Ein Kronprinz unterm Mistelzweig

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Dieser Mann hat ein Geheimnis! Fasziniert beobachtet die junge Verlegerin Hollis Honeycutt den hochgewachsenen Mann auf dem königlichen Maskenball. Wie ein dunkler Schatten folgt der mysteriöse Marek Brendan einem Herrscher aus einem fremden Land. Lauert da ein politischer Skandal, über den Hollis in ihrer Gazette schreiben könnte? Sie muss mehr herausfinden! Charmant sucht sie Mareks Nähe, doch sie hat nicht mit seiner maskulinen Magie gerechnet. Als er sie das erste Mal leidenschaftlich küsst, liegt in seinen goldfarbenen Augen ein sinnliches Liebesversprechen. Zu spät erfährt Hollis, wer er wirklich ist – und dass er sein Versprechen niemals halten kann …


  • Erscheinungstag 11.10.2022
  • Bandnummer 384
  • ISBN / Artikelnummer 9783751511094
  • Seitenanzahl 264
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

London, England

1847

In der vergangenen Woche sind drei Schiffe unter der farbenfrohen grün-blauen Flagge von Alucia in den Hafen von London eingelaufen. Sie hatten die offizielle Delegation an Bord, die an den Friedensverhandlungen zwischen Weslorien und Alucia teilnehmen wird, die im Namen Ihrer Majestät Königin Victoria abgehalten werden. Die Spannung ist groß und die Hoffnung allgegenwärtig, dass es eine Einigung zwischen den beiden benachbarten Ländern geben wird, die endlich in einem dauerhaften Frieden zwischen ihnen mündet.

Ihre Majestät empfängt die ausländischen Würdenträger im St. James’s Palace. Mit dieser Zusammenkunft wird das Gipfeltreffen offiziell eröffnet.

Frieden zwischen den beiden rivalisierenden Nationen zu schaffen, ist ein ehrenwertes Ziel. Aber kann es zwischen zwei Ländern Frieden geben, die schon seit Generationen Krieg um dasselbe Gebiet führen? Könnte es nicht sein, dass das Familienzerwürfnis, das die beiden Länder spaltet, so tief geht, dass es nicht zu reparieren ist? Während diese Zeilen verfasst werden, machen Gerüchte die Runde, dass schändliche Intrigen gesponnen werden. Wir werden natürlich versuchen, unsere geschätzten Leserinnen weiterhin über die Entwicklungen zu informieren.

Meine Damen, Weihnachten steht vor der Tür, also ist es an der Zeit, neue Anzüge für Ehemänner und Söhne schneidern zu lassen, die zum neuen Jahr fertig sein sollen. Taylor und Sohn in der Savile Row hat dafür noch Termine frei.

– aus Honeycutts Mode- und Haushaltsmagazin für Damen

Die Stimmung der Witwe Hollis Honeycutt war gereizt, während sie vor dem Tor zum St. James’s Palace auf Einlass wartete. Zum einen stand sie mitten in einer Traube von Gentlemen, die sich alle sehr laut in verschiedenen Sprachen unterhielten, ohne sich um die Gespräche der anderen um sie herum zu kümmern. Eine heißblütige Frau in einem gewissen Alter, die ihren Ehemann vermisste, hätte den Duft von Zitrusfrüchten und Tabak vielleicht berauschend gefunden, den so viele Männer zu verströmen schienen, aber Hollis hatte etwas gegen die Rücksichtslosigkeit, mit der die Männer sich an sie als Frau drängten. Es kam ihr so vor, als hätten Männer keinen Sinn dafür, wie sich ihre Körper in so eine Menschenmenge einfügten – sie stießen sie immer wieder an und warfen ihr dann eine beiläufige Entschuldigung zu.

Es ärgerte sie, dass sie hier in dieser Schlange – oder überhaupt irgendwo – warten musste, um mit ihrer eigenen Schwester Tee zu trinken. Es war schließlich nicht ihre Schuld, dass Eliza Tricklebank, ehemals wohnhaft am bescheidenen Bedford Square in London, inzwischen die Herzogin von Tannymeade und die zukünftige Königin von Alucia war, die in dieser Eigenschaft Gast von Königin Victoria war. Sie war immer noch Hollis’ Schwester, und es war nicht richtig, dass sie wie eine Bettlerin vor den Toren des Palasts warten musste, wenn sie sie besuchen wollte.

Außerdem war Hollis immer noch verstimmt über ein Zusammentreffen mit dem fürchterlichen, herablassenden Mr. Shoreham, das sie heute Morgen gehabt hatte. Er hatte sie rundheraus weggeschickt, und das nicht zum erstem Mal. Sie befand sich schon seit Wochen in einem philosophischen Disput mit dem Gentleman von der Londoner Bibliothek am St. James’s Square.

Ihr Diener Donovan stand neben ihr in der Schlange und beobachtete die Gentlemen hinter gesenkten Lidern, während sich die Menge langsam auf das Wachhäuschen zubewegte. Er war der einzige Mann in ihrem Leben, dem es nichts ausmachte, wie lange sie redete … nun, abgesehen von ihrem Vater natürlich. Und von Lord Beckett Hawke, ihrem Freund. Beck machte es nichts aus, aber er hörte ihr auch nicht zu. Donovan hörte ihr immer geduldig zu, und wenn sie ihn danach fragte, sagte er offen seine Meinung. Manchmal auch ohne dass sie ihn gefragt hatte. Im Augenblick zum Beispiel. Er sagte: „Eins der Probleme hier ist, dass Sie ziemlich starrköpfig sind, wenn ich das sagen darf. Aber das ist ja nichts Neues, nicht wahr?“

Sie sah ihn an und schnalzte mit der Zunge. „Ich will ja gar nicht abstreiten, dass ich hin und wieder dickköpfig sein kann, aber in diesem Fall habe ich recht.“

Donovan lachte. Die Schlange bewegte sich; er legte Hollis eine Hand auf den Rücken und schob sie im Gedränge nach vorn.

Hollis konnte nicht über die Köpfe der Männer vor ihr hinwegsehen, also schaute sie sich um. Dabei fiel ihr Blick zufällig auf einen Gentleman, der ganz allein an der Seite stand. Er war groß, und sein Haar, das unter der Krempe seines Huts hervorschaute, war länger, als es die Mode derzeit erlaubte. Er trug einen Mantel, in dem seine Schultern außergewöhnlich breit wirkten, und sie fragte sich beiläufig, ob er wohl wirklich so breit gebaut war. Er hatte den Hut merkwürdig schief aufgesetzt und machte einen verwirrten Eindruck, als wäre er in ein fremdes Land geraten. Das war kein Wunder – die Schlange zum Einlass in den Palast war lächerlich lang, und die Wachen schienen nicht zu wissen, was sie taten. Warum waren denn so viele Leute zum Tee eingeladen? Soweit Hollis wusste, ging es darum, die Verhandlungen zwischen Alucia und Weslorien, die am Montag anfangen sollten, mit einem versöhnlichen Ton zu beginnen. Zu dieser Vertragt-euch-Teegesellschaft waren Vertreter der beiden Königreiche eingeladen, aber gab es wirklich so viele Menschen, die in die richtige Stimmung versetzt werden mussten?

Der verwirrte Mann stellte sich hinter einige andere Gentlemen, und Hollis verlor ihn aus den Augen.

Sie wandte sich wieder Donovan und ihrem Ärger zu. „Sie hätten sehen sollen, wie herablassend Mr. Shoreham mich behandelt hat. Er bildet sich eindeutig zu viel auf seine Position ein und auf das, was er zweifellos für sein überlegenes Denkvermögen hält, weil er ein Mann ist. Ich sage Ihnen, er ist einer der hochmütigsten und lächerlichsten Männer von ganz London.“

„Also, das ist doch schon einmal etwas, nicht wahr?“, meinte Donovan. „Es gibt ja schrecklich viele Männer in London. Etwas, worauf er wirklich stolz sein kann.“ Er trat an das Wachhäuschen heran und überreichte einer der Wachen Hollis’ Einladung. Der Mann verschwand damit nach drinnen. „Wie hatten Sie ihn noch genannt?“, fragte Donovan, aber ehe Hollis antworten konnte, beugte er sich vor und sagte zu der Wache: „Es wäre nicht gut, Mrs. Honeycutt warten zu lassen, mein Junge. Sie ist die Schwester der Herzogin von Tannymeade.“

„Immer mit der Ruhe“, entgegnete die Wache mürrisch.

Donovan sah Hollis an. „Ah, jetzt fällt es mir wieder ein. Einen Windbeutel, nicht wahr?“

Hollis tat das Ganze ein wenig leid. „Nun ja, aber ich habe nicht gebrüllt, sondern nur das Offensichtliche festgestellt.“

Eine Gruppe von drei Männern zwängte sich auf ihrem Weg zum Tor an ihnen vorbei; Donovan zog Hollis auf die Seite.

„Also wirklich“, sagte Hollis und rückte ihre Haube zurecht. „Haben die vielleicht Angst, dass der Tee kalt wird?“

„Oder dass die Königin nicht genügend Kuchen gebacken hat? Bleiben Sie hier, ich sehe mal nach, wo die Wache bleibt.“

Er ging zurück zum Wachhäuschen, aber eine andere Gruppe von Gentlemen, die man gerade hereingelassen hatte, drängte sich mit großem Eifer und viel Lärm durch das Tor. Hollis zog sich zurück, um nicht niedergetrampelt zu werden, verfehlte aber den Rinnstein und stolperte. Sie stieß mit jemandem zusammen, den sie für eine Wand hätte halten können, wenn sie nicht von zwei Händen an den Ellenbogen gepackt und mühelos wieder aufgerichtet worden wäre. „Oh!“, rief Hollis und drehte sich um, um zu sehen, wer sie vor dem sicheren Sturz gerettet hatte.

