Julia Extra Band 423

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MEIN GRÖßTER WEIHNACHTSWUNSCH BIST DU! von MORGAN, SARAH
Leise rieselt der Schnee, als Stella beim Blick in Daniels Augen erkennt: Sie liebt ihren Ex noch immer! Im verschneiten Winterwald unter tausend Sternen kann sie seinen Küssen erneut nicht widerstehen, auch wenn sie weiß, dass er ihren größten Wunsch nicht erfüllen wird: eine Familie!

DAS WUNDER DIESER STILLEN NACHT von FAYE, JENNIFER
"Das Fest der Liebe", flüstert Zoe beim Tannenbaumschmücken verzaubert. Gerade hat Demetrius ihr eröffnet, dass er ihrer Ehe noch eine Chance geben will. Und das, obwohl es heftig zwischen ihnen kriselt! Wird ein Weihnachtswunder wahr? Immerhin hütet Zoe ein trauriges Geheimnis …

LICHTERGLANZ UND LIEBESSCHWÜRE von MORTIMER, CAROLE
Auf einer Familienfeier konfrontiert Unternehmer Noel die Partyplanerin Cally mit einer unglaublichen Bitte: Sie soll seine Verlobte spielen! Empört lehnt Cally ab, hält sie Noel doch für einen arroganten Playboy. Aber ein zärtlicher Kuss unter dem Mistelzweig ändert alles für Cally!

VERLOBUNG AUF DEM WINTERBALL? von GILMORE, JESSICA
Ein Auftrag führt Stararchitekt Alex und seine engste Vertraute Flora ins adventliche Innsbruck. Da flirtet die hübsche Designerin plötzlich mit ihm! Alex muss sich entscheiden: Soll er ihre Freundschaft wahren oder Flora auf dem Weihnachtsball endlich gestehen, wie sehr er sie begehrt?


  • Erscheinungstag 18.10.2016
  • Bandnummer 0423
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707996
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sarah Morgan, Jennifer Faye, Carole Mortimer, Jessica Gilmore

JULIA EXTRA BAND 423

SARAH MORGAN

Mein größter Weihnachtswunsch bis du!

Heiße Küsse im verschneiten Winterwunderland: Endlich kann Daniel sein Verlangen nach Stella stillen! Nichts begehrt er mehr als eine unverbindliche Affäre mit seiner Ex, doch die träumt von Ehe und Familie!

JENNIFER FAYE

Das Wunder dieser stillen Nacht

Nie ist Prinz Demetrius darüber hinweggekommen, dass Zoe ihn kurz nach der Hochzeit verließ! Er will Zoe zurück – und setzt alles auf das Fest der Liebe. Denn am Heiligen Abend werden Märchen wahr …

CAROLE MORTIMER

Lichterglanz und Liebesschwüre

Noel steckt in der Klemme: Weihnachten muss er seiner Familie eine Verlobte präsentieren! Da kommt ihm die hübsche Partyplanerin Cally gerade recht. Kann er sie mit süßen Küssen überzeugen, ihm zu helfen?

JESSICA GILMORE

Verlobung auf dem Winterball?

Verzaubert vom Weihnachtsflair, tut Flora das, wonach sie sich insgeheim schon lange verzehrt: ihren besten Freund Alex küssen. Doch der weist sie brüsk zurück! Hätte Flora besser nicht auf ihr Herz gehört?

PROLOG

„Ich habe mit dem Thema abgeschlossen, wirklich.“ Stella zog ihre Stiefel aus und stellte sie im Flur der kleinen Anliegerwohnung ab, die bis vor Kurzem noch ein Stallgebäude gewesen war. „Nach zwei Jahren ohne Daniel bin ich in der Lage, die Dinge mit anderen Augen zu sehen.“ Sie schaute Patrick an, der seinem Zwillingsbruder so ähnlich sah – Daniel, ihrer großen Liebe. „Und du bist dir wirklich sicher, dass du mich hier wohnen lassen willst?“

„Natürlich bin ich das! Schließlich ist bald Weihnachten, da muss ich dir doch Obdach geben.“ Patrick grinste jungenhaft. „Maria und Josef haben auch in einem Stall gewohnt, wusstest du das nicht?“

Stella lächelte matt. Weihnachten … früher war das für sie die schönste Zeit im Jahr gewesen. Bis vor zwei Jahren, als Daniel ihr das Herz gebrochen hatte, und zwar ausgerechnet an Heiligabend. Nun war sie zurückgekommen und hatte ihr Leben wieder im Griff.

Nun, zumindest hoffte sie das.

„Wow, das sieht ja toll aus!“, rief sie überschwänglich, als sie das Wohnzimmer betrat. Auf dem Holzboden lag ein weicher, cremefarbener Teppich, und vor dem Kamin stand ein großes Sofa mit zwei bequemen Sesseln. „Da hast du wirklich wahre Wunder vollbracht. Als ich zum letzten Mal da war, hat hier noch ein Pferd gehaust.“

„Komm schon, Stella, mir brauchst du nichts vorzumachen“, sagte Patrick sanft. „Ich merke dir doch an, wie nervös du bist, weil du Angst hast, Daniel könnte jeden Augenblick hereinschneien. Aber keine Sorge, er ist noch in der Klinik, steckt bis zum Hals in Arbeit. Hier sind nur wir beide, also können wir ganz offen miteinander reden. Ich weiß, wie dir zumute ist, schließlich waren wir damals Leidensgenossen.“

Stella zog ihren Mantel aus und legte ihn aufs Sofa. „Du hast recht, ich sollte ehrlich zu dir sein. Es stimmt, ich habe Bedenken, hier zu wohnen, schließlich bist du Daniels Bruder.“

„Und, was ist schon dabei? Ich freue mich sehr, dass du wieder hier bist, wir sind doch gute Freunde. Du warst diejenige, die mir beigestanden hat, als Carly mich verlassen hat, das vergesse ich dir nie.“

Stella spürte einen Stich im Herzen, wie immer, wenn sie an diese schlimmen Tage dachte. Vielleicht wäre es besser, nicht so viel davon zu sprechen, sonst kamen all die schmerzlichen Gefühle wieder in ihr hoch, die sie während ihrer Zeit in London stets verdrängt hatte.

„Ich bin schon ein bisschen aufgeregt, Daniel wiederzusehen“, gab sie schließlich zu. „Ist ja auch normal, oder nicht? Nach all dem, was zwischen uns gewesen ist …“

„Klar, schließlich warst du mit ihm verlobt.“

„Ja, aber nur für ein paar Stunden“, erwiderte Stella bitter und ging zum Kamin. „Und dass er mir ausgerechnet an Weihnachten das Herz gebrochen hat, war das Allerschlimmste.“

„Ich weiß, das hätte er nicht tun sollen.“

Stella atmete tief durch. „Es musste dazu kommen, Patrick. Daniel ist felsenfest davon überzeugt, dass er kein guter Ehemann und erst recht kein guter Vater sein könnte. Du weißt doch, wie er über all das denkt. Es hat mich sowieso gewundert, dass er mir überhaupt einen Heiratsantrag gemacht hat. Ich hätte Nein sagen sollen, weil ich wusste, dass er das nicht wirklich will.“ Sie winkte ab. „Aber jetzt genug von Daniel – sag mir lieber, wie es dir und den Kindern geht. Ihr habt noch mehr gelitten, als Carly euch verlassen hat.“

„Wir haben uns nicht mehr geliebt, Stella. Ich wusste, dass eine Trennung unvermeidbar war. Aber dass Carly ausgerechnet an Weihnachten gegangen ist … Für die Kinder ist es schwer, ohne ihre Mutter aufzuwachsen, und für mich …“ Er zuckte mit den Schultern. „Weißt du, wenn man schon so lange nicht mehr glücklich miteinander ist, empfindet man eine Scheidung eher als Erleichterung. Und was Daniel betrifft, da bin ich sicher, dass meine Trennung von Carly einen negativen Einfluss auf ihn hatte.“

„Das glaube ich nicht. Seine Entscheidung, unsere Verlobung aufzulösen, hatte sicher nichts mit euch zu tun.“

„Doch, das hatte sie, und weißt du auch, warum? Weil er es genau an dem Tag getan hat, an dem Carly uns verließ, an Heiligabend. Das kann doch wohl kein Zufall sein.“

Stella seufzte auf. „Wie dem auch sei, wenigstens konnten wir uns gegenseitig trösten. Wir waren an Weihnachten zusammen und haben versucht, den Kindern trotz allem ein schönes Fest zu bereiten.“

„Und das ist uns auch gelungen. Obwohl du so gelitten hast, hast du versucht, dir vor den Kindern nichts anmerken zu lassen. Mit deiner Hilfe konnten Alfie und Posy die Trennung von ihrer Mutter besser verkraften.“

„Mir hat es auch geholfen, bei den Kindern zu sein, sie haben mich von meinem Kummer abgelenkt. Wenn ich nicht bei euch gewesen wäre, wäre ich allein daheim verrückt geworden.“

Patrick lächelte. „Erinnerst du dich noch an das kleine Kätzchen, das Alfie von unserem Nachbarn geschenkt bekommen hat?“

„Natürlich, das Tierchen war so süß, dass er es sofort ins Herz geschlossen hat.“

„Ja, und dieses kleine Kätzchen ist jetzt eine ausgewachsene Katze, die kürzlich selbst Junge bekommen hat, und zwar drei Stück.“

„Wirklich? Da hat sich Alfie sicher sehr gefreut.“

„Und wie, du weißt ja, er liebt Tiere über alles. Ich habe ihm erlaubt, eines zu behalten, für die beiden anderen müssen wir noch ein schönes Plätzchen finden.“ Patrick drückte ihren Arm. „Du warst damals sehr tapfer, Stella. Ich weiß, wie verliebt du in Dan gewesen bist, und wie schwer das alles für dich war.“

Sie nickte und senkte dabei den Blick. „Ja, das war es, aber das ist jetzt vorbei. Jetzt bin ich zurück und fange ein neues Leben an.“ Dann sah sie Patrick wieder an. „Was wird Daniel wohl sagen, wenn er erfährt, dass ich bei dir eingezogen bin?“

„Das ist mir egal.“ Patrick nahm ein Holzscheit aus dem Korb und legte es in den Kamin. „Das ist mein Haus, und ich kann hier wohnen lassen, wen ich will.“

„Ich möchte aber nicht, dass ihr meinetwegen Streit bekommt.“

„Mach dir darüber keine Gedanken, Stella. Es wäre nicht das erste Mal, dass wir uns wegen einer Frau in die Haare kriegen. Ich muss mich sowieso noch bei ihm revanchieren, weil er mir Nancy Potter ausgespannt hat. Damals war ich acht und fürchterlich verschossen in das Mädchen.“ Patrick lächelte schelmisch und sah dabei so attraktiv aus, dass sich Stella fragte, warum in aller Welt sie nicht auf ihn stand statt auf seinen Bruder.

