Kopf, während sie seinen perfekt sitzenden Anzug betrachtete. „Du bist wahrscheinlich inzwischen Chefarzt, mit einer High-Society-Lady verheiratet, und deine Eltern freuen sich ein Loch in den Bauch.“

„Eigentlich bin ich geschieden und leite ein internationales medizinisches Notfallteam.“

Angelina verstummte und sah ihn verwirrt an. „Was?“

„Ich leite die GEM. Eine Organisation, die internationale …“

„Halt, halt, halt. Du bist nicht mehr im St. Catherine?“

Er nickte. „Seit vier Jahren.“

Sie war fassungslos. „Ich glaub’s nicht! Du hast für diesen Laden gelebt, und du … Wow. Was haben deine Eltern gesagt?“

„Einiges mehr als nur ‚wow‘.“ Die dunkle Wolke in seinen Samtaugen sprach Bände und strafte sein beiläufiges Lächeln Lügen.

„Wow“, sagte sie noch einmal. Er schwieg, als sie ihn anstarrte.

Er hatte geheiratet. Der Gedanke versetzte ihr einen Stich. Er hatte eine andere genügend geliebt, um ihr einen Antrag zu machen. Er hatte mit einer anderen das Bett geteilt und war wiedergeliebt worden.

War sie etwa eifersüchtig?

Angelina konzentrierte sich auf seinen Mund. Sie wusste genau, wann er einen Gedanken gefasst hatte: Die braunen Augen verdunkelten sich, und seine Nasenlöcher zitterten, als er langsam einatmete. „Angel …“

Sie schluckte. „Nenn mich nicht so.“

Plötzlich hörte sie ein lautes Klicken, und es wurde vollkommen dunkel.

Der Lichtschalter hatte einen Timer und seine Zeit war abgelaufen. Leise fluchend streckte Angelina die Hände aus und ging einen Schritt vor.

„Angelina?“

„Ich gehe zur Wand.“ Sie machte noch einen Schritt und noch einen … bis sie auf etwas Festes stieß. Etwas Warmes. Definitiv nicht die Wand.

Erschrocken sprang sie zurück und hätte das Gleichgewicht verloren, wenn Matt nicht so schnell reagiert hätte. Er packte sie an den Armen und hielt sie fest. „Ich habe dich.“

„Es ist nichts passiert.“

„Ich wäre mir nicht so sicher.“ Es war stockduster, aber sie konnte an seiner Stimme hören, dass er lächelte.

Als sie sich seiner Hände auf ihrer nackten Haut bewusst wurde, stockte ihr der Atem. „Du kannst mich jetzt loslassen.“

„Okay.“

Aber er ließ nicht los. Stattdessen umfasste er ihre Ellbogen, und plötzlich waren all ihre Sinne hellwach.

Weich und fest zugleich spürte sie seine langen, sinnlichen Finger auf ihrer Haut. Sein Duft zog sie an, und sie nahm deutlich seine Körperwärme wahr.

Verdammt. Ihr Herz pochte in altbekannter Vorfreude. Sie hörte seinen ruhigen Atem und spürte ihn viel zu nah an ihrer Wange.

„Matthew. Mach das Licht an.“

„Das werde ich.“

„Sofort.“

„Du bist noch wütend.“

„Das geht dich nichts an.“ Heftig wand sie sich in seinem Griff.

Plötzlich ging die Tür auf und das Licht an. Paige stand in der Tür. Matt und Angelina erstarrten peinlich berührt, bevor sie hastig auseinandersprangen.

„Oh, Matt“, sagte Paige übertrieben beiläufig. „Ich habe dich überall gesucht. Das Brautpaar bricht auf. Willst du auch gehen?“

„Sofort.“ Aber er rührte sich nicht und betrachtete Angelina so eingehend, dass sie nervös anfing, ihren perfekt sitzenden Rock glatt zu streichen.

Angelina konnte Paiges interessierten Blick kaum übersehen. Genauso wenig wie ihr Grinsen. Na großartig. „Ich sollte auch gehen.“

„Wir könnten uns ein Taxi teilen“, sagte Paige.

„Nicht nötig, ich habe das Auto des Brautpaars …“

„Wirklich?“ Paiges Augen leuchteten auf.

Angelina stöhnte innerlich. „Ich kann Sie mitnehmen, wenn Sie möchten“, sagte sie schleppend und hoffte inständig, dass Paige ablehnen würde.

„Das wäre großartig! Nicht wahr, Matt?“

Langsam ließ Matt den Blick von Angelina zu seiner Schwester wandern und runzelte plötzlich leicht die Stirn. Dann zuckte er mit den Schultern. „Wunderbar.“

2. KAPITEL

Als Angelina und Matt schon im Auto saßen, fiel Paige natürlich ein, dass sie ihre Handtasche liegen gelassen hatte. „Ich nehme ein Taxi – macht euch keine Gedanken!“, rief sie und schlug einfach die Tür zu. Der Bentley setzte sich in Bewegung.

Es herrschte unangenehmes Schweigen. Angelina hatte die Beine übereinandergeschlagen und war dicht an die Tür gerückt. Entschlossen blickte sie aus dem Fenster, beobachtete jedoch heimlich Matts Spiegelbild in der Scheibe.

Es war etwas Besonderes an diesem Mann, mit dem sie das Bett so bereitwillig geteilt hatte. Sie zog ihn allen anderen Männern vor. Einiges sprach dafür, dass er ein kompletter Idiot sein musste – Geld, Elternhaus, der IQ eines Genies, brillante Karriere, ansprechendes Äußeres. Aber er war kein Idiot.

Jedenfalls nicht bis zu jener Nacht damals. Und wenn sie ehrlich war, hatte die Affäre ihr zu viel bedeutet. Ein Fehler, den sie danach nie wieder gemacht hatte. Bis auf ein einziges Mal …

Ungeduldig schüttelte sie den Kopf und weigerte sich, an diesen letzten Fehler zu denken. Stattdessen wanderten ihre Gedanken zurück zu Matt. Was mochte ihm in den letzten zehn Jahren widerfahren sein? Offensichtlich etwas wirklich Wichtiges, schließlich hatte er eine Karriere aufgegeben, für die er seit der Highschool alles geopfert hatte.

Matthew brach schließlich das Schweigen. „Und was machst du jetzt?“

„Ich fahre in mein Hotel“, antwortete sie trotzig.

„Ich meinte, was du arbeitest“, gab er geduldig zurück.

Seufzend drehte sie sich zu ihm um. Das war die Strafe für schlechtes Urteilsvermögen: Tod durch Small Talk. „Ich habe einen Stand auf dem Gold Coast Market.“

„Und was verkaufst du?“

„Bilder.“

„Du malst?“

„Und ich zeichne. Ich mache sogar ganz anständige Karikaturen. Verkaufen sich super.“

„Ich wusste nicht, dass du Künstlerin bist. Das heißt“, verbesserte er sich, „ich habe dich einmal zeichnen sehen, aber …“

„Wir haben nur das Bett geteilt, Matt, nichts weiter.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Wir hatten einfach für ein paar Monate unseren Spaß.“

Sie blieb überraschend ruhig unter seinem Blick, auch wenn sie innerlich zusammenfuhr, als er mit den Fingern sanft gegen die Tür trommelte.

„Spaß“, wiederholte er langsam.

