Das Geheimnis des sexy Bodyguards
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Eine Fremde starrte sie aus dem Spiegel an. Zabrina zog eine Grimasse. Die Frau, die sie im Spiegel sah, war eine Hochstaplerin, eine Unbekannte in Seide und Spitze, was so gar nicht zu Zabrinas üblicherweise lässigem Stil passte. Panik stieg in ihr auf. Gnadenlos tickte die Uhr Zabrinas bevorstehender Hochzeit entgegen, und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte.
„Nun hör doch endlich damit auf, ständig die Stirn zu runzeln“, schalt ihre Mutter sie ungeduldig. „Wie oft soll ich dir das noch sagen? Das passt nicht zu einer Prinzessin.“
Prinzessin? So fühlte Zabrina sich im Moment überhaupt nicht. Nein, sie kam sich vor wie ein Objekt, nicht wie ein Mensch. Wie ein Sack Reis, der auf dem Rücken eines Esels zum Markt geschleppt wird, eine leblose Ware, über die andere verfügten.
Aber war das nicht sowieso ihre Bestimmung?
Ihre eigenen Wünsche zurückzustellen.
Von ihr als ältester Tochter war immer erwartet worden, dem Wohlergehen und der Zukunft ihrer Familie oberste Priorität einzuräumen. Schon kurz nach ihrer Geburt hatte man ihre Hand einem zukünftigen König versprochen. Es lag ganz allein in ihrer Macht, das Land, ihre Nation vor den Folgen der Misswirtschaft ihres schwachen Vaters zu retten. Das zumindest hatte man ihr mantrahaft ihr Leben lang eingetrichtert, und sie hatte es nie angezweifelt.
Doch jetzt, als der schicksalhafte Moment kurz bevorstand, verkrampfte sich bei dem Gedanken daran ihr Magen zu einem schmerzhaften Knoten. Zabrina wandte sich zu ihrer Mutter um in der irrationalen Hoffnung, im letzten Moment doch noch eine Galgenfrist gewährt zu bekommen.
„Bitte, Mutter“, sagte sie leise. „Unternimm etwas, damit ich ihn nicht heiraten muss.“
„Du weißt doch genau, dass das eine unsinnige Bitte ist, Zabrina.“ Das Lächeln ihrer Mutter konnte deren Entschlossenheit nicht kaschieren. „Das ist nun mal dein Schicksal.“
„Aber wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert! Frauen sind jetzt frei, emanzipiert.“
„Solche Begriffe haben keinen Platz in deinem Leben. Das ist der Preis, den du für deine herausragende Stellung zahlen musst. Du bist eine Prinzessin. Für dich gelten andere Regeln als für gewöhnliche Menschen – diese Tatsache hast du ja schon immer gern ignoriert. Wie oft hat man dir gesagt, dass du nicht einfach tun und lassen kannst, worauf du Lust hast? Deine frühmorgendlichen Ausflüge zum Beispiel müssen endlich aufhören. Hast du wirklich geglaubt, wir merken das nicht?“
Zabrina senkte den Blick auf ihre schimmernden silberfarbenen Schuhe und versuchte, sich zusammenzureißen. Wieder einmal hatte sie sich in Schwierigkeiten gebracht, indem sie sich aus dem Palast geschlichen hatte und zu einem Frauenhaus außerhalb der Stadt gefahren war. Wenigstens wollte sie ihre königlichen Privilegien nutzen, um das harte Leben vieler Frauen in ihrem Land zu verbessern. Von Armut geplagter Frauen, die zusätzlich noch unter der Gewalt eines grausamen Ehemanns litten.
Dabei hatte sie mittlerweile fast ihr ganzes persönliches Vermögen ausgegeben, doch das war es ihr wert gewesen. Zabrina unterdrückte ein grimmiges Lächeln. Im Grunde war sie ja selbst kaum besser dran als diese Frauen – auf ihre eigene Weise genauso hilflos und ausgeliefert. Welch bittere Ironie!
