Für diese Nacht gehörst du mir

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"Du gehörst mir, Eva. Zumindest solange ich es will!" Triumphierend zieht Milliardär Zac Giordano seine betörend schöne Exverlobte in die Arme. Seit sie vor zwei Jahren seine Liebe verriet, hat er nur darauf gewartet, sich an ihr zu rächen. Jetzt wird er sie noch einmal heiß verführen und dann eiskalt fallenlassen! Aber anders als geplant, überkommen Zac nach einer leidenschaftlichen Nacht plötzlich Zweifel: Ist Eva etwa doch nicht die berechnende Femme fatale, für die er sie anfangs hielt? Oder verfällt er gerade zum zweiten Mal einer besonders raffinierten Betrügerin?


  • Erscheinungstag 22.11.2016
  • Bandnummer 2258
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707132
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Eine Armbanduhr aus Platin. Manschettenknöpfe mit Diamanten besetzt. Goldener Siegelring. Sechshundertfünfundzwanzig Pfund in bar und … eine höchst exklusive Kreditkarte: Obsidian Privilege. Aha! Schön, das wäre dann wohl alles, Sir. Unterzeichnen Sie hier, dass Sie Ihren Besitz zurückerhalten haben!“

Zaccheo Giordano reagierte nicht auf den bissigen Tonfall des Wächters, der ihm ein graues Formular entgegenschob. Und er ignorierte den offensichtlichen Neid in seinem Blick, während er nach draußen sah, wo hinter drei hohen Stacheldrahtzäunen eine schwarze Luxuslimousine wartete.

Romeo Brunetti, Zaccheos Stellvertreter und der einzige Mann, den er als seinen Freund bezeichnen würde, stand dort neben dem Wagen. Mit finsterer Miene beäugte er den bewaffneten Polizisten am Tor, und wäre Zaccheo besserer Stimmung gewesen, hätte er darüber geschmunzelt.

Er hatte schon lange keine gute Laune mehr gehabt. Vierzehn Monate, zwei Wochen, vier Tage und neun Stunden, um genau zu sein. Falls es nötig war, hätte Zaccheo es sogar bis auf die Sekunde festlegen können. Aber das würde natürlich niemand von ihm verlangen. Er hatte seine Zeit abgesessen. Dreieinhalb Monate von seiner achtzehnmonatigen Strafe waren ihm sogar wegen guter Führung erlassen worden.

Äußerlich ließ er sich zwar nichts anmerken, während er seine Sachen einsteckte, aber innerlich rumorte es in ihm. Sein dreiteiliger Maßanzug, mit dem er in die Haft gegangen war, roch nicht mehr besonders gut, doch auch das beachtete er nicht.

Ihm war materieller Komfort noch nie wichtig gewesen. Sein Werteverständnis ging weit darüber hinaus. Sich hochzuarbeiten, das war für ihn der einzige Ausweg aus dem erbärmlichen Leben gewesen, in das er hineingeboren worden war. In einen endlosen Strudel aus Erniedrigung, Gewalt und Gier. Einem Leben, das seinem Vater mit nur fünfunddreißig Jahren einen frühen Tod beschert hatte.

Die Erinnerungen folgten ihm, als er den langen Korridor zur Freiheit durchquerte. Das Gefühl maßloser Ungerechtigkeit war monatelang in ihm hochgekocht und drohte nun regelrecht zu explodieren.

Krachend fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

Zaccheo nahm den ersten Atemzug an der frischen Luft und schloss die Augen. Er lauschte dem Vogelgezwitscher in der Ferne, dem sonoren Rauschen der naheliegenden Autobahn, und er spürte die späte Wintersonne auf seinem Gesicht.

Dann schlug er die Augen auf, und nur eine Minute später hatte er schon das Außentor passiert.

„Zac, schön, dich wiederzusehen“, begrüßte ihn Romeo mit ernster Miene.

Und Zac wusste den finsteren Blick zu deuten. Er hatte sich seit Monaten nicht mehr rasiert und kaum einen Bissen herunterbekommen, nachdem ihm die ganze Wahrheit über seine Verhaftung klargeworden war. Dafür hatte er viel Zeit im Fitnessraum der Anstalt verbracht, um nicht wegen seiner Rachegelüste durchzudrehen.