Heiß kroch Ärger ihr den Nacken hoch. „Nun, ich hatte welchen.“

Seine Augen verdunkelten sich, sein Mund verzog sich zu einem vielsagenden Grinsen. „Ich weiß. Ich war dabei, falls du dich erinnerst.“

Leider erinnerte sie sich pausenlos, seit sie ihn wiedergesehen hatte. Wäre sie noch die alte Angelina, sorglos und unbekümmert, hätte sie keine Sekunde gezögert und entsprechend gehandelt. Und danach zu urteilen, wie er sie mit seinen Blicken verschlang, hätte er nichts dagegen einzuwenden.

Vorsichtig betrachtete sie ihn. Das schiefe Grinsen. Das kleine Grübchen, das dabei zum Vorschein kam. Seinen Blick, der ohne Eile über ihr Haar und ihr Gesicht wanderte und schließlich auf ihrem Mund liegen blieb. Die Augen, die voller Verlangen dunkel erstrahlten.

Als Kind hatte sie früh gelernt, den Gesichtsausdruck einer Person zu deuten, eine Laune vorherzusagen und sich entsprechend zu verhalten. Ein guter Ausgleich für ihr freches Mundwerk, das ihr häufig Ohrfeigen von ihrer Mutter eingebracht hatte. Aber das kleine Mädchen, das sich nach der Liebe seiner Mutter sehnte, gab es längst nicht mehr.

Die Botschaft, die sie in Matts Augen erkannte, war sonnenklar. Er begehrte sie. Und seinem Grinsen nach zu urteilen, sah er das Verlangen in ihrem Blick so klar, als würde er die Sportbeilage der Zeitung lesen.

Er sah aus, als wollte er etwas sagen, aber stattdessen schaute er aus dem Fenster. Angelina folgte seinem Blick zu den flackernden Lichtern des Phoenician Resorts. Ihre Zeit war um.

„Ich muss hier raus“, sagte sie unnötigerweise und lächelte gezwungen. „Wiedersehen also. Gute Reise zurück nach Sydney.“

„Danke.“

Sie stieg aus dem Wagen, und zu ihrer Überraschung folgte er ihr.

„Ich bin absolut in der Lage, mein Zimmer allein zu finden“, sagte sie scharf.

Darauf hielt Matt die Hand hoch und ließ an seinem ausgestreckten Zeigefinger ihre Handtasche hin und her schaukeln. „Diese Frisur steht dir überhaupt nicht.“

„Ich soll eine sittsame Brautjungfer darstellen“, sagte sie. Energisch packte sie den Schulterriemen der Tasche, Matt ließ aber nicht los.

„Sittsam?“

„Gib mir meine Tasche.“

Mit einem kleinen Ruck am Riemen zog er sie näher an sich. „Ich wohne im Palazzo Versace. Iss morgen mit mir zu Mittag.“

Ihr Herz machte einen kleinen Freudensprung, aber unbarmherzig erstickte sie das aufkeimende Gefühl. „Nein.“

„Hast du etwas vor?“

„Ja.“

„Du könntest mir von deinen Bildern erzählen.“

Oh Matthew Cooper, du bist so aalglatt. Sie wusste, dass er wusste, dass sie sich von ihm angezogen fühlte. Man sah es an seinem lässigen Lächeln und der Art, wie er den Kopf schief legte. Zwar hatte sie in der Vergangenheit einige Fehler begangen, aber nie hatte sie die Bedürfnisse ihres Körpers geleugnet.

Wie lang war es her?

Viel zu lange. Sie spürte das vertraute Prickeln der Erregung, bevor sie seufzte und noch einmal an ihrer Tasche zog. Als Reaktion darauf packte er fester zu und zog ebenfalls.

„Verdammt, Matt, gib mir meine …“

Plötzlich ergriff er ihre Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. Die sanfte Berührung seiner warmen Haut, die Entschiedenheit, mit der er ihre Hand umschloss, brachte ihr Blut zum Kochen.

Matthew hatte schöne Hände. Glatte, sonnengebräunte Haut und schmale Finger. Perfekte Chirurgenhände, wundertätige und mächtige Instrumente, ob er nun komplizierte Operationen durchführte oder sie zu ekstatischen Höhepunkten brachte.

Ihr Atem ging schwer.

Langsam strich er mit dem Daumen über ihre Fingerknöchel. Die Intimität dieser Geste entwaffnete sie schließlich und zerstreute jeden vernünftigen Gedanken. Endlich zog er sie an sich und küsste sie vor all den vor dem Hotel umherlaufenden Gästen mitten auf den Mund.

Ihr Puls raste, aber das vertraute Gefühl des Verlangens ließ sie alle Einwände vergessen. Matts Mund war so warm und geschickt, wie sie es in Erinnerung hatte. Nach nur einer Sekunde wusste ihr Körper, was zu tun war, und wollte mehr. Angelina schloss die Augen und lehnte sich an ihn.

Es war ihr egal, dass seine Lippen sich zu einem wissenden, viel zu selbstbewussten Lächeln verzogen. Als Matt mit seiner Zunge sanft ihre Lippen liebkoste, erwiderte Angelina den Kuss. Sie wollte nur noch seinen Mund, der nach Kaffee und etwas Verbotenem schmeckte.

Er wusste genau, wie man eine Frau heißmachte. Außer seinen warmen Handflächen an ihren Ellbogen, seinem angenehmen Duft und dem Atem, der ihr über die nackte Schulter strich, nahm sie nichts mehr wahr. Erst nach einer Ewigkeit unterbrach er den Kuss.

„Soll ich dich vielleicht doch auf dein Zimmer begleiten?“, flüsterte er mit diesem tiefen Bariton, der ihre Nerven zum Tanzen brachte.

„Nein.“

Er grinste. „Also Mittagessen morgen?“

„Anders als allgemein angenommen, dreht sich die Welt nicht nur um dich.“ Sie wühlte in der Handtasche nach ihrem Handy und sah nach der Uhrzeit. „Ich habe morgen zu tun.“

„Abendessen?“

Sie seufzte. Essen und Small Talk mit Matthew Cooper waren wirklich die letzten Punkte auf ihrer Wunschliste. Vor allem nach ihrem Termin morgen.

Matt nahm ihr das Telefon aus der Hand. „Was soll das?“, fragte sie stirnrunzelnd.

Er wählte. „Hier ist meine Nummer.“ Irgendwo in seiner Jacke hörte sie sein Handy klingeln. Dann gab er ihr ihres zurück. „Bis morgen.“

Selbstbewusst grinsend drehte er sich um und ging zum Auto zurück.

Angelina starrte fassungslos auf seinen breiten Rücken. Dieser arrogante …

Der Bentley fuhr los. Seufzend betrat sie das Foyer. Egal. Morgen würde sie ihm einfach absagen. Was konnte er schon dagegen tun.

Trotzdem nagte an ihr das Gefühl, dass sie die Chance vertat, noch einmal mit Matthew ins Bett zu gehen.

Ärgerlich drückte sie den Fahrstuhlknopf. Ja, sie hatte ihn begehrt. Aber sie hatte ihm niemals ihr Herz geschenkt, und er hatte auch nie danach gefragt. Damals, jung und unbekümmert, hatte sie das Leben genossen, und er war die perfekte Affäre gewesen. Auch wenn er sie trotzdem verletzt hatte.