Sie blickte auf. „Sobald ich mit dem König verheiratet bin, wird mein Bewegungsradius noch weiter limitiert, was umso bedauerlicher ist.“
„Warum bist du nur so aufsässig?“ Ihre Mutter sah sie prüfend an. „Dabei bringt diese Verbindung so viele positive Aspekte mit sich, nicht nur finanzielle.“
„Zum Beispiel?“
„Zum Beispiel ist König Roman von Petrogoria einer der einflussreichsten und mächtigsten Männer der Welt und …“
„Er hat einen Bart!“, fauchte Zabrina. „Und ich hasse Bärte!“
„Du scheinst die einzige Frau auf der Welt zu sein, die daran Anstoß nimmt. Jedenfalls hat er sich wohl nie über mangelndes Interesse beim anderen Geschlecht beklagen können“, konterte ihre Mutter. „Glaub mir, du gewöhnst dich schnell daran. Außerdem, symbolisiert ein Bart nicht Männlichkeit und Potenz? Es wäre besser, dein Schicksal mit offenen Armen zu begrüßen, dann wird es dich reichlich belohnen.“
„Wenn man mir wenigstens gestatten würde, meine eigenen Dienstboten mitzunehmen, damit ich mich ein bisschen zu Hause fühle.“
„Du weißt genau, dass das nicht geht. Die Tradition schreibt vor, dass du ohne Bindungen an dein altes Leben zu deinem Mann gehst. Viel mehr als eine symbolische Geste ist es nicht. Dein Vater und ich werden natürlich zusammen mit deinen Geschwistern zur Hochzeit nach Petrogoria kommen.“
„Das ist doch noch Wochen hin!“
„Aus gutem Grund. In der Zwischenzeit bleibt dir genug Zeit, dich im Palast einzuleben und dich auf deine neue Rolle als Königin vorzubereiten. Falls du danach immer noch jemanden von deinen früheren Bediensteten in deiner Nähe haben möchtest, wird dein Mann bestimmt nichts dagegen haben, da bin ich sicher.“
„Was, wenn er ein Tyrann ist?“, flüsterte Zabrina. „Jemand, der aus Prinzip gegen alles ist, was ich möchte?“
„Dann wirst du lernen, dich damit zu arrangieren und dein Verhalten entsprechend anzupassen. Vergiss nie, dass Roman der König ist und sämtliche Entscheidungen über eure Ehe fällt. Deine Rolle als Königin ist es, diese Entscheidungen zu akzeptieren.“ Missbilligend fügte ihre Mutter hinzu: „Hast du denn die Eheratgeber nicht gelesen, die ich dir gegeben habe?“
„Die taugten bestens als Medizin für meine gegenwärtigen Schlafstörungen.“
„Zabrina!“
„Schon gut, ich habe sie gelesen“, räumte Zabrina kleinlaut ein. „Zumindest habe ich es versucht. Die Ansichten stammen ja aus dem letzten Jahrhundert.“
„Wir können jede Menge aus der Vergangenheit lernen“, erklärte ihre Mutter salbungsvoll. „Jetzt lächle, dann können wir gehen. Der Hofzug von Petrogoria, der dich in deine neue Heimat bringt, ist bestimmt schon da.“
Zabrina seufzte. Es fühlte sich wie eine Falle an, weil es eine Falle war – eine, aus der es kein Entrinnen gab. Nie zuvor hatte sie sich derart ausgeliefert gefühlt. Bis jetzt hatte sie ohnehin nie große Lust verspürt, zu heiraten, schon gar nicht jemanden, dem sie noch nie begegnet war.
Trotzdem hatte sie sich in ihr Schicksal ergeben, wie man es von ihr erwartete. Natürlich war sie sich der Probleme in ihrem Land bewusst und dass es in ihrer Hand lag, die Situation für die Menschen zu verbessern. Und irgendwie hatte sie es geschafft, sich selbst davon zu überzeugen, dass sie das schon schaffen würde. Schließlich war sie nicht die erste Prinzessin auf der Welt, die eine arrangierte Ehe einging!