Sie seufzte tief. „Warum habe ich mich bloß nicht in dich verliebt, kannst du mir das sagen? Du würdest doch viel besser zu mir passen als Daniel.“

Patrick zündete das Feuer an. „Zwischen uns hat’s eben nie gefunkt, da kann man nichts machen.“

„Weißt du noch, wie wir uns mal geküsst haben, nur um zu testen, ob da wirklich gar nichts ist?“

Patrick verzog das Gesicht. „Und ob ich das noch weiß. Daniel wäre mir vor Eifersucht fast an den Hals gesprungen, obwohl er da schon gar nicht mehr mit dir zusammen war – so ein Unsinn.“

„Glaubst du denn, ich schaffe das?“, fragte Stella zweifelnd. „Ich meine, Daniel täglich bei der Arbeit zu begegnen und so zu tun, als ob zwischen uns nichts wäre?“

„Keine Ahnung. Wahrscheinlich hängt es davon ab, ob du noch Gefühle für ihn hast.“

Ob sie noch Gefühle für ihn hatte … ja, das befürchtete Stella auch …

„Na ja, mal sehen. Ich muss mir halt nur immer wieder sagen, dass wir einfach nicht zusammen passen. Wir haben völlig unterschiedliche Bedürfnisse, ich wünsche mir für meine Zukunft etwas anderes als er.“

Patrick richtete sich wieder auf und klopfte sich die Hände ab. „Es war die richtige Entscheidung, dass du weggegangen bist. Daniel hat dich tief gekränkt, und du brauchtest Zeit, um das alles zu verkraften. Jetzt bist du wieder hier und fängst ein neues Leben an.“ Er sah sie prüfend an. „Ich frag mich bloß, ob du wirklich über ihn hinweg bist. Ich kann es mir kaum vorstellen.“

„Ich hoffe schon. Aber wie dem auch sei … In London habe ich mich jedenfalls nie so richtig wohlgefühlt, mir fehlten mein alter Job und vor allem meine Freunde. Schließlich habe ich drei Jahre in eurer Klinik gearbeitet und mich mit allen immer gut verstanden.“

„Warum hast du Daniel eigentlich nicht gesagt, dass du wiederkommst? Er hat keine Ahnung.“

„Weil wir keinerlei Kontakt mehr hatten, seit ich weggegangen bin. Wenn ich ihm jetzt sagen würde, dass ich einen Job in eurer Notaufnahme angenommen habe und dann auch noch bei dir wohne, würde er womöglich denken, dass ich … na ja, dass ich noch Interesse an ihm habe. Das wäre mir sehr unangenehm.“

„Und morgen in der Klinik aufzutauchen und ihn vor den Kopf zu stoßen ist dir nicht unangenehm?“

Stella schüttelte den Kopf. „Ach Patrick, ich weiß doch auch nicht, wie ich mich verhalten soll. Natürlich wird er überrascht sein, wenn ich plötzlich vor ihm stehe, aber so kurz vor Weihnachten ist in der Notaufnahme bestimmt die Hölle los. Da wird er keine Zeit für private Diskussionen haben.“

„Na, du musst wissen, was du tust.“ Patrick fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Irgendwie kann ich Daniel sogar verstehen. Ich meine, dass er einen Rückzieher gemacht hat. Du weißt ja, dass die Ehe unserer Eltern ein einziges Desaster war, und das ist wohl auch der Grund, warum er so einen Horror davor hat, zu heiraten.“

„Dich hat das aber nicht vom Heiraten abgehalten, du hast sogar zwei Kinder.“

„Ja, die habe ich, und ich will sie auch nicht missen. Ich wollte etwas aufbauen, was ich als Kind nie hatte – eine glückliche Familie. Aber du siehst ja, was dabei herausgekommen ist. Meine Frau ist abgehauen, und meine Kinder haben keine Mutter mehr.“

„Das tut mir wirklich leid für dich“, erwiderte Stella mitfühlend. Dann lächelte sie wieder. „Ich kann es kaum erwarten, die beiden wiederzusehen. Erinnern sie sich überhaupt noch an mich?“

„Bei Posy weiß ich’s nicht, sie war ja erst ein Jahr alt, als du weggegangen bist. Aber Alfie freut sich sehr auf dich. Er ist letzten Monat zehn geworden und hat dich sehr vermisst. Er will dir unbedingt die kleinen Kätzchen zeigen.“ Patrick lächelte. „Und Posy ist ein richtiger kleiner Teufelsbraten, du wirst dich wundern. Ständig stellt sie etwas an, es ist unglaublich.“

Da lachte Stella, sie freute sich schon sehr darauf, die beiden wiederzusehen. „Und was ist mit dir?“, erkundigte sie sich. „Gibt es wieder eine Frau in deinem Leben?“

„Eine? Jede Menge!“ Patricks Augen blitzten schelmisch auf. „Alle Krankenschwestern sind verrückt nach mir, und es vergeht kein Tag, an dem mir nicht irgendeine schöne Augen macht.“

Wieder lachte Stella. „Oh, du Angeber!“

Patrick stimmte in ihr Lachen ein. „Und du?“, fragte er schließlich. „Hast du einen Freund, der dich über Daniel hinweggetröstet hat?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich … war bis jetzt noch nicht so weit, mich auf jemand Neues einzulassen. Aber ich arbeite dran. Das wird mein Weihnachtsgeschenk an mich selbst. Ein neues Liebesleben. Ich habe sogar schon eine Liste gemacht.“

„Von Männern?“

„Quatsch, natürlich nicht. Ich meine eine Liste mit all den Eigenschaften, die mir bei einem Mann wichtig sind.“

„Lass mich raten: Er sollte groß und dunkelhaarig sein, gutaussehend, wohlhabend …“

„Nein, das klingt viel zu sehr nach Daniel. Mein neuer Partner sollte vor allem zwei Dinge wollen: heiraten und eigene Kinder. Sag mal, gibt’s es hier eine schnelle Internet-Verbindung?“

„Klar, warum fragst du?“

„Weil ich …“ Stella zögerte kurz, bevor sie weitersprach. „Ich möchte einen Partner übers Internet suchen. Dieses Mal will ich alles sehr viel sachlicher und analytischer angehen. Es war dumm von mir, mich in Daniel zu verlieben, wir passen einfach nicht zusammen. Wenn er vorher so eine Liste hätte ausfüllen müssen, hätte ich ihn gleich aussortiert. Letzten Monat habe ich eine Beschreibung über mich selbst gepostet und schon dreihundertfünfzig Antworten bekommen.“

„Wow, da hast du aber ganz schön was zu tun, wenn du die abarbeiten willst.“

„Ich muss ja nicht alle beantworten. Vielleicht solltest du das auch mal ausprobieren.“

Doch Patrick schüttelte den Kopf. „Für solche Spielereien fehlt mir die Zeit. Ich renne ständig zwischen den Kindern und der Klinik hin und her und bin ich schon froh, wenn ich mal genügend Schlaf bekomme. Außerdem würde ich den Kindern eine neue Frau nicht zumuten wollen, zumindest jetzt noch nicht.“ Er blickte auf die Uhr. „Apropos Klinik, ich muss gleich gehen. Die Entbindungsstation hat vorhin angerufen, sie brauchen meine Hilfe.“ Er drückte Stella einen Schlüsselbund in die Hand. „Hier, die sind für dich. Wenn was nicht in Ordnung ist, sag mir einfach Bescheid. Es soll zu Weihnachten sehr kalt werden und jede Menge Schnee geben. Wenn die Heizung nicht warm genug wird, stell einfach den Thermostat höher ein oder mach Feuer im Kamin.“

„Feuer ist eine gute Idee, das ist so gemütlich. Und wenn du einen Babysitter brauchst, ruf mich einfach, ja?“ Stella lächelte warm. „Es ist schön, wieder hier zu sein, ich hatte großes Heimweh, weißt du?“

„Das kann ich mir denken. Also dann …“ Patrick ging zur Tür, und Stella sah ihm nach.

„Patrick?“

„Ja?“

„Hat Daniel wieder … eine Freundin?“

Patrick zögerte kurz, bevor er antwortete. „Willst du das wirklich wissen?“

„Ja, unbedingt.“

„Da gibt es eine, mit der er sich regelmäßig trifft. Sie ist Rechtsanwältin, typische Karrierefrau. Workaholic und so mütterlich wie eine Kaktuspflanze.“

„Ah … okay.“ Der Gedanke schmerzte, und Stella fragte sich, warum. „Dann scheint sie ja sehr gut zu Daniel zu passen. Wenn ihr die Karriere so wichtig ist, will sie sicher keine Kinder haben, und das kommt Daniel gerade recht. Ich freue mich für ihn, wenn er glücklich ist.“

Patrick öffnete die Tür, und ein kalter Luftzug kam herein. „Er hat nur eine neue Freundin – ob er mit ihr glücklich ist, kann ich dir nicht sagen.“

Damit ging er nach draußen und schloss die Tür hinter sich.

1. KAPITEL

„Gleich wird ein kleiner Junge eingeliefert“, verkündete Ellie, die mit Stella in der Notaufnahme saß. „Er ist bei einem Schulausflug in den Bergen in eine Felsspalte gestürzt und hat sich dabei einen komplizierten Beinbruch zugezogen. Einer vom Bergrettungsteam musste sich vom Hubschrauber abseilen, um den Jungen rauszuholen. Ein ziemlich riskantes Unterfangen, vor allem bei der Witterung.“ Seufzend drückte sie Stellas Arm. „Ach, ich bin so froh, dass du wieder da bist, wir haben dich sehr vermisst.“

Stella erwiderte ihr Lächeln. „Ich freu mich auch, Ellie. Wir müssen uns unbedingt bald treffen, damit du mir erzählen kannst, was hier so passiert ist, während ich in London war. Hast du Lust, mit mir ins Kino zu gehen? Und hinterher vielleicht zum Italiener?“

„Klar, aber dann müssten wir ziemlich früh losziehen, weil ich nicht so spät ins Bett will. Die Kinder sind im Moment sehr anstrengend, weißt du? Und durch den Schichtdienst bin ich ständig müde.“

Wie gern hätte Stella mit ihrer Freundin getauscht! Sie beneidete Ellie um ihr Familienleben, auch wenn es manchmal sicher ziemlich hektisch war. „Das kann ich mir vorstellen. Freuen sich die Kleinen schon auf Weihnachten?“

„Und wie! Sie können’s kaum erwarten, dabei ist Heiligabend erst in drei Wochen. Ben und ich sind total im Stress, kann ich dir sagen.“

Stella seufzte. Ach, wenn sie doch nur eine eigene Familie hätte! Dann hätte sie diese Art von Stress nur zu gern in Kauf genommen. Dummerweise fehlte ihr dazu der passende Mann.

Sie verdrängte den Gedanken und konzentrierte sich erneut auf ihren Job. „Wer hat denn den Jungen aus der Spalte gezogen? Ben?“

„Nein, es war Dan.“

„Daniel?“

„Ja. Er wird gleich mit dem Jungen hier sein.“ Ellie sah sie prüfend an. „Bist du etwa immer noch verliebt in ihn?“

„Natürlich nicht.“

Ellie runzelte die Stirn. „Sicher? Vor zwei Jahren warst du ganz vernarrt in ihn.“

„Das ist vorbei“, erklärte Stella entschlossen. „Deshalb bin ich auch zurückgekommen. Es macht mir nichts mehr aus, Daniel zu sehen.“

Dennoch schlug ihr Herz beim bloßen Gedanken an ihn schneller. In wenigen Minuten würde sie ihm also gegenüberstehen. Wie würde er reagieren, wenn er sie plötzlich sah? Und wie würde sie sich dabei fühlen?

Ellie drückte ihren Arm. „Ich weiß, wie viel Daniel dir bedeutet hat. Das wird nicht leicht für dich.“

„Mach dir keine Sorgen, ich krieg das schon hin“, bekräftigte Stella, obwohl sie große Zweifel daran hatte. „Das mit Dan und mir ist vorbei. Außerdem habe ich bald ein Date. Er ist blond, einfühlsam, liebt romantische Abende vor dem Kamin und sucht eine Frau, mit der er eine Familie gründen kann.“

„Das klingt ja nach dem krassen Gegenteil von Dan.“

„Ganz genau. Daniel ist dunkelhaarig, unsensibel und will frei und unabhängig bleiben. Wenn ich ihn vorher gründlich unter die Lupe genommen hätte, wäre ich nicht mal auf die Idee gekommen, etwas mit ihm anzufangen.“ Stella stand auf und wandte sich zum Gehen. „So, jetzt muss ich aber los, damit Daniel nicht noch vor mir da ist.“

„Soll ich mitgehen?“, bot Ellie an.

„Hast du etwa Angst, dass es eine Szene gibt?“

„Nein, aber vielleicht brauchst du moralische Unterstützung.“

Stella lächelte. „Nicht nötig, wirklich. Also, dann bis später.“

Im Behandlungsraum zog sie gerade Kittel und sterile Handschuhe an, als auch schon die Tür aufging und der verletzte Junge reingeschoben wurde.

„Okay, Sam, jetzt haben wir’s geschafft. Gleich wird es dir besser gehen.“

Daniel! Allein der Klang seiner tiefen Stimme jagte Stella einen heißen Schauer über den Rücken. Er sah noch genauso attraktiv aus wie vor zwei Jahren: groß, mit athletischer Figur, und die derbe Outdoor-Kleidung, die er gerade trug, ließ ihn ausgesprochen männlich wirken.

„So, wir müssen dich jetzt nur noch …“ Daniel erblickte Stella und brach ab.

Und da war es wieder, dieses Gefühl, das ihre Knie weich werden ließ. So war es immer schon gewesen. Ein Blick, ein Lächeln oder eine einzige Berührung von Daniel genügten, um ein regelrechtes Feuerwerk der Gefühle in ihr auszulösen. Wie hatte sie nur glauben können, dass sich daran was geändert hätte?

