Liebessterne über dem Outback

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Liebe auf den ersten Blick? Verzweifelt versucht Nicola, dagegen anzukämpfen. Denn alles spricht gegen ein Happy End zwischen ihr und dem alleinerziehenden Cade Hindmarsh: Sie wird nur zwei Monate als Nanny auf seiner einsam gelegenen Ranch im Outback bleiben. Und er glaubt offenbar nicht mehr an Liebe. Trotzdem knistert es seit der ersten Sekunde heftig zwischen ihnen! Nicolas verbotener Traum scheint wahr zu werden, als Cade sie in seine starken Arme zieht und liebt – als sei es wirklich für immer …


  • Erscheinungstag 24.01.2023
  • Bandnummer 022023
  • ISBN / Artikelnummer 0800230002
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

Nicola reckte den Kopf, um so viel wie möglich von der Aussicht zu sehen. Doch so weit das Auge reichte, konnte sie durch das Fenster des kleinen Motorflugzeugs nur roten Staub und hin und wieder stacheliges Gras und Gestrüpp erkennen. Als der Pilot den Motor ausschaltete, umgab sie plötzliche Stille.

Der Pilot wandte sich zu ihr um. „Da wären wir.“

„Aha.“ Sie schluckte und nickte.

Das bedeutete, sie war auf der Rinderfarm Waminda Downs im Westen von Queensland angekommen … mitten im Outback … und so weit weg von der Zivilisation, wie ein Mensch überhaupt nur sein konnte. Sie schaute noch einmal aus dem Fenster und holte tief Luft. Diese Gegend war das Gegenteil von ihrer Heimat in Melbourne. Das absolute Gegenteil.

„Darf ich jetzt aussteigen?“

Jerry schmunzelte und klappte die Leiter aus. „Na, das ist der Plan.“

Sobald Nicola den Kopf aus der Tür streckte, traf sie die Hitze wie ein Schlag … hart, glühend, intensiv. In der Sekunde, in der ihre Füße wieder auf festem Boden standen, kam der Geruch … heiße, trockene Erde und sonnenverbranntes Gras.

Doch die einsame Trostlosigkeit war sogar noch größer als die Hitze, die unbarmherzig auf ihren unbedeckten Kopf niederbrannte. Wer hier vom Weg abkam, wurde vielleicht niemals gefunden.

Sie ließ den Blick über die endlose Weite blassbrauner Gräser auf rotem Staub wandern, und zum ersten Mal seit drei Monaten fühlte sich ihr Herzschlag plötzlich wieder richtig an.

Hier draußen würde sie keine Menschen treffen, die sie mit mitleidigen Blicken streiften, schnell wieder fortschauten und dann hinter vorgehaltener Hand über sie tuschelten. Oder Freunde, die ihre Hand nahmen und fragten, wie es ihr ging. Oder Leute, die sich einfach nur am Unglück anderer erfreuten und über sie lachten.

Sie schloss die Augen und reckte das Gesicht der Sonne entgegen. „Hier ist es perfekt.“

„Perfekt wofür?“

Die Stimme gehörte nicht dem Piloten.

Als sie herumwirbelte, sah sie einen großen breitschultrigen Mann, der ihren Koffer mühelos aus dem Gepäckfach des Flugzeugs hob. Er setzte ihn ab und richtete sich wieder auf. So viel dazu, dass sie und der Pilot mutterseelenallein in dieser Wildnis waren.

Sie blinzelte. „Wo kommen Sie denn her?“

Er deutete hinter sich, und in der grellen Sonne erkannte Nicola die Spiegelung einer Windschutzscheibe.

„Kommen Sie von der Farm?“, fragte sie.

Der Mann verzog den Mund, es war nicht direkt ein Lächeln, aber sie hatte das Gefühl, es war freundlich gemeint.

„Ich bin Cade Hindmarsh.“

Ihr Boss.

Er musste etwa dreißig sein und war sonnengebräunt. Sehr gebräunt. Um seine Augen zog sich ein Fächer tiefer heller Linien. Wahrscheinlich, weil er immer in die Sonne blinzelte. Schon jetzt merkte Nicola, wie sie es auch tat.