Aber Matthew Cooper war Teil ihrer Vergangenheit, nicht ihrer Zukunft. Und wenn sie etwas wirklich gut konnte, war es, weiterzuziehen und die Vergangenheit zu begraben.

Am nächsten Morgen saß Angelina in Dr. Sanjays Büro in der Fruchtbarkeitsklinik in Brisbane. Sie hockte vorn auf der Stuhlkante, die Hände fest ineinander verhakt.

Langsam hatte sie ihre Emotionen wieder unter Kontrolle, aber einen letzten Rest von Nervosität wurde sie nicht los.

Dr. Sanjay schlug ihre Akte auf. „Wie geht es Ihnen heute, Miss Reynolds?“

„Gut. Ich bin etwas nervös.“

Lächelnd sah er auf und betrachtete sie über den Rand seiner Brille hinweg. „Das ist also Ihr zweiter Termin. Dr. McGregor hat Sie untersucht und Ihre Chancen, schwanger zu werden, mit Ihnen besprochen?“

„Ja.“

Er las weiter. „Hier steht, dass Ihnen vor drei Monaten eine Eierstockzyste entfernt wurde?“

„Ja. Der Chirurg sagte, meine Chancen auf eine Schwangerschaft würden bei etwa dreißig Prozent liegen.“

Er seufzte und nickte dann zögernd. „Es haben sich einige Narben gebildet. Es ist schwierig, aber nicht unmöglich, dass Sie schwanger werden. Aber es könnte länger dauern, die Befruchtung klappt vielleicht nicht gleich beim ersten oder zweiten Mal. Vielleicht nicht einmal beim fünften. Die Behandlung kann Sie körperlich, seelisch und finanziell ziemlich auslaugen.“ Erneut warf er einen Blick in die Akte. „Sie haben bereits einen Spender aus unserem Katalog ausgesucht?“

Sie nickte.

„Gut.“ Dr. Sanjay öffnete die Akte des Spenders und runzelte dann die Stirn. „Einen Moment.“ Er machte einen Telefonanruf. Als er auflegte, nahm er langsam die Brille ab, klappte die Akte zu und betrachtete sie besorgt.

Nervös spielte Angelina mit den Henkeln ihrer Handtasche. „Ist etwas nicht in Ordnung?“

„Miss Reynolds, es tut mir leid, aber wir können die Behandlung heute nicht durchführen.“

„Warum nicht?“, fragte sie verwundert.

„Mir wurde mitgeteilt, dass Ihr Spender nicht mehr zur Verfügung steht.“ Er schenkte ihr ein mitfühlendes Lächeln.

„Was?“

„Ihr Spender hat den Termin abgesagt“, sagte der Arzt ruhig. „Das heißt …“

Verständnislos starrte Angelina auf den grauen Aktendeckel, während die Erklärungen des Arztes leiser zu werden schienen. Nein! Das konnte nicht wahr sein.

„Miss Reynolds?“, hörte sie jetzt Dr. Sanjay. „Haben Sie zugehört? Wie möchten Sie weiter vorgehen?“

„Was meinen Sie?“

Er verstummte und betrachtete sie schweigend, als wolle er ihre seelische Verfassung ergründen. „Erst müssen Sie einen anderen Spender aussuchen, dann geht es weiter. Und bitte machen Sie einen neuen Termin an der Rezeption.“

Fast als hätte er nur darauf gewartet, schob er ihr über den Schreibtisch seine Visitenkarte zu. Angelina starrte ihn an. „Aber ich habe drei Monate auf diesen Termin gewartet! Kann ich nicht …“

„Die langen Wartezeiten tun mir leid, aber wir sind voll ausgebucht. Und ich bin gesetzlich verpflichtet, mich an den korrekten Ablauf zu halten.“ Er bedachte sie mit einem höflichen Lächeln und rückte die Akten auf dem Tisch gerade. „Sie brauchen Zeit für eine Entscheidung. Alles andere können wir bei Ihrem nächsten Termin besprechen. Kann ich Ihnen sonst irgendwie helfen?“

Angelina schüttelte den Kopf und nahm die Karte. Ihre Hand war erstaunlich ruhig.

Als sie endlich die Klinik verließ, verscheuchte das Gefühl der hellen Morgensonne auf ihrer Haut die Erinnerung an die verständnisvolle Miene des Arztes. Sie setzte die Sonnenbrille auf und ging über den Parkplatz zu ihrem Auto, einem ziemlich abgewrackten roten Hyundai Getz aus dritter Hand. Erschöpft ließ sie sich auf den Fahrersitz sinken.

Und was jetzt?

Ausdruckslos starrte sie das Lenkrad an. Wieder drei Monate. Konnte sie so lange warten? Sie hatte sich genau informiert und wusste, dass Angst und Sorgen eine wichtige Rolle dabei spielten, schwanger zu werden. Es gab keine Garantie, dass es überhaupt funktionierte. Sie hatte ein Dutzend Blogs und Foren besucht, in denen Frauen ihre Geschichten erzählten – Injektionen, Zeitpläne, der Druck der Familie, der angestrengte Optimismus und die ständigen Fehlschläge. Sie hatte von Frauen gehört, die nach Jahren voller Stress die Fruchtbarkeitsbehandlungen abbrachen, und wenige Monate später, wenn der Druck nachließ, plötzlich doch schwanger wurden. Ihr war fast schwindelig geworden bei der Flut an Informationen.

Sie könnte Jahre damit verschwenden, einem Traum hinterherzulaufen. Und wo sollte das Geld herkommen? Bisher hatte sie nie einen Kredit aufgenommen. Und auf keinen Fall würde sie Emily anpumpen. Große Schwestern kümmerten sich um ihre kleinen Schwestern. Sie baten sie nicht um Almosen.

Ihre Gedanken wirbelten in einem einzigen Chaos durcheinander, und sie begriff erst nach ein paar Sekunden, dass ihr Handy klingelte. Verwirrt nahm sie es schließlich in die Hand und starrte auf das Display.

Ihr eigenes Lachen zerriss die Stille. Es war Matthew. Großartig.

„Ja?“

„Ich wollte nur sichergehen, dass du zum Essen kommst.“

Seine tiefe Stimme mit dem geschliffenen Akzent versetzte sie noch mehr in Aufruhr. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Zwölf. Es war ihr vorgekommen, als hätte sie Stunden in der Klinik verbracht. „Eher nicht. Ich bin in Brisbane.“

Er antwortete nicht gleich. „Dann später. Das Versace serviert einen ausgezeichneten Fünf-Uhr-Tee.“

Sie öffnete den Mund, um abzulehnen, aber ein plötzlicher, unaussprechlicher Gedanke ließ sie verstummen.

Oh. Mein. Gott.

Erschrocken schüttelte sie den Kopf.

„Angelina?“

„Ich denke nach“, gab sie zurück und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.

„Nicht zu lange“, murmelte er. „Jede Minute ist kostbar.“

Wie wahr. Ein schrecklicher Plan nahm langsam Formen an. Matthew Cooper konnte ihr ihren größten Wunsch erfüllen. Er war ein nahezu vollkommenes Exemplar seiner Spezies. Der perfekte Kandidat. Die Lösung für ihr Problem.

Matt könnte ihr ein Baby schenken.

Innerlich hin und her gerissen brachte sie kein Wort heraus. Dann traf sie schließlich eine Entscheidung.