Missmutig ging er auf die Autotür zu. „Hast du mitgebracht, worum ich dich gebeten habe?“

Romeo nickte. „Ja. Alle drei Akten befinden sich schon auf dem Laptop.“

Zac glitt auf den Ledersitz und nahm den Drink entgegen, den sein Freund ihm aus der Limousinenbar einschenkte. Der Chauffeur schloss von außen die Tür.

„Salute“, murmelte Zac und trank, ohne Romeo in die Augen zu sehen.

Kurz darauf brachte ihn der Wagen fort von dem Ort, den er über ein Jahr lang sein Zuhause genannt hatte. Er lauschte dem Schnurren des Motors und startete seinen Computer.

Das Logo von Giordano Worldwide Inc. erschien auf dem Bildschirm. Sein Lebenswerk, beinahe vernichtet durch den Machthunger und die Gier eines anderen! Es war Romeo zu verdanken, dass GWI nicht untergegangen war, während Zac für ein Verbrechen im Gefängnis gesessen hatte, das er nicht begangen hatte.

Und Romeo hatte GWI nicht nur gerettet, sondern sogar stärker gemacht.

Allerdings war Zacs Ruf ruiniert, und er saß beruflich praktisch auf der Straße. Frei, um diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die Schuld auf sich geladen hatten. Er würde nicht eher ruhen, bis er auch den letzten Täter seiner Strafe zugeführt hatte. Jede Person, die daran beteiligt gewesen war, sein Leben zu zerstören, würde bitter dafür bezahlen!

Seine Hände bebten, während er sein Passwort eingab.

Alle Informationen waren gründlich recherchiert, und das meiste wusste Zac ohnehin schon. Drei Monate lang hatte er seine Quellen doppelt und dreifach überprüfen lassen, um sicherzugehen, dass jedes Detail absolut wasserdicht war.

Zischend atmete er aus, als das erste Foto sichtbar wurde.

Oscar Pennington III. Entfernt verwandt mit der königlichen Familie. Alter Geldadel, wenn auch inzwischen verarmt. Privilegiert. Doch sein schwächelndes Immobilien-Portfolio hatte vor exakt vierzehn Monaten und zwei Wochen eine dringend benötigte Kapitalspritze erhalten, als er stolzer Besitzer von Londons berühmtem Vorzeigeobjekt geworden war: dem Spire.

Mühsam schluckte Zac den Fluch hinunter, der ihm in der Kehle brannte. Dann klickte er sich durch die Seiten, die Pennington dabei zeigten, wie er seinen Erfolg ausgelassen feierte … auf Galas, Dinnerpartys oder bei exklusiven Poloturnieren. Auf dem nächsten Bild stand er lachend neben einem seiner beiden Kinder.

Sophie Pennington. Diverse Privatschulen bis hin zum Abschluss mit Auszeichnung. Eine Schönheit im klassischen Sinn. Dieses Mädchen konnte einem das Leben richtig schwermachen. Und sie hatte zweifelsfrei bewiesen, dass sie beabsichtigte, in Oscars Fußstapfen zu treten.

Grimmig schloss er die Maske auf dem Bildschirm und öffnete die dritte Datei: Eva Pennington.

Dieses Mal gelang es ihm nicht, seinen Fluch zu unterdrücken. Seine Hände begannen zu zittern.

Karamellblonde Haare fielen ihr in wilden Wellen um die Schultern. Dunkle Brauen und Wimpern umrahmten ihre moosgrünen Augen, die sie mit einem Eyeliner dramatisch betont hatte.

Diese Augen hatten sofort seine Aufmerksamkeit erregt, als er sie zum ersten Mal getroffen hatte. Und zwar heftiger, als ihm lieb gewesen war! Genauso wie ihr voller, geschwungener Mund.

Auf dem Foto war nur ihr Portrait abgebildet, doch Zac konnte sich noch lebhaft an den Rest ihres wunderbaren Körpers erinnern. An ihre zierliche, kurvige Figur und an die Tatsache, dass sie sich in High Heels zwängte, um größer zu sein, obwohl sie diese Schuhe hasste.

Allerdings fiel ihm auch ein, wie grausam sie sein konnte. Etliche Stunden hatte er allein auf seiner Gefängnispritsche gelegen und sich dafür verflucht, auf ihren bemerkenswerten Verrat hereingefallen zu sein … und das, nachdem ihn seine Erfahrungen mit dem gesamten Establishment und besonders mit seinen eigenen Eltern eigentlich längst eines Besseren belehrt hatten!

