Die schönste Sünde der Welt

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Sadies Herz klopft wie verrückt, als sie den unverschämt attraktiven Tycoon Neo Xenakis in Athen aufsucht. Sie muss ihm ein schreckliches Geständnis machen! Neos Zorn ist maßlos, doch trotz seiner Wut knistert es heiß zwischen ihnen. Warum sieht er bloß wie ein griechischer Gott aus? Ist es eine Sünde, dass sie sich in seine starken Arme schmiegt und leise "Ja" flüstert, als er sie langsam zur Liebe verführt? Nur eine Nacht mit dem feurigen Griechen … Aber neun Wochen später muss Sadie ihm schon wieder etwas gestehen!
  • Erscheinungstag 12.09.2023
  • Bandnummer 2446
  • ISBN / Artikelnummer 9783963691270
  • Laufzeit 05:03:00
  • Audio Format mp3-Download
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Leseprobe

1. KAPITEL

Reinkarnation. Karma. Sünden, die sich rächen.

Hätte mich irgendjemand in nicht allzu ferner Vergangenheit gefragt, ob ich an so etwas glaube, hätte ich die Augen verdreht und erklärt, dass das Leben auf dem Einsatz beruhte, den man jeden Tag aufbrachte.

Liebe.

Loyalität.

Harte Arbeit.

Wie sehr ich mich doch geirrt hatte.

Wie versteinert stand ich vor dem hoch aufragenden Bürokomplex aus Glas und Stahl, in dem einer der mächtigsten Männer der Erde residierte. An meinen Handgelenken spürte ich förmlich schon die Handschellen, die man mir vielleicht in der nächsten Stunde anlegen würde. Welchem göttlichen Wesen hatte ich wohl Unrecht getan, um solch ein Ende zu verdienen?

Spielte es überhaupt eine Rolle, dass meine anhaltende Pechsträhne größtenteils nicht auf mein Konto ging? Lohnte sich die Wut darüber, dass die Sünden des Vaters der Tochter angehängt wurden?

Nein.

Denn während ich an dem Großteil dessen, was in den letzten Jahren geschehen war, keine Schuld trug, ging der letzte schockierende Fehltritt ausschließlich auf mein Konto.

Sicher, ich könnte beweisen, dass einiges zusammengekommen war und zu einem großen Irrtum geführt hatte, doch der Realität konnte ich nicht entrinnen. Die Schuld lag allein bei mir.

Zeit, sich zu stellen, Sadie.

Nur noch eine Minute, richtete ich meine Bitte an eine höhere Macht.

Doch zusätzlich zu all dem Pech in meinem Leben stieß sie auf taube Ohren.

Die beiden akkurat gekleideten Sicherheitsbeamten, die mich zunehmend misstrauisch durch die beeindruckende Glasfront beobachtet hatten, steuerten direkt auf mich zu.

Mit meiner alten abgetragenen Kleidung und meiner aufgewühlten Miene wäre ich nicht überrascht gewesen, wenn man mir unerlaubtes Eindringen vorwerfen würde. Oder Schlimmeres.

„Entschuldigen Sie, Miss. Kann ich Ihnen helfen?“

Ich zuckte zusammen, und mein Herz schlug wie wild. Der bulligere der beiden Männer war zu mir getreten, ohne dass ich es bemerkt hatte. Alles an ihm verriet, dass er innerhalb einer Sekunde von höflich auf bedrohlich umschalten könnte.

„Ich …“ Ich stockte und fuhr mir mit der Zunge über meine trockenen Lippen. „Ich muss zu Mr. Xenakis. Ist er da?“

Sein Blick wurde schmal. „Sie müssen an der Rezeption nach ihm fragen. Haben Sie einen Termin?“

Fast hätte ich gelacht. „Äh nein. Aber …“

„Ich denke, Sie sollten jetzt gehen, Miss.“ Sein Ton verriet, dass das kein Vorschlag war.

„Bitte! Es geht um Leben und Tod.“

Der Mann erstarrte. „Wessen Leben?“

Ich biss mir auf die Lippe, da ich fürchtete, ein wenig übertrieben zu haben.