„Ich bin um vier Uhr da“, sagte sie und ließ den Wagen an.

Matt hatte eigentlich nicht erwartet, dass Angelina kommen würde. Als er jetzt in der Lounge des Palazzo Versace wartete, fragte er sich, ob das Treffen wirklich eine gute Idee war.

Sein Leben war ein Paradebeispiel für vernünftige Entscheidungen. Er plante logisch und handelte auf der Basis von sorgfältig recherchierten Informationen. So hatte er seine Karriere vorangetrieben, intellektuelle Höchstleistungen vollbracht und sich Ansehen in der ärztlichen Gemeinschaft erworben. Und als er auf dem Höhepunkt angekommen war, hatte sein kühler Kopf ihn zu einer neuen Berufung geführt.

Trotzdem hatte er Angelina spontan um eine Verabredung gebeten. Innerhalb eines einzigen Tages hatte ihre Impulsivität auf ihn abgefärbt.

Er würde niemals die Kontrolle behalten, wenn sie in der Nähe war.

Unwillkürlich schüttelte er den Kopf und suchte zum fünften Mal in ebenso vielen Minuten die Lobby ab. Im opulent ausgestatteten Raum standen mehrere runde Sofas mit extravaganten, sonnengelben Polstern. Das Mosaik des glatten Marmorbodens bildete das bekannte Versace-Logo nach. Manche fanden das Fünf-Sterne-Hotel protzig, aber er liebte es. Man hatte seine Ruhe, das Personal war diskret und der Service erstklassig. Er stieg immer hier ab, wenn er in Gold Coast zu tun hatte.

Als er wieder aufsah, entdeckte er Angelina, die gerade durch die hohen Glastüren hereinkam. Sie hatte das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, und über einem hochgeschlossenen cremefarbenen Sommerkleid trug sie eine zitronengelbe Strickjacke. Die Füße steckten in silbernen Riemchensandalen. Sie sah … brav aus. Schon wieder. Das passte überhaupt nicht zu der Frau, die früher unbekümmert zu kurzen Jeansröcken schulterfreie T-Shirts in den schrillsten Farben getragen hatte. Und die mit spontaner, fröhlicher Hemmungslosigkeit gelacht und geliebt hatte.

Langsam wurde er neugierig, warum sie sich so verändert hatte. Er erhob sich und ging ihr entgegen.

Sobald sie ihn bemerkte, glättete sich ihre Stirn und sie lächelte so offen und strahlend, als wäre er der einzige Mann auf der Welt. Ihm blieben die Worte in der Kehle stecken wie einem verliebten Schuljungen.

Angelina verunsicherte und erregte ihn zugleich. Also tat er das Einzige, was ihm übrig blieb. Er erwiderte das Lächeln, nahm ihren Arm und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie schwieg überrascht, und anstandshalber trat er einen Schritt zurück.

„Wie geht es dir?“, fragte sie

Ich will mehr von dir als nur einen Kuss auf die Wange.

„Ich habe Hunger. Du auch?“, sagte er stattdessen.

„Nicht sehr.“

Sobald sie die Worte ausgesprochen hatte, spürte Angelina die Gefahr. Aufflammende Glut, die sie in köstliche Hitze tauchte. Matts Augen waren dunkel, voll verbotener Versprechungen. Plötzlich erinnerte sie sich an einen anderen Ort zu einer anderen Zeit, als sie auf das Essen verzichtet hatten. Stattdessen waren sie übereinander hergefallen und hatten sich geliebt, bis ein neuer Tag anbrach.

Sie wandte den Blick ab.

Sanft umfasste er ihren Ellbogen. „Wir essen draußen. Komm.“

Er führte sie hinaus zu dem riesigen, der klassischen Antike nachempfundenen Pool mit glitzernden Springbrunnen. Ein Schweißtropfen rann ihr den Rücken hinunter, und sie setzte die Sonnenbrille auf. Das Wasser sah einladend aus.

„Warst du schon einmal hier?“, fragte er. Seine Hand lag warm auf ihrem Arm, als er sie an den Pavillons vorbeiführte, die sich um den Pool herum aufreihten.

„Einmal zum Dinner.“ Zac und Emily hatten sie eingeladen, und sie hatte den ganzen Abend den weichen Bezug des Stuhls gestreichelt.

Schließlich blieben sie vor einem der Pavillons stehen, wo eine Kellnerin sie begrüßte. „Guten Tag, Dr. Cooper. Ihr Tee ist fertig. Soll ich servieren?“

„Nein, das ist nicht nötig. Danke.“ Angelina hätte schwören können, dass das Mädchen errötete, als Matt lächelte. Dann ließ sie die beiden allein.

Von innen sah der Pavillon aus wie das Zelt eines Scheichs, Wände und Dach waren aus weißem Baumwollstoff. Seitlich gab es einen Tisch mit Tee und Kaffee, und zwischen zwei Polsterliegen, auf denen ein Dutzend Kissen mit Versace-Logo lagen, stand auf einem niedrigen Tischchen eine elegante dreistöckige Etagere mit süßem und salzigem Fingerfood. Obwohl sie nicht hungrig war, lief Angelina das Wasser im Mund zusammen.

Matt deutete auf die Liegen. „Nimm Platz.“

Nach kurzem Zögern schlüpfte sie aus den Sandalen und machte es sich gemütlich. Nach dem schrecklichen Vormittag war es eine willkommene Atempause, trotz der etwas unwirklichen Atmosphäre des Fünf-Sterne-Hotels.

„Ist das Räucherlachs? Mit Frischkäse?“, fragte sie.

„Die magst du am liebsten, oder?“

Sie seufzte. „Matt Cooper, du hast immer gewusst, wie du mich glücklich machen kannst.“

Er beugte sich zu ihr hinunter und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mund. „Und das ist erst der Anfang.“ Dann setzte er sich und schenkte den Tee ein.

Wahrscheinlich grinste sie, wie ein kleines Mädchen, aber es war ihr egal.

„Tatsächlich?“ Sie nahm einen Schluck und sah Matt über den Rand ihrer Tasse hinweg an.

„Du hast immer gesagt, dass du keine Spielchen magst, nicht wahr?“ Unbeirrbar erwiderte er ihren Blick. „Ich bin nur ehrlich.“

Ja, das war er. Verlegen wandte sie die Augen ab. Das ist deine Chance. Frag ihn einfach. Stattdessen stellte sie die Tasse hin und nahm sich ein winziges Lachshäppchen. „Wie lange warst du verheiratet?“

„Ist das wichtig? Es ist vorbei.“

„Ich bin nur neugierig.“ Sie zuckte mit den Achseln.

„Drei Jahre. Sie hieß Katrina“, sagte er schließlich. Er nahm ein Paprikaspießchen. „Und du, irgendwelche Ehemänner, von denen ich wissen sollte?“

„Nein.“ Flüchtig blitzte eine Erinnerung auf, aber sie schluckte die bitteren Gefühle herunter. „Und du bist nicht mehr am St. Catherine.“

„Ich habe meine eigene Firma gegründet.“

Warum? Die Frage lag ihr auf der Zunge, aber sie schwieg. Wollte sie es überhaupt wissen?

Sie nippte am Tee und vermied geflissentlich, ihn anzusehen, während sie sich ein winziges Schokocroissant nahm. Als ihr das buttrige Gebäck auf der Zunge zerging, seufzte sie genießerisch.