Am meisten störte ihn, wie viel Zeit er mit nutzloser Verbitterung verschwendete. Wütend klickte er sich weiter durch die Seiten, die Evas vergangene eineinhalb Jahre dokumentierten. Beim letzten Artikel erstarrte er plötzlich.

„Wie alt ist diese Meldung?“, wollte er von Romeo wissen und nannte ihm die Überschrift.

„Ich habe sie gestern der Akte hinzugefügt“, antwortete Romeo.

Schockiert starrte Zac auf den Bildschirm. „Si, grazie …“

„Möchtest du zurück zum Anwesen oder lieber zum Penthouse?“, erkundigte sich sein Freund.

Noch einmal las Zac den Zeitungsausschnitt und prägte sich dabei jedes einzelne Detail ein. Pennington Manor. Acht Uhr abends. Dreihundert Gäste. Gefolgt von einem privaten Familiendinner am Sonntag im Spire.

Das Spire … dieses Gebäude hätte Zacs größte Errungenschaft werden sollen.

„Zum Anwesen“, befahl er und klappte den Laptop zu. Mit geschlossenen Augen lehnte er den Kopf zurück und versuchte, sich vom Motorengeräusch beruhigen zu lassen. Zwecklos, er war viel zu aufgewühlt.

Jetzt würde er seine Pläne ändern müssen.

Eine Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Alle drei Penningtons hatten ihren Anteil daran gehabt, ihn hinter Gitter zu bringen. Und nach dieser neuesten Information musste er nun eine Taktik anwenden, die er lieber vermieden hätte. Doch er wollte ihnen unbedingt nehmen, was ihnen am wichtigsten war: ihren Wohlstand.

Ein oder zwei Tage hatte er eigentlich noch abwarten wollen, bis Oscar Pennington genau an dem Punkt war, wo er ihn haben wollte. Aber diese Strategie würde nicht mehr funktionieren – Zac musste sofort zuschlagen. Das konnte unmöglich bis Montag warten. Nein, heute Abend musste er sich dem jüngsten Mitglied der Familie widmen … Eva Pennington.

Seiner Ex-Verlobten.

Eva Pennington starrte das Kleid an, das ihre Schwester in den Händen hielt. „Ernsthaft? Das ziehe ich auf keinen Fall an! Wieso hast du mir nicht erzählt, dass die ganze Garderobe, die ich zurückgelassen habe, entsorgt wurde?“

„Du hast doch selbst gesagt, du brauchst sie nicht mehr“, verteidigte sich Sophie. „Außerdem waren die Sachen alt und unmodern. Das hier habe ich von einem Kurier aus New York liefern lassen. Es ist ein Designerstück, eine Leihgabe.“

Eva machte einen Schmollmund. „Trotzdem, in dem Ding sehe ich aus wie ein billiges Flittchen. Außerdem finde ich, du solltest etwas vernünftiger mit dem Geld umgehen, nachdem es um unsere Finanzen ja nicht gerade rosig bestellt ist.“

Sophie und ihr Vater schienen die besorgniserregende Lage einfach zu ignorieren, was Eva ziemlich verwunderte.

Ihre Schwester gab einen spöttischen Laut von sich. „Das Kleid ist einzigartig, und deinem zukünftigen Ehemann wird es gefallen. Außerdem musst du es ja nur ein paar Stunden tragen, bis die Fotografen ihre Fotos haben und die Party vorbei ist. Danach wird es zurückgeschickt.“

„Hör endlich auf, mich zu bevormunden, Sophie! Du vergisst, wer sich diese ganze Rettungsaktion ausgedacht hat. Hätte ich mich nicht mit Harry geeinigt, wären wir nächste Woche pleite gewesen. Und was diesen Fummel betrifft: Ich entscheide immer noch selbst, was ich anziehe. Du hättest mich vorher fragen sollen.“

„Ach, so wie Vater und du mich gefragt habt, ehe ihr hinter meinem Rücken die Fäden zieht?“

Eva hörte die bittere Eifersucht in der Stimme ihrer Schwester. Dabei ging es ihr selbst schon schlecht genug mit der Entscheidung, die sie – aus der Not geboren – zwei Wochen zuvor getroffen hatte. Auch wenn der Mann, den sie heiraten würde, ihr Freund war. Und auch wenn diese Verbindung ihnen beiden gleichermaßen nützte. Eine Ehe einzugehen, hätte sie am liebsten vermieden.