„Ich … kann es Ihnen nicht sagen. Aber es ist dringend. Und eine Privatsache. Können Sie mir einfach nur sagen, ob Mr. Xenakis da ist?“

Einen langen Moment musterte er mich, dann fasste er nach meinem Ellbogen. „Kommen Sie mit, Miss …“

Ich zögerte. Wenn ich erst einmal meinen Namen preisgegeben hatte, gab es kein Zurück mehr. Aber was blieb mir anderes übrig? Entweder gestehen und meinen Fall darlegen oder warten, bis die Polizei vor meiner Tür auftauchte. „Preston. Sadie Preston.“

Der Sicherheitsbeamte führte mich durch die beeindruckende Vorhalle von Xenakis Aeronautics, vorbei an einer Reihe unauffälliger Türen, die ins Untergeschoss führten, und schließlich in ein Zimmer, das sehr nach einem Verhörraum aussah.

Ich unterdrückte einen Anfall von Hysterie, während der Wachmann mir entschieden erklärte, dass ich mich nicht vom Fleck rühren solle.

Die nächsten zwanzig Minuten waren die längsten meines Lebens.

Der Mann, der schließlich den Raum betrat, war noch beeindruckender als sein Vorgänger, sodass klar war, dass mein Anliegen ernst genommen wurde. Aber nicht in gutem Sinne.

„Miss Preston?“

Als ich zögernd nickte, hielt der große, graumelierte Mann mir die Tür auf und musterte mich eindringlich, als ich unbeholfen aufstand.

„Ich bin Wendell, der Chef des Security-Teams von Mr. Xenakis. Hier lang“, forderte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.

Du liebe Güte! Entweder war Mr. Xenakis übergründlich, was seine Begegnungen mit Normalsterblichen betraf, oder ihn plagte ein wahnhaftes Sicherheitsbedürfnis. Beides verhieß nichts Gutes.

Nachdem wir einige Flure im Keller passiert hatten, standen wir vor einem Aufzug mit Stahlrahmen, den Wendell mit einer schmalen schwarzen Schlüsselkarte öffnete.

Der Aufzug schoss so rasant nach oben, dass mein letzter Rest an Mut auch noch verflog, weil plötzlich alles so schnell ging. Ich wollte mich gegen die Tür werfen, sie aufreißen und hinausspringen. Zur Hölle mit den Konsequenzen! Doch meine Füße waren wie gelähmt, weil ich damit das Unvermeidliche nur hinauszögern würde.

Außerdem lief ich vor meiner Verantwortung nicht davon. Nicht wie mein Vater. Oder wie meine Mutter, die den Kopf in den Sand steckte und leichtfertig Geld verspielte, das wir nicht hatten. Eine schlechte Angewohnheit, die in den letzten sechs Monaten gefährlich auf eine Sucht zusteuerte.

Ich unterdrückte meine Angst, als der Aufzug zum Stehen kam.

Nicht ein einziger der Angestellten, die ich unten kommen und gehen gesehen hatte, war in diesem exklusiven Bereich zu finden. Er trumpfte mit der Sorte Möbel auf, die in den teuren Zeitschriften zu finden waren, die meine Mutter damals abonniert hatte, als Geld noch kein Thema für die Prestons gewesen war. Wobei ich mich bei diesen Fotos schon immer gefragt hatte, ob sie gestellt waren oder ob Menschen wirklich so lebten.

Offensichtlich Letzteres.

Ich zuckte innerlich zusammen, als ich in meinen abgetragenen billigen Schuhen über den teuer aussehenden taubengrauen Bodenbelag ging. Hellere Grautöne schmückten die Wände. Elegante Lampenschirme erhellten den Raum, und zu beiden Seiten der Flügeltür standen ausgefallene Konsolentische.

Alles hier zeugte von Überfluss und Exklusivität. Und verriet, dass der Mann, dem dieses Gebäude gehörte, es nicht freundlich aufnehmen würde, wenn Fremde ihm den Tag mit Neuigkeiten wie denen verdarben, die ich im Gepäck dabeihatte.

Meine Handflächen waren verschwitzt. Doch bevor ich sie an meinem Rock aus Polyester abwischen konnte, klopfte Wendell zweimal.