Also hatte sie brav die Geschichte von Petrogoria studiert und die Sprache gelernt. Sie hatte sich mit der Geografie ihrer neuen Heimat vertraut gemacht, ganz besonders mit dem breiten Streifen des umstrittenen Grenzlandes – dem Marengo Forest –, der mit der Eheschließung in den Besitz ihres Mannes übergehen würde. Gegen eine beachtliche Summe Geldes natürlich. Plötzlich kam ihr das alles völlig unwirklich vor – als lebte sie in einer anderen Welt, die nichts mit ihrer eigentlichen Realität zu tun hatte.
Der lange Rock ihres Kleids bauschte sich um ihre Beine, als sie ihrer Mutter die imposante Freitreppe des Palasts hinunter folgte, die in eine nicht weniger imposante Eingangshalle mündete. Zahllose Bedienstete neigten die Köpfe beim Erscheinen der beiden Frauen. Zabrinas beide Schwestern kamen ihr staunend entgegengestürmt.
„Bist du das wirklich, Zabrina?“, rief Daria atemlos aus.
„Du siehst ja total verändert aus!“, echote die kleine Eva.
Zabrina musste die Tränen zurückdrängen, als sie ihre Schwestern zum Abschied umarmte. Sie würde die beiden schrecklich vermissen, doch das würde sie nicht laut aussprechen. Ihrer neuen Rolle als zukünftige Königin entsprechend, würde sie sich reif und erwachsen geben und sich nicht von kindischen Emotionen leiten lassen.
„Warum trägst du solche Kleider nicht öfter?“ Bewundernd ließ Daria den Blick über Zabrinas Robe gleiten. „Das steht dir super.“
„Wahrscheinlich, weil es nicht besonders praktisch auf dem Rücken eines Pferdes ist“, entgegnete Zabrina spöttisch. „Oder für eine Joggingrunde um den Palast.“
Eigentlich trug sie kaum Kleider, höchstens zu offiziellen Anlässen. Aber noch nie hatte sie sich in ein derart pompöses Ungetüm zwängen müssen, in dem sie sich unbeweglich fühlte wie in einer Ritterrüstung. Das aufwendig bestickte, steife Oberteil schmiegte sich eng um ihre Kurven, ein Gefühl, das sie hasste.
Als passionierte Sportlerin fühlte sich Zabrina in einem praktischen Sport-BH am wohlsten, der jede Bewegung mitmachte. Sie liebte es, frei und wild zu sein. Liebte schnelle Ausritte und stramme Wandertouren. Liebte es, ihr langes Haar einfach zu einem Zopf zusammenzufassen, anstatt es in eine komplizierte Hochsteckfrisur mit perlenbesetzten Kämmen zu zwingen.
Jetzt erschien auch ihr Vater, und Zabrina vollzog ganz automatisch den vorgeschriebenen Hofknicks – was in einem Kleid etwas leichter zu bewerkstelligen war als in Reithosen, das musste sie zugeben.
„Wie schön, dich zur Abwechslung mal als elegante junge Frau zu Gesicht zu bekommen“, meinte der König anerkennend. Seine Stimme klang rau, das Resultat zu vieler spätabendlicher Drinks. „Als Königin von Petrogoria machst du bestimmt eine gute Figur.“
Einen kurzen Moment lang fragte Zabrina sich, wie er wohl reagieren würde, wenn sie ihm sagte, dass sie das nicht durchziehen konnte. Doch auch ohne Schuldenkrise würde ihr Vater niemals seinen nächsten Nachbarn und engsten Verbündeten vor den Kopf stoßen, indem er die lange geplante Hochzeit platzen ließ. Allein der Gedanke an die gekränkten Egos und den politischen Eklat würde ihn entsetzen!