Und ihre Schwester hatte schon immer wie eine Furie reagiert, wenn die Beziehung zwischen Eva und ihrem Vater enger zu werden schien. Das war einer der Gründe gewesen, weshalb Eva aus Pennington Manor ausgezogen war. Ein anderer war der spezielle Charakter ihres Vaters …

Ihr ganzes Leben lang hatte Sophie um die Aufmerksamkeit des alten Herrn gebuhlt, und sie war auch tatsächlich sein Lieblingskind gewesen, während Eva sich ihrer Mutter wesentlich näher gefühlt hatte. Nach deren Tod hatte Sophie erst recht jeden von Evas Versuchen torpediert, eine Beziehung zu ihrem Vater aufzubauen. Und er war seinerseits so gleichgültig wie eh und je gewesen.

„Wir haben gar nichts hinter deinem Rücken gemacht“, wehrte Eva sich. „Du bist geschäftlich unterwegs gewesen und hast …“

„Weil ich meine beruflichen Fähigkeiten zum Einsatz gebracht habe, die inzwischen anscheinend jedem egal sind“, ereiferte sich Sophie. „Denn du kannst ja einfach hier hereinschneien und alles an dich reißen, nachdem du drei Jahre lang schnöde Balladen in schmierigen Pubs zum Besten gegeben hast!“

Allmählich war Eva mit ihrer Geduld am Ende. Am meisten schmerzte es sie, wie abfällig ihre Schwester über das Singen sprach – Evas größte Leidenschaft. „Weißt du, ich habe Pennington verlassen, weil Vater unbedingt wollte, dass ich einen passenden Ehemann an Land ziehe. Und nur weil meine Träume nicht die gleichen sind wie deine …“

„Das ist genau der Punkt. Du bist vierundzwanzig Jahre alt und träumst dir immer noch alles zurecht. Der Rest von uns kann sich diesen Luxus gar nicht leisten. Wir landen nicht auf den Füßen, indem wir mit den Fingern schnipsen und uns einen Millionär angeln, der all unsere Probleme löst.“

„Harry rettet jeden von uns! Und glaubst du ernsthaft, ich wäre auf den Füßen gelandet, nur weil ich zum zweiten Mal in zwei Jahren verlobt bin?“

Entnervt warf Sophie das Kleid des Anstoßes aufs Bett. „Für jeden, auf den es ankommt, ist dies deine erste Verlobung. Die andere hat doch nicht länger als fünf Minuten gedauert. Kaum einer weiß, was damals genau passiert ist.“

Eva fühlte sich zutiefst verletzt. „Ich weiß es aber. Und ich kann nicht tun, als wäre da nichts gewesen … nur wegen dem, was danach vorgefallen ist. Du weißt, wovon ich rede.“

„Einen Skandal können wir zu diesem Zeitpunkt am wenigsten brauchen“, fuhr Sophie sie an. „Und ich begreife nicht, weshalb du Vater ständig an allem die Schuld gibst, obwohl er es war, der dich rechtzeitig aus den Fängen dieses Kerls befreit hat.“

Dieses Kerls. Zaccheo Giordano.

Der Name löste einen stechenden Schmerz in Evas Herzgegend aus. Das lag vermutlich daran, dass Zac kein bisschen besser als all die anderen Männer war, die bisher ihren Weg gekreuzt hatten.

Unbewusst ballte sie die Hände zu Fäusten. Es hatte schon seine Gründe, warum sie ihr Leben lieber weit weg von ihrer Familie in Surrey verbrachte!

Genau deshalb kannten sie ihre Kolleginnen im Siren – einem Londoner Nachtclub, in dem sie als Sängerin auftrat – auch als Eva Penn und nicht als Lady Eva Pennington, Tochter von Lord Pennington.

Die Beziehung zu ihrem Vater war seit jeher schwierig gewesen, allerdings hätte sie nicht erwartet, den Kontakt zu ihrer großen Schwester ebenfalls zu verlieren.

Sie räusperte sich. „Sophie, diese Vereinbarung mit Harry sollte nichts unterminieren, was du mit Vater in die Wege geleitet hast, um die Firma zu retten. Es besteht kein Grund zur Aufregung oder Eifersucht. Ich versuche nicht, deinen Platz einzunehmen.“

„Eifersucht? Mach dich nicht lächerlich!“

Doch die Panik in der Stimme ihrer Schwester brach Eva das Herz.

