Das Versprechen des Milliardärs (3in1)

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TRAUMHOCHZEIT MIT VERSPÄTUNG
"Du redest zu viel", knurrte er und verschloss ihren Mund erneut mit seinen Lippen. Sechzehn Monate ist die heiße Nacht mit ihrem Boss Angel Valtinos her. Niemals wird Merry die leidenschaftlichen Stunden vergessen! Denn jedes Mal, wenn sie zärtlich durch die dunklen Locken ihrer kleinen Tochter fährt, muss sie an den glutäugigen Griechen denken. Mit Geld hat er sie eiskalt abgefunden, weil er nichts mit ihr und seinem Kind zu tun haben wollte. Doch dann steht Angel eines Tages vor ihrer Tür. Wie erstarrt hört Merry, was er von ihr verlangt. Soll sie ihn wütend fortschicken - oder ihm voller Sehnsucht um den Hals fallen?

NUR EINE KÖNIGLICHE AFFÄRE?
Warum ist er diese verrückte Wette eingegangen? Prinz Vitale Castiglione könnte sich verfluchen! Er sollte doch nur der hübschen Bürgerlichen Jazmine gesellschaftlichen Benimm beibringen, damit sie ihn auf den königlichen Ball begleitet und mögliche Heiratskandidatinnen entmutigt. Aber seine intimen Nachhilfestunden wecken in dem sonst so vernünftigen Prinzen einen nie gekannten Hunger nach Liebe. Er erobert Jazz leidenschaftlich - eine unmögliche Affäre beginnt! Denn nur eine Frau aus dem Hochadel kann jemals seine echte Prinzessin werden …

DAS SÜNDIGE ANGEBOT DES MILLIARDÄRS
Was für ein Traummann! Sexy und ein bisschen verwegen findet die junge Kellnerin Freddie den Gast in der Hotelbar. Zwar ist sie nicht auf der Suche nach Liebe, aber ein einziges Date mit diesem Zac Da Rocha kann ja nicht schaden, oder? Erst da erfährt sie, wen sie vor sich hat: den Besitzer des Hotels - der ihr ein sündiges Angebot macht. Sie soll ihm einen Erben schenken! Dafür verspricht er ihr ein Vermögen, das für sie und die beiden verwaisten Kinder ihrer Schwester die Rettung wäre. Aber was, wenn ihr Herz der Preis dafür ist?


  • Erscheinungstag 22.08.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783745751161
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Lynne Graham

Das Versprechen des Milliardärs (3in1)

1. KAPITEL

Der griechische Milliardär Angel Valtinos schlenderte in die Büroetage seines Vaters und sah, dass seine Brüder bereits am Empfang warteten. Abrupt blieb er stehen und zog seine ebenholzschwarzen Augenbrauen hoch. „Was wird das hier? Ein Familientreffen?“

„Vielleicht will Papa uns auch wegen irgendetwas zurechtweisen“, kommentierte sein italienischer Halbbruder Prinz Vitale Castiglione amüsiert. Denn sie waren alle schon weit über das Alter hinaus, in dem elterliches Missfallen Anlass zur Sorge gab.

„Tut er das öfter?“, wollte Zac Da Rocha wissen.

Angel fing Vitales Blick auf und presste die Lippen aufeinander. Keiner von ihnen sagte etwas. Zac, ihr unehelicher Bruder aus Brasilien, war eine neue und eher mysteriöse Ergänzung ihrer Familie, und sie hatten ihn noch nicht vollständig akzeptiert. Denn sowohl Angel als auch Vitale neigten dazu, anderen schnell Vertrauen zu schenken.

Vitale grinste. „Du bist der Älteste“, rief er Angel in Erinnerung. „Du stehst ganz oben auf der Agenda.“

„Ich bin mir nicht sicher, dass ich das in diesem Fall möchte“, gestand Angel ein, schüttelte dann aber schnell den ungewöhnlichen Anflug von Unbehagen ab, der sein sonst so unerschütterliches Selbstbewusstsein ins Wanken bringen wollte.

Immerhin hatte Charles Russell im Leben seiner Söhne nie den strengen Vater gespielt. Doch selbst ohne seine Autorität ins Feld zu führen, ist er ein bemerkenswert anständiger Vater gewesen, sinnierte Angel. Charles war weder mit Angels noch mit Vitales Mutter lange verheiratet gewesen, hatte sich aber nach den Scheidungen um eine enge Beziehung zu seinen Söhnen bemüht. Angel nahm an, dass er seine pragmatische Herangehensweise ans Leben und seinen geschäftlichen Scharfsinn von seinem Vater geerbt hatte, wofür er sehr dankbar war. Seine Mutter war eine flatterhafte und leichtsinnige griechische Erbin, deren Umgang mit der Erziehung und Ausbildung ihres Sohnes ohne das Eingreifen seines Vaters fahrlässig gewesen wäre.

Charles Russell durchquerte sein Büro, um seinen ältesten Sohn zu begrüßen. „Du kommst zu spät“, sagte er.

„Mein Vorstandstreffen hat länger gedauert als erwartet“, erwiderte Angel geschmeidig. „Worum geht es hier eigentlich? Als ich Zac und Vitale am Empfang gesehen habe, dachte ich schon, dass es sich um einen Notfall handelt.“

„Das kommt darauf an, was du als Notfall betrachtest.“ Charles musterte seinen hochgewachsenen, dreiunddreißigjährigen Sohn, der ihn um einige Zentimeter überragte.

Ein Sohn, auf den man stolz sein konnte. Das hatte Charles zumindest bis vor Kurzem geglaubt. Doch dann waren ihm verstörende Informationen zu Ohren gekommen, die seinen väterlichen Stolz getrübt hatten. Um fair zu sein, musste man sagen, dass Angel auch die Gene einer unglaublich reichen griechischen Familie mit einem unendlich langen Stammbaum in sich trug, die mehr für ihre Selbstzerstörung als für ihre Erfolge bekannt war. Trotzdem. Charles hatte sich viel auf Angels guten Ruf in der Geschäftswelt eingebildet. Angel war der erste Valtinos seit zwei Generationen, der mehr Geld verdiente, als er ausgab. Er war leistungsorientiert, loyal und ein liebender Sohn und somit das letzte seiner Kinder, von denen Charles erwartet hatte, dass es ihn enttäuschte. Doch Angel hatte genau das getan, als er seine rücksichtslose, unverantwortliche Valtinos-Seite gezeigt hatte.

„Sag mir, worum es geht“, drängte Angel auf seine typisch kühle Art.

Charles lehnte sich gegen seinen aufgeräumten Schreibtisch. Mit Anfang fünfzig war er trotz seiner grauen Haare immer noch ein attraktiver Mann. Sein muskulöser Körper war angespannt. „Wann hast du vor, erwachsen zu werden?“, fragte er ironisch.

Angel blinzelte verwirrt. „Soll das ein Witz sein?“

„Traurigerweise nicht. Vor einer Woche habe ich aus einer Quelle, die ich nicht nennen werde, erfahren, dass ich Großvater bin.“

Angels attraktive Gesichtszüge erstarrten, und sein Blick wurde undurchdringlich. Dann reckte er aggressiv das Kinn vor, wie um seinen Schock zu verbergen. Das Problem, von dem er gehofft hatte, es unauffällig aus dem Weg räumen zu können, war ausgerechnet von dem einzigen Mann auf der Welt in Erfahrung gebracht worden, dessen Meinung er wertschätzte.

„Und noch dazu der Großvater eines Kindes, das ich, wenn es nach dir geht, nie kennenlernen werde“, fügte Charles bedauernd an.

Angel runzelte die Stirn und zuckte dann auf typisch griechische Art mit den Schultern. „Ich wollte dich beschützen …“

„Nein. Deine einzige Motivation war, dich zu beschützen“, widersprach Charles, ohne zu zögern. „Vor den Anforderungen, die ein Kind mit sich bringt, und vor der Verantwortung.“

„Es war ein Unfall. Erwartest du etwa von mir, mein Leben wegen eines Missgeschicks komplett auf den Kopf zu stellen?“, fragt Angel defensiv.

Sein Vater sah ihn nur an. „Ich habe dich nie als Missgeschick betrachtet.“

„Deine Beziehung mit meiner Mutter stand auf ganz anderen Füßen“, erklärte Angel mit dem Stolz seiner wohlhabenden, privilegierten Vorfahren.

Ein Schatten verdunkelte das Gesicht des älteren Mannes. „Angel … Ich habe dir nie die ganze Wahrheit über meine Ehe mit deiner Mutter erzählt, weil ich nicht wollte, dass du sie weniger respektierst“, gab er widerstrebend zu. „Aber Fakt ist, dass Angelina dich bewusst empfangen hat, sobald sie erkannte, dass ich unsere Beziehung beenden will. Ich habe sie geheiratet, weil sie schwanger war, nicht, weil ich sie geliebt habe.“

Das Geständnis überraschte Angel, schockierte ihn aber nicht. Ihm war immer bewusst gewesen, dass seine Mutter verwöhnt und egoistisch war und mit Zurückweisung nicht gut umgehen konnte. „Und eure Ehe hat nicht funktioniert, oder? Also kannst du mir ja wohl kaum vorschlagen, dass ich die Mutter meines Kindes heiraten soll!“

„Nein, Angelina Valtinos zu heiraten, hat für mich nicht funktioniert“, gab Charles zu. „Aber für dich hat es wunderbar funktioniert. Du hast einen Vater bekommen, der nur dein Bestes im Sinn hatte und sich in deine Erziehung mit einbringen durfte.“

Bei dieser Erwiderung biss Angel die Zähne zusammen, denn sie entsprach der Wahrheit. „Ich sollte dir vermutlich für dein Opfer danken“, sagte er rau.

„Das musst du nicht. Der wundervolle kleine Junge ist zu einem Mann herangewachsen, den ich respektiere …“

„Mit Ausnahme des angesprochenen Themas“, unterbrach ihn Angel angespannt.

„Du bist das falsch angegangen. Du hast die Anwälte angerufen, diese Geier, deren einzige Motivation darin besteht, dich und den Namen und das Vermögen der Valtinos zu beschützen …“

„Ganz genau“, warf Angel sanft ein. „Sie beschützen mich.“

„Aber willst du denn dein eigenes Kind nicht kennenlernen?“, fragte Charles mit wachsender Verzweiflung.

Scham stieg in Angel auf, und das machte ihn wütend. „Natürlich will ich das, aber es ist nicht leicht, an seiner Mutter vorbeizukommen.“

„So siehst du das also? Du machst sie für diesen Schlamassel verantwortlich?“ Charles schüttelte den Kopf. „Deine Anwälte haben sie gezwungen, im Gegenzug für finanzielle Unterstützung einen Geheimhaltungsvertrag zu unterzeichnen. Du hast dabei keinerlei Anstalten gemacht, ein Umgangsrecht für dein Kind auszuhandeln.“

Angel verkrampfte sich. Er kämpfte seine Verärgerung nieder und war entschlossen, sich nicht dem frustrierenden Zorn zu ergeben, der in seinem Inneren tobte. Er sollte verdammt sein, wenn er zuließ, dass diese ärgerliche Baby-Situation, wie er sie nannte, zwischen ihn und seinen geliebten Vater kam. „Das Kind war zu dem Zeitpunkt noch nicht geboren. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich fühlen würde, sobald es auf der Welt wäre.“

„Deine Anwälte haben sich natürlich darauf konzentriert, deine Privatsphäre und dein Vermögen zu schützen. Deine Rolle wäre es gewesen, sich auf den Familienaspekt zu konzentrieren“, betonte Charles. „Stattdessen hast du dir die Mutter deines Kindes zum Feind gemacht.“

„Das war nicht meine Absicht. Ich habe die Valtinos-Anwälte nur eingeschaltet, um das Persönliche aus den Verhandlungen herauszuhalten.“

„Und wie hat dieser unpersönliche Ansatz für dich funktioniert?“, fragte Charles trocken.