Es war der verwirrte Mann. Nur sah er jetzt nicht mehr verwirrt aus – er schien vielmehr ein wenig besorgt zu sein. Sein Blick schweifte über sie, als ob er sichergehen wollte, dass sie nicht verletzt war. Hollis bemerkte dicke kastanienbraune Haarsträhnen, die unter seinem Hut hervorquollen und ihm in die Stirn hingen. Seine Gesichtshaut hatte einen viel dunkleren Farbton als die der blassen Engländer. Er hatte lebhafte goldbraune Augen, und Hollis war so erschrocken, dass er derjenige war, der sie vor dem Hinfallen bewahrt hatte, dass sie nichts sagen konnte. Er hatte es offenbar nicht nötig, mit ihr zu reden – er nickte höflich, ging an ihr vorbei und auf das Wachhäuschen zu. Sie sah zu, wie er mit der Wache sprach und seine Einladung übergab, und als die Wache sie ihm zurückgab, sah der Mann sich um, als überlegte er, ob er wirklich durch das Tor treten sollte. Offensichtlich überlegte er es sich anders, denn er stopfte die Einladung in die Tasche und ging dann in die andere Richtung, weg vom Eingang. Es machte beinahe den Anschein, als ob er vorgehabt hätte, einen ganz anderen Palast zu besuchen, und gerade gemerkt hatte, dass er sich in der Adresse geirrt hatte.

Donovan tauchte plötzlich wieder auf. „Es ist alles geklärt. Hier entlang“, sagte er und führte sie auf die Menge der Gentlemen zu, die durch das Tor wollten. „Mr. Bellingham holt Sie im Innenhof ab.“ Er zeigte einer anderen Wache die Einladung, die das Tor öffnete. Als Hollis hineinging, schoben sich zwei weitere Männer an ihr vorbei.

„Warum sind so viele Männer zum Tee gekommen?“, fragte Hollis, während sie und Donovan auf den Innenhof zustrebten. „Ich dachte, Gentlemen machen sich nicht viel daraus. Ich habe Beck einmal eingeladen, und er hat gesagt, Tee sei etwas für Großmütter und Klatschmäuler.“

„Ich kann nicht für Seine Lordschaft sprechen“, antwortete Donovan, „aber ich würde sagen, dass diese Gentlemen hier sind, um Tee zu trinken.“ Er streckte den Arm aus, um an die Tür zu klopfen, zu der die Wache ihn geschickt hatte. „Es kommt ja nicht so häufig vor, dass man der Königin Gesellschaft leisten darf.“

Die Tür öffnete sich. Donovan zeigte die Einladung dem Gentleman, der dort stand. „Ah, ja, natürlich, Mrs. Honeycutt. Wir haben Sie bereits erwartet. Ich bin der zweite Diener Bellingham, zu Ihren Diensten. Würden Sie mir bitte folgen?“

„Vielen Dank.“ Hollis sah zu Donovan.

„Soll ich Sie in so etwa einer Stunde wieder abholen?“, fragte er und sah auf seine Taschenuhr.

„Nicht nötig. Eliza kümmert sich darum, dass mich jemand nach Hause bringt.“

Er nickte und steckte die Uhr wieder in die Tasche. Er lächelte. „Wie schön Sie aussehen, Madam. Ich würde sagen, heute ist ein ausgezeichneter Tag, um sich auf die Suche nach einem Ehemann zu machen. In den Prunkgemächern wird es sicherlich von wohlhabenden Gentlemen nur so wimmeln.“

Hollis verdrehte die Augen, aber sie konnte spüren, dass sie rot geworden war. „Wollten Sie heute Abend ausgehen?“

Donovans Lächeln nahm einen ironischen Ausdruck an, und auch wenn ihr klar war, dass zwischen ihnen niemals etwas sein konnte, sorgte er mit seinem Lächeln immer dafür, dass ihr Herz ein wenig zu flattern begann. Er war wahrscheinlich der bestaussehende Mann, den sie kannte. „Fragen Sie mich das lieber nicht“, erwiderte er mit etwas zu viel Nachdruck. Er legte ihr eine Hand auf den Ellenbogen und drehte sie um, sodass sie die Tür und den Gentleman ansah, der geduldig auf sie wartete. „Sie müssen sich keine Sorgen machen, das wissen Sie doch.“

„Ich mache mir keine Sorgen. Ich bin vollkommen sorglos. Ich habe Sie bereits vergessen.“

Donovan lachte. „Gehen Sie, und genießen Sie die Gesellschaft Ihrer Schwester und Ihrer Nichte. Bringen Sie etwas zum Erzählen mit nach Hause.“ Mit diesen Worten und einem Augenzwinkern drehte er sich um und ging davon.

Hollis sah ihm nach, wie er sich mit federnden Schritten entfernte. Gerade als er sich umwandte, um durch das Tor zu schreiten, sah sie den verwirrten Gentleman, der jetzt mit langen, sicheren Schritten den Hof durchquerte. Er lief so schnell, dass der Saum seines Mantels bei jedem Schritt flatterte. Er schien überhaupt nicht mehr unsicher zu sein – er wirkte vollkommen gelassen. Er folgte den anderen Gentlemen, die in Zweier- oder Dreiergruppen lachend und redend nebeneinander schlenderten, als wären sie nach einer Partie Kricket auf dem Weg in den Pub.

„Mrs. Honeycutt?“

„Oh! Ja“, sagte sie zu dem zweiten Diener, als ihr wieder einfiel, wo sie war, und ging durch die Tür.

2. KAPITEL

Ganz London wartet begierig darauf, einen Blick auf die Herzogin von Tannymeade zu erhaschen, die geborene Miss Eliza Tricklebank, die vor Kurzem mit ihrem Ehemann, dem Herzog, und ihrer gemeinsamen Tochter, der Erbin des alucianischen Throns, nach London zurückgekehrt ist. Prinzessin Cecelia soll ein kleiner Engel sein, der die grünen Augen seiner Mutter und das dunkle Haar seines Vaters geerbt hat. Es wird mit allem Ernst bereits jetzt darüber spekuliert, wer ein passender Ehegatte für die neugeborene Prinzessin sein könnte. Im Augenblick liegt der zweijährige Sohn eines gewissen englischen Ministers bei den Wetten in White’s Club für Gentlemen vorn.

Es ist kaum vorstellbar, dass ein Spiel um die kleine Prinzessin für so viel Unterhaltung sorgen kann, obwohl es in königlichen Kreisen nach wie vor glaubwürdiges Getuschel über Unruhen gibt. Es würde uns allen gut zu Gesicht stehen, wenn wir die wahre Bedeutung dieses Gipfeltreffens nicht vergessen würden.

Meine Damen, wir möchten Sie daran erinnern, dass eine zu steife Krinoline eine Gefahr für Ihre Gesundheit darstellt. Passen Sie auf, wenn Sie sich in die Nähe einer Klippe begeben, denn eine starke Windbö könnte einen leicht wie einen Ballon aufs Meer hinaustragen. Die verstorbene Mrs. March aus Scarborough musste unglücklicherweise diese Erfahrung machen.

– aus Honeycutts Mode- und Haushaltsmagazin für Damen

Es war das zweite Mal, dass Hollis in den St. James’s Palace begleitet wurde, als wäre sie ein Mitglied des Königshauses, und das zweite Mal, dass sie das Gefühl hatte, eine schreckliche Lüge zu leben. Sie fühlte sich in ihrem Salon mit den Füßen am Feuer weit mehr zu Hause.

Bellingham trug weiße Handschuhe und eine untadelig gebundene Krawatte. Er führte sie die Haupttreppe hinauf und dann einen langen Flur hinab, an Porträts und Marmorkonsolen vorbei. Von den Fenstern aus hatte man einen spektakulären Ausblick auf den St. James’s Park. Er bog um eine weitere Ecke, und sie gingen einen zweiten sehr langen Flur entlang, an noch mehr Porträts, riesengroßen Bodenvasen und Samtbehängen vorbei, bis sie zu der Tür kamen, durch die man zu den Gemächern gelangte, in denen der Herzog und die Herzogin von Tannymeade untergebracht waren. Er klopfte zweimal. Sofort wurde die Tür von jemandem auf der anderen Seite geöffnet. Der zweite Diener trat hinein, verneigte sich und verkündete geziert: „Mrs. Hollis Honeycutt.“

„Hollis!“, rief Eliza fröhlich von irgendwo, wo sie nicht zu sehen war. Hollis trat über die Schwelle und erblickte ihre Schwester, die durch ein regelrechtes Meer von Menschen auf sie zugeschossen kam.

Hollis konnte kaum noch ihre Haube und ihren Umhang einem Lakaien übergeben, ehe Eliza sich aus dem Irrgarten befreit hatte und die Arme um Hollis schlang. Sie hüpfte mit ihr zusammen auf und ab, wie sie es als kleine Mädchen getan hatten. „Du bist spät dran, Liebes. Wo bist du gewesen? Ich hatte schon Angst, dass du alles verpassen würdest.“

„Es tut mir wirklich leid, Eliza, das ließ sich einfach nicht ändern.“

Es hätte sich in der Tat ändern lassen. Ihr Stolz und ihre Entschlossenheit, Mr. Shoreham zu beweisen, dass er falschlag, hatten sich allerdings als ein kleines Hindernis herausgestellt.