Als er seinen Akubra in den Nacken schob, der aussah wie ein Cowboyhut mit einer sehr breiten Krempe, schaute sie in die blauesten Augen, die sie je gesehen hatte. Die Sonne hier draußen bleichte vielleicht alles aus, aber nicht diese Augen.

Sein Blick war direkt. Je länger sie ihn anschaute, desto leichter wurde ihr ums Herz, als würde eine Last von ihren Schultern abfallen und in der trockenen Erde zu ihren Füßen versickern.

Er kannte sie nicht. Er würde sie nicht mitleidig ansehen und für dumm oder gescheitert halten. Es sei denn, sie würde ihm einen Anlass dazu geben.

Und das hatte sie ganz bestimmt nicht vor.

„Nicola McGillroy.“ Sie rief sich ihre Manieren wieder in Erinnerung und stellte sich vor. Kühl und geschäftsmäßig. So wollte sie auftreten. Als das Gegenteil von einem jämmerlichen Fußabtreter.

Cade Hindmarsh kam zu ihr und streckte die Hand aus. Bei seinem festen Griff weiteten sich ihre Augen.

Er verzog das Gesicht und lockerte seinen Griff. „Sorry. Man sagt mir immer wieder, mein Händedruck wäre zu fest.“

Sie schluckte. „Kein Grund für eine Entschuldigung. Sie haben mir nichts gebrochen.“

Cades Händedruck war so, wie ihrer Meinung nach der Händedruck eines Mannes sein sollte. Die Realität hatte ihre Erwartungen bisher meist enttäuscht.

Cade enttäuschte nicht. Sein Händedruck war fest, verlässlich. Kraftvoll. Männer mit so einem Händedruck ließen sich nicht herumschubsen. Sie wollte diesen Händedruck lernen.

Unter der Hutkrempe zwinkerten seinen blauen Augen. Sie spürte, wie sich ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen. Dann erst merkte sie, dass er immer noch ihre Hand festhielt. Sanft zog sie ihre Finger aus seinem Griff.

Einige pulsbeschleunigende Sekunden lang sah ihr Arbeitgeber sie an, doch sie wich seinem Blick nicht aus, sondern erwiderte ihn fest. Ihr war bewusst, dass Cade Hindmarsh im Begriff war, sie einzuschätzen.

Schließlich würde sie in den nächsten zwei Monaten seine beiden kleinen Töchter betreuen. Sie könnte keinen Mann respektieren, der sich nicht selbst ein Bild machte, sondern sich nur auf Bewerbungsunterlagen und ein Telefoninterview verließ. Selbst wenn das Gespräch sehr anstrengend und gründlich gewesen war.

„Und? Bin ich Ihnen gut genug?“, fragte sie schließlich, als sie die Spannung nicht länger aushielt.

Sie zweifelte keine Sekunde daran, dass er sie direkt wieder ins Flugzeug setzen und zurück nach Melbourne schicken würde, wenn seine Antwort Nein war.

Der Gedanke ließ ihren Mund trocken werden, und ihr Herz setzte ein paar Schläge aus, bevor es umso härter gegen ihre Rippen schlug. Sie konnte nicht wieder zurück nach Melbourne. Noch nicht!

Melbourne … Dezember … mitten in all der Planung für eine Hochzeit, die ihre eigene hätte sein sollen. Das könnte sie nicht ertragen.

„Wofür ist dieser Ort perfekt?“

Perfekt? Nicola Ann, das kann nicht dein Ernst sein! hörte sie die Stimme ihrer Mutter in ihren Gedanken. Entschlossen ignorierte sie sie.

„Alles hier …“, begann sie und beschrieb mit einer ausholenden Geste die Landschaft, „… ist so ganz anders als alles, was ich kenne, aber es ist genauso, wie ich es mir vorgestellt habe.“

„Und das ist gut?“

„Ich finde schon.“ Sogar sehr gut.