Beinahe hätte Angel laut aufgestöhnt. Um ehrlich zu sein, er hatte bekommen, was er glaubte, haben zu wollen – und dann zu spät erkannt, dass es überhaupt nicht das war, was er sich vorstellte. „Sie will nicht, dass ich zu Besuch komme.“

„Und wessen Schuld ist das?“

„Meine“, gab Angel grimmig zu. „Aber im Moment zieht sie mein Kind unter unpassenden Umständen auf.“

„Ja, als Hundehüterin zu arbeiten, während man die nächste Valtinos-Erbin aufzieht, wird nicht empfohlen“, merkte sein Vater ironisch an. „Nun, zumindest ist diese Frau nicht auf dein Geld aus. Denn sonst wäre sie in London geblieben und hätte es sich mit deinen Zahlungen gut gehen lassen. Auf keinen Fall wäre sie nach Suffolk aufs Land zu ihrer ältlichen Tante gezogen, um sich dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“

„Die Mutter meiner Tochter ist verrückt!“, stieß Angel hervor und zeigte das erste Mal eine emotionale Reaktion. „Sie versucht alles, damit ich mich schlecht fühle.“

Charles hob fragend eine Augenbraue. „Meinst du? Das scheint mir ein ziemlicher Aufwand zu sein für einen Mann, den zu sehen sie sich weigert.“

„Sie besaß die Frechheit, meinem Anwalt zu sagen, dass sie mir nicht erlauben könne, sie zu besuchen, weil sie damit einen Bruch der Geheimhaltungsvereinbarung riskiert“, knurrte Angel.

„Diese Sorge von ihr könnte berechtigt sein“, überlegte sein Vater. „Die Paparazzi folgen dir überall hin. Wenn du die Frau besuchst, würden sie und das Kind damit ins Scheinwerferlicht gerückt.“

Angel richtete sich zu seiner vollen Größe auf und straffte die Schultern. „Ich wäre diskret.“

„Leider ist es ein wenig spät, um sich über das Besuchsrecht zu streiten. Das hättest du von Anfang an berücksichtigen sollen, denn in England haben unverheiratete Väter nur wenige bis gar keine Rechte …“

„Schlägst du etwa wirklich vor, dass ich sie heirate?“, wollte Angel ungläubig wissen.

„Nein.“ Charles schüttelte den Kopf. „So eine Geste muss von Herzen kommen.“

„Oder kopfgesteuert“, korrigierte Angel. „Ich könnte sie heiraten, mit nach Griechenland nehmen und dort um das Sorgerecht kämpfen. Denn da wäre ich im Vorteil. Diese Option ist mir sogar an einem Punkt von meinen Anwälten vorgeschlagen worden.“

Charles betrachtete seinen unverfroren rücksichtslosen Sohn mit leichter Besorgnis. Es war nie seine Absicht gewesen, die Situation zwischen Angel und der Mutter des Kindes eskalieren zu lassen. „Ich hoffe, dass du nicht einmal darüber nachdenkst, dich auf so ein Niveau zu begeben. Ganz sicher ist doch noch eine vernünftigere Lösung denkbar?“

Wie sollte er das nach allem, was passiert war, noch wissen? Merry Armstrong hatte seine Pläne durchkreuzt, ihn abgeblockt und ihm eine Reihe von unverschämten Argumenten vor die Füße geworfen, anstatt ihm einfach das zu geben, was er wollte. So ein respektloses Verhalten war Angel nicht gewohnt.

In seinem Leben hatte er von den Frauen eigentlich immer bekommen, was er wollte und wann er es wollte. Das andere Geschlecht betete ihn normalerweise an – von seiner Mutter über seine Tanten und seine Cousinen bis zu den Frauen, die ihm im Bett wie einem Gott huldigten. Die Frauen lebten, um Angel zu gefallen, ihm zu schmeicheln, ihn zu befriedigen. So war es in Angels privilegierter Welt aus Bequemlichkeit und Vergnügen schon immer gewesen. Und er hatte diese Realität als gegeben hingenommen. Bis zu dem sehr düsteren Tag, an dem er sich entschieden hatte, sich auf Merry Armstrong einzulassen …

Sie war ihm sofort aufgefallen. Das glänzende dunkelbraune Haar, das zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst war, der ihr beinahe bis zur Taille reichte. Die hellblauen Augen und der rosige volle Mund, der für einen fantasiebegabten Mann von Sünde sprach. Dazu die endlos langen, schlanken Beine … Ihr Zusammentreffen war unausweichlich gewesen, obwohl Angel noch nie zuvor mit einer seiner Angestellten geschlafen und sich immer geschworen hatte, es niemals zu tun.

Merry hielt den Briefumschlag, den der Briefträger ihr gerade überreicht hatte, in den zitternden Fingern. Ein zerzauster kleiner Yorkshire Terrier sprang ihr lautstark um die Füße.

„Ruhig, Tiger“, murmelte Merry energisch, denn der kleine Hund war bei ihr zur Pflege, damit sie ihn ausbildete und er somit bessere Chancen auf eine Vermittlung hatte. Doch sie wusste natürlich, dass sie bei Tiger die Regel ihrer Tante Sybil gebrochen hatte, die da lautete, sich nie emotional auf einen der Pflegehunde einzulassen. Tiger durfte inzwischen mit aufs Sofa und auf Merrys Schoß. Sybil liebte Hunde, hielt aber nichts davon, sie zu vermenschlichen oder zu verhätscheln. Vielleicht bin ich emotional genauso beschädigt wie Tiger, dachte Merry. Tiger brauchte Futter als Trost, sie brauchte es, mit einem Hund zu kuscheln. Oder machte sie sich etwas vor, wenn sie die Demütigung, die sie durch Angel erlitten hatte, mit dem Missbrauch verglich, den Tiger hatte durchmachen müssen? Machte sie aus einer Mücke einen Elefanten, wie Sybil ihr einmal barsch erklärt hatte?

Sie drehte den Umschlag um, und ihr Magen zog sich vor Übelkeit zusammen, als sie den Londoner Poststempel erblickte. Es war ein weiterer offizieller Brief, und damit konnte sie im Moment nicht umgehen. Angewidert und mit einem Anflug von Furcht stopfte sie das Couvert in die Schublade des alten Flurtischchens, wo es bleiben würde, bis sie ruhig genug wäre, um sich damit zu beschäftigen.

Ruhig zu sein war für Merry eine Herausforderung, seitdem sie das erste Mal von den Valtinos-Anwälten gehört hatte und sich seitdem mit dem Stress, den Terminen und Beschwerden herumschlagen musste. Sie befand sich in einer nicht enden wollenden juristischen Schlacht, wo alles, was sie tat, Anlass zu Kritik oder einer anderen einschüchternden Forderung war. Bei dem Gedanken daran, schon wieder einen höflich-bedrohlichen Brief öffnen zu müssen, baute sich ein Zorn in ihr auf, den sie vor einem knappen Jahr noch nicht gekannt hatte. Dieser Zorn schien sie zu vereinnahmen, und er machte ihr manchmal Angst, denn bis ihr Weg den von Angel Valtinos gekreuzt hatte, waren ihr solche Gefühle vollkommen fremd gewesen. Er hatte ihr nichts als Verbitterung, Hass und Feindseligkeit beigebracht – alles Emotionen, auf die sie gut verzichten könnte.

Aber, musste sie sehr, sehr widerstrebend zugeben, er hatte ihr auch Elyssa geschenkt …

Erpicht darauf, ihre Gedanken in eine fröhlichere Richtung zu lenken, schaute Merry aus der Küche hinüber in das winzige Wohnzimmer des Häuschens, in dem sie wohnte. Ihre Tochter saß auf dem Teppich und spielte fröhlich mit ihrem Spielzeug. Schwarze Locken umrahmten ihr engelhaftes Gesicht mit der olivfarbenen Haut und dem kleinen Schmollmund. Sie hatte die Locken ihres Vaters und die Augen und den Mund ihrer Mutter und war, Merrys Meinung nach, ein unglaublich hübsches Baby. Wobei Merry, was das anging, vielleicht ein wenig voreingenommen war.

Vor ihrer unglücklichen Schwangerschaft und Elyssas Geburt hätte Merry sich niemals vorstellen können, dass die Ankunft ihrer Tochter ihre Sicht auf die Welt verändern und Merry mit einer nie gekannten bedingungslosen Liebe erfüllen würde. Inzwischen wusste sie: Es gab nichts, was sie für Elyssa nicht tun würde.

Ein leises Klopfen an der Hintertür verkündete Sybils Eintreten in die Küche. „Ich setze den Kessel auf … Zeit für einen Tee“, sagte sie fröhlich. Die schlanke Blondine ging auf die sechzig zu, war aber immer noch unglaublich schön, wie es sich für eine Frau gehörte, die in den Achtzigerjahren ein international gefragtes Supermodel gewesen war.

Sybil war von klein auf Merrys Vorbild gewesen. Ihre Mutter Natalie hatte geheiratet, als Merry sechzehn war, und war mit ihrem Ehemann nach Australien gezogen. Merry war bei ihrer Tante geblieben. Mit Sybil stand Merry sich wesentlich näher als mit ihrer Mutter. Das Tierasyl war von ihrer Tante mit den Einnahmen aus ihrer Modelkarriere aufgebaut worden. Als Sybil ausreichend Geld gespart hatte, um sich für den Rest ihrer Tage um die Pflege von heimatlosen Hunden zu kümmern, hatte sie ihrem glamourösen Leben den Rücken gekehrt.

Gegen Ende ihrer Schwangerschaft hatte Merry angefangen, in dem Hundeasyl mitzuhelfen. Sie hatte mit ihrer Tante in der alten Scheune gewohnt, die Sybil stylish hatte umbauen lassen, und gleichzeitig vorsichtig Pläne für eine unabhängigere Zukunft geschmiedet. Als Buchhalterin hatte sie ein kleines Büro eröffnet, in dem sie sich um die Buchhaltung der örtlichen Ladenbesitzer kümmerte. Inzwischen reichte ihr Einkommen, um sich sogar ein Auto zu leisten und ihrer Tante eine gute Miete für das Häuschen zu zahlen, das sich am Eingang zum Grundstück des Hundeasyls befand. Das Häuschen war winzig und altmodisch, verfügte aber über zwei Schlafzimmer und einen kleinen Garten und entsprach somit genau dem, was Merry und Elyssa derzeit benötigten.