„Außerdem könntest du niemals meinen Platz einnehmen“, fuhr Sophie schneidend fort. „Ich bin Vaters rechte Hand, während du bloß …“ Sie brach ab und warf ihren Kopf in den Nacken. „Egal, unsere Gäste sind gleich da. Komm bitte nicht zu spät zu deiner eigenen Verlobungsfeier!“

Gequält schluckte Eva ihren Ärger hinunter. „Ich werde pünktlich sein. Aber ich habe nicht vor, in einem Kleid zu erscheinen, das nur von wenigen Fäden zusammengehalten wird.“

Die nächste Viertelstunde verbrachte sie damit, ihren begehbaren Schrank nach Sachen zu durchsuchen, die noch nicht entsorgt worden waren. An ihrem einundzwanzigsten Geburtstag war Eva von zu Hause ausgezogen, hatte fast alles an Kleidung zurückgelassen und trug heutzutage am liebsten Jeans und Shirts. Und natürlich das Kellnerinnen-Outfit des Nachtclubs, wenn sie dort regulär arbeitete und nicht als Sängerin auftrat.

Designerroben und Hairstylisten gehörten für sie schon lange der Vergangenheit an, doch heute gab es leider kein Entrinnen. Auch Zac war Vergangenheit. Ein Fehler, der ihr niemals hätte unterlaufen dürfen.

Erleichtert stöhnte sie auf, als ihr endlich ein seidener Schal in die Hände fiel. Der würde das dunkelrote Kleid zwar nur unzureichend verhüllen, aber es war besser als nichts.

Sie fand es schrecklich, heute bei dieser Farce mitspielen zu müssen. Aber war nicht ihr ganzes Leben eine einzige Farce gewesen? Eltern, die von der Öffentlichkeit als perfektes Paar beneidet wurden, die sich hinter verschlossenen Türen jedoch stritten wie die Kesselflicker – bis Evas Mutter eines Tages einem schweren Krebsleiden erlegen war.

All die verschwenderischen Partys, die teuren Urlaube, für die sich ihr Vater das Geld heimlich geliehen hatte … Die Penningtons lebten eine verlogene Fassade, seit Eva denken konnte.

Als Zac dann auf der Bildfläche erschienen war, hatte das ihren Vater nur noch mehr durchdrehen lassen.

Nein, sie wollte nicht mehr an Zac denken. Das Kapitel war endgültig abgeschlossen. Heute ging es um Harry Fairfield, den Retter der ganzen Familie, um ihren zukünftigen Ehemann.

Und es ging um den Gesundheitszustand ihres Vaters. Allein aus diesem Grund versuchte sie erneut, ein vernünftiges Gespräch mit Sophie zu führen.

„Kannst du nicht wenigstens heute versuchen, gut mit mir auszukommen?“, bat sie. „Ich hab echt keine Lust auf noch mehr Stress.“

Sophie versteifte sich. „Falls du darauf anspielst, dass Vater vor zwei Wochen sogar im Krankenhaus gelandet ist … das habe ich nicht vergessen“, bemerkte sie spitz. „Ihm wird es bestimmt bedeutend besser gehen, sobald wir uns die Gläubiger vom Hals geschafft haben.“

Der Herzanfall des Alten hatte Eva schließlich dazu bewogen, Harrys Antrag anzunehmen. Seufzend öffnete sie den Reißverschluss des roten Kleides.

„Brauchst du Hilfe?“, fragte ihre Schwester gepresst.

„Nein, ich komme klar.“ So wie sie immer allein klargekommen war. Nach dem Tod ihrer Mutter, zum Beispiel. Und sie hatte die Ablehnung ihres Vaters und die Entfremdung ihrer Schwester ertragen. Und den furchtbaren Schmerz, nachdem sie Zacs Betrug auf die Schliche gekommen war.

Sophie nickte knapp. „Dann sehen wir uns gleich unten.“

Nachdem Eva sich angezogen und zurechtgemacht hatte, vermied sie einen letzten Blick in den Spiegel. Sie wusste auch so, wie sehr das Kleid ihre Kurven betonte. Roter Lippenstift, High Heels … Kopf hoch, Mädchen. Showtime.

Zu gern hätte Eva diese Worte jetzt gehört, die ihr die Managerin des Siren stets vor den Auftritten zuflüsterte. Doch leider war sie heute nicht im Club, sondern auf der Bühne des echten Lebens. Und sie hatte einem Mann die Ehe versprochen, den sie nicht liebte – nur um den kostbaren Namen ihrer Familie zu retten.