Die Stimme, die von der anderen Seite „Herein“ rief, war tief genug, um die Tür aus massivem Holz zu durchdringen. So furchterregend, dass meine Angst noch wuchs. Aber auch so geheimnisvoll, dass mir ein Schauer über den Rücken lief, der nichts mit Furcht zu tun hatte.

Wendell öffnete die Tür. „Sie haben fünf Minuten“, informierte er mich, ehe er zur Seite trat.

Wieder bestürmten mich Fluchtgedanken. Aber musste man für diese Art von Verbrechen überhaupt ins Gefängnis? Und wenn ja, wie lange?

In jedem Fall zu lange. Meine Mutter würde noch mehr Unruhe nicht überleben. Und da unser Vermieter mit der Zwangsräumung drohte, waren weitere Turbulenzen das Letzte, was ich mir leisten konnte.

Da ich keine andere Wahl hatte, als mich meinem Schicksal zu stellen, machte ich einen zittrigen Schritt in das Büro.

Prompt blieb mir die Luft weg, als ich den Mann sah, der mit verschränkten Armen an der raumhohen Fensterfront lehnte und mich mit grimmigem Blick ansah. Obwohl er sich nicht rührte, verströmte er beeindruckende Macht, mit der man ganze Legionen befehligen konnte.

Und sein Körper …

Der marineblaue Anzug, offensichtlich maßgeschneidert, unterstrich seine athletische Figur. Er war beeindruckend groß, hatte breite Schultern und muskulöse Arme. Seine ausgeprägte Kinnpartie wirkte sehr männlich, woran auch das Grübchen in seinem Kinn und sein sinnlicher Mund nichts änderten.

Er war einfach … unbeschreiblich. Weil Worte wie attraktiv, atemberaubend oder selbst überwältigend ihm nicht im Mindesten gerecht wurden.

Während er mich weiter abschätzig musterte, drohte auch noch das letzte bisschen an Mut in mir zu verpuffen. Denn sein Blick wirkte so, als würde er mich genauso faszinierend finden wie ich ihn.

Aus einem unerklärlichen Grund schienen ihn besonders meine Haare zu reizen, sodass ich beinahe das Gefühl hatte, er würde sie berühren.

Als die Tür leise ins Schloss fiel, zuckte ich zusammen. Eine Reaktion, die er sofort bemerkte. Er ließ die Arme sinken und kam langsam auf mich zu.

Selbst die Art, wie er sich bewegte, war spektakulär.

Konzentriere dich, Sadie. Du bist nicht hier, um den ersten Milliardär anzustarren, den du je kennengelernt hast.

Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch er kam mir zuvor.

„Wer immer Sie auch sind, scheinen Sie Wendell in guter Stimmung erwischt zu haben. Ich glaube, es ist noch nie passiert, dass er jemandem erlaubt hat, einfach hier hereinzuspazieren und mich zu sehen“, erklärte er mit einer tiefen weichen Stimme, die mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte.

Sein Ton verriet jedoch nicht, ob er Wendell später für diesen Fehltritt rügen würde oder ob ihn das Ganze einfach nur amüsierte. Er war schwer zu durchschauen. Das setzte meinen ohnehin überreizten Nerven noch mehr zu und brachte mich dazu, einfach draufloszuplappern – wie immer, wenn ich nervös war.

„Das war also Wendell in guter Stimmung? Dann möchte ich mir lieber nicht vorstellen, wie er ist, wenn er schlechte Laune hat“, platzte ich heraus und wand mich innerlich, als mir bewusst wurde, was ich gesagt hatte.

Oh nein …

Sein Blick wurde noch schmaler, als er ein kleines Stück vor mir stehen blieb. „Vielleicht könnten Sie mir jetzt endlich sagen, um was es eigentlich geht?“

Er klang ungehalten, während er mich einer noch genaueren Musterung unterzog. Sein Blick blieb kurz an meiner fadenscheinigen Bluse hängen, schweifte über meinen etwas zu weiten Rock – ich hatte in letzter Zeit abgenommen – und wanderte dann zu meinen Beinen.