„Gut?“

„Oh ja.“

„Ich wusste, dass du es mögen würdest.“

„Ach, wirklich?“ Sie leckte sich einen Krümel von der Unterlippe. Wie erwartet starrte Matt sie unverwandt an, während sie langsam einen Finger nach dem anderen ableckte.

Ihr stockte der Atem. Theoretisch könnte sie ihm einfach sagen, dass sie Hunger auf etwas ganz anderes hatte. Dieser Pavillon war so gut wie ein Zimmer. Sie könnten sich ausziehen und niemand würde es merken.

Aber aus irgendeinem Grund zögerte sie. Es war Matt. Der Mann, mit dem sie sechs Monate lang das Bett geteilt hatte. Der Mann, für den sie beinahe ganz hinter ihrem Schutzwall hervorgekrochen war, nur um in derselben Nacht von ihm verlassen zu werden. Nur seinetwegen hatte sie sich geschworen, nie wieder so verletzlich zu sein.

„Matt …“, begann sie, verstummte jedoch, als er plötzlich aufstand.

Er sah sie so eindringlich an, dass die Worte in ihrer Kehle verebbten. Sie kannte diesen Blick. Und immer noch bekam sie weiche Knie, selbst nach all diesen Jahren.

„Komm.“

Als er um den Tisch herumkam und ihr die Hand reichte, war sie verloren.

Fest schlang er seine Finger um ihre. Dann zog er Angelina langsam auf die Füße. Ihr Herz hämmerte, als sie voller Erwartung in seine dunklen Augen blickte, gleichzeitig ängstlich und erregt.

Küss mich.

Als hätte sie die Worte laut ausgesprochen, senkte er den Blick, dann den Kopf, und Angelina schloss die Augen. Sie spürte die vertraute Erregung in ihrem Bauch, aber als er so nah war, dass ihre Sinne außer seinem köstlichen Duft nichts mehr wahrnahmen, hielt er plötzlich inne.

Sie hatte sich an ihn gelehnt und ihn praktisch gebeten, sie zu küssen. Jetzt öffnete sie enttäuscht die Augen und sah ihn grinsen.

Dann drehte er sich um und zog sie hinter sich her.

Ohne ein Wort liefen sie um den Pool herum. Die Fliesen waren heiß von der Sonne, aber obwohl Angelina ihre Schuhe vergessen hatte, spürte sie es kaum, so schnell erreichten sie das kühle Foyer. Während sie auf den Fahrstuhl warteten, schlang Matt die Arme um sie und zog sie an sich.

Sein warmer Körper machte sie beinahe wahnsinnig. Es war viel zu lange her, dass sie einem Mann so nahe gekommen war. Wie sehr hatte sie es vermisst, von zwei starken Armen festgehalten zu werden und einen muskulösen Körper zu spüren.

Sobald der Fahrstuhl sich öffnete, stürmten sie hinein. Matt zog seine Karte durch den Leser, und als die Türen sich schlossen, sah er sie an.

Und sie starrte zurück.

Er war groß, über eins achtzig, und obwohl sie nicht gerade klein war, reichte ihre Schulter kaum an seinen Bizeps. Sie betrachtete sich im Spiegel. Einfallslose Frisur, langweiliges Kleid. Kaum das Outfit einer verführerischen Frau, und trotzdem …

Er beugte sich vor und küsste sie.

Sein Kuss war voller Leidenschaft. Manchmal hatte er sie mit so einem Kuss geweckt und in Sekundenschnelle hatte sie vor Erregung geglüht. Sie umfasste seine Oberarme und spürte die Muskeln. Bereitwillig gab sie dem heißen Drängen seiner Lippen nach und öffnete ihren Mund. Alles an ihr pochte, ihre Haut, ihr Herz, ihre feuchte Scham. Durch das dünne Sommerkleid spürte sie seine harte Erektion an ihrem Bauch.

„Angel“, keuchte er. Angelina stöhnte, während die Erinnerung von ihr Besitz ergriff. So hatte er sie genannt, wenn er sie wieder und wieder zum Höhepunkt gebracht hatte.

Als sie im obersten Stockwerk ankamen, öffneten sich die Fahrstuhltüren zu einem langen und sehr vornehm eingerichteten Flur. Plötzlich zögerte sie innerlich. Konnte sie das wirklich tun? Konnte sie ihn einfach verführen, um zu bekommen, was sie wollte? Es kam ihr falsch vor.

Schweißperlen liefen ihr langsam den Rücken hinunter.

„Angelina?“

Matt legte ihr die Hände auf die Hüften und schob sie vor sich her aus dem Fahrstuhl. Die Vertrautheit seiner Berührung ließ Zweifel und Lust abwechselnd in ihr aufsteigen.

Tu es einfach.

Der Gang war viel zu lang. An den Wänden hingen in vergoldeten Rahmen handgezeichnete Entwürfe von Versace. Schließlich kamen sie vor einer massiven Holztür mit einer goldenen Drei darauf an. Matt öffnete die Tür, aber Angelina blieb zögernd auf der Schwelle stehen.

Als Matt sie sanft von hinten umarmte und sie seine Hitze an ihrem Po spürte, keuchte sie auf. Er küsste ihren Nacken und schlang fest einen Arm um ihre Taille.

„Ich will dich, Angel“, flüsterte er ihr ins Ohr. Der heiße Atem und die kratzenden Bartstoppeln sandten Wellen des Verlangens über ihren Körper. „Ich will dich unter mir, über mir, überall.“

Sie erinnerte sich plötzlich an den Sex mit ihm. Im Mondlicht an seinem Pool. Bei Sonnenaufgang am Strand. Sie spürte praktisch noch die kratzige Decke unter sich. Und einmal spätnachts in der Küche. Als ihnen aufgefallen war, dass sie die Rollos nicht heruntergezogen hatten und jeder, der zufällig vorbeikam, sie sehen konnte, hatten sie nur gelacht.

Aber sie hatte auch das Ende ihrer Geschichte nicht vergessen.

Abrupt riss sie sich los und wirbelte herum. In seinem Gesicht spiegelte sich Verwirrung wider.

Sie hielt sich am hölzernen Türrahmen fest und versuchte, sich zu beruhigen, während alles in ihr vor Enttäuschung schmerzte.

„Es tut mir leid, Matt. Ich … ich kann das nicht.“

„Was?“ Er runzelte die Stirn und ließ langsam die Arme sinken. „Ich dachte …“

„Es tut mir leid“, wiederholte sie widerstrebend und wich seinem Blick aus. Immer noch klammerte sie sich an den Türrahmen und hielt den Atem an. Er stand direkt vor ihr. Die Erinnerung war nur ein blasser Abklatsch im Vergleich zu seinem realen, warmen Körper, seinen Lippen, seinen Händen.

Aber es war nicht richtig.

Sie brauchte ihre ganze Willenskraft, um sich gegen seine verführerischen Augen zu wappnen und entschlossen an ihm vorbei in den Flur zurückzugehen. „Ich kann das nicht. Ich … Leb wohl, Matthew.“

Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und lief zu den Fahrstühlen.