Niemand stand ihr bei.

2. KAPITEL

Die Veranstalter hatten sich wirklich selbst übertroffen. Palmen, dekorative Wandbehänge und indirekte Beleuchtung waren strategisch günstig in der großen Halle von Pennington Manor platziert worden, um den bröckelnden Putz, das abgenutzte Parkett und die alten Teppiche zu kaschieren.

Schon seit fast zwei Stunden nippte Eva gelangweilt am selben Glas Champagner und wünschte sich, die Zeit würde schneller vorübergehen. Natürlich konnte sie keinen der Gäste einfach vor die Tür setzen, auf den kostspieligen Einladungen hatte gestanden: Von acht bis Mitternacht.

Zähneknirschend lächelte sie jeden an, der ihren Verlobungsring bewundern wollte. Der monströse, rosa schimmernde Diamant sollte einzig und allein den Reichtum der Fairfields demonstrieren. Das ungewohnte Gewicht zog ihre Hand regelrecht nach unten und erinnerte sie permanent daran, dass sie sich selbst verraten und verkauft hatte.

Die dröhnende Stimme ihres Vaters drang durch ihre trüben Gedanken. Oscar Pennington stand inmitten einer Gruppe von einflussreichen Politikern und war ganz in seinem Element. Er machte mit seiner kräftigen Statur Eindruck, trotz der Tatsache, dass er vor Kurzem noch im Krankenhaus gelegen hatte. Seine Vergangenheit in der Armee verlieh ihm eine gewisse Härte, die zum Teil von seinem aufgesetzten Charme kompensiert wurde. Eine Kombination, die ihn rätselhaft genug erscheinen ließ, um Leute auf den ersten Blick für sich zu begeistern.

Aber nicht einmal sein Charisma hatte ihn vor vier Jahren vor der wirtschaftlichen Pleite retten können. Er hatte noch versucht, die Dinge allein zusammenzuhalten, und war schließlich eine unheilvolle Allianz mit Zaccheo Giordano eingegangen.

Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Mann, den sie zuletzt in Handschellen gesehen hatte.

„Da bist du ja! Ich habe dich schon überall gesucht.“

Zuerst zuckte sie zusammen, dann lächelte sie Harry zögernd an. Ihren alten Kommilitonen von der Universität – ein wahres technisches Genie –, der sich schnell zum Multimillionär gemausert hatte und nun ihre Familie aus der finanziellen Misere erlöste.

„Jetzt hast du mich ja gefunden.“

Er war nur knapp größer als sie, und sie brauchte den Kopf nicht nach hinten zu neigen, um ihm in die warmen, braunen Augen zu blicken.

„Allerdings. Geht es dir gut?“, erkundigte er sich aufrichtig besorgt.

„Alles in Ordnung“, erwiderte sie.

Doch davon ließ er sich nicht überzeugen. Harry war einer der wenigen Menschen, die von ihrer Verlobung mit Zac wussten. Er hatte ihren Beteuerungen, sie könne problemlos mit einer Zweckehe umgehen, nicht gleich getraut und sie direkt gefragt, ob ihre Vergangenheit mit Zaccheo Giordano ihnen Schwierigkeiten bereiten könnte.

Selbstverständlich hatte sie das verneint – vielleicht etwas zu vorschnell.

„Harry, ich steh das schon durch“, versprach sie ihm und spürte dabei ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend.

Schweigend sah er sie an, bevor er einen Kellner herbeiwinkte und ihr Champagnerglas gegen ein neues austauschte. Sein eigenes leerte er in einem Zug und nahm sich gleich noch ein neues. „Wenn du meinst … Aber sag mir rechtzeitig Bescheid, falls es dir zu viel wird, ja? Meine Eltern bekommen einen Anfall, wenn wir hier einen Skandal vom Zaun brechen.“

Während Harry sich herzlich wenig um seine gesellschaftliche Außenwirkung scherte, bestanden seine Eltern darauf, dass er ein gewisses Image pflegte. Die Ehe sollte dazu dienen, mit seinem berüchtigten Ruf als Playboy aufzuräumen.