Dieses Gefühl von Unzulänglichkeit und Wertlosigkeit verfolgte mich, seit vor acht Jahren die Postkarte meines Vaters vor der Tür gelegen hatte, auf der stand, dass er sich aus dem Staub gemacht hatte.

Ich brauchte die Zeitschriften meiner Mutter nicht, um zu wissen, dass dieser Mann sich mit einer wie mir nicht abgeben würde … niemals.

Seine Gefährtinnen waren Prominente mit untadeligem Stammbaum. Erbinnen, die Mitglieder des Königshauses zu ihren nahen Freunden zählten.

Und nicht die alleingelassene Tochter eines in Ungnade gefallenen mittelklassigen Finanziers und einer Frau kurz vor der Spielsucht.

„Oder haben Sie vor, Ihre fünf Minuten in melodramatischem Schweigen zu verbringen?“, fuhr er gedehnt fort.

Ich war peinlich berührt, als mir bewusst wurde, dass ich ihn angestarrt hatte. „Ich bin nicht melodramatisch.“

Er hob eine Augenbraue und sah mich noch einmal von Kopf bis Fuß an, ehe seine Miene sich verhärtete.

„Bevor Sie in mein Büro gekommen sind, haben Sie erklärt, mich sehen zu müssen, weil es um Leben und Tod gehe. Aber ich habe mich versichert, dass es all meinen Familienmitgliedern gutgeht. Sollten Sie mich also hereingelegt haben, würde ich Ihnen dringend raten, sofort zu gehen …“

„Es geht nicht um Ihre derzeitige Familie, sondern um Ihre zukünftige.“

Er verwandelte sich in Stein. Was verwunderlich war bei einem Mann, dessen Aura elektrisierend war. Seine Fähigkeit, keinen Muskel zu bewegen, wäre faszinierend gewesen, hätte sein Blick mich nicht in Angst und Schrecken versetzt.

„Könnten Sie das bitte noch einmal wiederholen?“

„Ich … Vielleicht sollte ich noch einmal von vorn beginnen.“

Es zuckte in seinem Kiefer. „Fangen Sie an, wo Sie wollen. Aber schnell. Ich bin kein geduldiger Mensch, Miss Preston. Und ich habe bald ein wichtiges Meeting.“

Ich ballte meine verschwitzten Hände zu Fäusten und räusperte mich.

„Mein Name ist Sadie Preston …“ Als seine Braue noch höher wanderte, fuhr ich schnell fort: „Ich arbeite … ich habe in der Phoenix-Klinik gearbeitet.“ Bis ich vor drei Stunden kurzerhand gefeuert worden war. Dass ich keine Arbeit mehr hatte, würde später zur Sprache kommen. Vorausgesetzt, ich landete nicht im Gefängnis.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als er seine Hände in die Hosentaschen steckte und sich breitbeinig vor mir aufbaute.

„Um Ihretwillen hoffe ich, dass dies kein törichter Versuch ist, eine Anstellung zu ergattern. Denn ich kann Ihnen versichern …“

„Nein, das ist es nicht!“ Meine Stimme klang schriller als beabsichtigt. Und ich wusste sofort, dass ich mir damit keinen Gefallen getan hatte. „Bitte … wenn Sie mir einfach zuhören würden?“

„Sie sind doch diejenige, die keinen Ton herausbringt, Miss Preston. Während mir meine wertvolle Zeit durch die Finger rinnt. Deshalb will ich Ihnen das Ganze erleichtern. Sie haben eine Minute Zeit, um Ihre Sache vorzutragen. Und ich rate Ihnen, dass Sie die Zeit sinnvoll nutzen, für beide Seiten.“

Sonst was?

„Ich bin heute Morgen gefeuert worden, weil … weil ich versehentlich etwas zerstört habe, was Ihnen gehört …“ Ich kniff die Augen zusammen. Als ich sie wieder öffnete, war er immer noch da, atemberaubend und reglos wie eine Marmorstatue.

Seine sinnlichen Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich. „Etwas von mir?“, fragte er knapp.