3. KAPITEL

Es war Donnerstag, die Dienstpläne für die Chirurgen wurden aufgestellt. Es war immer noch merkwürdig, nur ein Besucher im St. Catherine zu sein und nicht zu irgendeiner OP oder einem Meeting zu hetzen. Auf den Gängen herrschte der vertraute, polarisierende Geruch – entweder hasste man die Mischung aus Desinfektionsmitteln und sauberer Bettwäsche oder fand sie tröstlich. Für ihn war es wie Adrenalin. Der Duft unbenutzter OP-Kittel, der merkwürdig seifige Geruch im Waschraum. Die Aufregung, die ihn jedes Mal überfiel, nachdem er den Kittel angezogen hatte. Die vollkommene Ruhe, wenn er schließlich den Operationssaal betrat.

Jetzt weckte der Geruch Erinnerungen an sein altes Leben. Das Leben, das abrupt geendet hatte, nachdem sein Bruder Jack vor vier Jahren gestorben war. Damals hatte er erst dem St. Catherine und später seiner Ehe den Rücken gekehrt und sich um die Einwände seiner Eltern einfach nicht mehr gekümmert.

Matt fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und starrte den Gang hinunter. Nach seiner Scheidung hatte er die Welt bereist, hatte ein ganzes Jahr lang einfach nur gelebt. Inzwischen sorgte die GEM dafür, dass er oft auf Reisen war. Er suchte sich seine Aufträge aus und delegierte den Rest an seine Mitarbeiter.

Er hatte seine Ziele erreicht. Bis auf eines. Es gab einen Wunsch, der so mächtig war, dass er sogar seine Ehe zerstört hatte. Katrina war dermaßen wütend gewesen, dass sie bei der Scheidung sehr viel mehr verlangt hatte, als ihr eigentlich zustand. Und aus einem Schuldgefühl heraus hatte er es ihr gegeben.

Ich will keine Kinder. Das hatte sie von Anfang an klar gesagt. Und er war einverstanden gewesen. Im Krankenhaus hatte er oft gesehen, was es hieß, ein Kind zu verlieren. Und woher sollten sie die Zeit nehmen, sich um ein Baby zu kümmern? Beide lebten für ihre Arbeit.

Aber nach Jacks Tod brach alles zusammen.

„Nein“, hatte Katrina gesagt, als er das Thema ansprach. „Wir waren uns doch einig.“

„Ich weiß.“ Er hatte ihr nicht in die Augen sehen können. „Aber ich habe meine Meinung geändert.“

Sie hatte geseufzt. „Vielleicht sollten wir eine Pause machen. Wir könnten ein paar Tage auf Bali verbringen …“

„Ich will keinen Urlaub“, hatte er erwidert. „Ich will, dass du darüber nachdenkst, ein Kind zu bekommen.“

Wie sie ihn angesehen hatte! Als sie dann langsam die Arme vor der Brust verschränkt hatte, hatte er gewusst, dass ihre Ehe vorbei war. „Das wird niemals passieren, Matthew.“

Sein Handy klingelte und unterbrach seine Gedanken. Er warf einen Blick aufs Display. Fünf Minuten zu spät. Katrina hasste Verspätungen.

Seufzend ging er zum Konferenzraum, klopfte und trat ein.

„Entschuldige … musst du noch zu einem anderen Termin, Matthew?“

Matt sah vom Display seines Handys auf und Katrina direkt in die Augen. „Nein.“ Er lehnte sich zurück und schlug unter dem Tisch die Füße übereinander.

Im Nu war das Geplauder der Chefärzte verstummt und Matt und seine Exfrau standen im Mittelpunkt des Interesses. Matthew schwieg ungerührt. Den meisten Mitarbeitern war egal, was zwischen ihm und Katrina ablief, aber ein paar wenige freuten sich vor jedem Zusammentreffen auf einen Streit.

Offensichtlich kannten sie Katrina nicht. Oder ihn. Ihre Scheidung war höflich, professionell und leidenschaftslos abgelaufen, genau wie ihre Ehe.

Fragend zog er eine Augenbraue hoch, aber sie fuhr einfach mit der Tagesordnung fort.

Heimlich sah er wieder auf die Zeitanzeige. Halb zwei. Er hasste diese Meetings. Das St. Catherine deckte zu einem großen Teil den Personalbedarf seiner Organisation. Und jedes Jahr hatte die Verwaltung die gleichen Bedenken, weiter mit GEM zusammenzuarbeiten – zu wenig Personal, Budgetbeschränkungen etc. Am Ende unterschrieben sie dann doch auf der gepunkteten Linie des Kooperationsvertrags. Als Katrinas Belegschaft über die gleichen Probleme schimpfte wie immer, sah er einfach aus dem Fenster und dachte an die Begegnung mit Angelina zurück.

Fünf Tage waren vergangen. Fünf Tage lang war er mit Meetings, Flügen und tausend anderen beruflichen Verpflichtungen beschäftigt gewesen. Aber sobald er freihatte, nahm Angelina all seine Gedanken ein.

Ungeduldig rutschte er auf seinem Stuhl herum, verschränkte die Arme und betrachtete den Hafen von Sydney, auf den man vom Konferenzraum im einundzwanzigsten Stock aus einen wunderbaren Blick hatte.

Er hatte recht gehabt. Angelina hatte sich wirklich verändert. Früher war sie spontan und frei gewesen, und jetzt … was eigentlich? Sie hatte nie viel von sich gesprochen. Ihre Familie hatte sie nie erwähnt. Er hatte nicht einmal gewusst, dass sie eine Schwester hatte. Dabei waren sie sechs Monate zusammen gewesen. Sie hatten sich doch auch mal unterhalten, oder?

Was er über sie wusste, passte in eine Streichholzschachtel. Bevor sie in dem Café in der Nähe seines Hauses gejobbt hatte, war sie in Australien herumgereist, hatte Obst geerntet, gekellnert und geputzt. Da sein eigenes Leben so perfekt durchgeplant war, hatte ihr Nomadendasein ihn fasziniert.

Er hatte sie immer am Ende seiner Schicht angerufen, und egal wie spät es gewesen war, sie hatte vor seiner Haustür auf ihn gewartet. Sie landeten gleich im Bett, aßen danach, liebten sich wieder, und am nächsten Morgen war sie fort. Und dann hatte er sich kurzerhand und nicht sehr feinfühlig von ihr getrennt. Kein Wunder, dass sie jeden Kontakt abgebrochen hatte.

Zehn Minuten später war das Meeting vorüber und Matt verließ erleichtert den Raum. Draußen checkte er die Nachrichten auf seinem Handy und blieb abrupt stehen.

Angelina war bei der GEM. Anscheinend wartete sie seit zwei Stunden in seinem Büro.

„Hochinteressant“, murmelte er.

Eine vage Erwartung ließ seinen Puls in die Höhe schnellen, und er runzelte die Stirn. Denk nicht einmal dran. Du hast eine Abfuhr kassiert, den Rest des Tages schlechte Laune gehabt und sie dann vergessen.

Nun, offensichtlich nicht.

Als er eine halbe Stunde später die Tür seines Büros in der Hauptverwaltung von GEM öffnete, platzte er fast vor Neugier.

Er bemerkte, dass Angelina leicht zusammenfuhr, als er eintrat. Dann drehte sie sich um und sah mit großen blauen Augen zu ihm auf. Bezeichnenderweise hatte sie den harten Besucherstuhl gewählt, nicht das gemütliche Sofa an der Wand.