Er hakte sich bei Eva unter. „Ich verspreche dir jedenfalls, mich heute tadellos zu benehmen“, scherzte er. „Und nachdem wir die leidigen Ansprachen nun hinter uns haben und offiziell verlobt sind, ist es Zeit für den schönsten Teil des Abends: das Feuerwerk. Und wir beide geben natürlich weiterhin vor, unheimlich verliebt ineinander zu sein.“

Sie stellte ihr Glas ab. „Dann mal los!“

Gemeinsam traten sie auf die Terrasse hinaus und wurden von spontanem Beifall begrüßt. In einer Ecke standen Evas Vater und Sophie mit Harrys Eltern zusammen und beobachteten das junge Paar. Und in diesem Augenblick wusste Eva plötzlich, dass absolut nichts, was sie tat, sie ihrer Schwester oder ihrem Vater näherbringen würde.

Der Alte hatte zwar ihre Hilfe akzeptiert, um seine eigene Haut zu retten, doch nach wie vor verurteilte er sie für ihren Beruf. Und der bedeutete ihr zu viel, als dass sie ihn irgendwann aufgeben würde.

Der große Garten mit den Koi-Teichen und dem entzückenden Sommerhaus erstrahlte im bunten Licht der ersten Leuchtraketen. Seufzend blickte Eva in den Himmel.

„Also, meine Eltern möchten, dass wir zusammenleben“, begann Harry neben ihr.

„Wie bitte?“

Er lachte. „Keine Sorge, meine Junggesellenwohnung bleibt dir erspart. Wir suchen uns gemeinsam etwas Neues.“

„Oh, gut. Danke.“

Mit dem Handrücken streichelte er ihre Wange. „Für mein Opfer erwarte ich aber auch eine Belohnung. Wie wäre es mit einem Dinner am Montag?“

„Solange wir in kein Restaurant gehen, das von Paparazzi belagert wird, bin ich dabei“, antwortete sie mit einem Lächeln.

„Großartig, dann haben wir ein Date.“ Galant küsste er ihren Handrücken, sehr zur Freude der anwesenden Gäste, die schließlich an eine echte Liebesbeziehung glaubten.

Eva zwang sich dazu, eine möglichst entspannte Miene aufzusetzen. Vielleicht war es geschmacklos, was sie gerade taten, trotzdem war sie Harry für seine Hilfe unendlich dankbar. Vor drei Wochen war er im Siren aufgetaucht und hatte ihr angeboten, für sie und ihre Familie die Kohlen aus dem Feuer zu holen.

„Dein Kleid ist übrigens eine echte Augenweide.“

Gequält schnitt sie eine Grimasse. „Ich habe es mir zwar nicht selbst ausgesucht, aber danke.“

Plötzlich wurde das Stimmengemurmel um sie herum lauter.

Harry kniff die Augen zusammen. „Sieht aus, als bekämen wir noch einen verspäteten Gast dazu.“

Im Schein des Feuerwerks beobachtete Eva erstaunt, wie ein Helikopter zur Landung auf dem Rasen ansetzte.

„Was für ein spektakulärer Auftritt“, lachte Harry gut gelaunt. „Ich ziehe meinen Hut vor einem Piloten, der es wagt, durch diesen Funkenregen zu fliegen.“

Weil die Lichter im Garten ausgeschaltet waren, konnte Eva nicht erkennen, wer da nach einigen Minuten aus dem Cockpit stieg. Nur dass es ein schwarz gekleideter Mann war, der allein im Hubschrauber gesessen hatte.

Aber als eine weitere Rakete den Himmel erhellte … Das konnte doch nicht sein! Er saß doch hinter Gittern und büßte dort für seine grenzenlose Gier!

Hastig verdrängt sie das Schuldgefühl, das diesen Gedanken begleitete.

Zaccheo Giordano und seinesgleichen schienen zu glauben, sie würden über dem Gesetz stehen. Kerle wie er verdienten Evas Mitleid nicht. Obwohl man fairerweise zugeben musste, dass ihr Vater sich ebenso schuldig gemacht hatte wie Zac.

Wieso ist er entlassen? schoss es ihr durch den Kopf.

Autor

Maya Blake
<p>Mit dreizehn Jahren lieh sich Maya Blake zum ersten Mal heimlich einen Liebesroman von ihrer Schwester und sofort war sie in den Bann gezogen, verlor sich in den wunderbaren Liebesgeschichten und begab sich auf romantische Reisen in die Welt der Romanhelden. Schon bald träumte sie davon, ihre eigenen Charaktere zum...
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