Eliza trat einen Schritt zurück, um Hollis’ Kleid zu begutachtenn und nickte zufrieden. „Es ist wunderschön. Caro hatte mir schon erzählt, dass es gut ist, aber nicht so gut wie das, was sie für den Ball für dich genäht hatte.“

„Aber es sitzt so eng.“ Hollis seufzte und sah auf den eisblauen Rock hinunter. Sie presste sich eine Hand an die Brust, als könnte sie so die feste Schnürung ihres Korsetts lockern.

„Es muss eng sitzen! Die Taille ist gerade das Wichtigste überhaupt. Nicht dass ich mir um meine viele Gedanken machen würde.“ Sie lachte – natürlich tat sie das –n denn es kam eigentlich nicht darauf an, was Eliza trug. Sie sah majestätisch aus, als ob sie dazu geboren wäre, Königin zu sein, und nicht die Tochter eines Richters. Eliza war fülliger geworden, seitdem sie London verlassen hatte, aber sie hatte in der Zwischenzeit natürlich auch geheiratet und war Mutter geworden. Für Hollis sah ihre Schwester wunderschön aus. Ihr Leben war wunderschön. Sie hatte einen wunderbaren, gut aussehenden Mann, der sie verehrte. Sie hatte einen Engel von Tochter. Sie hatte einen Palast und Personal und Schmuck und Kleider und würde eines Tages auf dem Thron sitzen. Eliza war in den Augen ihrer jüngeren Schwester immer beneidenswert hübsch gewesen, aber seitdem sie die kleine Cecelia zur Welt gebracht hatte, schien sie zu strahlen. War es das, was Liebe und Partnerschaft und Mutterschaft aus einer Frau machten? Wenn es so war, sehnte Hollis sich schrecklich danach.

„Ich muss doch sehr bitten – werde ich denn nicht begrüßt?“

Hollis hätte diese Männerstimme überall sofort erkannt und drehte sich um. Sie kannte Lord Beckett Hawke schon ihr ganzes Leben lang. Beck war der ältere Bruder von Hollis’ und Elizas bester Freundin Caroline und war beinahe wie ein Bruder für Hollis. Er war unerträglich und hörte nie auf, ihr zu sagen, was sie zu tun hatte, aber er liebte sie auch und war immer für sie da, wenn sie ihn brauchte.

Gerade vor Kurzem war ein alter Onkel von ihm ohne eigene Erben gestorbenn und Beck war dadurch Earl geworden. Er war jetzt Lord Iddesleigh. Er besaß ein neues Anwesen, das ein paar Stunden von London entfernt in einem Dorf lag, von dem Beck unter vier Augen gesagt hatte, es sei nur wenig größer als ein Haufen Pferdeäpfel.

Er war der Einzige in dem überfüllten Salon, der sich hingesetzt hatte. Er thronte auf einem roten, mit Samt bezogenen Sessel und hatte ein Bein über das andere geschlagen wie ein Großvater, der in aller Ruhe seine Brut begutachtet. Er legte den Kopf zur Seite und musterte Hollis. „Wie hübsch du aussiehst. Komm her und erzähl mir, was du getrieben hast. Du besuchst mich gar nicht mehr, Hollis. Es gab eine Zeit, da habe ich dich kaum aus meinem Haus bekommen, und jetzt kann ich dich kaum dazu bringen, überhaupt vorbeizuschauen.“

„Was in aller Welt redest du denn da?“, fragte sie lachend. „Ich habe doch vor drei Tagen erst bei dir zu Hause gegessen. Warum hockst du da eigentlich herum, als wärst du gerade dabei, das Geld von deinen Pächtern einzukassieren?“

Beck sah sich um. „Ist es verboten, dass Gäste des Palasts sich hinsetzen?“

„Ich habe nie verstanden, warum man so viele schöne Möbel hat, wenn sie nicht benutzt werden sollen“, sagte Eliza.

„Hollis, Liebes!“

Becks Schwester, Lady Caroline, inzwischen Lady Chartier, da sie mit Prinz Sebastians Bruder Leopold verheiratet war, segelte mit ausgestreckten Armen durch die vielen Männer hindurch auf sie zu, um Hollis zu begrüßen. Prinz Leopold folgte ihr auf dem Fuße.

Caroline packte Hollis’ Hände und beugte sich vor, um sie auf die Wange zu küssen.

„Hollis“, sagte Prinz Leopold und nahm ihre Hand aus Carolines. „Ich dachte schon, man müsste Sie suchen.“ Er hob ihre Hand an seine Lippen. „Sie sehen sehr gut aus, wie immer.“ Er lächelte freundlich.

Hollis machte einen Knicks. „Vielen Dank, Eure Hoheit. Es ist sehr nett von Ihnen, das zu sagen. Und wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Das Landleben scheint Ihnen beiden sehr gut zu bekommen.“ Sie hatte viel Zeit beim Prinzen und Caroline in Sussex verbracht. Der Stammsitz der Familie Hawke befand sich direkt vor den Toren des Dorfes Bibury, und dorthin hatte sich zunächst Caroline und später auch Leopold zurückgezogen, nachdem es den nach allgemeiner Auffassung größten Skandal von London gegeben hatte … bis es etwa vier Monate später den nächsten Skandal gegeben hatte, der diesem den Rang abgelaufen hatte.

Hollis und Eliza sprachen von dem Skandal als die Zeit, in der Caroline „der Hof gemacht“ worden war.

Aber eigentlich hatte niemand geglaubt, dass Caroline und Leopold es länger als vierzehn Tage auf dem Land aushalten könnten, so weit weg von der vornehmen Gesellschaft. Die beiden waren lange Zeit jeder für sich gefragte Gäste bei allen möglichen gesellschaftlichen Anlässen gewesen. Bis es damit vorbei gewesen war.

Es war kaum zu glauben, aber die beiden Menschen in ganz England, von denen man so etwas am allerwenigsten erwartet hätte, hatten sich auf dem Land niedergelassen. Sie hatten nach den vielen Jahren, in denen sie sich auf jeder Gesellschaft hatten sehen lassen, entdeckt, dass das Landleben, Wildleder und die Tiere zu ihnen passten. Caroline fand das Leben friedlich und idyllisch, ganz anders als ihr Leben in London. Beck sagte, das sei nur ein Vorwand, und in Wirklichkeit seien sie einfach in den meisten Salons in Mayfair noch immer nicht willkommen. „Skandale geraten nur langsam in Vergessenheit“, hatte er zu Hollis gesagt. „Es ist das Beste, wenn du dich von ihnen fernhältst, Liebes.“

Caroline machte einen Schritt zurück, um Hollis’ Kleid zu bewundern. „Oh, es ist wunderschön, nicht wahr? Ich wusste, dass es dir steht. Ich habe ein sehr gutes Auge für Farben, wie du weißt.“

Caroline hatte im letzten Jahr entdeckt, dass sie ein Naturtalent war, wenn es darum ging, Kleider zu entwerfen, und inzwischen waren ihre Kreationen in ganz London heiß begehrt. Dieses Kleid lag eng am Körper an, so wie die Alucianerinnen es mochten, und war reich mit Spitzen besetzt, so wie die Engländerinnen es mochten.

„Es sitzt schrecklich eng“, flüsterte Hollis.

„Das ist nicht meine Schuld“, meinte Caroline.

„Hollis, da ist sie! Mein kleiner Engel“, säuselte Eliza. Hollis wandte sich wieder ihrer Schwester zu. Aus dem Meer von Männern hinter ihr trat einer hervor, der einen Kopf größer war als die anderen. Es war Elizas Ehemann, Prinz Sebastian, der Herzog von Tannymeade und zukünftige König von Alucia, mit ihrem erstgeborenen Kind und Erben auf dem Arm. Er trug das Baby mit einem stolzen Lächeln vor sich her.

„Sollte er sie so tragen?“, fragte Caroline. „Wo ist denn eure Kinderfrau?“

„Er trägt sie lieber selbst“, erklärte Eliza. „Er ist ganz vernarrt in sie.“

„Sind wir das nicht alle?“, meinte Hollis verträumt. Prinzessin Cecelia war sieben Monate alt und sah aus, als wäre sie gerade aus ihrem Mittagsschlaf aufgewacht – ihr dunkles Haar war zerzaust, und eine ihrer Wangen war röter als die andere, als hätte sie auf ihr gelegen. Sie blinzelte die Erwachsenen an, die in dem Salon versammelt waren, und musterte sie streng, als wären sie alle Tiere, die sie noch nie gesehen hatte. Doch sie hatte schnell genug von diesem Anblick und lehnte ihren Kopf an die Schulter ihres Vaters.

„Hollis!“ Prinz Sebastian strahlte, als er sich vorbeugte, um sie auf die Wange zu küssen. „Möchten Sie Ihre Nichte auf den Arm nehmen?“

„Ja bitte!“ Hollis streckte die Arme nach dem Baby aus. Die kleine Prinzessin kam zwar erst bereitwillig zu ihr, starrte Hollis dann aber misstrauisch an. Sie hatte zarte dunkle Löckchen, hellgrüne Augen und zog einen Schmollmund. Sie war mit ihrem Babyspeck so niedlich, dass man sie einfach drücken musste. „Oje“, sagte Hollis sehnsüchtig. „Ich habe sie unglaublich lieb.“

„Sie ist so niedlich“, stimmte Caroline ihr zu.

„Ich will ja nicht prahlen, aber ich glaube, sie ist das hübscheste Kind, das ich je gesehen habe“, sagte Eliza und streichelte ihrer Tochter den Rücken.

Beck hatte es inzwischen geschafft, sich aus seinem Sessel zu hieven, und schlenderte zu ihnen herüber, um sich das Baby anzusehen. „Möchtest du sie mal nehmen, Onkel Beck?“, fragte Caroline.