„Eine Menge Leute, die hierherkommen, laufen vor irgendetwas weg.“

Sie weigerte sich, den Blick zu senken. „Sind Sie darum hier?“

Jerrys Lachen erinnerte sie wieder daran, dass sie und ihr Arbeitgeber nicht alleine waren.

„Wir Hindmarshes sind seit Generationen hier draußen.“

Sie hob eine Augenbraue. „Heißt das Nein?“

Wieder zwinkerten seine blauen Augen. „Das heißt Nein.“

„Manche Leute kommen auch hierher …“, wählte sie ihre Worte sorgfältig, „um nicht nur so viel wie möglich von ihrem eigenen Land zu sehen, sondern auch selbst zu erleben.“

„Und darum sind Sie hier?“

„Für mich ist es ein Abenteuer, hier zu sein.“

Außerdem war es eine Auszeit und eine dringend benötigte Pause von Melbourne und allem, was sie an ihre unglaubliche Dummheit und Naivität erinnerte. Aber das erwähnte sie mit keinem Wort. Ihr Boss könnte ihre Gründe vielleicht als Weglaufen auslegen.

Nach deiner Rückkehr wird alles immer noch so sein wie vorher, Nicola Ann.

Vielleicht hatte ihre Mutter recht. Aber in den nächsten zwei Monaten konnte sie vielleicht die Kraft finden, es mit allem aufzunehmen. Sie hoffte, sich in dieser Zeit zu verändern, ein anderer Mensch zu werden … härter, stärker … Jemand, den man nicht betrügen, belügen und ausnutzen würde.

Endlich lächelte Cade. „Willkommen in Waminda Downs, Nicola.“

Erleichtert stieß sie die Luft aus. „Danke.“

Sie konnte nicht anders, als zu strahlen. Als Cades Lächeln zu einem Grinsen wurde, glaubte sie Dianes Flüstern zu hören: „Sexy Typ.“

Bei dem Gedanken an ihre beste Freundin verschwand Nicolas Lächeln. Sie trat zurück und verschränkte die Arme. Cades Augen verengten sich, und auch sein Lachen erlosch.

Etwas in ihr bedauerte ihr schroffes Verhalten, aber sie unterdrückte den Impuls. Sie war hier, um sich zu verändern. Nicht, um direkt den nächsten Mann anzuschmachten.

Sie ging um Cade herum und hob ihren Koffer hoch. „Ich freue mich sehr darauf, Ella und Holly kennenzulernen.“

Cade schwieg. Nicola biss sich auf die Zunge, sie war nicht hier, um Freunde zu finden. Sie war nicht hier, um irgendjemandem zu gefallen … nicht Cade, niemandem. Sie war hier, um einen Job zu erledigen und um ihren Kopf wieder freizubekommen.

Auch fit zu werden stand auf ihrer To-do-Liste. In zwei Monaten würde sie diesen Koffer durch die Gegend schwenken, als würde er nichts wiegen. So wie Cade es getan hatte.

Ärgerlich bemerkte sie, dass ihr Blick immer wieder von ihm angezogen wurde. Um ihn nicht dauernd anzustarren, tat sie, was er tat und beschattete ihre Augen und sah zu, wie das Flugzeug abhob.

Dann drehte sie sich langsam einmal um sich selbst und betrachtete dabei die Landschaft. Schließlich zuckte sie mit den Schultern. „Also, ich verstehe das nicht. Soweit das Auge reicht, sieht das Land flach aus. Ich kann keine Farm sehen.“

„Das Land ist trügerisch.“ Er öffnete ihr die Tür des staubigen Geländewagens.

Unter seinem festen Blick kletterte sie unbeholfen hinein und stieß sich dabei sowohl ihren Ellbogen als auch ihr Knie.

Oh, Nicola Ann, du bist so ein Tollpatsch.

Er sagte nichts, aber sie hätte schwören können, dass seine blauen Augen funkelten, bevor er die Tür schloss. Ohne ein weiteres Wort setzte er sich auf den Fahrersitz, und sie machten sich auf den Weg, der nicht mehr als eine Piste war.