Sybil war der Halt in Merrys Leben, gab ihr Zuneigung und Sicherheit. Als Natalie, Merrys Mutter, mit neunzehn schwanger wurde und sich nach der Geburt als vollkommen ungeeignet für die Erziehung eines Kindes erwiesen hatte, war Sybil regelmäßig am Wochenende als Babysitterin eingesprungen und hatte Merry mit zu sich aufs Land genommen, damit Natalie mit ihren Freunden feiern gehen konnte.

Eine lange Reihe von unpassenden Männern war durch Natalies Leben gezogen – gewalttätige Männer, betrunkene Männer, Männer, die Drogen nahmen, Natalies Geld stahlen und sich weigerten, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Als dieser Lebensstil Auswirkungen auf Merrys Leistungen in der Schule hatte und das Jugendamt drohte, sie in eine Pflegefamilie zu stecken, war Sybil wieder eingesprungen und hatte Merry zu sich genommen.

Neun glorreiche Jahre hatte Merry allein mit Sybil gelebt, das in der Schule Versäumte nachgeholt, gelernt, wieder ein Kind zu sein. Von ihr wurde nicht länger verlangt, zu kochen und zu putzen, sich in ihrem Zimmer zu verstecken, während die Erwachsenen unten einander so laut anschrien, dass die Nachbarn die Polizei riefen. Doch diese Periode der Sicherheit hatte geendet, als Natalie wieder einmal einen Neuanfang machte und verlangte, dass ihre Tochter zu ihr zurückkehrte.

Natürlich hatte es nicht funktioniert, denn inzwischen hatte Natalie sich an ihre Freiheit gewöhnt, und anstatt in Merry eine kleine beste Freundin zu finden, die sie erwartet hatte, traf sie auf eine Tochter, mit der sie nichts mehr gemeinsam hatte. Sobald Keith in Natalies Leben trat, war das Ende vorherbestimmt. Er war jünger als Natalie und hatte deutlich gemacht, dass er keine Lust hatte, mit kaum dreißig die Vaterrolle zu übernehmen. Vielmehr wollte er nach Australien zurückkehren und Natalie mitnehmen. Merry war daraufhin erneut zu Sybil gezogen und hatte ihre Mutter seitdem nie wiedergesehen.

„Habe ich da gerade den Briefträger gesehen?“, fragte Sybil.

Merry verkrampfte sich und wurde rot bei dem Gedanken an den Umschlag, der in der Schublade im Flurtischchen steckte. „Ich habe im Internet etwas für Elyssa bestellt“, log sie beschämt. Aber einer so mutigen Frau wie Sybil gegenüber konnte sie nicht zugeben, dass ein Brief ihr solche Angst machte.

„Keine weiteren Briefe von ‚Dem, der nicht genannt werden darf‘?“, hakte Sybil überraschenderweise nach, denn in letzter Zeit hatte sie dieses Thema meistens auf sich beruhen lassen.

„Offensichtlich machen wir gerade eine kleine Pause von dem Drama, was sehr angenehm ist“, murmelte Merry und wandte sich schnell ab, um Teebeutel in die Becher zu hängen.

Sybil hob ihre Großnichte vom Teppich und herzte sie, bevor sie sich mit ihr auf dem Schoß hinsetzte.

„Denk nicht mal an ihn.“

„Das tue ich nicht“, log Merry, während Selbstekel in ihr aufstieg, weil nur eine komplette Idiotin ihre Zeit damit vergeuden würde, an einen Mann zu denken, der sie so schlecht behandelt hatte. Aber wie sollte Sybil das verstehen? Als umwerfend schöne und berühmte junge Frau hatte sie die Verehrer reihenweise abwehren müssen, aber nie den einen getroffen, mit dem sie sesshaft werden wollte. Merry bezweifelte, dass je ein Mann Sybil gegenüber respektlos gewesen war.

„Er wird seine gerechte Strafe noch bekommen“, sagte Sybil voraus. „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“

„Aber es stört mich, dass ich ihn so sehr hasse“, gab Merry atemlos zu. „Ich habe noch nie jemanden gehasst.“

„Du bist immer noch verletzt. Aber jetzt, wo du wieder angefangen hast, mit Männern auszugehen, werden diese bösen Erinnerungen bald verblassen.“

Ein unerwartetes Lächeln erhellte Merrys Gesicht bei der Aussicht auf den Ausflug am morgigen Nachmittag. Als Tierchirurg kam Fergus Wickham regelmäßig in ihr Hundeasyl. Merry hatte ihn kennengelernt, als sie ihrer Meinung nach abschreckend schwanger gewesen war. Nur hatte ihn das offenbar nicht gestört, sondern er hatte sich einfach Zeit gelassen, bis ihre Tochter auf der Welt und Merry einem Annäherungsversuch gegenüber aufgeschlossener war.

Ich mag Fergus, ich genieße seine Gesellschaft, rief sie sich stoisch in Erinnerung. Er löste bei ihr keine Schmetterlinge im Bauch oder Sehnsucht nach seinen Küssen aus, aber wie wichtig waren solche körperlichen Gefühle im Vergleich zum Großen und Ganzen? Angels sexuelle Anziehungskraft war mit dem Biss einer Giftschlange vergleichbar. Wunderschön, aber tödlich. Guter Gott, wie sehr sie ihn hasste. Die in ihr lodernden Emotionen katapultierten sie in ihrer Erinnerung erbarmungslos sechzehn Monate in der Zeit zurück …

2. KAPITEL

Merry trat ihre erste Stelle voller Enthusiasmus an, auch wenn es sich nicht um ihren Traumjob handelte. Nach ihrem erstklassigen Universitätsabschluss in Finanz- und Rechnungswesen hatte sie nicht vor, sich dauerhaft am Empfang von Valtinos Enterprises einzurichten.

Aber sie hatte dringend eine lukrative Arbeit benötigt, weil sie für ihr Gefühl schon viel zu lange auf Sybils Großzügigkeit angewiesen war. Sybil hatte sie bereits während ihres Studiums unterstützt, indem sie ihr Ferienjobs in ihrem Hundeasyl gegeben hatte. Und Merry hatte bei ihr immer ein behagliches Zuhause gehabt, in das sie an den Wochenenden und in den Ferien zurückkommen konnte.

Ihr Job bei Valtinos Enterprises war Merrys erster Schritt in Richtung wahre Unabhängigkeit. Die Arbeit wurde gut bezahlt und ließ ihr genügend Zeit, um sich nach einer passenderen Stelle umzusehen.

Als Angel an ihrem ersten Tag aus dem Fahrstuhl kam, stockte Merry der Atem, als hätte ihr jemand in den Magen geboxt. Er hatte schwarze Locken, die immer ein wenig zerzaust aussahen, und ein schlankes, auf düstere Art schönes Gesicht mit hohen Wangenknochen, einer schmalen, geraden Nase und funkelnden goldbraunen Augen. Augen, die, wie sie viel später feststellen sollte, so hart und kalt werden konnten wie ein schwarzer Diamant.

„Sie sind neu hier“, merkte er an und musterte sie mit einer leichten Bewunderung im Blick, von der ihr ganz heiß wurde.

„Heute ist mein erster Tag, Mr. Valtinos“, erwiderte sie.

„Vergeude dein Lächeln nicht an ihn“, flüsterte ihre Kollegin, als Angel in sein Büro weiterging. „Er flirtet nicht mit den Angestellten. Im Gegenteil, es geht sogar das Gerücht um, dass er schon einige seiner Assistentinnen gefeuert hat, weil sie zu persönlich wurden.“

„Ich bin nicht an ihm interessiert“, erwiderte Merry amüsiert – und es stimmte. Was Männer anging, zeigte sie nur selten Interesse.

Als Kind zuzusehen, wie ihre Mutter ständig nach dem Mann ihrer Träume suchte und dabei alles andere im Leben vernachlässigte, hatte Merry Angst gemacht. Nach dieser instabilen Kindheit war ihr Sicherheit sehr wichtig. Sie ging niemals ein Risiko ein. Eigentlich war sie sogar der risikoscheuste Mensch, den sie kannte.

Diese ihr innewohnende Vorsicht hatte dazu geführt, dass sie auf der Universität nur gelernt und kaum an sozialen Aktivitäten teilgenommen hatte. Es hatte den einen oder anderen Freund gegeben, aber keinen, den sie in ihr Bett eingeladen hatte. Zu sehen, wie die Beziehungen um sie herum alle irgendwann böse endeten, hatte sie noch weiter abgeschreckt. Ihr gefiel ein ruhiges, aufgeräumtes Leben. Was in keiner Weise erklärte, wie sie jemals mit einem so unbeständigen Mann wie Angel hatte intim werden können.

Es stimmte, de facto passten sie und Angel überhaupt nicht zusammen. Angel hatte ein Temperament, das an einen Vulkan erinnerte – es brach jedes Mal aus, wenn jemand etwas tat oder sagte, was er als dumm erachtete. Er war weder tolerant noch unproblematisch im Umgang. In den ersten Wochen ihrer Anstellung sah sie regelmäßig persönliche Mitarbeiter aus seinem Büro hasten, die gestresst und beklommen wirkten. Angel war ungeduldig und fordernd. In seinen maßgeschneiderten Designeranzügen mochte er wie ein Topmodel aussehen, aber er besaß Charakterzüge eines Tyrannen und einen unbändigen Appetit auf Arbeit und Erfolg. Das Einzige an ihm, was ihr in jenen ersten Wochen Respekt einflößte, war seine Cleverness.

Wenn sie bei den Vorstandstreffen Kaffee servierte, hörte sie, wie er ellenlange Argumente mit nur wenigen gezielten Worten zerpflückte. Ihr fiel auf, dass die Menschen zuhörten, wenn er sprach, und versuchten, ihm zu gefallen und ihn zu beeindrucken. Ab und zu schwebten wunderschöne Blondinen herein, um sich mit ihm zum Lunch zu treffen – die typischen Damen der Gesellschaft, die offenbar nur für ihre beneidenswerten Gesichter und Körper sowie ihre Fähigkeit, Angel bewundernd anzusehen, ausgesucht worden waren. Die, die ohne Einladung erschienen, schafften es nicht einmal über die Schwelle zu seinem Büro. Er behandelte Frauen als lockere Abwechslung und ließ sie fallen, sobald sie ihn langweilten. Die Parade an sich ständig ändernden Gesichtern machte deutlich, dass er sehr schnell gelangweilt war.

Kurz, nichts an Angel Valtinos hätte Merry anziehen sollen. Er hatte beinahe jede Eigenschaft, die sie an einem Mann nicht leiden konnte. Er war ein egoistischer, anmaßender, übersexualisierter Workaholic, der von einem Leben in Luxus und von mehr weiblicher Bewunderung, als gut für ihn war, verwöhnt worden war.