„Auf keinen Fall. Erstens bin ich nicht ihr Onkel. Zweitens hatte ich sie vorhin auf dem Arm, und sie hat mir auf die Schulter gesabbert. Selbst wenn ich sie nach diesem unverzeihlichen Vorfall noch einmal auf den Arm nehmen wollte: Ihre Eltern sind so vernarrt in sie, dass sie es nicht ertragen können, sie länger als ein paar Augenblicke abzugeben.“

Cecelia fing an sich zu winden. „Gib sie mir, Hollis“, sagte Eliza.

„Wie ich gesagt habe“, murmelte Beck.

„Eliza, wir werden zum Tee erwartet“, mahnte der Herzog und hob die Hand zu einem Zeichen an irgendjemanden.

Eliza presste die Wange des Babys an ihre. „Ich will sie nicht hergeben“, sagte sie, als eine Frau in der grauen Uniform einer Kinderfrau auf sie zukam und vor ihnen knickste.

„Sie ist in den besten Händen“, versicherte der Herzog ihr.

„Ja, aber ich bin nicht gern von ihr getrennt, nicht solange ständig die Rede von Aufständen und Staatsstreichen ist.“

Sebastian – Bas, wie er sich von seiner Schwägerin nennen ließ – sah Eliza nicht an. Er sah stattdessen zu Hollis hinüber und runzelte düster die Stirn.

Schuldbewusst wich Hollis seinem Blick aus. Was hätte sie denn tun sollen? Hätte sie vorgeben sollen, dass sie nicht gehört hatte, was die beiden Gentlemen in der Bibliothek gesagt hatten? War es ihre Schuld, dass alle möglichen Männer sich ungehemmt unterhielten, obwohl sie in Hörweite war, als wäre sie entweder schwachsinnig oder unsichtbar? Als ob die Worte Aufstand oder Staatsstreich für sie völlig unverständlich wären? Aber sie hatte die Gentlemen genau verstanden und auch die Worte sehr gut begriffen. Sie war in die Bibliothek gegangen, um mit Mr. Shoreham zu reden. Aber die Erwähnung von Weslorien erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie blickte sich nach den beiden Gentlemen um, die auf dem Wandelgang standen. Einer von ihnen sagte, er habe gerüchteweise gehört, dass sich in Weslorien ein Aufstand zusammenbraue.

„Ein Staatsstreich?“, fragte sein Begleiter.

„Vielleicht“, entgegnete der andere. „Die weslorianische Wirtschaft liegt am Boden – es wäre kaum überraschend. Es wird seit Jahren darüber spekuliert.“

„Wissen die Königin oder der Premierminister etwas davon?“

„Der Premierminister hat selbst gesagt, dass es zu einem Aufstand kommen könnte, weil König Maksim nicht in der Lage ist, sich hier so gut zu verteidigen wie in St. Edys.“

St. Edys war die Hauptstadt von Weslorien, so viel wusste Hollis.

„Das sind alles nur Vermutungen, aber wir haben den Weslorianern zusätzliche Wachen zugeteilt … Verzeihung, Madam, suchen Sie etwas?“

Einer der beiden bemerkte Hollis schließlich, die gerade einmal zwei Fuß weit von ihnen weg stand. „Wie bitte?“, fragte sie, drehte sich dann um und ging davon.

Natürlich hatte sie Eliza erzählt, was sie gehört hatte. Nachdem Leopold und Sebastian die Geschichte dann wiederum von Eliza gehört hatten, waren die Brüder überzeugt, dass Hollis etwas missverstanden hätte.

„Mach dir keine Sorgen, Eliza“, sagte Leopold jetzt. „Was auch immer geredet wird, betrifft nur die Weslorianer, und ehrlich gesagt ist das alles nicht sehr glaubwürdig.“ Und dann warf er Hollis ebenfalls einen vorwurfsvollen Blick zu.

„Aber das ist doch schon einmal passiert“, mischte Eliza sich ein und wiederholte damit noch etwas, das Hollis ihr gesagt hatte. Sie beugte sich vor und flüsterte laut: „König Maksims Erstgeborener ist bei einem fehlgeschlagenen Aufstand entführt und ermordet worden.“

Caroline schnappte nach Luft. Sebastian und Leopold drehten sich wieder um, um Hollis entrüstet anzusehen. Beck seufzte genervt, als ob Hollis ihn schon den ganzen Tag mit Beschlag belegt hätte. „Tja, jetzt hast du es geschafft“, murmelte er.

Also gut, vielleicht war es streng genommen nicht nötig gewesen, ihrer Schwester genau das zu erzählen. Aber Hollis hatte die ganze schreckliche Geschichte in der Bibliothek am St. James’s Square nachgelesen. Sie hatte die lange und blutige Geschichte von Weslorien und Alucia studiert, weil ihre Schwester eines Tages Königin von Alucia sein würde. Gott möge Eliza schützen, das arme Ding. Die vielen Vorzüge des Königshauses zu genießen, war das eine, aber es war etwas ganz anderes, alles schultern zu müssen, was die Monarchie sonst noch mit sich brachte. Diesen Konflikt zwischen Alucia und Weslorien zum Beispiel. Es stimmte schon – das erstgeborene Kind und Erbe von König Maksim von Weslorien war im Alter von nur acht Monaten entführt worden. Rebellen, die vorhatten, es zu benutzen, um den König zum Abdanken zu zwingen, hatten es aus seiner Wiege geholt. Aber die Rebellen waren getötet worden, und das Kind wurde nie wieder gesehen. Hollis hatte gelesen, dass die Königin vor Trauer gestorben war.

Es wurde nie mit Sicherheit herausgefunden, wer hinter dem Aufstand gesteckt hatte. Einige waren der Meinung, dass Alucia etwas mit der Entführung und dem Mord zu tun gehabt hatte, was die Spannungen zwischen den beiden Ländern noch weiter verschärfte. Andere behaupteten, dass es jemand aus dem Palast gewesen sein musste, jemand aus dem engsten Kreis des Königs.

Für Hollis war die wahrscheinlichste Erklärung, dass Felix Oberon für alles verantwortlich gewesen war, der im Exil lebende Halbbruder von König Karl von Alucia. Prinz Sebastians und Prinz Leopolds Onkel war vor vielen Jahren aus Alucia vertrieben worden, weil er einen Umsturz gegen ihren Vater, König Karl, geplant hatte. Oberon war vor zwei Jahren auch maßgeblich an der Verschwörung beteiligt gewesen, in deren Rahmen Sebastian entführt werden sollte. Hollis fand es berechtigt, anzunehmen, dass er jetzt wieder vorhatte, das arme königliche Baby zu entführen.

Wer auch immer es getan hatte, Hollis hatte Eliza die Geschichte nicht erzählt, um ihr Angst zu machen. Sie hatte es ihr überhaupt nur deswegen erzählt, weil das weslorianische Parlament die Thronfolge neu geregelt hatte, als der weslorianische König ein paar Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau wieder geheiratet und Königin Agnes ihr erstes Kind, Prinzessin Justine, geboren hatte. König Maksims älteste Tochter konnte jetzt den Thron erben, auch wenn nach ihr noch ein Sohn auf die Welt kam. Sie hatte damit sagen wollen, dass Cecilia eines Tages Königin werden könnte, wenn Eliza Sebastian dazu drängte, in Alucia dieselben Thronfolgeregeln einzuführen. Was, wenn Eliza nach Cecelia noch eine ganze Schar von Söhnen bekam? Es war nur gerecht, dass der kleine Schatz seinen rechtmäßigen Platz auf dem Thron einnehmen durfte.

„Eliza, meine Liebe, Cecelia passiert hier schon nichts“, sagte der Herzog und bedachte Hollis mit einem Seitenblick, mit dem er jede Widerrede im Keim erstickte. „Sie befindet sich in einem Palast, umgeben von Wachen und Kindermädchen. Man bräuchte eine Armee, um diese Mauern zu durchbrechen. Außerdem ist es Zeit für ihr Abendessen.“ Er nahm Eliza die gemeinsame Tochter aus den Armen, hielt kurz inne, damit Eliza dem Baby immer und immer wieder die Wange küssen konnte, bis Cecelia sie wegstieß. Der Herzog küsste Cecelia auf den Scheitel und übergab das Baby dann der Kinderfrau und bedeutete ihr mit einer Geste, dass sie sich entfernen sollte.

Eliza sah Hollis hilflos an. Hollis zuckte entschuldigend mit den Schultern, als sie sich bei Eliza unterhakte. „Deinem Baby geht es gut.“

Aber Eliza wirkte nicht überzeugt, und Hollis war es eigentlich genauso wenig.

„Wollen wir?“, fragte Sebastian und nickte dem Butler zu.

„Ich wollte dich nicht beunruhigen, Eliza“, sagte Hollis leise, als alle sich aufstellten, um in die Prunkgemächer eingelassen zu werden. „Ich wollte nur helfen.“

„Und was ist daran hilfreich?“, fragte Caroline.

„Caro“, sagte Prinz Leopold und winkte sie zu sich. Caroline sah Hollis mit gerunzelter Stirn an, ehe sie zu ihrem Ehemann ging.

„Hör nicht auf sie, Hollis“, sagte Eliza. „Es war richtig, dass du mich davor gewarnt hast, dass jemand Cecelia entführen könnte.“

„Das war doch … Das war doch nicht das, was ich gemeint …“ Du lieber Gott, was hatte sie getan! Hollis seufzte. Es war völlig egal, was sie gemeint hatte – im Augenblick waren alle wütend auf sie.