„Ich hoffe es, Vater – wirklich“, erwiderte sie und wandte sich ihrem Bruder Alexandru zu. In seinen Augen lag ein bekümmerter Ausdruck, er wusste sehr wohl um ihre Rolle als Opferlamm. Doch was konnte er als junger Prinz von siebzehn Jahren dagegen tun? Gar nichts.
Ich mache das auch für ihn, rief sie sich in Erinnerung. Um Albastase wieder zu altem Glanz zu verhelfen, obwohl sie stark vermutete, dass Alexandru gar nicht besonders wild darauf war, irgendwann die Regentschaft zu übernehmen.
Zabrina schritt durch den Torbogen nach draußen, wo der altertümliche Rolls-Royce schon für sie bereitstand. Von hier aus ging es direkt zum Bahnhof – dort würde sie in den royalen Hofzug von König Roman umsteigen. An diesem wunderschönen Frühlingsnachmittag würde die Reise sie durch die aufblühende Landschaft führen und durch den spektakulären Marengo Forest.
Morgen früh würden sie die Hauptstadt von Petrogoria erreichen, Rosumunte. Dort würde sie ihren zukünftigen Ehemann zum ersten Mal treffen. Eine erschreckende Vorstellung. Man hatte ihr eingeimpft, eine Miene sanfter Dankbarkeit aufzusetzen, wenn der mächtige Monarch sie begrüßte, und so tief wie möglich zu knicksen. Sie sollte den Blick gesenkt halten und erst sprechen, wenn er sie dazu aufforderte. Später am Abend würden dann ein Feuerwerk und eine Galaveranstaltung den Auftakt der Hochzeitsfeierlichkeiten bilden.
Zwei Fremde waren dazu verdammt, den Rest ihres Lebens miteinander zu verbringen.
Zabrina warf einen letzten wehmütigen Blick zurück auf die Ställe mit ihren geliebten Pferden. Sie hatte es geschafft, noch im Morgengrauen ein letztes Mal auszureiten. Wie lange Midas sie wohl vermissen würde?
Wieder musste sie an den bärtigen König denken. Ihr kam ein schrecklicher Gedanke, den sie bislang verdrängt hatte. Was, wenn sie ihn körperlich abstoßend fand? Womöglich wurde ihr schlecht, sobald er sie anrührte.
Natürlich wusste sie, was sie in der Hochzeitsnacht erwartete, dazu gab es schließlich das Internet. Allein bei der Vorstellung, dass der bärtige König solche Dinge mit ihr anstellte, brach ihr der kalte Schweiß aus. Würde sie seine unwillkommenen Zärtlichkeiten wirklich für den Rest ihres Lebens ertragen?
Zabrina war noch Jungfrau, das war ein hohes Gut in dieser arrangierten Ehe. Um ihre Unerfahrenheit in Beziehungsdingen auszugleichen, hatte sie eine Menge Ratgeber gelesen. Besonders eines hatte sie hilfreich gefunden. Die Autorin riet ihren Leserinnen, keine haushohen Erwartungen zu entwickeln, sondern ganz nüchtern im Hier und Jetzt zu bleiben, keine Fantasiewelt zu erwarten, wie sie einem in Filmen und Romanen vorgegaukelt wurde. Es war eine ernüchternde Lektüre, aber sehr nützlich. Dabei hatte Zabrina eine Menge gelernt. Denn wenn man all diese hochtrabenden Vorstellungen von ewiger Liebe und Romantik ablegte, schützte man sich vor herben Enttäuschungen.
Trotzdem war ihr das Herz unendlich schwer, als der Wagen sich fast lautlos in Bewegung setzte und Zabrina in ihr neues Leben aufbrach.
„Hoheit, ich ersuche Sie eindringlich, diesen tollkühnen Plan nicht weiterzuverfolgen.“
Roman bedachte seinen Kammerherrn mit einem indignierten Blick. Als König war er Widerworte nicht gewöhnt. Und normalerweise verhielt er sich auch stets vernünftig, pflichtbewusst und äußerst diskret.