Voller Anspannung zwang ich mich weiterzusprechen. „Ich habe … Ihre … eingelagerte Spermaprobe zerstört.“

Für eine entsetzliche Minute starrte er mich nur völlig verwirrt an, als verstünde er meine Worte nicht. Dann gefror seine Miene zu einer kalten Maske aus Fassungslosigkeit.

„Sie haben was getan?“

Er hatte nicht geschrien. Auch nicht geflüstert. Vielmehr klang er ruhig. Und absolut tödlich.

Ich zitterte von Kopf bis Fuß und brachte kein Wort heraus.

In erstarrtem Schweigen standen wir da und sahen uns an.

„Reden Sie“, befahl er, wieder ohne jede Regung in der Stimme. Seine Lippen waren vor Wut weiß geworden, und er atmete kaum.

Ich zwang mich zu tun, weswegen ich gekommen war, und an das Gute in ihm zu appellieren.

Zögernd machte ich einen Schritt auf ihn zu und versuchte zu lächeln. „Mr. Xenakis …“

Eine Hand schoss aus der Tasche und hielt mich zurück. „Versuchen Sie nicht, mich zu beschwatzen oder sich in Ausflüchte zu retten. Ich will die Fakten. Und zwar sofort.“

Jetzt hatte sein Ton sich verändert. Er klang wie ein Donnern.

Mein Lächeln verflog. „Als ich heute Morgen zur Arbeit kam … hat man mir eine Liste mit Proben gegeben, die entsorgt werden sollten. Ich … Es gehört nicht zu meiner Arbeit, aber …“

„Was ist Ihr derzeitiger Job bei der Phoenix-Klinik?“

„Ich bin Rezeptionistin.“

Das war der einzig halbwegs anständig bezahlte Job, den ich hatte bekommen können, um meine Mutter und mich über Wasser zu halten. Bis ich einen Weg gefunden hatte, um ihr aus dem dunklen Tunnel der Verzweiflung zu helfen und meinen Abschluss in Marketing zu machen, den ich aufgeschoben hatte, um für sie da zu sein.

„Und warum kümmert sich eine Rezeptionistin um die Proben der Patienten?“

Er war nicht wütend. Jedenfalls noch nicht. Vielmehr war Neo Xenakis darauf bedacht, die Fakten zu erfahren.

„Das ist nicht die übliche Vorgehensweise. Aber heute waren wir massiv unterbesetzt, und in der Liste, die ich bekommen habe, stand, dass die Proben schon dreimal gegengecheckt worden waren.“

„Offensichtlich nicht. Sonst wären Sie wohl nicht hier, oder?“, erwiderte er barsch.

Mein Irrtum hätte vermieden werden können, wäre ich nicht so erschöpft gewesen. Und hätte ich mir nicht so große Sorgen darüber gemacht, dass meine Mutter und ich vielleicht das Dach über dem Kopf verlieren würden. Und wenn die Arzthelferin meines Chefs sich nicht krankgemeldet und ausgerechnet mich als vorübergehende Vertretung zurückgelassen hätte.

Gerade wollte ich meinen Fall noch einmal darlegen, als ein lautes Summen von seinem Schreibtisch erklang.

Lange starrte er mich nur an, als versuchte er herauszufinden, ob all das, was ich ihm gesagt hatte, nur ein Scherz war.

Als die Sprechanlage wieder summte, ging er ungehalten zu seinem Schreibtisch. „Ja?“, knurrte er.

„Da ist ein Spencer Donnelly für Sie in der Leitung, Sir. Er sagt, es sei dringend.“

„Einen Spencer Donnelly kenne ich nicht. Wer ist er?“

Ich trat vor. „Er ist mein Chef. Mein Ex-Chef, meine ich. Ich glaube, er ruft an, um es Ihnen zu erklären.“

Und höchstwahrscheinlich, um zu versichern, dass alle Schuld bei mir läge.

Neo drückte auf die Stummtaste. „Ist er verantwortlich für das, was passiert ist?“, wollte er von mir wissen.