Aber selbst nach sechs Wochen in seinem Einflussbereich war es Merry unmöglich, ihren Blick von ihm loszureißen. Er beherrschte einen Raum, indem er ihn einfach betrat. Selbst seine Stimme war dunkel, tief und charismatisch. Sobald eine Frau einmal diesen leicht lasziv wirkenden Tonfall gehört hatte, musste sie einfach den Kopf drehen und hinsehen. Angels dynamische Persönlichkeit durchflutete die Londoner Zentrale seines Unternehmens wie eine Energiewelle, und seine wechselhaften Launen hielten seine Mitarbeiter auf Trab. Wenn er auf Reisen war, fühlte sich Valtinos Enterprises glanz- und leblos an.

Als eine von Angels persönlichen Assistentinnen kündigte und die Position intern ausgeschrieben wurde, bewarb Merry sich. Sie war heiß darauf, die Karriereleiter hinaufzuklettern. Angel bat sie in sein Büro und musterte sie aus seinen goldbraunen Augen. „Warum arbeitet jemand mit Ihren Fähigkeiten am Empfang?“, wollte er ungeduldig wissen.

„Es war der erste Job, der mir angeboten wurde“, gab Merry zu und wischte sich die feuchten Handflächen an ihrem Rock ab. „Ich hatte vor, mich anderweitig umzusehen.“

Angel erhob sich zu seiner beeindruckenden Größe und reichte Merry einen dünnen Aktenordner. „Suchen Sie sich einen ruhigen Platz zum Arbeiten. Für den heutigen Vormittag sind Sie vom Empfang freigestellt. Überprüfen Sie diese Firma und liefern Sie mir eine akkurate Einschätzung der finanziellen Historie und der derzeitigen Leistung. Wenn Sie das gut machen, werden wir heute Nachmittag ein Bewerbungsgespräch führen.“

Am Nachmittag legte er die Akte auf seinen Schreibtisch und musterte Merry. „Das haben Sie sehr gut gemacht, aber Sie sind in Ihrer Vorhersage etwas zu vorsichtig. Ich liebe das Risiko“, verkündete er und beobachtete sichtlich amüsiert, wie sie bei diesem Eingeständnis überrascht die Stirn runzelte. „Sie haben den Job. Ich hoffe, Sie können mit dem Druck umgehen. Das kann nicht jeder.“

„Wenn Sie mich anschreien, schreie ich vermutlich zurück“, warnte Merry ihn vorsichtig.

Er verzog seine wohlgeformten Lippen zu einem zustimmenden Grinsen, und das ließ ihn so unglaublich attraktiv aussehen, dass Merry den Blick kaum abwenden konnte. „Das mit uns könnte hervorragend funktionieren.“

Und so begann die aufregendste Phase in Merrys Arbeitsleben. Sie war die Jüngste in Angels persönlichem Team, trotzdem betraute er sie mit allem, was mit Zahlen zu tun hatte. Sybil freute sich über die Beförderung ihrer Nichte, wäre aber entsetzt gewesen von den langen Arbeitszeiten und der Verantwortung, die Merry trug.

„Der Boss ist scharf auf dich“, sagte einer ihrer männlichen Kollegen amüsiert zu ihr, als sie zwei Monate dabei war. „Offensichtlich hast du etwas, das die ganzen langbeinigen Blondinen, die hier durchmarschieren, nicht haben, denn er beobachtet dich ständig.“

„Mir ist nichts aufgefallen“, erwiderte sie fest, denn so einen Kommentar konnte sie nicht einfach so stehen lassen.

Doch noch während sie das sagte, wurde ihr klar, wie unauffällig und unpersönlich sie sich in Angels Nähe benahm, weil sie sich seiner auf eine Weise bewusst war, die sie noch nie zuvor erlebt hatte. Wenn sie dumm genug war, ihm direkt in die Augen zu schauen, schlug ihr Herz schneller, und ihr Mund wurde ganz trocken. Diese Reaktion war ihr unendlich peinlich – nicht nur, weil er ihr Chef war, sondern weil sie das Gefühl hatte, außer Kontrolle zu sein.

Und dann mischte sich das Schicksal ein. Denn Merry war sich sicher, dass keiner von ihnen sonst irgendeinen Vorstoß gewagt hätte. Ein höchst ansteckender Grippevirus hatte die Mannschaft dezimiert. Während mehr und mehr Angestellte zu Hause blieben, musste Merry immer öfter allein mit Angel arbeiten. Eines Abends bot er ihr in seinem Büro einen Drink und eine Heimfahrt an. Den Drink lehnte sie ab, da es ihr unklug erschien, doch die Heimfahrt nahm sie an, weil sie dann schneller zu Hause wäre.

Auf der Fahrt im Fahrstuhl nach unten in die Tiefgarage musterte Angel sie aus seinen schwelenden goldenen Augen. Merry war schwindelig und heiß, und das Atmen fiel ihr schwer. Er hob eine Hand und strich mit einem langen, schlanken Finger über ihre volle Unterlippe. Die Berührung ließ sie erschauern. Und dann, als wäre der letzte unsichtbare Faden seiner Zurückhaltung gerissen, drückte er Merry gegen die Spiegelwand und küsste sie – hungrig, fiebrig, wild, mit einer Leidenschaft, gegen die sie machtlos war.

„Komm mit mir nach Hause“, drängte er mit rauer Stimme, während sie sich bemühte, sich zusammenzureißen.

„Auf keinen Fall.“ Ihr wurde mit einem Mal eiskalt. „Das war ein Fehler. Vergessen wir es.“

„Das ist nicht immer möglich.“ Angel atmete schwer. „Ich versuche schon seit Wochen zu vergessen, welche Gefühle du in mir auslöst.“

Verstört von diesem offenen Geständnis, murmelte Merry: „Das ist nur Sex. Das muss man einfach ignorieren.“

Angel, der gerade aus dem Fahrstuhl getreten war, drehte sich verwundert zu ihr um. „Ignorieren?“

Bevor die Fahrstuhltüren zugleiten konnten, hielt Angel sie schnell mit einer Hand auf. „Komm.“

„Ich fahre mit der U-Bahn, wie sonst auch.“

„Sei nicht albern“, stieß er hervor. „Ich habe mich unter Kontrolle.“

Davon war Merry nicht überzeugt. Aber ihr leichtes Zögern reichte, damit Angel ihre Hand packte und Merry aus dem Fahrstuhl zog. „Ich setze dich zu Hause ab.“

„Es gibt Grenzen, die nicht überschritten werden sollten“, ermahnte sie ihn auf dem Weg zu seinem Auto.

„Halt mir keine Predigten“, entgegnete Angel angespannt. „Ich bin nicht dafür bekannt, mich an meine Angestellten heranzumachen. Du bist eine Ausnahme.“

„Und es wird nicht noch einmal passieren, nun, wo wir beide wachsamer sind. Also vergessen wir es einfach.“ Atemlos glitt Merry in das silberne, tiefergelegte Geschoss von einem Auto, das, wie sie schätze, mehrere ihrer Jahreseinkommen wert war. „Ich habe dich davor bewahrt, einen Fehler zu begehen.“

„Du predigst schon wieder“, schalt Angel sie. „Wenn ich nicht aufgehört hätte, dich zu küssen, wären wir jetzt immer noch in diesem Fahrstuhl.“

„Nein. Ich hätte dich von mir geschoben“, behauptete sie kühl und selbstsicher.

Sie nannte ihm ihre Adresse, auch wenn er sie schon zu wissen schien, und die Fahrt durch den dichten Verkehr verlief in angespanntem Schweigen. Vor dem hässlichen Gebäude, in dem sie lebte, hielt Angel an. „Du könntest es dir leisten, in einer besseren Gegend zu wohnen“, merkte er an.

„Ich habe ein gut gepolstertes Sparkonto“, erwiderte sie voller Stolz. Dann öffnete sie den Gurt in dem Moment, in dem Angel erneut nach ihr griff.

Er senkte seinen sinnlichen Mund mit unbändigem Verlangen und einem frustrierten Stöhnen auf ihren. Ihr gesamter Körper erwachte zum Leben. Hitze schoss in ihre Mitte, und ihre Brustspitzen richteten sich schmerzhaft auf.

Angel hob den Kopf. „Ich warte immer noch darauf, dass du mich wegschiebst.“

„Ich glaube nicht, dass du eine Ohrfeige zu schätzen wüsstest“, erwiderte Merry. Ihr Gesicht brannte vor Demütigung.

„Wenn das bedeuten würde, dass du endlich deine eiserne Kontrolle aufgibst, würde ich sogar darum betteln“, flüsterte Angel rau.

Merry sprang wie von der Tarantel gestochen aus seinem Sportwagen. Sie war erschüttert, dass sie es nicht geschafft hatte, ihre hohen Ansprüche an ihr eigenes Verhalten zu erfüllen. Sie hätte ihn wegstoßen, ihn ohrfeigen müssen, um ihm ihre Botschaft unmissverständlich klarzumachen. Alles andere funktionierte nicht. Er war ein wettbewerbsorientierter, aggressiver Mann, der eine Niederlage andernfalls nur als Herausforderung ansah.

Sein Auto blieb am Bürgersteig stehen, bis Merry im Gebäude verschwand. Erst dort konnte sie wieder atmen und ihre Lungen mit dringend benötigter Luft füllen. Sie schauderte, als wäre sie in einen Schneesturm geraten. Sie war durcheinander und fassungslos, und dafür hasste sie Angel beinahe.

Das Gefühl seines Mundes auf ihrem, die Hitze, die sich explosionsartig bis zu Merrys intimsten Stellen ausgebreitet hatte … Wie konnte er es wagen, ihr so etwas anzutun?

Überwältigt von ihrer ersten Erfahrung mit sexueller Verlockung, rollte sie sich in dieser Nacht in ihrem Bett zusammen. Als Angel sie geküsst hatte, war sie unfähig gewesen, zu denken oder zu atmen. So eine Wirkung hatte bisher noch keine Zärtlichkeit auf Merry gehabt, und es nervte sie, dass ein einziger Kuss einen solchen Eindruck auf sie machen konnte.

Als sie am nächsten Tag zur Arbeit kam, war sie sehr nervös, aber Angel benahm sich nicht anders als sonst, was sie wiederum ein wenig irritierte. Wie konnte er so tun, als hätte er ihr nicht angeboten, sie vergangene Nacht mit in sein Bett zu nehmen? Wie konnte er sie danach einfach behandeln wie jede andere auch? Denn sie musste für diese Momente der Intimität einen hohen Preis zahlen. Es war, als hätte er ihre harte Schale weggekratzt und Merry aus ihrer schützenden Hülle herausgelockt, damit sie die körperlichen und emotionalen Reaktionen spürte, die sie bisher nie zugelassen hatte.

Während der folgenden Woche war sie sich Angels Gegenwart auf eine fieberhafte Weise bewusst. Ein Blick von ihm genügte, um ihr Verlangen zu wecken. Ihr BH fühlte sich an ihren empfindlichen Brustwarzen kratzig an, und zwischen ihren Beinen pochte eine glühende Hitze. Es war eine zerstörerische Lust, die einfach nicht vergehen wollte. Angel hatte die Begierde entfacht, und nun musste Merry gegen diese Gefühle ankämpfen, die an ihren Nerven und ihrem Stolz zerrten.

Am Ende der Woche bat Angel sie, noch zu bleiben, nachdem alle anderen gegangen waren, um gemeinsam etwas zu trinken.