„Also“, sagte Eliza und hielt inne, um sich davon zu überzeugen, dass ihr Diadem gerade auf ihrem Kopf saß. „Glaubst du, dass man uns den Zitronenkuchen serviert, den die Königin so liebt? Lady Sutherland hat gesagt, er sei das beste Gebäck, das sie je gegessen habe.“

„Eliza?“, sagte ihr Ehemann und streckte die Hand nach ihr aus.

„Hoffentlich, aber ich glaube, mir wäre ein Sandwich lieber oder vielleicht zwei“, meinte Hollis. „Ich bin am Verhungern“, fügte sie hinzu, während Eliza sich an der Spitze der Prozession zu ihrem Mann gesellte.

Beck nahm seinen Platz neben Hollis ein. „Was ist denn mit euch allen los und diesem ganzen Gerede von Aufständen und Entführungen?“

„Du nicht auch noch“, murmelte sie.

„Natürlich ich. Wenn ich nicht da wäre, um dich auf den richtigen Weg zu führen, wer übernimmt das denn dann?“

Sie bekam keine Gelegenheit, ihn daran zu erinnern, dass sie seiner Führung nicht bedurfte – die Türen zu den Prunkgemächern wurden geöffnet, der Herzog und die Herzogin wurden angekündigt, und der Einzug in die Prunkgemächer begann.

Vollkommen überfüllte Prunkgemächer. „Ich habe noch nie so viele Leute zum Tee versammelt gesehen“, sagte sie zu Beck.

„Es geht eigentlich nur um den äußeren Eindruck“, entgegnete Beck. „Ein Zeichen der Einigkeit. Dass England bereit ist, den armen, fehlgeleiteten Alucianern und Weslorianern dabei zu helfen, ihre Differenzen beizulegen.“

„Eliza hat gesagt, Bas ist ziemlich nervös, weil es das erste Mal ist, dass er den weslorianischen König und seine Familie trifft. Meinst du, dass König Maksim auch nervös ist? Ich wäre nervös, wenn ich er wäre, weil die alucianische Wirtschaftsleistung so viel größer ist.“

Beck sah sie erschrocken an. „Was redest du denn da?“, fragte er empört. „Was ist denn mit dir los, Hollis? Du bist immer so amüsant gewesen, und jetzt bist du nur noch trocken und langweilig.“

„Ich bin nicht … Ich habe gelesen …“ Hollis seufzte. Niemand, nicht einmal ihre eigene Schwester, interessierte sich dafür, was sie über irgendetwas dachte. „Du bist immer so wissbegierig gewesen, Beck. Was ist mit dir los?“

Beck schnaubte. „Das Einzige, was ich wissen will, ist, wie lange ich diese Teegesellschaft ertragen muss. Natürlich ist der weslorianische König nervös, Liebes. Er will unbedingt Frieden, und alle sagen, dass der Onkel des Herzogs, Felix Oberon, genauso unbedingt dagegen ist.“

„Warum sollte Onkel Felix keinen Frieden wollen?“, fragte Hollis neugierig, während sie langsam weitergingen.

„Wenn es Frieden und Wohlstand gibt, folgt ihm niemand mehr in einen Aufstand hinein. Und wenn niemand ihm in einen Aufstand folgt, verliert er seine Macht und sein Einfluss im Land schwindet.“

Diese Erklärung kam Hollis schlüssig vor. Genau wie die Möglichkeit eines Umsturzes.

Als schließlich die ganze Gesellschaft eingetreten war, kamen Leute auf sie zu, um vor den Prinzen und ihren Ehefrauen zu katzbuckeln.

Hollis und Beck, die von allen am wenigsten wichtig waren, standen an der Seite bei den alucianischen Gentlemen, die wohl mitgekommen waren, um ihr Fachwissen in die Verhandlungen einzubringen. Es waren Geistliche und Juristen und andere Gelehrte, die sich mit Zahlen auskannten. Sie und Beck waren die Verwandten, die man nicht übergehen durfte, ganz gleich, wie wenig Bedeutung sie für die Verhandlungen oder irgendetwas anderes hatten.

Hollis war sich ziemlich sicher, dass sie von allen am unwichtigsten war. Sie war selbstverständlich Eliza zuliebe hier, aber niemand sah in ihr etwas anderes als die Schwester der Herzogin. „Ach ja, die Schwester“, sagten sie, und dann war sie wieder vergessen. Doch im Augenblick war ihr das ganz recht. Sie war vielleicht die Schwester der Herzogin von Tannymeade, aber sie war auch die Verfasserin und Herausgeberin von Honeycutts Mode- und Haushaltsmagazin für Damen, einer zweiwöchentlichen Zeitschrift, die sie weitgehend allein zusammenstellte und veröffentlichte. Ohne Wissen ihrer Familie, die mit Sicherheit etwas dagegen gehabt hätte, arbeitete sie gerade an einer aktuellen Meldung für das Magazin.

Sie hatte vor Kurzem dafür gesorgt, dass das Magazin sich mehr mit den Nachrichten des Tages befasste. Hollis war überzeugt davon, dass Frauen sich auch für andere Dinge interessierten als für Mode und den neuesten Klatsch, und sie hatte vor, sie mit diesen Themen zu versorgen. Im Augenblick schrieb sie einen Artikel über die tatsächlichen Aussichten auf Frieden zwischen Alucia und Weslorien. Von der alucianischen Seite hatte sie bereits alle Informationen, die sie dafür benötigte. Sie brauchte nun aber noch mehr Informationen von der weslorianischen Seite und vor allem über diesen angeblichen Aufstand. Wahrscheinlich konnte man genauso gut auf einer königlichen Teegesellschaft zu suchen anfangen wie woanders.

Sie wollte sich mit einem oder zwei Weslorianern bekannt machen. Sie glaubte, dass ihr das bei diesem Anlass besonders leichtfallen müsste, weil Eliza beschäftigt war und Caroline durch den Saal flatterte. Aber nun musste Hollis feststellen, dass die Gäste einander immer nur schnell und oberflächlich vorgestellt wurden, weil alle versuchten, sich in die beste Position zu bringen, um die Herrscher der beiden Königreiche kennenzulernen. Die meisten Leute, mit denen sie sprach, sahen einfach durch sie hindurch Eliza und Sebastian oder König Maksim und Königin Agnes an.

Dann betrat Königin Victoria persönlich den Saal, und alle unterbrachen sich bei dem, was sie gerade taten, um sich vor der zierlichen Frau zu verneigen. Sie machte ihre Runde durch den Saal von einer Gruppe von Menschen zur nächsten. Sie hieß die Gäste im St. James’s Palace willkommen, erkundigte sich danach, wie sie untergebracht waren, und wünschte allen eine gute Zusammenarbeit zum Wohle ihrer Länder.

Hollis wurde Ihrer Majestät nicht vorgestellt. Sie wurde immer weiter nach hinten geschoben, bis sie sich nur noch in Gesellschaft derjenigen befand, die man für nicht würdig hielt, die Bekanntschaft Ihrer Majestät zu machen.

Caroline war es aufgrund ihrer Vermählung mit Prinz Leopold würdig, die ihre skandalöse Vergangenheit auszustechen schien. Selbst Beck war es würdig, was Hollis überraschte. „Ich hätte nicht gedacht, dass du dabei bist.“

„Ich bin immer dabei, Liebes“, sagte er und rückte seine Krawatte gerade. „Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, ich habe vor, Ihre Majestät zu fragen, ob es hier irgendwo einen Schluck Brandy gibt.“

„Wir sind beim Tee, Beck“, ermahnte Hollis ihn.

„Das werden wir ja sehen.“ Er schlenderte davon.

Hollis blieb allein vor einem Fenster stehen. Es hatte eine Zeit in ihrem Leben gegeben, da hatte sie das Gefühl gehabt, dass sie auffiele. Aber jetzt kam sie sich ein wenig … unsichtbar vor.

Sie sah sich nach einer Ablenkung um und entdeckte beinahe sofort den Gentleman, der vor den Palasttoren so verwirrt gewirkt, aber sie dann aufgefangen hatte, ehe sie hingefallen war. Genau wie sie stand er ganz allein. Er machte ein ernstes Gesicht. Sein Blick war starr auf jemanden oder etwas in der Menge gerichtet. Das war ja seltsam … Er sah so aus, als wäre er rein zufällig in diese Teegesellschaft geraten. War er das?

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Er hatte den Mantel ausgezogen, und sie musste feststellen, dass seine Schultern wirklich so breit waren. Er war kräftig gebaut, wie ein Arbeiter. Sie konnte sich vorstellen, wie er Steine meißelte und wuchtete, sodass ihm der Schweiß die Arme hinunterrann …

Sie schüttelte den Kopf – das ergab keinen Sinn. Was sollte denn ein Steinmetz hier verloren haben?

Sie versuchte, sich aus der Entfernung so gut es ging einen Eindruck von seinen Kleidern zu verschaffen. Er trug eine Art von Anzug, die in Weslorien und Alucia weit verbreitet war. Die Jacke hatte schmale Revers und war wadenlang. Seine Weste war reich bestickt. Er trug das Haar hinter die Ohren zurückgekämmt, aber eine widerspenstige Strähne hing ihm in die Stirn.