„Nein … nicht direkt. Aber er ist der Leiter der Klinik …“

„Es ist mir egal, was er ist. Mir ist nur wichtig, wer verantwortlich ist. Wollen Sie mir sagen, dass Sie allein die Schuld tragen?“

Ich nickte. „Ja, es war mein Fehler.“

Seine Nasenflügel bebten, als er die Leitung wieder auf laut stellte. „Notieren Sie sich, was er will“, erklärte er seiner Assistentin. Dann starrte er mich eine weitere Minute an.

„Sagen Sie mir, mit welcher Absicht Sie hergekommen sind, Miss Preston“, forderte er mich mit seidenweicher Stimme auf.

Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. „Ich dachte, Sie verdienen es, die Wahrheit von mir zu hören. Und auch meine Ent…Entschuldigung“, antwortete ich stotternd.

Er sagte nichts, sondern wartete ein paar Sekunden, bevor er eine Braue hob und mir damit schweigend und mit sarkastischer Miene zu verstehen gab, dass ich mich noch nicht entschuldigt hatte.

„Ich … es tut mir leid, Mr. Xenakis. Ich wollte Ihr Eigentum nicht zerstören. Falls es einen Weg gibt, das wieder ungeschehen zu machen, würde ich …“ Ich stockte, weil ich wusste, dass jedes Wort sinnlos war. Nichts konnte rückgängig gemacht werden.

„Und ich soll Sie jetzt einfach vom Haken lassen? Weil Sie so ehrenwert waren, hierherzukommen und sich meiner Gnade auszuliefern?“

Was sollte ich dazu sagen? „Ich weiß, dass es viel verlangt ist, aber ich versichere Ihnen, dass es nicht meine Absicht war.“

Er senkte den Blick. Lange starrte er auf den Teppich.

Falls durch eine grausame Laune des Schicksals etwas mit Neo Xenakis’ Fortpflanzungsfähigkeit nicht stimmte, wäre er dann nicht verzweifelter, statt auszusehen, als würde er sich Zeus höchstpersönlich stellen? Und gewinnen?

Die unterschiedlichsten Gefühle huschten über sein Gesicht, zu schnell, um sie zu lesen. Doch als er den Blick wieder hob, erfasste mich eine eiskalte Vorahnung.

Mr. Donnelly hatte gewusst, dass Neo Xenakis mich nicht ungeschoren davonkommen lassen würde. Deshalb hatte er darauf bestanden, dass ich als Erste in der Schusslinie war und meine Schuld zugeben sollte.

Eine schnelle Suche im Internet während der Busfahrt in die Stadt hatte mir offenbart, mit welch mächtigem Gegner ich es zu tun hatte.

Neo Xenakis betrachtete mich kühl wie eine Kobra, die kurz davor war zuzuschlagen. „Es war nicht Ihre Absicht? So etwas sagt man, wenn man jemandem auf die Füße tritt. Oder versehentlich im unpassenden Moment den Kaffee verschüttet. Korrigieren Sie mich, wenn ich falschliege, aber die Phoenix-Klinik verfügt doch über strenge Sicherheitsmaßnahmen, oder nicht?“

Ich öffnete meinen Mund, um zu antworten, doch er schüttelte den Kopf.

„Wie auch immer Sie sich die Sache hier vorgestellt haben, ich fürchte, es wird nicht so einfach werden, Miss Preston.“

„Was soll das heißen?“

Wollte er, dass ich vor ihm zu Kreuze kroch?

Plötzlich kam mir ein seltsamer Gedanke. Was auch immer er forderte, es wäre mir willkommen. Vielleicht würde es meinem Leben sogar eine andere Richtung geben.

Als sein Blick auf meinen Mund fiel, wurde mir klar, dass die Wiedergutmachung körperlicher Natur sein könnte. Und dass ich es vielleicht … genießen würde.

Großer Gott, Sadie. Was ist nur los mit dir?

Abrupt wandte er sich ab, kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und drückte eine Taste seiner Sprechanlage. „Willa, kommen Sie bitte herein.“

Sprachlos sah ich zu, wie die Tür aufging und eine elegant gekleidete Blondine eintrat. Der abschätzige Blick, den sie mir zuwarf, bevor sie zum Schreibtisch trat, verriet, dass sie sich ihrer Vorzüge sehr wohl bewusst war.