„Der nächste Punkt auf der Tagesordnung sind … wir“, murmelte er geheimnisvoll.

Merry warf ihm einen finsteren Blick zu. „Es gibt kein ‚wir‘.“

„Ganz genau“, bestätigte Angel zufrieden. „Wenn man die juckende Stelle kratzt, verschwindet sie; wenn man sie ignoriert, fängt sie nur an zu eitern.“

„Dein Verführungsvokabular braucht ein wenig Auffrischung“, erwiderte Merry. Sie stand aufrecht vor ihm und sah ihn leicht amüsiert an.

Angel verzog das Gesicht. „Ich bin kein Mann, der verführt.“

„Und ich bin keine Frau, die One-Night-Stands hat.“

„Wenn ich also Dinner und Sex anbiete, habe ich eine Chance?“ Er hob eine Augenbraue.

„Nein. Auch dann nicht“, erwiderte Merry. „Ich bin Jungfrau und habe nicht vor, diesen Status für eine schäbige Nacht mit meinem Boss aufzugeben.“

„Jungfrau?“ Angel war fassungslos. „Ernsthaft?“

„Ernsthaft.“ Es war Merry nicht peinlich. Sie hatte gesehen, was die frühe Schwangerschaft für ihre Mutter bedeutet hatte, und war entschlossen, diesen Fehler auf keinen Fall nachzuahmen. „Sex sollte mehr bedeuten, als nur eine ‚juckende Stelle zu kratzen‘.“

In einer eleganten Bewegung sprang Angel hinter seinem Schreibtisch auf. Der teure Stoff seines Anzugs spannte sich über seinen Oberarmmuskeln. Merrys Mund wurde trocken, sie verfolgte unwillkürlich jede seiner Bewegungen. „Für mich ist es nie mehr gewesen“, gab er trocken zu. „Aber gegen das Wort ‚schäbig‘ erhebe ich Einspruch. Ich bin niemals schäbig, und … ich schlafe nicht mit Jungfrauen.“

„Gut zu wissen.“ Merry fiel das Atmen schwer, als sie sah, wie sein Hemd sich über seiner Brust spannte, als er sich mit der Hand durchs Haar fuhr, und sie verfluchte im Stillen seine körperliche Anziehungskraft. „Darf ich jetzt nach Hause gehen?“

„Ich bringe dich heim.“

„Das ist nicht nötig“, erwiderte sie kühl.

„Hier entscheide ich, was nötig ist“, verkündete Angel. Er riss die Tür auf und ging zum Fahrstuhl. „Du weißt schon, dass du in meiner Welt so selten wie ein Einhorn bist? Sparst du dich für die Ehe auf?“

Gegen ihren Willen amüsierte ihn seine Neugier, und Merry lachte. „Natürlich nicht. Ich warte nur auf etwas Handfestes. Ich bin kein Fan von leger und bedeutungslos.“

Geschmeidig wie ein Raubtier im Dschungel lehnte Angel sich gegen die Fahrstuhlwand. „Ich bin zwar leger, aber auch sehr handfest“, sagte er mit rauer Stimme, die wie eine Liebkosung klang und Merry einen heißen Schauer über den Rücken jagte.

„Ach, hör auf“, stöhnte Merry. „Wir sind absolut gegensätzlich.“

„Weil du zu viele Regeln aufgestellt, zu viele Grenzen um dich herum gezogen hast. Wie kommt das?“

„Als würde dich das wirklich interessieren“, entgegnete Merry.

„Natürlich interessiert es mich.“ Angels goldbraune Augen blitzten auf, als die Fahrstuhltür aufglitt. „Ich will dich.“

„Nur, weil du mich nicht haben kannst“, erwiderte Merry trocken. Bei dem Blick, mit dem er sie betrachtete, bekam sie eine Gänsehaut.

„Nun wirst du unhöflich.“

„Deine Hartnäckigkeit macht mich unhöflich.“

„Ich will dich mit offenen Haaren sehen“, stieß Angel ungeduldig hervor. „Sie sind ungewöhnlich lang.“

„Meine Mutter hat sie früher immer kurz geschnitten, weil es dann einfacher war, sie zu pflegen. Jetzt lasse ich sie wachsen, weil ich es kann.“ Ihr Magen flatterte, als Angel ihr sein charismatisches Lächeln schenkte. Seine Augen funkelten amüsiert.

„Du bist ein Kontrollfreak“, sagte er leichthin. „Genau wie ich, glikia mou.

„Deshalb verstehen wir uns nicht“, erklärte Merry.

„Wir verstehen uns nicht, weil du etwas nervtötend Prüdes ausstrahlst“, widersprach Angel. „Du bist sehr selbstgefällig.“

„Bin ich nicht“, sagte Merry energisch, als sie das halb leere Parkhaus durchquerten.

„Du glaubst, du bist mir überlegen, weil du nicht deinen Hormonen ausgeliefert bist … aber das warst du, als ich dich berührt habe.“ Er hielt Merry zwischen sich und der Beifahrertür seines Wagens gefangen. Die Hitze seines schlanken, kraftvollen Körpers und der volle, maskuline und exotische Duft seines Aftershaves hüllten Merry ein. Angel stützte sich mit beiden Händen neben ihr ab, ohne sie zu berühren, und doch drohten ihre Knie allein bei dem Gedanken, er könnte es tun, unter ihr nachzugeben. „Du kannst kaum atmen, wenn ich dir so nah bin. Das sehe ich. Das weiß ich. Und jedes Mal, wenn ich versuche, es zu ignorieren, zieht mich diese erotische Spannung wieder zu dir hin.“

Er war wie ein undurchdringliches Kraftfeld, das sie umgab. Sie wusste, sie könnte ihn von sich schieben, wusste, dass er sich nicht wehren würde. Sie wusste, er würde nichts tun, was sie nicht wollte, und das erfüllte sie mit einem ungekannten Gefühl der Macht. Er kam immer wieder zu ihr, weil er der Anziehung zwischen ihnen beiden nicht widerstehen konnte – und sie konnte es auch nicht. Es war wie eine Schwäche tief in ihrem Inneren, der sie nichts entgegenzusetzen hatte. Niemand hatte je diese Gefühle in ihr geweckt, die er in ihr weckte, und das war ein ganz eigener Nervenkitzel, ein Adrenalinstoß, der durch ihre Adern schoss und dem wilden Klopfen ihres Herzens entsprach. Sie wollte ihn. Diese Erkenntnis traf sie wie ein Donnerschlag und legte alles, was sie bisher über sich zu wissen geglaubt hatte, in Schutt und Asche.

„Du bist nicht mein Typ“, protestierte sie flüsternd mit trockenem Mund.

„Du bist auch nicht mein Typ“, gab Angel mit rauer Stimme zu. „Aber ich würde trotzdem jedes Mal mit dir Sex im Parkhaus haben, wenn du darum bittest.“

„Ich werde dich nicht darum bitten.“ Merry zitterte innerlich. „Bring mich nach Hause … Halt dich zurück.“

„Du machst schon wieder so eine Riesensache daraus.“ Angel drückte auf den Knopf am Schlüssel seines Wagens, und die Türen gingen auf. „Hör damit auf. Das ist … nervtötend.“

Wie benebelt stieg sie in seinen Wagen. Das Pochen zwischen ihren Beinen verstörte sie. Die Sinnlichkeit, die in der Luft lag, war beinahe unerträglich. Merry wusste nicht, wie er das machte, wo er doch nur Blicke und Worte einsetzte. Er hatte jeden vernünftigen Gedanken zunichtegemacht. Hatte sie Dinge fühlen lassen, die sie nicht fühlen wollte. Hatte die Grundfesten ihrer Sicherheit erschüttert.

„Ich mag dich nicht“, gestand sie.

Thee mou … Du musst mich nicht mögen, du musst mich nur wollen. Und das tust du.“

Das ist leider wahr, erkannte sie zu ihrem Entsetzen. Ihr Gehirn schien bei all dem nichts zu sagen zu haben. Sie missbilligte alles an Angel, und doch war die Anziehungskraft zwischen ihnen beiden wild und dominant.

„Wir verbringen eine Nacht zusammen und befriedigen unsere Lust. Dann betrachten wir es als erledigt und begraben es“, schlug Angel drängend vor.

„Ich dachte, du schläfst nicht mit Jungfrauen.“

„Offensichtlich bist du dazu geboren worden, meine einzige Ausnahme zu sein.“

„Soll das hier wirklich eine Verhandlung werden?“, fragte Merry ungläubig.

„Wir müssen eine Lösung finden. Du lenkst mich von der Arbeit ab“, beschwerte Angel sich. „Ich kann dich nicht Tag für Tag sehen und mich dann jede Nacht Fantasien über dich hingeben. Das ist schlecht fürs Geschäft.“

„Was springt für mich dabei heraus?“, fragte sie flüsternd.

„Ich bin ein überdurchschnittliches Talent, was Sex angeht.“

„Oh …“ Ihr Magen flatterte erneut, und sie fragte sich, ob sie wirklich kurz davor stand, zu tun, was Angel von ihr wollte – zu tun, was sie selbst wollte. Und damit war die Antwort klar.

Er bietet sicher eine großartige Einführung in das Thema, dachte sie verträumt. Und es würde dieses wahnsinnige Sehnen beenden, das er in ihr geweckt hatte. Vielleicht könnte sie dann zu ihrer normalen, ruhigen Natur zurückkehren. Die Aussicht war für sie sehr ansprechend. Die Lust wäre befriedigt, das unerträgliche Begehren fände ein Ende. Gut, es war nicht die große Romanze mit Herzen und Blumen, die sie sich immer vorgestellt hatte, aber das war vermutlich sowieso nie ein realistisches Ziel gewesen. Was Angel bot, war ehrlich, auch wenn es lässig und ohne Verpflichtungen war und somit genau das, was sie nie gewollt hatte. Sie sparte sich zwar nicht für die Ehe auf, aber sie hatte sich für die Liebe aufsparen wollen. Doch die Liebe war ihr bisher nicht begegnet.

„Also schlägst du vor, dass ich dich einfach benutze“, merkte Merry angespannt an, als er in eine andere Tiefgarage einbog.

„Wir benutzen einander.“ Angel atmete hörbar aus, schaltete den Motor ab und zog Merry an sich.

Sein Mund senkte sich mit einem Hunger auf ihren, der sie atemlos machte. Irgendwie schaffte Angel es, dass sie sich nicht daran erinnern konnte, wie sie aus dem Wagen gestiegen, in den Fahrstuhl getreten oder ihn wieder verlassen hatte. Es gab nur diese wahnsinnige Verschmelzung ihrer Münder und die hektische Aktivität ihrer Hände in einem dämmrig erleuchteten Flur. Ihr Mantel fiel ihr von den Schultern, Angels Jackett folgte. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen. Er riss sich die Krawatte vom Hals, warf sie in den Flur und hob Merry auf die Arme.