Nichts hatte sich geändert, gar nichts! Daniel wirkte noch genauso stark auf sie wie vor zwei Jahren, und die Erkenntnis traf sie wie ein Blitz. Seine ausdrucksvollen blauen Augen, das männlich-kantige Gesicht und der dunkle Bartschatten machten ihn so sexy, dass ihr auf der Stelle heiß wurde.

„Stella … was tust du hier?“

„Arbeiten, was sonst?“, erwiderte sie gespielt gelassen und wandte sich rasch dem Jungen zu. „Hallo Sam, wie geht es dir?“

„Seit wann bist du hier?“, wollte Daniel wissen.

„Seit heute. Ich habe auch schon in der Radiologie angerufen und das OP-Team verständigt, Sam kann also gleich …“

„Warte.“ Daniel legte seine Hand auf ihre.

Die Berührung löste ein elektrisierendes Prickeln bei ihr aus. „Was …?“

„Der Junge wird erst weggebracht, wenn ich es sage.“

Stella atmete tief ein. Ja, das war Daniel Buchannan, wie sie ihn kannte – er war hier der Chef, er traf die Entscheidungen. „Natürlich, ich wollte dir nicht vorgreifen, ich habe nur …“

„Warum hat man mich nicht informiert, dass du wieder hier bist?“

„Ich denke weil … weil Ärzte sich gewöhnlich nicht um den Dienstplan von uns Krankenschwestern kümmern.“ Stella merkte, dass der Kollege, der mit Daniel hereingekommen war, etwas irritiert zu ihr herüberblickte. Daniel schien es auch zu sehen, denn er beendete das Thema und wandte sich erneut dem kleinen Patienten zu.

„Wie ist es mit den Schmerzen, Sam? Hältst du es noch aus?“

Der Junge nickte. „Geht schon. Aber mir ist schlecht.“

„Keine Sorge, das wird gleich besser werden. Wir messen nur schnell deinen Blutdruck und den Puls, das tut überhaupt nicht weh.“ Er nickte Stella zu, und sie legte Sam die Manschette an.

„Ich geb dir gleich ein Schmerzmittel und was gegen die Übelkeit, dann wirst du dich schnell besser fühlen“, fuhr er fort, während er behutsam den Bauch des Jungen abtastete.

„Stella, ich brauche einen Scan. Es könnte eine Verletzung im Bauchraum vorliegen.“

Sie bereitete das Gerät sowie die Medikamente vor, die Daniel gleich für den kleinen Patienten brauchen würde. Dann dachte sie daran, wie gefährlich es für Daniel gewesen sein musste, den Jungen aus der Felsspalte zu ziehen. Zweifellos hatte er sein Leben riskiert, um das des Jungen zu retten.

Nachdem die Injektion verabreicht war, blickte Daniel wieder auf den Monitor.

„Keine Sorge, Sam. Zu Weihnachten bist du wieder fit, sitzt vor eurem schönen Weihnachtsbaum und packst begeistert deine Geschenke aus, wirst schon sehen.“

Stella schluckte schwer. Wieso dachte Daniel immer, dass er nicht mit Kindern umgehen konnte? Er redete sehr beruhigend auf den Jungen ein und verstand es, ihm die Angst zu nehmen, indem er ihm Mut machte.

Nach einer Viertelstunde waren alle Untersuchungen abgeschlossen und das verletzte Bein geröntgt. Gerade gab Daniel seinem Kollegen Anweisungen für die bevorstehende OP, da steckte Ellie den Kopf zur Tür herein.

„Daniel, kannst du bitte kommen? Ich weiß, dass du offiziell gar nicht im Dienst bist, aber im Moment ist einfach der Teufel los. Gleich wird eine Schwangere gebracht. Sie heißt Fiona Adams und hatte einen Autounfall.“

„Ja, ich komme gleich. Vorher muss ich aber erst noch Sam in den OP bringen und mich danach umziehen.“ Daniel blickte auf die Uhr. „Gib mir fünf Minuten, ja?“

Stella war beeindruckt. Wieder einmal, so wie früher. Stundenlang war Daniel in der Eiseskälte in den Bergen gewesen, um den kleinen Sam zu retten, und anstatt sich nun bei einem heißen Tee aufzuwärmen, übernahm er gleich den nächsten Fall.

Sie biss die Zähne zusammen. Genau das war es, was sie so an diesem Mann faszinierte. Deshalb hatte sie sich vor zwei Jahren in ihn verliebt. Und sie befürchtete, dass sich an ihrer Begeisterung für ihn bis heute nichts geändert hatte.

Kaum war Daniel mit dem Jungen weg, wurde auch schon Fiona Adams von zwei Rettungssanitätern reingebracht.

„Mein Baby“, stöhnte die Frau verängstigt. „Wenn meinem Baby was passiert …“

„Keine Sorge, Dr. Buchannan ist gleich wieder da, er wird sich sofort um Sie kümmern“, versuchte Stella sie zu beruhigen.

Wenige Minuten später war Daniel zurück und untersuchte die Patientin. Anschließend schloss er sie an den Wehenschreiber an. „Hatten sie bisher Probleme in der Schwangerschaft?“, erkundigte er sich. „Irgendwelche Komplikationen?“

Fiona schüttelte den Kopf und war dabei den Tränen nahe. „Nein überhaupt nicht, alles verlief bestens. Mein Mann und ich haben so lange auf ein Baby gewartet und uns riesig gefreut, als ich endlich schwanger wurde. Und jetzt habe ich fürchterliche Angst, dass ich es verlieren könnte. Wissen Sie, wenn man erfährt, dass man schwanger ist, wird plötzlich alles anders. Man fühlt sich vom ersten Augenblick an mit dem Kind verbunden und tut alles, damit es gesund zur Welt kommt. Haben Sie Kinder, Dr. Buchannan?“

„Nein.“

Stella wusste, warum Daniel so kurz angebunden antwortete. Ehe und Familie waren nicht gerade seine Lieblingsthemen.

Und der Grund, warum unsere Beziehung in die Brüche gegangen ist …

„Machen sie sich keine Sorgen“, sagte er, um der Patientin ihre Angst zu nehmen. „Babys sind meist viel weniger empfindlich als man glaubt. Sie können schon so einiges vertragen.“

Plötzlich weiteten sich Fionas Augen, und sie griff nach Daniels Arm. „Oh mein Gott, ich glaube, ich blute! Bitte sagen Sie jetzt nicht, dass ich mein Kind verliere!“

Daniel blieb jedoch ganz ruhig. „Keine Angst, Ihrem Kind wird nichts passieren.“ Dann sah er Stella an. „Ruf Patrick an und sag ihm, er soll kommen – sofort!“

Stella griff nach dem Telefon, und schon wenige Minuten später war Patrick da und sah sich Fionas Werte an. Stellas Herz pochte stürmisch, als sie sah, wie Daniels Gesichtsausdruck sich veränderte. Natürlich hatte er sofort bemerkt, dass Patrick gar nicht überrascht war, Stella hier zu sehen. Hoffentlich würden die beiden ihretwegen keinen Streit bekommen.

„Du wusstest, dass Stella wieder da ist, stimmt’s?“, zischte Daniel und sah Patrick fragend an, als sie sich kurz von der Patientin abwandten.

„Natürlich. Ich habe mich sehr gefreut, als sie mir gesagt hat, dass sie kommt.“

„Und warum hast du mir das nicht erzählt?“

„Wieso hätte ich das tun sollen? Du bist nicht mehr mit ihr zusammen.“ Patrick wies auf die Werte auf dem Monitor. „Hast du ihr schon Blut abgenommen?“

Stella merkte Daniel deutlich an, wie schwer es ihm fiel, sich zu beherrschen.

„Ja, habe ich.“ Nachdem er Patrick alle relevanten Daten der Patientin mitteilt hatte, wandte er sich erneut an die junge Frau. „Hören Sie, Fiona, wir bringen Sie jetzt auf die Entbindungsstation, weil wir vermuten, dass es sich um eine kleine Blutung an der Gebärmutter handelt. Aber keine Angst, das kriegen wir schon in den Griff.“

Fiona weitete vor Schreck die Augen. „Aber was … was heißt das jetzt? Kann es auch passieren, dass mein Baby jetzt schon kommt? Das wäre viel zu früh, bis zum Geburtstermin sind es noch sechs Wochen!“

„Machen Sie sich keine Sorgen, Ihrem Baby geht es gut“, versicherte nun Patrick. „Und falls es wirklich früher kommen sollte, brauchen Sie auch nichts zu befürchten, denn wir haben eine ausgezeichnetes Expertenteam und eine Frühgeborenenstation. Dort sind Sie und Ihr Baby bestens aufgehoben.“

„Aber … ich …“ Die Patientin fing an zu weinen.

Patrick drückte tröstend ihre Hand. „Wissen Sie, mit Kindern läuft nicht immer alles so nach Plan, da spreche ich aus eigener Erfahrung. Chaos gehört zu unserem Leben, das rufe ich mir immer ins Gedächtnis, wenn meine kleine Tochter mich mal wieder nachts nicht schlafen lässt. Oder wenn mein Sohn was anstellt, das mich glatt vom Hocker reißt.“

Ein Kloß formte sich in Stellas Hals, wie jedes Mal, wenn Patrick über seine Kinder sprach. Sie hätte nichts dagegen, nachts geweckt zu werden oder Probleme zu bewältigen, die es in jeder Familie gab, wenn sie doch nur Kinder hätte …

Patrick schob Fiona in Richtung Tür und warf Daniel dabei noch einen kurzen Blick zu. „Ich weiß, dass du mit mir reden willst, Bruderherz. Ich komm später bei dir vorbei.“

Daniel war wütend. Sehr wütend. Zwei Stunden lang mit Stella zusammen zu sein war eine Qual für ihn gewesen. Mehrmals war sie ihm so nahegekommen, dass er ihren betörenden Duft hatte wahrnehmen können, was eine regelrechte Kettenreaktion in seinem Körper ausgelöst hatte. Sofort waren ihm die heißen Stunden in den Sinn gekommen, die er im Bett mit ihr verbracht hatte. Ihr reizvoller Körper, der sich so wundervoll anfühlte …

Zornig schob er die Gedanken weg und riss die Tür zu Patricks Büro auf. „Sag mal, bist du noch bei Trost?“, fuhr er seinen Bruder an. „Du hast gewusst, dass Stella kommt, und mir nichts gesagt – warum?“

Patrick lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Gelassen verschränkte er die Arme vor der Brust. „Das nächste Mal klopf bitte an und reiß nicht wie ein Wilder die Tür auf, ja? Ich hätte vor Schreck einen Herzinfarkt bekommen können.“

Daniel war jedoch alles andere als zum Scherzen zumute. „Wie lange geht das schon?“, forderte er wütend. „Wie lange kommunizierst du schon mit meiner Freundin?“

„Mit deiner Exfreundin, wohlgemerkt“, korrigierte Patrick trocken. „Und wir kommunizieren miteinander, seit du sie so Knall auf Fall verlassen hast, an Heiligabend vor zwei Jahren. Ein tolles Weihnachtsgeschenk übrigens.“

Daniels Augen funkelten. „Was soll das? Warum bringst du dieses Thema auf den Tisch? Das ist längst vorbei.“

„Tatsächlich? Wenn es längst vorbei ist, warum regst du dich dann jetzt so auf?“

Daniel atmete tief ein und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Weil … weil ich wie vom Blitz getroffen war, als sie plötzlich vor mir stand. Davon abgesehen habe nicht ich sie verlassen, sondern sie mich.“

„Das hat sie nur getan, weil du ihr das Herz gebrochen hast. Zuerst machst du ihr einen Heiratsantrag, und ein paar Stunden später nimmst du ihn wieder zurück. Hast du eine Ahnung, wie sie sich da vorgekommen ist?“

„Ich wollte sie nicht kränken, mir war nur plötzlich klar geworden, dass es ein Fehler wäre, zu heiraten. Ich bin für die Ehe nun mal nicht geschaffen, und als Familienvater tauge ich erst recht nicht. Ich bin nicht der Mann, den Stella sich wünscht, ich würde sie nur unglücklich machen. Darum habe ich es mir anders überlegt.“

„Ach, dann sollte sie dir wohl auch noch dankbar dafür sein, weil du sie davor bewahrt hast, in ihr Unglück zu laufen, oder wie?“, erwiderte Patrick spöttisch. „Allzu glücklich sieht sie aber nicht aus.“

Daniel runzelte die Stirn. Ging es Stella etwa nicht gut? Dann schüttelte er den Kopf. „Wie dem auch sei, so sind wir beide besser dran, als wenn unsere Ehe irgendwann gescheitert wäre.“ Zumindest war er davon überzeugt gewesen, als er die Verlobung wieder gelöst hatte.