„Ja, Mr. Xenakis.“ Ihr Lächeln hatte etwas Sinnliches.

Diese Willa war mir sofort unsympathisch.

„Begleiten Sie Miss Preston zu meinem Penthouse. Sie bleibt dort, bis mein Meeting beendet ist. Falls sie versucht zu gehen, informieren Sie Wendell.“

Es irritierte mich, dass sie über mich sprachen, als wäre ich nicht da. Noch mehr verwirrte mich jedoch, was er eben angeordnet hatte.

„Wie bitte? Sie können doch nicht … Ich werde nicht bleiben, nur weil Sie das wollen.“

Die Wut, die er im Zaum gehalten hatte, brach sich endlich Bahn. „Sie haben mein Eigentum zerstört, Miss Preston, das ist ein Verbrechen. Wenn Sie versuchen zu fliehen, sehe ich mich gezwungen, die Sache der Obrigkeit zu überlassen. Sie haben zwei Optionen: bleiben und nach meinem Meeting darüber sprechen. Oder verschwinden und sich den Konsequenzen stellen. Sie können Willa Ihre Entscheidung mitteilen.“

Damit ging er.

Ich konnte nicht verschwinden, das würde meine Situation nur noch verschlimmern.

Neo Xenakis war schockiert und musste die Neuigkeit erst noch verarbeiten. Würde er milder sein, wenn er sich wieder beruhigt hatte? Oder wäre es besser, mich der Polizei zu stellen und meinen Fall mit einem Rechtsanwalt vor Gericht vorzutragen?

Aber wovon sollte ich das bezahlen? Auch als ich noch Arbeit gehabt hatte, waren wir kaum zurechtgekommen Ich hatte nicht einmal genug Geld, um einen Anwalt auch nur zehn Minuten zu bezahlen.

Besser war es zu warten. Vielleicht konnte ich ihn überreden, in der Klinik eine neue Probe abzugeben …

Als Willa sich betont räusperte, zuckte ich zusammen. Ich drehte mich um und begegnete ihrem herablassenden Blick.

„Ich werde bleiben“, verkündete ich so entschieden wie möglich, auch wenn sich mir der Magen umdrehte.

2. KAPITEL

Nachgeben. Umdenken.

Zum x-ten Mal schüttelte ich an diesem Nachmittag, der nicht zu enden schien, den Kopf.

„Sie sind nicht einverstanden, Mr. Xenakis?“

Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder dem Leiter des brasilianischen Marketingteams zu, das an dem großen Konferenztisch saß, und fragte mich, was ich verpasst haben mochte, während in meinem Kopf immer wieder die lebensverändernden Worte kreisten, ausgesprochen von dem fesselndsten Wesen, das ich je gesehen hatte.

Es tut mir leid … ich habe alles zerstört.

Mein mangelndes Interesse am anderen Geschlecht war in den letzten Jahren nicht unbemerkt geblieben. Frauen aus der Oberklasse, die selbstgefällig beschlossen hatten, ein integraler Bestandteil meines Heilungsprozesses zu sein, fragten sich, warum ich ständig ihre Telefonnummern verlor. Erbinnen, die ungeniert eine Verbindung zu dem neuerdings ungebundenen Xenakis-Junggesellen suchten, verblüffte es, dass ich jeden Kontaktversuch zurückwies.

Sie darüber zu informieren, dass die Jagd ihren Reiz verloren hatte, selbst dafür war mir die Zeit zu schade. Die achtzehn Monate, die ich damit verbracht hatte, mich auszutoben, hatten nichts als einen schalen Nachgeschmack in mir hinterlassen, als ich in diesem Krankenhaus aufgewacht war und von dem grausamen Verrat erfahren hatte.

Ich hatte geglaubt, dass das der schlimmste Moment in meinem Leben gewesen war.

Die Krebsdiagnose, die mich überstürzt veranlasst hatte, vor der Bestrahlung Samen zu spenden, mochte sich als falscher Alarm herausgestellt haben, als ich fünfundzwanzig war. Doch die Narben, die meine Haut ruiniert hatten, erinnerten mich täglich daran, warum die Zeit in der Phoenix-Klinik für mich von so zentraler und lebensbejahender Bedeutung war. Ein Licht in der trostlosen Dunkelheit seliger Unwissenheit, in der ich fast ein Jahr gelebt hatte. Bis man mir die Augen öffnete, beinahe so brutal wie der Unfall, der mich fast das Leben gekostet hätte.