Er wirkte ein wenig steif, hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und den Kopf leicht geneigt. War er Weslorianer? Alucianer? Sie konnte von hier aus keinen grünen Flicken erkennen, der ihn als Weslorianer ausgewiesen hätte. Das war ein Kleiderbrauch, mit dem die Weslorianer ihre Nationalität zeigten. Er erinnerte sie ein wenig an schottische Tartans, weil jeder wusste, dass ein Mann im Kilt mit großer Wahrscheinlichkeit ein Schotte sein musste. Ein grüner Flicken besagte, dass ein Menschen Weslorianer war. Er war üblicherweise ziemlich klein, es sei denn, man hatte es mit einem Würdenträger zu tun. Königin Agnes zum Beispiel trug eine laubgrüne Robe.

Er hatte noch etwas anderes an sich, das ein wenig merkwürdig war. Plötzlich wurde ihr klar, was es war – er gab sich in diesen überfüllten Prunkgemächern, wo alle nur darauf aus waren, Bekanntschaften zu machen, keinerlei Mühe, jemanden kennenzulernen. Sie malte sich für einen Augenblick aus, dass er genau wie sie hergekommen war, um jemanden kennenzulernen, wahrscheinlich einen Engländer. Hier standen sie nun also beide, getrennt von allen anderen und auf der Suche nach einer neuen Bekanntschaft.

Aber der Mann war selbstverständlich nicht um die halbe Welt gesegelt und hatte sich in einen Palast begeben, weil er unbedingt einen Engländer kennenlernen wollte.

Warum stand er dann ganz allein dort?

Die Königin verstellte Hollis die Sicht, als sie näher kam, um sich mit zwei Männern zu unterhalten. Sie beugte sich ein wenig nach rechts, aber der Mann hatte seinen Platz ebenfalls gewechselt – sie konnte ihn nicht mehr sehen.

„Guck mal!“

Hollis zuckte zusammen und drehte sich in die Richtung, aus der Carolines Stimme kam. „Caro! Du hast mich fast zu Tode erschreckt.“ Sie presste sich eine Hand aufs Herz.

„Weißt du noch, was ich dir über sie gesagt habe? Da ist sie! Guck schnell, Hollis, sofort!“

„Sagst du mir auch, was ich angucken soll?“, beklagte Hollis sich.

Caroline wies mit einem Nicken auf eine Frau mit rotem Haar. „Die Pummlige. Siehst du sie? Die ist zum Kinderkriegen gebaut, das muss man sagen.“

„Caro! Also wirklich, sie ist doch kein Pferd, und wenn man es genau nimmt, sind wir alle zum Kinderkriegen gebaut. Die Lady in Hellgelb?“

„Genau die.“

„Und?“

„Warum stellst du dich dumm?“, fragte Caroline. „Ich bin kaum noch in London, und sogar ich weiß, wer sie ist – Lady Blythe Northcote, die Tochter des Earl of Kendal. Ich habe dir doch von ihr erzählt.“

„Ich habe noch nie vom Earl of Kendal gehört.“

„Du hast noch nie von ihm gehört, weil er fast nie in die Stadt kommt. Er ist so etwas wie ein Einsiedler. Aber seine Tochter ist volljährig geworden, und zwar schon vor einiger Zeit, und ehrlich gesagt hast du doch vor nicht einmal einem Monat das ganze Wochenende bei mir verbracht, Hollis, und da habe ich dir erzählt, dass ich die perfekte Frau für Beck gefunden habe.“

Einiges von dem, was Caroline sagte, ließ sie über sich hinwegrauschen, vor allem an den Wochenenden, die sie bei ihr auf dem Land verbrachte. Aber jetzt hatte Hollis sie ganz genau verstanden und sah sie mit offenem Mund an. „Was soll das heißen, ‚perfekt für Beck‘?“

„Was glaubst du wohl, was das bedeutet, Hollis? Es wird Zeit, dass er heiratet.“

Hollis schnappte nach Luft. „Aber du bist doch immer so dagegen gewesen, Caro.“

„Ich bin meinetwegen dagegen gewesen, nicht wegen Beck. Er hätte schon vor Ewigkeiten heiraten sollen. Wer soll denn das riesige Vermögen erben, frage ich dich!“

„Tja, du, wenn er keine Erben hat.“

„Hm“, machte Caroline, als ob sie jetzt gerade zum ersten Mal von dieser Möglichkeit gehört hätte. „Das klingt verführerisch, das kann ich nicht leugnen. Aber warum sollte Beck sein Leben lang Junggeselle bleiben dürfen? Wir wissen doch alle, dass er jemanden braucht, der sich um ihn kümmert.“

Hollis lachte. Beck hatte sich all die Jahre um sie gekümmert, aber für Caroline war es andersherum.

„Ich bin fest entschlossen“, wiederholte Caroline, und als sie anfing, alle Gründe aufzuzählen, warum ihr Bruder heiraten musste, sah sich Hollis noch einmal zu der Stelle um, an der der fremde Mann gestanden hatte. Er war nicht mehr da. Sie erhob sich auf die Zehenspitzen und sah sich um. Er war nirgendwo auszumachen.

„Was machst du denn? Oje, Leopold will, dass ich komme“, sagte sie. Sie packte Hollis’ Hand und drückte sie. „Fang nicht an, die Gäste der Königin auszufragen. Eliza wäre sonst sehr wütend auf dich.“ Sie machte sich auf den Weg zu ihrem Ehemann.

„Ich hatte überhaupt nicht vor, irgendjemanden auszufragen“, murmelte Hollis in sich hinein. Warum musste sie eigentlich ständig jedem erklären, dass die Kunst des Journalismus vor allem darin lag, bis ins kleinste Detail die richtigen Informationen zusammenzutragen? Das bedeutete nicht, dass sie Menschen ausfragte, sie ließ sich lediglich ihre Geschichte bestätigen. Und ja, sie hatte immer einen Bleistift und ein Blatt Papier bei sich, auch wenn ihre Familie sich deswegen beschwerte. Aber sie wollte ihre Sache einfach so gut wie möglich machen.

Während Caroline von ihr weg schwebte, versuchte Hollis, den Mann in der Menschenmenge wiederzufinden, blieb aber leider erfolglos. Wo konnte er sein? Warum verließ er den Saal, bevor der Tee serviert worden war? Es war ihm doch sicherlich nicht gestattet, ohne Begleitung im St. James’s Palace umherzuwandern.

Plötzlich musste sie an die kleine Cecelia denken, weit weg von ihren Eltern in diesem alten Palast. Ihr lief ein eiskalter Schauer über den Rücken.

Sie benahm sich lächerlich. Er würde schon nicht ganz allein durch den Palast streifen – überall gab es Wachen und Dienstboten und andere Menschen. Was war denn mit ihr los? Wieso fand sie einen Mann verdächtig, nur weil er allein dagestanden hatte? Wenn Menschen deswegen verdächtig waren, war sie auch verdächtig.

Cecelia war vollkommen in Sicherheit.

Hollis zwang sich, an den Tee zu denken, der jetzt eingenommen werden sollte.

Lakaien waren hereingekommen und gingen durch den Saal, um die Gäste einzuladen, an einem der sechs Tische Platz zu nehmen, die für den Tee gedeckt waren. Hollis sah zum anderen Ende des Saals hinüber, weil sie hoffte, Eliza dort zu entdecken.

Da war er ja wieder! Er stand dicht neben der Tür, war aber noch immer allein. Sein Blick war starr auf jemanden in der Menge gerichtet. Wenn sie sich nicht täuschte, starrte er König Maksim an.

Hollis sah zu Eliza und Caroline hinüber. Sie waren in ihre Gespräche vertieft. Und Beck war … nun ja, sie hatte keine Ahnung, wo Beck war.

Sie richtete den Blick wieder auf den Gentleman. Sie war neugierig. Was hatte er hier ganz allein verloren? Vielleicht sollte sie die Gelegenheit nutzen, ihm für seine Hilfe vorhin zu danken. Hollis machte sich unauffällig auf den Weg in Richtung des Fremden.

3. KAPITEL

Auf der königlichen Teegesellschaft, mit der die Gäste aus Alucia und Weslorien willkommen geheißen wurden, sah Königin Victoria in ihrer Robe aus goldener Seide und Klöppelspitze besonders prächtig aus. Mieder und Rock des Kleides waren mit großen Seidenblumen geschmückt, und dazu trug sie ein spitzenbesetztes Häubchen.

Es waren viele Würdenträger zugegen, da es nur selten eine Gelegenheit gibt, zum Tee in den St. James’s Palace eingeladen zu werden. Es ist mehr als einem der Gäste aufgefallen, dass ein gewisser Lord aus der Familie Hawke ganz gefesselt von einer Schönheit mit kastanienbraunem Haar gewesen ist, die erst vor Kurzem nach London gekommen ist. Zeichnet sich da am Horizont vielleicht eine Verlobung ab?

Beim Tee wurde darüber debattiert, ob Frauen gute Lehrerinnen für die Kinder unseres Landes sein können. Viele Männer scheinen der antiquierten Ansicht zu sein, dass das schöne Geschlecht ihnen in geistigen Dingen unterlegen wäre. Doch wenn man die unwiderlegbare Tatsache betrachtet, dass jeder Gentleman in Wirklichkeit – in der einen oder anderen Form – so einiges von einer Frau gelernt hat, widerspricht das nicht solchen Gedanken? Meine Damen, sind wir nicht alle Lehrerinnen? Was denken Sie?

– aus Honeycutts Mode- und Haushaltsmagazin für Damen

Er hatte nicht gehört, wie die Frau auf ihn zugekommen war. Er hatte sie nicht einmal gesehen, bis sie sich in sein Blickfeld schob. Er erschrak daraufhin so sehr, dass er sicher einen Fuß hoch in die Luft gesprungen war. Es war nicht das erste Mal, dass ihm das passierte, wenn jemand von links auf ihn zukam. Auf diesem Ohr war er nämlich taub.