„Ist es weit bis zur Farm?“

„Etwa fünf Kilometer.“

Sie wartete. Mehr sagte er nicht. Auf der holprigen Straße, wenn man sie denn überhaupt so nennen konnte, war es unmöglich, schneller als dreißig Stundenkilometer zu fahren. Cades großer, breiter Körper beherrschte den Innenraum der Kabine, und aus Gründen, die Nicola sich nicht erklären konnte, machte sie das nervös.

„Ist das Land in der Nähe der Farm für eine Landebahn ungeeignet?“

Er warf einen Blick in ihre Richtung. Sie bezweifelte, dass seinen Augen viel entging.

„Feuer“, sagte er.

Sie blinzelte. „Wie bitte?“

„Ein Unfall könnte ein Buschfeuer auslösen und die Farm gefährden.“

Oh. Das war einleuchtend.

In diesem Moment erreichten sie eine Anhöhe, und Cade brachte den Pick-up zum Stehen. Nicola betrachtete das Panorama, das sich vor ihr ausbreitete, und bevor sie sich zurückhalten konnte, rief sie: „Wow!“ Dabei hatte sie sich vorgenommen, ihre Begeisterung zu zügeln und alles rein beruflich zu halten.

Sie schluckte. „Sehr beeindruckend, Mr. Hindmarsh.“

„Cade“, korrigierte er sie. „Hier draußen sind wir nicht so förmlich, Nicola.“

Die Farm war viel größer als sie sich vorgestellt hatte. Auf der ihnen am nächsten gelegenen Seite befand sich ein weitläufiges einstöckiges Haus mit zwei Flügeln. Eine Veranda zog sich um das gesamte Gebäude. Die Wände waren in strahlendem Weiß und das Wellblechdach in einem kühlen, tiefen Grün gestrichen.

Aber nicht die Größe des Hofs raubte ihr den Atem. Es war der Garten, der ihn umgab. Selbst aus dieser Entfernung konnte sie die Wedel der beiden prächtigen Baumfarne und eine Vielzahl hochgewachsener Dattelpalmen erkennen.

„Ich kann nicht glauben, dass hier so viel gedeihen kann. Es sieht aus wie eine Oase.“

„Wir haben unser eigenes Wasser gebohrt“, sagte er. „Aber ich habe hier nicht angehalten, um die Aussicht zu bewundern. Ich möchte, dass du einige grundlegende Tatsachen verstehst, um Ärger während deiner Zeit bei uns zu vermeiden.“

Sie runzelte die Stirn.

„Du denkst vielleicht, zwei Monate hier im Outback sind ein Abenteuer. Aber das Land ist unversöhnlich. Es zu unterschätzen, ist lebensgefährlich.“

Nicola versuchte, einen Schauer zu unterdrücken. „Ich verstehe.“ Als sie hörte, wie schwach und jämmerlich ihre Stimme klang, fuhr sie lauter fort: „Was muss ich alles wissen?“

„Diese Landschaft täuscht das Auge. Du denkst, du weißt, wo du bist, und dann drehst du dich um und kannst weder das Gehöft noch etwas anderes sehen, das dir bekannt vorkommt. Und schon …“, er schnippte mit denFingern, „… hat man sich verirrt. Du darfst niemals alleine herumlaufen.“

Ihr Herz sank. Da schwand ihr Plan, sich fit und schlank zu joggen.

Verdammt! Sie hatte sich geschworen, durchtrainiert und gebräunt nach Melbourne zurückzukehren, um Diane, Brad und ihren anderen Freunden zu zeigen, dass sie mit ihrem Leben weitermachte.

Damit würde sie allen beweisen, dass man sie nicht mehr bemitleiden musste. Und das nächste Mal, wenn ein Mann sie verließ, wollte sie sicher sein, dass es nicht daran lag, dass sie zehn Kilo zu viel wog.

„Waminda Downs umfasst zwölftausend Quadratkilometer. Da muss man eine Menge absuchen, wenn jemand vermisst wird.“

Sie verstand, was er damit sagen wollte. Wenn hier jemand vermisst wurde, würde er vielleicht niemals gefunden werden.