Ein harter Zug erschien um seine Mundwinkel.
Nur heute nicht.
Heute, während er am Bahnhof auf die Ankunft der Prinzessin wartete, hörte er auf die Zweifel in seinem Innern, die schon seit Wochen leise in ihm rumorten. Vielleicht hätte er ihnen früher Gehör schenken sollen. Doch wie immer war er ganz und gar in den Staatsgeschäften aufgegangen, hatte keine Zeit für etwas anderes gehabt als das Wohl seines Landes.
„Nun, wären Sie so gütig, mir Ihre Einwände näher zu erläutern?“, fragte er kühl.
Andrei holte tief Luft und nahm all seinen Mut zusammen. „Hoheit, diese … Maskerade stellt meiner Ansicht nach ein hohes Sicherheitsrisiko dar.“
Roman zog die Brauen hoch. „Hier wimmelt es doch sicher vor Leibwächtern, die bereit sind, ihr Leben für mich zu geben, falls nötig.“
„Nun … ja.“
„Wo liegt also das Problem, Andrei? Ich kann kein Risiko erkennen.“
Andrei räusperte sich und schien sich seine nächsten Worte sorgfältig zurechtzulegen. „Wird es die zukünftige Königin nicht erzürnen, wenn sie erfährt, dass der Mann, den sie zu ehelichen gedenkt, sich als gewöhnlicher Leibwächter verkleidet hat?“
„Warum überlassen Sie es nicht mir, das zu beurteilen?“, gab Roman barsch zurück. „Die Gemütslage der zukünftigen Königin ist nun wirklich nicht Ihre Angelegenheit.“
Der Kammerherr neigte den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Verzeihen Sie bitte meine Anmaßung. Ihr Wunsch ist mir Befehl, wie immer, Hoheit. Doch in meiner Eigenschaft als höchstrangiger Berater würde ich meinen Job schlecht erledigen, wenn ich Sie nicht auf die möglichen Fallstricke hinweise, die …“
„Ja, ja, ersparen Sie mir den Vortrag“, unterbrach ihn Roman ungehalten, während sie sich über den roten Teppich in Richtung des prunkvoll in Gold und Schwarz schimmernden Zugs des Königshauses bewegten. „Ich will nur wissen, ob meine Wünsche unmissverständlich klar sind. Sind die anderen Leibwächter und das übrige Personal gebrieft?“
„Selbstverständlich, Hoheit. Für die Dauer der Reise nach Petrogoria übernehmen Sie die Rolle des Chefbodyguards. Eine Rolle, die Sie mit Ihrer Meisterschaft in Kampfsport und Überlebenstraining zweifellos perfekt ausfüllen werden.“
Roman musste grinsen. „Versuchen Sie etwa, mir zu schmeicheln, Andrei?“
„Nicht im Geringsten, Hoheit. Ich weise nur auf die Fakten hin, die belegen, dass Sie über die perfekte Qualifikation verfügen, als Bodyguard zu fungieren. Ihre körperliche Kraft sowie Ihre Geschicklichkeit im Schwertkampf sind legendär. Seien Sie versichert, dass vom Personal jeder instruiert ist, Sie als Constantin Izvor anzusprechen und nicht als Hoheit. Niemand wird sich in Ihrer Gegenwart verbeugen und damit versehentlich Ihre wahre Identität enthüllen.“
„Gut.“
„Abgesehen vom weiblichen Personal haben ausschließlich Sie Zugang zur Prinzessin, auch das ist klar.“
„Korrekt.“
„Wenn Sie gestatten, Hoheit, es ist ein bisschen eigenartig, Sie glatt rasiert zu sehen.“
Roman musste grinsen, denn ihm ging es ähnlich wie seinem Kammerherrn. Seit seinem neunzehnten Lebensjahr hatte er Bart getragen. Die dichte schwarze Haarpracht war gewissermaßen sein Markenzeichen. Auch als er vor vier Jahren den Thron bestiegen hatte, war ihm nicht im Traum eingefallen, sich von seiner Haarpracht zu trennen. Der lange, bis zum Hemdkragen reichende Bart und die ungezähmte Haarmähne verliehen ihm etwas Wildes, Kriegerisches. In den Medien verglich man ihn oft mit einem Piraten.