„Woher willst du wissen, dass eure Ehe gescheitert wäre? Es hätte ja auch klappen können.“

„Nein, hätte es nicht. Stella wünscht sich sehnlichst Kinder, und ich eben nicht. Sie hat nur dieses eine Bild im Kopf. Das von der perfekten Familie: Vater, Mutter, jede Menge Kinder, ein schönes Haus mit Garten und vielleicht noch eine Katze und ein Hund.“ Daniel biss die Zähne zusammen. „Und ich passe nicht in dieses Bild, ich bin das krasse Gegenteil von dem, was sie sich wünscht. Mit Kindern habe ich nichts am Hut, und selbst wenn ich welche hätte, würde ich als Vater nur versagen.“

„Ich weiß zwar nicht, wie du darauf kommst, dass du versagen würdest, aber egal, das ist deine Meinung“, erwiderte Patrick. „Und das ist auch der einzige Grund, weshalb ich dir vor zwei Jahren nicht den Kopf abgerissen habe.“

„Also denkst du auch, dass ich das Richtige getan habe?“

„Nein, ganz und gar nicht. Ich konnte es nur halbwegs nachvollziehen. Und ich wollte nicht, dass du Stella noch mehr wehtust. Sie ist eine tolle Frau, ein ganz besonderer Mensch. Auf sie kann man sich verlassen, und sie würde immer zu ihrem Partner stehen, egal, was passiert.“ Patrick sah seinen Bruder herausfordernd an. „Und ja, sie wünscht sich eine eigene Familie, und das gönne ich ihr auch von Herzen. Irgendwann wird sie einen Mann finden, der ihr diesen Wunsch erfüllt.“

Daniel kniff die Augen zusammen. „Ach, und wen hättest du da im Sinn? Dich selbst vielleicht? Du brauchst eine Frau und eine Mutter für die Kinder. Soll Stella diese Lücke füllen? Ist sie deshalb wieder hier?“

Patrick lächelte herausfordernd. „Und warum interessiert dich das so brennend? Das mit dir und Stella ist doch vorbei, hast du gerade selbst gesagt.“

„Weil ich … weil ich will, dass Stella glücklich ist“, erwiderte Daniel schroff. „Und weil ich der Meinung bin, dass du nicht der Richtige für sie wärest.“

„Ach, und das sagst ausgerechnet du? Der Mann, der ihr gnadenlos das Herz gebrochen hat?“

„Patrick, ich will nur nicht, dass sie …“

„Dass sie was? Dass sie sich in einen neuen Mann verliebt und dich dabei vergisst?“ Patrick lächelte spöttisch. „Das kann schnell passieren, weißt du das eigentlich? Bei ihrem Aussehen rennen ihr die Typen sicher bald die Bude ein. An den Gedanken solltest du dich besser gleich gewöhnen, Bruderherz.“

Daniel kniff die Augen zusammen. Nein, an diesen Gedanken würde er sich nie gewöhnen! Allein die Vorstellung, Stella mit einem anderen Mann zu sehen, war ihm unerträglich. Aber warum? Sie waren nicht mehr zusammen, also hatte er auch kein Recht, ihr etwas vorzuschreiben oder gar eifersüchtig zu sein.

„Das ist ja auch okay“, lenkte er schließlich widerstrebend ein. „Ich will nur nicht, dass sie an den Falschen gerät, denn was Männer angeht, ist sie … noch ziemlich unerfahren.“

„Unerfahren? Sie war zwei Jahre lang mit dir zusammen, so unerfahren kann sie also nicht mehr sein.“

„Wie dem auch sei, ich will nicht, dass irgendein Kerl nur mit ihr spielt und ihr am Ende noch das Herz bricht.“

„So wie du? Keine Sorge, Dan – wenn sie dich verkraftet hat, würde sie das auch noch überleben.“ Patrick schlug die Akte auf, die vor ihm auf dem Tisch lag, und griff nach einem Bleistift. „War’s das jetzt? Ich hab zu tun.“

Daniel biss erneut die Zähne zusammen. Wie konnte Patrick nur so locker bleiben, während in ihm selbst gerade ein regelrechter Sturm tobte? Stellas überraschendes Erscheinen hatte ihn völlig durcheinandergebracht. „Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Ich will wissen, warum sie zurückgekommen ist.“

„Weil sie Heimweh hatte, warum sonst? Sie wollte zurück zu ihren Freunden und zu ihrem alten Leben.“

„Und du gehörst zu ihren Freunden?“

„Natürlich, schließlich kenne ich sie schon genauso lange wie du. An Heiligabend vor zwei Jahren waren wir beide am Boden zerstört, das weißt du ja. Trotzdem ist sie zu mir und den Kindern gekommen und hat mit uns Weihnachten gefeiert. Sie hat es sogar fertiggebracht, Alfies und Posys Augen zum Leuchten zu bringen, obwohl ihr selbst zum Weinen zumute war. Mit Kindern kann sie wirklich gut umgehen und wünscht sich nichts sehnlicher als eigene. Und genau das war euer Problem.“

Patrick hatte recht, Kinder wünschte Daniel sich nicht. Das Risiko war viel zu groß, dass am Ende etwas schiefging und die Kleinen dann darunter leiden mussten. Sein Blick fiel auf die Fotos von Alfie und Posy, die auf Patricks Schreibtisch standen. „Deine Kinder sind völlig auf dich angewiesen, Patrick. Wenn du Mist baust, sind sie die Leidtragenden. Macht dir das denn keine Angst?“

„Nein. Ich liebe die beiden und habe auch nicht vor, irgendwelchen Mist zu bauen. Es muss nicht in jeder Familie so zugehen wie damals in unserer.“

Daniels Magen krampfte sich zusammen – wie jedes Mal, wenn dieses Thema aufkam. Deshalb sprach er auch nicht oft darüber. „An Weihnachten war es ganz besonders schlimm, weißt du noch?“

Der Bleistift zwischen Patricks Fingern brach entzwei. „Natürlich, wie könnte ich das je vergessen? Ich habe die Tage gezählt, bis es endlich rum war.“

„Ich auch.“ Daniel schwieg einige Sekunden, bevor er fragte: „Und wie hast du es fertiggebracht, das alles hinter dir zu lassen? Nach all dem, was wir durchlitten haben – wie schaffst du das bei deinen Kindern?“

„Ich schaffe es, weil ich sie über alles liebe. Und aus meiner Kindheit habe ich gelernt, wie man es als Vater besser machen kann. Solange ich das Gegenteil von dem tue, was unsere Eltern uns vorgelebt haben, bin ich sicher, dass es funktioniert.“

„Du bist geschieden, also hat es doch nicht funktioniert.“

„Genau das ist der Punkt, Daniel. Das hätten unsere Eltern auch tun sollen. Wenn sie sich hätten scheiden lassen, hätten wir beide sicher weniger gelitten.“ Patrick warf die Bleistiftstücke in den Mülleimer. „Ich bin nicht der Meinung, dass Eltern, die nicht mehr miteinander glücklich sind, nur der Kinder wegen zusammenbleiben sollten. Aber lassen wir das Thema, das hat mit Stella nichts zu tun.“

„Es hat sogar sehr viel mit ihr zu tun“, widersprach Daniel. „Als Carly dich verlassen hat, musste ich sofort an unsere Eltern denken. Ich wollte nicht das Risiko eingehen, dass meine Ehe genauso zerbricht wie ihre, deshalb habe ich mich so entschieden und Stella dadurch sehr viel Leid erspart.“

„Glaubst du das im Ernst?“ Patrick schüttelte den Kopf. „Dan, du hast ihr das Herz gebrochen, ist das etwa kein Leid? Warum hast du ihr überhaupt einen Heiratsantrag gemacht, wenn du sie gar nicht heiraten wolltest? Was sollte dieser Unsinn?“

„Ach, es war Weihnachten, und ich war verrückt nach ihr. Sie hat sich das gewünscht.“

„Aber du nicht.“

„Für einen kurzen Moment schon. Ich dachte, vielleicht könnte es ja klappen, aber dann … dann hat Carly euch verlassen und …“

„Und das war dann der Beweis für dich, dass alle Ehen scheitern?“

„So ungefähr. Alfie hat sich jede Nacht die Augen ausgeweint, monatelang, hast du das vergessen? So was würde ich meinen Kindern niemals antun wollen!“

Patrick atmete hörbar durch. „Können wir das Thema jetzt beenden?“, fragte er schroff. „Ich habe einen Berg von Arbeit und keine Zeit für Diskussionen.“

„Wie du willst. Aber trotzdem hättest du mir sagen müssen, dass sie kommt. Dann hätte ich mich darauf einstellen können.“

„Wieso? Du bist doch jetzt mit dieser Schickimicki-Frau zusammen, dieser Rechtsanwältin, schon vergessen?“

„Nein, ich …“ Daniel wusste nicht, was er dazu sagen sollte, denn im Moment konnte er nur an Stella denken. „Wie lange bleibt Stella?“, fragte er stattdessen. „Und wo wohnt sie überhaupt?“

„Sie will für immer bleiben. Und sie wohnt bei mir.“

2. KAPITEL

Stella war gerade auf dem Weg zum Versorgungsraum, um einen Karton Wundauflagen zu holen, als sie Daniel auf dem Flur traf. Sofort fiel ihr der Eisbeutel auf, den er auf seine rechte Hand drückte.

„Was ist passiert?“, fragte sie erschrocken. „Hast du dich verletzt?“

„Ach, nichts weiter. Ich hab mir nur die Hand angeschlagen.“

„Was?“, fragte sie und riss die Augen auf. Sofort kam ihr ein schrecklicher Gedanke. „Warst du bei Patrick? Sag bloß, du hast ihm …“

„Keine Sorge, ich habe ihn nicht verdroschen“, brummte Daniel. „Ich habe nur mit der Faust gegen die Wand geschlagen.“

„Oh.“ Erleichtert atmete Stella auf. Sie hatte schon befürchtet, Daniel hätte seinem Bruder vor Zorn eine runtergehauen, und zwar ihretwegen. Dummerweise ließ der Gedanke ihr Herz gleichzeitig auch wieder höher schlagen. Schließlich würde das bedeuten, dass sie ihm nicht egal war. Aber warum dachte sie so etwas? Sie wollte doch gar nicht, dass er immer noch Gefühle für sie hatte! „Da … hast du aber ganz schön zugeschlagen“, stammelte sie. „Du solltest die Hand röntgen lassen.“

„Unsinn, es ist nichts passiert. Außerdem bin ich Arzt und weiß selbst, was ich tun muss und was nicht.“

„Schon, aber offensichtlich kannst du im Moment nicht unbedingt klar denken. Wild auf Wände einzuschlagen ist nicht gerade das, was man von einem Oberarzt erwartet.“

„Als ich zuschlug, war ich nicht der Oberarzt, sondern einfach nur ein Mann. Verdammt, Stella, warum hast du mich nicht wissen lassen, dass du wiederkommst?“

„Weil ich nicht wollte.“

„Aber Patrick hast du informiert. Und du wohnst sogar bei ihm!“

„Ich wohne nicht bei ihm, sondern in dem ehemaligen Stallgebäude, das er zu einer Anliegerwohnung hat umbauen lassen.“ Sie sah Daniel verärgert an. „Wieso regst du dich eigentlich so auf? Hast du nicht gemerkt, dass dein Bruder dich nur aufziehen wollte?“

„Das ist ihm auch gelungen!“

Stella schüttelte den Kopf. „Ihr beide ändert euch wohl nie, was? Da ist nichts zwischen mir und Patrick, das kannst du mir ruhig glauben.“

„Da wäre ich mir nicht so sicher. Es ist zwei Jahre her, seit Carly ihn verlassen hat, da hätte er gegen eine neue Partnerin bestimmt nichts einzuwenden.“

„Das mag vielleicht sein, aber es hat nichts mit mir zu tun.“

„Und warum bist du dann zurückgekommen?“

„Weil ich Heimweh hatte. Ich liebe den Lake District und die Arbeit in der Klinik. Und alle meine Freunde leben hier. Vor zwei Jahren bin ich nur deinetwegen weggegangen. Weil ich es nicht ertragen hätte, dich täglich hier zu sehen – nach all dem, was zwischen uns gewesen ist. Aber das ist jetzt vorbei, ich habe es überwunden. Jetzt bin ich wieder hier und mache meinen Job, und es macht mir auch nichts aus, wenn wir uns sehen.“

„Das glaube ich dir nicht. Wie kannst du …“

„Lass gut sein, Daniel, ja?“, schnitt sie ihm kurzerhand das Wort ab. „Zwischen uns ist nichts mehr, und damit basta. Außerdem habe ich gehört, dass du eine neue Freundin hast. Was willst du also noch von mir?“

„Nichts, ich finde nur, dass …“

„Daniel, ich habe mit der ganzen Sache abgeschlossen. Und ich …“

„Ja?“

Sie dachte an ihre Internetbekanntschaft. „Ich habe inzwischen auch schon jemand Neues.“

Daniels Blick verfinsterte sich. „Wen?“

„Ach, den kennst du nicht.“

„Und seit wann kennst du ihn schon?“

Noch gar nicht, hätte sie beinahe gesagt und bereute es auch schon, die Sache überhaupt erwähnt zu haben. „Seit ein paar Monaten“, erwiderte sie schließlich, was wenigstens annähernd der Wahrheit entsprach, denn sie tauschte seit Oktober E-Mails mit einem Mann namens Edward aus.