„Siehst du den weißen Zaun?“

„Ja.“

„Er umschließt unsere Pferdekoppel, das Farmhaus und die Nebengebäude. Innerhalb von dem Zaun kannst du dich frei bewegen, aber du darfst diese Grenze nicht alleine überschreiten.“

„Verstanden.“

„Und ich möchte, dass du und die Mädchen euch von den Viehhöfen fernhaltet.“ Er zeigte auf einige Gebäude, die durch eine Reihe von Nebengebäuden vom Haupthaus getrennt waren. Er fuhr fort, ihr alles zu erklären: „Dort siehst du den Maschinenschuppen, Scheune und Stallungen. In den kleineren Häusern am anderen Ende leben die Viehzüchter mit ihren Familien.“

Sie nickte. Es kam ihr vor, als wäre Waminda Downs eine eigene blühende Gemeinde. „Muss ich sonst noch etwas wissen?“

„Auch wenn du innerhalb des Zauns auf Entdeckungstour gehst, nimmst du immer eine Wasserflasche mit, trägst einen Hut und Sonnencreme. Wir haben jetzt Sommer, und die Sonne ist gnadenlos.“

„Keine Sorge, Mr. Hindmarsh. Zwischen elf und drei Uhr bleibe ich mit den Mädchen im Haus.“

„Im Garten ist es überraschend kühl.“

Darüber würde sie sich ihre eigene Meinung bilden. Sie befand sich zwei Flugstunden vom nächsten Krankenhaus entfernt und hatte nicht die Absicht, bei ihren Schützlingen einen Sonnenstich zu riskieren.

„Und noch eine letzte Sache.“

Etwas in seinem Ton brachte sie dazu, sich umzudrehen. „Ja?“

Seine blauen Augen funkelten. „Mein Name ist Cade.“

Plötzlich fiel ihr auf, dass sie diesen Mann nicht mit seinem Vornamen ansprechen wollte. Dabei hatte sie noch nie ein Problem damit gehabt, einen ihrer früheren Arbeitgeber beim Vornamen zu nennen.

Sie schluckte. Er war zu … zu selbstbewusst, zu überwältigend … zu … alles, was sie selbst nicht war. Er machte ihr all das, was ihr fehlte, so deutlich bewusst, dass sie ihr Gesicht abwenden musste.

Feigling.

Trotzig hob sie das Kinn. Sie würde cool und ausgeglichen sein. Kompetent und klug. Sie würde respektiert werden. Sie befeuchtete ihre Lippen und errötete prompt, als seine Augen der Bewegung folgten.

„Cade“, sagte sie.

Aber auch wenn sie sich noch so viel Mühe gegeben hatte, souverän und cool zu klingen, kam sein Name viel zu heiser heraus.

Er hob eine Braue. „Siehst du? War gar nicht so schwer, oder?“

Bevor sie antworten konnte, ließ er den Motor wieder an, und sie machten sich auf den Weg zur Farm. Diesmal unterdrückte sie jeden Impuls, die Stille zu füllen. Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, zu erkennen, was auf den Stämmen der Dattelpalmen glitzerte und was diese Gegenstände waren, die den Rasen übersäten.

Als sie näher kamen, weiteten sich ihre Augen. Das Glitzern … es war Lametta. Und die Gegenstände auf dem Rasen …

Oh. Mein. Gott. Das waren weihnachtliche Holzfiguren, die in den grellsten Farben bemalt waren. Auf einer Seite des Rasens befand sich ein Weihnachtsmannschlitten zusammen mit vier fröhlichen Rentieren.

Auf der anderen Seite stand ein hölzerner Weihnachtsmann in seiner ganzen Festtagsfröhlichkeit. Zu seinen Füßen lag ein Sack voller Geschenke. Abwechselnd mit grünen und roten Sternen, hingen goldene und silberne Schneeflocken von der Decke der Veranda. Lametta in allen Farben rankte sich um die Verandapfosten.