Nachdem er sich für seinen Rollentausch notgedrungen von seinem Bart und den zu langen Haaren getrennt hatte, war er selbst überrascht über die Veränderung, die das ausmachte. Er erkannte sich kaum wieder, und damit war er nicht allein. Amüsiert hatte er registriert, wie Palastangestellte an ihm vorbeigingen, ohne ihm den nötigen Respekt zu erweisen, weil sie ihn ganz einfach nicht erkannten.
Diese ganz neue Erfahrung hatte eine unerwartete Sehnsucht in ihm geweckt. Die Sehnsucht nach Freiheit und Anonymität. Es war wie ein Blick in eine andere Welt, die ihm für immer verschlossen bleiben würde. Oh, er war natürlich auch schon früher inkognito gereist, meist dann, wenn er eine Geliebte irgendwo in Europa besucht hatte. Doch nie zuvor war er so konsequent in die Rolle eines anderen geschlüpft. Dieses Gefühl empfand er als seltsam befreiend.
Während er auf Zabrinas Ankunft wartete, schmunzelte er im Stillen darüber, wie sein Kammerherr rotierte. Doch er konnte den Mann verstehen, denn er, der König, verhielt sich gerade höchst uncharakteristisch. Jahrelang hatte er keinen Gedanken an diese längst arrangierte Ehe verschwendet. So wurde das in seinen Kreisen eben gehandhabt, das war jahrhundertealte Tradition.
Nur ein einziges Mal war diese Konvention gebrochen worden, ausgerechnet von seinem Vater. Die katastrophalen Folgen wirkten noch Jahre nach. Es war ein schwerer Fehler gewesen, den Roman nicht zu wiederholen gedachte. Die kurze, unglückliche Ehe seiner Eltern war ihm Warnung genug, sich nicht von einem Fantasiekonstrukt namens Liebe den Verstand vernebeln zu lassen.
Grimmig presste er die Lippen zusammen. Bloß Dummköpfe oder Träumer glaubten an die Liebe.
Er wusste, dass er heiraten musste, um für Nachkommen zu sorgen. Dabei war es nur vernünftig, eine Frau auszuwählen, die die Rolle der Königin perfekt ausfüllen würde. Die Chancen auf eine gelungene Ehe standen besser, wenn seine Frau ebenfalls königlichen Geblüts war, auch das wusste er. Ganz nebenbei waren mit diesem speziellen Arrangement auch einige beachtliche Vorteile verbunden. Er würde in den Besitz des Marengo Forests kommen, und Zabrinas Heimatland erhielt eine beträchtliche Finanzspritze.
Auf diese Weise waren alle Beteiligten zufrieden, es war der perfekte Deal. Bis jetzt hatte er sich nicht weiter den Kopf über seine zukünftige Frau zerbrochen. Wenn ihm der Sinn nach Abwechslung stand, hatte es stets Gelegenheit für eine diskrete Affäre gegeben. Doch je näher der Tag der Eheschließung rückte, desto unruhiger wurde Roman plötzlich. Es war alles immer so unendlich weit weg gewesen, und auf einmal schien die Zeit zu rasen.
Roman begann sich zu fragen, was für eine Frau Prinzessin Zabrina wohl in Wirklichkeit war. Gerüchteweise war ihm zu Ohren gekommen, dass sie ein bisschen zu oft auf ihrer eigenen Meinung beharrte und ziemlich kratzbürstig sein konnte. Auch hieß es, dass sie sich häufig nicht an die Regeln hielt und mehr als einmal stundenlang verschwunden war, ohne dass jemand wusste, wo sie steckte.