„Wir müssen uns beruhigen“, sagte er heiser. Seine Augen schimmerten wie Goldbarren. „Oder ich vermassle das für dich.“

Er legte sie auf einem breiten, bequemen Bett ab und begann, sich ohne Hemmungen vor ihr auszuziehen. Sie wollte nur wieder seinen Mund auf ihrem spüren, den magischen Ausbruch aus den Begrenzungen ihres Körpers erleben, der sie höher hatte fliegen lassen als je zuvor. Er schlüpfte aus seiner Hose, und Merrys Aufmerksamkeit wurde unweigerlich von der offensichtlichen Wölbung in seiner Boxershorts angezogen. Um nicht die Nerven zu verlieren, fragte sie sich, wie sie, wenn auch nur kurz, mit einem Mann zusammen sein konnte, der chronisch unordentlich war und seine Kleidung einfach in einem Haufen auf den Boden fallen ließ. Nicht mein Typ, überhaupt nicht mein Typ, wiederholte sie mantraartig im Stillen. Das war ihr Bollwerk dagegen, emotional berührt zu werden. Hier ging es nur um Sex, und als etwas anderes wollte sie die Sache nicht betrachten.

Er zog sie hoch, sodass sie vor ihm stand. Dann öffnete er den Reißverschluss ihres Kleides und ihren BH, um ihr beides abzustreifen. Voller Bewunderung betrachtete er sie, küsste verführerisch ihre Schultern, bevor er die Spange in ihren kaffeebraunen Haaren löste. Als es ihr in Kaskaden über den Rücken fiel, nahm er eine Strähne zwischen die Finger und spielte versonnen damit.

„Du hast unglaubliche Haare“, murmelte er.

„Ist das ein Fetisch von dir?“

„Wäre mir bisher nicht aufgefallen. Aber dein braves kleines Lächeln macht mich endlos an“, gestand Angel und verstörte sie damit.

„Ich habe kein braves kleines Lächeln.“

„Du redest zu viel“, knurrte er und verschloss ihren Mund erneut mit seinen Lippen. Er streichelte ihre Wange, ihren Hals und umfasste schließlich zärtlich ihre Brüste.

Als er mit den Daumen über ihre empfindlichen Brustspitzen strich, keuchte Merry auf. Angel intensivierte den Kuss und glitt mit Merry aufs Bett zurück. Sie ließ sich rücklings auf die Kissen fallen und vergrub ihre Finger in seinen dichten Locken. Noch nie hatte sie so etwas Aufregendes erlebt. Sie presste die Oberschenkel zusammen und die Hüften in die Matratze, um die Kontrolle nicht zu verlieren, doch es war, als wäre ihr Körper ihr weit voraus, und egal, wie sehr sie sich bemühte, sie konnte ihn nicht mehr bremsen.

Angel verlagerte seine Position und zog mit seiner Zunge eine heiße Spur zu ihrem Bauchnabel. Er streifte ihr den Slip ab, ohne dass sie es bemerkte, erkundete die Innenseite ihrer Oberschenkel mit teuflischem Geschick, bis Merry wie ein Opfer vor ihm lag. Und dann kam die Flut aus Vergnügen und Lust in atemlosen, sie erschütternden Wellen, die Merry auf beinahe unerträgliche Weise erregten. Sie konnte nicht fassen, was sie Angel zu tun erlaubte, wie sehr ihr Körper sich danach sehnte und wie wenig sie ihre Reaktionen im Griff hatte. Sie drehte und wand sich, zog Angel irgendwann auf sich und küsste ihn atemlos, sehnsüchtig, zitternd, am Rande von etwas, das sie nicht verstand.

Alle Muskeln in ihrem Unterleib spannten sich an, sie verlor endgültig die Kontrolle. Ihr eigener erstickter Aufschrei erschreckte sie, und sie riss die Augen weit auf. Angel grinste schamlos auf sie herab wie ein unglaublich attraktiver Pirat.

„Du bleibst die ganze Nacht“, befahl er ihr mit rauer Stimme.

„Nein“, murmelte Merry und ließ den Kopf auf das Kissen zurücksinken, während er sie geschmeidig wie ein Raubtier, das er in Wahrheit war, umschlang. „Sobald es vorbei ist, ist es vorbei.“

„Du bist so stur.“ Angel stöhnte frustriert auf. Er knabberte an ihrer Kehle, dann an ihren geschwollenen Lippen, neckte sie, spielte mit ihr und ließ seine Zunge um ihre tanzen, bis Merry nicht mehr denken und nicht mehr widersprechen konnte. Schließlich streifte er sich ein Kondom über.

Langsam, ganz langsam drang er in sie ein. So langsam, dass sie von Ungeduld gepackt wurde. Sie wollte nicht wie feines Porzellan behandelt werden, das zerbrechen konnte. Oder wie das seltene Einhorn, das er erwähnt hatte. Ihr Körper war bereit und willig, ihr Herz raste erwartungsvoll. Sie hob ihm ihre Hüften entgegen, und diese Einladung war zu viel für seine Selbstbeherrschung. Stöhnend stieß er tief in sie hinein. Ein kurzer, brennender Schmerz ließ sie aufkeuchen.

„Das ist deine Schuld“, knurrte Angel frustriert. „Wenn du einfach nur still liegen würdest.“

„Ich bin keine aufblasbare Puppe.“

„Ich habe versucht, dir nicht wehzutun.“

„Ich bin auch nicht zerbrechlich.“ Jede Zelle in Merrys Körper befand sich in höchster Alarmbereitschaft, während sie sich nach und nach an seine Größe gewöhnte. Als er anfing, sich langsam in ihr zu bewegen, stoben kleine Funken von ungekannten Gefühlen in ihr auf und verrieten ihr, dass das Beste noch kommen würde. „Hör nicht auf.“

Und das tat er nicht. Mit jedem lustvollen Aufstöhnen versank er tiefer in ihr und schickte Wellen der Lust durch sie hindurch. Sie bog sich ihm entgegen, brauchte ihn, wollte ihn. Aber dieses Mal verlief der Anstieg zum Höhepunkt langsamer, und sie wand sich unter einem nie gekannten Verlangen. Ihr Herz raste, ihr Puls dröhnte in ihren Ohren, und das süße, verführerische Pochen des Verzückens wuchs in ihr, bis sie sich nicht länger zurückhalten konnte. Alle Grenzen fielen, als sie ekstatisch den Gipfel der Lust erklomm, bis sie matt und benommen zurück in die Kissen sank.

Angel erlöste sie von seinem Gewicht, machte aber Anstalten, sie in seine Arme zu ziehen und festzuhalten. Schnell wie der Blitz wich Merry ihm aus. Alles in ihr schrie danach, sofort zu fliehen. Sie hatten Sex gehabt, aber sie wollte nicht für ein Nachspiel hierbleiben. Würde verlangt nach einem sofortigen Abgang, sagte sie sich. Sie glitt auf der anderen Seite aus dem Bett und beugte sich vor, um ihre Kleidung vom Boden aufzusammeln.

„Ich habe dich gebeten, über Nacht zu bleiben“, rief Angel ihr in Erinnerung.

„Ich fahre nach Hause.“ Sie hatte den Satz kaum ausgesprochen, da sprang Angel aus dem Bett und ging ins Badezimmer. Er wirkte ungeduldig und genervt.

Sie hätte gern geduscht, aber sie wollte nicht länger als nötig bleiben. Schnell zog sie sich an und war im Flur gerade dabei, in ihre Schuhe zu schlüpfen und eilig ein Taxi zu rufen, als Angel wiederauftauchte – wohlgebräunt und immer noch schamlos nackt stand er im Türrahmen zum Schlafzimmer. „Ich will nicht, dass du gehst.“

„Ich habe bereits ein Taxi gerufen.“ Merry senkte das Kinn, bis ihre langen Haare ihr wild um das herzförmige Gesicht fielen. „So hatten wir es abgemacht, und so ist es auch besser.“

„Ich habe um eine Nacht gebeten.“

„Du kannst nicht immer alles haben, was du willst“, erklärte Merry ausdruckslos. „Ich habe es sehr genossen, aber man soll aufhören, wenn es am schönsten ist.“

Angel stieß einen griechischen Fluch aus. „Du treibst mich in den Wahnsinn.“

„Was hast du für ein Problem? Laut deiner Vorhersage können wir jetzt einen Schlussstrich ziehen und die Sache begraben.“

Doch trotz ihrer stolzen Lässigkeit ihm gegenüber fuhr Merry in wachsender Panik nach Hause. In ihrer Wohnung zog Merry sich rasch aus und stellte sich unter die Dusche. Sie war schockiert von dem, was sie getan hatte. Ihr Körper schmerzte, aber beinahe ebenso sehr schmerzte der Kontrollverlust, der zu diesem Augenblick des Wahnsinns geführt hatte. Sie versuchte, es von Angels unemotionalem Standpunkt aus zu betrachten, aber das ging nicht, solange in ihr dieses Gefühlschaos tobte. Aus und vorbei, vergiss es, ermahnte sie sich wieder und wieder. Angel hatte wesentlich mehr Erfahrungen mit solchen Begegnungen als sie. Er musste wissen, wovon er sprach. Die Neugier und dieses unnatürliche Verlangen waren befriedigt worden, würden nun eines natürlichen Todes sterben und zu einer peinlichen Erinnerung werden, von der sie niemals irgendjemandem erzählen würde.

In den folgenden Tagen musste Merry allerdings feststellen, dass Angel Valtinos sich trotz seiner umfangreichen Erfahrungen geirrt hatte. Das Feuer war nicht gelöscht worden. Das sah sie an der Art, wie er sie aus seinen dunklen Augen anschaute, hörte es in der Angespanntheit seiner Stimme, wenn er ihr, Merry, Aufgaben zuteilte. Und sie spürte es in ihrem Inneren, als gäbe es ein geheimes Band zwischen ihnen. Wenn er in ihrer Nähe war, fühlte sie sich wie ein verknallter Teenager. Der Gedanke, dass sie ihrer Mutter doch ähnlicher sein könnte als erhofft, erschreckte sie.

War das die eigentliche Erklärung dafür, warum sie mit Angel Valtinos geschlafen hatte? Wieso hatte sie eine so impulsive Entscheidung getroffen – eine Entscheidung, die allem widersprach, woran sie glaubte? Die Antwort gefiel ihr nicht: Sie hatte im Laufe ihrer Zusammenarbeit angefangen, etwas für ihn zu empfinden. Vermutlich zu der Zeit, als sie begann, seinen Intellekt und seinen Geschäftssinn zu bewundern. Diese Erkenntnis löste einen so großen Selbstekel in ihr aus, dass sie sich hastig nach einem anderen Job umsah. Sie wollte nur noch weg und Angel und Valtinos Enterprises hinter sich lassen.

Zwei Wochen nach ihrem ersten Treffen tauchte Angel eines Abends ohne Vorwarnung an ihrer Wohnungstür auf. Ihn trieb der gleiche wütende Frust an wie sie.

„Was machst du hier?“, wollte sie von ihm wissen. Es gefiel ihr gar nicht, frisch geduscht und ungeschminkt in ihrem Baumwollpyjama überrascht zu werden.

Angel verzog das Gesicht und stürmte in ihr kleines Einzimmerapartment. „Mein Auto hat mich hergebracht.“

„Was zum Teufel …“, setzte sie verstört an. Niemals hätte sie damit gerechnet, ihn hier zu sehen.