Nicola zuckte zusammen. Weihnachten. Natürlich war ihr klar gewesen, dass sie es nicht ganz vermeiden konnte … Cade hatte immerhin zwei kleine Töchter … aber … Sie hatte gedacht, hier draußen im Outback würde Weihnachten eher eine Nebensache sein …

Ihr Magen verkrampfte sich.

Das Auto hielt am Rand eines Weges, der mit übergroßen Zuckerstangen gesäumt war. Schon jetzt wusste Nicola, dass sie nachts leuchten würden.

Am Ende des Weges führten vier breite Stufen die Veranda hinauf zur Haustür. Drei hölzerne Engel zierten das Dach der Veranda. Ihre Trompeten waren zum Himmel erhoben, als würden sie die Weihnachtszeit ankündigen.

Um das Brennen in ihren Augen zu vertreiben, zwinkerte Nicola heftig. Diese ganze Zeit war eine allzu lebendige Erinnerung an die Hochzeit, die sie jetzt hätte planen sollen, an alles, was sie verloren hatte.

Sie schluckte und versuchte, den Schmerz zu ignorieren, der sich in ihrer Brust ausbreitete.

Neben ihr lachte Cade leise. „Das hast du bestimmt nicht erwartet, oder?“

Nicola schaffte es nicht, ihm zuzustimmen.

„Was hältst du davon?“

Sie hasste es! Aber das konnte sie ihm natürlich nicht sagen. Sie zerbrach sich den Kopf nach einer unverbindlichen Antwort. Doch als sie ihn ansah, erkannte sie, dass sie sich nicht weiter bemühen musste.

Ein Blick in sein Gesicht sagte ihr, dass sie ihm nichts vormachen konnte. Seine Augen verengten sich.

Sie schluckte und kämpfte um ein Lächeln. „Und da dachte ich, dass ich das alles in der Stadt zurückgelassen habe.“

Seine Lippen wurden schmal. „Davor läufst du also weg.“

„Ich laufe vor gar nichts weg.“ Sich eine Auszeit zu nehmen, war kein Weglaufen.

Er lehnte sich zurück, aber seine Augen blieben hart. Blauer Feuerstein in einer Landschaft aus Kaki und Braun. Ihr Herzschlag pochte bis in ihren Hals.

„Ich bin noch längst nicht fertig. In den nächsten ein oder zwei Wochen hänge ich noch am Haus und im Garten bunte Lichterketten auf.“

Die Farm würde wie ein kitschiger Märchenpalast aussehen. Sie holte tief Luft. Oder wie eine viel zu üppig dekorierte Hochzeitstorte.

„Wir feiern Weihnachten dieses Jahr ganz groß, Ms. McGillroy. Wenn das ein Problem für Sie sein sollte, ist es noch nicht zu spät. Ich kann Jerry per Funk anrufen, damit er zurückkommt und Sie hier rausfliegt.“

Damit sie sich all der falschen Heiterkeit in Melbourne stellen konnte? Nein, vielen Dank! Dort müsste sie ein fröhliches Gesicht aufsetzen und auch Weihnachten feiern. Die Leute in Waminda Downs kannten sie wenigstens nicht. Hier würde man nicht über sie tratschen oder sie mit Mitleid überschütten.

„Ich dachte, wir hätten uns auf Vornamen geeinigt, Cade.“

Ganz langsam wurde sein harter Blick wieder weicher.

Nicola runzelte die Stirn und wandte sich zu ihm um. „Du kommst mir selbst nicht gerade wie ein Mann vor, der für sein Leben gerne Weihnachten feiert.“

„Das beweist mal wieder, wie der äußere Anschein täuschen kann.“

Er ist ein alleinerziehender Vater, erinnerte sie sich. Natürlich war es das Wichtigste für ihn, seinen Kindern ein schönes Fest zu bereiten. „Ich würde keinem Kind die magische Weihnachtszeit verderben“, versicherte sie.

Cade musterte sie immer noch. Schließlich nickte er. „Schön, dass das geklärt ist.“

Seine offensichtliche Liebe zu seinen Töchtern berührte etwas tief in ihrem Inneren. Plötzlich stieg eine Wärme in ihr auf, die sie nicht fühlen wollte.