„Was macht er beruflich?“

„Wieso willst du das wissen?“, fragte Stella ärgerlich. „Was geht dich das alles an?“

Daniel zuckte die Schultern. „Ich bin nur besorgt um dich. Ist das nicht normal bei alten Freunden?“

„Schon, aber wir sind keine alten Freunde, Daniel. Wir waren mal ein Paar und hatten in den letzten zwei Jahren keinen Kontakt mehr zueinander. Von Freundschaft kann also keine Rede sein.“

„Aber mit Patrick bist du noch befreundet, das scheint kein Problem für dich zu sein.“

„Patrick und ich waren auch kein Liebespaar. Das mit dir und mir ist vorbei, Daniel. Jetzt sind wir nichts weiter als Kollegen.“

„Bist du dir da sicher? Glaubst du allen Ernstes, dass du nichts mehr empfindest, wenn wir zusammen sind?“

Er sah sie nun so eindringlich an, dass ihr ganz heiß wurde. Sie reagierte also doch noch auf ihn. Verdammt, genau davor hatte sie sich so gefürchtet! „Ja, das glaube ich“, erwiderte sie fest, obwohl das glatt gelogen war.

„Hast du schon mit ihm geschlafen?“

Nun reichte es ihr wirklich. „Sag mal, spinnst du? Mit wem ich mich treffe und was wir dann zusammen machen, geht dich überhaupt nichts an! Ebenso wie es mich nichts angeht, was du mit irgendwelchen Frauen treibst …“

Damit ließ sie Daniel stehen und ging davon. Na, das konnte ja heiter werden!

„Heißt das, dass du diesen Typen gar nicht kennst?“ Alfie saß mit einem seiner Kätzchen auf dem Schoß an Stellas Esszimmertisch und sah zu, wie sie etwas in den Computer tippte. „Woher willst du denn dann wissen, ob er dir gefällt?“

„Na ja, wir mailen schon eine ganze Weile miteinander, und jetzt hat er geschrieben, dass er sich mit mir treffen will. Was meinst du, soll ich?“

„Hm, lass uns mal Mary fragen.“ Alfie hob das kleine Kätzchen hoch und sah es an. „Was meinst du, Mary, soll Stella sich mit diesem Typen treffen?“

„Du nennst das Kätzchen Mary?“

„Ja, weil bald Weihnachten ist. Und das andere, das ich behalten darf, heißt Joseph.“ Er rieb zärtlich seine Wange an Marys weichem Fell. „Aber jetzt zurück zu diesem Typen. Mein Lehrer hat gesagt, dass es gefährlich ist, sich mit jemandem zu treffen, den man nur aus dem Internet kennt. Und dass man solchen Leuten niemals seine Adresse geben darf. Und den echten Namen auch nicht.“

„Da hat dein Lehrer völlig recht. Ich habe diesem Mann auch nur meinen Vornamen genannt, weiter nichts. Er möchte sich mit mir in einem Pub treffen.“

„Und was ist, wenn du ihn nicht magst? Gehst du dann gleich wieder?“

Das hatte Stella sich auch schon gefragt. „Na ja, ich hoffe mal, dass er mir gefällt. Er hat mir schon geschrieben, was er so alles mag und was nicht.“

„Und was ist, wenn er dir was vorgeschwindelt hat, nur damit du dich mit ihm triffst?“

Stella lächelte und zauste Alfie liebevoll durchs Haar. „Du bist ganz schön clever für dein Alter, weißt du das? Also, wenn ich merke, dass dieser Typ mich angelogen hat, dann geh ich einfach heim und sehe ihn nie wieder.“

Alfie runzelte die Stirn. „Wieso kannst du dich nicht ganz normal mit Leuten treffen? So übers Internet, das ist irgendwie komisch …“

„Weißt du, im Internet kann man nach Partnern suchen, die die gleichen Interessen haben wie man selbst. Und ich suche einen Mann, der heiraten und eine Familie gründen will. So wie ich.“

„Dann nimm doch einfach Onkel Daniel, den wolltest du doch heiraten.“

Daniel … Stellas Herz tat weh, wenn sie daran dachte, dass sie nur für ein paar Stunden mit ihm verlobt gewesen war. Es hätte das schönste Weihnachtsfest ihres Lebens werden sollen, doch dann … „Ach, das ist alles nicht so leicht“, antwortete sie betrübt. „Das mit Daniel und mir hat einfach nicht geklappt. So wie bei deinen Eltern.“

Da senkte Alfie den Blick und streichelte sein Kätzchen. „Ja, ich weiß. Zuerst dachte ich, es wäre meine Schuld, dass Mom gegangen ist, weil ich ungeduldig war und meine Geschenke zu früh aufgemacht habe. Aber dann hat Dad gesagt, es wäre seine Schuld, dass Mom so böse ist, weil er immer so viel arbeitet und viel zu wenig Zeit für sie hat. An Heiligabend musste er ins Krankenhaus, um Drillinge zu entbinden, und Mom war furchtbar wütend, weil sie schon den Truthahn auf dem Tisch hatte.“

„Daran kann ich mich noch gut erinnern“, meinte Stella mitfühlend. „Aber dein Dad musste gehen, weil es eine schwierige Entbindung war. Er hat den Drillingen das Leben gerettet.“

„Ich weiß, und ich finde das auch cool. Aber Mom nicht. Sie hat es gehasst, dass Dad ständig in der Klinik war und man nie was mit ihm planen konnte. Auch an Weihnachten musste sie immer alles alleine machen, und das fand sie gar nicht gut.“

„Ach, Alfie …“ Stella nahm den Jungen tröstend in den Arm. Sie verstand einfach nicht, wie eine Mutter es übers Herz bringen konnte, ihre Kinder zu verlassen, und das auch noch an Weihnachten. Dann ließ sie Alfie wieder los und lächelte „Aber weißt du was? Diesmal machen wir es uns an Weihnachten ganz schön. Wir bereiten alles gemeinsam und in Ruhe vor, und keiner hat dann Stress.“

„Doch, Dad hat Stress, wenn er den Truthahn braten muss. Und ich und Posy, wenn wir ihn dann essen müssen. Dad kann nämlich überhaupt nicht kochen, und wir müssen darunter leiden.“ Alfie biss sich auf die Lippe. „Er will eine Annonce in die Zeitung setzen, wegen der Kätzchen, ich darf ja nur eins behalten. Meinst du, er könnte auch eine Annonce aufgeben für eine Frau, die an Weihnachten für uns kocht?“

Da musste Stella lachen und küsste Alfie auf die Stirn. „Das braucht er nicht, denn ich werde für euch kochen.“ Sie fuhr den PC herunter. „Hast du deinen Wunschzettel schon geschrieben?“

„Ja, und weißt du, was ich mir am meisten wünsche?“

„Sag schon.“

„Dass ich alle drei Kätzchen behalten darf. Wenn Dad niemanden findet, der eins will, müssen wir sie doch behalten, oder?“

„Schon, aber dann hätte dein Dad ja noch mehr Arbeit, und ich glaube kaum, dass er das möchte.“

„Wieso, er braucht doch nichts zu machen, ich kümmere mich um sie.“ Alfie setzte das Kätzchen behutsam auf den Boden. „Ich wünschte, du hättest Onkel Dan geheiratet, dann wäre alles leichter.“

Das wünschte Stella auch, und sie lächelte traurig. „Dein Onkel Dan ist halt nicht geschaffen für die Ehe, oder zumindest glaubt er das.“

Alfie biss sich wieder auf die Lippe und überlegte kurz. „Hm, wenn Onkel Dan nicht will, dann heirate doch meinen Dad“, sagte er unvermittelt. „Dann wärst du meine Mom, wäre doch cool, oder?“

Stella lächelte erneut. Alfie war ihr sehr ans Herz gewachsen. „Ja, das wäre cool, aber leider bin ich nicht verliebt in deinen Dad. Und lieben sollten sich zwei Menschen schon, wenn sie einander heiraten, das ist das Allerwichtigste.“

Alfie nickte ernst. „Ich weiß. Wie heißt denn dieser Typ, mit dem du dich bald triffst?“

„Edward.“

Der Junge zog die Nase kraus. „Das ist aber ein komischer Name. Fährt er einen Sportwagen, so wie Onkel Dan?“

„Keine Ahnung, danach habe ich nicht gefragt.“

„Ist er bei der Bergrettung, so wie Dad und Onkel Dan?“

„Ich glaube nicht.“

„Geht er wenigstens klettern in die Berge? Das mach ich später auch, damit ich auch so starke Muskeln kriege wie Dad und Onkel Dan.“

Starke Muskeln, oh ja, die hatte Daniel. Bei dem Gedanken an seinen durchtrainierten Körper wurde Stella richtiggehend heiß, und sie schüttelte den Kopf, um die Gefühle zu verdrängen. „Ich glaube nicht. Zumindest hat er nichts davon geschrieben.“

„Dann ist er ja ganz anders als Dad und Onkel Dan.“

„Das kann man wohl sagen.“

Und genau deshalb hatte Stella ihn auch ausgesucht!

3. KAPITEL

Draußen war es bitterkalt, und in der Notaufnahme war die Hölle los. Stella übernahm bereits die zweite Schicht, doch das konnte ihr nur recht sein, denn die Arbeit lenkte sie von Daniel ab.

Gerade war eine Frau mit starken Kopfschmerzen und Übelkeit eingeliefert worden. Ihren Angaben zufolge hatte ihr Hausarzt sie gestern mit der Diagnose Magen-Darm-Infekt nach Hause geschickt. Heute hatte sich ihr Zustand dann so verschlechtert, dass sie doch ins Krankenhaus gefahren war. Bei der Befragung der Patientin erfuhr Stella, dass offenbar die ganze Familie am gleichen Virus erkrankt war.

„Stellen Sie sich nur mal vor“, klagte die Frau, „als ich heute Morgen aufgestanden bin, haben alle noch geschlafen. Ich wollte meinem Mann Bescheid sagen, dass ich in die Klinik gehe, aber er ist gar nicht wach geworden. Das ist sehr ungewöhnlich, denn normalerweise steht er immer als Erster von uns auf.“

Stella runzelte die Stirn, denn irgendetwas an der Sache gefiel ihr nicht. „Haben Sie versucht, ihn aufzuwecken?“, hakte sie deshalb nach.

„Ja, ich habe ihn sogar leicht gerüttelt, aber davon wurde er auch nicht wach. Dann habe ich ihn schlafen lassen, schließlich ging es ihm gestern Abend ganz und gar nicht gut.“

„Hm … ich denke, es ist besser, einen Arzt hinzuzuziehen. Warten Sie, ich bin gleich wieder da.“

Stella verließ den Behandlungsraum und traf im Flur auf Daniel. Sie schilderte ihm den Fall und bat ihn, mitzukommen. „Mich macht stutzig, dass weder ihr Mann noch die Kinder wach geworden sind, das ist doch nicht normal. Ich befürchte daher, dass …“

„… es sich um eine Kohlenmonoxidvergiftung handeln könnte?“, ergänzte Daniel.