Angel richtete seinen wütenden Blick auf sie. „Ich kann mich einfach nicht von dir fernhalten“, stieß er zwischen zusammengepressten Lippen aus.

„Aber … wir waren uns einig …“, stotterte sie und ließ sich auf ihr Bett sinken.

„Großer Fehler. Der größte Fehler meines Lebens.“

Beinahe hätte Merry gelacht, doch sie unterdrückte den Drang. Angels Vorliebe für Dramen amüsierte sie nicht nur, sondern berührte auch etwas tief in ihrem Inneren. Er war zu ihr gekommen, obwohl er es nicht wollte. Ihm gefiel sein Verlangen nach ihr nicht, doch sein Versuch, es zu ersticken, war fehlgeschlagen. Sie begriff sofort, dass diese Schwäche ihn wütend machte.

„Ich will die Nacht mit dir verbringen.“

„Angel …“

Er setzte sich neben sie aufs Bett und legte seine langen, schlanken Finger an ihre Wangen. „Sag noch einmal meinen Namen“, verlangte er.

„Nein“, weigerte sie sich. „Außerhalb der Arbeit tanze ich nicht nach deiner Pfeife.“

Thee mou … hör auf, mich herauszufordern.“ Er stöhnte auf und drückte ihren Kopf nach hinten, um ihren Hals zu küssen, die empfindsame Stelle unterhalb ihres Ohrs. „Darum geht es nicht.“

„Warum bist du hergekommen?“, flüsterte sie schwach.

„Ich kann nicht anders.“ Er nahm ihre Hand und legte sie dorthin, wo er heiß und hart war, und stöhnte unbefangen, als sie ihn durch den feinen Stoff seiner Anzughose streichelte.

Hitze schoss in Wellen durch Merrys Körper. Die Begierde war erneut erwacht. Angel einfach nur zu berühren, löste eine unbändige Sehnsucht in ihr aus. Sie versuchte, dagegen anzukämpfen, versuchte, die Kontrolle zu behalten, aber diese Hoffnung zerstörte Angel, als er seine goldbraunen Augen auf sie richtete und sie mit kaum verhohlener Wildheit küsste. Ihr schoss nur ein Gedanke durch den Kopf: Angel will mich, und er kann sich nicht von mir fernhalten. Das löschte alle anderen Überlegungen aus. Sie erwiderte seinen Kuss mit der gleichen unbeherrschten, verzweifelten Leidenschaft.

„Ich hatte vor, dich zum Essen auszuführen“, gab er atemlos zu, während er mit ihrem Pyjama kämpfte.

„Hast du Hunger?“ Sie erdrosselte ihn beinahe bei dem Versuch, seine Krawatte zu lösen.

„Nur auf dich“, knurrte er an ihren geschwollenen Lippen. „Dich den ganzen Tag im Büro zu sehen, ohne dich berühren zu dürfen …“

Und dann lagen sie nackt in ihrem Bett. Nackt und voller Lust aufeinander, dass Merry sich bebend unter ihm wand. Angel riss die Kondomverpackung mit den Zähnen auf. „Wir wollen doch keinen Unfall“, sagte er rau.

„Nein, keinen Unfall“, stimmte sie hilflos zu. Was sie hier tat, schockierte sie, und doch machte sie mit, weil sie nicht anders konnte. Angel war zu ihr gekommen, und darüber war sie glücklich.

Er drang in sie ein und seufzte zufrieden, als sie ihre Beine um seine Hüfte schlang, sich ihm entgegenbog und bei jedem tiefen Stoß aufkeuchte. Sie gaben sich ihrem so lange unterdrückten Verlangen hin, fanden einen gemeinsamen Rhythmus und verloren sich in grenzenloser Ekstase, bis sie stöhnend den Höhepunkt erreichten.

Angel presste seinen sinnlichen Mund an Merrys Stirn und zog sich zurück. Kurz darauf stieß er einen Fluch auf Griechisch aus. „Das Kondom ist gerissen“, knurrte er, als sie ihn fragend anschaute.

Sofort sprang er aus dem Bett, während Merry sich die Decke bis an den Hals hinaufzog.

„Das ist mir noch nie passiert“, versicherte Angel ihr und kleidete sich hastig an.

Merry überlegte, ob sie das gemeinsame Abendessen erwähnen sollte, verwarf den Gedanken jedoch. Sie hatte ihm nichts Tröstliches zu sagen, nichts, was seine Laune bessern würde. Sie nahm weder die Pille noch andere Verhütungsmittel, was, wie ihr jetzt auffiel, sehr dumm war. Warum hatte sie das nicht geändert, nachdem sie mit Angel im Bett gewesen war? Eine Frau musste auf sich aufpassen.

„Ich verhüte nicht“, gab sie widerstrebend zu.

Angel holte seine Brieftasche hervor und zog eine Karte heraus. „Komm morgen später und geh erst einmal zu diesem Arzt. Er ist ein Freund von mir.“ Er legte die Karte auf den Nachttisch.

Und innerhalb einer Minute war er fort.

Mit schwerem Herzen ging Merry erneut unter die Dusche. Ihr war übel, und sie fühlte sich gedemütigt und zurückgewiesen. Außerdem hasste sie sich. Ein Verhütungsunfall hatte Angel entsetzt das Weite suchen lassen. Wusste er denn nicht, dass so ein Unfall für sie wesentlich folgenreicher war?

Zum Glück hatte sie in jener Nacht keine Ahnung von dem Albtraum gehabt, der auf sie wartete. Und von den vielen unglücklichen Monaten, die als Strafe für ihr unverantwortliches Verhalten folgen würden. Sie war total in einen Mann verschossen, dem es nur um die Befriedigung seiner Lust ging, und die war in dem Moment gestorben, als das Kondom geplatzt war. Deshalb hatte Merry sich von unverbindlichem Sex ferngehalten und echte Gefühle und die Sicherheit gesucht, die mit ihnen einhergingen …

Der erste Weckruf kam am nächsten Morgen beim Arzt. Der Gynäkologe führte eine Reihe Untersuchungen durch und empfahl ihr dann die Pille danach. Bis zu diesem Moment hatte Merry sich keine Gedanken darüber gemacht, wie sie zu dieser Alternative stand, aber nun war ihr klar, dass sie das nicht wollte. Hätte ihre Mutter diese Wahl gehabt, wäre sie selbst jetzt nicht auf der Welt – was für ein ernüchternder Gedanke. Hatte Angel sie extra zu diesem Arzt geschickt, weil er wusste, er würde ihr diese Option anbieten? Das würde sie mit ihm klären, sobald sie eine Minute mit ihm allein hatte.

Was sie damals nicht gewusst hatte, war, dass es viele, viele Wochen dauern würde, bis sie Angel für einen Moment allein zu fassen bekäme. Und selbst das gelang ihr nur, weil sie ihm zu einer seiner regelmäßigen Wochenendauszeiten folgte.

Als sie nach dem Besuch beim Arzt endlich in der Firma ankam, wurde sie direkt in einen Konferenzraum gebeten, wo die Personalchefin und ein Firmenanwalt sie erwarteten. Man legte ihr einen Vergleich vor, der beinhaltete, dass Merry gegen eine beträchtliche Entschädigung ihre Arbeit für Valtinos Enterprises sofort niederlegen und die Firma verlassen würde, ohne ihre Gründe hierfür irgendjemandem gegenüber zu offenbaren.

Der Schock und die Demütigung dieses Treffens hallten noch sehr lange in Merry nach. Sobald sie erkannte, dass Angel sie aus seiner Firma und aus seinem Leben heraushaben wollte, egal zu welchem Preis, wurde ihr schlecht. Seine Zurückweisung und Herabwürdigung dessen, was sie, wenn auch nur kurz, geteilt hatten, erschütterte sie bis ins Mark und lehrte sie eine harte Lektion: Angel stellte sich immer an erste Stelle, und ihre weitere Anwesenheit im Büro wäre ihm unangenehm. Dass sie eine solche Behandlung nicht verdient hatte, war ihm gleichgültig.

Angeekelt und tief gedemütigt nahm Merry das angebotene Geld, weil sie glaubte, keine Alternative zu haben. Außerdem musste sie von irgendetwas leben, bis sie einen anderen Job gefunden hatte. Doch an diesem Tag war der erste Samen ihres Hasses auf Angel gesät worden …

3. KAPITEL

„Fergus hat mich gefragt, wohin er dich morgen ausführen soll.“ Sybils Worte brachten Merry abrupt in die Gegenwart zurück. „Ich fand das ein bisschen schwach von ihm. Ich meine, hat er keine eigenen Ideen? Aber offensichtlich will er, dass du auf jeden Fall Spaß hast.“

„Ein bisschen schwach“, klang nach Angels egoistischer Herangehensweise ans Leben in Merrys Ohren ganz gut. Ein selbstsicherer Macho war nur so lange beeindruckend und sexy, bis er sich gegen einen wandte und zum Feind wurde.

„Ich habe vorgeschlagen, er soll mit dir und Elyssa ans Meer fahren. Ich weiß, wie sehr du den Strand liebst“, überlegte Sybil laut. „Und Fergus liebt Kinder.“

„Ja“, stimmte Merry leise zu und nahm Elyssa auf ihren Schoß, um sie zu füttern, während sie überlegte, wie es wohl gewesen wäre, einen Vater für ihre Tochter zu haben. Hätte er ihr geholfen? Hätte er echtes Interesse gezeigt? Sie selbst hatte ihren Vater nur ein Mal gesehen, aber seine wütende, betrogene Ehefrau war ebenfalls dabei gewesen, was den Besuch zu einer Katastrophe gemacht hatte. Ihr Vater hatte sie danach nie wieder gebeten, sich mit ihm zu treffen.

Am nächsten Morgen föhnte Merry ihre Haare und schminkte sich sogar ein wenig, bevor sie ihre Skinny-Jeans und ein hellrotes T-Shirt anzog und in ihre bequemen Schuhe schlüpfte. Mit Elyssa auf der Hüfte ging sie nach unten, als das Telefon klingelte. Atemlos klemmte sie es sich zwischen Schulter und Ohr, während sie ihre Tochter auf dem Teppich absetzte.

„Ja?“

„Ich bin im Büro“, sagte ihre Tante kurz angebunden. „Elyssas Vater ist hier und verlangt, sie zu sehen. Ich kümmere mich um ihn, bis du hier bist.“

Vor Schock und Fassungslosigkeit wurde Merry schwindelig. Sie hob Elyssa wieder hoch und fragte sich hektisch, was sie mit ihrer Tochter tun sollte, während sie sich um Angel kümmerte, denn sie wollte nicht, dass er ihr begegnete. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Angel den ganzen Weg nach Suffolk gefahren war, nur um seine Tochter zu sehen – nicht, nachdem er alles in seiner Macht Stehende getan hatte, um sie aus seinem Leben zu verbannen. Sicher, nachdem er über Elyssas Geburt informiert worden war, hatte er wiederholt darum gebeten, sie kennenzulernen, aber für Merry bestand kein Anlass, seine Neugierde zu befriedigen, und sie selbst wollte nichts mit ihm zu tun haben.