„Wann kann ich Ella und Holly kennenlernen?“, fragte sie betont sachlich.

„Ungefähr jetzt, würde ich sagen.“

Nicola drehte sich um … und war verliebt.

Die vierjährige Ella und die achtzehn Monate alte Holly trugen das breiteste Lächeln auf den spitzbübischsten Gesichtern, die Nicola je gesehen hatte. In passendem Rot und Grün kletterten sie die Vordertreppe der Farm hinunter und kamen den Weg entlang auf sie zu.

Nicola schluckte. Damit hatte sie nicht gerechnet. Was wurde jetzt aus ihrem Plan, gefühlsmäßig auf Abstand zu bleiben?

Als sie ausstieg, musste sie lächeln.

Kinder zählen nicht. Kinder lügen und betrügen nicht. Kinder tun nicht so, als wären sie deine Freundin und stehlen dann deinen Verlobten.

Vor Kindern musste sie ihr Herz nicht schützen.

Cade beobachtete, wie Nicola seine beiden Mädchen begrüßte und innerhalb von zwei Sekunden ihr Herz gewann.

Das war allerdings nicht schwer und keine besondere Leistung dieses verwirrenden Kindermädchens. Trotz allem, was sie durchgemacht hatten, waren Ella und Holly bemerkenswert vertrauensvoll. Sie hätten sich genauso gefreut, wenn er ihnen den Piloten Jerry als neues Kindermädchen vorgestellt hätte.

Als er die drei beobachtete, zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Ihre Mutter sollte hier sein. Kein Kindermädchen. Und kein noch so übertriebener Weihnachtskitsch konnte das wiedergutmachen.

Trotzdem würde er sich nicht davon abhalten lassen, ihnen das schönste Weihnachtsfest zu bereiten, das nur möglich war.

Gerade als er aus dem Auto stieg, hörte er, wie Ella fragte: „Kann ich dich Nikki nennen?“

Nicola schüttelte sehr ernst den Kopf. „Nein, aber du kannst mich Nic nennen. Alle meine Freunde nennen mich Nic.“

Ella klatschte begeistert in die Hände, doch er sah, wie bei der Erwähnung ihrer Freunde ein Schatten über Nicolas Gesicht huschte. Zu seiner Überraschung stellte Cade fest, dass er diesen Schatten vertreiben wollte.

Er wusste nicht, warum. Sie war nicht besonders anziehend, normal groß mit einer durchschnittlichen Figur, vielleicht etwas kräftiger. Als sie aus dem Flugzeug gestiegen war und sich umgesehen hatte, war er auf den ersten Blick zufrieden gewesen. Als er ihr die Hand geschüttelt hatte, war er mehr als zufrieden gewesen.

Und dann war sie mit einem Mal ganz kühl und fast unfreundlich geworden, und er hatte noch nicht herausgefunden, warum.

Kritisch sah er zu, wie sie mit seinen Töchtern sprach … durchschnittliches Haar, ein unscheinbares Braun und ein durchschnittliches Gesicht. Durchschnittliche Kleidung … weite Dreiviertelhosen und ein übergroßes Hemd, beides schmeichelte ihr nicht. Aber diese Augen … an ihnen gab es nichts Durchschnittliches. Und dann waren da noch diese Schatten, die immer wieder über ihr Gesicht zogen.

Weihnachten war nicht die Zeit für Schatten. Waminda Downs war nicht der richtige Ort dafür.

Tief hakte er seinen Daumen in die Tasche seiner Jeans. Trotz allem, was sie erzählt hatte, lief sie vor etwas davon. Da war er sich sicher. Natürlich hatte er sie überprüft. Kriminell war sie nicht. Und die Art, wie sie seine Töchter anlächelte, ihre unbefangene Art mit ihnen, sagte ihm, dass man ihr vertrauen konnte.