„Genau, denn die Symptome wären typisch. Wenn ich richtig liege, müssen wir schnell handeln. Wir sollten gleich die Polizei und den Notarzt verständigen und sie zu der Familie nach Hause schicken.“

„Okay, ich seh mir die Patientin an.“

Daniel kam nach eingehender Befragung und Untersuchung der Patientin zu dem gleichen Schluss wie Stella. „Hören Sie, Diane, wir vermuten, dass es sich bei Ihnen nicht um eine Virusinfektion handelt, sondern um eine Kohlenmonoxidvergiftung.“

„Eine Kohlenmonoxidvergiftung?“, wiederholte Diane entsetzt. „Aber wie ist denn so was möglich?“

„Wie heizen Sie denn Ihre Wohnung?“

„Wir haben einen Gasofen im Wohnzimmer. Glauben Sie, daran kann es liegen?“

„Das vermute ich. Es kommt nicht selten vor, dass solche Anlagen schadhaft sind und Kohlenmonoxid ausstoßen.“

Da flammte Panik in Diane auf. „Ach du lieber Himmel – mein Mann und die Kinder, sie sind …“

„Keine Angst, wir schicken sofort ein Notfallteam zu ihnen“, beruhigte Daniel die Patientin. „Es wird ihnen nichts passieren.“

Daniel leitete unverzüglich alles in die Wege, und schon eine gute halbe Stunde später wurden Dianes Ehemann und die beiden Kinder eingeliefert und nach der Erstversorgung auf die entsprechende Station verbracht.

Nachdem auch Dianes stationäre Aufnahme vollzogen war, atmete Stella erleichtert auf. Ein Glück, dass dieser Fall so glimpflich ausgegangen war!

„Gute Arbeit, Stella“, lobte Daniel, als sie schließlich allein im Zimmer waren. „Du hast das Problem sofort erkannt und dadurch einer ganzen Familie das Leben gerettet. Dianes Mann und die Kinder wären wahrscheinlich an einer Gasvergiftung gestorben, wenn das Notfallteam nicht rechtzeitig vor Ort gewesen wäre.“

Daniels Lob ließ ihr Herz vor Freude höher schlagen, doch Stella wollte ihm gegenüber professionell und sachlich bleiben. „Ich habe nur meinen Job gemacht“, sagte sie bescheiden.

„Du hast mir gefehlt“, gestand er unvermittelt, und wieder machte ihr Herz einen Sprung. „Wir beide sind ein gutes Team.“

Du mir auch, hätte sie am liebsten gesagt, doch sie verkniff sich die Bemerkung, um ihre Gefühle zu verbergen.

„Stella, sieh mich an.“

Da sah sie ihm in die Augen, und ein unbeschreibliches Gefühl der Sehnsucht erfasste sie. Ja, sie sehnte sich nach Daniel, sie hätte es sich denken können. Nichts hatte sich geändert, gar nichts.

„Daniel?“

Eine forsche Frauenstimme brach den Bann, und Stella fuhr zusammen. An der Tür stand eine schlanke junge Frau in einem eleganten Kostüm und mit einem Aktenkoffer in der Hand. Ihr schulterlanges rotes Haar war perfekt gestylt, ihr Make-up makellos.

Stella war augenblicklich klar, wer diese Frau war – Daniels neue Freundin! „Also ich … ich muss jetzt gehen“, sagte sie schnell, da sie nicht mit ansehen wollte, wie er diese Frau womöglich auch noch in den Arm nahm.

„Warten Sie, meinetwegen brauchen Sie nicht zu gehen, ich bin in zwei Sekunden fertig“, sagte die Rothaarige jedoch und sah dann wieder Daniel an. „Ich wollte dir nur kurz Bescheid geben wegen heute Abend. Du brauchst mich nicht abzuholen, ich fahre lieber selbst, weil ich morgen früh ein Meeting habe. Darum kann ich auch nicht bei dir übernachten.“

Stella hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst, so unangenehm war ihr die Situation. Die Vorstellung, wie Daniel mit dieser Frau im Bett lag, war ihr unerträglich. Aber warum war das so? War sie etwa eifersüchtig?

Und außerdem, was hatte sie erwartet? Dass er lebte wie ein Mönch? Es war zwei Jahre her, dass er die Verlobung mit ihr gelöst hatte, woraufhin sie sich von ihm trennte und nach London ging. Daniel war ein äußerst attraktiver Mann. Nur weil er nicht heiraten und keine Kinder haben wollte, bedeutete das natürlich nicht, dass er keine Freundin brauchte.

Nein, Stella hielt es nicht mehr aus, sie musste weg von hier! Rasch entschuldigte sie sich und eilte aus dem Raum. Daniel führte sein eigenes Leben und sie ihres, und genauso sollte es auch bleiben. Sie würde diesen Edward treffen, und der würde dafür sorgen, dass sie sich Daniel aus dem Kopf schlug. Ein für alle Mal!

„Sag mal, was ist das eigentlich für ein Typ, mit dem sich Stella trifft?“ Daniel stand an Patricks Küchenfenster und blickte zu dem umgebauten Stallgebäude hinüber, das Stella nun bewohnte.

„Keine Ahnung, ich kenne ihn nicht.“ Patrick gab Nudeln auf die Teller seiner Kinder. „Posy, setz dich richtig hin, und Alfie, hilf bitte deiner Schwester.“ Dann füllte er sich selbst den Teller und seufzte auf. „Ich bin hundemüde. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal eine ganze Nacht in meinem eigenen Bett geschlafen habe. Die Kinder kommen, wann sie wollen.“

„Du bist der Chef, du kannst doch delegieren.“

„Aber nicht, wenn es um Leben oder Tod geht.“ Patrick rieb sich Käse auf die Nudeln und fing an zu essen. „Warum kommen bloß so viele Kinder um die Weihnachtszeit zur Welt, kannst du mir das sagen?“

„Weiß ich nicht, du bist der Spezialist.“

„Kann ich auch mehr Käse auf die Nudeln haben?“, fragte Alfie, während er eine Flasche Milch aus dem Kühlschrank nahm.

„Keine Milch, Alfie. Gib Posy lieber ein Glas Wasser, sonst ist sie von der Milch so satt, dass sie nichts mehr essen will.“

Daniel spürte etwas an seinem Knöchel und stellte mit einem Blick nach unten fest, dass eines der Kätzchen um seine Füße strich. „Zurück zu diesem Mann, mit dem sich Stella trifft …“

„Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich gar nichts von ihm weiß.“

„Aber ich weiß was“, erklärte Alfie wichtig und füllte Wasser in zwei Becher, von denen er eins vor Posy auf den Tisch stellte. „Ich weiß zum Beispiel, dass er nicht bei der Bergrettung ist und dass er keinen Sport macht. Aber er will heiraten und Kinder haben, darum hat Stella ihn sich ausgesucht. Jetzt hofft sie nur, dass er kein Doofmann ist. Sie hat mit Ellie ausgemacht, dass Ellie sie um neun Uhr anruft, falls der Typ ihr nicht gefällt. Dann tut sie so, als müsste sie ganz dringend in die Klinik, das nimmt er ihr bestimmt ab. Sicherheitshalber hat sie ihm auch nur verraten, wie sie mit Vornamen heißt.“

Daniel war so baff, dass ihm die Worte fehlten. Woher wusste Alfie das? Er sah Patrick an. „Sag mal, dein Sohn ist erst zehn Jahre alt. Wie kommt es, dass er …“

„Alfie ist eben ein cleveres Kerlchen, das hat er von mir“, meinte Patrick grinsend. „Außerdem geht er jeden Tag zu Stella, da kriegt er einiges mit.“

Daniel wandte sich an seinen kleinen Neffen. „Du bist wirklich jeden Tag bei Stella?“

„Klar. Sie hat ein super Laptop und lässt mich viel dran machen, das ist cool. Jetzt sucht sie einen Partner übers Internet. Das könntest du auch mal ausprobieren, Dad.“ Alfie gab einen großen Kleks Ketchup auf seinen Teller. „Stell dir nur mal vor, sie hat schon dreihundertfünfzig Zuschriften bekommen. Wenn du so viele hättest, könnte jeden Tag eine andere Frau zu uns kommen, um für uns zu kochen, und du hättest ein ganzes Jahr lang deine Ruhe.“

Da musste Daniel lauthals lachen und verschluckte sich dabei fast an seinen Nudeln. Alfie war wirklich zu drollig!

Doch Patrick fand das offensichtlich gar nicht lustig. „Wieso, schmeckt euch mein Essen etwa nicht?“, fragte er brüskiert. „Und nimm endlich die Katze vom Schoß. Und du, Posy, iss nicht mit den Fingern!“ Er gab dem kleinen Mädchen die Gabel in die Hand. „Iss jetzt bitte, Alfie. Ich muss gleich wieder in die Klinik.“

„Sie sucht tatsächlich einen Partner übers Internet?“, hakte Daniel nach. „Soll das heißen, dass sie sich bei einer Vermittlungsagentur angemeldet hat?“

„Ja. Sie hat gesagt, das wäre die einzige Möglichkeit für sie, einen Mann zu finden, der das Gleiche will wie sie. Und sie hat sich alle dreihundertfünfzig Kandidaten angeguckt und dann einen ausgewählt, der genau das Gegenteil von dir ist, Onkel Dan.“

Nun brach Patrick in schallendes Gelächter aus, und Daniel fand das gar nicht lustig.

„Was willst du damit sagen? Dass sie sich mit einem Fremden trifft? Mit einem Mann, den sie noch nie zuvor gesehen hat?“

„Ja, aber dadurch, dass sie mit ihm mailt, weiß sie schon eine ganze Menge über ihn.“ Alfie zuckte mit den Schultern. „Ich glaub, der Typ ist ziemlich langweilig, aber ich bin ja auch kein Mädchen. Dad, wie lange dauert eine Schwangerschaft?“

Eine Schwangerschaft? Daniel wäre am liebsten aufgesprungen und hätte Stellas Tür eingerannt! Sie würde doch wohl nicht gleich intim mit diesem Typen werden! Aber nein, so war Stella nicht. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die gleich am ersten Abend mit einem Mann ins Bett gingen.

„Neun Monate“, erklärte Patrick. „Aber jetzt mal etwas anderes, Alfie: Heute Abend kommt Mrs. Thornton, um auf dich und deine Schwester aufzupassen.“

„Oh Dad, nicht schon wieder die! Die ist doch uralt!“

„Sie ist überhaupt nicht alt.“

„Aber sie stinkt immer furchtbar nach Parfüm und hat einen knallroten Mund, das sieht echt doof aus. Können wir nicht alleine bleiben? Ich kann doch auf Posy aufpassen.“

„Nein, das geht nicht, Alfie. Ich bleibe auch nicht lange weg.“

„Das sagst du immer, und dann bleibst du doch die halbe Nacht. Oder sogar die ganze.“

Patrick wollte noch etwas erwidern, aber da klingelte sein Handy, und er ging ran. „Ja … wie viele Zentimeter, sagst du?“ Er klemmte das Telefon zwischen Schulter und Ohr, um Tomatensoße von Posys Mund zu wischen. „Okay, ich bin schon unterwegs.“

Alfie verzog das Gesicht. „Hab ich’s nicht gesagt? Es ist immer dasselbe.“

„Hör mal Daniel“, sagte Patrick. „Könntest du so lange bleiben, bis Mrs. Thornton ihre alten Knochen her bewegt?“

„Ihre alten Knochen?“ Daniel zog die Brauen hoch. „Wie alt ist sie denn?“

„So um die fünfundvierzig, schätze ich. Aber für Alfie ist das schon uralt.“ Patrick nahm das Kätzchen von Alfies Schoß und setzte es auf den Boden. „So, jetzt ab mit dir in die Küche, Mary.“

„Das ist nicht Mary, sondern Joseph“, wies Alfie ihn zurecht. „Ich frag mich bloß, wie du deine Arbeit machen willst, wenn du nicht mal Jungs von Mädchen unterscheiden kannst.“ Dann schob er seinen Teller weg und wandte sich erneut an Daniel. „Jetzt sag schon, Onkel Dan. Bleibst du heute Abend bei uns?“

„Das geht leider nicht, Alfie.“ Daniel wartete, bis Patrick aus dem Zimmer ging, um sich umzuziehen, dann lehnte er sich vor und fragte leise: „Sag mal, du weißt nicht zufällig, wo Stella sich mit diesem Typen trifft?“

„Natürlich weiß ich das.“

Daniels Herz schlug schneller. „Und verrätst du es mir auch?“

„Vielleicht. Aber das würde dich was kosten.“

Daniel schmunzelte. „Ach so, du meinst, ich muss für diese Info zahlen?“

„Kommt drauf an, wie wichtig dir die Info ist“, erwiderte Alfie lässig und stand auf, um seinen Teller zur Spüle zu tragen.