„Hallo, Matt.“

Schweigend betrachtete er sie. Abgetragene Jeans, weißes T-Shirt mit V-Ausschnitt, riesige alte Marinejacke. Das rote Haar im Nacken zu einem strengen Knoten gebunden. Diese Frisur ging ihm langsam wirklich auf die Nerven.

„Was führt dich nach Sydney?“, fragte er schließlich.

„Du.“ Eine kleine Falte zeigte sich auf ihrer Stirn. „Kannst du dich setzen? Ich muss mit dir reden.“

Achselzuckend setzte er sich in den Ledersessel hinter dem Schreibtisch.

Wollte sie etwa noch einen Annäherungsversuch starten?

Sein verletzter Stolz machte sich bemerkbar. Fast hätte er sie direkt gebeten, zu gehen, entschloss sich dann aber dagegen. Er würde sich anhören, was sie zu sagen hatte. Nein sagen konnte er immer noch.

Ausdruckslos starrte er sie an. Sie starrte zurück.

Verdammt. Wenn sie wirklich etwas von ihm wollte, würde er sie zumindest ein bisschen schmoren lassen. Und dann würden sie es so machen, wie er es wollte.

Sofort taten sich in seiner Vorstellung unendliche Möglichkeiten auf. Zuerst würde er diesen albernen Haarknoten lösen. Und dann müsste sie etwas Rotes tragen. Genau. Ein enges, schulterfreies rotes Kleid, das ihre zarten Schlüsselbeine betonte. Und die wunderschönen Locken würden ihr über die Schultern fallen. Und unter dem Kleid …

„Matt?“

„Ja?“ Ihr schneidender Tonfall riss ihn aus seinen Gedanken. Als er sie jetzt aufmerksam ansah und ihren ernsten Gesichtsausdruck wahrnahm, erschrak er. „Was ist los?“

„Ich brauche bei einer Sache deine Hilfe.“

Angelina hatte sich ihre Worte sorgfältig überlegt. Instinktiv wollte sie die Arme vor der Brust verschränken, hielt sich aber gerade noch zurück. Stattdessen faltete sie die Hände im Schoß. Nein, das ging auch nicht. Sie legte die Unterarme auf den Stuhllehnen ab und schlug die Beine übereinander. Besser.

Ihre mühevoll aufgebaute Fassung war direkt wieder dahin, als Matt fragte: „Meine Hilfe?“

„Ja. Nun, es ist eher ein Gefallen. Auch kein Gefallen, das hört sich so trivial an, eher vielleicht …“

„Ganz langsam.“ Seine sanfte Stimme beruhigte sie ein wenig. „Du bist nach Sydney geflogen, um mich um einen Gefallen zu bitten?“

„Ja.“

„Es gibt Telefone!“

„Es ist kein Gefallen, den man am Telefon vorbringen könnte.“

Vielsagend grinste er. „Ich kann mir schon vorstellen, worum es geht.“

Angelina blinzelte. „Wirklich?“

„Klar. Aber früher hättest du es direkt gesagt. Du warst nie besonders zurückhaltend.“

Was? Stirnrunzelnd schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß wirklich nicht, ob …“

„… wir es tun sollten?“ Er beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf dem Schreibtisch ab und sah sie erwartungsvoll an.

Angelina öffnete den Mund, brachte aber kein Wort heraus. Das lief überhaupt nicht, wie sie es geplant hatte. Anstatt ihm ihre Situation zu erklären und ihm ganz nüchtern zu unterbreiten, wie er all ihre Probleme lösen könnte, ließ sie sich von seinen sinnlichen Lippen durcheinanderbringen. Nicht zu vergessen der glühende Blick, unter dem ihr ganzer Körper vor Vorfreude erzitterte.

Es war ein Déjà-vu, nur dass sie diesmal in seinem Büro waren, nicht in dem Pavillon im Palazzo Versace. Und wie vor fünf Tagen hörte sie in ihrem Kopf diese hinterlistige Stimme: Du hast ihn so weit, du musst es ihm nicht sagen.

Aber neben dem wachsenden Verlangen meldete sich auch ihre Aufrichtigkeit. Die hatte sie einmal aufgehalten und würde es wieder tun.

„Matthew. Ich …“ Sie zögerte und betrachtete seinen Schreibtisch. Da waren ein kleiner Stapel Akten, ein Laptop, Telefon, eine Kaffeetasse. Verstreute Stifte. Keine Familienfotos, keine persönlichen Dinge. An der Wand hinter ihm hingen seine Diplome, ein chaotisch aussehender Jahresplaner, medizinische Diagramme. Es war das Büro eines Menschen, der schon mit zehn einen Plan für sein Leben gemacht hatte. Er war Matthew Cooper, ein effizientes Arbeitstier. Er war ein Karrieretyp und würde es immer bleiben. Das war eindeutig.

Diese Erkenntnis flößte ihr Mut ein. „Ich will ein Baby.“

Matt schluckte hörbar, und sie verstummte. Jedes erotische Knistern war erloschen.

„Was?“, brachte er heraus.

„Ich …“ Fest presste sie die Lippen aufeinander, um die aufsteigenden Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Erst nach ein paar Sekunden konnte sie weitersprechen. „Ich bin zweiunddreißig und Single. Ich habe ein paar Männer kennengelernt, aber keinen, der …“ Sie schluckte und sah Matt direkt in die Augen. „Ich will nicht heiraten, keinen Mann, nur ein Baby. Ich habe mich darum gekümmert, war sogar in einer Fruchtbarkeitsklinik, aber die Zeit läuft mir davon. Und es ist so teuer, und ein Termin ist geplatzt und …“

„Ich soll dir einen Spezialisten empfehlen?“

„Nein. Ich möchte dich als Spender.“

Matt sprang so schnell auf die Füße, dass sie nach Luft schnappte. Dann stand sie auch auf, obwohl ihr der Ausdruck in seinen Augen Angst einjagte. „Ich hatte jemanden ausgewählt“, erklärte sie. „Aber er …“

„Wen?“

„Einfach irgendein Typ. Ein Spender …“

„Und du glaubst, ich bin praktischer als irgendein Typ?“

„Das meine ich nicht“, sagte sie entschuldigend. „Ich dachte nur …“

„Du dachtest?“ Er verzog den Mund. „Seit wann?“

„Seit du mich nach Emilys Hochzeit angerufen hast.“

Schweigend stemmte er die Hände in die Hüften und sah sie wütend an. Es fühlte sich so an, als würde ihr Gesicht in Flammen aufgehen. „Hör zu, Matthew, ich weiß, dass die Arbeit dir wichtig ist. Das verstehe ich. Aber du bräuchtest nichts aufzugeben, ich möchte das Kind wirklich allein großziehen.“

Bewusst legte sie eine Pause ein. Sie versuchte ruhig zu wirken, auch wenn sie innerlich die Wände hochging. „Ich will dir kein Kind andrehen oder dich zu einer Heirat bewegen. Das kann ich dir auch unterschreiben. Es würde dein Leben nicht beeinträchtigen. Sobald ich schwanger bin, gehe ich meiner Wege.“

Er schwieg. Dann verschränkte er die Arme und sah sie kalt an. „Das kannst du auf keinen Fall ernst meinen.“

Sie biss sich auf die Unterlippe. „Können wir das in Ruhe besprechen? Ich dachte …“

„Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Das ist kein Gefallen, Angelina. Das ist eine Entscheidung fürs Leben!“

„Für mich. Aber nicht für dich.“

Er sah sie so wütend an, dass sie sich beinahe duckte. „Ich hatte recht. Du hast dich verändert.“

„Du hast überhaupt keine Ahnung von mir, Matt.“

„Sicher. Hatte ich nie. Wir hatten nur Spaß miteinander, wenn du dich erinnerst.“

Noch ein Schlag unter die Gürtellinie. „Was hast du dabei zu verlieren? Ich will keine Beziehung oder Ehe, ich will nur …“

„Nur Sex?“

„Ja.“ Entschlossen schob sie das Kinn vor. „Wir hatten früher schon unverbindlichen Sex. Warum nicht wieder?“

Wütend starrten sie einander an.