Kaum hatte Angel von ihrer Schwangerschaft erfahren, hatten seine Anwälte ihr eine Vereinbarung vorgelegt, nach der Merry eine unfassbar große monatliche Summe bekam, solange sie Stillschweigen darüber bewahrte, wer der Vater ihres Kindes war. Im Moment zahlte Merry dieses Geld in einen Fonds ein, den sie für Elyssas Zukunft angelegt hatte.

Sie verließ das Haus mit Elyssa, die in ihrem Buggy saß und ihren Spielzeughasen in den Händen hielt. Als sie das Gelände des Hundeasyls betrat, sah sie schon die schwarze Limousine, die vor dem Hauptgebäude parkte. Schnell schob sie den Buggy in die große Scheune, wo sich die Mitarbeiter in ihren Pausen aufhielten. „Könnt ihr zehn Minuten auf Elyssa aufpassen?“, fragte sie die drei jungen Frauen, die dort bei einem Kaffee zusammensaßen.

„Können wir sie aus dem Buggy nehmen und mit ihr spielen?“, fragte eine von ihnen hoffnungsvoll.

„Natürlich …“, erwiderte Merry, bevor sie wieder hinauseilte und zum Büro ging.

Was um alles in der Welt tat Angel hier? Allein der Gedanke, ihm wieder gegenüberzustehen, löste zahllose üble Erinnerungen aus. Das letzte Mal hatten sie sich an dem Tag getroffen, an dem sie ihm gefolgt war, um ihm zu sagen, dass sie schwanger war. Das war der Moment, als seine goldbraunen Augen hart und kalt wie schwarze Diamanten geworden waren.

„Willst du es behalten?“, hatte er zweifelnd gefragt und sich mit jeder Silbe dieser Frage ihren Hass verdient. „Nein, streich das. Das war politisch inkorrekt. Natürlich werde ich dich unterstützen, egal, wie du dich entscheidest.“

Wie sollte es ihr gelingen, diese Erinnerung abzuschütteln und sich normal zu verhalten? Sie dachte an Elyssa und daran, dass ihr Vater sie nie gewollt hatte. Sie glaubte fest, dass jeglicher Kontakt zwischen Angel und seiner Tochter nur dazu führen würde, dass Elyssa später im Leben verletzt würde. Ihrer Meinung nach war Angel zu egoistisch und zu verwöhnt, um ein fürsorglicher Vater sein zu können.

Als sie um die Ecke des kleinen Bürogebäudes bog, fand sie eine bemerkenswerte Szene vor. Sybil stand vor der Tür zum Büro und hatte ihre Schrotflinte auf Angel gerichtet, der an der gegenüberliegenden Zwingerwand lehnte, als hätte er keine Sorgen auf der Welt.

„Pfeifst du bitte diese Verrückte zurück“, verlangte er, als er Merrys Schritte hörte. „Sie lässt nicht zu, dass ich mich bewege.“

„Ist schon gut, Sybil“, sagte Merry angespannt. „Elyssa ist in der Scheune.“

Erst jetzt drehte Angel seinen Kopf herum. Die Entrüstung stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Was hat meine Tochter in einer Scheune zu suchen? Und wer kümmert sich um sie?“, wollte er in scharfem Ton wissen.

Sybil sicherte die Flinte und wandte sich ab. „Ich nehme Elyssa mit nach Hause“, erklärte sie und ignorierte Angel komplett.

„Komm mit ins Büro, dann können wir reden“, sagte Merry kühl, obwohl sie unter dem Blick aus seinen dunklen Augen innerlich erbebte.

„Ich bin nicht gut darin, zu reden“, gab er schamlos zu. „Deshalb beschäftige ich Anwälte.“

Merry ging nicht auf die Bemerkung ein, sondern stieß nur energisch die Tür zum Büro auf, bevor sie herumwirbelte. „Was zum Teufel willst du hier?“

„Ich hatte dich vorgewarnt, dass ich vorhabe, vorbeizukommen“, stieß Angel ungeduldig hervor.

Merry dachte an den Brief, den sie immer noch nicht geöffnet hatte. Dann hob sie den Blick und sah Angel das erste Mal richtig an. Er war immer noch so unglaublich schön, dass ihr Magen zu flattern begann und ihre Knie weich wurden. Es war nicht fair, dass er von allem, was zwischen ihnen vorgefallen war, so vollkommen unberührt wirkte. Ganz besonders unfair war es, dass er es wagte, etwas zu fordern, auf das er lange vor der Geburt ihrer Tochter aus eigenem Antrieb verzichtet hatte. „Und ich habe deinen Anwälten bereits gesagt, dass ich keinerlei Besuche von dir dulden werde.“

„Das akzeptiere ich nicht, auch wenn das bedeutet, dass ich den Rest meines Lebens damit verbringen muss, dagegen anzukämpfen.“ Damit machte er klar, dass er keine Ruhe gäbe, bis er bekäme, was er wollte.

Eine Niederlage werde ich nicht akzeptieren, dachte Angel. Egal, was es ihn kosten würde. Er hatte den Respekt seines Vaters verloren und war entschlossen, ihn zurückzugewinnen und sein Kind kennenzulernen.

Er musterte Merry aus leicht zusammengekniffenen Augen. Ihr ungebrochener Widerstand faszinierte ihn, und er bewunderte heimlich ihre ruhige, innere Stärke, die er noch nie zuvor bei einer Frau gespürt hatte. Sie trug ihre Haare kürzer, die ihr nun in glänzenden Wellen nur noch bis auf die Schultern fielen. Es war lächerlich, wie enttäuscht er über diese Veränderung war. Aber diese ungewöhnlich langen Haare hatten etwas so unglaublich Feminines gehabt, das ihm gefallen hatte. Außerdem war sie dünner als damals, und da war schon nicht viel an ihr dran gewesen. Mit ihren langen Fohlenbeinen und den runden kleinen Brüsten, die sich gegen den Stoff ihres T-Shirts drückten, sah sie aus wie ein Teenager. Sein Körper reagierte eindeutig auf ihren Anblick, und Angel biss vor Wut auf seine Schwäche die Zähne zusammen.

„Warum kannst du nicht einfach vergessen, dass es uns gibt?“, fragte Merry frustriert. „Vor einem Jahr war das genau das, was du wolltest, und ich habe es dir gegeben. Ich habe alles unterschrieben, was deine Anwälte mir vorgelegt haben. Du wolltest kein Vater sein. Du wolltest nichts über deine Tochter wissen. Sie sollte nicht mit deinem kostbaren Namen in Verbindung gebracht werden. Was hat sich verändert?“

„Vielleicht habe ich mich verändert.“

Merry sah ihn misstrauisch an. „Das bezweifle ich. Du bist, wer du bist.“

„Jeder ist fähig, sich zu verändern, und manchmal passiert das einfach, ob man es will oder nicht“, erklärte er. „Als du mir vor einem Jahr erzählt hast, dass du schwanger bist, habe ich das alles nicht zu Ende durchdacht. Mein Instinkt hat mich dazu getrieben, meinen Lebensstil zu schützen. Ich habe auf meine Anwälte gehört, ihren Rat angenommen, und nun … nun haben wir eine Situation, die ich nicht tolerieren kann.“

Merry zwang sich, tief durchzuatmen. Er klang aufrichtig, aber sie glaubte ihm nicht. „So hast du es gewollt, und nun musst du damit leben.“

Angel straffte seine breiten Schultern und reckte arrogant das Kinn vor. „Damit kann ich nicht leben“, erklärte er. „Und ich werde weiter darum kämpfen, Kontakt zu meiner Tochter zu haben.“

Fassungslosigkeit und Wut kochten in Merry hoch und brachten eine Flut an Gefühlen mit sich. „Ich hasse dich, Angel! Wenn du mich weiter bedrohst, wenn du mich mit weiteren anwaltlichen Briefen bombardierst, werde ich dich nur noch mehr hassen! Wann ist es denn endlich mal genug?“, schleuderte sie ihm verbittert entgegen.

„Wenn ich endlich eine normale Beziehung zu meiner Tochter aufbauen kann.“ Seine Miene drückte sture Entschlossenheit aus. „Es ist meine Pflicht, mich um meine Tochter zu kümmern, und vor dieser Pflicht werde ich mich nicht drücken.“

„Wieso nicht? Du hast dich doch auch vor allem anderen gedrückt, das mit einer Vaterschaft einhergeht“, zischte Merry. „Der Verantwortung. Der Fürsorge. Ich war nur ein schwangeres Problem, dem du Geld hinterhergeworfen hast.“

„Dafür werde ich mich nicht entschuldigen. Ich bin so erzogen worden, Probleme auf diese Weise zu lösen“, gab Angel düster zu. „Mir wurde beigebracht, mein Vertrauen in Anwälte zu setzen und mich zu schützen.“

„Angel … Du bist stark genug, um es mit einem Käfig voller Löwen aufnehmen zu können“, schoss Merry zornig zurück. „Du brauchtest keine Anwälte, weil ich keine Forderungen gestellt habe.“

Schmerz und Bitterkeit zogen Merry herunter, aber sie kämpfte tapfer dagegen an. Sie musste sich sehr zusammenreißen, um Angel nicht sinnlose Anschuldigungen an den Kopf zu werfen. Um wenigstens physisch eine Grenze zwischen ihnen zu ziehen, ließ sie sich auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch sinken. „Hast du auch nur ein einziges Mal über Gefühle nachgedacht?“, fragte sie leise.

Angel schaute sie stirnrunzelnd an. Sie sah, wie es in ihm arbeitete, und fragte sich, wie viel er wohl zu geben gewillt war, um Zugang zu seiner Tochter zu bekommen.

„‚Gefühle‘?“, wiederholte er verständnislos.

„Meine Gefühle“, präzisierte Merry hilflos. „Wie es sich für mich anfühlen musste, mit einem Mann zu schlafen, am nächsten Morgen in die Firma zu kommen und zu erkennen, dass er es nicht einmal erträgt, mich im gleichen Gebäude zu wissen.“

Angel erstarrte und wurde ganz blass. „Nein, ich kann nicht sagen, dass ich es jemals aus dieser Perspektive betrachtet habe“, räumte er freimütig ein. „Ich dachte, eine Trennung wäre für uns beide das Beste, weil wir zu viele Grenzen übertreten hatten und unsere Beziehung außer Kontrolle geraten war. Außerdem habe ich sichergestellt, dass deine Karriere in keiner Weise beeinträchtigt wurde.“

Merry schloss die Augen. Sie wollte ihn nicht länger anblicken. Einst hatte er ihr gesagt, dass er mit Jungfrauen nichts anfangen konnte. Wie es aussah, konnte er auch mit Gefühlen nichts anfangen. Er war unfähig, sich in ihre Lage zu versetzen und sich vorzustellen, was sie empfunden hatte. „Ich fühlte mich an dem Tag … unendlich gedemütigt. Verletzt. Das Geld hat die Sache nicht besser gemacht, und ich habe es nur angenommen, weil ich nicht wusste, wie lange ich brauchen würde, um eine neue Anstellung zu finden.“

Autor

Lynne Graham
<p>Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen. Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem Schreiben....
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