Daniel ging ihm hinterher. „Du bist ganz schön clever für dein Alter, das muss man dir lassen. An wie viel hättest du denn so gedacht?“

„Zwei Pfund fünfzig?“

„So viel?“

Alfie zuckte die Schultern. „Du musst ja nicht drauf eingehen, wenn’s dir nicht so wichtig ist. Und wieso willst du das überhaupt wissen? Du bist doch gar nicht mehr mit ihr zusammen. Sie hat gesagt, dass du der größte Macho bist, den sie kennt, und dass sie nicht mit dir zusammen sein kann, weil du keine Kinder willst. Also kann das auch nichts mit euch werden.“

„Stella hält mich für einen Macho?“, wiederholte Daniel verblüfft. „Wie kommt sie überhaupt dazu, dir so was zu erzählen?“

„Sie behandelt mich eben nicht wie ein kleines Kind, deshalb bin ich auch so gern mit ihr zusammen.“

Daniel seufzte und zog seine Geldbörse aus der Hosentasche. „Also gut, hier hast du fünf Pfund.“

„Fünf Pfund? Ich kann aber nicht wechseln.“

„Brauchst du nicht. Dafür will ich aber alles wissen, was du über diesen Typen weißt.“

„Okay.“ Alfie faltete den Schein zusammen und steckte ihn in die Hosentasche. „Sie wollen sich um acht im Drunken Fox treffen.“

„Und wie erkennt sie ihn? Oder er sie?“

„Sie zieht was Rotes an. Zuerst war sie sich nicht sicher, ob rot oder schwarz, und ich habe ihr dann gesagt, dass sie in dem roten Kleid am besten aussieht – fast schon wie ein Filmstar.“

Daniel holte tief Luft. Er wusste sofort, von welchem Kleid die Rede war – von diesem supersexy Teil, das ihm förmlich den Verstand geraubt hatte. Zum Anbeißen sah sie darin aus, und er wollte gar nicht daran denken, dass sie heute Abend …

„Du hättest sagen sollen, dass sie das schwarze anziehen soll“, sagte er verdrossen.

Alfie runzelte die Stirn. „Wieso? Das rote steht ihr doch viel besser.“

Eben, dachte Daniel grimmig und wäre am liebsten auf der Stelle zu ihr hingerannt, um sie am Fortgehen zu hindern.

„Was ist denn das, wofür gibst du Alfie Geld?“, wollte Patrick wissen, der gerade wieder in die Küche kam.

„Einfach so“, erwiderte Daniel ausweichend. „Ich bin sein Onkel, warum sollte ich ihm nicht ab und zu was geben?“

Patrick kniff skeptisch die Augen zusammen, doch dann läutete es an der Tür, und er konnte nicht mehr nachhaken. „Das wird Mrs. Thornton sein. Alfie, sieh zu, dass du bis halb neun im Bett bist. Und sei brav und sieh dir nichts im Fernsehen an, was für dein Alter ungeeignet ist.“

„Ach Dad, ich bin doch kein Baby mehr. Mach dir keine Sorgen, wir kriegen das schon hin. Und falls Mrs. Thornton an Altersschwäche sterben sollte, rufe ich dich an.“

Da musste Patrick lachen und wandte sich an Daniel. „Ganz schön frech, der Kleine, findest du nicht auch?“

Doch Daniel hatte ganz anderes im Sinn. „Ich muss jetzt auch weg, Patrick. Bis später.“

Patrick zog seinen dicken Wintermantel an. „Du hast’s gut, hast den ganzen Abend frei. Triffst du dich mit deiner Rechtsanwältin?“

„Ja“, erwiderte Daniel knapp und eilte aus dem Haus, bevor sein Bruder noch mehr Fragen stellen konnte. An der Treppe nickte er Mrs. Thornton noch kurz zu und stieg dann schnell in seinen Wagen.

4. KAPITEL

Stella stand vor dem Spiegel und betrachtete sich kritisch. Sie wusste nicht so recht, was sie für diesen Abend anziehen sollte. War dieses Kleid nicht zu elegant für den Pub? Vielleicht doch besser Jeans? Aber was, wenn Edward sie später noch zum Essen in ein feines Restaurant einlud? Dann wären Jeans nicht elegant genug.

Ja, das rote Kleid war richtig, darin gefiel sie sich ausgesprochen gut. Zu dumm nur, dass es sie an Daniel erinnerte. Er hatte dieses Kleid an ihr geliebt, hatte es ihr langsam und genüsslich ausgezogen und …

Schluss damit! Sie wollte jetzt nicht daran denken, welch heißen Sex sie mit Daniel gehabt hatte. Ärgerlich zog sie das Kleid wieder aus und warf es aufs Bett. Daniel war für sie Vergangenheit, und jetzt begann ein neues Leben, in dem er keine Rolle spielte, basta!

Heute Abend traf sie sich mit einem neuen Mann, und sie wollte gut aussehen. Erneut griff sie nach dem sexy Kleid und zog es wieder an. Dann überlegte sie, was sie mit ihren Haaren machen sollte. Da sie schon viel zu viel Zeit für die Kleiderwahl vergeudet hatte, ließ sie es einfach offen, zog schwarze Stiefel an, dazu einen schicken Mantel, und verließ das Haus.

Eine Viertelstunde später hielt sie auf dem Parkplatz vor dem Pub. Ihr Herz klopfte wild. Was, wenn sie hier Bekannte traf? Was würden die von ihr denken? Sie hatte extra ein Lokal gewählt, das sie normalerweise nie besuchte, aber trotzdem konnte es natürlich passieren, dass ihr in einem kleinen Ort wie dem Lake District jemand begegnete, den sie kannte.

Und was, wenn Alfie richtig lag und dieser Edward schrecklich war?

Am liebsten wäre Stella auf der Stelle umgekehrt und wieder heimgefahren, doch dann riss sie sich zusammen. Warum war sie nur so aufgeregt? Es war doch nur ein erstes Treffen, und wenn ihr der Mann nicht zusagte, konnte sie einfach wieder gehen.

Also gab sie sich einen Ruck und stieg aus. Im Pub schlug ihr stickig warme Luft entgegen. Viele Gäste saßen oder standen dicht gedrängt an der Bar, und auch die Tische waren gut besetzt. Stella wählte eine kleinen hinten in der Ecke, zog ihren Mantel aus und nahm Platz.

Und was jetzt? So ganz allein in diesem Pub fühlte sie sich gar nicht wohl, und unwillkürlich fiel ihr Daniel wieder ein. Was würde er wohl denken, wenn er wüsste, dass sie hier auf einen Fremden wartete?

Ach, das ist doch jetzt egal! Du suchst einen neuen Freund, um Daniel aus dem Kopf zu kriegen, da sollte es dich nicht interessieren, was er von dir denken würde!

Die Eingangstür ging auf, und Stella beobachtete gespannt, wie ein kleiner Mann eintrat. Den Mantel hatte er offen, darunter war ein Nadelstreifenanzug zu erkennen. Dazu trug er glatt polierte schwarze Schuhe, an denen Schnee haftete. Neben den anderen Männern im Pub, in ihren derben Jeans und dicken Wollpullovern, wirkte er so fehl am Platz wie eine Ballerina auf dem Mount Everest!

Stella unterdrückte den Impuls, sich unter dem Tisch zu verkriechen, um sich vor ihm zu verstecken. Aber nein, das konnte sie unmöglich machen. Sie hatte sich verabredet, also musste sie da durch und zumindest einen Drink mit ihm nehmen. Danach würde sie Ellie eine SMS schicken, damit die sie mit einem kurzen Anruf rettete.

Während Stella beobachtete, wie der Mann zögerlich in Richtung Bar ging, musste sie erneut an Daniel denken. Wie unterschiedlich diese beiden Männer waren! Hätte Edward genügend Mut und Kraft, ein verletztes Kind aus einer Felsspalte zu ziehen und dabei sein eigenes Leben zu riskieren? War er so wie Daniel in der Lage, Entscheidungen zu treffen, bei denen es um Leben oder Tod ging, so wie es in der Notaufnahme ständig nötig war?

Stella atmete tief durch und fragte sich, warum sie immer nur an Daniels positive Seiten dachte. Weshalb konzentrierte sie sich nicht auf seine negativen? Dieser Mann, der jetzt so schüchtern an der Bar stand, würde einer Frau bestimmt nicht einen Heiratsantrag machen, um ihn dann ein paar Stunden später wieder zurückzunehmen. Nein, Edward wünschte sich Kinder, während Daniel niemals Vater werden wollte. Das waren die Dinge, über die sie sich Gedanken machen sollte.

Die ganze Situation erschien Stella nun so absurd und lächerlich, dass sie am liebsten weggelaufen wäre. Die Idee, durch einen neuen Freund über Daniel hinwegzukommen, war reine Illusion. So einfach ging das nicht!

Sie zog ihr Handy aus der Tasche, um Ellie jetzt schon eine SMS zu schicken. Da sah sie plötzlich, wie ein junges Mädchen auf den Mann zutrat und ihn auf die Wange küsste.

Erleichtert atmete Stella auf. Dieser Mann dort war also gar nicht Edward! Sie schob das Handy wieder in die Tasche und biss sich auf die Lippe, denn schon kam eine neue Sorge in ihr auf: Was, wenn ihre Verabredung erst gar nicht kam?

In dem Moment öffnete sich erneut die Tür – und Daniel erschien.

Stellas Herz klopfte stürmisch. Allein sein Anblick raubte ihr den Atem. Mit dem dunklen Haar, das etwas feucht vom Schnee geworden war, dem dunklen Bartschatten und den breiten Schultern sah er unglaublich männlich und erotisch aus.

Rasch machte sie sich ein bisschen kleiner in der Hoffnung, dass er sie nicht sehen würde, doch sie wusste, dass das sinnlos war. Natürlich würde er sie sehen, und er würde fragen, was sie hier zu suchen hatte. Verdammt, was sollte sie nur sagen? Ihr war das Ganze schrecklich peinlich. Schlimm genug, dass sie einen Partner übers Internet suchte, aber dass der Kerl jetzt nicht mal auftauchte, war die reinste Demütigung!

„Stella?“

Sie lächelte gekünstelt. „Daniel, was für eine Überraschung! Ich dachte, du wolltest dich mit deiner Freundin treffen, dieser … Rechtsanwältin.“ Sie blickte auf die Uhr. „Es ist gleich acht. Wenn du dich nicht beeilst, kommst du noch zu spät. Würde sie dich dann verklagen?“

Daniel hatte offensichtlich keinen Sinn für Scherze, denn er sah sie so düster an, dass ihr ganz flau im Magen wurde.

„Was machst du hier, so ganz allein?“ Er setzte sich zu ihr und nickte kurz, als der Kellner ihm einen Drink servierte.

Stella nestelte nervös an ihrem Schal herum, den sie noch nicht abgenommen hatte. „Kriegst du … deine Drinks hier umsonst?“

„Seine Tochter hatte letzten Sommer einen Kletterunfall. Üble Kopfverletzung. Komplizierte Bergung.“

„Und du hast sie gerettet?“

„Ja.“

„Wirst du häufig zu gefährlichen Einsätzen gerufen?“

Daniel kniff grimmig die Augen zusammen. „Ich bin nicht hierhergekommen, um über meinen Job zu reden. Ich habe dich gefragt, was du hier machst.“

„Ich hatte Lust auf einen Drink.“

„Allein?“

„Nein, ich … wollte mich mit jemandem treffen, aber er … wurde offensichtlich aufgehalten.“

„Und mit wem wolltest du dich treffen?“, fragte Daniel scharf. „Mit deinem neuen Freund?“

Stella erwiderte trotzig seinen Blick. „Und wenn? Was geht dich das an?“

„Ich will nicht, dass du dich mit fremden Männern triffst.“

Daniel trank einen Schluck aus seinem Glas, und Stella erbleichte.

Er weiß es! Er weiß, dass ich ein Internet-Date habe!