Von Wut und Fassungslosigkeit beherrscht, schüttelte ich wieder meinen Kopf. Ich wusste, dass ich die Marketing-Gurus irritierte, die ich engagiert hatte, um die Interessen von Xenakis Aeronautics in Brasilien voranzutreiben.

Es hatte mich viel Kraft gekostet, dem Meeting überhaupt beizuwohnen Und ich wollte das Ganze so schnell wie möglich hinter mich bringen.

„Das wird nicht funktionieren. Abgesehen davon, dass es nichts Besonderes ist, haben Sie die falsche Zielgruppe im Blick“, schmetterte ich ihre Vorschläge ab.

Der Teamleiter fragte: „An welche Zielgruppe hatten Sie denn gedacht, Mr. Xenakis?“

Fast hätte ich die Augen verdreht. Sollte ich etwa die ganze Arbeit für sie machen? „Sie haben doch die Daten vom Betatest. Soweit ich das sehe, haben Sie sie nicht einmal zu Rate gezogen. Ich sehe nirgends, dass Sie die Rückmeldung der Generation Y mit Kindern berücksichtigt haben.“

Meine Brust zog sich zusammen. Kinder. Familie. Vaterschaft.

All das würde ich nie erfahren, dank des Fehlers einer Rothaarigen, die zwar ihre Reue bekundet hatte, sich aber trotzdem herausfordernd gab.

Kämpferisch hatte sie das Kinn gehoben und damit meine Aufmerksamkeit auf ihre seidige Haut gelenkt und einen Schatten ihres Ausschnitts. Und was die anderen Kostbarkeiten betraf, die ihre billige, abgetragene Kleidung verbarg … und erst die Haare …

Theos mou. Reiß dich zusammen.

Sadie Preston hatte mir den letzten Rest an Hoffnung genommen. Und das Schlimmste war, dass mir nicht einmal bewusst gewesen war, wie viel mir die Vorstellung von Vaterschaft bedeutete, bis jede Chance darauf zerstört worden war – erst durch Betrug und Lügen, dann durch einen achtlosen Druck auf die Löschtaste eines Computers.

Ich stand auf, weil ich das Gefühl hatte, dringend etwas tun zu müssen. „Meine Damen und Herren, ich denke, wir wissen, in welche Richtung unsere Kampagne jetzt geht?“ Als sie zustimmend nickten, wandte ich mich zur Tür. „Sie haben eine Woche, Ihre Sache gut zu machen. Lassen Sie mich nicht im Stich.“

War es Zeitverschwendung, so etwas zu sagen? War ich dazu verdammt, von jedem enttäuscht zu werden, dem ich vertraute? Seien es persönliche Beziehungen oder eine angeblich exklusive Spitzenklinik?

Auf dem Weg zum Lift schmeckte ich Galle. Christos, ich würde nie Vater sein.

Es war egal, dass ich in der Vergangenheit Zweifel daran gehabt hatte, ein guter Vater sein zu können. Die Männer der Familie Xenakis hatten viele Qualitäten, aber mustergültige Väter waren sie nicht. Mein Großvater hatte sich in der Arbeit vergraben und versucht, die fast bankrotte Familie zu retten, bis er an einem Herzinfarkt gestorben war. Lange davor hatte mein Vater das Angebot seines Vaters zurückgewiesen, mit dem Ergebnis, dass er seine eigene Familie vernachlässigt hatte.

Autor

Maya Blake
<p>Mit dreizehn Jahren lieh sich Maya Blake zum ersten Mal heimlich einen Liebesroman von ihrer Schwester und sofort war sie in den Bann gezogen, verlor sich in den wunderbaren Liebesgeschichten und begab sich auf romantische Reisen in die Welt der Romanhelden. Schon bald träumte sie davon, ihre eigenen Charaktere zum...
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