Das könnte in der Zukunft Probleme bereiten. Was, wenn sich die jungfräuliche Prinzessin als ungeeignet herausstellte, an seiner Seite sein geliebtes Land zu regieren und seine Kinder aufzuziehen?
Romans Kehle fühlte sich plötzlich so rau wie Schmirgelpapier an.
Was, wenn sie so wie seine schwache und inkompetente Mutter war?
Düsternis drohte ihn zu überwältigen. Energisch verscheuchte er das Gefühl. Stattdessen konzentrierte er sich auf den Anblick des Rolls-Royces in der Ferne. Die Fahne von Albastase flatterte im Wind. Schon bald würde er sich keinen Spekulationen mehr hingeben müssen, sondern live und in Farbe herausfinden, wie Prinzessin Zabrina tickte.
Bis jetzt kannte er sie nur von Bildern, auf denen sie oft mit leichtem Misstrauen in die Kamera zu blicken schien, als gefiele es ihr nicht, fotografiert zu werden.
Jetzt war sie da. Die hintere Wagentür wurde geöffnet, und eine Frau stieg aus. Ihre silberfarbenen Schuhe bildeten einen auffälligen Kontrast zum blutroten Teppich. Sie bewegte sich etwas steif und unbeholfen in ihrer Seidenrobe, als fühlte sie sich unbehaglich.
Adrenalin schoss durch Romans Adern, als er sie endlich zu Gesicht bekam. Denn sie war …
Das Herz hämmerte ihm gegen die Rippen.
Sie war ganz und gar nicht das, was er erwartet hatte. Seine Braut war klein und zierlich, wirkte fast wie ein Schulmädchen. Dabei war sie schon dreiundzwanzig – zehn Jahre jünger als er. Sie sah aus wie ein junges Mädchen, auf dessen Schultern das ganze Gewicht der Welt lastete, wenn er ihren ernsten Gesichtsausdruck richtig interpretierte.
Ihr Lächeln wirkte gezwungen. Da täuschte er sich bestimmt, oder? Ihr war doch sicher bewusst, dass es unzählige Frauen gab, die nur zu gern mit ihr tauschen würden.
Welche Frau wäre nicht versessen darauf, den König von Petrogoria zu heiraten?
Beim Näherkommen bemerkte er, dass ihre Haut sonnengebräunt war, ziemlich ungewöhnlich für eine Frau ihres Standes. Dies war keine in Watte gepackte Prinzessin, die sich hinter den schützenden Palastmauern verschanzte, sondern eine Frau, die ihre Zeit gern draußen verbrachte. Hm, bestätigte das nicht die Gerüchte über sie?
Als Nächstes fielen ihm ihre Augen auf, die von einem ungewöhnlich intensiven Grün waren – wie die hohen Bäume des Marengo Forests, der bald ihm gehören würde. Es waren schöne Augen, ausdrucksstark und klug, mit einem Hauch von Unschuld.
Roman unterdrückte den kurzen Anflug von schlechtem Gewissen über sein Täuschungsmanöver – eines Tages würden sie bestimmt gemeinsam darüber lachen – und neigte höflich den Kopf.
„Guten Morgen, Hoheit“, begrüßte er sie. In diesem Moment bedauerte er seine Maskerade als Bodyguard, denn sein königlicher Status hätte es ihm erlaubt, ihre zarte Hand zu nehmen und an seine Lippen zu führen, um den süßen Duft ihrer Haut einzuatmen.
Er räusperte sich, beinahe erschrocken über die heiße Erregung, die ihn plötzlich erfasste. „Mein Name ist Constantin Izvor, Hoheit. Ich bin Chefbodyguard und für Ihre Sicherheit während der Reise nach Petrogoria verantwortlich.“