Sie räusperte sich. „Wie hast du davon erfahren?“

„Das spielt keine Rolle.“ Er knallte das Glas auf den Tisch. „Das Problem ist, dass du dich mit einem Kerl triffst, den du überhaupt nicht kennst. Was soll das, Stella? Bist du so naiv, oder tust du nur so?“

„Ich weiß nicht, was daran so schlimm sein soll. Hier sind jede Menge Leute, was kann mir schon passieren?“

„Was dir passieren kann? Zum Beispiel, dass er dich zu sich nach Hause zerrt und …“ Daniel brach ab und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.

„Und was?“

„Du trägst das rote Kleid.“

„Und?“

„So ein sexy Kleid zieht man nicht für einen Typen an, den man gar nicht kennt.“

Stella griff nach ihrem Mantel und zog ihn an. „Wann und für wen ich welches Kleid anziehe, ist meine Sache und geht dich überhaupt nichts an!“ Sie war nun den Tränen nahe, denn immer klarer stellte sich heraus, dass aus ihrem Date nichts werden würde. Das war so entwürdigend! „Aber wie du siehst, ist der Typ erst gar nicht aufgetaucht, also brauchst du dir auch keine Sorgen machen.“

Damit nahm sie ihre Tasche und hastete davon, bevor die Tränen noch die Oberhand gewannen.

Bittere Kälte schlug Stella ins Gesicht, als sie ins Freie trat. An ihrem Wagen angekommen, zog sie einen Eiskratzer aus der Tasche und machte sich daran, die Windschutzscheibe von Schnee und Reif zu befreien.

Was für eine Schnapsidee, sich hier mit diesem Kerl treffen zu wollen! Was hatte sie sich nur dabei gedacht?

Als die Scheibe frei war, zog Stella ihren Autoschlüssel hervor und wollte gerade die Tür aufschließen, als sie plötzlich ausrutschte. Sie wäre hingefallen, hätte sie nicht jemand aufgefangen – Daniel.

„Vorsicht, es ist glatt.“

Seine tiefe Stimme löste einen prickelnden Schauer bei ihr aus, und sie hasste sich dafür. „Das weiß ich selbst!“, erwiderte sie schroff. „Und jetzt lass mich in Ruhe, ich will nach Hause.“

„Warum suchst du einen Partner übers Internet?“

„Weil es mir noch nicht gelungen ist, einen passenden in der realen Welt zu finden. Und jetzt lass mich endlich los!“

Doch er dachte nicht daran. Stattdessen zog er sie an sich und presste seine Lippen auf ihren Mund. Der Vorstoß kam so unerwartet, dass Stella keine Chance hatte, ihm zu entgehen.

Aber das wollte sie auch gar nicht, denn Daniels Kuss entfachte eine solche Leidenschaft in ihr, dass sie ihn hemmungslos erwiderte. Daniel ließ seine Zunge heiß mit ihrer spielen, und Stella schlang ihm die Arme um den Nacken und gab sich voll und ganz dem Rausch der Sinne hin.

Dann ging die Tür des Pubs auf, und mehrere Leute kamen heraus. Daniel löste sich abrupt von Stella. „Stella, ich … es tut mir leid, ich wollte dich nicht …“

„Ach, lass mich doch in Ruhe!“

Zornig stieg sie in den Wagen, ließ den Motor an und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Verdammt, was war bloß in sie gefahren? Warum hatte sie sich nur von Daniel küssen lassen?

Weil ich ihn immer noch liebe! schrie ihr Herz, und Tränen der Verzweiflung schossen ihr in die Augen. Ja, sie war verliebt in Daniel, und zwar so sehr, dass sie kaum an etwas anderes denken konnte. Und deshalb musste sie auch weg von ihm – so schnell wie möglich!

Der heiße Kuss am Parkplatz und die Erkenntnis, wie viel Daniel ihr immer noch bedeutete, hatten Stella derart aufgewühlt, dass sie sich kaum aufs Fahren konzentrieren konnte. Sie musste sich beruhigen, um nicht Gefahr zu laufen, auf den glatten Straßen ins Schleudern zu geraten.

Was für ein Desaster! Dieser Abend hätte der erste Schritt in ein neues Leben werden sollen. Mit einem neuen Mann, mit dem sie ihre Zukunft planen wollte. Und was war daraus geworden? Ihre Internetbekanntschaft war erst gar nicht aufgetaucht, dafür aber Daniel, der sie völlig überrumpelt hatte. Wie ein verknallter Teenager war sie unter seinem Kuss dahingeschmolzen und hatte alles um sich her vergessen!

Wie hatte sie sich nur dazu hinreißen lassen können? Und warum hatte er das überhaupt getan?

Er hat doch eine Freundin, diese Rechtsanwältin – was will er also noch von mir?

Wütend auf sich selbst und noch wütender auf Daniel drückte Stella wieder fester aufs Gaspedal. Es war ein Fehler gewesen, hierher zurückzukommen, das war ihr heute klar geworden. Sie hatte sich nur etwas vorgemacht, hatte geglaubt, dass sie einen neuen Partner wollte, doch in Wahrheit wollte sie nur Daniel. Dass sie nicht zueinander passten, spielte dabei keine Rolle, so war es, und so würde es auch immer bleiben!

Patrick hatte recht. In wen man sich verliebte, konnte man nicht steuern, entweder stimmte die Chemie oder sie stimmte nicht, so einfach war das.

Vor dem Farmhaus hielt Stella mit quietschenden Reifen an. Dann stellte sie den Motor ab und schloss die Augen.

Himmel, was sollte jetzt bloß werden?

Kurz darauf ging die Fahrertür auf, und Patrick stand vor ihr. „Was ist denn los, ist etwas passiert?“ Er runzelte die Stirn, als er sah, wie verstört sie war. „Los, steig aus und komm mit rein. Du bist ja völlig durcheinander.“

Doch sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich will allein sein.“

„Das ist nicht gut.“ Er nahm sie an die Hand und zog sie aus dem Wagen. „Wenn man Kummer hat, ist es besser, jemandem sein Herz auszuschütten. Danach fühlt man sich gleich besser.“

„Da bist du als Daniels Bruder gerade der Richtige“, erwiderte Stella spöttisch. „Ich bin so wütend auf ihn, dass ich schreien könnte!“

Da musste Patrick lachen. „Nur zu, tu dir keinen Zwang an.“ Er schloss ihr Auto ab und überlegte kurz. „Ich glaube, wir gehen lieber zu dir. Mrs. Thornton bleibt heute über Nacht, sie muss nicht alles mitbekommen, was wir miteinander reden.“

Sie gingen in Stellas Anliegerwohnung, und Stella zog ihren Mantel und die Stiefel aus.

„Deine Internet-Bekanntschaft war wohl nicht der Hit, stimmt’s?“, erkundigte sich Patrick.

„Er ist gar nicht aufgetaucht. Dafür aber Daniel.“

„Daniel? Ich dachte, er wollte sich mit seiner Freundin treffen.“

Stella zuckte die Schultern. „Offensichtlich hatte er genügend Zeit, um mir vorher noch den Abend zu vermiesen.“

Patrick folgte ihr in die Küche und setzte sich auf einen Hocker an der Frühstücksbar. „Das ist ja interessant. Was hat er denn gemacht?“

„Eine Szene, was denn sonst?“ Sie schaltete den Wasserkocher ein und nahm zwei Tassen aus dem Schrank. „Willst du einen Kaffee?“

„Gern. Bitte schwarz und ohne Zucker. Ich brauche Koffein, um wach zu bleiben, weil ich nachher noch mal in die Klinik muss.“

„Du arbeitest zu viel.“

„Jetzt redest du wie meine Frau – oder besser gesagt, Exfrau.“

„Hast du noch regelmäßigen Kontakt zu ihr?“

„Mehr oder weniger, aber nur wegen der Kinder. Das ist auch der einzige Grund, weshalb ich überhaupt noch mit ihr rede. Ich kann noch immer nicht begreifen, dass sie Alfie und Posy einfach so im Stich gelassen hat. Wie bringt eine Mutter das bloß fertig? Aber weißt du, was mich noch mehr wundert? Wie gut Alfie damit klarkommt. Er hat sich damit abgefunden, dass es jetzt so ist, wie es ist, und macht das Beste draus.“

Stella bereitete Instant-Kaffee zu und reichte Patrick eine Tasse. „Ich bewundere das auch. Alfie ist ein toller Junge und sehr reif für sein Alter.“

„Ja, das ist er. Ich hoffe nur, dass dieses Drama keine Spuren bei ihm hinterlässt. Ich meine, dass das negative Konsequenzen in Bezug auf seine spätere Entwicklung hat. Vielleicht glaubt er, dass die Ehe keine gute Sache ist, und will sich nie fest binden, so wie Daniel.“

„Das kann ich mir nicht vorstellen. Alfie ist sehr klug und denkt über vieles nach. Und wenn man sieht, wie sehr er seine Kätzchen liebt und wie rührend er sich um seine kleine Schwester kümmert, braucht man nicht zu fürchten, dass er emotionale Defizite hat.“ Sie atmete tief ein. „Dass Daniel ausgerechnet in diesen Pub gehen musste, so ein Pech aber auch.“

Da räusperte sich Patrick leicht verlegen. „Na ja … Pech würde ich es nicht unbedingt nennen. Es war wohl eher Absicht.“

„Wieso? Woher hätte er denn wissen sollen, dass ich auch dort bin? Das wusstest ja noch nicht mal du.“

„Also ich … ehrlich gesagt habe ich es gewusst. Alfie hat es mir erzählt.“

„Alfie?“ Stella runzelte die Stirn. „Meinst du, er hat es dann auch Daniel gesagt?“

„Davon gehe ich aus. Ich habe nur mitbekommen, wie die beiden miteinander tuschelten, und dann hat Alfie einen Geldschein eingesteckt. Das hatte ganz bestimmt etwas damit zu tun. Tut mir leid, Stella.“

„Ist schon gut, Alfie kann ja nichts dafür. Er ist ein Kind, und man kann nicht von ihm erwarten, dass er so etwas für sich behält. Im Grunde ist es ja auch kein Geheimnis, dass ich einen neuen Partner suche. Ich frag mich bloß, warum das Daniel interessiert. Wieso ist er in den Pub gegangen?“

Patrick lächelte. „Das liegt doch auf der Hand. Weil er den Gedanken nicht ertragen kann, dass du dich mit irgendwelchen Männern triffst. Er würde nicht mal mich als deinen neuen Partner akzeptieren, und das sagt schon einiges.“

Stella schüttete den Kopf. „Ich verstehe das nicht, das ist doch absurd. Ich bin nicht mehr mit ihm zusammen, weil er mich nicht wollte, also macht das alles keinen Sinn.“

„Oh doch, er wollte dich, Stella, er wollte dich sogar sehr. Und wie mir scheint, hat sich bis heute nichts daran geändert.“

Stella dachte an den heißen Kuss vor dem Pub, und ihre Wangen brannten. „Kann schon sein, dass er noch immer auf mich steht, aber das ändert nichts daran, dass wir nicht zusammen passen. Daniel hat andere Wünsche und Bedürfnisse als ich.“

„Ich weiß. Was hat er denn gesagt, als er dich im Pub gesehen hat?“

„Er hat den Macho raushängen lassen und sich darüber aufgeregt, dass ich mich mit einem Fremden treffen wollte.“

„Ehrlich gesagt …“

„Ja?“

„Ich finde das auch nicht gut.“

„Aber du bist mir nicht nachgefahren, um mich zu kontrollieren.“

„Das nicht, aber ich habe den Wirt angerufen und ihn gebeten, ein Auge auf dich zu werfen, falls dieser Typ dich irgendwie belästigt.“

Stellas Augen wurden groß. „Das hast du getan?“

Patrick stand auf und stellte seine leere Tasse in die Spüle. „Ich bin halt ein Buchannan, und wir können nicht anders, weil wir diesen berühmten Beschützerinstinkt in uns tragen, weißt du?“ Dann küsste er Stella auf die Stirn. „Gute Nacht. Schlaf gut und träum süß.“

Autor

Jessica Gilmore
Jessica Gilmore hat in ihrem Leben schon die verschiedensten Jobs ausgeübt. Sie war zum Beispiel als Au Pair, Bücherverkäuferin und Marketing Managerin tätig und arbeitet inzwischen in einer Umweltorganisation in York, England. Hier lebt sie mit ihrem Ehemann, ihrer gemeinsamen Tochter und dem kuschligen Hund – Letzteren können die beiden...
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