Dann sah er auf die Uhr. „Ich habe in zwanzig Minuten ein Meeting. Am Empfang wird man dir ein Taxi rufen.“

„Aber …“

Er schnitt ihr das Wort ab, indem er mit großen Schritten an ihr vorbeiging und die Tür weit aufriss. Seine Miene verriet Ungeduld, kombiniert mit allen Anzeichen von verletztem Stolz.

Sie hatte ihn beleidigt, und er warf sie hinaus.

Mit Mühe unterdrückte Angelina ihre Tränen.

„Wenn du es dir überlegst …“, fing sie an, brach aber ab, sobald sie seinen eiskalten Blick bemerkte. Sie straffte ihre Schultern und ging. Erst als sie das Gebäude verlassen hatte, brach sie in hemmungsloses Schluchzen aus.

Wie in Rage durchmaß Matt mit langen Schritten sein Büro. Vor der Wand blieb er stehen, drehte sich um und lief wieder zurück.

Das verdammte Büro war zu klein. Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. Was war das bitte eben gewesen?

Er war gekränkt, nein, tief verletzt. Hielt Angelina ihn wirklich für so einen Typen? Er schnaubte. Endlich ergab alles einen Sinn. Ihre anfängliche Kälte und die plötzliche Kehrtwende. Sie suchte nach einem Zuchthengst. Wollte nicht ihn, sondern nur seine Dienste als Samenspender.

Voller Wut ballte er die Fäuste.

Was war er doch für ein Idiot gewesen! Hatte sich von ihr an der Nase herumführen lassen, weil er sie immer noch begehrte. Verdammter Mist.

Jetzt blieb er stehen und sah aus dem Fenster. Für wie dämlich hielt Angelina ihn eigentlich? Dachte sie, dass er sich gierig auf ihr Angebot stürzen und fröhlich weiterziehen würde, sobald sie hatte, was sie wollte?

Fluchend ließ er sich in den Sessel fallen. Angelina Reynolds bedeutete nichts als Ärger. Sie war den Stress nicht wert. Wenn er unkomplizierten Sex wollte, könnte er aus einer Handvoll williger Kandidatinnen eine aussuchen. Er müsste nur zum Telefon greifen. Mehr hatte er seit seiner Scheidung nicht gewollt. Die GEM nahm all seine Zeit in Anspruch. Und das hatte er absichtlich so eingerichtet, damit er der bitteren Enttäuschung über Katrinas Zurückweisung keinen Raum geben konnte.

Jetzt aber regte sich etwas in ihm und erinnerte ihn an seine tief vergrabenen Träume.

Nachdenklich starrte er vor sich hin.

„Warum ich?“, murmelte er. Sicher gab es ein Dutzend Kerle, die bereitwillig anstanden, um ihr den Gefallen zu tun. Aber sobald er sich vorstellte, dass Angelina mit einem anderen Mann all die Dinge tat, die sie zusammen getan hatten, überkam ihn ein ziemlich unangenehmes Gefühl.

Ein Klopfen riss ihn aus seiner Grübelei. Er drehte sich um und entdeckte seinen Sicherheitschef James Decker in der Tür. „Matt? Hast du eine Minute?“

„Sicher.“ Nickend richtete Matt sich auf.

„Wirklich?“ Decker schielte über den Rand seiner Ray-Ban. „Du siehst aus, als würdest du über etwas Wichtiges nachdenken.“

Matt seufzte. „Man hat mir ein Angebot gemacht. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich es annehmen soll.“

Decker betrat das Büro und schloss die Tür hinter sich. Er war wie immer schwarz gekleidet – Muskelshirt, Army-Hosen, Stiefel und Pistolengurt. Matt zog ihn häufig mit seinem bedrohlichen Aussehen auf, aber sein Sicherheitschef antwortete stets: „So rette ich deinen Arsch.“ Das Schwarz war nur Show. Damit signalisierten er und seine Leute Macht und Autorität. In lebensbedrohlichen Situationen machte das oft den entscheidenden Unterschied.

„Was ist es für ein Angebot?“, fragte Decker und verschränkte die Arme vor der breiten Brust.

„Eine Frau, keine Verpflichtungen.“

Decker ließ einen Pfiff hören. „Glückspilz. Und? Ist sie sexy?“

„Und ob.“

„Und wo ist das Problem?“

„Sie ist … eine Ex-Flamme.“

„Dann ist sie ein bisschen verrückt?“ Decker stemmte die Hände in die Hüften.

„Guter Gott, nein. Sie ist …“ Matt verstummte und dachte nach. „Angelina ist absolut bei Verstand.“

„Angelina?“ Decker kniff die Augen zusammen. „Die Angelina?“

Mist. Er hatte sich schon gefragt, wann ihm jene Nacht einmal leidtun würde. Ein Einsatz in Mexiko, die Hotelbar, teurer Whisky … Er und Decker waren angenehm betrunken gewesen und hatten einander ein paar wehmütige Erinnerungen anvertraut.

„Aus deinem Schweigen schließe ich, dass es dieselbe Frau ist“, sagte Decker mit wissendem Blick. „Und dass du lieber Verpflichtungen eingehen würdest.“

Matt sortierte ein paar Papiere, während er spürte, wie ihm die Röte den Nacken hinaufkroch. „Vergiss, was ich gesagt habe, okay?“

„Hey, Mann, ich bin es nur.“ Decker schnappte sich einen Stuhl, setzte sich rittlings darauf und stützte die Arme auf der Rückenlehne ab. „Ich habe dir ein Dutzend Mal das Leben gerettet. In Vietnam steckten wir bis zum Arsch im Schlamm. In Simbabwe sind wir vor Paramilitärs geflohen.“ Er grinste. „Und in Mexiko war ich gar nicht so betrunken. Ich erinnere mich an jedes Wort.“

Matt seufzte. Decker, eins achtzig, muskelbepackt und ein Waffennarr, war ganz der großspurige Yankee. Außerdem war er sein bester Freund, nicht zu vergessen einer der besten Strategen, die er kannte.

„Sie will mehr als nur Sex“, sagte Matt.

„Ehe?“

Autor

Kathie De Nosky
<p>Kathie DeNosky stellt ihren Wecker oft auf 2 Uhr morgens, um wenigstens einige Stunden in Ruhe arbeiten zu können, bevor der Rest der Familie erwacht. Während dann in ihrem Büro leise Countrymusik erklingt, schreibt sie an ihren Romances, denen eine ganz besondere Mischung aus Sinnlichkeit und Humor zeigen ist. Sie...
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