Aber konnte man ihr auch vertrauen, dass sie ihr Wort hielt und nicht das Weihnachtsfest ruinierte? Ella und Holly hatten genug gelitten. Sie verdienten alle Freude und alle Feierlichkeiten, die er ihnen an diesem Weihnachtsfest bereiten konnte.

Schuldgefühle wegen des letzten Weihnachtsfests quälten ihn. Bei der Erinnerung spürte er einen bitteren Geschmack in seinem Mund. Im letzten Jahr hatten sie kein Weihnachten gefeiert.

Er ballte die Hände zu Fäusten. Im vergangenen Jahr war er dazu nicht in der Lage gewesen. Dass Fran ihn verlassen hatte, ihre Kinder zurückgelassen hatte, sein Versagen, seine Familie zusammenzuhalten, hatte alles überschattet. Er hatte zugelassen, dass seine Bitterkeit, seine Wut und seine Verzweiflung im letzten Jahr Weihnachten verdorben hatten.

Aber nicht in diesem Jahr.

Jetzt warf Nicola den Kopf zurück und lachte über etwas, das Ella sagte, und Ella lachte, und Holly lachte, bis alle drei in einem Wirrwarr von Gliedmaßen lachend zu Boden fielen.

Der Anblick traf ihn bis ins Innerste. Hastig trat er einen Schritt von dem Trio fort.

„Die Kinder haben die neue Nanny also schon kennengelernt?“

Er warf einen Blick auf seine Haushälterin Martha Harrison, genannt Harry.

„Ja.“

„Und sie scheinen sich zu verstehen.“

Nicola erhob sich. Als sie zu ihm herüberschaute, sah sie wieder aus wie vorher, ihre Zurückhaltung war zurückgekommen. Sein Unbehagen wuchs.

Nachdem er die beiden Frauen einander vorgestellt hatte, folgte er ihnen ins Haus und wartete in der Küche, während Harry und die Mädchen Nicola ihr Zimmer zeigten.

„Was ist los?“, fragte er Harry, als sie alleine zurückkam. „Wo sind Ella und Holly?“

Die ältere Frau kicherte. „Sie helfen Nicola beim Auspacken.“

Er stieß die Luft aus. „Findest du sie nicht ein bisschen … steif?“

„Na ja, sie redet nicht unnötig viel und hat keine Sonderwünsche. Das reicht mir.“ Sie warf ihm einen Blick zu, während sie den Wasserkocher aufsetzte. „Vergiss nicht, sie ist weit weg von zu Hause, und hier gibt es eine Menge Neues für sie.“

All das stimmte, aber …

Cade atmete tief durch. In den letzten sechzehn Monaten hatte er Ella und Holly oft genug im Stich gelassen. Sein ganzer Körper spannte sich an. In diesem Jahr würde es das schönste Weihnachtsfest auf Waminda Downs geben, mit allem, was dazugehörte.

Und er hoffte, dass Nicola ihm half, damit alles so reibungslos und wunderschön wurde, wie er es geplant hatte.

2. KAPITEL

Am nächsten Morgen um zehn nach sechs trat Nicola in Laufshorts und einem übergroßen T-Shirt aus den Fenstertüren ihres Schlafzimmers auf die Veranda hinaus. Sie blinzelte in die Morgensonne.

Zehn nach sechs? Sie verkniff sich ein Aufstöhnen. Sie war noch nie ein Morgenmensch gewesen.

Zehn nach sechs, und es wurde schon höllisch warm. Bald würde sich die Hitze des Tages wie eine erstickende Decke über die Farm legen.

Es könnte sogar schon jetzt zu heiß zum Laufen sein und … Hör auf damit!

Sie würde sich nicht selbst sabotieren, bevor sie überhaupt angefangen hatte.

Autor

Michelle Douglas
Das Erfinden von Geschichten war schon immer eine Leidenschaft von Michelle Douglas. Obwohl sie in ihrer Heimat Australien bereits mit acht Jahren das erste Mal die Enttäuschung eines abgelehnten Manuskripts verkraften musste, hörte sie nie auf, daran zu arbeiten, Schriftstellerin zu werden. Ihr Literaturstudium war der erste Schritt dahin, der...
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