Er erkannte sie natürlich sofort wieder. Sie lächelte. Sie hatte ein sehr hübsches Lächeln, das zu ihrem hübschen Gesicht passte und ihm vorhin schon aufgefallen war. Sie hatte tiefblaue Augen, in denen ein großzügiger Geist strahlte. Ihr Haar war sehr dunkel, beinahe schwarz. Er hatte einmal gehört, dass Waliser sehr dunkle Haare hätten. Er hatte keine Ahnung, ob das stimmte – er hatte in seinem ganzen Leben noch keinen Waliser getroffen.

Ihm ging einen Moment zu spät auf, dass sie etwas gesagt hatte. Ihre Stimme war leise, und er konnte sie über dem Gewirr so vieler anderer Stimmen nicht genau verstehen. Er beugte sich vor, wie es seine Gewohnheit war, und sah ihr auf die Lippen. „Wie geht es Ihnen?“ Aha. „Sehr gut“, sagte er. „Vielen Dank.“

„Ich muss mich wirklich bei Ihnen bedanken, Sir!“, sagte sie. „Ich war vorhin so erschrocken, dass ich kein Wort herausbekommen habe, nachdem Sie mich davor bewahrt hatten, mich rücklings auf die Straße zu werfen.“

Er war sich nicht ganz sicher, ob sie absichtlich vorgehabt hatte, auf die Straße zu fallen, oder ob das wieder so eine englische Formulierung war, die er nicht verstand.

„Ist das nicht außerordentlich?“, fragte sie und kam ein wenig näher. Da er jetzt ihre Lippen sehen konnte, klangen ihre Worte deutlicher in seinen Ohren. „So viele Könige und Königinnen und mögliche Könige und Königinnen in einem Raum.“

Er sah sich um. Die Menschen, die hier versammelt waren, hätten Könige und Königinnen sein sollen, wenn man den Sinn und Zweck der Zusammenkunft betrachtete.

Als er wieder sie ansah, lächelte sie ihr hübsches Lächeln und fragte selbst für seine Begriffe ziemlich laut: „Sprechen Sie Englisch?“

Er blinzelte. „Ich – ich habe gerade Englisch gesprochen, mit Ihnen.“

„Ach, das stimmt!“, meinte sie fröhlich. „Sie müssen Weslorianer sein. Sind Sie Weslorianer?“

War sie Weslorianerin? Nein, unmöglich – sie hatte einen englischen Akzent und trug kein Grün. Warum fragte sie ihn das? Warum fragte sie ihn überhaupt irgendetwas? Ein dumpfes Misstrauen dröhnte in ihm.

„Ich habe Ihren grünen Flicken gesehen“, sagte sie, als wäre sie sehr stolz darauf, als wäre das ein besonderes Talent von ihr. Dabei war das Grün deutlich sichtbar an seinem Ärmel. Er kam sich zwielichtig vor und ein wenig überrumpelt, als ob jemand ihn hätte warnen sollen, dass so etwas geschehen würde, dass eine schöne Frau ihn von links ansprechen und erschrecken würde. Aber andererseits hatte überhaupt niemand bei dieser Teegesellschaft mit ihm gerechnet, er selbst am allerwenigsten. Er hatte eine geprägte Einladung bekommen, adressiert an Marek Brendan, wahrscheinlich auf Geheiß von Lord Dromio, dem Handelsminister.

Die Frau fing plötzlich an zu lachen, als ob er etwas Amüsantes gesagt hätte. „Haben Sie wenigstens einen Namen, Sir?“

Ihm ging auf, dass er es versäumt hatte, sich vorzustellen, und jetzt zögerte er. Sie hatte etwas an sich, das ihn vorsichtig werden ließ.

Während er zögerte, trat sie näher an ihn heran. Er roch so etwas wie Flieder oder Rosenwasser – es war ein süßer, angenehmer Duft. „Ich bitte um Verzeihung, ich hätte mich zuerst vorstellen sollen – Mrs. Honeycutt.“ Sie hielt ihm ihre Hand hin.

Er zögerte, dann nahm er sie und neigte sich über sie. „Es ist mir ein Vergnügen. Marek Brendan.“ Die Ausbildung in höfischer Etikette, die er vor vielen Jahren erhalten hatte, fiel ihm ganz langsam wieder ein. Es war schon viele Jahre her, dass er lange Winterabende am Meer verbracht und mit seiner Tante ein Spiel gespielt hatte. „Enchanté, Madame. Gabel auf die linke Seite vom Teller, Messer auf die rechte.“ Seltsam, dass die ganze Mühe eigentlich vergebens gewesen war – er lebte ein sehr einsames Leben in Weslorien, arbeitete in der Hauptstadt St. Edys und kehrte abends auf seinen kleinen Hof am Fuße der Berge zurück, um die Tiere zu tränken und zu füttern. Dies hier schien ihm weder die richtige Zeit noch der richtige Ort zu sein, um seinen Unterricht aufzufrischen, und außerdem musste er sich um dringendere Fragen kümmern. „Madam, wenn Sie vielleicht …“

Sie schien zu spüren, dass er sich gleich entschuldigen wollte, und platzte heraus: „Ich bin noch nie mit so vielen Leuten auf einer Teegesellschaft gewesen. Was glauben Sie, wie viele Teekannen die Königin in ihrer Küche hat?“

Sollte er jetzt raten?

Sie verschränkte die Hände. „Sind Sie das erste Mal hier?“

Meinte sie den Palast? Oder London? So oder so gab es nur eine Antwort: „Ja, das bin ich“, erwiderte er. Er sah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Er war in solchen Sachen nicht besonders gut, nicht seitdem er so schlecht hören konnte. Außerdem fehlte ihm die Übung. Und die Geduld. Zudem verlangten andere Angelegenheiten nach seiner Aufmerksamkeit. Er wollte sich nicht vom Lächeln einer Dame ablenken lassen oder einem Ratespiel um Teekannen. „Wenn die Königin achtundvierzig Gäste zum Tee eingeladen hat und jede Teekanne dreieinhalb Tassen Tee fasst, wie viele Teekannen …“

Die Frau lächelte ihn ein wenig unverschämt an. Sie hatte ein wirklich hübsches Lächeln, und wenn er ein anderer Mann gewesen wäre, an einem anderen Ort, hätte er sich einen oder zwei Augenblicke lang in diesem Lächeln gesonnt, ganz gleich, wie unpassend es gewesen wäre. Aber er war kein anderer Mann. Er war, wer er war, und in London war er aus Gründen, die nichts mit Frauen wie ihr zu tun hatten.

Er sah sich nach König Maksim um. Der Handelsminister Lord Dromio sagte gerade etwas zu ihm. Der König sah besorgt aus. Oder war er verwirrt? Er machte meistens dasselbe besorgte Gesicht, als rechnete er jeden Augenblick damit, dass das Dach über seinem Kopf einstürzen würde. Hinter ihm stand der allgegenwärtige junge Mann, der jede Bewegung des Königs beobachtete. Sein persönlicher Kammerdiener.

„Wahrscheinlich sind Sie wegen der Friedensverhandlungen gekommen, nicht wahr? Das Wetter ist für diese Jahreszeit sehr angenehm, auch wenn ich von einem meiner Dienstboten gehört habe, dass es bald schneien soll. Seine Hüfte funktioniert besser als eine Wetterfahne, sagte er. Genau wie Weslorien, nicht wahr?“

Die Hüfte des Mannes war wie Weslorien? „Wie bitte?“

„Schnee. Ich dachte, es schneit viel in Weslorien.“

Wer war diese Frau? „Je, ja, das tut es allerdings.“

Sie lächelte noch strahlender, als ob sie sich darüber freute, dass sie diese Tatsache bestätigt bekommen hatte. „Soweit ich weiß, hat es etwas mit der Lage des Meeres und der Berge zu tun, oder – oder so etwas Ähnliches“, sagte sie und wedelte dabei mit den Fingern. „Ich habe ziemlich viel über Weslorien gelesen, und mein Kopf ist voller Daten und Zahlen. Das Meiste davon ist nicht besonders nützlich.“

„Verstehe“, meinte er, aber er verstand überhaupt nicht, was sie wollte. War sie Wissenschaftlerin? Gab es in England Frauen in der Wissenschaft?

Marek sah wieder zum König hinüber und fragte sich, wie er dieses Gespräch höflich beenden konnte. Glücklicherweise wurde er von der alucianischen Herzogin und künftigen Königin gerettet, die mit ein wenig verrutschtem Diadem auf sie zugesegelt kam. Sie wollte Mrs. Honeycutt eindeutig auf sich aufmerksam machen. Einer der Vorteile von Mareks schlechtem Gehör war, dass er in verschiedenen Sprachen Lippen lesen konnte, darunter Englisch, Weslorianisch und Alucianisch. Sie rief nach Mrs. Honeycutt.

„Mir scheint, Sie werden verlangt“, sagte er nur.

„Wirklich?“ Mrs. Honeycutt drehte sich um.

„Es hat mich sehr gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen“, sagte er und nutzte die Gelegenheit, sich davonzumachen und hinter zwei Lakaien zu verschwinden, die versuchten, die Gäste zum Tee an die Tische zu bewegen.

Nicht alle waren eingeladen, an den Tischen Platz zu nehmen – es waren viel mehr Menschen in den Prunkgemächern anwesend, als es Plätze zum Tee gab. Es hatte den Anschein, als hätten die Gäste das zunächst nicht verstanden, und so wanderten Trauben von Menschen von einem Tisch zum nächsten, lasen die Platzkarten und standen dann herum und unterhielten sich. Einige von ihnen schienen darauf aus zu sein, wirklich alle Platzkarten anzusehen, als ob sie zum Einkaufen in einem Porzellangeschäft wären. Andere wollten sich setzen und bedient werden. Andere schienen die Bemühungen, die Gäste zu ihren Plätzen zu führen, nicht einmal bemerkt zu haben.

Am Ende ließ man alle, die nicht saßen – das Personal und die Dienstboten der Würdenträger, Experten auf den unterschiedlichsten Themengebieten –, an der Rückseite Aufstellung nehmen, falls sie gebraucht wurden, um eine Frage zu beantworten oder schmutziges Geschirr zu entfernen.

Marek stand allein in einer dunklen Ecke.

Lord Dromio saß neben Lord Van. Anton Dromio war zum Handelsminister ernannt worden, wie so etwas eben vor sich ging – als Gefallen für einen Gefallen für einen Gefallen oder so ähnlich. Er war Mareks Vorgesetzter im Handelsministerium und wahrscheinlich der dümmste Mensch, dem Marek je begegnet war – abgesehen von einem Jungen, der einen schrecklichen Sturz vom Pferd überlebt und danach nur noch als Gehilfe des Stallmeisters getaugt hatte.

Doch das Schwierige an Dromio war, dass er keine Ahnung hatte, wie dumm er war. Er tat so, als wüsste er eine Menge, und im Zweifelsfall, der häufig eintrat, verließ er sich darauf, dass Marek ihm alles erklärte. Er neigte dazu, sich von irgendwelchen Ratgebern beeinflussen zu lassen, und änderte seine Meinung je nachdem, mit wem er zuletzt gesprochen hatte. Er hatte nicht viel für die komplizierten Fragen übrig, die sich angesichts der Handelsbeziehungen und Wirtschaftsleistung eines Landes stellten, und winkte ab, wenn er Mareks Darlegungen zu anstrengend fand.

Er beugte sich so weit zu Lord Van hinüber, dass er ihm direkt ins Ohr flüstern konnte. Van saß unbeweglich da, hielt den Blick starr auf den Tisch vor ihm gerichtet und hörte ihm aufmerksam zu.

Van war vor Kurzem zum Außenminister ernannt worden, nachdem herausgekommen war, dass der vorherige Außenminister in ein schändliches Komplott verwickelt gewesen war, in dem arme weslorianische Frauen an einflussreiche Männer zu Hause und hier in England verkauft worden waren. Es war die schlimmste Art von Sklavenhandel – junge Frauen im Tausch gegen politische Gefälligkeiten –, und kein anderer als Prinz Leopold von Alucia hatte die Machenschaften aufgedeckt. In ganz St. Edys hatte es wochenlang kein anderes Gesprächsthema gegeben als Prinz Leopold – er war mit der Tochter eines weslorianischen Herzogs verlobt gewesen, der in den Skandal verwickelt war. Es hatte einen ziemlichen Aufruhr gegeben. Der Prinz hatte eine Engländern geheiratet und sich hier niedergelassen. Was den Herzog und den Außenminister anging, tja … niemand wusste genau, was aus den beiden geworden war. Marek nahm an, dass sie ins Hinterland verbannt worden waren. Oder Schlimmeres. König Maksim war nicht besonders kaltblütig, aber es war allgemein bekannt, dass die Leute, die in seinem Namen handelten, gnadenlos sein konnten.

Auf der anderen Seite von Dromio saß Lord Osiander. Der neue Arbeitsminister war jung und gelassen und kam Marek sehr ehrgeizig vor. In den Hallen der weslorianischen Regierung war die Rede davon, dass er ein neues Zeitalter für ihr Land einläuten wollte, eins, in dem es gute Arbeitsbedingungen in den Fabriken und den Häfen gab. Er stammte aus der unwirtlichen Gegend ganz im Westen von Weslorien, wo Männer für niedrige Löhne in den Kohlenminen schufteten. Osiander wollte das ändern.

Nach dem, was Marek bislang beobachtet hatte, interessierten sich Dromio und Van vor allem dafür, an den Resten ihrer Macht und ihres Einflusses festzuhalten. Es schien ihm offensichtlich zu sein, dass der Mensch, der ihnen erlaubte, sich daran festzuklammern, König Maksim selbst war. Der König war leider ein schwacher Herrscher.

Dromio sagte etwas zu Van, das die beiden Männer zum Lachen brachte. Osiander sah sie an und wandte sich dann ab, beinahe als hätte er kein Verständnis für ihre Albernheiten.

Marek wandte den Blick nach rechts. König Maksim saß neben Königin Victoria. Sie war allein zum Tee erschienen, ohne den Prinzgemahl Albert. Mit am Tisch saßen die Ehefrau des Königs, Königin Agnes, und ihre beiden Töchter Prinzessin Justine und Prinzessin Amelia nebst dem alucianischen Herzogenpaar Tannymeade, die eines Tages König und Königin von Alucia sein würden. Dieser Tisch war ein Ebenbild der Harmonie zwischen den Parteien, was natürlich beabsichtigt war. Und tatsächlich wirkte die Gruppe sehr gelassen, während Dienstboten in roten Jacken und mit Turbanen auf dem Kopf Tee einschenkten. Als wären sie alle Freunde.

„Verzeihen Sie bitte“, sagte jemand. „Würden Sie mich bitte vorbeilassen?“

Die Stimme kam von Mareks rechter Seite, und er drehte sich ein bisschen, um Platz zu machen. Sein Blick fiel schon wieder auf Mrs. Honeycutt. Dieses Mal war sie in Begleitung eines Gentlemans, der wohlgenährt und privilegiert aussah. Sie kicherte über irgendetwas, das der Gentleman gesagt hatte. Doch sie sah Marek direkt an.

Was zum Teufel? Das gefiel ihm nicht, überhaupt nicht. Er trat zurück, hoffentlich aus ihrem Blickfeld, aber Mrs. Honeycutt ließ sich nicht hinters Licht führen. Sie sah an ihrem Begleiter vorbei zu ihm hinüber. Wollte sie … du lieber Gott, wollte sie etwa so etwas wie persönliches Interesse an Marek bekunden? Oder war sie eine englische Spionin?

Von diesen beiden Möglichkeiten kam ihm am wahrscheinlichsten vor, dass sie eine Spionin war. Er hatte zwar noch nie von einer Frau gehört, die spionierte, aber er musste zugeben, dass eine Frau sicher ausgezeichnet darin war, mächtigen Männern Informationen zu entlocken. Doch er war normalerweise kein Objekt weiblicher Aufmerksamkeit, er konnte sogar mit Sicherheit behaupten, dass ihm das erst ein- oder zweimal passiert war. Der jüngste Fall hatte sich in St. Edys ereignet. Die Tochter eines Mannes, mit dem er zusammenarbeitete, eine hübsche junge Frau mit goldenem Haar und sanften braunen Augen, gerade einmal zwanzig Jahre alt und damit zehn Jahre jünger als er, war jeden Tag mit dem Mittagessen für ihren Vater ins Büro gekommen. Marek hatte sie stets begrüßt und Nettigkeiten mit ihr ausgetauscht. Eines Tages brachte sie ihm Süßigkeiten mit. Nachdem das etwa eine Woche so gegangen war, wurde Marek langsam klar, dass sie nicht nur freundlich war – sie wollte ihm sagen, dass sie sich mehr vorstellen konnte als eine flüchtige Bekanntschaft.

Er sagte ihr, dass das unmöglich war. Er hatte der jungen Frau die Gründe nicht erklären können und auch sonst niemandem auf der Welt, aber es war unmöglich.

Aber es war nicht gerade so, als ob andere Frauen ihre Mütter und Väter oder Verwandte baten, sie ihm vorzustellen. Ganz im Gegenteil. Es ergab für ihn überhaupt gar keinen Sinn, dass sich diese Mrs. Honeycutt, die so schön und ganz offensichtlich so privilegiert war, für ihn interessierte. Es musste um etwas anderes gehen.

Ihr Begleiter schien Marek überhaupt nicht bemerkt zu haben. Er sagte zu Mrs. Honeycutt: „Setzt du dich jetzt hin?“

„Setz du dich doch hin“, erwiderte sie.

„Natürlich, damit ich mich Caros Kuppelei aussetze? Ich würde lieber sofort aus diesem Leben scheiden“, knurrte der Gentleman.

Mrs. Honeycutt lachte. Es klang angenehm und weich, genauso angenehm wie ihr Lächeln.

Der Mann seufzte. „Sieh mal, was du angerichtet hast, Hollis“, sagte der Gentleman. „Der Lakai dort will mich holen.“

Hollis. War das ein englisches Wort? Mareks Englisch war sehr gut, aber seitdem er in London war, hatte er Worte und Formulierungen gehört, die er nicht kannte. War Hollis ein Name?

„Oje. Ich glaube, dann musst du gehen, oder? Mach dir um mich keine Sorgen, Beck. Ich schlendere hier herum und schließe neue Freundschaften.“

„Herumschlendern? Setz dich zu Eliza. Die machen dir sicher Platz. Ich hätte nie im Leben geglaubt, dass du dich weigern würdest, Tee mit zwei Königinnen und einem König zu trinken. Ausgerechnet du.“

Autor

Julia London
Julia London hat sich schon als kleines Mädchen gern Geschichten ausgedacht. Später arbeitete sie zunächst für die US-Bundesregierung, sogar im Weißen Haus, kehrte aber dann zu ihren Wurzeln zurück und schrieb sich mit mehr als zwei Dutzend historischen und zeitgenössischen Romanzen auf die Bestsellerlisten von New York Times und USA...
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